Fünftes Kapitel

Als sie zu dem kleinen Hügel gelangten, berührte die Sonne den Horizont. Die Rakete warf einen langen Schatten, der verlor sich weit im Sand der Ebene. Bevor sie hineingingen, untersuchten sie gewissenhaft die Umgebung, fanden aber keine Spuren, die erkennen ließen, dass jemand in ihrer Abwesenheit dagewesen war. Die Atomsäule arbeitete ohne Störungen. Der Halbautomat hatte inzwischen die Seitengänge und die Bibliothek gesäubert, war dann aber im Labor rettungslos in einer dicken Schicht von Plastik-und Glasscherben steckengeblieben.

Nach dem Abendessen musste der Doktor dem Koordinator die Wunde nähen, weil sie noch immer blutete. Unterdessen analysierte der Chemiker das Wasser, das sie dem Bach entnommen hatten, und stellte fest, dass es zum Trinken taugte, obwohl es stark mit Eisensalzen angereichert war, was den Geschmack beeinträchtigte. „Wir müssen jetzt endlich beraten“, erklärte der Koordinator. Sie nahmen in der Bibliothek auf Luftkissen Platz, der Koordinator mit dem weißbandagierten Kopf in der Mitte.

„Was wissen wir?“ begann er. „Wir wissen, dass der Planet von vernunftbegabten Wesen bewohnt ist, die der Ingenieur als Dop-pelts bezeichnet. Der Name entspricht zwar nicht ganz den Tatsachen, aber das soll uns jetzt nicht kümmern. Wir sind mit folgenden Fragmenten der Doppeltzivilisation in Berührung gekommen: Mit einer automatischen Fabrik, von der wir glauben, dass sie verlassen wurde und außer Kontrolle geriet — ich bin übrigens dessen jetzt gar nicht mehr so sicher — , zweitens mit den Spiegelkuppeln auf den Hügeln, deren Bestimmung uns unbekannt ist, drittens mit Masten, die etwas auszustrahlen scheinen, höchst- wahrscheinlich eine Art Energie, viertens mit diesen Vehikeln, wobei wir eines nach einem Angriff auf uns eroberten. Wir meisterten es und erlitten dann Schiffbruch. Fünftens, wir sahen von fern ihre Stadt, über die wir nichts Genaues sagen können. Sechstens, der Angriff, den ich erwähnt habe, hat sich folgendermaßen abgespielt: Der Doppelt hetzte offenbar ein Tier auf uns, das wahrscheinlich darauf abgerichtet war. Dieses Tier strahlte eine Art Kugelblitz aus und steuerte ihn so lange, bis wir es töteten. Siebentens und letztens waren wir Zeugen, wie ein Graben zugeschüttet wurde — ein Grab, das voll von toten Einwohnern des Planeten war. Das ist alles. Berichtigt mich bitte oder vervollständigt meine Angaben, falls ich etwas ausgelassen oder mich geirrt haben sollte.“

„Im Grunde wäre das alles, beinahe alles…“, sagte der Doktor. „Abgesehen davon, was vorgestern auf dem Raumschiff geschah…“

„Stimmt. Du hattest übrigens recht, dieses Geschöpf war nackt.

Vielleicht versuchte es, sich irgendwo zu verstecken, und kroch in seiner Panik in die erste beste Öffnung. Das war ausgerechnet der Tunnel, der in unsere Rakete führt.“

„Diese Hypothese ist ebenso verlockend wie riskant“, erwiderte der Doktor. „Wir sind Menschen, wir assoziieren und überlegen auf irdische Weise und können deshalb schwere Fehler begehen, wenn wir fremden Schein für unsere Wahrheit gelten lassen, das heißt, wenn wir gewisse Fakten in Schemata pressen, die wir von der Erde mitgebracht haben. Ich bin mir völlig sicher, dass wir heute früh alle dasselbe gedacht haben, nämlich, dass wir auf ein Grab mit Opfern von Gewalttätigkeit gestoßen seien, ein Grab mit ermordeten Opfern, aber in Wirklichkeit weiß ich nicht, wissen wir nicht…“

„Du wiederholst das, obwohl du selbst nicht daran glaubst“, begann der Ingenieur erregt. „Es geht nicht um das, was ich glaube“, unterbrach ihn der Doktor. „Wenn Glauben irgendwo besonders fehl am Platze ist, dann hier auf Eden. Nehmen wir zum Beispiel die Hypothese vom ›Hetzen‹ des elektrischen Hundes…“

„Wieso?“

„Du nennst das Hypothese? Das war doch eine Tatsache“, riefen Chemiker und Ingenieurfast gleichzeitig.

