telegramm an alle weit: –..– konferenz der aussenminister in paris abgebrochen –..– keine resultate –..– Verstimmung in den Hauptstädten –..– Wiederaufnahme der konferenz donnerstag in vier wachen –..– überall geheime kabinettssitzungen anberaumt –..––..–––..––––


Oskar zerknüllte die Zeitung und warf sie unter den Tisch. Dabei fiel ihm der Schulranzen seines Ältesten ins Auge. Er packte ihn, nahm Malkasten und Zeichenpapier heraus und sagte: »Schau her, Frau! Jetzt zeig ich dir, wie's auf der Erde aussieht!« Dann zeichnete er zwei Kreise. Das waren die Erdhälften...

»Das ist die eine Erdhälfte«, sagte der Elefant zu seiner Frau. »Und überall herrschen unter den Menschen Not und Unvernunft. Das sieht jedes Tier...«

»Nur ein Tier«, sagte der Elefant, »will das Elend und Durcheinander nicht sehen – das ist der Vogel Strauß. Er steckt den Kopf in den Sand.«

»Das ist die andere Erdhälfte«, sagte der Elefant zu seiner Frau. »Und überall herrschen seit Jahrhunderten Krieg, Not und Unvernunft. Das sieht jeder Mensch...«

»Nur manche Menschen«, meinte der Elefant, »wollen daraus nichts lernen. Sie regieren und reden und machen Konferenzen...«

»Ich weiß«, sagte seine Frau, »und stecken den Kopf in den Sand.«

Nach einer Nacht voller merkwürdiger Träume rannte der Elefant, noch verschlafen und in Pantoffeln, in aller Herrgottsfrühe zum Telefon und meldete sechs Ferngespräche an: eines mit seinem kleinen Neffen, dem Tapir Theodor, in Südamerika; eins mit dem Känguru Gustav in Australien; eines mit dem alten Eisbären Paul am Nordpol; eins mit der Eule Ulrich in Mitteleuropa; das fünfte mit der Maus Max in Asien und das sechste mit Reinhold, dem Stier, in Nordamerika. Da hatten die Störche und Flamingos, die im ägyptischen Hauptpostamt als Telefonfräuleins angestellt waren, mächtig zu tun. Erst gab es ein paar Fehlverbindungen, aber schließlich klappte es.

»Hört bitte genau zu!«, rief Oskar, der Elefant. »Mit den Menschen geht das so nicht weiter! Versteht ihr mich?« »Ja, Oskar!«, antworteten die sechs, so laut sie konnten. »Ich habe eine Idee gehabt!«, brüllte der Elefant. »Es ist ihrer Kinder wegen, bloß deshalb! Eine ausgezeichnete Idee! Das heißt, mir und meiner Frau gefällt sie sehr gut ... Sie ist bestimmt nicht übel ... Nein, schlecht ist sie nicht ... Es gibt dümmere Einfalle ... Warum sagt ihr denn gar nichts?« »Wir warten auf deine Idee!«, rief der Stier Reinhold in Nordamerika. »Ach so!«, sagte der Elefant, und alle sieben mussten lachen. »Nun, verrate sie uns schon!«, kicherte die Maus Max in Asien. »Also, hört zu!«, rief der Elefant. »Die Menschen machen in einem fort Konferenzen, ohne etwas zu erreichen, und so ist meine Idee, dass wir auch – eine Konferenz abhalten!«

