12. Kapitel

Ich ließ die Lampe fallen, vergaß meinen verletzten Diener, sogar Evelyn, und rannte dorthin, wo ich Emerson hatte stürzen sehen.

Dann griff eine Hand nach meinem Fußknöchel, und ich fiel auf Emerson. Er stöhnte vor Schmerz. Meine Hand fand sein Gesicht und ertastete eine klebrige Flüssigkeit. »Mein Gott, Emerson, Sie sind verwundet!« rief ich.

»Vielleicht hören Sie endlich auf, mich zu kitzeln«, erwiderte er gereizt. »Lassen Sie mich los, Peabody. Mich hat doch nur ein Stein getroffen.«

»Oh, aber der Schuß galt Ihnen. Was wollen Sie da draußen? Kommen Sie doch herein.«

Er kroch zum Eingang. »Das war ein Warnschuß. Solange wir nicht hinausgehen, sind wir in Sicherheit. Bitte, reichen Sie mir Walters Hemd, es liegt auf dem Bett. Und meinen Spazierstock, bitte. Danke. Und jetzt ...«

Ein zweiter Schuß belohnte seine Demonstration, als er das Hemd über den Stock legte und nach draußen schob. Emerson holte es zurück. »Er ist zwischen den Felsen«, sagte er leise.

»Er? Wer?«

»Sie sind ja noch dümmer als ein Dorfesel. Wer? Sie müssen doch allmählich wissen, wer es ist. Ich wußte es schon seit einiger Zeit, nur das Motiv war mir unklar. Was, zum Teufel, treibt den Burschen an, sich auf diese

Weise eine Frau zu suchen? Daß er so verrückt ist, hätte ich nicht gedacht.«

»Oh, ein Motiv gibt es natürlich«, antwortete ich. »Allmählich sehe ich klarer ... Nein, das ist unmöglich! Anfangs verdächtigte ich auch Lucas, doch er war nicht da, sondern kam erst zu uns, nachdem die Mumie zum erstenmal erschienen war. Und er wußte auch nicht, daß wir hier .«

»Peabody, geben Sie Michael Wasser. Ich fürchte, sehr viel mehr können wir für ihn nicht tun, und Ihre Medikamente sind in Ihrer Kammer.«

Es war sehr wenig, was ich für Michael tun konnte. Er atmete noch, aber recht viel mehr ließ sich nicht von ihm sagen. Ich kroch zum Eingang und legte mich platt neben Emerson, der hinausspähte.

»Peabody«, flüsterte er, »eigentlich schade, daß wir einander immer nur angefaucht haben. Wir hätten sonst nämlich diese unglückselige Geschichte verhindern können. Wissen Sie, mir war seit ein paar Tagen klar, daß der edle Lord log. Reis Hassan hat nämlich mit dem Reis der Cleopatra gesprochen, und da habe ich einiges erfahren. Seine Lordschaft hat seine Mannschaft fürstlich bezahlt, und so segelte er am Tag nach Ihrer Abreise hinter Ihnen her. Als Sie hier landeten, legte er in Minieh an.

Der Lord hat sich ein Subjekt gekauft, das ebenso übel ist wie er, und dieser Bursche spielt die Rolle der Mumie. Wer dieser Mann ist, weiß ich nicht, das weiß niemand. Ich glaubte, er hätte Mohammed bestochen, um seine Hilfe zu finden. Sein Kostüm und seine Rolle waren vermutlich schon in Kairo gründlich geprobt, und ich nehme an, Lord Ellesmere kam einige Zeit früher in Kairo an, als er Sie glauben ließ. Haben Sie eine Idee, wer dieser Komplize sein könnte?«

»Nein, nicht die geringste. Aber Emerson, wie sollten die beiden wissen, wo sie die Sache inszenieren sollten? Wir hatten doch gar nicht geplant, hier zu halten.«

»Dann lügt Reis Hassan. Er sagte mir, alles sei schon in Kairo geplant gewesen. Man wollte Sie auch davon abbringen .«

»Ah, ich habe einmal erwähnt, daß ich vielleicht Amarna besuchen würde, neben anderen Orten selbstverständlich. Aber woher wußte das Lucas?«

