Kapitel Fünf Gesucht und gefunden

In den Wäldern, bei Nacht, gibt es schlimmere Dinge als Tyger.


Die Teleportarmbänder setzten uns mitten im Herzen eines dichten Waldes ab. Es war Abend und wurde zunehmend dunkler. Ringsumher nur große und schlanke Bäume. Sie waren von üppigem Grün und Rankenpflanzen überwuchert. Der Boden unter meinen Füßen war hart und trocken; grobe, braune Erde, zerbrochen und zerrissen. Die Vegetation war an einer Seite dichter als an der anderen, die hinunter zu einem träge fließenden Strom führte, aus dessen schlammigen braunen Wassern Baumstümpfe ragten. Die Luft war glühend heiß und feucht und lag nach der bitteren Kälte am Loch Ness schwer in meinen Lungen. Mir brach der Schweiß aus. In der Ferne, hinter dem von Bäumen begrenzten Horizont, ging die Sonne in glühendem Orange und Dunkelrot unter. In weniger als einer Stunde würde es dunkel werden, und so weit von jeder Zivilisation entfernt würde es wirklich stockdunkel sein. Um uns herum brummte die Luft von Vogel- und Tierrufen und dem ständigen Summen von Insekten.

»Na toll«, meinte der Blaue Elf bitter. »Eine Umgebung, die noch unangenehmer ist als die letzte, auch wenn ich auf einen Stapel Zauberbücher gewettet hätte, dass so etwas unmöglich ist. Hier ist es wie in einem verdammten Backofen. Ich fühle wirklich, wie meine Haut sich bräunt. Sind das Moskitos?«

»Wahrscheinlich«, erwiderte ich.

»Mist.« Der Blaue Elf sah zum dunkler werdenden Himmel auf. »Warum ich, Herr? Warum ich? War ich so schlecht in meiner letzten Inkarnation? Was habe ich getan? Habe ich etwa Hundebabys zu Tode getreten?«

»Du würdest auch im Paradies etwas finden, um dich zu beschweren«, sagte ich amüsiert.

Er schnaubte laut. »Die würden mich doch ums Verrecken gar nicht erst reinlassen.« Er sah sich anklagend um. »Ja, großartig, ein anderer Ort, auf den ich nicht vorbereitet bin. Ich bin kein Naturbursche. Wenn ich könnte, würde ich sogar jemanden bezahlen, der das alles für mich macht. Hat irgendjemand eine Idee, wo zum Teufel wir jetzt wieder sein könnten?«

»Während du nur rumgeheult hast, habe ich mit Langley gesprochen«, sagte Honey. »Sie haben einen Spionagesatelliten auf mein Implantat ausgerichtet, um mich zu orten und offenbar sind wir irgendwo in der Wildnis von Arkansas, in der Nähe der Grenze zu Texas. Meilenweit entfernt von jeder Zivilisation und so weit ab vom Schuss, dass man den nicht mal hören kann.«

»Dann erschieß mich, damit ich es hinter mir habe«, stöhnte der Blaue Elf.

»Führe mich nicht in Versuchung!«, meinte ich.

»Wie viele Kilometer sind es genau bis zur nächsten menschlichen Ansiedlung?«, fragte Walker praktisch wie immer.

»Vielleicht fünfzig, sechzig bis zur nächsten Kleinstadt«, meinte Honey. »Schwer zu sagen, es gibt keine exakten Karten von dieser Gegend.«

»Lass mich raten«, bemerkte Peter. »Weil hier nie jemand hinkommt, richtig?«

»Vielleicht ein paar Fallensteller oder Jäger«, sagte Honey. »Hinterwäldlerische Eremiten, die für sich bleiben.«

»Hört ihr auch die Banjo-Musik in der Ferne?«, fragte der Blaue Elf.

»Halt die Klappe«, sagte ich.

Honey machte sich auf den Weg durch die Bäume. Und weil sie so aussah, als wüsste sie, wo sie hinging, folgte ihr der Rest auf dem Fuße - wir hatten auch keine bessere Idee. Sie zog ihren Fellmantel aus, ließ ihn achtlos auf den Boden fallen und ging weiter. Wir anderen gingen vorsichtig darüber hinweg oder drum herum. Honey war eine Agentin, man konnte nicht wissen, was für schmutzige Tricks sie mit ihrem Mantel weggeworfen hatte. Der Blaue Elf seufzte anerkennend.

»Das hat wirklich Stil. Einen Mantel wegwerfen, der ein paar hunderttausend Dollar wert ist, und einfach weitergehen.« Er riss sich seinen gerüschten Kragen vom Hals und warf ihn mit einer dramatischen Geste in die Bäume.

»Du solltest dir den Brustharnisch abnehmen, wenn du schon dabei bist«, meinte ich. »Er muss eine halbe Tonne wiegen, und in dieser Hitze wird das nur schlimmer. Du brauchst ihn nicht. Du hast jetzt einen Torques, der dich beschützt.«

Er sah auf die bronzene und silberne Brustplatte herunter, in die schützende Runen eingraviert waren und schüttelte steif mit dem Kopf. »Nein. Ich denke nicht. Wenn es drauf ankommt, dann bleibt man besser bei den Dingen, denen man vertrauen kann.«

Ich warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, wie sich die anderen machten. Peter King ging alleine und stolperte dabei über die gelegentlichen Wurzeln im Boden, weil seine Aufmerksamkeit ganz klar woanders lag. Wenn das überhaupt möglich war, dann sah er in den Wäldern des US-amerikanischen Südens noch mehr fehl am Platz aus als in den schottischen Highlands. Er hatte sein teures Jackett ausgezogen und über die Schulter geworfen, seine Hemdsärmel aufgekrempelt und damit seine blassen Arme den Mücken zum Fraß freigegeben. Walker hatte der Hitze nicht einmal das zugestanden; er trug seinen eleganten Stadtanzug immer noch wie eine Ritterrüstung. Auch wenn er seinen klassischen Schlips ein klein bisschen gelockert hatte. Er schlenderte lässig den Pfad entlang, lächelte und schien die Landschaft zu genießen, als befände er sich auf dem Landsitz eines Bekannten.

Die Vegetation und die Bäume lichteten sich plötzlich, als wir an ein Flussufer kamen. Der Strom war so breit, dass er beinahe ein See hätte sein können. Die schlammigen Wasser flossen gemächlich dahin und wirbelten um die hier und da herumliegenden Baumstümpfe mit ihren verdrehten und knotigen Ästen. Kleine, dunkle Schatten schossen hier und da durch das Wasser, vielleicht Biber? Ich kenne mich mit Wildtieren nicht sehr gut aus. Und ich kann nicht an Biber denken, ohne dass mir die sprechenden Biber aus Narnia einfallen. Ich wäre sicher ein lausiger Trapper.

Wir standen alle am Ufer, gaben uns gegenseitig Trost und Unterstützung in derart fremder Umgebung und betrachteten den Fluss. Von Horizont zu Horizont dasselbe. Es wurde dunkler. Der Blaue Elf studierte das kotbraune Wasser mit einer Art angeekelter Faszination.

»Glaubt ihr, es gibt Alligatoren hier?«

»Höchstwahrscheinlich«, erwiderte ich.

»O Gott.«

»Mit Alligatoren werde ich fertig«, meinte Honey fröhlich. »Ich könnte ein paar neue Schuhe brauchen. Oder sogar Koffer.«

Die Schatten wurden länger und füllten den Raum zwischen den Bäumen aus. Das Tageslicht verschwand, und der Himmel war von einer stumpfen, dunkelroten Farbe wie getrocknetes Blut. Die Dunkelheit kroch bereits um uns herum, ich konnte nicht einmal mehr so weit sehen wie zu dem Zeitpunkt, als wir gekommen waren. Ich hatte außerdem das eindringliche Gefühl … beobachtet zu werden.

»Hat noch einer außer mir diesen Film The Blair Witch Project gesehen?«, fragte Peter.

»Er hat mir gefallen«, sagte Walker überraschenderweise.

»Ich hab ihn im Kino gesehen«, meinte Honey. »Diese ruckartigen Kamerabewegungen haben mich seekrank werden lassen.«

»Ich war immer der Meinung, sie hätten James Cameron den zweiten Teil drehen lassen sollen«, warf der Blaue Elf ein. »Er hätte daraus ein zweites Aliens machen können. Eine ganze Truppe schwer bewaffneter Marines in die Blair-Wälder schicken und alles wegschießen, was sich bewegt. Ich hätte gern gesehen, wie das der Blair-Hexe gefallen hätte!«

»Oh, Mann, sagt mir nicht, dass wir hier sind, um nach der Blair-Hexe zu suchen«, maulte ich. »Das war doch von Anfang bis Ende nur Fiktion, und zur Hölle mit allem, was im Internet dazu gesagt wurde!«

»Nein«, meinte Peter. »Der Sasquatch vielleicht. Weißt du, Bigfoot. Halb Mensch, halb Affe, vielleicht sogar das Missing Link. Oft gesehen, nie ordentlich identifiziert.«

»Eigentlich war Sasquatch ein Name der Ureinwohner Nordamerikas für einen besonders zurückgezogenen Stamm, den man das Schüchterne Volk nannte«, murmelte Walker. »Der Name Bigfoot ist neueren Datums und geht auf die Spuren zurück, die man an unterschiedlichen Orten gefunden hat.«

»Ich habe ein paar Fotos und eine Menge Amateurfilme gesehen«, sagte ich. »Aber nichts, was mich auch nur im Entferntesten überzeugt hätte. Und in der Droodschen Bibliothek gibt es fast nichts über Bigfoot. Hauptsächlich, weil wir nie an ihm interessiert waren. Wenn sie selbst versteckt und für sich bleiben wollten, dann war uns das nur recht.«

»Ich habe einen Film im Fernsehen gesehen, als ich noch ein Kind war«, sagte Honey langsam. »Über eine Kreatur in Arkansas - und ich habe mich halb zu Tode gegruselt. Die Kreatur ging in dieser Kleinstadt um und hat sogar die Leute dort terrorisiert. Aber sie wurde nie identifiziert. Vielleicht sind wir deswegen hier.«

»Könnte sein«, sagte Peter. »Vielleicht hat Großvater den Film ebenfalls gesehen.«

Die Insekten umschwärmten uns jetzt dichter, sie kamen in Wolken vom Flussufer her. Wir alle wedelten mit den Händen, aber es war, als hielten wir Schilder mit der Aufschrift: Frischfleisch! So viel ihr nur wollt! hoch. Weil Moskitos ja immerhin bekannt dafür sind, an Flussufern zu dem ausdrücklichen Zweck zu brüten, Malaria unter den Leuten zu verbreiten, dachte ich schon ernsthaft darüber nach, selbstschutztechnisch hochzurüsten, als der Blaue Elf ein halbes Dutzend Worte in Altem Elbisch zwischen den Zähnen hervorpresste. Plötzlich fiel jedes einzelne Insekt aus der Luft auf den Boden. Mausetot. Die Welt schien abwägend innezuhalten, dann entschieden sich auch die anderen Insekten, die aus dem Fluss aufgestoben waren, sich ihr Futter woanders zu suchen. Wir sahen den Blauen Elfen mit neu erwachtem Respekt an. Er lächelte glücklich.

»Auf Partys wirkt das gegen Leute, die sich an einen heranwanzen, sogar noch besser als bei Insekten. Hört zu, es wird sehr bald Nacht sein und nicht einmal Bates' Motel ist in der Nähe, in dem wir übernachten könnten. Was hat sich Alexander King bloß dabei gedacht, uns irgendwo jwd auszusetzen? Ich meine, wie sollen wir den verflixten Sasquatch denn in gottweiß wie vielen Quadratkilometern von Urwald finden? Der könnte doch überall sein. Ihr könnt Gift drauf nehmen - wenn er uns aus dem Weg gehen will, dann kann er sich so gut verstecken, dass wir direkt an ihm vorbeilaufen, ohne zu wissen, dass er da ist! Ich wandere nicht durch diese gottverlassene Wildnis, gekleidet wie ein Nebendarsteller in Shakespeare in Love, nur weil ich hoffe, ich renne zufällig in ihn hinein.«

»Entspann dich, Blue«, meinte ich. »Du hast ja Schnappatmung.«

»Das ist ja wohl verständlich! Sieht vielleicht auch nur einer von uns aus wie einer dieser extremen Outdoor-Camper-Typen?«

»Tut mir leid, dass ich diejenige sein muss, die dir das sagt«, meinte Honey. »Aber unsere Situation ist sogar noch schlimmer. Langley meint, diese Wälder bestehen aus hunderten, wenn nicht tausenden Quadratkilometern, der größte Teil absolut unkartografiert und nur mit einer Anmerkung versehen: Hier gibt es wilde und tödliche Raubtiere, die dir den Arsch aufreißen, wenn du nicht aufpasst.«

»Ich will nach Hause«, jammerte Blue.

»Welche Art von … tödlichen Raubtieren?«, fragte Peter und sah sich hektisch um.

»Alligatoren, Bären, Wölfe, Wildschweine, Schlangen und alles, was du dir nur vorstellen kannst«, meinte Honey heiter. »Großartiges Jagdgebiet. Meine Onkel haben mich immer zum Jagen mitgenommen, als ich noch klein war. Auch wenn das meist daraus bestand, Bier zu trinken, im Kreis herumzulaufen und Geschichten zu erzählen, die für mein zartes Alter überhaupt nicht geeignet waren. Wie auch immer, ich konnte mit einem einzigen Schuss einen ausgewachsenen Bock erlegen, ihn häuten und ausnehmen, bevor ich zwölf war.«

»Wie wunderbar primitiv«, antwortete der Blaue Elf.

»Wenigstens hatten wir in Schottland einen See, in dem wir suchen mussten«, sagte Walker in der Vorahnung, dass die Dinge unangenehm zu werden drohten. »Wo genau sollen wir hier anfangen?«

Jeder sah mich an.

