Zweites Kapitel

Dämmerung brach herein. Das schwarze Loch des Tunnels klaffte in dem sanften Abhang eines Hügels von etwa einem Dutzend Meter Höhe. Dicht vor ihnen endete die Neigung. Weiter weg, bis zum Horizont, an dem die ersten Sterne blinkten, erstreckte sich eine große Ebene. In beträchtlicher Entfernung ragten hier und da undeutliche schlanke Formen auf, die Bäumen ähnelten. Das wenige Licht, das ein schmaler Streifen im Westen noch spendete, bewirkte, dass die Farben der Umgebung in ein einheitliches Grau zusammenflössen. Links von ihnen stach schräg und starr der gewaltige rundliche Rumpf der Rakete in den Himmel. Der Ingenieur schätzte seine Länge auf siebzig Meter.

Das Raumschiff hatte sich also vierzig Meter tief in den Hügel gebohrt. In diesem Augenblick achtete jedoch keiner von ihnen auf das ungeheure Rohr, das sich schwarz vom Himmel abhob und in den regellos herausragenden Tüllen der Steuerdüsen endete. Sie atmeten die kühle Luft mit ihrem kaum spürbaren, unbekannten, undefinierbaren Geruch in vollen Zügen ein und blickten stumm vor sich hin.

Erst jetzt bemächtigte sich ihrer ein Gefühl der Ratlosigkeit. Die eisernen Stiele der Hacken glitten ihnen wie von selbst aus den Händen. Sie standen da und beobachteten den unermesslichen Raum mit seinen Horizontlinien, die in der Dunkelheit versanken, und die träge und gleichmäßig zitternden Sterne in der Höhe. „Der Polarstern?“ fragte der Chemiker leise und deutete auf ein tiefstehendes Gestirn, das am finsteren Himmel im Osten schwach blinkte. „Nein, er ist von hier nicht zu sehen.

Wir sind jetzt…, ja, wir befinden uns unter dem Südpol der Milchstraße. Einen Augenblick, hier müsste irgendwo das Kreuz des Südens sein…“ Den Kopf in den Nacken gelegt, schauten sie alle zu dem tiefschwarzen Himmel auf, an dem die Sternkonstellationen intensiv glühten. Sie nannten Namen, deuteten mit den Fingernauf die Gestirne. Das regte sie für eine Weile an. Die Sterne waren das einzige, was ihnen über dieser toten, öden Ebene nicht völlig fremd war. „Es wird immer kälter, wie in der Wüste“, sagte der Koordinator. „Nichts zu machen, heute kriegen wir sowieso nichts fertig. Wir müssen wieder zurück ins Schiff.“

„Was? Zurück in dieses Grab?“ rief der Kybernetiker entrüstet. „Ohne dieses Grab kämen wir in zwei Tagen um“, erwiderte der Koordinator kühl. „Benehmt euch nicht wie Kinder.“ Wortlos machte er kehrt und ging langsam und mit gleichmäßigen Schritten zur Öffnung zurück, die sich wenige Meter über dem Fuß des Hügels kaum sichtbar als schwarzer Fleck abzeichnete. Er ließ zuerst die Beine hineingleiten und zog den Körper nach. Eine Weile war sein Kopf noch zu sehen, dann verschwand er. Die Männer blickten einander stumm an.

„Gehen wir“, sagte der Physiker halb fragend, halb bestätigend. Zögernd folgten sie ihm. Als die ersten in die enge Öffnung schlüpften, fragte der Ingenieur den Kybernetiker: „Ist dir aufgefallen, welch sonderbaren Geruch die Luft hier hat?“

„Ja. So bitter … Ist dir die Zusammensetzung bekannt?“

„Ähnelt der irdischen, hat außerdem Beimengungen, die aber unschädlich sind. Genau weiß ich es nicht. Die Angaben sind in einem kleinen grünen Band enthalten, der auf dem zweiten Regal in der Bibliothek…“ Er unterbrach sich, denn ihm war eingefallen, dass er selbst die Bibliothek mit dem Mergel zugeschüttet hatte. „Hol's der Teufel.…“, sagte er, nicht aufgebracht, eher tieftraurig, und zwängte sich in das schwarze Loch. Der Kybernetiker, allein geblieben, fühlte sich plötzlich unbehaglich. Angst war es nicht, eher ein bedrückendes Gefühl des Verlorenseins, der entsetzlichen Fremdheit der Landschaft. Zudem hatte diese Rückkehr in die Tiefe der lehmigen Ausschachtung etwas Erniedrigendes. Wie die Würmer, ging es ihm durch den Sinn. Er ließ den Kopf sinken und kroch, dem Ingenieur folgend, in den Tunnel. Dennoch, er hielt es nicht aus. Obwohl er bereits bis zu den Schultern darin steckte, hob er noch mal den Kopf, schaute nach oben und verabschiedete sich mit einem Blick von den ruhig flimmernden Sternen. Am Tag darauf wollten einige von ihnen die Vorräte an die Oberfläche tragen, um das Frühstück dort einzunehmen, aber der Koordinator erhob Einspruch. Das würde nur unnötige Mühe bereiten, behauptete er. So aßen sie beim Schein zweier Taschenlampen unter der Eingangsklappe und tranken kalten Kaffee. Plötzlich sagte der Kybernetiker: „Hört mal, wie kommt es eigentlich, dass wir die ganze Zeit hindurch gute Luft hatten?“ Der Koordinator lächelte. Graue Streifen zeigten sich auf seinen eingefallenen Wangen. „Die Sauerstoffbehälter sind ganz. Mit der Reinigung steht es schlimmer. Nur ein einziger selbsttätiger Filter arbeitet normal, der chemische für Havariefälle, die elektrischen sind natürlich ausgefallen. In sechs, sieben Tagen wären wir am Ersticken.“

„Du hast es gewusst?“ fragte der Kybernetiker langsam. Der Koordinator erwiderte nichts, nur sein Lächeln änderte sich. Eine Sekunde lang war es fast grausam. „Was werden wir tun?“ fragte der Physiker. Sie wuschen das Geschirr in einem Kübel mit Wasser ab. Der Doktor trocknete es mit einem seiner Handtücher. „Hier ist Sauerstoff“, sagte der Doktor, während er seinen Aluminiumteller klirrend zu den anderen warf. „Das bedeutet, dass es hier Leben gibt. Was ist dir darüber bekannt?“

„Soviel wie gar nichts. Die kosmische Sonde hatte eine Atmosphärenprobe des Planeten genommen, und daher rührt unser ganzes Wissen.“

„Wie? Sie war nicht einmal gelandet?“

„Nein.“

„Das sind natürlich eine Menge Neuigkeiten.“ Der Kybernetiker versuchte sich das Gesicht mit Spiritus zu waschen, den er aus einem Fläschchen auf ein Stück Watte träufelte. Das Wasser war knapp, sie wuschen sich schon den zweiten Tag nicht. Der Physiker betrachtete beim Schein der Lampe sein Abbild in der polierten Fläche der Klimaanlage. „Das ist sehr viel“, erwiderte der Koordinator ruhig.

„Wäre die Luftzusammensetzung anders, wäre kein Sauerstoff darin enthalten, müsste ich euch töten.“

„Was sagst du da?“ Der Kybernetiker hätte beinahe das Fläschchen fallen gelassen.

„Mich selbst natürlich auch. Wir hätten nicht einmal die Chance von eins zu einer Milliarde. Jetzthaben wir sie.“ Sie schwiegen.

„Setzt das Vorhandensein von Sauerstoff die Existenz von Pflanzen und Tieren voraus?“ fragte der Ingenieur.

„Nicht unbedingt“, antwortete der Chemiker. „Auf den Alpha-Planeten des Kleinen Hundes gibt es Sauerstoff, aber es gibt dort weder Pflanzen noch Tiere.“

„Und was gibt es?“

„Lumenoiden.“

„Diese Bakterien?“

„Das sind keine Bakterien.“

„Nicht so wichtig.“ Der Doktor steckte das Geschirr weg und verschloss die Dosen mit den Lebensmitteln. „Wir haben jetzt wirklich andere Sorgen. Der ›Beschützer‹ ist wohl nicht so schnell zu reparieren, wie?“

„Ich habe ihn nicht einmal zu Gesicht bekommen“, gestand der Kybernetiker.

„Unmöglich, bis zu ihm vorzudringen. Alle Automaten haben sich von ihren Ständern losgerissen. Es sieht so aus, als ob wir einen Zweitonnenkran brauchen, um den ganzen Eisenkram zu entwirren. Er liegt ganz unten.“

„Aber irgendeine Waffe müssen wir doch haben!“ Die Stimme des Kybernetikers klang besorgt. „Wir haben die Elektrowerfer.“

„Ich bin gespannt, womit du sie laden willst.“

„Ist im Steuerraum kein Strom? Da war doch welcher.“

„Da ist kein Strom, offenbar hat es im Akkuraum einen Kurzschluss gegeben.“

„Warum sind die Elektrowerfer nicht geladen?“

„Die Instruktion verbietet den Transport geladener Elektrowerfer“, warf der Ingenieur unwillig ein. „Hol der Teufel die In…“

„Hör auf!“

Der Kybernetiker wandte sich achselzuckend von dem Koordinator ab. Der Doktor ging hinaus, während der Ingenieur aus seiner Kajüte einen leichten Nylonrucksack anbrachte und darin die flachen Dosen mit den eisernen Rationen verstaute. Der Doktor kehrte zurück, in der Hand einen kurzen oxydierten Zylinder mit einem Hahn an einem Ende. „Was ist das?“ fragte der Ingenieur neugierig.