„Ihr irrt euch. Warum griff er uns an? Darüber wissen wir nichts. Möglich, dass wir ihn mit unserem Aussehen an hiesige Küchenschaben oder an Hasen erinnerten… Und ihr habt, Verzeihung, wir haben dieses aggressive Verhalten mit dem in Zusammenhang gebracht, was wir zuvor gesehen hatten und was einen erschütternden Eindruck auf uns gemacht hatte, so dass wir die Fähigkeit, ruhig zu denken, einbüßten.“

„Aber hätten wir sie uns bewahrt und nicht sofort geschossen, wehte jetzt unsere Asche dort am Wäldchen, oder etwa nicht?“ versetzte der Ingenieur ärgerlich. Der Koordinator schwieg. Seine Blicke wanderten von einem zum anderen. „Wir taten, was wir tun mussten, aber es ist durchaus möglich, dass ein Mißverständnis vorlag — auf beiden Seiten… Glaubt ihr, dass jetzt schon alle Steinchen des Puzzlespiels geordnet sind? Und die Fabrik, die angeblich vor mehreren hundert Jahren verlassen wurde und außer Kontrolle geriet? Was ist damit? Wohin paßt dieses Steinchen?“

Sie schwiegen eine Weile. „Ich bin der Meinung, dass viel Wahres an dem ist, was der Doktor sagt“, begann der Koordinator von neuem. „Wir wissen noch zu wenig. Die Situation ist insofern günstig, als dass sie, wie wir annehmen können, noch nichts von uns wissen. Wie ich glaube, hauptsächlich deshalb, weil keiner ihrer Wege, keine Furche in die Nähe dieses Ortes hier führt. Aber wir können kaum damit rechnen, dass das lange so bleibt. Ich möchte euch bitten, unsere Lage einmal von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten und eure Vorschläge dazu zu äußern.“

„Augenblicklich sind wir in unserem Wrack eigentlich wehrlos. Man braucht ja nur den Tunnel richtig zuzuspunden, und wir ersticken wie die Mäuse. Deshalb ist größte Eile geboten, gerade mit Rücksicht darauf, dass wir jeden Moment entdeckt werden können. Und obwohl meine Hypothese von der Aggressivität der Doppelts angeblich nur meine irdische Einbildung ist“, sagte der Ingenieur leidenschaftlich, „schlage ich, da ich nicht anders denken kann, trotzdem vor, eigentlich fordere ich es, dass wir unverzüglich alle Vorrichtungen reparieren und die Aggregate in Betrieb nehmen.“

„Wieviel Zeit, schätzt du, werden wir dafür brauchen?“ fragte der Doktor. Der Ingenieur zögerte mit der Antwort. „Da siehst du…“, versetzte der Doktor gelangweilt. „Warum sollen wir uns Illusionen machen? Sie entdecken uns, bevor wir fertig sind. Denn eines will ich euch sagen, wenn ich auch kein Fachmann bin, es werden lange Wochen vergehen, ehe…“

„Das stimmt leider“, warf der Koordinator ein. „Außerdem werden wir unseren Wasservorrat ergänzen müssen, ganz zu schweigen von dem Ärger, den wir mit dem verseuchten Wasser haben werden, das die untere Etage überflutet hat. Ebenso ist nicht bekannt, ob wir selbst alles tun können, was nötig ist, um die Schäden zu beheben.“

„Zweifellos wird ein weiterer Ausflug erforderlich sein“, räumte der Ingenieur ein. „Sogar noch mehr Ausflüge, aber die können nachts unternommen werden. Außerdem sollte ein Teil von uns, sagen wir die Hälfte oder zwei Mann, ständig bei der Rakete bleiben. Aber warum reden nur immer wir?“ Er wandte sich unvermittelt an die drei anderen, die dem Streit stumm zugehört hatten.