Nach diesen Worten blieb es in den sechs Telefonleitungen ziemlich lange still. Schließlich schnatterten und klapperten die Flamingos und Störche ungeduldig mit den Schnäbeln und fragten spitz: »Sprechen Sie noch?« »Unterstehen Sie sich, mich zu trennen!«, trompetete der Elefant. Dann brüllte er: »Paul! Theodor! Max! Reinhold! Ulrich! Gustav! Seid ihr plötzlich taubstumm geworden?« »Das nun nicht gerade«, meinte der Eisbär und wiegte nachdenklich den weißen Kopf, »es ist nur ein bisschen merkwürdig... Erst schimpfst du auf die Konferenzen, und dann...« »Paul hat ganz Recht«, schnarrte die Eule, »erst schimpfst du, und nun sollen wir selber so ein Ding abhalten!« »Hui!«, pfiff Max, die Maus. »Wir werden uns blamieren, passt auf!« »Den Teufel werden wir tun!«, donnerte Oskar. »Es liegt doch nicht an den Konferenzen, sondern an den Menschen! Habt ihr denn gar keine Selbstachtung, wie? Das wäre ja gelacht! Hört zu, ihr Angstmeier: Heute in vier Wochen versammeln sich sämtliche Abordnungen im Hochhaus der Tiere! Verständigt umgehend alle Gattungen und Arten! Termin – heute in vier Wochen! Treffpunkt – Hochhaus der Tiere! Da werden wir ja sehen, ob...«

»Die fünf Minuten sind um«, schnatterten die Telefonfräuleins im ägyptischen Hauptpostamt, »wir müssen trennen.« »Dumme Gänse«, brummte Oskar verärgert. »Gänse?«, riefen die Telefonfräuleins empört. »Erlauben Sie mal! Hier werden nur Störche und Flamingos beschäftigt!« »Dann also: Dumme Stelzfüßler!«, meinte der Elefant achselzuckend und hängte ein. Er war völlig erschöpft und musste sich die Stirn abtrocknen. (Sein Taschentuch war übrigens vier Meter lang und vier Meter breit.)

Der Nachrichtendienst klappte wie am Schnürchen. Die Hunde jagten wie der Wirbelwind durch die Städte und Dörfer. Die Wiesel raschelten durch die Gärten. Die Hirsche und Rehböcke galoppierten durch die Wälder, dass es dürre Zweige regnete. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Zebras donnerten wie ein Gewitter durch die Wüsten. Die Gazellen und Antilopen schössen wie Pfeile über die Steppen. Der Vogel Strauß und der Emu griffen aus, dass der Staub wie Wolken von der Erde aufstieg. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Rentiere trabten dampfend über die Tundra. Die Polarhunde sprangen bellend durch die Mittsommernacht. Die Möwen gellten es den Pinguinen ins Ohr: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Affen schwangen sich schreiend in den Urwäldern von Baum zu Baum. Die schillernden Käfer summten es. Die kleinen bunten Kolibris zirpten es. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Papageien und Kakadus plapperten es wie schnarrende Automaten, während sie sich in den Lianen wiegten. Die Spechte klopften es wie Morsezeichen gegen die hohlen, dröhnenden Baumstämme. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Frösche hockten aufgeplustert in den Sümpfen und Teichen und quakten die Nachricht unermüdlich in die Lüfte. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Schwalben saßen, wohin man blickte, auf den Telefondrähten der Überlandpost und meldeten die Neuigkeit in alle Länder der Erde. »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Brieftauben schossen zu Tausenden über die Gebirge und Meere, und in den winzigen Kapseln, die sie am Halse trugen, stand es deutlich zu lesen: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Die Kängurus hüpften mit Riesensprüngen quer durch das Innere Australiens. Sie hatten, als wären sie Briefträger, die wichtige Post in ihren Beuteln. Und die Post lautete: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Und noch in die dämmrige Tiefe der Ozeane drang die Kunde zu den absonderlichen, fremdartigen Wesen, die dort unten hausen. Hier schrieben es die Tintenfische mit Riesenbuchstaben ins Wasser. »Heute Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

Ja, sogar die Schnecke Minna kroch aufgeregt aus ihrem Einfamilienhaus heraus und schleppte sich, das Haus auf dem Rücken, vor lauter Atembeschwerden prustend und schnaufend, durch die Weinberge. Manchmal hielt sie inne, schnappte gierig nach Luft und rief heiser: »Heute in vier Wochen Konferenz im Hochhaus der Tiere!«

»Was erzählst du da?«, fragte der Regenwurm Fridolin, neben dem Minna zufällig verschnaufte. »Das ist ja hochinteressant!«, erklärte er ganz aufgeregt und begann sich auch schon in der Erde einzubuddeln. »Wo willst du denn so eilig hin?«, fragte die Schnecke. Fridolins Kopf war nur noch halb zu sehen. »Dumme Frage!«, brabbelte er. »Die Tiere auf der anderen Seite der Erde müssen es ja schließlich auch erfahren! Heute in vier Wochen Konferenz im Hoch...« Und schon war er verschwunden.