»Seht mich nicht an«, sagte ich prompt. »Es gibt eine Menge Geschichten über den Sasquatch, meist sind es Ein-Personen-Treffen, aber alles ziemlich vage. Es gab ein paar kritische Zusammenstöße, aber es gibt keine Aufzeichnung darüber, dass ein Sasquatch je einen Menschen angegriffen oder getötet hätte. Meist gelten sie als … schüchterne und misstrauische Wesen.«

»Schüchtern und misstrauisch, großartig«, sagte der Blaue Elf. »Mit schüchtern und misstrauisch kann ich leben.«

»Und kein Drood hat sich je die Mühe gegeben, die Wahrheit herauszufinden?«, fragte Walker.

Ich sah ihn finster an. »Wir haben eine ganze Welt, über die wir wachen und die wir beschützen müssen. Oft vor Leuten wie Ihnen.«

Wenn Walker mein böser Blick etwas ausmachte, dann versteckte er das gut. »Ich bin überrascht, dass niemand jemals versucht hat, einen Sasquatch zu fangen oder ihm eine Falle zu stellen«, sagte er nachdenklich. »Besonders die Einheimischen sind doch unzweifelhaft alle erfahrene Jäger und Fallensteller. Warum würden sie einer gefährlichen und möglicherweise profitablen Kreatur erlauben, einfach unentdeckt hier in ihrem Hinterhof herumzulaufen?«

»Wenn ich mich recht an das erinnere, was ich in dieser Fernsehshow gesehen habe, haben sie sie einst mit Hunden aufgespürt«, überlegte Honey. »Reinrassige Jagdhunde aus dem ganzen Land. Aber in dem Moment, in dem die Hunde das in die Nase bekommen hatten, wonach sie suchen sollten, klemmten sie den Schwanz zwischen die Beine, wichen zurück und versteckten sich hintereinander. Sie wollten mit dem, was sie rochen, nichts zu tun haben. Ihre Besitzer haben daraus eine Lehre gezogen, und das sollten wir auch.«

»Aber es hat nie jemanden getötet«, widersprach ich. »Also warum hat jeder so eine Angst davor?«

»Vielleicht ist es ein Neandertaler«, sagte Peter plötzlich. »Abgeschnitten von der Welt, in einer der letzten Wildnisgebiete der Erde, der Letzte seiner Art …«

»Vielleicht«, meinte ich. »Aber Alexander King hat uns davor gewarnt, den Yeti aufzustören. Warum also ist es auf einmal in Ordnung, loszugehen und den Sasquatch zu ärgern?«

»Er weiß ganz klar etwas, das wir nicht wissen«, erwiderte der Blaue Elf.

»Darauf kann man wetten, denke ich«, sagte Peter.

»Wartet mal«, sage Honey. »Langley hat mir gerade etwas sehr Interessantes gesagt. Diese Teleport-Armbänder, die wir tragen, sind darauf programmiert, uns hierher zu bringen. An einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Nun, die Armbänder haben uns sicher nach Arkansas gebracht, aber Langley sagt, uns fehlt ein ganzer Tag. Sie sagen, es ist sechsundzwanzig Stunden her, seit sie mich das letzte Mal haben orten können.«

Wir sahen uns an. Die außerirdische Technik schien sich auf einmal fester um unsere Handgelenke zu legen.

»Alexander muss gedacht haben, wir brauchen länger für die Sache mit Nessie«, sagte ich schließlich.

»Aber warum hat er uns hier und jetzt abgesetzt?«, fragte der Blaue Elf anklagend. »Es ist fast Nacht! Es ist so dunkel, dass ich kaum die Hand vor Augen sehen kann. Wie sollen wir so irgendetwas finden? Hat wenigstens jemand eine Taschenlampe?«

»Sie sollten sich wirklich hinsetzen, den Kopf zwischen die Knie nehmen und für eine Weile ganz ruhig atmen«, sagte Walker freundlich.

»Wenn diese Armbänder programmiert sind, uns genau hier hinzubringen, genau zu diesem Zeitpunkt, dann muss Alexander einen Grund dazu gehabt haben«, sagte ich. »Vielleicht ist das schon Sasquatch- Territorium. Wo eine dieser Kreaturen gefunden werden kann. In diesem Fall müssten wir nur hier herumsitzen und abwarten, bis eine vorbeikommt.«

»Wir müssen ein Feuer machen«, sagte Honey entschieden. »Bevor es wirklich dunkel wird. Vielleicht wird das Licht den Sasquatch anlocken.«

»Katt hatte recht«, grollte der Blaue Elf. »Das hat etwas ausgesprochen Amateurhaftes. Einfach rumsitzen und hoffen, dass eine der seltensten Kreaturen der Welt einfach so vorbeispaziert, wenn wir alle wissen, dass uns die Zeit davonrennt? Ich weiß, ich weiß: Lass es fließen, schwimm nicht gegen den Strom … Weiß eigentlich einer, wie man Feuer macht? Ich glaube, es hat damit zu tun, zwei Pfadfinder aneinander zu reiben.«

»Und wovon träumst du nachts?«, fragte ich.

»Ich war Pfadfinder«, meinte Walker unerwartet. Wir alle sahen ihn an, aber das war alles, was er zu dem Thema zu sagen hatte.

»Ich wette, Sie hatten ein paar richtig seltsame Auszeichnungen«, murmelte der Blaue Elf.

Schließlich brachten wir eine angenehme Entfernung zwischen uns und den Fluss, sammelten etwas Holz und Moos, mit denen Honey uns dann mithilfe brutaler Effizienz und eines Feuerzeuges mit CIA-­Monogramm Feuer anfachte. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits wirklich Nacht; die Dunkelheit war vollständig und lag schwer auf uns.

Das Licht des Feuers reichte nicht weit. Die Luft war immer noch unangenehm feucht, aber die Temperatur fiel schnell. Wir saßen im Kreis um das Lagerfeuer herum und starrten in die züngelnden Flammen. Knotige Zweige und Äste knisterten und knackten, während das Feuer sie fraß und nach einer Weile zuckten die meisten von uns auch nicht mehr bei den plötzlichen Geräuschen zusammen. Über uns öffnete sich ein weiter Himmel voller Sterne, doch der Mond war nur eine schmale Sichel. Überall um uns herum waren die Schreie von unterschiedlichen Tieren zu hören, die ihrer brutalen Jagd nachgingen, auch wenn keines von ihnen den Lichtkreis des Lagerfeuers betrat.

Es stellte sich heraus, dass trotz all seiner Klagen der Blaue Elf am Besten ausgerüstet war. Seine wattierte Jacke hatte Feentaschen: Subraum-Speisekammern, aus denen er Trinkbecher, Wasserflaschen, Teebeutel, Milch und Zucker und sogar einen kleinen Topf zum Wasserkochen hervorzauberte. Der Topf war mit hübschen blauen Blumen bemalt und trug die Aufschrift Souvenir aus Lyoness. Was man eben für jede Reise so brauche, erklärte Blue mit beträchtlicher Selbstgefälligkeit. Das einzige Lebensmittel, das er dabeihatte, war Elbenbrot, das wir anderen höflich ablehnten. Das Zeug hätte nicht einmal ein Elefant verdaut, und selbst Monate später erinnerte man sich noch an die Verstopfung. Honey fragte Blue, ob er nicht Kaffee habe, und es brachte ihm einiges an Befriedigung, nein sagen zu können.

Wir saßen also um das Feuer und tranken Tee aus einem Sortiment nicht zueinander passender Becher. Auf meinem stand Der Welt bestes Arschloch. Während wir Wasser für eine zweite Tasse kochten, holte Honey ein großes Messer hervor und verschwand in der Dunkelheit. Ihr weißer Overall erschien in der Dunkelheit hier und da wie ein Geist, der sich nicht entscheiden konnte, ob er Form annehmen sollte oder nicht. Man hörte Krachen und Rascheln, ein lautes Platschen und dann kam Honey triumphierend mit einem großen, toten Biber wieder, den sie gefangen und am Flussufer getötet hatte. Sie häutete und bereitete das Vieh mit professioneller Geschicklichkeit zu und schon bald hing Fleisch auf angespitzten Stöcken über dem Feuer. Es roch tatsächlich ziemlich gut. Ein Biber für fünf Leute war zwar nicht viel, und der Geschmack war eher interessant, aber wir hatten alle Hunger und keiner lehnte ab. Walker aß seinen Teil mit großer Begeisterung und leckte sich doch tatsächlich das Fett von den Fingern, als er fertig war. Der Blaue Elf schmunzelte.

»Tu's nicht«, sagte Honey streng. »Ich habe bereits alle Witze über Biber und an was und wo sie gerne herumknabbern, gehört. Außerdem habe ich eine Knarre, und ich werde sie benutzen.«

»Hört doch mal all die Geräusche im Wald«, versuchte ich, taktvoll das Thema zu wechseln. »Als ob sich alle Lebewesen da draußen töten, auffressen und gegenseitig ducken. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Und möglicherweise gleichzeitig.«

»So klingt die Wildnis eben, Stadtjunge«, sagte Honey.

»Sie sollten mal hören, wie die Nightside klingt«, meinte Walker. »Wo sich die wirklich Wilden gegenseitig übers Ohr hauen. Wir haben die besten Nachtklubs, die großartigsten Shows, nicht enden wollende Musik, man kann tanzen, bis einem die Füße bluten, und Aschenputtel kommt nie nach Hause.«

»Wissen Sie, Walker«, sagte der Blaue Elf. »Ich finde Sie ausgesprochen unheimlich.«

»Danke«, erwiderte Walker.

Wir saßen um das Feuer und die Nacht verging langsam. Wenn das überhaupt möglich war, wurde es noch dunkler. Die Hitze des Tages hatte sich verflüchtigt, und schließlich saßen wir alle so nah bei den Flammen, wie wir konnten. Das flackernde Licht des Feuers bemalte unsere Gesichter mit ständig sich ändernden Schatten und suggerierte manchmal sogar unerwartete Enthüllungen über unseren Charakter. Hin und wieder hörten wir etwas Großes und Schweres durch den Wald krachen, aber nichts betrat je den Lichtkreis des Feuers. Am Anfang zuckten wir noch bei jedem Geräusch zusammen, aber nichts geschah, und nach einer Weile kümmerten wir uns nicht mehr darum. Es war kalt, wir waren müde und wir konnten auch nicht ständig Tee trinken. Schließlich rührte sich der Blaue Elf, als würde ihm seine Position unbequem.

»Ich muss wirklich mal austreten«, jammerte er.

»Danke, dass du uns das mitteilst«, sagte ich. »Geh runter zum Fluss. Dazu ist der da.«

»Aber da ist es dunkel! Da sind … Viecher. Sehr hungrige Viecher, die sich in der Finsternis verstecken. Ich will nicht alleine gehen.«

»Na, ich werde dich nicht bei der Hand nehmen«, sagte Peter. »Oder bei irgendwas anderem, wenn wir schon dabei sind.«

»Nur Mut, kleiner Soldat«, sagte Honey.

»Wovor hast du denn Angst?«, fragte ich. »Du trägst doch einen Torques, oder nicht?«

Er sah mich bitterböse an, krabbelte auf die Beine und schlurfte in die Dunkelheit. Wir konnten seine Taten anhand der gedämpften Flüche und des gelegentlichen Krachens gegen diejenigen Bäume hören, die ihm nicht schnell genug auswichen. Schließlich war ein entferntes Plätschern zu hören.

»Er hat den Fluss gefunden«, meinte Walker feierlich.

»Oh, gut!«, erwiderte Honey.

»Wenn der Sasquatch von Feuer angelockt würde, dann glaube ich, wäre er schon aufgetaucht«, sagte ich.

»Geduld«, sagte Honey. »Bei der Jagd geht es um Geduld. Und natürlich darum, mit einer richtig großen Knarre Viechern den Kopf abzuschießen.«

»Kein Wunder, dass du bei der CIA gelandet bist«, sagte Peter.

Walker zog eine Grimasse. »Vielleicht sollten wir im Voraus entscheiden, was wir mit dem Sasquatch tun werden, wenn er sich dazu herablässt zu erscheinen. Ihn mit Peters Handykamera aufnehmen?«

»Ich würde ihn echt gern erschießen«, sagte Honey. »Und ihn ausstopfen und aufstellen. Ich habe in meiner Wohnung genau den richtigen Platz dafür. Oder ich benutze ihn als Fellteppich.«

»Das wäre vielleicht in Ordnung, wenn es sich einfach um eine unbekannte Affenform handelte«, sagte ich diplomatisch. »Aber was, wenn er sich als ein Neandertaler oder eine Art Missing Link herausstellt? Vielleicht sogar als der Letzte seiner Art?«

»Was würden Sie tun, wenn es sich als halb menschlich herausstellt?«, fragte Walker. »Es einem Zoo übergeben oder ihm eine Wählerstimme geben? Nein, Eddie, Sie hatten die richtige Idee mit Nessie. Es wäre eine Sünde, so eine Kreatur auszurotten, aber auf der anderen Seite ist es wesentlich besser dran, wenn man es allein lässt. Es muss nicht zu einer Zielscheibe für Jäger und Zoologen werden. Wir werden es fotografieren und dann wieder sich selbst überlassen, in der ihm vertrauten Wildnis.«

»Richtig«, sagte ich. »Das hier ist seine Heimat. Wir sind hier die Eindringlinge.«

»Du sentimentales Weichei, du«, meinte Honey. »Wie konnte jemand wie du jemals ein aktiver Drood- Agent werden?«

Ich sah sie böse an. »Ich habe den Mitleidstest für die CIA nicht bestanden. Sie fanden nämlich, ich hätte welches.«

»Kinder, Kinder«, murmelte Walker. »Wir sollten die mögliche Bedrohung, die wir für die Kreatur darstellen, nicht zu leicht nehmen. Es gab bereits Hinweise auf gewalttätiges Benehmen. Er wird vielleicht nicht stillstehen und für die Kamera posieren wollen. Eine bestimmte Vorsicht ist ratsam.«

Ich dachte an den Revolvercolt, der sich unter meiner Jacke verbarg. Die Waffe, die nie ihr Ziel verfehlte und niemals alle Kugeln verschoss. Als was auch immer sich der Sasquatch herausstellte, ich war sicher, dass ich ihn mit dem Colt würde niederschießen können, wenn es sein musste. Um mich oder die anderen zu beschützen. Aber ich wollte es gar nicht töten. Wir waren hier, um Informationen zu sammeln, keine Trophäen. Also sagte ich den anderen nichts von der Waffe.