„Eigentlich müssten wir so intensiv wie nur möglich in der Rakete arbeiten und zugleich die hiesige Zivilisation erforschen“, sagte der Physiker bedächtig. „Diese Aufgaben kollidieren erheblich miteinander. Die Anzahl der Unbekannten ist so groß, dass selbst eine strategische Rechnung nicht viel helfen würde. Eines unterliegt keinem Zweifel — ein Risiko, das an eine Katastrophe grenzt, werden wir trotz der erwählten Verfahrensweise nicht vermeiden können.“

„Ich sehe schon, worauf das hinausläuft.“ Die tiefe Stimme des Doktors klang müde. „Ihr wollt euch selbst davon überzeugen, dass wir weitere Ausflüge unternehmen müssen, weil wir mächtige, das heißt atomare Schläge zu versetzen vermögen. Selbstverständlich zur eigenen Verteidigung. Und da das damit enden wird, dass wir den ganzen Planeten gegen uns haben, verspüre ich nicht die geringste Lust, mich an einem solchen Pyrrhusunternehmen zu beteiligen. Es bleibt selbst dann ein Pyrrhusunternehmen, wenn die hier keine Atomenergie kennen, was im übrigen noch gar nichtfeststeht. Welche Art von Motor trieb denn das Rad an?“

„Das weiß ich nicht“, erwiderte der Ingenieur. „Jedenfalls kein atomarer. Dessen bin ich mir so gut wie sicher.“

„Dieses ›so gut wie‹ kann uns alles kosten.“ Der Doktor lehnte sich zurück, schloss die Augen und legte den Kopf an den Rand des schräg hängenden Bibliothekschranks, womit er zu verstehen gab, dass er an der Diskussion nicht weiter teilzunehmen gedenke. „Eine Quadratur des Kreises“, murmelte der Kybernetiker. „Und wenn wir versuchten… uns mit ihnen zu verständigen?“ schlug der Chemiker zögernd vor. Der Doktor setzte sich auf. „Ich danke dir. Ich hatte schon befürchtet, dass niemand es sagen würde!“

„Sich mit ihnen verständigen wollen bedeutet doch sich ihnen ausliefern!“ schrie der Kybernetiker und sprang auf. „Wieso?“ fragte der Doktor kühl. „Wir haben doch Waffen, sogar Atomwerfer. Aber wir werden uns nicht nachts an ihre Städte oder an ihre Fabriken heranschleichen.“

„Schon gut. Wie stellst du dir also einen solchen Verständigungsversuch vor?“

„Ja, bitte, sag es“, verlangte der Koordinator. „Ich räume ein, dass wir ihn in diesem Augenblick nicht versuchen sollten“, erwiderte der Doktor. „Je mehr Geräte wir in der Rakete reparieren, um so besser.

Wir sollten uns bewaffnen, wenn auch nicht unbedingt mit Atomwerfern… Ein Teil von uns bleibt bei der Rakete, der andere Teil, sagen wir drei Mann, geht in die Stadt. Zwei halten sich zurück, um den dritten im Auge zu behalten, der versuchen wird, sich mit den Einwohnern zu verständigen.“

„Du weißt alles sehr genau. Du weißt natürlich auch, wer derjenige sein wird, der in die Stadt geht“, sagte der Ingenieur in einem Ton, der nichts Gutes verhieß.

„Ja. Ich weiß es.“

„Und ich werde dir nicht erlauben, Selbstmord vor meinen Augen zu begehen!“

schrie der Ingenieur, sprang auf und trat an den Doktor heran, der nicht einmal aufsah. Der Ingenieur zitterte am ganzen Leib. So erregt hatten sie ihn noch nie gesehen. „Wenn wir diese Katastrophe alle überlebt haben, wenn es uns gelungen ist, uns aus diesem Grab, in das sich die Rakete verwandelte, zu befreien, wenn wir heil herausgekommen sind und das unberechenbare Risiko leichtsinniger Eskapaden auf uns genommen haben, als ob der Planet, ein fremder Planet, ein Gelände für Spaziergänge wäre, so nicht deshalb, damit durch irgendwelche verdammten Hirngespinste, durch Phantastereien…“ Der Ärger würgte ihn in der Kehle. „Ich weiß, worauf es dir ankommt“, schrie er, die Fäuste ballend. „Die Sendung des Menschen! Der Mensch in den Sternen! Du bist ein Narr mit deinen Ideen, verstehst du! Niemand wollte uns heute töten! Kein Massengrab wurde zugeschüttet!