Ehe man sich's versah, wussten alle Tiere Bescheid, ob sie nun in der Wüste lebten oder im ewigen Eis, ob hoch in den Lüften oder auf dem Grunde des Ozeans. Sie hielten Versammlungen ab und wählten für jede Art und Gattung einen Delegierten. Es war fast wie damals vor der großen Sintflut, als Noah zu ihnen geschickt und sie gebeten hatte, paarweise in seine Arche zu kommen. Die Delegierten trafen auf der Stelle die notwendigsten Reisevorbereitungen. Reinhold, der Stier, lief zum Schuster und ließ sich die Hufe frisch besohlen.

Der Vogel Strauß ließ sich beim Friseur die Pleureusen schwungvoll ondulieren.

Der Büffel ließ sich die Stirnlocken mit der Brennschere rollen.

Und in der Nachbarkabine saß der Löwe Alois schwitzend unter der Haube, weil er für die Konferenz neue Dauerwellen haben wollte. »Diese Hitze!«, sagte er stöhnend zu dem Fräulein, das ihm währenddem die Krallen schnitt und feilte. »Die Hitze könnte mich rasend machen! Wenn ich nicht so blond wäre...« »Ich schwärme für blonde Mähnen«, meinte die Maniküre und lächelte ihn an. Daraufhin sagte Alois seinen berühmten Satz nicht zu Ende.

Der Pfau stolzierte zu einem berühmten Kunstmaler und ließ sich von ihm die Radfedern auffrischen.

Paul, der Eisbär, nahm ein heißes Bad in einem dampfenden Geysir. Er fand das fast kochende Wasser scheußlich. Aber hinterher sah er aus wie frisch gefallener Schnee, und seine Familie bewunderte ihn außerordentlich.

Oskars Frau bügelte den Sonntagsanzug ihres Mannes. Sie konnte sowieso seine zerknitterten Hosenbeine nicht leiden, und auf der Konferenz sollte er endlich einmal elegant wirken.

Oskar selber saß inzwischen beim Zahnarzt und ließ sich den linken Stoßzahn plombieren. Der Zahnarzt war ein Neger, schwarz wie Ebenholz, und hatte einen kleinen Sohn mit großen, runden Augen. »Dich nehm ich mit auf die Reise«, sagte Oskar zu dem Jungen. »Denn im Grunde halten wir ja die Konferenz nur wegen der Kinder...« »Wollen Sie bitte mal nachspülen«, meinte der Zahnarzt und hielt ihm einen Eimer voll Wasser hin.

Zu Hause packten die Tierfrauen die Koffer mit Reiseproviant voll. Und mit Wäsche und Thermosflaschen und Moos und Mais und gedörrtem Fleisch und Fisch und mit Hafer, Wabenhonig, Brathühnern und gekochten Eiern. Und dann zogen die Delegierten die Mäntel an, denn es war Zeit, zum Bahnhof zu gehen.

Es war sogar allerhöchste Zeit. Auf den Bahnhöfen in Afrika, Asien, Amerika, Europa und Australien standen schon die Schnellzüge unter Dampf. Die Lautsprecher brüllten: »Höchste Eisenbahn – alles Platz nehmen! Abfahrt zum Hochhaus der Tiere – Türen schließen!« Dann ruckten die Lokomotiven an. Oskar und Alois und Leopold und viele andere Delegierte hatten die Wagenfenster heruntergelassen und winkten mit ihren Taschentüchern. Und die Mütter mit den Elefäntchen und den anderen Tierkindern winkten zurück. »Blamiert euch nicht!«, rief Oskars Frau mit erhobenem Rüssel. »Keine Bange!«, schrie Oskar zurück. »Wir werden die Welt schon in Ordnung bringen! Wir sind ja schließlich keine Menschen!«