Wir alle hörten jetzt, dass der Blaue Elf vom Fluss zurückkam. Er fand seinen Weg eher durch Entschlossenheit als durch Können. Er platzte in den Lichtkreis des Feuers, wartete einen Moment, bis er wieder ruhiger atmete, und plumpste dann schwer neben mir nieder. Seine Hände zitterten leicht, als er sie in Richtung der Flammen streckte.

»Ich hoffe, du hast nicht vergessen, sie danach zu waschen«, bemerkte ich.

Er lächelte kurz. »Du würdest nicht glauben, wie viele Tiere da draußen nicht die leiseste Ahnung vom Konzept ›Privatsphäre‹ haben. Ich konnte ihre Augen überall um mich herum in der Dunkelheit glühen sehen. Und ich konnte noch nie, wenn irgendjemand zusah.«

»Du hättest nicht so viel Tee trinken sollen«, bemerkte Honey.

»Trotzdem, als ich … mit meinen Händen beschäftigt war, konnte ich etwas nachdenken«, sagte der Blaue Elf und ignorierte Honey demonstrativ. »Und ich glaube, ich bin in der Lage, den Sasquatch aufzuspüren und zu lokalisieren.«

Wir alle setzten uns auf und sahen ihn an. Er lächelte triumphierend und froh, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.

»Es ist Teil der elbischen Natur, sich der Dinge, die aus dem Rahmen des Natürlichen fallen, bewusst zu sein«, sagte er. »Alles Magische zu spüren; die unnatürlichen Kreaturen dieser langweiligen, materialistischen Welt. Ihre Natur ruft nach unserer, wie eine beinahe ausgestorbene Art eine andere. Meine Reichweite ist etwas begrenzter, weil ich nur ein Halbelb bin, aber trotzdem. Wenn der Sasquatch uns irgendwie nahe kommt, dann sollte ich das beinahe sofort wissen.«

»Viele Beinahes und viele Fasts«, sagte Peter. »Trotzdem mag ich die Idee nicht, herumzusitzen, bis etwas passiert. Wir haben schon sechsundzwanzig Stunden verloren. Nach allem, was wir wissen, könnte Großvater schon tot sein.«

»Haben Sie eine bessere Idee?«, fragte Walker. Seine Stimme war ruhig und gemessen, aber sie hatte die Wirkung eines Schlags ins Gesicht. »Nein? Ich auch nicht. Also werden wir hier sitzen bleiben und warten.«

Die Zeit verging sehr langsam. Niemand fing ein Gespräch an und ich hätte keinen Tee mehr trinken können, selbst wenn man mir eine Knarre an den Kopf gehalten hätte. Also saßen wir da, warteten ab und horchten in die Nacht. In der Wildnis, in der Dunkelheit, scheint die Zeit zu kriechen und jetzt war es sehr dunkel. Aber ich war geduldig, ich hatte meinen Teil an Beobachtungsposten hinter mir.

In der Stadt gibt es immer etwas, das einen ablenkt, das man ansehen kann. Hier gab es nur das Feuer, die Finsternis und fünf Leute, die nicht miteinander sprachen. Hin und wieder warf ich einen Zweig ins Feuer, einfach nur, um etwas zu tun zu haben. Aber das Feuer schien nie weiter in die Dunkelheit hineinzuleuchten. In der Luft lag eine bestimmte Kälte, die die Flammen nicht ausschließen konnten.

Es dauerte nicht lange und wir hatten kein Feuerholz mehr. Es war auch noch einige Zeit bis zur Dämmerung. Ich glaubte nicht, dass das Feuer so lange brennen würde, aber die Idee, im Dunkeln herumzusitzen und die letzten Funken ersterben zu sehen, mochte ich auch nicht. Etwas von der schlechten Laune des Blauen Elfen hatte abgefärbt. Ich hatte keine Angst vor der Nacht, aber ich war an gut beleuchtete Stadtstraßen gewöhnt, in denen heitere, bernsteinfarbene Straßenlaternen das Dunkel zurückdrängten. Diese schwere, bedrückende Dunkelheit, die voller seltsamer Geräusche und unbekannter Gefahren war, ging mir auf die Nerven. Es fühlte sich an, als könne alles da draußen sein, einfach alles.

Wir alle warfen dem Blauen Elfen, der zunehmend unruhig wurde und schmollend in die Flammen starrte, hoffnungsvolle Blicke zu.

»Ich habe eine Idee«, sagte Peter und setzte sich aufrecht hin.

»Wie schön für dich«, sagte der Blaue Elf. »Das musste ja mal passieren.«

»Nein, hört zu! Als ich Nessie mit meiner supertollen Kamera filmte, hat das Tauchboot immer noch den Lockruf der Sirene gesendet! Man sollte ihn in der Aufzeichnung hören können. Wenn ich ihn jetzt noch einmal abspiele, wird der Sasquatch vielleicht zu uns gelockt!«

Wir alle dachten über die Idee nach, aber schließlich schüttelte Walker den Kopf. »Der Lockruf war durch die Kommunikationskonsole gefiltert, so dass er nur wirklich große Geschöpfe anlockt, erinnern Sie sich? Also, wenn wir nicht von einem überdimensionalen Alligator zu Tode besprungen werden wollen …«

»Ah«, sagte Peter. »Verstehe.«

»Trotzdem, nette Idee«, sagte ich. Ich griff nach einem weiteren Zweig, den ich ins Feuer werfen konnte, und fand keinen. »Verdammt.«

»Wir sollten in die Wälder gehen und etwas mehr Feuerholz suchen«, meinte Honey.

»Als treuer Freund unseres Lone Rangers hier, frage ich mich, was dieser ›Wir‹-Scheiß soll«, nörgelte der Blaue Elf.

»Ich gehe.« Honey stand auf und sah mich an. »Wie steht's, Matrose? Willst du einem Mädchen Gesellschaft leisten?«

»Dein Vater hat sein Geld für deine Benimmschule eindeutig verschwendet.« Ich kam auf die Füße. »Zu mir oder zu dir?«

»Na klar«, sagte Honey. »Und danach können wir etwas Feuerholz suchen gehen.«

»Hormone sind doch etwas Schreckliches«, sagte der Blaue Elf.


Ich folgte Honey aus dem Lichtkreis des Feuers zum Fluss hinunter. Sie ging durch die Dunkelheit, als wäre das nichts Besonderes. Und vielleicht war es das für sie nicht. So weit fort vom Feuer gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis, aber nicht sehr gut. Ich konnte die Bäume mindestens genauso gut fühlen wie sehen und schaffte es so, den meisten auszuweichen. Sobald wir außerhalb der Hörweite der anderen waren, hielt Honey an und sah mich an. Ich war nicht überrascht. Sie hätte auch mit einem Lautsprecher nicht deutlicher sagen können, dass sie mit mir allein sprechen wollte. Sie klickte mit ihrem CIA-Feuerzeug und eine ungefähr 15 Zentimeter hoch wabernde Flamme schoss hervor, die ausreichte, um unsere Gesichter anzuleuchten.

»Danke, dass du den Hinweis verstanden hast«, sagte sie, die Stimme professionell gesenkt. »Ich wollte dir nur dafür danken, dass du am Loch Ness mein Leben gerettet hast. Ich dachte echt, für mich wäre das Spiel vorbei, als meine Systeme zusammenbrachen und das Wasser eindrang. Und ich hätte es wirklich gehasst, in diesem gelben Sarg sterben zu müssen. Viel zu kitschig.«

»Kein Problem«, sagte ich. »Das tun wir Droods eben.«

Selbst in dem flackernden Licht sah ich, wie sich eine ihrer Augenbrauen hob. »Das tun nicht alle Droods. Ihr wart nie mit unseresgleichen einverstanden.«

Ich zuckte mit den Achseln. »Du hättest das auch für mich getan.«

Sie lächelte kurz. »Nein, vielleicht nicht. Das hier soll ein Wettkampf sein, schon vergessen? Ich bin hier, um zu gewinnen, was auch immer das kostet.«

»Na klar«, sagte ich. »Du bist CIA.«

Wir lächelten einander an. Wenn man die meiste Zeit im Spionage-Geschäft ist und den ganzen Tag von Gott und der Welt angelogen wird, sind die gelegentlichen Momente, in denen zwischen Verbündeten oder Feinden wirkliche Ehrlichkeit herrscht, etwas Kostbares. Und man kann nicht oft freiheraus mit jemandem sprechen, der das versteht. Molly, die Süße, versucht es, aber sie war niemals eine Agentin. Sie ist ein Freigeist, eine freie Kämpferin und eine geistige Anarchistin, ja, aber keine Agentin. Sie verfügt nicht über die Erfahrung, wirklich die Ethik und die zweifelhaften Deals zu verstehen, die selbst ein Droodscher Feldagent einzugehen hat, um den Job erledigen zu können. Wir schützen die Menschheit, aber das Beste für sie war, dass sie niemals erfuhr, wie wir das taten. Sie wäre mit einigen unserer Methoden nicht einverstanden.

Gott weiß, dass ich selbst das manchmal nicht bin. Ich versuche, ein anständiger Kerl zu bleiben, aber ab und an erlaubt einem der Job das einfach nicht.

»Diese Rüstung von dir war sogar beeindruckender, als ich mir vorgestellt hatte«, sagte Honey jetzt. »Gibt es etwas, was sie nicht kann?«

»Als ob ich dir das sagen würde«, sagte ich heiter.

Honey sah mich nachdenklich an. »Es ist eine Schande, was der armen Katt passiert ist.«

»Ja«, erwiderte ich. »Das war eine Schande. So ein unglücklicher Unfall.«

»Ja«, sagte Honey. »Hast du sie getötet, Eddie?«

»Nein«, sagte ich. »Ich war mit dem Ungeheuer beschäftigt, erinnerst du dich? Ich nehme mal an, du glaubst nicht, dass das ein Unfall war?«

Honey schnaubte laut. »Wohl kaum. Sechs erfahrene Agenten an einem Ort, die um die größte Belohnung der Welt kämpfen, und einer von ihnen stirbt plötzlich? Sie hätte an einem Herzinfarkt sterben und gleichzeitig von einem Meteor getroffen werden können, und ich würde vermuten, dass die Sache stinkt. Ich hatte mir schon vorgenommen, sie selbst umzubringen. Ich war überzeugt, sie habe mein Tauchboot sabotiert. Aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Und sie so früh innerhalb des Wettkampfs umbringen, wenn wir ihre Talente noch gut hätten nutzen können? Das ist eiskalt. Einer in dieser Gruppe kämpft mit harten Bandagen, und ausnahmsweise bin das nicht ich. Verstehst du, warum ich sofort dachte, du seist es?«

»Natürlich«, sagte ich. »Ich bin ein Drood. Aber trotzdem, ich glaube, das ist fast ein Kompliment, wenn man bedenkt, dass du bei der CIA bist. Wie bist du überhaupt bei der Spionage gelandet?«

»Ach, ich bin schon in der dritten Generation dabei«, sagte sie leichthin. »Meine beiden Großväter haben während des Krieges für den OSS[1] gearbeitet und die meisten meiner Onkel sind ebenfalls bei der CIA gelandet. Auch ein paar Tanten. Meine Familie hat seit Generationen Aufruhr in Ländern verursacht und die bösen Jungs hingerichtet. Und immer nebenher etwas Gutes getan, wenn wir konnten.«

»Also seid ihr wirklich für alles Böse in der Welt verantwortlich, ja?«

»Nicht wirklich. Wir versuchen es, aber wir haben einfach nicht genug Personal dafür. Wir schützen unsere Interessen, wie jeder Geheimdienst, indem wir all die Drecksarbeit, das Notwendige und die unerfreulichen Dinge tun, von denen die Leute mit ihren zaghaften kleinen Herzen nichts zu wissen brauchen. Spionage ist nichts für die Zaghaften, Drood. Du weißt das.«

»Meine Familie befasst sich nicht mit Politik«, erwiderte ich vorsichtig. »Oder wenigstens versuchen wir das sehr energisch. Wir verteidigen jeden, ob wir ihn nun mögen oder nicht. Und gewöhnlich verteidigen wir die Leute vor der Art Bedrohung, für die euresgleichen zu beschäftigt ist oder für die ihr nicht gut genug ausgerüstet seid. Glaub nicht, dass wir gleich sind, Honey. Wir spielen vielleicht dasselbe Spiel, aber wir spielen es aus verschiedenen Gründen.«

»Nichts von dem, was ich getan habe, hast du nicht auch getan«, sagte Honey. »Du hast an deinen gerüsteten Händen wahrscheinlich sogar mehr Blut als ich an meinen.«

»Es ist nicht, was wir tun«, sagte ich. »Es ist die Art, wie wir es tun.«

»Ich tu's für Amerika.«

»Ich tu's für die ganze Menschheit.«

»Ach komm! Sagen die Terroristen das nicht auch? Unsere glorreichen Zwecke heiligen die schrecklichen Mittel?« Honey sah aus, als würde sie ausspucken wollen. »Wer hat euch Droods überhaupt eingesetzt? Wem seid ihr verantwortlich? Gibt es eine Macht auf der Welt, die euch sagen kann: Stopp, das geht zu weit, so nicht? Ihr entscheidet, was das Beste für uns ist, und wir haben nichts zu melden. Ihr seid alles, was die CIA bekämpft - Amerika wurde gegründet, um euresgleichen zu überwinden.«

»Siehst du?«, sagte ich. »Mit euch wird es immer gleich Politik. Droods sehen darüber hinaus. Wir sind härter zu uns selbst, als jeder andere das könnte.«

»Macht eure Unfähigkeit, euch für irgendeine Seite zu entscheiden, nicht zu irgendeiner hehren Moral«, sagte Honey wütend. »Jeder muss in einem Kampf eine Partei wählen und für das kämpfen, für das er einsteht! Überleg mal, was deine und meine Leute erreichen könnten, wenn sie mit eurer Rüstung zusammenarbeiten könnten. Wenn wir eine Waffe wie diese zur Verfügung hätten, könnten wir die Welt von allem befreien, das unsere Art zu leben bedroht.«

»Ihr würdet sie gegen alle benutzen, die nicht so denken wie ihr«, sagte ich. »Oder jeden, der nicht will, was ihr wollt. Deshalb bleiben die Droods für sich. Wir schützen euch alle, und wir bemühen uns sehr, keine Wertung abzugeben. Wir sind Hirten, keine Polizisten.«

»Deine einzige Loyalität gilt deiner Familie«, sagte Honey. »Das weiß jeder. Einige von uns haben größere Loyalitäten. Ich habe geschworen, zu kämpfen und wenn es nötig ist, zu sterben, um mein Land zu verteidigen und das werde ich auch tun.« Sie grinste plötzlich. »Deshalb werde ich dich wahrscheinlich irgendwann töten müssen, Drood. Der Zugang zum Informationsschatz des Autonomen Agenten könnte uns euch endlich gleichsetzen.«

»Oh bitte«, sagte ich. »Nenn mich Eddie. Es ist wirklich in unser aller bestem Interesse, wenn wir hier zusammenarbeiten. Und außerdem, du könntest mich auch an einem deiner besten Tage nicht töten.«

»Ich liebe Herausforderungen«, sagte Honey, und wir lachten beide.