Wie? Nicht wahr?“ Er beugte sich über den Doktor. Der schaute ihn an, und' der Ingenieur verstummte.

„Man wollte uns töten. Und es ist durchaus möglich, dass das ein Grab von Ermordeten war“, sagte der Doktor. Alle sahen, wie er sich zur Ruhe zwang. „Aber in die Stadt müssen wir gehen.“

„Nach alldem, was wir getan haben?“ fragte der Koordinator. Der Doktor zuckte mit den Schultern. „Ja, wir haben eine Leiche verbrannt… zugegeben. Tut, was ihr für richtig haltet. Fasst einen Entschluß. Ich werde mich fügen.“ Er stand auf, schob sich durch die waagerecht geöffnete Tür und schloss sie hinter sich. Sie starrten ihm eine Weile nach, als warteten sie darauf, dass er sich besinne und zurückkehre. „Du hast dich unnötig so ereifert“, sagte der Koordinator leise zum Ingenieur.

„Du weißt sehr gut“, begann der Ingenieur, gab aber nach einem Blick in seine Augen zu: „Stimmt.

Es war nicht nötig.“

„In einem hat der Doktor recht.“ Der Koordinator zog den Verband hoch, der heruntergerutscht war. „Was wir im Norden entdeckt haben, ist nicht mit dem zu vereinbaren, was wir im Osten sahen. Grob geschätzt, befindet sich die Stadt so weit von uns entfernt wie die Fabrik — kaum mehr als dreißig bis fünfund-dreißig Kilometer Luftlinie.“

„Mehr“, sagte der Physiker.

„Möglich. Aber ich bin der Ansicht, dass im Süden oder im Westen in gleicher Entfernung Elementeder Zivilisation zu finden sind. Daraus ginge nämlich hervor, dass wir in der Mitte einer örtlichen ›Zivilisationswüste‹, einer ›Zivilisationsleere‹ von sechzig Kilometer Durchmesser niedergegangen sind. Das wäre ein zu sonderbarer Zufall. Seid ihr der gleichen Meinung?“

„Ich ja“, sagte der Ingenieur, ohne jemanden anzusehen. „Ich auch.“ Der Chemiker nickte und fügte hinzu: „Wir hätten von Anfang an diese Sprache sprechen sollen.“

„Ich teile die Zweifel des Doktors“, fuhr der Koordinator fort, „aber ich halte seinen Vorschlag für naiv und in unserer Lage für unangebracht. Er wird der Situation nicht gerecht. Die Regeln bei der Kontaktaufnahme mit fremden Wesen sind uns allen bekannt. Sie sehen leider keine solche Situation vor wie die, in der wir uns befinden — als nahezu wehrlose Schiffbrüchige und als Bewohner eines im Sande steckenden Wracks. Selbstverständlich müssen wir die Schäden an der Rakete beheben. Gleichzeitig findet aber auch ein Wettlauf im Sammeln von Informationen zwischen uns und ihnen statt. Vorerst führen wir. Den, der uns angegriffen hat, haben wir vernichtet. Warum er uns angegriffen hat, wissen wir nicht. Vielleicht erinnern wir sie wirklich an gewisse Feinde, das muss ebenfalls nach Möglichkeit festgestellt werden.