In den Häfen am Meer ging es nicht weniger lebhaft zu. Die Tiere, die nicht schwimmen konnten, gingen an Bord moderner Schnelldampfer. Es lagen aber auch große Walfische am Pier und sperrten ihre riesigen Mäuler auf. Sie hatten sich freiwillig für den Transport der Konferenzteilnehmer zur Verfügung gestellt, und wer den Schiffsmotoren nicht traute, brauchte nur über die Laufplanke in einen der Walfische hineinzuspazieren. »Schiffe gehen zuweilen unter«, sagte der Hase zum Fuchs. »Aber dass ein Walfisch untergegangen ist, habe ich noch nie gehört.« – Damit hoppelte er über die Planke in den aufgesperrten Rachen des Ungeheuers. Schließlich war alles an Bord. Die Schiffssirenen heulten auf. Die Walfische klappten ihre Mäuler zu. Wasserfontänen spritzten hoch, und die Flottille setzte sich in Bewegung. Die Verwandten am Ufer winkten. Die Delegierten an der Schiffsreling winkten zurück. Nur die Abgeordneten im Bauch der Walfische – die winkten nicht. Weil Walfische keine Fenster haben.

Auch auf den Flugplätzen sämtlicher Erdteile war Hochbetrieb. Die meisten Delegierten – soweit es nicht Vögel waren – flogen zum allerersten Mal in ihrem Leben und benahmen sich ein bisschen nervös und zimperlich. Aber als der Adler, der Geier, der Bussard und der Reiher sie auslachten, nahmen sie sich zusammen und setzten sich ergeben auf ihre Kabinenplätze. Man konnte übrigens auch, gegen einen entsprechenden Preiszuschlag, einen fliegenden Teppich mieten. Das tat beispielsweise der Skunk. Als wohlhabendes Pelztier konnte er sich das leisten. Außerdem blieb ihm gar nichts andres übrig. Weil er stank, hatte man ihm an der Kasse kein Flugbillett verkauft. Nun ja, schließlich waren alle untergebracht. Die Luftflottille erhob sich. Die Propeller sausten und blitzten in der Sonne. Die fliegenden Teppiche schimmerten bunt wie große Schmetterlinge. Raben und Reiher, Falken, Marabus und Wildenten flogen im Gefolge. Und die Erde unter ihnen wurde immer kleiner und kleiner.

Die Polartiere hätten um ein Haar Pech gehabt. Denn als sie am Hafen ankamen, waren die Dampfer allesamt eingefroren. Aber der Eisbär Paul wusste Rat. Erst fuhren sie samt ihrem Gepäck auf Rentierschlitten südwärts, und dann stiegen sie auf einen Eisberg um: Paul und das schnauzbärtige Walross und der Pinguin und das Schneehuhn und der Silberfuchs. Ja, und ein kleines pausbäckiges Eskimomädchen, das mit Paul schon lange befreundet war. – Der Eisberg hatte einen großen Nachteil: Er war schrecklich langsam, und sie fürchteten schon, sie kämen womöglich zu spät.

Da hatte zum Glück das Walross einen ausgezeichneten Einfall. Es bat alle Robben, denen sie begegneten, ihnen vorwärts zu helfen, und die Seelöwen und Seehunde ließen sich nicht zweimal bitten. Mit der einen Flosse hielten sie sich am Eisberg fest, mit der anderen ruderten sie im Takt wie tausend gelernte Matrosen, dass der schneeglitzernde, kristallblaue Eisberg förmlich dahinflog! Die Überseedampfer, die ihnen begegneten, bekamen es mit der Angst und nahmen schleunigst Reißaus.

Die Tiere, die mit der Eisenbahn fuhren, hatten es am schwersten. Denn die Erde und die Kontinente sind ja bekanntlich in viele, viele Reiche und Länder eingeteilt, und überall waren Schranken heruntergelassen, und überall standen uniformierte Beamte und machten böse Gesichter.