»Du bist alles, was ich mir von einem Drood je erhofft habe«, sagte sie endlich. »Man wird so oft in diesem Spiel enttäuscht - aber bei dir kriegt man, wofür man bezahlt hat, Eddie. Solange es dauert, wird es mir eine Freude sein, mit dir zusammenzuarbeiten.«

Ich mochte Honey. Sie war sich ihrer selbst und ihrer Motivation so bewusst. Ich war mir über diese Dinge nicht mehr sicher gewesen, seit ich entdeckt hatte, dass die Geschichte meiner Familie auf einer Lüge basierte. Ich glaube nicht, dass Honey zu schätzen gewusst hätte, wenn ich ihr gesagt hätte, dass der einzige Grund, warum meine Familie die Welt nicht regiert, der ist, dass wir genau damit nicht behelligt werden wollen. Wir haben wichtigere Dinge zu erledigen, wie die Hungrigen Götter. Ich kämpfe den Guten Kampf gegen all die Feinde der Menschheit, weil es das ist, wozu ich erzogen worden bin. Von frühester Kindheit an bin ich auf Loyalität gegenüber der Familie gedrillt worden, weil nur die Familie zwischen der Menschheit und den Mächten des Bösen steht. Ich glaube daran. Meistens.

Meine Molly hatte nicht viel übrig für die Droods, selbst nachdem sie mit uns gegen die Hungrigen Götter gekämpft hatte. Macht korrumpiert, sagte sie immer düster, und deine Familie ist sehr mächtig geworden. Ich denke, dass ich vielleicht deshalb nicht um den Platz als Familienoberhaupt gekämpft habe. Ich mochte nicht, was das aus mir machen würde.

»Scheint, als hätten wir noch nicht wirklich viel Holz gesammelt«, sagte ich. »Die anderen fragen sich bestimmt schon, was wir hier draußen machen.«

»Natürlich fragen sie sich das. Sie sind Agenten.«

Wir sammelten so viel Feuerholz, wie wir tragen konnten, und gingen zurück zum Feuer.

»Ich glaube, jeder von uns sollte eine Geschichte erzählen«, sagte ich abrupt. »Etwas über sich selbst und die Arbeit, die er macht. Wir müssen einander kennenlernen. Gemeinschaftsübung, wenn ihr so wollt, und noch dazu eine enthüllende. Hauptsächlich, weil es uns dabei helfen wird, als Team zu arbeiten, und dann, weil es uns allen dann etwas schwerer fallen wird, uns gegenseitig umzubringen.«

»Oh, Eddie!«, sagte Honey. »Immer bereit, das Beste in den Leuten zu sehen. Es ist wirklich ein Wunder, dass du so lange überlebt hast.«


Zurück am Feuer ließen wir unsere Ladung Holz auf den Boden fallen, sodass jeder sie sehen konnte, aber das täuschte niemanden. Sie wussten, dass wir geredet hatten. Also setzte ich mich und sah die Gruppe mit meinem besten Autoritätsblick an.

»Wir müssen reden«, sagte ich. »Wir alle. Wir sind immer noch Fremde füreinander und Fremde können als Team nicht funktionieren. Ich glaube, jeder hier sollte eine Geschichte erzählen. Etwas Bedeutsames und Wichtiges aus eurem Leben. Könnte euer verrücktestes Abenteuer sein, euer größter Triumph oder euer größtes Versagen. Alles, solange es euch etwas bedeutet. Etwas, das uns hilft, euch kennen zu lernen.«

»Wie kommst du denn auf so etwas?«, fragte der Blaue Elf. »Ich hasse Gruppentherapie.«

»Wir reden darüber, wer die arme Katt umgebracht hat«, sagte Honey und machte es sich am Feuer bequem. »Eddie scheint zu glauben, dass er zukünftige Todesfälle verhindern kann, wenn wir alle unsere Seelen voreinander entblößen.«

»Wie urig«, meinte der Blaue Elf. »Du warst ja schon immer von der sentimentalen Sorte, Eddie.«

»Agenten haben keine Seele«, meinte Peter. »Das weiß doch jeder.«

»Hast du einen besseren Vorschlag, wie wir unsere Zeit verbringen sollen, bis der Sasquatch auftaucht?«, fragte ich.

»Da haben Sie recht«, meinte Walker. »Wenn ich noch eine Tasse dieses minderwertigen Tees trinke, werde ich Tannin urinieren. Also, wer will zuerst?«

Wir alle sahen uns an und Honey zuckte kurz mit den Achseln. »Ach zum Teufel: Dann fange ich eben an. Wir mögen doch alle eine gute Spukgeschichte am Lagerfeuer, oder?

Vor ein paar Jahren wurde ich nach Kuba geschickt. Und bitte, keine Witze darüber, ob wir Castros Bart haben ausfallen lassen. Das haben wir aufgegeben. Ich war vor Ort - übrigens ganz inoffiziell -, um ein paar ungesicherten Gerüchten darüber nachzugehen, die in Miami aufgekommen waren. Es ging um eine neue und sehr produktive Fabrik, die man in die Berge von Kuba gesetzt hatte, weitab von jeder Zivilisation. Es ist egal, wie ich auf die Insel gelangt bin, das ist immer noch geheim. Ich könnte es euch erzählen, aber dann müsste ich euch töten und zur Sicherheit die ganze Region abfackeln. Wie auch immer, das Gerücht besagte, dass diese Produktionsstätten so produktiv waren, weil die Manager Zombies als Arbeitskräfte benutzten. Es sprach vieles dafür: Die wiedererweckten Toten könnten 24 Stunden am Tag arbeiten, bis sie verbraucht sind, und man kann immer wieder neue produzieren.

Wie sich herausstellte, war die Fabrik von allen möglichen Sicherheitsvorrichtungen umgeben, wissenschaftlich wie magisch. Mehr als man von jedem Unternehmen hätte erwarten sollen. Es war ein hässlicher Ort: grobe Steinmauern, elektrische Zäune und mehr herumschwirrende Flüche, als man mit einem Voodoo-Amulett hätte bekämpfen können. Ich konnte aber ziemlich leicht reinschlüpfen und zur Fabrik gelangen. Manchmal denke ich, das ist das Beste an dem Job - in den Schatten rumschleichen, an Orten sein, an denen man nicht sein sollte, und Leute beobachten, die davon nichts wissen. Ich hätte eine Voyeurin werden sollen, wie meine Mama das wollte.

Die Gerüchte entsprachen größtenteils der Wahrheit. Das ganze Personal war tot, aber sie waren keine Zombies. Es waren Zusammengesetzte, Frankenstein-Kreaturen, einzelne Teile, die man zusammengenäht hatte, um neue Menschen zu machen und alle hatten deutliche Lobotomie-Narben auf der Stirn. Personal, das man einfach kontrollieren konnte, das niemals ermüdete und nicht bezahlt werden musste.

Ich habe ein Büro gefunden und die Akten durchsucht. Die verschiedenen Körperteile stammten von hingerichteten Gefangenen und Dissidenten; politische Opposition, Künstler, Homosexuelle. Das Übliche eben. Alle, mit denen das derzeitige Regime nicht einverstanden war. Heimlich hingerichtet und dann wieder zum Leben erweckt, um auf ewig für den Staat zu arbeiten. Ich wollte das nicht dulden. Also zerstörte ich alle Computer, versteckte Sprengstoff an den wichtigsten Stellen und fackelte den ganzen Laden ab. Ich wartete draußen und erschoss jeden, der den Flammen entkam. Akkuratesse ist immer wichtig. Ich nehme an, ich hätte ein paar Leute verhören sollen, um Details darüber zu erfahren, wie sie das gemacht hatten. Aber schon allein der Anblick dieser armen Kreaturen auf dem Boden der Fabrik, lebendig und auch wieder nicht, für immer zum Leiden verdammt - nein. Nicht, solange ich etwas daran ändern kann.«

»Eine schöne Geschichte«, sagte ich, nachdem klar war, dass Honey fertig war. »Aber mit ein paar Lücken darin. Wenn du schon eine Geschichte erzählst, Honey, dann solltest du auch alles erzählen.«

»Ach ja?« Honeys Stimme war gelassen, aber ihre Augen waren kalt. »Ich war mir nicht bewusst, dass die Droods überhaupt etwas von dieser Mission wussten.«

»Haben wir auch nicht«, meinte ich. »Aber es braucht keinen Raketenwissenschaftler, um rauszukriegen, warum du nach Kuba geschickt worden bist. Zombie-Sklavenarbeit ist nichts Neues. Einige Staaten benutzen Zombies seit Jahrhunderten. Aber diese wiedererweckten Toten verbrauchen sich schnell und fallen auseinander, egal, wie viel Konservierungsmittel man in sie hineinpumpt. Und sie brauchen eine Menge Aufsicht. Aber Zusammengesetzte, das ist neu. Wissenschaft auf Messers Schneide ist das, besonders, wenn man auch computergesteuerte Implantate in die unterworfenen Gehirne einpflanzt. Ich glaube, eine ganze Menge amerikanischer Industrieller wüssten liebend gerne, wie man das macht. Keine Gewerkschaften mehr, keine Notwendigkeit mehr, sich auf illegale Aliens verlassen zu müssen - und kein weiteres Gerede hinter dem Rücken. Deine Befehle waren wohl ziemlich klar: rausfinden, ob die Gerüchte wahr sind und wenn ja, wie das gemacht wurde. Dann die Details stehlen und zurückbringen. Aber du konntest das nicht über dich bringen, Honey, oder? Nicht nachdem du gesehen hattest, welches Leid dahinter steckt. Also hast du die Befehle missachtet. Und das Richtige getan. Du schnulzige, sentimentale Idealistin, du.«

Honey lächelte bezaubernd. »Sagt es nicht meinen Vorgesetzten. Sie glauben, die Kubaner hätten lieber ihre Fabrik in die Luft gejagt, als sich ihre Geheimnisse stehlen zu lassen.«

»Uns kannst du vertrauen«, sagte der Blaue Elf.

»Das hätte sowieso nie funktioniert«, sagte Peter. »Der Widerstand der Öffentlichkeit gegen diese Idee ist zu groß.«

»Nicht, wenn es niemand weiß«, sagte Walker. »Ich habe sogar schon Schlimmeres in der Nightside gesehen.«

Wir warteten ab, aber er hatte nichts mehr zu sagen. Also erzählte Peter seine Geschichte.


»Meine Arbeit als Industriespion ist eigentlich ziemlich langweilig und alltäglich. Ich höre zu und beobachte, verbringe Stunden vor einem Computer, um nach Mustern oder Trends zu suchen, die nötig sind, deine Gegner in dem Moment zu übervorteilen, in dem sie dich übers Ohr hauen. Und immer bist du auf der Suche nach jemand Nützlichem auf der anderen Seite, der mit der richtigen Motivation vielleicht überläuft. Früher hing alles von Bestechung ab, vom Fallenstellen und von Erpressung, aber heutzutage muss alles legal und sauber sein. Langweilig, aber ich habe ein paar … ungewöhnliche Fälle gesehen. Vielleicht liegt's an meinem Familiennamen.

Ich habe immer versucht, meine Verwandtschaft mit dem Autonomen Agenten herunterzuspielen; teilweise, weil ich allen beweisen wollte, dass ich es alleine schaffe, aber meist, weil ich den alten Bastard nicht leiden kann. Aber die Leute reden trotzdem.

Ich wurde also angeheuert, um eine neue Firma zu untersuchen, die sich auf das verzwickte Feld der genmanipulierten Lebensmittel spezialisiert hatte. Die öffentliche Meinung ist größtenteils gegen genmanipulierte Pflanzen und Tiere, besonders seit die Boulevardpresse den Begriff ›Frankenfood‹ geprägt hat. Es ist der Öffentlichkeit nur sehr schwer zu verkaufen, aber die Firma, die es schafft, das Image zu knacken, könnte Unmengen an Geld scheffeln. Dieses neue Unternehmen schien an nichts besonders Neuem oder Aufregendem zu arbeiten, aber Gerüchte besagten, dass sie auf einigen Gebieten, auf denen andere Firmen versagt hatten, Erfolge erzielten. Also wurde ich geschickt, strenggeheim, um mich mal etwas umzusehen.

Ich brauchte beinahe einen Monat, um mich in das Vertrauen der entscheidenden Leute zu schleichen. Aber Leute, die etwas wirklich Großartiges erreicht haben, wollen immer unbedingt mit jemandem darüber reden, und mit wem könnten sie das besser als mit ihrem besten Freund? Es stellte sich heraus, dass die genetische Manipulation nicht die Lebensmittel betraf; sie war an den Arbeitskräften vorgenommen worden. Sie selbst waren hergestellt, gezüchtet worden. Direkt in den unteren Etagen der Fabrik. Deshalb hat mich Honeys Geschichte so an diese erinnert. Gezüchtete menschliche Klone, mit einem zusätzlichen X-Faktor. Aliengene, um genau zu sein, auf dem schwarzen Markt gekauft. Man kann alles dieser Tage kaufen, wenn man weiß, wo man suchen muss.