„Eine Waffe.“

„Was für eine?“

„Schlaf gas.“ Der Ingenieur lachte. „Woher willst du wissen, ob sich das, was auf diesem Planeten lebt, mit deinem Gas einschläfern lässt? Vor allem, wie willst du dich im Falle eines Angriffs wehren? Mittels einer Tropfennarkose?“

„Wenn die Gefahr groß ist, kannst du dir wenigstens selbst eine Narkose verpassen“, meinte der Chemiker. Alle lachten, der Doktor am lautesten.

„Jedes Geschöpf, das Sauerstoff atmet, kann damit eingeschläfert werden“, erklärte er, „und was die Verteidigung betrifft — schau!“ Er drückte auf den Abzugshahn am Zylinderansatz. Ein nadeldünner Spritzer einer dampfenden Flüssigkeit schoss in den düsteren Gang.

„Nun ja…, besser als gar nichts…“, meinte der Ingenieur reserviert.

„Gehen wir?“ fragte der Doktor und steckte den Zylinder in die Tasche seiner Kombination. „Wir gehen.“ Die Sonne stand hoch am Himmel, sie war klein, weiter entfernt, aber auch heißer als auf der Erde. Doch etwas fiel allen auf: Sie war nicht völlig rund. Die Männer betrachteten sie zwischen den Fingern durch das dunkelrote Papier, in das ihre Antistrahlen-Päckchen gehüllt waren. „Sie ist infolge sehr schneller Achsenumdrehung abgeflacht, nicht wahr?“ Der Chemiker sah den Koordinator fragend an. „Stimmt. Während des Fluges konnte man das besser sehen. Erinnerst du dich?“

„Vielleicht… Wie soll ich das sagen… Vielleicht kümmerte mich das damals wenig…“ Sie wandten sich von der Sonne ab und blickten zur Rakete hinüber. Der walzenförmige weiße Rumpf stieß schräg aus dem niedrigen Hügel hervor, in den er sich hineingewühlt hatte. Er sah aus wie ein ungeheuer großes Geschütz. Die Außenhülle, milchig im Schatten, silbern im Sonnenlicht, wirkte unbeschädigt. Der Ingenieur ging bis an die Stelle, wo der Rumpf aus der Erde trat, kletterte über diewallförmige Erhöhung, die den Koloss umgab, und strich mit der Hand über die Panzerplatte. „Kein schlechtes Material, dieses Keramit“, murmelte er, ohne sich umzudrehen. „Wenn ich nur einen Blick in die Düsen werfen könnte…“ Ratlos schaute er zu den Öffnungen hinauf, die über der Ebene hingen.

„Die sehen wir uns noch an“, sagte der Physiker. „Aber jetzt gehen wir, nicht wahr? Eine kleine Erkundung.“ Der Koordinator erklomm den Hügel. Sie folgten ihm. Die vom Sonnenschein überflutete Ebene zog sich nach allen Seiten hin, sie war flach, fahl, in der Ferne ragten die schlanken Silhouetten auf, die sie schon am Vortag gesehen hatten. In dem hellen Licht war jedoch zu erkennen, dass es sich nicht um Bäume handeln konnte. Der Himmel über ihnen war blau wie auf der Erde, am Horizont nahm er eine grünliche Färbung an. Winzige Federwolken glitten fast unmerklich nach Norden. Der Koordinator überprüfte die Himmelsrichtungen mit Hilfe eines Kompasses, der an seinem Handgelenk baumelte. Der Doktor bückte sich und stocherte mit dem Fuß im Boden. „Warum wächst hier nichts?“ fragte er verwundert. Alle stutzten. In der Tat, die Ebene war kahl, so weit das Auge reichte. „Wie es scheint, ist diese Gegend der Versteppung ausgesetzt“, mutmaßte der Chemiker. „Dort weiter hinten, siehst du die Fläche? Da wird es immer gelber, im Westen. Ich nehme an, dass dort die Wüste ist, von wo der Wind den Sand herweht. Denn der Hügel hier ist lehmig.“

„Davon haben wir uns überzeugen können“, bemerkte der Doktor. „Wir müssen uns wenigstens einen allgemeinen Expeditionsplan zurechtlegen“, sagte der Koordinator.

„Unsere Vorräte reichen für zwei Tage.“

„Wohl kaum. Wir haben wenig Wasser“, wandte der Kybernetiker ein.

„Solange wir hier kein Wasser finden, müssen wir damit sparsam umgehen. Wenn es Sauerstoff gibt, wird sich auch Wasser finden. Ich denke, wir gehen so vor: Wir machen von hier aus eine Reihe geradliniger Ausfälle, immer nur so weit, dass wir sicher und ohne übermäßige Eile zurückkehren können.“

„Höchstens dreißig Kilometer in einer Richtung“, bemerkte der Physiker.

„Einverstanden. Es handelt sich um eine einleitende Erkundung.“

„Moment.“ Der Ingenieur hatte etwas abseits von ihnen gestanden, anscheinend vertieft in unfrohe Gedanken. „Kommt es euch nicht so vor, dass wir ein bisschen wie Verrückte handeln? Wir haben eine Katastrophe auf einem unbekannten Planeten hinter uns. Es ist uns gelungen, das Raumschiff zu verlassen. Statt, was das Wichtigste wäre, all unsere Kräfte auf die Instandsetzung der Rakete zu verwenden, auf eine Wiederherstellung all dessen, was sich reparieren lässt, auf die Freilegung des Raumschiffs und so weiter, machen wir Ausflüge, ohne Waffen, ohne jeden Schutz, und wissen nicht einmal, was uns hier begegnen kann.“

Der Koordinator hörte ihm schweigend zu und sah die Gefährten der Reihe nach an. Alle waren unrasiert. Der dreitägige Bartwuchs gab ihnen bereits ein stark verwildertes Aussehen. Die Worte des Ingenieurs hatten offenbar Eindruck gemacht. Keiner sagte jedoch etwas, als warteten sie, was der Koordinator erwidern werde. „Sechs Mann können die Rakete nicht freigraben, Henrik“, sagte er, die Worte vorsichtig wägend. „Du weißt das genau. In dieser Situation erfordert die Instandsetzung des kleinsten Aggregats einen Zeitraum, den wir nicht einmal zu schätzen vermögen. Der Planet ist bewohnt. Aber wir wissen nichts über ihn. Wir haben es nicht einmal geschafft, ihn vor der Katastrophe zu umrunden. Wir näherten uns von der nächtlichen Halbkugel her und stürzten infolge eines fatalen Fehlers in den Gasschweif. Im Sturz gelangten wir bis zur Linie des Terminators! Ich habe am Bildschirm gesehen, der zuletzt barst, oder glaube zumindest, etwas gesehen zu haben, was an eine Stadt erinnerte.“„Warum hast du uns das nicht gesagt?“ fragte der Ingenieur ruhig. „Ja, warum nicht?“ wollte auch der Physiker wissen. „Weil ich meiner Beobachtung nicht sicher bin. Ich weiß nicht einmal, in welcher Richtung ich sie suchen soll. Die Rakete drehte sich. Ich verlor die Orientierung. Dennoch besteht eine Chance, auch wenn sie gering ist, dass wir auf Hilfe rechnen können. Ich möchte nicht davon reden, aber jeder von euch weiß es ebenso gut, dass unsere Chancen sehr gering sind.

Außerdem brauchen wir Wasser. Der größte Teil des Vorrats hat die untere Etage überflutet und ist verseucht. Ich glaube deshalb, dass wir ein gewisses Risiko auf uns nehmen dürfen.“

„Einverstanden“, sagte der Doktor. „Ich ebenfalls“, fügte der Physiker hinzu.

„Meinetwegen“, brummte der Kybernetiker und entfernte sich ein paar Schritte, den Blick nach Süden gewandt, als wollte er nicht hören, was die anderen sagten. Der Chemiker nickte. Der Ingenieur schwieg, er stieg den Hügel hinunter, warf sich den Rucksack auf die Schultern und fragte: „Wohin?“

„Nach Norden“, antwortete der Koordinator. Der Ingenieur marschierte los, die anderen schlössen sich ihm an. Als sie sich nach einigen Minuten umsahen, war der Hügel kaum noch zu erkennen. Nur der Rumpf der Rakete hob sich wie das Rohr eines Feldgeschützes vom Himmel ab. Es war sehr heiß.

Ihre Schatten waren zusammengeschrumpft. Die Schuhe blieben im Sand stecken. Man hörte nur rhythmisches Stampfen und rasche Atemzüge. Sie näherten sich einer jener schlanken Formen, die sie in der Dämmerung für Bäume gehalten hatten, und verlangsamten den Schritt. Ein senkrechter Stamm ragte aus dem bräunlichen Boden, grau wie Elefantenleder, mit schwachem metallischem Glanz.