»Was haben Sie zu verzollen?«, fragten die uniformierten Beamten. »Zeigen Sie sofort Ihre Pässe!«, sagten sie. »Haben Sie ein Ausreisevisum?« »Haben Sie ein Einreisevisum?« »Was ist los?«, knurrte der Löwe Alois. »Wir können ja einmal nachsehen«, meinte Oskar, der Elefant.

Und nun stiegen die beiden mit dem Tiger und dem Krokodil aus dem Zug und näherten sich neugierig den Beamten.

Da kriegten die uniformierten Beamten einen großen Schreck und rannten davon, so schnell sie konnten. »Haben Sie denn ein Ausreisevisum?«, rief Oskar hinter ihnen her. Darüber mussten alle Tiere im Zug so lachen, dass sie sich fast verschluckten. Und dann fuhren sie ungestört weiter.

Obwohl nun doch zu Wasser, zu Lande und in der Luft so viele Tiere auf dem Wege zur Konferenz waren, merkten die wenigsten Menschen etwas davon. Nur die Leute, die an der Eisenbahn wohnten, wunderten sich ein bisschen. Aber wenn dann einer sagte: »Es wird wohl ein Wanderzirkus sein«, gaben sie sich wieder zufrieden. Am erstauntesten waren die kleinen Kinder, die in diesen Tagen in ihren Bilderbüchern blätterten. Die Bilderbuchtiere waren nämlich aus den Büchern verschwunden! Es sah aus, als hätte sie jemand fein säuberlich mit der Schere herausgeschnitten! Aber es hatte sie natürlich gar niemand herausgeschnitten, sondern sie waren mitten in der Nacht aus den Büchern gesprungen und hatten sich auf die Socken gemacht, um ja rechtzeitig im Hochhaus der Tiere zu sein...

Das Hochhaus der Tiere ist bestimmt das merkwürdigste und vielleicht das größte Gebäude der Welt. Es hat einen eignen Hafen, einen eignen Bahnhof und hoch oben auf dem Riesendach seinen eignen Flugplatz. Es enthält das Hauptpostamt für die Brieftauben, ein Hotel für die Zugvögel, eine Stellenvermittlung für Tiere, die in den Zoo wollen, eine Tanzschule für Bären, eine Akademie für Dressurlöwen, eine Reit- und Springschule für Pferde, ein Institut zur Förderung begabter Affen, ein Konservatorium für Singvögel, eine Technische Hochschule für Spinnen, Biber und Ameisen, ein Raritätenmuseum, eine zahnärztliche Klinik, ein Sanatorium, einen Kindergarten für Tierbabys, deren Eltern tagsüber arbeiten müssen, ein Waisenhaus, einen Optikerladen für Brillenschlangen, ein Gefängnis für Tierquäler, eine Krebsscherenschleiferei, eine Leuchtfarbenfabrik für Glühwürmchen, Konzertsäle, Schwimmbassins, Speisesäle für Fleischfresser, Speisesäle für Pflanzenfresser, Aufenthaltsräume für Wiederkäuer und vieles, vieles mehr.

Weil nun jeden Tag neue Flugzeuge, Dampfer, Walfische, Züge und fliegende Teppiche mit seltsamen Tieren eintrafen, wurden die Menschen immer neugieriger. Schließlich kamen Zeitungsleute, Rundfunkreporter und Männer von der Wochenschau angerückt, knipsten, kurbelten, fragten, was das Zeug hielt, und machten sich Notizen. »Was ist eigentlich die Absicht Ihrer Zusammenkunft, meine Herren Tiere?«, fragten sie gespannt.

»Ganz einfach«, meinte die Giraffe von oben herab, »es handelt sich um die Menschen.« »Wenn ich nicht so blond wäre«, rief der Löwe Alois aufgeregt, »könnte ich mich ihretwegen auf der Stelle schwarz ärgern!«

Da lachten die Reporter und notierten sich, dass der Löwe ein ausgesprochen witziger Kopf sei. Oskar rümpfte hierüber seinen Rüssel, dann sagte er ruhig: »Es ist wegen der Kinder, verstehen Sie?« Nein, sie verstünden ihn nicht, erwiderten sie. Da brummte er nur: »Das wäre ja auch ein wahres Wunder!«

