Epilog


DIE MÄDCHEN

In die Stadt der Zwei Brücken kehrte wieder Ruhe ein, und alle finsteren Götter, die auferstanden waren, um über die Welt herzufallen, erinnerten sich daran, woher sie gekommen waren, und kehrten in die Domänen ihrer Unterwelt zurück.

Jane und Cassie gingen in einer schlichten Zeremonie den Bund der Ehe ein, der im Laufe der Jahre mehrmals aufgelöst und wieder bekräftigt wurde. Dennoch waren sie glücklich, und es wurde viel gelacht in ihrem Haus.

Sophie lebte bei ihren Tanten Jane und Cassandra. Sie wuchs heran und wurde eine große, schöne Frau und nahm schließlich ihren Platz als Luminatus ein, doch bis dahin ging sie zur Schule und spielte mit ihren Hündchen und amüsierte sich prächtig, während sie darauf wartete, dass ihr Daddy sie abholte.


DIE LADENHÜTER

Zwar hatte Minty Fresh stets an den Spruch geglaubt, dass jeder Augenblick eine Krise in sich birgt, doch war seine Sicht der Dinge eher akademischer Natur, bis er Lily Severo näher kennen lernte. Von da an wurde sie doch sehr real. Auf der Spannungsskala stieg das Leben ein paar Stufen aufwärts, bis die Sache mit dem Totenboten zum eher alltäglichen Teil seines Daseins wurde. Die beiden waren stadtbekannt: der Riese in Pastell, immer in Begleitung der kleinen Gruftiköchin, und die Stadt spitzte die Ohren und erwies ihnen die Ehre, als sie eine Jazz- amp;-Gourmet-Pizzeria in North Beach eröffneten, in dem Gebäude, in dem sich früher Ashers Secondhand befunden hatte.

Was Ray Macy angeht, so verkuppelte ihn Inspector Rivera mit einer Pfandleiherin namens Carrie Lang von der Fillmore. Zwischen den beiden funkte es sofort, da sie sowohl die Begeisterung für Detektivfilme und Schusswaffen, als auch ein abgrundtiefes Misstrauen der Menschheit gegenüber teilten. Ray verliebte sich Hals über Kopf und war ihr – seinem Betamännchenwesen entsprechend – treu wie ein Hund, obwohl er sie insgeheim immer in Verdacht hatte, eine Serienkillerin zu sein.


RIVERA

Inspector Alphonse Rivera versuchte sein Leben lang, sein Leben zu ändern. Er hatte in einem halben Dutzend verschiedener Polizeidezernate gearbeitet, in einem Dutzend unterschiedlicher Funktionen, und obwohl er ein sehr guter Cop war, machte er doch stets den Eindruck, als wollte er ausbrechen. Nach dem Debakel mit den Totenboten und den merkwürdigen, unerklärlichen Dingen, die in diesem Zusammenhang passierten, war er schlicht und einfach erschöpft. Es hatte eine kurze Zeit gegeben, in der er den Polizeidienst quittiert und ein Antiquariat für seltene Bücher geführt hatte, und es kam ihm vor, als wäre es die glücklichste Zeit in seinem Leben gewesen. Jetzt, mit neunundvierzig Jahren, war er bereit, es noch einmal zu versuchen: sich vorzeitig pensionieren zu lassen und einfach nur zu lesen und in der stillen, ereignislosen Welt der Bücher zu leben.

Daher freute er sich in gewisser Weise, als er zwei Wochen nach Charlie Ashers Tod zum Briefkasten ging und einen mittelgroßen Umschlag herausholte, bei dem es sich nur um ein Buch handeln konnte. Es war wie ein Omen, dachte er, als er sich an seinen Küchentisch setzte und das Päckchen öffnete. Er war ein Buch… sah aus wie ein seltenes, bizarres Kinderbuch. Er schlug es auf und blätterte zum ersten Kapitel. Jetzt bist Du also der Tod: Folgendes musst Du wissen.


DER KAISER

Der Kaiser erfreute sich einer glücklichen Wiedervereinigung mit seinen Truppen und herrschte bis ans Ende seiner Tage wohlwollend über San Francisco. Weil er Charlie in die Unterwelt geführt hatte – und ganz allgemein für seinen unbändigen Heldenmut – schenkte der Luminatus Bummer die Kraft und Strapazierfähigkeit eines Höllenhundes. Der Kaiser musste von nun an erklären, wieso sein mittlerweile pechschwarzer Gefährte, der selbst triefnass nicht mehr als dreieinhalb Kilo wog, schneller lief als ein Gepard und mit einem Bissen die Reifen von einem Toyota zerreißen konnte.


AUDREY

Audrey setzte ihre Arbeit im Buddhistischen Zentrum fort und schneiderte Kostüme für eine lokale Theatergruppe, aber sie arbeitete auch auf freiwilliger Basis für ein Hospiz, wo sie den Menschen auf die andere Seite hinüberhalf, wie sie es so lange im Tibet getan hatte. Die Arbeit im Hospiz ermöglichte ihr außerdem den Zugang zu Leichen, die kürzlich von ihren Seelen verlassen worden waren, und sie nutzte die Gelegenheit, die Hörnchenmenschen wieder in den Fluss von Geburt und Wiedergeburt einzufädeln. Eine Weile kam es zu bemerkenswerten Zwischenfällen, bei denen Menschen in der Stadt unheilbare Krankheiten überstanden, da sie das P’howa der Unsterblichkeit anwendete.

Ihre Arbeit mit den Hörnchenmenschen gab sie jedoch nie auf, denn es war eine Gabe, die sie sich im Laufe langer Jahre mit viel Arbeit angeeignet hatte, und sie konnte ausgesprochen befriedigend sein. So zumindest war Audrey zumute, als sie ihr neuestes Meisterstück im Meditationsraum des Buddhistischen Zentrums des Diamantwegs betrachtete.

Er hatte das Gesicht eines Krokodils, achtundsechzig spitze Zähne und Augen, die wie schwarze Glasperlen leuchteten. Seine Hände waren Raubtierklauen, die bösen, schwarzen Nägel mit getrocknetem Blut verkrustet. An den Füßen hatte er Schwimmhäute wie ein Wasservogel und Klauen, um Beute aus dem Schlamm zu stochern. Er trug einen roten Seidenrock, mit Zobel besetzt, dazu einen passenden Hut, auf dem mit Goldfaden ein großer Stern gestickt war.

»Es ist nur vorübergehend, bis wir jemanden gefunden haben«, sagte Audrey. »Aber glaub mir, du siehst klasse aus.«

»Nein, tu ich nicht. Ich bin nur vierzig Zentimeter groß.«

»Ja, aber ich hab dir einen dreißig Zentimeter langen Eumel verpasst.«

Er klappte seinen langen Mantel auf und sah an sich herab. »Wow! Das muss man gesehen haben«, sagte Charlie. »Schick.«

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