Diese Mensch-Alien-Hybriden sahen auf den ersten Blick ziemlich normal aus - aber ihr Verstand war schärfer, schneller und sie konnten dich von allem überzeugen. Von allem. Da war etwas an ihren Stimmen, oder vielleicht waren es auch Pheromone oder Telepathie. Ich habe nie herausgefunden, was genau es war. Aber diese Leute waren wirklich fähig, Kühlschränke an Eskimos oder einem Politiker Moral zu verkaufen. Sie konnten einen die Meinung ändern lassen oder das Geschlecht oder die Religion, einfach so. Sie bereiteten sich auf eine wirklich große Verkaufskampagne vor, um ihr neues Produkt auf den Markt zu werfen. Ein billiger und leckerer Snack, der vollgestopft war mit Spuren von Alien-DNA. Und weil man das ist, was man isst …

Wer weiß schon, was heutzutage wirklich in unseren Lebensmitteln steckt.

Wie unsere entzückende Freundin von der CIA war ich nicht mit dem Ganzen einverstanden und habe die Fabrik mit Mann und Maus in die Luft gejagt. Ganz besonders meine neuen besten Freunde waren dabei; ihre Selbstzufriedenheit mit ihren Plänen war unerträglich. Eine Schande, aber man kann eben kein Omelett machen, ohne eine ganze Menge Eier zu zerschlagen. Ich habe es aussehen lassen wie einen Unfall, bei dem ich selbst nur mit dem nackten Leben davonkam. Und mit genug Computerdateien, um meine Auftraggeber davon zu überzeugen, dass es nichts gab, was zu verfolgen sich lohnte. Wirklich, eine Schande. Ich hätte für die echten Unterlagen einen wirklich guten Bonus bekommen.«

»Wäre es richtig anzunehmen, dass nicht alle, die in dieser Fabrik gearbeitet haben, wussten, was da vorging?«, fragte der Blaue Elf. »Dass es in Wirklichkeit ein paar unschuldige und ganz und gar menschliche Arbeiter gab, als du die Fabrik in die Luft gejagt hast?«

Peter zuckte mit den Achseln. »Ich versuche, nicht allzu viel darüber nachzudenken. Das ist eine menschliche Welt und ich will, dass es so bleibt.«

»Nun«, sagte der Blaue Elf nach einer Pause. »Es scheint, als gäbe es keinen Zweifel mehr daran, dass du Alexander Kings Enkel bist. Ich glaube, jetzt bin ich dran.

Ich habe nichts so Alltägliches wie Fabriken oder ein großes Geschäft oder unnatürliche Arbeitspraktiken zu bieten. Ihr denkt so klein, Leute. Die Welt ist größer, als ihr euch vorstellen könnt, viel größer. Es gibt Wunder und außergewöhnliche Dinge, Ungeheuer und Schrecken. Damals, als ich noch jung und kraftvoll war, selbst ein wichtiger Spieler, wurde ich … na ja, angeheuert ist vielleicht nicht das richtige Wort. Besser wäre zu sagen, dass ich von den Droods dazu gedrängt wurde, ein ganz besonders seltsames Problem zu lösen, dass sie gerne sehr diskret und aus sehr sicherer Entfernung behandeln wollten. Nur für den Fall, dass alles schrecklich schiefging.

Ihr habt die Geschichten gehört, in denen manchmal verwirrte Wale sich verirren und die Themse hinaufschwimmen, direkt nach London hinein? Natürlich habt ihr das. Nun, etwas viel Größeres und entschieden weniger Kinderfreundliches machte in der Themse einen Aufstand. Um genau zu sein, war es ein Monsterkrake, der aus den Tiefen gekommen war, eine falsche Abzweigung genommen hatte und jetzt drohte, die Themse mit seinem riesigen Körper und beunruhigend großen Tentakeln unsicher zu machen. Monsterkraken sind echt groß. Sie sind auch ziemlich blöde, und man kann nur schwer mit ihnen argumentieren. Besonders, wenn man das verdammte Ding vor der Öffentlichkeit verstecken will.

Es bestand nicht die geringste Hoffnung, es davon zu überzeugen, einfach umzudrehen und zurückzuschwimmen. Und wir hatten keine Zeit, eine elegante oder gar besonders nette Lösung zu finden. Also bin ich zur Jobbörse gegangen, um jeden einzelnen Ghoul in London anzuheuern, habe sie alle mit Messer und Gabel ausgerüstet und habe ihnen gesagt, sie sollen sich bedienen. So viel Sushi, wie sie nur essen konnten - vorausgesetzt, dass sie alles aufessen.

Und das haben sie getan. Ghouls fressen alles.«

»Ich werde nie wieder Meeresfrüchte essen«, sagte Walker. Er sah allerdings nicht besonders betroffen aus, aber das tat er ja nie. »Ich glaube, ich bin dran. Eine Erzählung aus der Nightside also, wo es immer dunkel ist. Immer drei Uhr morgens, die dunkelste Stunde der Seele. Außer - jemand würde das alles ändern wollen. Es gibt immer jemanden, der Sonnenlicht in die Nightside schmuggeln will, normalerweise eine dieser extremeren religiösen Gruppen, die glauben, dass das Böse nur im Dunkeln florieren kann. Idioten. Nichts ist dunkler als die tiefsten Tiefen des menschlichen Herzens.

Offenbar glaubte diese besondere Gruppe, dass man nur hellen, gesunden Sonnenschein in die Nightside bringen müsse - notfalls auch mit brutaler Gewalt -, und schon würde sich jeder auf der Stelle ändern und alle wären nett zueinander. Bewahren Sie mich vor gut meinenden Idealisten, sie richten Schlimmeres an als jedes Monster.

Wie auch immer. Meine illustren Herren und Meister, die Autoritäten, wünschten, dass die Nightside so bliebe, wie sie war, denn so warf sie regelmäßig Profit für sie ab. Also wurde ich sehr ausdrücklich instruiert, diesem schändlichen Treiben mit allen möglichen Mitteln ein Ende zu setzen. Ich brauchte nicht lange, um herauszufinden, wer die Organisation gegründet hatte. Die Leute sind immer bereit, mir alles Mögliche mitzuteilen, wenn ich sie im richtigen Tonfall danach frage. Der Anstifter dieses Erleuchtungsplans stellte sich als ein gescheiterter Geschäftsmann heraus, ein gescheiterter Politiker und ein gescheiterter … Nun, er war in allem gescheitert. Aber er war dennoch überzeugt, sein Schicksal und sein Recht seien es, die Welt zum Besseren zu ändern, ganz nach seinem Glauben.

Er war im Gefängnis religiös geworden, und als er erst entlassen worden war, fand er eine ganze Menge Anhänger, wie seine Art das immer findet. Irgendwie hatte er ein Grimoire in die Finger bekommen: einige überaus gefährliche, aber machtvolle Tauber für Anfänger. Und das hat er dann wiederum in die Nightside schmuggeln können. Das ist etwa so, als würde ein Terrorist per Rucksack eine Atombombe in eine Waffenkammer schmuggeln. Ich glaube sogar, ich hätte die Atombombe im Rucksack bevorzugt. Wie man mit denen umgeht, weiß ich.

Ich habe den Mann und sein fieses kleines Buch leicht gefunden, weil das mein Job ist. Oder besser, weil es das ist, was ich meinen Leuten beigebracht habe, für mich zu tun. Ich habe immer daran geglaubt, die Drecksarbeit zu delegieren und dann am Ende auf die Bühne zu spazieren und den Applaus entgegenzunehmen. Ich habe den Aufrührer in einem Versteck, das er für sicher hielt, konfrontiert und tat mein Bestes, um ihm zu erklären, dass das, was er vorhatte, eine wirklich schlechte Idee sei und er wahrscheinlich sowieso nicht erreichen würde, was er wollte. Aber er wollte nicht hören. Leute, die starke innere Stimmen hören, die ihnen befehlen, Gutes zu tun, hören nur selten auf jemand anderen. Denn wenn man mit ihren inneren Stimmen diskutieren und sie widerlegen könnte, dann wären sie ja nichts Besonderes mehr, oder? Sie müssen mich schon töten, um mich aufzuhalten, sagte er und hatte dabei nur ganz wenig Schaum an den Mundwinkeln. Und ich glaube nicht, dass Sie einen guten Menschen kaltblütig töten können; einen Menschen, der nur tut, was richtig ist.

Er lag natürlich falsch. Ich kenne meine Pflicht. Ich tat, was nötig war und er starb mit einem ausgesprochen überraschten Gesichtsausdruck. Er hätte es wirklich besser wissen müssen. Man bricht das Gesetz an einem Ort wie der Nightside nicht, wenn man nicht noch kälter und noch entschlossener sein kann als jeder andere an diesem korrupten Ort.«

Jeder von uns sah Walker an und er erwiderte den Blick ruhig. Es sind immer die stillen Wasser, die tief sind.

»Nun«, sagte ich, und jeder sah mich an. »Ich bin dran. Eine Geschichte von den Droods. Und dem Chaos, das wir manchmal aufräumen.

Vor ein paar Jahren sollte ich in einer seltsamen Reihe von Morden ermitteln, die sich in einer der ruhigsten und gesetzestreuesten Vorstädte Londons ereignet hatten. Seltsamerweise war es so, dass man zwar für jeden der Morde dieselbe Täterin ermittelt hatte, aber dieses Individuum jedes Mal ein hieb- ­und stichfestes Alibi für jeden einzelnen Mord vorweisen konnte. Zur gleichen Zeit starben die Opfer auf schreckliche Weise. Die Frau, die von Dutzenden Zeugen als die Mörderin identifiziert worden war, befand sich offiziell woanders, umgeben von Freunden und war zudem von Überwachungskameras eindeutig aufgezeichnet worden. Obwohl alle möglichen forensischen Indizien die Frau mit den Morden verbanden, gab es ums Verrecken keine Möglichkeit, dass sie es getan haben konnte. Außer sie wäre ein Zwilling gewesen. Was sie nicht war. Das hatte ich zuerst überprüft.

Die Polizei konnte nichts tun. Also übernahm ich.

Ich machte mich mit allen Informationen vertraut, las alle Akten, überprüfte die Beweise, schloss Klone aus - und überwachte die Frau aus sicherer Entfernung, indem ich mich in ihr langweiliges, alltägliches Vorstadtleben vertiefte. Eine stille, reservierte Lady mittleren Alters, mit einem netten Haus und einem netten Leben und nicht einem Feind in der Welt. Ein Exmann, mit dem sie gut auskam. Keine Kinder. Ein langweiliger, aber gut bezahlter Job. Kein Doppelleben irgendwelcher Art. Keine dunklen Geheimnisse und sicher kein Grund, irgendjemanden brutal zu töten und sieben Leute zu zerstückeln. Das einzig Auffällige in ihrer Akte war so normal, dass man es kaum als auffällig bezeichnen konnte: Für eine kurze Zeit früher in dem bewussten Jahr hatte sie Unterricht in Meditation genommen.

Als ich mir das genauer ansah, fand ich endlich etwas heraus, das nicht in den Akten stand. Sie hatte den Meditationskurs abgebrochen, weil er ihr nichts gebracht hatte. Aber sie zog von Kurs zu Kurs, als suche sie etwas. Und sie landete schließlich als Mitglied in einer sehr unauffälligen, sehr unbemerkten und wirklich außergewöhnlich extremen Gruppe, die sich mit der Erforschung der tiefsten, dunkelsten Regionen des menschlichen Verstandes befasste. Extremer Glauben, extreme Praktiken und gelegentlich sogar extreme Ergebnisse. Gott allein weiß, wie eine so stille kleine Seele in so einer Gruppe landen konnte. Vielleicht dachte jemand, das sei lustig.

Wenn das der Fall war, war sie wohl diejenige, die lachte, denn mein schüchternes kleines Fräulein fühlte sich in diesen neuen Disziplinen wohl wie ein Fisch im Wasser. Zuerst war es schwer, jemanden in der Gruppe davon zu überzeugen, mit mir zu reden. Aber es ist erstaunlich, wie überzeugend ich sein kann, wenn ich mit meiner gerüsteten Hand jemanden an den Eiern habe. Es stellte sich heraus, dass die Gruppe sie hinausgeworfen hatte, weil sie Angst vor ihr bekam. Angst vor dem, was sie erreicht hatte. Sie war tiefer in ihren eigenen Verstand eingedrungen, als jeder andere das geschafft hatte. Und als sie wiederkam, brachte sie … etwas mit.

Muss ich wirklich noch sagen, dass die Mordopfer alle Mitglieder dieser Gruppe gewesen waren?

Ich konfrontierte die Frau in ihrem netten kleinen Haus. Zeigte ihr meine Rüstung, beruhigte sie und erklärte ihr, wer und was ich war. Sagte ihr, dass ich hier sei, um ihr zu helfen, wenn ich könnte. Aber sie müsse ehrlich sein mit mir. An dieser Stelle brach sie in Tränen aus. Aber es waren Tränen der Erleichterung. Vielleicht war es meine sichere Ausstrahlung oder meine beeindruckende Rüstung, aber ich denke, sie wollte es unbedingt jemandem erzählen. Jemandem, der ihr glaubte.

In der Gruppe, mit der sie gearbeitet hatte, war es darum gegangen, die eigenen inneren Dämonen zu erkennen und sich damit zu konfrontieren, sodass sie kontrolliert oder exorziert werden konnten. Aber etwas ging schief. Sie erforschte ihr Unbewusstes zu tief, ging an dunkle Orte, von denen die meisten nicht einmal zugeben würden, dass sie existieren, und sah sich allen üblen, selbstsüchtigen Impulsen des Freudschen ›Es‹ gegenüber: allen Ungeheuern des Bewusstseins. Sie brachte sie hinauf ans Licht und bannte sie aus ihrem Inneren, erschrocken, dass jemand so Nettes wie sie so etwas Schlimmes in sich tragen konnte. Aber war sie erst befreit, nahm die verbannte Dunkelheit Form in der materiellen Welt an.

Ihre Form und Gestalt.