Dieser Stamm, am Ansatz kaum dicker als ein Männerarm, ging oben in eine kelchartige Erweiterung über, die sich etwa zwei Meter über dem Boden flach ausbreitete. Ob der Kelch offen war, konnten sie nicht sehen. Er blieb völlig unbeweglich. Sie hielten wenige Meter vor einem solchen Gebilde. Der Ingenieur trat impulsiv vor und hob bereits die Hand, um den „Stamm“ zu berühren, da schrie der Doktor: „Halt!“ Der Ingenieur wich erschrocken zurück. Der Doktor zog ihn am Arm weg, hob einen Stein auf, nicht größer als eine Bohne, und warf ihn hoch. Der Stein fiel in steilem Bogen auf die leicht gewellte flache Kelchoberfläche. Alle zuckten zusammen, so heftig und so unerwartet war die Reaktion. Der Kelch wogte, faltete sich blitzartig, ein kurzes Zischen war zu hören, als strömte Gas aus, und die ganze, nun fieberhaft zitternde graue Säule versank im Erdboden, als würde sie hineingesaugt. Die Öffnung, die sich im Boden gebildet hatte, füllte sich für einen Augenblick mit einer bräunlichen, schäumenden Schmiere, dann schwammen Sandkrümel auf der Oberfläche, die Haut wurde immer dicker, und nach ein paar Sekunden war von der Öffnung nicht die geringste Spur geblieben; die Oberfläche des sandigen Bodens war glatt wie überall ringsum. Die Männer hatten sich noch nicht von ihrem Staunen erholt, als der Chemiker rief: „Schaut nur!“ Sie sahen sich um. Vor einer Weile noch hatten in einer Entfernung von einigen Dutzend Metern drei oder vier ähnliche hohe, schlanke Gebilde gestanden, nun war kein einziges mehr da. „Sind alle versunken?“ rief der Kybernetiker. Soviel sie auch suchten, von den Kelchen fanden sie keine Spur mehr. Die Sonne brannte immer stärker, die Hitze war schwer zu ertragen. Sie gingen weiter. Eine Stunde lang marschierten sie in langer Karawane dahin, an der Spitze der Doktor, der den Rucksack trug, hinter ihm der Koordinator. Den Schluss bildete der Chemiker. Alle hatten ihre Kombinationen aufgeknöpft, einige hatten sogar die Ärmel hochgekrempelt. Mit rissigen Lippen, triefend vor Schweiß, schleppten sie sich durch die Ebene. Am Horizont schimmerte ein langer waagerechter Streifen. Der Doktor blieb stehen und wartete auf den Koordinator.

„Was meinst du, wieviel Kilometer haben wir zurückgelegt?“ Der Koordinator blickte sich um, gegen die Sonne, wo die Rakete zurückgeblieben war. Sie war nicht mehr zu sehen. „Der Planet hat einen kleineren Radius als die Erde“, sagte er, räusperte sich und wischte sich mit einem Taschentuch das Gesicht. „Wir werden acht Kilometer hinter uns haben.“ Der Doktor konnte durch die Schlitze der geschwollenen Lider kaum noch sehen. Er hatte eine Leinenmütze auf dem lockigen Rabenhaar. Hin und wieder feuchtete er sie mit Wasser aus seiner Trinkflasche an.„Das ist Wahnsinn, weißt du!“ sagte er und lächelte unvermittelt. Beide blickten in die Richtung, wo sich vor kurzem noch am Horizont die Rakete als feiner schräger Strich abgezeichnet hatte. Jetzt sahen sie dort nur die dünnen Schatten der Kelche blaßgrau in der Ferne. Sie waren unbemerkt wieder aufgetaucht. Die anderen kamen näher. Der Chemiker warf die zusammengerollte Zeltplane auf den Boden und setzte, richtiger, stürzte sich darauf.

„Von der hiesigen Zivilisation sind seltsamerweise keine Spuren zu finden.“ Der Kybernetiker wühlte in seinen Taschen, er fand Vitamintabletten in zerdrückter Verpackung und bot sie allen an. „Auf der Erde gibt es eine solche Einöde nicht, was?“ meinte der Ingenieur. „Keine Straßen, keine fliegenden Maschinen.“

„Du wirst doch nicht annehmen wollen, dass wir ausgerechnet hier eine getreue Kopie unserer irdischen Zivilisation vorfinden!“ Der Physiker sah den Ingenieur spöttisch an. „Das Sternsystem hier ist stabil, und die Zivilisation konnte sich auf Eden länger als auf der Erde entfalten, somit.…“

„Unter der Bedingung, dass es eine Zivilisation von Primaten ist“, unterbrach ihn der Kybernetiker. „Hört mal, warum halten wir eigentlich hier? Gehen wir doch weiter. In einer halben Stunde müssten wir das da erreicht haben.“

Der Koordinator deutete auf einen zarten lila Streifen am Horizont. „Und was ist das?“

„Weiß ich nicht. Immerhin etwas. Vielleicht finden wir Wasser.“ Die Gurte der Gepäckstücke auf den Rücken knarrten, die Gruppe zog sich wieder in die Länge und stapfte gleichmäßig durch den Sand. Sie kamen an einem Dutzend Kelchen und an einigen größeren Gebilden vorbei, die sich durch herabhängende Lianen oder Triebe auf den Boden zu stützen schienen, aber keines davon war näher als zweihundert Meter, und sie wollten von der eingeschlagenen Richtung nicht abweichen. Die Sonne erreichte fast den Zenit, als sich das Bild der Landschaft änderte. Sie sahen immer weniger Sand. In langen, flachen Buckeln schimmerte darunter rostbraune, von der Sonne verbrannte Erde.

Hier und da war sie von dürren, grauen Moosbüscheln bewachsen, die unter den Sohlen wie verbranntes Papier zerfielen. Der lila Streifen spaltete sich deutlich in einzelne Gruppen, seine Farbe wurde allmählich heller. Es war eher Grün, bestäubt mit verblasstem Blau. Der Nordwind trug ein schwaches, zartes Aroma heran, das sie mit argwöhnischer Neugier einsogen. In der Nähe einer leicht gekrümmten Wand aus dunklen, wirren Formen verlangsamten die Vorderen ein wenig den Schritt, damit die anderen aufschließen konnten. Gemeinsam gingen sie näher, bis sie vor einer starren Front aus seltsamen Gebilden standen… Aus hundert Schritt Entfernung mochten sie ihnen noch als Gebüsch, als Sträucher vorgekommen sein, die voller großer grauer Vogelnester waren — weniger weil sie wirklich so aussahen, als vielmehr dadurch, dass die Augen ständig versucht waren, den fremden Formen etwas Vertrautes abzugewinnen. „Könnten Spinnen sein“, sagte der Physiker zögernd, und alle glaubten auf einmal, spinnenartige Geschöpfe mit kleinen, dicht behaarten spindelförmigen Rümpfen zu sehen, die ihre überlangen, dürren Beine unter sich eingezogen hatten.

„Das sind doch Pflanzen!“ rief der Doktor und trat langsam an eine solche hohe graugrüne „Spinne“ heran. In der Tat erwiesen sich die „Beine“ als dicke Stiele, deren verdickte und mit Härchen bedeckte Glieder leicht für Gelenke eines Gliederfüßers gehalten werden konnten. Sieben oder acht solcher Stiele liefen jedes Mal oben bogenförmig in einem tannenzapfenartigen, dicken „Leib“ zusammen, der an ein abgeflachtes Insektenhinterteil erinnerte und von zarten, in der Sonne glitzernden Spinnwebenstreifen umgeben war. Die „Pflanzenspinnen“ wuchsen dicht nebeneinander, doch man konnte zwischen ihnen hindurchkommen. Da und dort sprossen aus den Stengeln hellere Schösslinge und Triebe, die fast die Farbe irdischen Laubs hatten und in zusammengerollten Knospen endeten. Der Doktor warf wieder einen Stein gegen einen der mehrere Meter über der Erde hängenden „Insektenleiber“, und als nichts geschah, untersuchte er einen Stängel, schnitt sogar mit dem Messer hinein. Ein hellgelber, wässriger Saft sickerte in kleinen Tropfen heraus, begann sofort zu schäumen und färbte sich orange und rostrot, bis er nach einiger Zeit zu einem harzähnlichen Gerinnsel mit starkem Aroma erstarrte, das anfangs allen gefiel, sie dann aber abstieß. In dieser eigenartigen Schonung war es etwas kühler als auf der Ebene. Die knolligen „Leiber“ der Pflanzen warfen etwas Schatten. Er wurde immer dichter, je weiter sie in das Gebüsch vordrangen. Sie bemühten sich, dieStängel nicht zu berühren, vor allem nicht die weißlichen Triebe, in denen die jüngsten Schösslinge endeten; sie erregten nämlich bei ihnen einen unerklärlichen Ekel. Der Boden war schwammig und weich und sonderte feuchte Dünste aus, in denen das Atmen schwerfiel. Über ihre Gesichter und Arme glitten die Schatten der „Insektenleiber“, einmal höher, einmal tiefer, große und kleine. Diese „Leiber“ waren entweder schlank und hatten grell orangerote Stacheln, oder sie waren welk, vertrocknet, abgestorben. Lange zarte Spinnweben hingen von ihnen herab. Wenn ein Windstoß kam, ging von dem Gestrüpp ein unangenehmes dumpfes Rauschen aus, nicht das sanfte Rauschen eines irdischen Waldes, sondern mehr ein Rascheln von Tausenden und aber Tausenden rauher Papierfetzen. Mitunter versperrten ihnen einzelne Pflanzen mit ihren verflochtenen Trieben den Weg, und sie mussten erst einen Durchgang suchen. Nach einer Weile gaben sie es auf, nach oben zu den stachligen „Leibern“ zu blicken und in ihnen Ähnlichkeiten mit Nestern, Tannenzapfen oder Kokons zu suchen.