Da in nächster Zukunft nicht mit der Inbetriebnahme des Raumschiffes zu rechnen ist, müssen wir gegen alles gewappnet sein. Wenn die uns umgebende Zivilisation auf einer beachtlichen Höhe steht, und ich glaube, dass das der Fall ist, dann wird das, was ich, was wir getan haben, im besten Falle nur den Zeitpunkt verzögern, wo man uns findet. Unsere größten Anstrengungen müssen wir jetzt auf unsere Bewaffnung richten.“

„Darf ich dazu etwas sagen?“ meldete sich der Physiker. „Bitte.“

„Ich möchte auf den Gesichtspunkt des Doktors zurückkommen. Er ist, so möchte ich das bezeichnen, vor allen Dingen emotional, es stehen jedoch auch andere Argumente dahinter. Ihr alle kennt den Doktor recht gut. Ich weiß, dass er von dem, was ich zur Verteidigung seines Vorschlages vorbringen kann, nicht gerade begeistert wäre, aber ich will es sagen. Es ist nämlich durchaus nicht gleichgültig, in welcher Situation der erste Kontakt zwischen uns und ihnen stattfindet. Wenn sie zu uns kommen, folgen sie unseren Spuren. Dann wird es schwerfallen, an eine Verständigung zu denken. Zweifellos haben wir dann mit einem Angriff zu rechnen und werden gezwungen sein, um unser Leben zu kämpfen. Wenn aber wir ihnen entgegentreten, ist eine Verständigungschance, obwohl gering, so doch vorhanden. Vom taktischen Standpunkt aus ist es also besser, die Initiative und die Handlungsfreiheit zu behalten, ganz unabhängig davon, welche moralischen Ansichten man darüber haben mag…“

„Nun gut, aber wie soll das in der Praxis aussehen?“ hielt ihm der Ingenieur entgegen. „In der Praxis wird sich vorläufig nichts ändern. Wir müssen Waffen haben, und das auf schnellstem Wege. Es geht darum, dass wir, mit Waffen gerüstet, versuchen, Kontakt aufzunehmen, jedoch nicht auf dem bereits erforschten Gebiet.“

„Warum?“ fragte der Koordinator. „Weil wir dann höchstwahrscheinlich in einen Kampf verwickelt werden, bevor wir in die Stadt gelangen. Man kann sich nicht mit den Wesen verständigen, die in den Scheiben dahinsausen. Das wären die schwierigsten Umstände, die man sich denken kann.“

„Wie willst du wissen, dass wir woanders auf bessere stoßen?“

„Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass wir im Norden und Osten erst gar nichts zu suchen brauchen. Wenigstens vorläufig nicht.“

„Das können wir uns überlegen“, sagte der Koordinator. „Was weiter?“

„Wir müssen den Beschützer in Betrieb nehmen“, schlug der Chemiker vor. „In welcher Zeit ließe sich das bewerkstelligen?“ Der Koordinator sah den Ingenieur an. „Das kann ich nicht sagen. Ohne die Automaten kommen wir nicht einmal bis zum Beschützer durch. Er wiegt vierzehn Tonnen. Der Kybernetiker sollte sich dazu äußern.“

„Ich brauche zwei Tage, um ihn zu überprüfen. Wenigstens zwei.“ Der Kybernetiker betonte die letzten Worte. „Zuerst müssen aber meine Automaten in Ordnung sein.“

„In dieser Zeit willst du sämtliche Automaten repariert haben?“ Das Gesicht des Koordinators drückte Zweifel aus. „Ach wo!Zwei Tage kostet mich allein der Beschützer, wenn ich einen Automaten in Ordnung habe. Den zu Reparaturzwecken. Und ich brauche noch einen, den Lastautomaten. Um den zu überprüfen, benötige ich weitere zwei Tage. Dabei weiß ich nicht, ob sie sich überhaupt instand setzen lassen.“

„Kann man nicht das Herz aus dem Beschützer herausmontieren und es hinter einem provisorischen Panzer aufstellen, hier oben, im Schutz des Raketenrumpfes?“ Der Koordinator sah den Physiker an.

Der schüttelte den Kopf. „Nein. Jeder Pol des Herzens wiegt mehr als eine Tonne. Außerdem lassen sich die Pole nicht durch den Tunnel zwängen.“

„Man könnte den Tunnel erweitern.“

„Sie passen nicht durch den Eingang. Und die Lastklappe ist fünf Meter über dem Boden, außerdem vom Wasser aus dem geborstenen Heckbehälter überflutet, das weißt du doch.“

„Hast du den Verseuchungsgrad des Wassers untersucht?“ fragte der Ingenieur.