»Also, hören Sie gut zu«, sagte Reinhold, der Stier, zu einem jungen Mann, der ihm ein Mikrophon vor die Nase hielt. »Ich höre«, meinte der junge Mann, »und die übrige Menschheit hört mit!« »Wissen Sie was?«, fuhr der Stier fort. »Es wird besser sein, wenn Sie zuvor Ihre rote Krawatte abbinden. Rot macht mich nervös, und wenn ich nervös werde...« Der junge Mann band sich so schnell er konnte die Krawatte ab, und Reinhold, der Stier, sagte nun: »Unsere Konferenz im Hochhaus der Tiere beginnt am gleichen Tage wie die Konferenz der Staatspräsidenten in Kapstadt, es ist, glaube ich, ihre siebenundachtzigste.« »Ganz recht«, erklärte der junge Mann, »und bei Ihnen, soviel ich weiß, die erste, nicht wahr?« »Stimmt«, sagte der Stier, »und die letzte!«

Die Photographen machten gerade ein hübsches Gruppenbild. Mit Oskar, Alois, Leopold, dem Känguru Gustav, dem Tapir Theodor und Julius, dem größten Kamel des 20. Jahrhunderts – da brüllte der Elefant plötzlich so laut, dass alle miteinander erschraken: »Moment! Wo ist denn Paul?! Hoffentlich ist ihm nichts passiert!« Und schon rannte er, so schnell ihn seine Plattfüße trugen, zum Fahrstuhl.

Die Angst hatte Oskar nicht getrogen. Der Eisbär und die anderen Delegierten des Polarkreises befanden sich in Seenot. Sie waren unversehens in den warmen Golfstrom geraten, und der schneeglitzernde, kristallblaue Eisberg, auf dem sie dahinfuhren, wurde von Stunde zu Stunde kleiner und kleiner. Sosehr Paul und das Walross die rudernden Seelöwen und Seehunde antrieben und sosehr diese sich mühten und quälten, aus dem Eisberg, dem gewaltigen, war längst ein unbedeutender, harmloser Eishügel geworden...

Die Tiere mussten immer mehr zusammenrücken. Das Schneehuhn wurde noch blasser, als es schon war. Der Silberfuchs klapperte leise mit den Zähnen. Das Walross ließ den Schnauzbart hängen. Und Paul, der Eisbär, brummte: »Wenn das noch lange so weitergeht, müssen wir den Rest zu Fuß zurücklegen!« Schließlich zogen sie gar dem kleinen Eskimomädchen das Hemd aus und schwenkten es in der Luft. Ihr Eisberg war jetzt nur noch so groß wie eine ganz gewöhnliche Eisscholle.

Während die Ärmsten auf ihrer schrumpfenden Eisscholle dahintrieben, ging es im Hochhaus, wie sich leicht denken lässt, äußerst lebhaft zu. Viele der Gäste hatten merkwürdige, zuweilen schwer erfüllbare Sonderwünsche. Aus dem Bassinzimmer des Delphins mussten beispielsweise vierzig Kubikmeter Wasser abgelassen werden, damit er für seine Luftsprünge genügend Platz hatte.

Für das Krokodil mussten mehrere Sperlinge besorgt werden, die ihm, wie's das nun einmal gewohnt war, in dem weit aufgesperrten Rachen umherspazieren sollten. Leopold, die Giraffe, verlangte zum Wohnen nicht nur zwei übereinander gelegene Zimmer, man musste auch noch in die Decke des unteren ein großes Loch schlagen, damit das Tier den Kopf hindurchstecken konnte! Ulrich, die Eule, bestand auf einer Dunkelkammer. Die exotischen Schmetterlinge bestellten unbekannte Blumen, und frisch sollten sie überdies sein! Max, die Maus, wollte kein Zimmer, sondern ein Mauseloch. Wo sollte man das in einem so modernen Bau hernehmen? Reinhold, der Stier, trieb's am ärgsten. Er klingelte und sagte, man möge ihm, weil er sich so allein fühle, eine hübsche, bunte Kuh heraufschicken.