Auf einmal bemerkte der Doktor, der an der Spitze ging, vor seinem Gesicht ein dickes, schwarzes, senkrecht herabhängendes Haar, gleichsam einen starken, glänzenden Faden oder lackierten, dünnen Draht. Schon wollte er ihn mit der Hand beiseite schieben. Da sie aber bisher noch nichts Ähnliches gefunden hatten, hob er instinktiv den Blick und blieb wie angewurzelt stehen. Etwas Blaßperlgraues, das knollig über den zusammengewachsenen Stengeln am Ansatz eines der „Kokons“ hing, starrte ihn an. Er fühlte den Blick, bevor er entdeckte, wo sich die Augen dieses mißgestalteten Geschöpfes befanden. Er konnte weder Kopf noch Beine erkennen, er sah nur eine sackartig aufgeblähte, von innen gleichsam mit blasigen Kröpfen ausgestopfte Haut, die schwach glänzte. Aus einem dunklen, länglichen Trichter ragte das dicke schwarze Haar hervor, das wohl zwei Meter lang war. „Was ist da?“ fragte der Ingenieur, der gerade an ihn herantrat. Der Doktor antwortete nicht. Der Ingenieur blickte hinauf und stutzte ebenfalls. „Womit mag das wohl sehen?“ fragte er unwillkürlich und wich einen Schritt zurück, angeekelt von diesem Wesen, das sich mit einem gierigen, äußerst konzentrierten Blick in ihn hineinzusaugen schien, obwohl er weder sehen noch erraten konnte, wo es seine Augen hatte. „Einfach widerlich!“ rief der Chemiker aus. Sie standen jetzt alle hinter dem Ingenieur und dem Doktor, der ebenfalls einen Schritt von dem herabhängenden Gebilde zurücktrat. Die anderen machten ihm Platz, soweit es die elastischen Stängel zuließen. Er holte aus der Tasche seiner Kombination den brünierten Zylinder hervor, zielte gelassen auf den blasigen Körper, der heller als seine pflanzliche Umgebung war, und drückte ab. Im Bruchteil einer Sekunde geschah sehr viel auf einmal. Zuerst überraschte sie ein Aufblitzen. Es war so heftig, dass es sie blendete, den Doktor ausgenommen, der in diesem Augenblick gerade geblinzelt hatte, und das Blitzen währte nur so lange, wie er die Lider geschlossen hielt. Der dünne Strahl flog noch, da bogen sich die Stängel bereits, raschelten, ein Ballen schwarzen Dampfes umgab sie, das Wesen stürzte und klatschte schwammig und schwer auf den Boden. Etwa eine Sekunde lang lag es reglos da, wie ein grauer Ballon voller Klümpchen, aus dem die Luft entweicht. Nur das schwarze Haar wand sich und tanzte wie rasend über ihm, peitschte mit blitzartigem Zucken die Luft. Dann verschwand das Haar, und über das schwammige Moos begannen die unförmigen, bläschenartigen Glieder dieses Geschöpfes mit Schneckenbewegungen nach allen Seiten zu kriechen. Bevor sich einer der Männer regen konnte, war die Flucht oder vielmehr das Auseinanderlaufen beendet. Die letzten Teilchen des Gebildes, klein wie Raupen, bohrten sich in den Boden — der Platz vor den Männern war leer. Nur in der Nase brannte ihnen noch der unerträglich süßliche Gestank. „War das eine Kolonie?“ Der Chemiker hob die Hand und rieb sich die Augen.

Die anderen blinzelten. Sie waren geblendet und sahen noch schwarze Flecken. „E pluribus unum“, entgegnete der Doktor, „oder vielmehr ex uno plures. Ich weiß nicht, ob das gutes Latein ist, aber das ist eben wohl solch ein mehrzähliges Geschöpf, das sich im Notfall teilen kann.“„Stinkt entsetzlich“, sagte der Physiker. „Gehen wir weiter.“

„Gehen wir“, willigte der Doktor ein.

Als sie sich ein Dutzend Schritte von der Stelle entfernt hatten, sagte er unvermittelt: „Ich bin gespannt, was geschehen wäre, wenn ich dieses Haar berührt hätte…“

„Die Befriedigung deiner Neugier hätte uns teuer zu stehen kommen können“, hielt ihm der Chemiker entgegen.

„Vielleicht auch nicht. Dir ist bekannt, wie häufig die Evolution völlig harmlose Geschöpfe in scheinbar gefährliche Formen kleidet.“

„Hört endlich mit dieser Diskussion auf. Dort drüben wird es heller“, rief der Kybernetiker. „Warum haben wir überhaupt diesen Spinnenwald betreten?“ Sie hörten das Rauschen eines Baches und blieben stehen. Als sie weitergingen, wurde das Rauschen lauter, schwächte sich ab, verschwand vollends. Es gelang ihnen nicht, den Bach zu finden. Das Gestrüpp war nicht mehr so dicht, der Boden dagegen wurde weicher, war wie die pelzige Kruste eines Sumpfes und erschwerte das Vorwärtskommen. Manchmal quietschte etwas unter ihren Füßen, als wäre es wassergetränktes Gras, doch nirgends war eine Spur Wasser zu erkennen.

Unversehens standen sie am Rande einer kreisförmigen Vertiefung mit einem Durchmesser von etwa sechzig Metern. Ein paar acht-füßige Pflanzen standen darin, in größerem Abstand voneinander; sie wirkten sehr alt. Ihre Stiele liefen unten auseinander, als könnten sie die Verdickung in der Mitte nicht mehr tragen. Sie erinnerten dadurch noch mehr an große, vertrocknete Spinnen als jene anderen, an denen die Männer vor kurzem vorbeigekommen waren. Den Boden bedeckten stellenweise rostige, gezahnte Stücke einer porösen Masse, die zum Teil in der Erde staken und von Pflanzentrieben umwuchert waren. Der Ingenieur rutschte den steilen, nicht sehr hohen Hang hinunter — und sonderbar, erst als er unten war, kam seinen Gefährten oben die Vertiefung wie ein Krater vor, wie ein Ort, an dem eine Katastrophe stattgefunden hatte.

„Wie von einer Bombe“, murmelte der Physiker. Er stand auf dem Wall und sah zu, wie der Ingenieur an die großen Trümmer vor der höchsten „Spinne“ trat und daran rüttelte.

„Eisen?“ rief der Koordinator.

„Nein!“ Der Ingenieur verschwand zwischen den ungefügen Bruchstücken eines Teils, das an einen geborstenen Kegel erinnerte. Er trat zwischen den hohen Stielen wieder hervor, die knisternd zerbrachen, als er sie auseinanderbog, und kehrte mit düsterer Miene zurück. Mehrere Hände streckten sich ihm entgegen, er klomm hinauf und zuckte beim Anblick der erwartungsvollen Gesichter mit den Schultern. „Keine Ahnung, was es sein könnte. Ich weiß es nicht. Das da ist leer.

Darunter ist nichts. Weit fortgeschrittene Korrosion. Eine alte Geschichte, vielleicht vor hundert, vielleicht auch vor dreihundert Jahren passiert.…“ Sie schritten stumm um den Krater herum und wählten den Weg durch das Gebüsch, wo es am niedrigsten war. Plötzlich wich es nach beiden Seiten zurück. In der Mitte zog sich ein schmaler Streifen hin. Er war so schmal, dass ein Mensch kaum darauf gehen konnte, eine Art Furche, schnurgerade. Die Stiele zu beiden Seiten schienen zerschnitten und zerdrückt zu sein, die tannenzapfenartigen Verdickungen zum Teil beiseite gedrängt, auf die anderen Spinnenpflanzen, zum Teil auch in den Boden gepreßt. Sie waren völlig platt, trocken, ihre Hüllen knirschten unter den Sohlen wie ausgedörrte Baumrinde. Die Männer beschlossen, dem ausgeschnittenen Trakt durch das Gebüsch im Gänsemarsch zu folgen. Sie mussten zwar die Reste der trockenen Stiele erst beiseite räumen, aber sie kamen doch schneller voran als vorher. Die Schneise führte in großem Bogen immer deutlicher nach Norden. Endlich konnten sie die letzten Pflanzenkrüppel hinter sich lassen, sie hatten die Schonung durchquert. Vor ihnen lag wieder die Ebene.

Dort, wo der Pfad das Gebüsch verließ, schloss sich ihm eine flache Spur an. Beim ersten Hinsehenglaubten sie, es sei ein Steg, es war aber keiner. Eine Furche, ein schmaler Graben war in den Boden gewühlt, etwa ein Dutzend Zentimeter tief und kaum breiter. Er war von Flechten bewachsen, die grünlich-silbern und samtweich waren. Dieser eigenartige „Rasen“, wie der Doktor ihn nannte, führte pfeilgerade zu einem hellen Gürtel, der wie eine Mauer von einem Rand der Ebene zum anderen reichte und den ganzen Horizont vor ihnen abschloss. Spitze Erhebungen, wie silberblechbeschlagene gotische Türme, leuchteten über jenem Gürtel. Sie gingen in schnellem Schritt weiter, und je näher sie kamen, um so mehr Einzelheiten waren zu erkennen.

Seitwärts erstreckte sich kilometerweit eine Fläche, von regelmäßigen Bögen durchzogen, gleichsam das Dach eines überdimensionalen Hangars, wobei die Wölbung der Bögen nach unten gekehrt war.

Darunter flimmerte es grau, als riesele von den Gewölben feiner Staub oder als stäube dort trübes Wasser herab. Als sie noch näher kamen, trug der Wind einen fremdartigen Geruch herbei, der bitter, aber angenehm war, wie von unbekannten Blumen. Sie marschierten mittlerweile in kürzerem Abstand zueinander. Die bogenförmige Überdachung ragte immer höher auf, jeder Bogen überspannte wie ein gigantisches umgekehrtes Brückenjoch eine Entfernung von fast einem Kilometer. Dort, wo sich vor dem Hintergrund der Wolken zwei Bögen in sichtbarer Spitze vereinigten, leuchtete irgend etwas intensiv in gleichmäßig flackerndem Licht, als reflektierten feststehende Spiegel die Sonnenstrahlen nach unten.