„Ja. Strontium, Kalzium, Zer. Alle Bariumisotope, alles, was du willst. Ablassen können wir das Wasser nicht. Es würde den Boden im Umkreis von vierhundert Metern vergiften. Und reinigen können wir es auch nicht, solange die Antiradiatoren keine leistungsfähigen Filter haben.“

„Und ich kann die Filter nicht ohne den Mikroautomaten reinigen“, fügte der Ingenieur hinzu.

Der Koordinator, dessen Blick während des Gesprächs von einem zum anderen gewandert war, sagte: „Die Liste unserer Unmöglichkeiten ist ziemlich lang, aber das macht nichts. Gut, dass wir sie einmal von diesem Standpunkt aus durchgesprochen haben. Ich denke dabei an unsere Bewaffnung. So bleiben uns nur die Werfer?“

„Das sind ja keine Werfer“, entgegnete der Ingenieur mit einem Anflug von Gereiztheit. „Wir wollen uns doch nicht selbst betrügen. Der Doktor hat ihretwegen einen Lärm geschlagen, als wollten wir einen Atomkrieg entfachen. Natürlich, man kann aus ihnen eine angereicherte Lösung schleudern, aber die Schußweite beträgt höchstens siebenhundert Meter. Es sind Handspülwerfer, weiter nichts, obendrein sind sie für den Schießenden gefährlich, wenn er keinen Panzer trägt. Und ein Panzer wiegt hundertdreißig Kilo.“

„In der Tat, wir haben nur schwere Sachen an Deck.“ Der Koordinator sagte das in einem Ton, dass niemand wusste, ob es Spott war oder nicht. „Du hast diese Berechnung gemacht, nicht wahr?“ Er sah den Physiker an. „Ja. Da ist noch eine Variante: Zwei Werfer, mindestens hundert Meter voneinander entfernt, schießen so konzentrisch, dass sich beide Strahlen im Ziel treffen. Aus beiden subkritischen Strahlen entsteht dann ein überkritisches Volumen, was eine Kettenreaktion zur Folge hat.“

„Das ist gut für ein Spiel auf dem Übungsplatz“, bemerkte der Chemiker. „Ich kann mir bei feldmäßigen Bedingungen eine solche Präzision nicht vorstellen.“

„Das heißt, dass wir überhaupt keine Atomwerfer besitzen?“ Der Kybernetiker beugte sich erstaunt vor. Wut hatte ihn gepackt. „Wozu dann diese Diskussion, dieser Streit, ob wir mit schrecklicher Bewaffnung ausziehen sollen oder nicht? Wir bewegen uns im Kreis!“

„Ich gebe zu, dass wir vieles ohne Übersicht tun“, antwortete der Koordinator noch immer ruhig. „Ich räume ein, dass wir es bisher getan haben. Einen solchen Luxus können wir uns nicht mehr erlauben. Aber es ist nicht ganz so, wie du sagst.“ Er sah den Kybernetiker an. „Es gibt nämlich noch die erste Variante des Einsatzes von Werfern, das Herausschleudern des halben Behältervolumens, was zu einer Explosion im Ziel führt. Man muss nur aus einem möglichst guten Versteck schießen und stets aus maximaler Entfernung.“

„Das bedeutet, dass man vor dem Eröffnen des Feuers einen Meter tief in die Erde kriechen muss, ja?“

„Mindestens anderthalb Meter, bei einer zwei Meter hohen Brustwehr“, warf der Physiker ein. „Nun, im Stellungskrieg mag das gut sein. Auf Ausflügen wird das einfach lächerlich.“ Der Chemiker verzog verächtlich die Lippen. „Du vergißt die Lage, in der wir uns befinden“, entgegnete der Koordinator. „Wenn die Notwendigkeit eintritt, wird ein Mann mit einem Werfer den anderen dieUmkehr ermöglichen.“

„Ach so! Also ohne dass dazu eine meterhohe Aufschüttung gegraben wurde?“

„Wenn keine Zeit dafür bleibt, ohne sie.“ Sie schwiegen eine Weile. „Wieviel Wasser haben wir noch?“ fragte der Kybernetiker. „Nicht ganz zwölfhundert Liter.“

„Das ist sehr wenig.“

„Sehr wenig.“

„Ich bitte jetzt um konkrete Vorschläge“, sagte der Koordinator. Auf seinem weißen Verband zeigte sich ein roter Fleck. „Unser Ziel ist, uns… und die Bewohner des Planeten zu retten.“ In dem Augenblick der Stille, der folgte, erklang hinter der Wand plötzlich gedämpfte Musik; sie lauschten ergriffen den langsamen Takten einer Melodie, die sie alle kannten.