Dem Hoteldirektor, dem Marabu, sträubte sich das Gefieder.

Aber schließlich kam alles in die Reihe. Auf der ersten Seite der neuesten Zeitungen erschienen die Photographien der im Hochhaus der Tiere eingetroffenen Delegierten. Daneben waren die Interviews mit ihnen abgedruckt. Der Rundfunk brachte die Unterhaltung zwischen ihnen und den Reportern, und der Kommentator äußerte seine Vermutungen über die Absichten und Ziele der Konferenz. Da gab's für die Gäste natürlich viel zu sehen und zu hören.

Außerdem rückte ja auch der Beginn der Konferenz immer näher, und man hatte mit den Vorbereitungen alle Hände voll zu tun! Die Singvögel übten im Konservatorium die feierliche Eröffnungshymne. Der Specht schlug den Takt. Weil der Pfau – des Glaubens, er habe eine schöne Stimme – mitkrächzen wollte, hatte man eine kurze Auseinandersetzung. Dann rauschte er, ein prächtiges Rad schlagend, aus dem Saale.

Die Spinnen und die Webervögel woben zwei wundervolle große Spruchbänder. Eines fürs Portal, mit dem Wortlaute: »Herzlich willkommen!«

Und auf dem anderen, noch schöneren, das für den Konferenzsaal bestimmt war, stand zu lesen: »Es geht um die Kinder!«

Im oberen Zimmer der Giraffe, die mit ihrem Kopf aus dem Loch im Fußboden hereinragte, saßen indessen der Elefant, der Löwe, der Adler, der Fuchs und die Eule, die eine dunkle Brille trug. Sie debattierten darüber, was man während der Konferenz sagen wolle. Wie man die Menschen davon überzeugen könne, dass sie sich, mindestens ihren Kindern zuliebe, vertragen müssten. Ob man sie notfalls zur Vernunft zwingen solle, und wie das wohl zu machen sei. Manchmal schaute der Marabu ins Zimmer. »Noch keine Nachricht?«, fragte dann jedes Mal Oskar, der Elefant. Und jedes Mal schüttelte der Marabu den Kopf.

Wir wissen, auf welche Nachricht die Tiere warteten. Paul, der Eisbär, war noch immer nicht eingetroffen. Und die Wasserflugzeuge, die das Meer nach ihm absuchten, hatten noch immer keine Spur von ihm und den übrigen Polardelegierten entdecken können, obwohl sie flach über den Wellen dahinflogen wie über den grünwogenden Wipfeln eines unendlichen Waldes.

Nun sahen zwar die Flugzeuge den Eisbären nicht, aber der Eisbär sah die Flugzeuge. Die Eisscholle war schon so winzig, dass Paul und das Walross nebenherschwimmen mussten. »Zustände sind das!«, rief das Walross prustend. »Wenn wir wenigstens einen Vogel an Bord hätten!« »Wir sind doch zwei Vögel!«, piepsten das Schneehuhn und der Pinguin. »Wirklich?«, fragte das Walross ärgerlich. »Na, dann fliegt gefälligst, ehe wir hier absaufen, zu den Flugzeugen hinauf und zeigt ihnen, wo wir stecken!« Da tat das Schneehuhn den Kopf zwischen die Flügel, und der Pinguin begann leise zu weinen...

Das Leitflugzeug hatte einen Turmfalken als Beobachter mitgenommen. Der stieß plötzlich einen pfeifenden Schrei aus, schwang sich aus dem Kabinenfenster und fiel, senkrecht wie ein Stein, in die Tiefe. Die Flugzeuge folgten ihm im Sturzflug, und ehe sich's die Schiffbrüchigen versahen, waren sie von Falken, Bussarden, Seeadlern und wassernden Hydroplanen umgeben. »Höchste Zeit!«, sagte Paul, der Eisbär, als man ihn aus dem Ozean herauszog. »Steward, bitte einen Grog von Rum!«