Die Wand ihnen gegenüber bewegte sich. Sie bestand aus Bächen oder Schnüren von fahlgrauer Farbe und wies eine Art Peristaltik auf. Von links nach rechts liefen in gleichmäßigen Abständen wellenförmige Erhebungen darüber hin. Es sah aus wie ein Vorhang aus einem ungewöhnlichen Stoff, hinter dem in gleichmäßigem Abstand Elefanten vorbeischritten und ihn dabei streiften — eigentlich noch größere Tiere als Elefanten. Als sie endlich die Stelle erreichten, wo der schmale, gefurchte, mit samtenem Moos bewachsene Pfad endete, wurde der bittere Geruch unerträglich. „Das können giftige Ausdünstungen sein“, warnte der Kybernetiker, der einen Hustenanfall bekam. Sie beobachteten eine Weile das gleichmäßige Vorübergleiten der Wellen. Aus einer Entfernung von wenigen Schritten kam ihnen der „Vorhang“ homogen vor, wie aus dicken, matten Fasern geflochten. Der Doktor hob einen Stein auf und warf ihn dagegen. Der Stein verschwand, als sei er geschmolzen oder verdampft, ohne die wogende Fläche berührt zu haben. „Ist er hineingefallen?“ fragte der Kybernetiker zögernd. „Nein!“ schrie der Chemiker. „Er hat es nicht einmal berührt.“ Der Doktor hob eine Handvoll Steine und Erdklumpen und warf sie nacheinander dagegen. Alle verschwanden wenige Zentimeter vor dem „Vorhang“, ohne ihn erreicht zu haben. Der Ingenieur löste einen Schlüssel von einem kleinen Schlüsselbund und schleuderte ihn gegen die gerade anschwellende Fläche. Der Schlüssel klirrte, als schlüge er gegen Blech, und verschwand. „Was jetzt?“ Ratlos sah der Kybernetiker den Koordinator an. Der schwieg. Der Doktor legte den Rucksack ab, holte eine Konservendose hervor, schnitt mit dem Messer einen Würfel Fleischgelee heraus und warf ihn gegen den „Vorhang“. Das Geleestück blieb an der matten Oberfläche hängen und klebte ein Weilchen daran, dann schwand es allmählich, als ob es schmolz. „Wisst ihr was“, sagte der Doktor mit leuchtenden Augen, „das da ist ein Filter, eine Art selektiver Vorhang…“ Der Chemiker entdeckte im Gurtring seines Rucksacks einen abgebrochenen dürren Trieb einer „Spinnenpflanze“, der beim Durchwandern der Schonung dort hängengeblieben war, und warf ihn kurzerhand gegen den wogenden Vorhang. Der spröde Zweig prallte von der Wand ab und fiel ihnen vor die Füße. „Ein Selektor…“, sagte er unsicher.

„Aber ja! Ganz bestimmt!“ Der Doktor näherte sich dem „Vorhang“, bis sein kurzer Schatten am Boden den Rand des „Vorhangs“ berührte, zückte seine schwarze Waffe, zielte und drückte ab. Kaum hatte der nadeldünne Strahl den aufgeblähten Vorhang getroffen, entstand darin eine linsenförmige Öffnung. Dahinter wurde ein großer, dunkler Raum sichtbar, in dem unten und oben Funken sprühten und weiter hinten eine Unzahl weißlicher und rosafarbener Flämmchen züngelte. Der Doktor zucktezusammen, keuchte und hustete. Der bittere Geruch stach ihm in Nase und Rachen. Sie zogen den Doktor ein Stück zurück. Die Öffnung verengte sich. Die Wellen wurden langsamer, wenn sie sich ihr näherten, wichen ihr oben und unten aus und schwammen flugs weiter. Die Öffnung verengte sich weiter. Plötzlich ragte von innen etwas Schwarzes heraus, das in einem fingerähnlichen Fortsatz endete, und lief blitzschnell um den Rand der Öffnung, die sich sofort schloss. Wieder standen sie ratlos vor der regelmäßig sich bauchenden Hülle. Der Ingenieur schlug vor, sich zu beraten. Das war, nach den Worten des Doktors, eine Manifestation ihrer Hilflosigkeit. Zu guter Letzt beschlossen sie, weiterzugehen, den großen Bau entlang. Sie nahmen ihre Sachen auf und machten sich auf den Weg.

So gingen sie etwa drei Kilometer. Unterwegs überquerten sie ein Dutzend Rasenstreifen, die in die Ebene führten. Eine Zeitlang überlegten sie, was sie wohl darstellen mochten. Die Vermutung, sie hätten etwas mit Bodenkultur zu tun, ließen sie fallen, da sie zu unglaubwürdig war. Der Doktor bemühte sich sogar, einige Flechten aus dem dunkelgrünen Streifen zu untersuchen. Sie erinnerten ein wenig an Moos, hatten aber an den kleinen Wurzeln perlenartige Verdickungen, in denen harte schwarze Körnchen staken. Mittag war längst vorüber. Sie verspürten Hunger und hielten Rast, um sich zu stärken — in der prallen Sonne, denn nirgends war Schatten, und die achthundert Meter zur Schonung zurückzukehren, verspürten sie keine Lust. Das Spinnendickicht hatte keinen günstigen Eindruck auf sie gemacht.

„Nach den Geschichten, die ich als Junge zu lesen bekam“, erzählte der Doktor mit vollem Mund, „müsste in diesem verdammten Vorhang jetzt ein feuerspeiendes Loch entstehen und ein Individuum mit drei Händen und mit nur einem sehr dicken Bein herauskommen, mit einem interplanetaren Telekommunikator unterm Arm, sich eventuell als Sterntelepath vorstellen und uns zu verstehen geben, dass es der Vertreter einer hochentwickelten Zivilisation sei, die…“

„Hör auf mit dem Gefasel“, schnitt ihm der Koordinator das Wort ab und goß Wasser aus der Thermosflasche in seinen Becher, der sich sogleich mit Tau bedeckte. „Es wäre besser, wenn wir uns überlegen, was zu tun ist.“

„Ich denke, wir sollten dort hineingehen“, sagte der Doktor und erhob sich, als wolle er es auf der Stelle tun.

„Ich bin neugierig, auf welche Weise“, warf der Physiker gelassen ein.

„Du bist wohl wahnsinnig!“ rief der Kybernetiker. „Ich bin nicht wahnsinnig. Natürlich, wir können auch so weiterwandern, unter der Bedingung, dass uns die Individuen mit einem Bein etwas zu essen vorwerfen.“

„Du meinst das doch nicht im Ernst?“ fragte der Ingenieur. „Natürlich, und weißt du, weshalb? Weil ich das ganz einfach satt habe.“ Er drehte sich um. „Halt!“ schrie der Koordinator.

Ohne darauf zu achten, schritt der Doktor auf die Wand zu. Die anderen sprangen auf, um ihn zu halten. Aber während sie ihm noch nachliefen, berührte er bereits mit der Hand den Vorhang. Die Hand verschwand. Eine Sekunde lang stand der Doktor reglos da, dann machte er einen Schritt nach vorn und war verschwunden. Die fünf starrten entgeistert auf die Stelle, wo der Abdruck seines linken Schuhs zu erkennen war. Plötzlich tauchte der Kopf des Doktors über dem Vorhang auf. Sein Hals war wie mit dem Messer abgeschnitten, ihm tränten die Augen, und er nieste ein paarmal. „Etwas stickig hier drinnen“, sagte er, „und es juckt verteufelt in der Nase, aber ein paar Minuten kann man es wohl hier schon aushaken. Wirkt wie Tränengas. Kommt nach, es tut nicht weh. Man spürt überhaupt nichts.“

Dort, wo sich seine Schulter befinden musste, tauchte sein Arm in der Luft auf. „Dass dich der…!“ rief der Ingenieur halb ärgerlich, halb begeistert und ergriff die Hand des Doktors, der ihn mitriß, so dass auch er den übrigen aus dem Blickfeld entschwand. Einer nach dem anderen traten sie an den wogenden Vorhang. Als letzter der Kybernetiker. Er zögerte, räusperte sich, sein Herz pochte. Er kniff die Augen zu und tat einen Schritt nach vorn. Dunkelheit umschloss ihn, dann wurde es hell. Er warbei den anderen — in einem gewaltigen Raum, der von einem rauschenden asthmatischen Schnaufen erfüllt war. Schräg nach oben, senkrecht und waagerecht, über Kreuz und einander überschneidend, wirbelten und vibrierten riesige Walzen, Rohre oder Säulen unterschiedlicher Dicke; an manchen Stellen bauchten sie sich aus, an anderen wieder wurden sie dünner. Aus der Tiefe dieses sich immerfort in alle Richtungen bewegenden Waldes aus leuchtenden Körpern drang ein hastiges Schmatzen, das urplötzlich verstummte, worauf ein paar glucksende Laute folgten. Diese Lautserie wiederholte sich. Der bittere Geruch war schwer zu ertragen. Sie mussten alle niesen. Tränen flössen ihnen aus den Augen. Mit Taschentüchern vor dem Gesicht entfernten sie sich ein wenig von dem Vorhang, der von innen wie ein Wasserfall aus einer schwarzen sirupartigen Flüssigkeit aussah. „So, da wären wir endlich zu Hause! Eine Fabrik, eine automatische Fabrik!“ rief der Ingenieur zwischen zwei Niesanfällen. Nach und nach, als sie sich an den bitteren Geruch gewöhnt hatten, vergingen die Niesanfälle, und sie sahen einander mit tränenden, zusammengekniffenen Augen an.

Nach einem Dutzend Schritten auf dem elastischen, wie gespannter Gummi nachgebenden Untergrund tauchten schwarze Brunnen vor ihnen auf. Leuchtende Gegenstände sprangen darin hoch, aber so schnell, dass man ihre Form nicht erkennen konnte. Sie hatten die Größe eines menschlichen Kopfes und schienen zu glühen. Sie flogen in die Höhe, wo eine der Säulen, die sich pfeifenartig über die Brunnen bog, sie einsog, ohne mit dem Rotieren aufzuhören. Die Gegenstände verschwanden nicht gleich, ihr rosa Schein leuchtete noch durch die zitternden Wände der Säule wie durch dunkles Glas, schwächer und schwächer werdend. Man konnte sehen, wie sie im Innern weiterwanderten.