So etwas nennt man eine Tulpa: eine fleischgewordene Vorstellung; ein Doppelgänger, der alle Impulse beinhaltet, die wir normalerweise unterdrücken. Und diese Tulpa ging hinaus in die Stadt, um all die schrecklichen Dinge zu tun, von denen diese Frau immer geträumt hatte, aber die sie nicht einmal sich selbst gegenüber zugegeben hätte. Sie rächte jeden winzigen Fehler, den man ihr je angetan hatte, und befriedigte ihren endlosen Appetit auf Blut und Metzelei.

Ich forderte ein paar Gefallen ein, lernte ein paar neue Tricks und verfolgte die Tulpa quer durch halb London und zurück. Sie rannte vor mir weg, fluchte und lästerte und schubste jeden, der ihr in die Quere kam. Aber ich war ihr immer auf den Fersen und kam ihr immer näher. Ich konnte sie davon abhalten, wirklichen Schaden anzurichten oder Schrecken zu verbreiten, und schließlich tat sie das Einzige, was sie tun konnte: Sie ging nach Hause. Ich kam nur Minuten nach ihr an, trat die Haustür des netten kleinen Hauses ein und fand die Frau, wie sie über dem leblosen Körper der Tulpa stand. Sie hatte ihr eine Blumenvase über den Kopf gezogen.

Sie sahen wirklich genau gleich aus. Die Frau kam zu mir und schmiegte sich in meine Arme. Sie schluchzte wie ein kleines Kind und versuchte verzweifelt, mir zu sagen, dass der Schrecken endlich ein Ende habe. Aber das war nicht der Fall, nicht, solange die Tulpa noch existierte. Sie musste sterben. Die Frau wehrte sich nicht. Aber sie konnte es nicht selbst tun. Sie konnte nichts töten, was so nach ihr selbst aussah. Sie flehte mich an, dass ich es tun solle. Die Tulpa töten und sie erlösen, endlich.

Sie war wirklich sehr gut. Jeden anderen hätte sie reingelegt. Aber man arbeitet in diesem Geschäft nicht so lange wie ich, ohne in der Lage zu sein, den Unterschied zwischen einem Menschen und seiner spirituellen Form zu erkennen. Die Frau war diejenige, die bewusstlos auf dem Boden lag, das Ding mit dem tränenüberströmten Gesicht, das so herzerweichend zu mir aufsah, war die Tulpa. Und sie war es, die mich bat, das Original zu töten, damit sie endlich frei wäre.

Ich tötete die Frau. Weil ich etwas wusste, was der Tulpa nicht bekannt war. Einmal befreit, gibt es keinen Weg, die Tulpa wieder in ihren Wirt zu bringen. Sie würde immer weitermachen, immer weitertöten, bis sie auf die einzige Weise aufgehalten würde, in der man eine Tulpa aufhalten kann: indem man den Wirt tötet, dem sie entsprungen ist.

Ich tötete die Frau schnell und effizient. Sie wachte gar nicht mehr auf. Und die Tulpa löste sich in Luft auf und schrie ihre Wut bis zuletzt hinaus. Ich halte mich gern für einen Agenten und nicht für einen Killer. Aber manchmal gehört das zum Job.«

Nachdem ich geendet hatte, sahen mich alle in einem neuen Licht. Ich war nicht sicher, ob mir das gefiel. Aber ich hatte diese besondere Geschichte aus einem ganz bestimmten Grund erzählt. Sie mussten verstehen, wie weit ich, wenn nötig, gehen würde.

»Nun, Eddie«, sagte der Blaue Elf. »Das war ganz schön … heftig. Hätte nicht gedacht, dass du das draufhast.«

»Natürlich hat er das drauf«, meinte Walker. »Er ist ein Drood.«

»Du hast eben getan, was getan werden musste«, sagte Honey. »Wie du sagtest, das ist der Job.«

»Manchmal«, erwiderte ich.

»Wegen solcher Geschichten habe ich mich für die Industriespionage entschieden«, sagte Peter.

Wir saßen weiter um das Lagerfeuer und starrten lieber in die Flammen als uns selbst an. Das Geschichtenerzählen war nicht so gut gelaufen, wie ich gehofft hatte, und ich war nicht sicher, was ich daraus über die anderen hatte lernen können. Dass sie alle knallharte, entschlossene Profis waren, absolut in der Lage, auch unbequeme notwendige Entscheidungen zu treffen, wenn es sein musste? Dass wir alle potenzielle Killer waren? Oder das jeder von uns in der Lage war, für Alexander Kings Preis dem anderen ein Messer in den Rücken zu stoßen? Das hatte ich schon gewusst. Ich war ein wenig erleichtert, dass alle Geschichten auf eine gewisse Moral des Erzählers hatten schließen lassen. Oder wenigstens darauf, dass sie wussten, dass es so etwas gab.

Überraschenderweise hatte Peters Geschichte noch am wenigsten davon gehabt. Auch wenn das vielleicht für ihn etwas Besonderes war.

»Wisst ihr«, meinte plötzlich der Blaue Elf. »Auch wenn wir für unterschiedliche Auftraggeber arbeiten oder gearbeitet haben - wir alle tummeln uns in der gleichen größeren, magischen Welt. Vielleicht hat Alexander King uns deshalb den anderen … bekannteren Namen vorgezogen. Es ist ja nicht so, als wären wir einander völlig fremd. Ich kenne dich, Eddie, und ich habe auch schon einmal mit Walker zusammengearbeitet, bei dieser Sache mit dem Thronerben.«

»Und Sie haben einen sehr ernstzunehmenden Eid geschworen, dass Sie nicht darüber sprechen werden!«, sagte Walker kalt.

»Ich rede ja gar nicht drüber! Ich erwähne es nur am Rande. Kennen Sie jemanden hier, Walker?«

»Ich kenne Honey Lake«, sagte er erstaunlicherweise.

»Was hatte die CIA denn in der Nightside zu tun?«, fragte ich.

»Sich einmischen«, sagte Walker.

»Nichts, was die Droods anginge«, fügte Honey schnell hinzu.

Wir alle sahen Peter an, aber er zuckte nur mit den Achseln. »Ich habe von der CIA gehört und von den Droods, auch von der Nightside, aber das war's auch schon. Ich musste nie Teil eurer größeren, magischen Welt sein und hatte auch nie das Bedürfnis danach. Ich wollte mein Leben so weit von Großvater entfernt führen wie möglich. Aber: Er war ein Spion und ich auch. Vielleicht liegt es einem im Blut.« Er betrachtete uns über das Feuer hinweg nachdenklich. »Warum seid Ihr Spione geworden? Oder Agenten, wenn euch das lieber ist?«

»Bei mir ist das eine Familienangelegenheit«, sagte ich. »Mir wurden seit meiner Schulzeit Begriffe wie Pflicht und Verantwortung eingetrichtert. Die Indoktrination beginnt früh bei den Droods. Ich wurde in dem Glauben erzogen, auf der Seite des Guten zu kämpfen, ein Soldat in einem endlosen Krieg zu sein. Es gibt viele Wege, der Menschheit zu dienen, aber etwas außerhalb der Familie zu tun war nie eine Option. Ich fand einen Weg, das Herrenhaus zu verlassen und ein einigermaßen unabhängiger Agent zu sein, aber ich habe die Familie nicht verlassen. Ich bin ein Drood, auf Gedeih und Verderb, und das werde ich immer sein. Wir leben, um die Menschheit zu beschützen, und wenn man erst einmal herausfindet, vor wie vielen Dingen man sie schützen muss, mit denen ihr anderen nicht zurechtkommen würdet, … dann kann man sich nicht einfach davon abwenden.«

»Ja«, meinte Walker. »Pflicht und Verantwortung. Strenge Lehrmeister sind das, aber nicht ohne Lohn. Jemand muss einstehen gegen all die Kräfte, die die Welt in den Abgrund ziehen würden. Jemand muss die Peitsche in der Hand und ein Auge auf alles haben. Und darin war ich immer sehr gut.«

»Ich würde Pflicht und Verantwortung nicht erkennen, und wenn ich auf dem Weg in die Gosse drüber stolperte«, sagte der Blaue Elf. »Ich spiele das Spiel, weil es Spaß macht, Geld bringt und ich vielleicht auf das eine oder andere junge Ding treffe. Ich bin Agent, weil das verdammt noch mal cool ist. Wenn man erst einmal entdeckt hat, wie groß und wunderbar und seltsam die Welt wirklich ist, wie könnte man da nicht bis zur Hüfte hineinwaten?«

»Bei mir ging's immer darum, meinem Land zu dienen«, stellte Honey fest. »Alle nötigen Drecksarbeiten erledigen, weil es ja jemand tun muss.«

»Geld«, sagte Peter rundheraus. »Für mich hieß es immer: Wie ist die Bezahlung? Ich bin stolz, wenn ich Erfolg habe, ja, oder wenn ich meinen Job gut erledige; aber wenn ich etwas fände, das besser bezahlt wird, dann würde ich so schnell den Beruf wechseln, dass euch der Kopf schwirrt. Industriespionage ist nicht sehr glamourös, es gibt keine guten oder bösen Jungs. Nur unterschiedliche Grade der Gier, der Täuschung und des Betrugs.«

Dazu gab es nicht viel zu sagen, also wandte ich mich wieder dem Blauen Elfen zu. »Als du noch ganz groß dabei warst, für wen hast du gearbeitet? Außer für meine Familie?«

Er zuckte mit den Achseln. »Für jeden, der mich gut bezahlte oder einen interessanten Fall anzubieten hatte. Ich hatte immer eine Schwäche für hübsche Gesichter mit tränenreicher Story. Ich habe mich auch jahrelang in der Jobbörse rumgetrieben und hatte da eine Zeit lang meinen eigenen Stand. Habe alles gemacht und bin überall hin - aber nichts ist von Dauer. Besonders nicht in diesem Geschäft. Viel zu früh wollen die Kunden von einem Agenten gerettet werden, der nicht so viele Jahre auf dem Buckel hat, von einem, dessen Glamour-Faktor höher ist.«

Auf einmal unterbrach er sich und setzte sich aufrecht hin. Er neigte leicht den Kopf, als höre er auf etwas, was nur er hören konnte.

»Er ist da«, sagte er still. »Im Dunkeln. Und beobachtet uns.«

Wir alle sahen uns um und versuchten, nicht allzu auffällig dabei zu sein, aber die Dunkelheit behielt ihre Geheimnisse für sich. Aber langsam, Stück für Stück, erstarben das Kreischen und Rufen der örtlichen Fauna. Vögel und Tiere versteckten sich in Gegenwart von etwas wesentlich Gefährlicherem im Unterholz. Auf einmal schien die Nacht tiefer und bedrohlicher zu sein. Es herrschte eine angespannte, brüchige Stille, als ob die ganze Welt den Atem anhielte, um zu sehen, was als Nächstes passierte. Das einzige Geräusch war das leise Knistern des Feuers. Beinahe ohne dass wir es selbst bemerkten, standen wir auf und bildeten einen Kreis um das Lagerfeuer, Schulter an Schulter, und starrten hinaus in die Nacht, damit uns nichts, was uns entgegenkam, entginge. Der Blaue Elf stand links von mir, er zitterte beinahe vor Eifer.

»Bist du sicher?«, fragte Peter. »Ich kann verflucht noch mal nichts sehen.«

»Ja, klar«, meinte Honey. »Der ganze Wald ist still geworden, weil er nicht abwarten konnte, deine nächste Geschichte zu hören.«

»Er ist da draußen«, sagte Blue. »Ich kann seine Präsenz wie ein Gewicht auf der Welt fühlen, wie eine Störung in der Nacht. Aber … ich kann nicht sagen, was es ist. Es ist natürlich und unnatürlich, beides gleichzeitig. Seltsam.«

»Menschlich oder tierisch?«, fragte Walker praktisch wie immer.

»Es hat Elemente von beidem«, sagte Blue. »Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich sagen, keines von beiden.«

»Ist es gefährlich?«, fragte Honey.

»Aber ja«, sagte Blue. »Ich kann frisches Blut auf ihm riechen.«

»Solange es sich nicht als irgendeine Affenart oder ein Missing Link herausstellt«, sagte Peter. Seine Stimme klang ein wenig zu laut und trug für meinen Geschmack zu weit. »Am Ende bewirft es uns noch mit seiner Kacke.«

»Es ist kein Affe!«, meinte Blue bissig, ohne sich umzusehen. »Nichts derart Simples. Etwas an dieser Kreatur lässt meine Nackenhaare aufstehen. Allein der Versuch, mentalen Kontakt mit ihm herzustellen, weckt in mir den Wunsch, meine Seele mit Seife auszuwaschen.«

»Aber alle Beschreibungen des Sasquatch stimmen überein: eine große, menschenähnliche, behaarte Gestalt«, sagte Honey. »Wenn es wirklich kein Affe ist, dann wenigstens eine Art Proto-Humanoide.«

»Nein«, sagte der Blaue Elf kategorisch. »Kein Affe. Kein Mensch. Nichts in der Art. Ich beginne mich zu fragen, ob das überhaupt der Sasquatch ist. Vielleicht ist das etwas anderes, etwas Fremdes - und das, weswegen Alexander King uns eigentlich hierher geschickt hat anstatt zu den bekannteren Bigfoot-Sichtungsorten.«

»Okay«, sagte ich. »Keiner macht rasche Bewegungen. Wir wollen es nicht verscheuchen, nachdem wir solange auf sein Auftauchen gewartet haben. Wenn es sich wieder in die Dunkelheit zurückzieht, dann finden wir es vielleicht nie wieder.«

»Ganz recht«, sagte Walker. »Das Letzte, was wir wollen, ist in der Dunkelheit hinter ihm herhetzen. Es fiele ihm viel zu leicht, uns zu trennen und dann einzeln anzugreifen.«

»Machen Sie sich um den Sasquatch Gedanken oder um uns?«, fragte Peter.

»Na los, Blue«, sagte ich. »Wir brauchen Informationen. Was kannst du uns über diese Kreatur

sagen?«

»Sie ist nicht natürlich«, wiederholte der Blaue Elf stur. »Ich kann das Verkehrte in dieser Kreatur spüren, wie Zähne, die an meinen Instinkten nagen. Da ist eine grundsätzliche Verkehrtheit, eine Instabilität - ja! Das ist es! Das verdammte Ding ist ein Formwandler. Manchmal das eine, manchmal das andere. Manchmal menschlich, manchmal etwas anderes.«

»Meinen Sie einen Werwolf?«, fragte Walker.