»Vielleicht von Michael. Hatte er denn Gelegenheit, mit ihm zu sprechen?«

»Natürlich. Ich selbst bat Michael, ihm zu helfen, einen Dragoman zu finden. Guter Gott, war ich eine Närrin!«

»Sie hatten keinen Grund zum Mißtrauen, auch Michael nicht. Der Lord war doch Evelyns Verwandter. Erst später, als die Sache hier ziemlich ernst wurde, machte sich Michael Gedanken über seine harmlose Indiskretion. Er ist intelligent und Ihnen treu ergeben. Am Tag seines Verschwindens versuchte er mit Ihnen allein zu sprechen. Einer von Lucas' Männern hörte das, und man schlug ihn nieder und hielt ihn in einer der Höhlen in den Klippen gefangen. Als wir nicht genug von dem Wein tranken, den Lucas mit Laudanum versetzt hatte, trug der Lord Michael hierher, um uns abzulenken, damit er zu Evelyn gelangen konnte.

Fantasie hat der Bursche, das muß ich zugeben, und er kann jede sich bietende Gelegenheit ausnützen. Leider taugt er sonst absolut nichts. Ich bin überzeugt, er und sein sauberer Komplice hatten noch allerhand Zwischenfälle vorbereitet, wenn sie auch vielleicht keinen Mord geplant hatten. Trotzdem scheinen sie auch den in Kauf genommen zu haben. Ich ließ mich auch täuschen. Als Sie am Nachmittag angegriffen wurden, war mir klar, daß Evelyn das Objekt der uns zuteil gewordenen Aufmerk-samkeiten war, doch ich glaubte, sobald die Verlobung mit Walter perfekt sei, würde der Lord seine idiotischen und gefährlichen Spiele aufgeben.«

Emerson schob wieder den Stock mit dem Hemd hinaus, und ein Schuß belohnte ihn auch diesmal. »Der Kerl ist noch da. Ich bin neugierig, wie lange er aushält. Vermutlich ist er sogar überzeugt, daß er ungeschoren davonkommt. Sollen wir unsere Haut retten, Peabody, und sitzen bleiben?«

»Während Evelyn in den Klauen dieses Monsters ist? Emerson, das wollen Sie sicher auch nicht. Und Walter .«

»Ja, um Walter mache ich mir auch Sorgen. Im Moment können wir aber nichts tun. Erst müssen wir wissen, was hinter der Sache steckt. Der Lord hat ein viel stärkeres Motiv als enttäuschte Liebe. Peabody, denken Sie nach. Wenn Sie je Ihr Gehirn anstrengen wollten, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.«

»Ich glaube, ich ahne die Wahrheit . Aber wenn ich recht habe, dann haben wir beide uns wie Narren benommen. Also hören Sie, ich erzähle Ihnen kurz Evelyns Geschichte.«

Das tat ich. Er lauschte aufmerksam. Nur seine Augen bewegten sich.

»Ja, da ist hier irgendwo der Schlüssel«, sagte er schließlich. »Wenn es um sehr viel Geld geht, kann es leicht zu Gewalttaten kommen. Ist es möglich, daß der Lord über den Tod des alten Herrn die Unwahrheit sagte? Wenn er noch lebt und Evelyn als seine Erbin .«

»Nein, er ist tot. Ein Bekannter von mir in Kairo wußte es sicher.«

»Peabody, wie das zugeht, ist mir nicht klar, aber Evelyn muß irgendwie Kontrolle über das Vermögen haben, nach dem der Lord so gierig ist. Er hat ihr eine leiden-schaftliche Liebe vorgespielt, um sie zur Frau zu bekommen. Aber heutzutage kann ein englisches Mädchen zu keiner Heirat gezwungen werden, und aus freiem Willen heiratet Evelyn ihn ganz gewiß nicht. Nein, es ist nicht die Dame, die begehrt wird, sondern ihr Geld. Wüßten wir nur .«