„Serienproduktion vom Band“, brummte der Ingenieur in sein Taschentuch.

Vorsichtig ging er um die Brunnen herum. Woher mochte das Licht kommen? Die Decke war halb durchsichtig, der graue, eintönige Schimmer verlor sich im Meer der biegsamen, schrumpfenden, rotiertenden, wie Bäche in der Luft dahingleitenden Körper. Alle diese federnden Gebilde schienen nach einem Kommando zu handeln, in einem einheitlichen Tempo. Die Fontänen der glühenden Gegenstände spritzten hoch, das gleiche spielte sich in großer Höhe ab. Unter der Decke zeichneten die roten Perlen der fliegenden Quader ebenfalls Bögen in die Luft, allerdings waren die Quader da oben weit größer.

„Wir müssen ein Lager mit fertiger Produktion finden oder wenigstens mit dem, was hier das Endprodukt ist“, meinte der Ingenieur. Der Koordinator berührte seinen Arm. „Welche Art von Energie ist das, was meinst du?“ Der Ingenieur zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Ich befürchte, dass wir vor einem Jahr das Endprodukt nicht finden. Diese Halle ist kilometerlang“, gab der Physiker zu bedenken. Merkwürdig, je tiefer sie in der Halle vordrangen, um so leichter fiel ihnen das Atmen, als ströme nur der „Vorhang“ den bitteren Geruch aus. „Ob wir uns hier nicht verlaufen?“

Der Kybernetiker hob besorgt den Kopf.

Der Koordinator schaute auf den Kompaß. „Nein. Er zeigt gut an … Eisen wird es wohl hier nicht geben, Elektromagneten ebenfalls nicht.“

Länger als eine Stunde wanderten sie durch den zitternden Wald der wundersamen Fabrik, bis es rings um sie etwas freier wurde. Ein frischer Lufthauch war zu spüren, als ob die Luft gekühlt wäre. Die mal hierhin, mal dahin laufenden Walzen wichen zurück. Unvermittelt standen sie vor einer gewaltigen, kuppelförmig aufgestockten Spirale. Von oben ragten S-förmig gebogene Abzweigungen herab, flatternd wie Peitschenschnüre. Sie endeten in stumpfen, abgerundeten Verdickungen, aus denen ein Hagelschlag von Objekten prasselte. Die schwarzen Gegenstände schienen mit einem leuchtenden Lack überzogen zu sein und stürzten in die Spirale, an einer Stelle jedoch, die sie nicht sehen konnten, weil sie sich einige Meter über ihren Köpfen befand. Auf einmal weitete sich die linsenförmig gewölbte graue Wand der Spirale ihnen gegenüber, innen zerrte etwas, und sie schwoll an. Sie traten unwillkürlich zurück, die sich aufblähende, schmutziggraue Blase sah gefährlich aus.Lautlos barst sie, und aus der runden Öffnung ergoß sich ein Strom schwarzer Körper. In demselben Augenblick tauchte weiter unten aus einem breiten Brunnen ein Trog mit gewölbtem Rand auf, und die Gegenstände purzelten trommelnd hinein, als ob sie auf ein dickes Gummikissen schlügen. Der Trog hüpfte dabei auf erstaunliche Weise hoch, wurde geschüttelt und gerüttelt, so dass sich die schwarzen Gegenstände schon nach wenigen Sekunden auf seinem flachen Boden zu einem gleichmäßigen Karree ordneten. „Die Fertigprodukte!“ Der Ingenieur lief an den Rand, beugte sich vor und ergriff eins der schwarzen Objekte. Der Koordinator packte ihn im letzten Augenblick am Gürtel, und nur diesem Umstand verdankte es der Ingenieur, dass er nicht kopfüber in den Trog stürzte, denn er wollte den schweren Gegenstand nicht loslassen, obwohl er ihn allein gar nicht halten konnte. Der Physiker und der Doktor halfen ihm, die schwere Last hochzuhieven. Der Gegenstand war so groß wie ein menschlicher Rumpf. Er hatte hellere, halb durchsichtige Segmente, in denen eingeschmolzene Reihen feiner, metallisch glänzender Kristalle leuchteten, und kleine, von ohrenartigen Verdickungen umgebene Öffnungen. Obenauf befand sich ein rauhes Mosaik von Vorsprüngen aus einer überaus harten dunkelvioletten Masse, die gegen das Licht schwarz wirkte. Mit einem Wort — der Gegenstand war höchst kompliziert. Der Ingenieur kniete davor und betastete und beklopfte ihn ziemlich lange. Unterdessen beobachtete der Doktor, was im Trog vorging. Nachdem sich darin ein gleichmäßiges Karree gebildet hatte, wurde der Trog langsam von einem dicken, vor Anstrengung bebenden Bolzen in die Höhe gehoben und erweichte plötzlich, aber nur auf einer Seite.

Er verwandelte sich in einen riesigen Löffel. Ein großer Rüssel streckte sich ihm entgegen und wurde aufgerissen, ein heißer, bitterer Gestank strömte heraus. Der gähnende Rachen saugte mit entsetzlichem Schmatzen alle Gegenstände ein und schloss sich, als verschlinge er sie. Auf einmal leuchtete dieses rüsselartige Ungeheuer innen auf. Der Doktor konnte den feurigen Glutkern sehen, der die Gegenstände auflöste. Sie zerflossen und bildeten einen gleichmäßigen, orangefarbenen, brennenden Brei. Der Glanz wurde schwächer und der rüsselartige Rachen dunkler. Der Doktor vergaß seine Gefährten vollends und ging an zwei großen, hochragenden Säulen entlang, in deren Innerem jetzt die feurigen Massekerne wie in einer gewaltigen Speiseröhre schwammen. Er starrte in das Labyrinth und versuchte, hin und wieder die tränenden Augen wischend, den Weg des glühenden Breis zu verfolgen. Bisweilen verlor er ihn aus den Augen, dann kam er ihm von neuem auf die Spur, denn wieder leuchtete der Brei in schmalen, sich schlangelnden schwarzen Bächen. Als der Doktor an einer Stelle anlangte, die ihm bekannt vorkam, sah er die glühenden Körper, schon teilweise geformt, in einen Schlund fliegen und nebenher andere herausspringen, als würden sie aus dem offenen Brunnen in die Höhe geschossen. Dicke schwarze Röhren, dick wie Elefantenrüssel, baumelten in einer Reihe von oben herab und verschlangen sie. Als rosa Spalier schössen sie im Inneren dieser Röhren, immer kleiner werdend, in die Höhe. Den Kopf im Nacken, schritt der Doktor weiter und vergaß alles um sich her. Die glühenden Körper überholten ihn, aber das war für ihn unwichtig, denn unausgesetzt folgten ihnen andere. Auf einmal wäre er beinahe gestürzt, er stieß einen unterdrückten Schrei aus: Er stand wieder auf dem freien Platz. Vor ihm erhob sich der kuppelartige Wall der Spirale. Von oben stürzte ein Schwall der während der langen Wanderung vollends erkalteten schwarzen Gegenstände in ihren Schlund. Der Doktor ging um die Spirale herum, denn er wusste bereits, auf welcher Seite die Geburt zu erwarten war, und da befand er sich wieder neben den anderen, die den Ingenieur umstanden. Der Ingenieur untersuchte noch immer den schwarzen Gegenstand, während die bestehende große Blase abermals die „Fertigproduktion“ in den neu geformten Trog spie. „Hallo! Ihr braucht euch nicht zu bemühen! Ich weiß bereits alles! Und ich werde es euch gleich erklären!“ rief der Doktor.

„Wo hast du gesteckt? Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“ Der Koordinator hatte sich zu ihm umgewandt. „Hast du wirklich etwas entdeckt? Der Ingenieur weiß nämlich nichts.“

„Wenn es bloß nichts wäre, dann wäre das nicht so schlimm!“ knurrte der, stieß wütend mit dem Fuß gegen dasschwarze Objekt und bedachte den Doktor mit einem ärgerlichen Blick. “Nun, und was hast du entdeckt?“

„Die Sache sieht folgendermaßen aus“, begann der Doktor mit einem seltsamen Lächeln. „Das da wird dort eingesaugt“, er deutete auf den Rachen des Rüssels, der sich gerade öffnete. „So, jetzt erhitzt er sich innen, seht ihr? Sie schmelzen jetzt alle, werden durchgemischt, fahren in Portionen nach oben, und dort beginnt ihre Bearbeitung. Wenn sie noch kirschrot vor Hitze sind, fliegen sie nach unten, unter den Boden, da muss noch eine Etage sein. Wieder geschieht mit ihnen etwas, dann kehren sie durch diesen Brunnen zwar blaß, aber noch leuchtend zurück, machen einen Ausflug bis unters Dach, stürzen in diese Form“ — er zeigte die Spirale — „und dann in das ›Lager für Fertigprodukte^ Von hier fahren sie zurück in den Rüssel, schmelzen, und so endlos im Kreis. Sie werden geformt, nehmen Gestalt an, schmelzen, formen sich von neuem…“

„Bist du wahnsinnig“, flüsterte der Ingenieur, dicke Schweißtropfen auf der Stirn. „Du glaubst es nicht? Prüf es selber nach.“ Der Ingenieur prüfte nach, zweimal. Das dauerte eine gute Stunde. Als sie sich wieder am Trog einfanden, den gerade eine neue Portion des „Endprodukts“ ausfüllte, brach die Dämmerung herein, in der Halle wurde es fahlgrau.