»Verdammt«, sagte Honey. »Und ich habe meine Silberkugeln nicht dabei. Hat sich einer von euch schon mal gefragt, warum der Lone Ranger nur Silberkugeln benutzt hat? Ich habe mir immer gedacht, dass sein Indianerfreund Tonto mehr war, als er behauptete …«

»Wenn wir bitte beim Thema bleiben könnten«, sagte Walker.

»Es ist kein Werwolf«, sagte Blue. »Wie die sich anfühlen, weiß ich. Das ist kein Werwesen.«

»Wenn es ein Formwandler ist, könnte das erklären, warum es nie erfolgreich aufgespürt oder identifiziert werden konnte«, sagte Walker nachdenklich.

»Nein - nein!« Der Blaue Elf fiel Walker in seinem Eifer ins Wort. »Ich hatte dieses Gefühl schon mal! Ich weiß, was das ist. Das Ding da draußen ist ein Hyde! Nicht irgendein armer Bastard, der gebissen oder dazu verflucht wurde, ein Werwesen zu sein, sondern jemand, der chemisch zu etwas verändert worden ist, das in mancher Hinsicht mehr als ein Mensch ist und in mancher Hinsicht weniger. Ich kann aus dieser Nähe beinahe die Chemie in ihm riechen.«

»Na, gut, dass es mir nicht so geht«, sagte Peter.

»Gleich haue ich Ihnen eine runter«, sagte Walker. »Und das wird wehtun. Passen Sie gefälligst auf.«

»Was ist denn so beeindruckend an einem Hyde?«, fragte ich. »Ich habe schon Dutzende von ihnen als Leibwächter oder Mietschläger gesehen. Meist sind es aufgepumpte Muskelfreaks und Dramaqueens.«

»Die verdünnten Seren, die Harry Fabelhaft und Konsorten rund um den Wolfskopfklub verhökern, sind mit dem echten nicht zu vergleichen«, sagte Blue. »Die Wirkung, die diese Mittel haben, sind viel mehr psychologischer als körperlicher Natur. Niemand war je in der Lage, Henry Jekylls Original-Formel zu kopieren. Die eine, die alles Böse in einem Menschen weckt. Irgendeine seltsame Unreinheit in einer der ursprünglichen Ingredienzen.«

»Richtig«, sagte Walker. »Selbst Jekyll konnte seine originale Mischung nicht wieder herstellen. Das war auch der Grund, warum er die Kontrolle über den Wechsel verlor und Hyde immer wieder hervorkam, auch ohne dass er das Mittel nahm. Vielleicht gibt es hier eine Pflanze oder Blume oder irgendein Gemüse, das in dieser Gegend beheimatet ist, das die ursprüngliche Unreinheit beinhaltet. Dann verkriechen sich die Betroffenen vielleicht von allein in den Wäldern, um sicherzugehen, dass sie niemanden verletzen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass ihre Gemeinschaft die Zeichen erkennt und die Betreffenden in die Wildnis schickt, bis es für sie sicher genug ist, zurückzukehren.«

»Darum hat Großvater uns hergeschickt«, sagte Peter. »Das Geheimnis der Kreatur ist gelöst. Kein Bigfoot, sondern ein Hyde. Natürlich müssen wir es noch mit der Kamera aufzeichnen, um alles zu beweisen.«

Unsere Köpfe fuhren herum, als wir hörten, wie sich etwas draußen in der Dunkelheit bewegte. Es umkreiste uns, langsam und gemächlich, und gab sich keine Mühe mehr, seine Bewegungen zu verbergen. Es wollte, dass wir wussten, dass es da war. Es beschrieb einen perfekten Kreis um uns herum, blieb aber außerhalb des Lichts, als ob es uns einschätzen wollte und entschieden hatte, dass wir keine Bedrohung seien. Und dann hielt es an. Die schwere Stille der Nacht kehrte zurück. Was konnte so schrecklich sein, dass jedes Tier und jeder Vogel des Waldes Angst hatten, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen?

»Es ist direkt vor mir«, sagte der Blaue Elf leise. »Es beobachtet mich.«

Ich strengte mich an, durch die Stille etwas zu erlauschen, und allmählich konnte ich ein verhaltenes, heftiges Atmen hören; eher das eines Tieres als eines Menschen.

»Das kann kein Hyde sein«, sagte ich. »Kein echter. Jekyll war in seinen Tagebüchern sehr deutlich. In Edward Hyde hatte alles Böse, was in einem Menschen steckt, Form angenommen. Gesteuert von Instinkt, beherrscht vom Freudschen ›Es‹, völlig unbelastet von Gedanken an die Konsequenzen oder einem Gewissen; ein Mann mit dem Zeichen des Tiers. Nichts als Wut, Lust, Hass und der Wunsch zu töten.«

»Wie deine Tulpa?«, fragte Peter.

»Schlimmer«, sagte Blue. »Viel schlimmer.«

»Eddie hat vielleicht recht«, meinte Walker. »Wenn das ein Hyde ist, warum hat er uns noch nicht angegriffen?«

»Kann er ja mal versuchen«, sagte Honey. »Ich werde ihm in seinen widerlichen Arsch treten.«

»Nein, ihr versteht nicht«, sagte ich. »Sasquatche töten nicht. Es gibt keine einzige Aufzeichnung darüber, dass je ein Sasquatch einen Menschen getötet hätte. Nicht hier und auch sonst nirgendwo.«

»Aber wenn ich mich recht an diese Fernsehsendung erinnere, hat diese Kreatur ein ganzes Haus voller Leute terrorisiert«, meinte Honey.

»Und wie sollte er auch hier draußen in der Wildnis Leute umbringen können?«, fragte Walker. »Wenn er zurück in seine Heimatstadt käme, dann würden ihn die Menschen dort wahrscheinlich bei Sichtung abknallen. Hydes sind vielleicht brutal, aber sie sind nicht dumm. Er würde wissen, dass er hier in den Wäldern sicher ist und seine Aggressivität an der Wildnis ausleben.«

»Aber warum hat er uns noch nicht angegriffen?«, fragte Honey.

»Weil ihm das Spaß macht«, sagte Blue.

»Wir müssen ihn vorlocken, ins Licht«, sagte ich. »Wir müssen genau sehen, womit wir es zu tun haben.«

Der Blaue Elf sah mich zum ersten Mal an. »Du willst einem ausgewachsenen Hyde in die Augen sehen? Dem reinen Bösen in menschlicher Form? Aber ich bin sicher, du weißt es am Besten. Du bist ein Drood, du weißt ja alles. Also los. Ich bin dann allerdings schon meilenweit weg und renne mit Hochgeschwindigkeit in Richtung Horizont.«

»Wo ist denn dein Stolz?«, fragte ich ziemlich gereizt.

»Und wo dein gesunder Menschenverstand?«, fragte der Blaue Elf zurück.

»Wir beide tragen einen Torques«, sagte ich geduldig. »Uns kann nichts verletzen.«

»Glaub da nur weiter dran«, sagte Blue. »Ich werde mein Vertrauen lieber in ein Paar guter Joggingschuhe setzen.«

»Unglücklicherweise bin ich derselben Meinung wie der Drood«, sagte Peter. »Wir brauchen Beweise darüber, was dieses Wesen wirklich ist, und auch wenn ich meine Kamera schon vorbereit habe, damit wir ein gutes Foto kriegen, muss dieses Ding erst mal ins Licht kommen. Ich hätte, um ehrlich zu sein, gern auch einige Vorher-Nachher-Fotos und vielleicht sogar einen Film von der tatsächlichen Transformation.«

Ich hasste es, einer Meinung mit dieser nervenden kleinen Knalltüte zu sein, aber er hatte recht. »Ich könnte hochrüsten, ihn hierher zerren und ihn am Boden festhalten«, meinte ich. »Hydes sind vielleicht groß und brutal, aber sie bestehen immer noch aus Fleisch und Blut. Meine Rüstung sollte mit ihnen fertig werden.«

»Wenn du hochrüstest, haut er ab«, sagte der Blaue Elf. »Und in der Dunkelheit findest du ihn nie.«

»Ich bin nach wie vor nicht sehr glücklich damit, dieses Ding zu nah an uns herankommen zu lassen«, sagte Walker. »Hydes wollen nichts als töten.«

»Ich kenne einen Industriespion, hinter dem wir uns verstecken können«, sagte Honey.

Ein Laut erreichte uns aus der Dunkelheit. Es hätte ein Grollen, aber auch ein Kichern sein können. Etwas an dem Geräusch ließ meine Nackenhaare aufstehen. Das war nicht das Geräusch eines Menschen oder überhaupt irgendeines Wesens. In dem Geräusch selbst lag die Berührung der Hölle, und der Hyde wusste das und genoss es.

»Nun«, stellte Walker fest. »Eigentlich wollte ich ja die letzten Überreste meiner Stimme für einen echten Notfall aufheben, aber …« Er trat vor und wandte sich an die Finsternis direkt vor dem Blauen Elfen. »Du. Komm her.«

Ich erzitterte beim Klang seiner Stimmte. Ich glaube, das taten wir alle. Es war Walkers legendäre Stimmte, der man weder widersprach, noch missachtete man sie. Einige behaupten, dass sie Spuren der Urstimme enthielt. Der, die gesagt hatte: Es werde Licht. Ich mochte den Gedanken nicht. Es hätte zu viele Fragen aufgeworfen; wie die, woher Walker seine Stimme wirklich hatte. Die Finsternis selbst schien zu zögern, als ob sie widerstrebe, und dann kam der Hyde ins Licht geschlurft, gegen seinen Willen gezogen wie von einer Hundeleine oder wie ein Fisch am Haken. Er setzte einen Fuß vor den anderen und kämpfte dabei um jeden Zentimeter. Er hasste uns alle, aber dennoch kam er hervor und stand vor uns.

Es war eindeutig ein Mann, aber genauso eindeutig war er mehr und auch weniger. Er war größer als wir alle, schien aber kleiner zu sein, weil er sich vornüberbeugte. Sein riesiger, muskelbepackter Rücken wölbte sich zu einem Buckel, sein mächtiger knochiger Kopf hing vor der Brust. Er starrte uns bösartig mit blutunterlaufenen Augen unter hervorstehenden Brauen an. Langes, verfilztes, pechschwarzes Haar hing um ein grimmiges, hässliches Gesicht herum, in dem jede Sünde, die Menschen je begangen hatten, ihre Spuren hinterlassen hatte. Seine Kleider hingen in Fetzen, zerrissen und zerfetzt und mit Blut durchtränkt, das nicht sein eigenes war. Seine großen Hände waren dick mit getrocknetem Blut bedeckt, das wie grauenhafte Handschuhe bis hinauf zu den Ellbogen reichte. Ansonsten war seine Haut gerötet und spannte sich straff über den Körper. Pulsierende Adern waren darunter zu sehen. Seine Augen lagen tief in ihren Höhlen; stechend, schlau. Er lächelte ein kaltes, frohes Lächeln, in dem die gesamte Bosheit der Welt steckte.

Ihn auch nur anzusehen reichte aus, um den Wunsch zu wecken, ihn zu töten. Allein sein Anblick erfüllte mich mit Abscheu, Hass und Ekel; ein instinktives Bedürfnis, etwas anzugreifen und zu zerstören, das gar nicht erst auf der Welt existieren sollte. Etwas, das zu schrecklich war, um geboren zu werden, eine Abscheulichkeit, die den Planeten schändete. Er stand vor uns und all die verbotenen Bedürfnisse und Impulse der Menschen waren in ihm Fleisch und Blut geworden und auf die Welt losgelassen. Die schlimmsten Taten, die ein Mensch ohne Mitleid, Gewissen und ohne Furcht vor den Konsequenzen begehen konnte. All die boshaftesten Menschen der Welt - und das waren so viele - waren im Inneren nur ein Abglanz des Hydes.

Ich konnte spüren, wie mein Torques kalt um meinen Hals herum brannte, um mich vor einer Vergiftung durch die bloße Präsenz dieses Wesens zu schützen.

Beinahe instinktiv hatten wir fünf einen Kreis um den Hyde gebildet. Wie Jäger eine Beute umzingeln, die zu gefährlich ist, als dass man sie laufen lassen dürfte, auch wenn keiner von uns ihm zu nahe kommen wollte. Ich konnte die gleichen verwirrten Ausdrücke voller Angst und Ekel in den Gesichtern der anderen sehen und wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten, zuckten und zitterten in dem Wunsch, nach den Waffen zu greifen. Oder das schreckliche Ding vor ihnen mit den bloßen Händen zu töten. Ich wusste, was sie fühlten, denn ich fühlte genau dasselbe.

Der Hyde stand sehr still da, er kauerte fast wie ein Tier. Seine Augen schossen hin und her - auch wenn er seinen Kopf nicht bewegte -, um herauszufinden, wer von uns der Schwächste sei. Dieser eine würde am leichtesten zu quälen sein. Seine schlauen Augen blieben schließlich auf Honey liegen, der einzigen Frau in unserer Gesellschaft, und ihr kaffeebraunes Gesicht wurde steif und gespannt unter seinem direkten verächtlichen Blick.

»Hübsch, hübsch«, sagte der Hyde mit einer Stimme, die so glatt war wie Seide und so süß wie Zyanid. »Es ist so nett von euch, mich in meinem abgelegenen Reich zu besuchen. Ich mag dich, du siehst appetitlich aus.«

»Halt deine dreckige Klappe«, sagte Honey. Ihre Stimme war nicht mehr so fest wie sonst. Sie konnte den Ekel, den sie spürte, nicht verbergen.

»Verwandle dich zurück«, sagte Walker zu dem Hyde. »Werde wieder menschlich.«

Aber auch wenn seine Worte mit aller Autorität durch die Nacht hallten, die ein Mann, dem man in der Regel gehorchte, aufbringen konnte, es reichte nicht. Es waren nur Worte. Er hatte seine Stimme verbraucht. Der Hyde lachte lautlos.