»Ich glaube, das weiß ich. Als Lord Ellesmere starb, ließ er Evelyn ihre ganzen Besitztümer zusenden, die er vorher selbst zusammengepackt hatte. Lucas erzählte mir, er habe das ganze Schloß unter Kontrolle gehabt, ehe der alte Herr starb, und Lucas hätte es sicher zu verhindern gewußt, daß die Anwälte zu dem Sterbenden kamen, um ein neues Testament aufzusetzen. Er kann aber trotzdem eines geschrieben haben, ich glaube, man nennt es ein Nottestament. Und der alte Herr sah nur eine Möglichkeit, es sicher in Evelyns Hände gelangen zu lassen -wenn er es zwischen ihren Sachen verpackte. So hoffte er wohl, Lucas' Verdacht zu umgehen.«

»Bei Gott, Peabody, Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen!«

»Ja, das meine ich auch. Lucas tat alles, um zu erreichen, daß Evelyn die Kisten ungeöffnet verbrennen ließe, und er hat auch versucht, sie bei Baring, wo sie gelagert sind, herauszuholen. Baring war ein Freund ihres Vaters und kennt Lucas' schlechten Ruf; also hatte er nicht die geringste Aussicht, die Kisten zu bekommen. Wenn er sie nämlich erhalten hätte .«

». wäre Evelyn jetzt in größter Gefahr. Er muß wohl annehmen, daß ein Nottestament vorliegt; deshalb hat er Evelyn ja auch so bedrängt. Als ihr Ehemann hätte er auf jeden Fall volle Kontrolle über ihr Eigentum, und dann hätte er auch ihre Kisten herausbekommen. Zum Glück scheiterten dank Ihrer Bemühungen seine Heiratspläne. Wie kamen Sie eigentlich darauf?«

»Nun ja, es war ziemlich an den Haaren herbeigezogen, doch ich wußte, daß nur ein unverschämter, amoralischer Mann sich etwas so Verrücktes ausdenken konnte. So kam ich auf die Antwort zu diesen Fragen. Und jetzt will ich hier heraus und Evelyn suchen. Wehe, er hat ihr etwas angetan. Dann bringe ich ihn nämlich um.«

»Da pflichte ich Ihnen bei, aber wir wollen uns doch einen sicheren Weg überlegen . Abdullah traue ich nicht ganz, denn er ist zu arm. Reis Hassan gehört zu den wenigen ehrlichen Menschen hier; leider ist er abergläubisch. Also können wir nicht unbedingt darauf zählen, daß er kommt. Wir müssen uns also selbst etwas ausdenken.«

»Aber was?«

»Wenn ich Ihnen ein Signal gebe, werfen Sie Steinchen nach unten. Ich krieche in die andere Richtung, um ihn in die Irre zu führen. Vielleicht verschießt er dann seine sämtlichen Patronen in die kollernden Steine, und das höre ich ja. Wissen Sie, den Ehrgeiz hatte ich noch nie, ein Held zu sein. Wir müssen aber sehr bald und sehr umsichtig handeln.«

Emerson drehte mich um, so daß sein Gesicht über dem meinen war.

»Peabody, es ist nicht gewiß, daß wir die Nacht überleben. Ich möchte nicht weggehen, ohne . Oh, verdammt noch mal, ich tu's einfach!« Und da küßte er mich voll auf den Mund.

Ich war so verblüfft, daß ich erst wie gelähmt war. Nun ja, es war nicht der erste Kuß, denn verschiedene Verehrer, die Papas Vermögen begehrt hatten . Ich will ehrlich sein, die hatte ich dazu ermutigt, aber solche Küsserei fand ich entsetzlich langweilig. Nun machte ich die Erfahrung, daß man aus früheren Erlebnissen keine voreiligen Schlüsse ziehen soll.

Ich muß dann wohl die Augen geschlossen haben, und so sah ich Emerson nicht davonhuschen. Ich kam dann wieder von einer Kugel zu mir, die über meinem Kopf in den Stein schlug, so daß die Splitter auf mich herabregneten. Ich griff mir eine Handvoll Kiesel und warf sie nach unten. Sie machten viel Lärm, doch Emerson machte noch viel mehr Krach. Ich warf also alles nach unten, was mir in die Finger kam - Stiefel, Bücher, Flaschen, Konservendosen, den Spiegel und Rasierzeug. Was Lucas darüber dachte, ahnte ich nicht, doch er muß wohl geglaubt haben, wir seien irrsinnig geworden. Besonders der Spiegel machte einen unheimlichen Lärm, als er zerschellte.