Der Ingenieur schien wie von Sinnen. Er schüttelte sich vor Wut. Krampfhafte Zuckungen liefen über sein Gesicht. Die anderen, die kaum weniger verblüfft waren, hatte die Entdeckung nicht so sehr ergriffen. „Wir müssen hier raus, es kann im Dunkeln Schwierigkeiten geben.“ Der Koordinator packte den Ingenieur am Arm. Der ließ sich willenlos ziehen, dann riss er sich los, stürzte sich auf den schwarzen Gegenstand, den sie liegengelassen hatten, und hob ihn mit Mühe hoch.

„Willst du das mitnehmen?“ fragte der Koordinator. „Gut, helft ihm.“

Der Physiker packte den unförmigen Gegenstand an den ohrenförmigen Vorsprüngen und schleppte ihn zusammen mit dem Ingenieur bis an die wellige Grenze der Halle. Der Doktor trat gelassen gegen die sirupartig glänzende Wand des „Wasserfalls“ und stand draußen auf der Ebene im kühlenden Hauch des Abends. Genießerisch sog er die Luft tief in die Lungen. Die anderen waren ihm gefolgt.

Der Ingenieur und der Physiker trugen die Last an die Stelle, wo sie die Rucksäcke zurückgelassen hatten, und warfen sie dort auf den Boden.

Sie zündeten den Kocher an, wärmten etwas Wasser, lösten das Fleischkonzentrat darin auf und machten sich hungrig ans Essen. Sie aßen schweigend. Es war unterdessen völlig dunkel geworden, die Sterne traten hervor. Ihr Schein wurde mit jedem Augenblick stärker, kompakter. Das verschwommene Gestrüpp der fernen Schonung verschmolz mit der Dunkelheit. Nur die bläuliche Flamme des Brenners, von einem sanften Hauch bewegt, warf etwas Licht. Die hohe Wand der Halle in ihrem Rücken, versunken in der Nacht, gab nicht den leisesten Laut von sich. Man sah nicht einmal, ob die Wellen darüber schwammen.

„Die Finsternis bricht hier genauso rasch herein wie bei uns in den Tropen“, sagte der Chemiker.

„Wir sind doch in der Äquatorzone niedergegangen, nicht wahr?“

„Ich glaube“, erwiderte der Koordinator. „Aber ich kenne nicht einmal den Neigungswinkel des Planeten zur Ekliptik.“

„Wieso? Das muss doch bekannt sein.“

„Natürlich, die Daten sind auf dem Schiff.“

Sie verstummten. Die nächtliche Kälte machte sich bemerkbar. Sie hüllten sich in die Decken ein, unterdessen ging der Physiker daran, das Zelt aufzustellen. Er pumpte die Plane auf, bis sie steifdastand, einer abgeflachten Halbkugel gleichend, mit einem kleinen Eingang dicht über dem Boden.

Dann suchte er in der Nähe Steine, um die Ränder des Zeltes zu beschweren, damit es der Wind nicht fortriß. Sie hatten Pflöcke, jedoch nichts, womit man sie in die Erde schlagen konnte. Er fand nur kleinere Steinchen und kehrte mit leeren Händen an das bläuliche Feuer zurück. Plötzlich fiel sein Blick auf den schwarzen Gegenstand, den sie aus der Halle mitgebracht hatten. Er hob ihn auf und legte ihn auf den Zeltrand.

„Wenigstens zu etwas ist das Ding nütze“, bemerkte der Doktor, der ihm zusah. Der Ingenieur saß geduckt da, den Kopf in den Händen, ein Bild völliger Niedergeschlagenheit. Er sagte nichts, auch um seinen Teller bat er nur mit einem unartikulierten Knurren. „Was nun, liebe Leute?“ fragte er plötzlich und richtete sich auf. „Natürlich wird geschlafen“, antwortete der Doktor ruhig, zog pietätvoll eine Zigarette aus einer Packung, steckte sie an und tat genießerisch einen Zug.

„Und was morgen?“ Man sah dem Ingenieur an, dass seine Ruhe nur vorgetäuscht, dass er bis zum äußersten gespannt war. „Henrik, du führst dich auf wie ein Kind“, sagte der Koordinator, der gerade dabei war, den Topf mit schlammiger Erde zu säubern. „Morgen untersuchen wir die nächste Sektion der Halle. Heute haben wir uns nach meinen Schätzungen rund vierhundert Meter angesehen.“

„Und du glaubst, dass wir etwas anderes finden?“

„Ich weiß es nicht. Einen Tag haben wir noch vor uns. Am Nachmittag müssen wir zur Rakete zurück.“

„Freut mich außerordentlich“, brummte der Ingenieur, stand auf, reckte sich und stöhnte. „Ich fühle mich, als hätte ich keinen heilen Knochen mehr im Leibe“, gestand er.

„Es geht uns allen so“, erwiderte der Doktor gutmütig. „Hör zu, kannst du wirklich nichts zu dem da sagen?“ Er deutete mit dem Ende der brennenden Zigarette auf den Gegenstand, der den Zeltrand festhielt. „Kann ich. Warum nicht? Natürlich kann ich das. Das ist eine Vorrichtung, die dazu dient, damit man sie zuerst.…“

„Nein, im Ernst. Das hat doch bestimmte Teile. Ich kenne mich nicht so aus.“

„Denkst du etwa, ich kenne mich da aus?“ brauste der Ingenieur auf. „Das ist das Produkt eines Wahnsinnigen. Eine Zivilisation von Verrückten. Das ist dieses verdammte Eden. Was wir da mitgeschleppt haben, wurde in einer Reihe von Prozessen erzeugt“, fügte er ruhiger hinzu. „Pressen, Eindrücken der durchsichtigen Segmente, thermische Behandlung, Polieren. Es müssen hochmolekulare Polymere und anorganische Kristalle sein. Wozu das dienen soll, weiß ich nicht. Das ist ein Teil, nicht das Ganze. Doch selbst aus dieser verrückten Mühle herausgenommen, kommt mir dieser Teil in sich irrsinnig vor.“

„Was verstehst du darunter?“ fragte der Koordinator. Der Chemiker legte die Teller und die Vorräte zusammen und rollte die Decke auseinander. Der Doktor drückte die Zigarette aus und steckte die restliche Hälfte behutsam in die Schachtel zurück. „Ich habe keine Beweise dafür. Da drinnen gibt es gewisse Bindeglieder. Sie sind mit nichts verbunden. Wie ein geschlossener Stromkreis, der von Isolatoren durchschnitten ist. Das kann nie wirksam sein. Diesen Eindruck habe ich gewonnen.

Schließlich hat man nach so vielen Jahren doch so etwas wie eine berufliche Intuition. Ich kann mich natürlich irren, aber ich möchte überhaupt nicht darüber reden.“

Der Koordinator stand auf. Die anderen folgten seinem Beispiel. Als sie den Kocher ausgemacht hatten, hüllte brutale Schwärze sie ein. Die Sterne gaben kein Licht, sie glänzten nur stark an dem merkwürdig niedrigen Himmel. „Deneb“, sagte der Physiker leise. Sie blickten hoch. „Wo? Dort?“

Auch der Doktor dämpfte unbewußt die Stimme. „Ja. Und der kleinere daneben, das ist Gamma Cygni. Verdammt hell!“

„Dreimal so hell wie auf der Erde“, sagte der Koordinator. „Es ist kühl, und nach Hause ist es weit“,murmelte der Doktor.

Keiner sprach noch etwas. Einzeln krochen sie in das aufgeblasene Zelt. Sie waren so erschöpft, dass dem Doktor, als er nach seiner Gewohnheit im Dunkeln eine gute Nacht wünschte, nur die Atemzüge der Schlafenden antworteten. Er selbst schlief noch nicht. Ihm fiel ein, dass sie unachtsam handelten.

Aus der nahen Schonung konnte in der Nacht ein Ungetüm herauskommen. Sie hätten eine Wache aufstellen sollen. Eine Weile überlegte er, ob er nicht selbst diesen Posten übernehmen sollte. Aber er lachte nur ironisch in die Finsternis, drehte sich um und seufzte. Er merkte gar nicht, wie er einschlief.

Und er schlief wie ein Stein. Der Morgen grüßte sie mit Sonne. Am Himmel zeigten sich diesmal ein paar weiße Knäuelwolken mehr als am Vortag. Sie aßen ihr frugales Frühstück. Die Reste hoben sie für die letzte Mahlzeit auf. Neuen Vorrat mussten sie sich aus der Rakete holen. „Wenn man sich wenigstens mal waschen könnte“, klagte der Kybernetiker. „Das ist mir noch nicht passiert, man stinkt ja richtig nach Schweiß, entsetzlich! Es muss hier doch irgendwo Wasser geben!“

„Wo es Wasser gibt, da gibt es auch einen Frisör“, erwiderte der Doktor heiter, während er in seinen kleinen Spiegel schaute. Er schnitt skeptische und heroische Grimassen. „Ich befürchte allerdings, dass der Frisör auf diesem Planeten zuerst rasiert und dann alle Haare wieder einsetzt, das ist hier sehr wahrscheinlich, weißt du!“

„Du wirst wohl noch im Grab Witze reißen“, versetzte der Ingenieur. Verwirrt fügte er hinzu: „Verzeihung. Ich wollte nicht.…“

„Macht nichts“, entgegnete der Doktor. „Im Grab nicht, aber solange es geht, ja. So, nun machen wir uns wohl auf den Weg, wie?“

Sie packten die Sachen, ließen die Luft aus dem Zelt ab und zogen mit ihrer Last den gleichmäßig wogenden Vorhang entlang, bis sie sich einen guten Kilometer von ihrer Raststelle entfernt hatten.

„Ich kann mir nicht helfen, vielleicht irre ich mich auch, aber hier sieht es so aus, als sei der Vorhang höher.“ Der Physiker betrachtete aus zusammengekniffenen Augen die Bögen, die sich nach beiden Seiten spannten. Hoch oben flimmerten ihre Spitzen in silbrigem Feuer.