„Der Apparat ist ganz geblieben“, flüsterte der Kybernetiker erstaunt. Keiner antwortete. „Ich warte“, begann der Koordinator wieder. „Meldet sich keiner? Ich beschließe somit: Die Ausflüge werden fortgesetzt. Wenn es gelingen sollte, einen Kontakt unter günstigen Bedingungen herbeizuführen, werden wir alles nur Mögliche tun, um zu einer Verständigung zu kommen. Unser Wasservorrat ist äußerst knapp. Da uns Transportmittel fehlen, können wir ihn nur schwer ergänzen. Wir müssen uns deshalb aufteilen. Eine Hälfte der Besatzung wird ständig in der Rakete arbeiten, die andere erforscht die Umgebung. Morgen gehen wir an die Reparatur des Geländewagens und die Montage der Werfer.

Wenn wir es schaffen, unternehmen wir schon abends einen Ausfall auf Rädern. Wer möchte dazu etwas sagen?“

„Ich.“ Der Ingenieur, das Gesicht in den Händen, schien zwischen den Fingern hindurch den Fußboden zu betrachten. „Der Doktor soll bei der Rakete bleiben…“

„Warum?“ Der Kybernetiker tat verwundert. Die anderen hatten begriffen. „Er… wird nichts unternehmen. Wenn du das gemeint hast.“ Der Koordinator sprach langsam, sorgsam die Worte wählend. Der rote Fleck auf seinem Verband war etwas größer geworden. „Du irrst, wenn du ihn verurteilst.“

„Könnte man ihn nicht rufen? So möchte ich nicht.…“

„Sprich“, sagte der Kybernetiker.

„Ihr wißt, wie er bei der Fabrik gehandelt hat. Er hätte umkommen können.“

„Ja. Aber er allein hat mir geholfen, die verbrannte Leiche zu zertreten…“

„Das stimmt.“ Der Ingenieur nahm die Hände nicht vom Gesicht. „Dann will ich nichts gesagt haben.“

„Wer möchte das Wort ergreifen?“ Der Koordinator richtete sich ein wenig auf, hob die Hand an den Kopf, berührte den Verband und sah auf die Finger. Die Musik hinter der Wand spielte noch. „Hier oder dort im Gelände? Wer weiß, wo wir ihnen zuerst begegnen“, sagte der Physiker gedämpft zum Ingenieur. „Werden wir losen?“ fragte der Chemiker. „Das geht nicht. Zurück bleiben immer die, die Arbeit in der Rakete haben, das heißt die Spezialisten.“ Der Koordinator erhob sich langsam, mit einer gewissen Unsicherheit. Plötzlich taumelte er. Der Ingenieur sprang hinzu und stützte ihn. Er sah ihm ins Gesicht. Der Physiker stützte ihn von der anderen Seite. Sie hoben ihn hoch. Die anderen legten Kissen auf den Fußboden.

„Ich möchte nicht liegen“, sagte er. Er hatte die Augen geschlossen. „Helft mir — danke. Es ist nichts.

Ich glaube, die Naht will aufgehen.“

„Gleich wird es still sein.“ Der Chemiker wandte sich zur Tür. Der Koordinator riss die Augen auf.

„Nein, nicht, er soll weiterspielen…“

Sie riefen den Doktor. Er wechselte den Verband, legte zusätzlich ein paar Klammern an und gab dem Koordinator ein stärkendes Pulver. Dann legten sich alle in der Bibliothek schlafen. Gegen zwei Uhr nachts löschten sie schließlich das Licht, Stille befiel das Raumschiff.

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