»Wie ist dein Name?«, fragte ich. Er sah mich an, und die Intensität seines Blicks traf mich wie eine Ohrfeige.

»Namen«, sagte er. »Wozu, mein Herr? Hat die Pest einen Namen? Haben Vergewaltigung oder Folter, Krebs oder Senilität einen Namen oder eine Identität? Ich bin, was ich bin, und es ist herrlich. Ich zertrample euch unter meinen Füßen, reiße euch das Fleisch von den Knochen und stecke meinen Schwanz in alle Löcher, die ich mache.«

»Dein Name«, beharrte ich. »Sag mir deinen Namen.«

»Ihr wollt wissen, wer ich war, guter Herr? Vergesst ihn. Er spielt keine Rolle. Hat er nie getan. Aber ich spiele eine Rolle. Ich werde schreckliche Taten begehen, bis die Welt an meiner schieren Gegenwart erkrankt. Ich werde in Blut und Innereien waten und frohe Lieder singen, weil ich ein sehr mächtiger Albtraum bin. Ich werde dieses Land mit Hydes bevölkern, diese verdorbene Welt in mein furchtbares Antlitz verwandeln und jede Minute davon lieben. Mein Name? Edward Hyde, zu Ihren Diensten, mein Herr. Hier ist die Hölle und ich bin mittendrin. - Die alten Scherze sind doch immer die besten, ist es nicht so?«

Sein Lächeln war jetzt sehr breit, und ich hasste ihn mehr, als ich jemals jemanden gehasst hatte.

»Wie fühlt sich das an?«, fragte Peter. Er kämpfte darum, eine feste Stimme zu behalten. »Wie fühlt sich das an, Hyde zu sein?«

Der Hyde betrachtete ihn neugierig und Peter zuckte tatsächlich zurück. »Ich bin der Donner, der Blitz«, erwiderte der Hyde. »Ich kann euch das sagen: Der Mensch ist etwas, das überwunden werden muss. Ich bin der Tumor im Gehirn, der Wind, der die Bäume entwurzelt und das Ding, dass sich des Nachts unter eurem Bett versteckt. Und ich liebe es. Es ist herrlich, von der Angst befreit zu sein, selbst das Ding zu sein, das jeder andere fürchtet. Oh, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr habt keine Ahnung, wie gut sich das anfühlt - all die Beschränkungen des menschlichen Daseins abzustreifen, all die Ketten, mit denen uns die Gesellschaft bindet, um uns kleinzuhalten. Endlich frei zu sein, weil die einzig wahre Freiheit die ist, wirklich alles zu tun.« Er lachte wieder lautlos. »Ich bin alles, was ihr immer sein wolltet und was ihr nicht einmal euch selbst gegenüber zugeben könnt. Ich werde tun, was ich tun muss und keiner von euch kann mich aufhalten. Und wenn sie schließlich die Überreste eurer Leichen finden und sehen, was mit ihnen getan wurde, dann werden sie schreien und kotzen und kreischen, bis sie den Verstand verlieren.«

Er brach ab, weil Honey plötzlich ihre schimmernde Kristallwaffe in der Hand hielt. Ihre Lippen hatten sich zu einem tödlichen Lächeln verzogen, es sah aus wie das Lächeln eines Totenkopfs. Der Hyde kicherte auf einmal: ein hartes, sich überschlagendes Geräusch, das die Seele zerstörte. Und dann warf er sich nach vorn, unwahrscheinlich schnell, nur ein Schemen im Licht des Feuers. Er schlug ihr die Waffe verächtlich aus der Hand und warf Honey mit einem einzigen, fiesen Schlag mit dem Handrücken zu Boden. Blut aus Nase und Mund spritzten durch die Luft. Sie traf schwer auf dem Boden auf.

Walker zog einen Kundela der Aborigine aus seiner Westentasche. Peter riss eine große Kanone aus einem versteckten Holster. Der Blaue Elf intonierte einen Fluch auf den Hyde herab; alte Elfenmagie - aber seine Stimme war ein tiefes langsames Kriechen. Weil ich in dem Moment hochgerüstet hatte, in dem sich der Hyde bewegte, schloss meine goldene Rüstung mich ein und isolierte mich vor den unterschwelligen Auswirkungen der Gegenwart des Hydes. Ich konnte jetzt klar denken und war nicht mehr vom Einfluss der Gegenwart des Hydes beeinflusst.

Ich hasste ihn dennoch genauso wie vorher.

Ich stürzte in Richtung des Hyde; meine Rüstung beschleunigte mich so sehr, dass der Rest der Welt nur noch zu kriechen schien. Trotzdem spürte er, dass ich kam und wandte sich von Honey ab und zu mir hin. Das hatte ich beabsichtigt. Ich fiel über ihn her, meine Fäuste schlugen in ihn ein wie goldene Hämmer. Blut flog aus dem Gesicht des Hydes, als ich darauf einschlug. Ich fühlte und hörte, wie die Knochen in seinem Gesicht und seinem Schädel brachen und splitterten. Der Hyde jedoch gab nicht einen Zentimeter nach. Er schlug mit Fäusten wie Keulen auf mich ein, aber die Kraft der Schläge prallte an meiner unnachgiebigen Rüstung ab. Er hatte die Stärke seines schrecklichen Daseins und war dadurch dazu verurteilt, ohne Rücksicht zu kämpfen, aber am Ende war er doch hauptsächlich ein Mann, während die Rüstung mich zu sehr viel mehr machte.

Er war ein Hyde - aber ich war ein Drood.

Ich prügelte ihn mit den Dornen an meinen gerüsteten Fäusten zu Tode. Ich tötete ihn: für das, was er war, was er getan hatte und was er beabsichtigt hatte zu tun. Er ging kämpfend zu Boden, und er starb mit einem Fluch gegen mich auf den Lippen. Ich brach ihm Arme und Beine, schlug in seine Rippen und versenkte meine Faust tief in seinen Schädel. Auch als es schon vorbei war und ich schwer atmend über seiner Leiche stand, während Blut von meinen dornigen Händen tropfte, fühlte ich nichts. Absolut nichts. Ich sah mich langsam um. Honey war wieder auf den Beinen, drückte ein Taschentuch gegen ihren blutenden Mund und ihre Nase. Ihre Augen waren sehr groß. Für einen Moment erkannte ich den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht. Sie sah mich auf die gleiche Weise an, wie sie den Hyde angesehen hatte. Als ob ein Monster durch ein anderes ersetzt worden wäre.

Ich sah auf den toten Hyde herab. Ich erwartete beinahe, dass er sich wieder in seine ursprüngliche, menschliche Form verwandelte, aber das tat er nicht. Nur der Trank oder die Pflanze oder was auch immer er genommen hatte, hätte diese Verwandlung rückgängig machen können.

Ich rüstete ab und sah die anderen mit meinem bloßen, menschlichen Gesicht an. Ich zitterte. Walker sah mich nachdenklich an. Peters Gesicht war leer und ausdruckslos, als wüsste er nicht, was er denken sollte. Honey kam langsam vor, um sich vor mich zu stellen. Ihre Lippen waren geschwollen, und dunkle Flecken wurden unter ihrer kaffeebraunen Haut sichtbar.

»Es ist schon in Ordnung, Eddie«, sagte sie. »Wir verstehen das.«

»Wirklich?«, sagte ich. »Vielleicht kannst du mir das dann erklären. Ich habe mich noch nie so vergessen. Noch nie derartig … die Kontrolle verloren. So vollständig. Man darf die Kontrolle nicht so verlieren, wenn man die goldene Rüstung trägt. Ich wusste nicht, … dass ich so viel Wut und Hass in mir habe.«

»Wir haben alle einen Hyde in uns«, sagte Walker. »Vielleicht hat seine Gegenwart etwas davon in uns wachgerufen.«

Peter ging mit gezücktem Fotohandy langsam um den Hyde herum. Er filmte die Leiche aus jedem Winkel. Als er fertig war, steckte er das Handy weg und sah mich an. »Also«, sagte er. »Was machen wir mit der Leiche?«

»In den Fluss werfen«, sagte Honey. »Sollen sich die Alligatoren um ihn kümmern. Keiner würde sie haben wollen, so … wie sie aussieht.«

»Einen Moment«, unterbrach ich. »Wo ist Blue? Wo ist der Blaue Elf?«

Wir fanden seine Leiche auf der anderen Seite des Feuers, beinahe völlig verborgen auf der anderen Seite des Lichtkreises. Sein Genick war gebrochen, der Kopf rollte langsam von einer Seite zur anderen. Seine Augen starrten ins Leere und ein schmaler Blutfaden rann aus seinem schlaffen Mund. Er sah … verwirrt aus, als ob er nicht verstehen könne, dass ihm so etwas passiert war. Ich ging neben ihm in die Knie und schloss ihm die Augen.

»Verdammt«, sagte Honey hinter mir. »Der Hyde hat ihn erwischt.«

»Nein«, sagte ich. »Das glaube ich nicht. Dazu ging alles viel zu schnell.«

»Er war nicht sonderlich stark«, meinte Walker. »Ein einfacher Schlag des Hydes wäre genug gewesen.«

»Es ist ja nicht so, als wäre das ein großer Verlust«, sagte Peter. »Man sollte einem Elb sowieso nie vertrauen.«

»Halt die Klappe«, sagte ich, und etwas in meiner Stimme ließ ihn sofort verstummen. »Lasst mich mit ihm allein«, fügte ich hinzu und sah mich nicht um. »Blue und ich haben etwas Privates zu besprechen.«

Walker brachte Peter zurück zum Feuer. Honey blieb eine Weile hinter mir, aber als ich mich nicht umsah, ging sie auch. Sollten die anderen doch denken, was sie wollten - der Hyde hatte das sicher nicht getan. Er hatte Honey geschlagen, und dann war ich auch schon bei ihm gewesen. Er hatte keine Chance gehabt, sich an jemand anderem zu vergreifen. Jemand von den anderen dreien hatte Blue getötet, während die beiden Restlichen zusahen, wie ich den Hyde zu Tode prügelte.

Zwei Mitglieder unserer Gruppe waren tot; beide mit gebrochenem Genick. Beide einem Preis geopfert, der es vielleicht nicht einmal wert war. Aber einer glaubte das, einer aus unserer kleinen Gruppe spielte auf alle Murmeln im Wettbewerb. Ich ließ die Fingerspitzen über Blues aus Kupfer und Messing bestehenden Brustharnisch gleiten. All die elbischen Schutzzauber waren verschwunden. Das war nicht leicht gewesen. Aber selbst dann hätte der Torques ihn beschützen können. Alles was er hätte tun müssen, war, ihn zu aktivieren. Es sei denn, er war wirklich zu ängstlich gewesen, ihn zu aktivieren.

Ich hatte ihn aus dem Ruhestand geholt. Ich hatte ihn ins Droodsche Herrenhaus gebracht und ihm einen Platz innerhalb der Familie gegeben, in unserer Armee. Ihn in die Versuchung gebracht, vielleicht einen Droodschen Torques zu erlangen und war dann überrascht gewesen, als er es nicht hatte abwarten können und wirklich einen gestohlen hatte. Er war für viele Jahre eine Art Freund gewesen und ich hatte ihn an diesen Ort gebracht und an seinen Tod. Und ich hatte das nicht einmal erwartet.

»Tut mir leid, Blue«, sagte ich leise. »Aber du hast etwas, das dir nicht gehört.«

Ich berührte mit einer Fingerspitze den goldenen Reif um Blues Hals, und die seltsame Materie des Torques floss meine Hand und meinen Arm hinauf. Sofort wurde sie von meinem eigenen Torques aufgenommen. Blues Leiche würde seinen Leuten, dem Feenrat, zurückgegeben werden müssen, aber ich konnte seinem Torques nicht erlauben, diesen Weg mitzugehen. Selbst wenn es sich dabei um die einzige wirkliche Errungenschaft seines Lebens handelte.

Und dann hielt ich inne und lauschte, als die Stimme des Blauen Elfen an mein Ohr drang, klar, wenn auch schwach, als ob sie eine lange Strecke hätte zurücklegen müssen, um mich zu erreichen.

»Hallo, Shaman. Wenn du das hörst, dann bin ich tot, und du hast den Torques zurückgeholt. Ach ja, wie gewonnen, so zerronnen. Ich hinterlasse dir diese Nachricht im Torques, nur für den Fall. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich dich Shaman nenne. Ich habe Shaman Bond immer besser gekannt als Eddie Drood. Ich mochte Shaman. Er war mein Freund, bei Eddie war ich da nie so sicher. Es muss kompliziert sein, zwei Personen sein zu müssen und zwei Leben zu haben. Vielleicht kann nur ein Halbelb das verstehen.

Ich wollte nur sagen: Was auch passiert und wie ich auch sterbe - und ich nehme an, dass ich getötet wurde -, ich gebe dir nicht die Schuld. Ich bin mit offenen Augen in dieses Spiel gegangen. Hätte ich dich am Ende auch getötet, um sicherzugehen, dass ich Alexander Kings Preis für den Feenrat und Königin Mab bekomme? Ich weiß es nicht. Shaman Bond war mein Freund, aber ich denke, ich hätte Eddie Drood töten können. Du weißt nicht, was die Droods mir angetan haben, Shaman. Wozu sie mich zwangen.

Also, Shaman, ich grüße dich ein letztes Mal und wünsche dir Lebewohl. Gewinn das Spiel, was auch immer es kostet. Keinem anderen kann man mit dem Preis vertrauen. Eines noch: Ich hasse es, ein schlechter Verlierer zu sein, aber wenn du herausfindest, wer mich getötet hat, dann reiß ihm den Kopf ab und pinkel ihm in den Hals.«

Sein Lachen verklang und war verschwunden.

Ich reaktivierte einen der Zauber auf seinem Harnisch und benutzte ihn, um seinen Körper nach Hause, zum Feenhof, zu schicken. Ich konnte ihn nicht hier in der Dunkelheit allein lassen. Er hatte das Landleben immer gehasst. Ich ging wieder zu den anderen am Feuer, und lange Zeit saßen wir einfach nur da und sahen uns an.

Keiner hatte etwas zu sagen.

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