Sie warfen das Gepäck auf einen Haufen und gingen zur Halle. Wie am Vortag kamen sie ohne Schwierigkeiten hinein. Der Physiker und der Chemiker blieben etwas zurück. „Was meinst du, wie ist das mit dem Verschwinden?“ fragte der Chemiker. „Hier geschieht so viel, dass ich das gestern völlig vergaß.“

„Eine Art Refraktion“, erwiderte der Physiker mit wenig Überzeugung. „Und worauf stützt sich die Decke? Doch wohl nicht darauf.“ Er wies auf den sich in Wellen bauschenden Vorhang, auf den sie zutraten. „Ich weiß es nicht. Vielleicht sind innen verborgene Stützen, oder sie befinden sich an der anderen Seite.“

„Alice im Wunderland“, begrüßte sie von innen der Doktor. „Fangen wir an? Heute niese ich weniger. Vielleicht ist das Anpassung. In welche Richtung gehen wir zuerst?“ Die Umgebung glich ziemlich genau derjenigen vom Vortag. Sie bewegten sich diesmal sicherer und schneller. Zunächst schien es ihnen sogar, dass alles genauso war wie dort. Die Säulen, die Brunnen, der Wald der schrägen, pulsierenden und wirbelnden „Speiseröhren“, das Aufglühen, das Flimmern — dieser ganze Reigen von Prozessen verlief in dem gleichen Tempo. Nachdem sie sich jedoch die Fertigprodukte angesehen hatten, deren trogähnliche Behälter sie nach einiger Zeit fanden, entdeckten sie, dass sie anders waren, größer und von anderer Gestalt als die am Tage zuvor. Das war nicht alles. Die „Produkte“ — die übrigens ebenso wie dort wieder herausgegriffen und in einen Kreislauf gebracht wurden — waren etwas anderer Art. Sie erinnerten sie an eine oben eingekerbte Eihälfte. Diese Hälfte trug deutliche Spuren, dass sie mit anderen Teilen zusammengepaßt werden sollte. Überdies ragtenhornartige Verdickungen daraus hervor, in der Art einer Rohrmündung, in der sich ein linsenförmiges Plättchen bewegte, gewissermaßen ein Druckventil. Als sie jedoch mehrere solche Gegenstände miteinander verglichen, stellte sich heraus, dass manche zwei offene Hörner hatten, andere drei oder vier, wobei diese zusätzlichen Vorsprünge kleiner und sozusagen nicht ganz zu Ende gefertigt waren, als sei die Bearbeitung unterbrochen worden. Das Linsenplättchen füllte manchmal die ganze Mündung aus, manchmal nur einen Teil davon. Bisweilen fehlte es überhaupt. Einmal fanden sie nur so etwas wie eine Knospe, ein verkümmertes, kaum erbsengroßes Körnchen. Die Oberfläche des „Eis“ war glatt poliert, bei einigen Exemplaren war sie rauh, die Tülle des „Druckventils“ war bei den diversen Objekten ebenfalls unterschiedlich gestaltet. In einem fanden sie sogar Zwillingsstücke, teilweise verschmolzen und durch eine kleine Öffnung miteinander kommunizierend, und die Linsen-plättchen bildeten eine Acht. Der Doktor bezeichnete das als siamesische Zwillinge. Dieser Teil hatte obendrein acht Hörner, von denen eins immer kleiner als das andere war; die kleinsten waren nicht einmal nach außen geöffnet.

„Was meinst du dazu?“ fragte der Koordinator den Ingenieur. Der kniete neben ihm und wühlte in einer ganzen Kollektion, die sie dem Trog entnommen hatten. „Vorläufig nichts. Gehen wir weiter.“

Der Ingenieur stand auf. Man sah ihm an, dass sich seine Laune etwas gebessert hatte. Jetzt begriffen sie schon, dass die Halle in Sektionen eingeteilt war, die lediglich durch den inneren Zusammenhang der Zyklen voneinander getrennt waren. Die Produktionsvorrichtungen, der sich schlangelnde, rüsselartig zuckende, schnaufende Wald, waren überall die gleichen. Einige hundert Meter weiter stießen sie auf eine Sektion, die dieselben Bewegungen wie die vorigen vollführte, sich wand, schmatzte, schnaufte, aber in ihren Leitungen gar nichts mitführte, überhaupt nichts in die offenen Brunnen warf, nichts aus der Höhe fallen ließ oder verschlang. Sie bearbeitete, häufte und schmolz-nichts. Überall da, wo sie bei den anderen Sektionen glühende Halbprodukte oder die schon erkaltenden bearbeiteten Gegenstände beobachten konnten, fanden sie hier nur Leere. Zunächst glaubte der Ingenieur, das Produkt sei vielleicht so durchsichtig, dass man es nicht sehen könne. Er beugte sich weit über die Ausstoßaggregate vor, und mit den Händen etwas von dem zu erfassen, was aus den offenen Schlünden hätte herausfliegen müssen, aber er griff ins Leere.

„Eine verrückte Sache“, murmelte der Chemiker entsetzt. Der Ingenieur war gar nicht mehr so sehr erschüttert. „Sehr interessant“, sagte er nur, und sie gingen weiter.

Sie näherten sich einem Raum, aus dem lauter Lärm erscholl. Ein Lärm, der weich klang, gerade deshalb aber um so betäubender war, etwa wie wenn Millionen schwerer, feuchter Lederdecken auf eine große, schwach gespannte Trommel fallen. Plötzlich wurde es heller.

Aus Dutzenden keulenförmiger Zapfen, die oben an der Decke pendelten, prasselte ein wahrer Regen von schwarzen Gegenständen herab, prallte gegen die sich ihnen mal von der einen, mal von der anderen Seite entgegenwölbenden, durchsichtig grauen Membranen, die senkrecht gespannt waren und gleichmäßig wie Blasen anschwollen, als wären sie mit Gas gefüllt. Danach wurden die Teile auf halbem Weg von schnell arbeitenden Schlangenarmen erfaßt, die wie ein Strudel anmuteten, und kamen als Hagel unten an. Hier ordneten sich die Objekte nebeneinander zu Karrees, in geraden Reihen, während von der entgegengesetzten Seite in gewissen Abständen eine gewaltige Masse herauskroch, plattgedrückt wie der Kopf eines Wals, und mit einem langen Seufzer mehrere Reihen der „Fertigprodukte“ auf einmal aufsaugte. „Das Lager“, erläuterte der Ingenieur phlegmatisch. „Von oben kommen sie in fertigem Zustand herunter, und das ist wie ein Transportband, es nimmt sie mit und führt sie in den Umlauf zurück.“

„Woher willst du wissen, dass es sie wieder zurückführt? Vielleicht ist es hier anders?“ fragte der Physiker. „Weil das Lager voll ist.“ Keiner hatte das zwar ganz begriffen, aber sie schwiegen und gingen weiter. Es war gegen vier, als der Koordinator die Rückkehr anordnete. Sie befanden sich in einer Sektion, die aus zwei Abteilungen bestand. Die ersteerzeugte dicke Schilder, die mit ohrenförmigen Griffen versehen waren, die andere schnitt die Griffe ab und befestigte an ihrer Stelle Teile von elliptischen Ringen. Darauf wanderten die Schilder in die Bodenkammern, woher sie „glattrasiert“, wie der Doktor es nannte, zurückkamen, um von neuem dem Prozeß des Anschweißens der ohrenförmigen Griffe ausgesetzt zu werden.

Als die Männer wieder in die Ebene hinaustraten und bei noch ziemlich hoch stehender Sonne die Richtung einschlugen, in der sie das Zelt und die Sachen zurückgelassen hatten, sagte der Ingenieur: „So jetzt wird das allmählich klar.“

„Wirklich?“ fragte der Chemiker mit einer Spur von Ironie.

„Jawohl“, bestätigte der Koordinator. „Und was meinst du?“ wandte er sich an den Doktor. „Eine Leiche“, erwiderte der.

„Wieso Leiche?“ fragte der Chemiker, der offenbar nichts verstand. „Eine Leiche, die sich bewegt“, fügte der Doktor hinzu. Eine Weile gingen sie stumm weiter. „Darf ich endlich erfahren, was das bedeutet?“ fragte der Chemiker ein wenig verärgert.

„Ein ferngesteuerter Komplex zur Erzeugung diverser Teile, der mit der Zeit völlig außer Kontrolle geraten ist, weil er ohne jede Aufsicht war“, erklärte der Ingenieur. „Ach! Und wie lange, meinst du?“

„Das weiß ich nicht.“

„Sehr grob geschätzt und mit großem Risiko kann man die Hypothese aufstellen, dass es mindestens sechzig Jahre sind“, sagte der Kybernetiker. „Vielleicht noch mehr.

Wenn ich erführe, dass es vor zweihundert Jahren geschah, würde ich mich auch nicht wundern.“

„Oder vor tausend Jahren“, fügte der Koordinator lässig hinzu. „Wie dir bekannt sein dürfte, geraten beaufsichtigende Elektronenhirne in einem Tempo außer Kontrolle, das dem Irradiationsfaktor entspricht“, begann der Kybernetiker. Aber der Ingenieur unterbrach ihn: „Sie können nach einem anderen Prinzip arbeiten als unsere, und wir wissen ja überhaupt nicht, ob es Elektronensysteme sind.

Ich selbst bezweifle das. Der Baustoff ist nichtmetallisch, halbflüssig.“

„Einzelheiten sind nicht so wichtig“, sagte der Doktor. „Aber was haltet ihr davon? Das heißt, welche Horoskope stellt ihr? Ich sehe nur düstere.“

„Du denkst an die Bewohner des Planeten?“ fragte der Chemiker. „Ja, ich denke an die Bewohner dieses Planeten.“

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