Als der Eisbär – weil er sich erkältet hatte, mit einem dicken Wollschal um den Hals – im Hochhaus eintraf, umarmte ihn Oskar und umschlang ihn gerührt mit dem Rüssel. »Vorsicht!«, rief Paul. »Hast du Angst, dass ich dir die Rippen breche?«, brummte Oskar. »Nein«, sagte der Bär, »ich hab Angst, dass du meinen Schnupfen kriegst.« Da lachten sie beide, bis der Elefant plötzlich große Augen machte. »Nanu!« »Ja, da staunst du, was?«, sagte Paul. »Das ist eine kleine Freundin von mir, ein Eskimomädchen, gefällt sie dir?« »Reizend«, meinte Oskar, »ich werde nie begreifen, wie aus so netten Kindern später Erwachsene werden!« Damit trabte er zu der Giraffe und flüsterte dieser etwas ins Ohr.

Nun machte die Giraffe einen ganz, ganz langen Hals, bis sie den Kopf in ein offenes Fenster der sechzehnten Etage des Hochhauses stecken konnte. Nach einer Weile kam ein kleiner kohlrabenschwarzer Negerjunge aus dem Fenster geklettert. »Nanu!«, rief der Eisbär. »Da staunst du, was?«, meinte Oskar stolz. »Das ist ein kleiner Freund von mir, der Sohn meines Zahnarztes.« Und als die Giraffe den kleinen Jungen vor Paul niedergesetzt hatte, brummte dieser: »Ich werde nie begreifen, wie aus so netten Kindern später Zahnärzte werden!«

Während sich die beiden Kinder noch ein bisschen neugierig und von der Seite ansahen, kam der Königstiger lautlos des Wegs, und auf seinem Rücken saß ein zierliches, braunhäutiges Kind. »Da!«, knurrte der Tiger. »Das ist meine Überraschung! Meine kleine Freundin aus dem bengalischen Dschungel!« Er ließ sie sanft nieder. Sie stieg von ihm herunter und kam schwebenden Gangs auf den Negerjungen und das Eskimomädchen zu. »Reizend!«, meinte Oskar. »Entzückend!«, flüsterte Leopold. »Wie eine Eisheilige!«, sagte der Eisbär hingerissen. »Hoffentlich wird sie später nicht Zahnärztin!«

»Kleine Tiere haben auch Einfalle!«, piepste es auf einmal hinter ihnen, und als sie sich alle umdrehten, erblickten sie Max, die Maus, die übermütig um einen kleinen Jungen herumsprang. »Ein Chinese!«, riefen die andern und bestaunten einen gelben Knaben, der sie aus seinen schief gestellten Augen verschmitzt anlächelte. »Da staunt ihr, was?«, quiekte die Maus. »Gefällt er euch? Er ist mein Freund, und sein Vater ist der Tanzmäusedresseur, bei dem ich mein Diplom als Solotänzer erworben habe!« »Kinder in allen Farben!«, meinte Paul. »Jetzt fehlt nur noch ein weißes!«

Kaum hatte der Eisbär das gesagt, kam das Shetlandpony angetrabt, und auf dem vergnügt wiehernden Pony ritt ein blonder Bengel, rotbackig, mit blauen Augen!

Mitten im Trab sprang er zur Erde und lief lachend auf die anderen vier Kinder zu. »Wunderbar!«, sagte Oskar, der Elefant. »Nun wissen wir also auch, wer während unserer Konferenz auf der Tribüne der Ehrengäste sitzen wird!« »Da kann ich mich ja beruhigt ins Bett legen und schwitzen«, meinte der Eisbär. »Wegen des kleinen Schnupfens?«, fragte der Tiger. »Ja«, erwiderte Paul, »der kleine Schnupfen muss weg. Denn wenn ich niese, sprenge ich die Konferenz!«


An einem schönen, sonnigen Donnerstag war es schließlich so weit. Da wurde in Kapstadt, Südafrika, die siebenundachtzigste Konferenz der Staatshäupter, Staatspräsidenten, Ministerpräsidenten und ihrer Ratgeber eröffnet. Im Frack, in Uniform, je nachdem, stiegen sie, dicke Aktenmappen tragend, die Stufen zum Konferenzgebäude empor.

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