Diese Aktion hatte den gewünschten Erfolg. Lucas verlor die Nerven und gab auf die Stiefel, die Spiegelscherben und Erbsendosen einen Schuß nach dem anderen ab. Dann folgte eine Pause. Jetzt mußte er wohl nachladen. Und Emerson dürfte inzwischen unten angekommen sein.

Das war er, denn von unten hörte ich Kampfgetümmel. Ich sprang auf, um ihm Beistand zu leisten und Lucas, so dies möglich wäre, ordentlich mit den Fäusten zu bearbeiten. Als ich unten anlangte, sah ich, daß Emerson sich offensichtlich mit zwei Gegnern herumschlug. Der eine war der vermißte Abdullah. Im Verlauf des Kampfes lag Emerson einmal auf dem Rücken, und Lucas legte seine Flinte auf ihn an.

Ich war noch ein Stück entfernt und schrie aus Leibeskräften, da ich nichts anderes tun konnte. Da sprang Abdullah plötzlich auf und entwand Lucas die Flinte. Der Schurke hatte schon den Finger am Abzug gehabt, doch nun ging der Schuß harmlos in die Luft. Dann sprang Emerson auf und packte den Lord an der Kehle; er schüttelte ihn, bis er wie ein Lumpenbündel in seiner Faust hing.

»Umbringen können wir den Kerl noch nicht«, keuchte er. »Erst muß er uns erzählen, was wir wissen wollen ...

Abdullah, du mußt dich entscheiden, auf welcher Seite du stehen willst. Ich bin bereit, alles zu vergessen, wenn du jetzt mithilfst.«

»Ich wußte doch gar nichts«, murmelte Abdullah. »Er sagte, er will nur die Frau, und sie gehört ihm. Was ist schon eine Frau, daß man solchen Lärm um sie macht?«

»Das ist Moslem-Philosophie, mein Freund. Aber siehst du, er log. Und wäre es nach ihm gegangen, dann hätte er dich ebenso umgebracht wie uns alle, weil er keine Zeugen brauchen konnte. Und jetzt ...« Er schüttelte Lucas heftig, »du elender Schurke, sprich! Wohin hast du sie bringen lassen? Und behaupte nur ja nicht, du wüßtest es nicht. Dann erwürge ich dich nämlich jetzt sofort. Also, heraus mit der Sprache!« Sein Ton war fast freundlich, doch der trog natürlich. Er meinte es ernst, und Lucas ahnte es.

»Das Königsgrab«, ächzte er. »Das ist die Wahrheit. Lassen Sie mich jetzt los? Ich kann doch keinen Schaden mehr anrichten.«

Emerson warf ihn auf den Boden. »Aber Sie beleidigen meine Intelligenz, Lord Ellesmere. Peabody, Sie müssen einen Unterrock opfern, aber schnell.«

Wir ließen Lucas gefesselt dort liegen, wo er lag, und dazu opferte ich nicht meinen Unterrock, sondern meinen Morgenrock. Ah, war ich froh, als mir die Stoffmengen nicht mehr um die Beine wallten! Ich nahm mir vor, mir als nächstes Hosen schneidern zu lassen.

Abdullah blieb zu Lucas' Bewachung zurück, denn er hatte erklärt, er habe nicht auf Lucas' Seite gestanden, sondern nur versucht, die beiden Engländer zu trennen. Nun, das war glaubhaft.

Wir rannten los. Ich hatte zu dem Zweck mein Nachthemd ein Stück aufgerissen und die Rockteile mit Stoffstreifen um meine Beine festgebunden, damit ich bewegli-cher war. Auch so ließ mir Emerson kaum Zeit, richtig Atem zu holen, und an Reden war gar nicht zu denken. Nun, ich hätte es auch nicht getan, denn seine kühne Tat - der Kuß - beschäftigte mich über alle Maßen. Er hätte dafür ja wirklich eine passendere Zeit wählen können, obwohl - nun ja, auch die war mir recht.

Auf allen vieren krochen wir schließlich zum Grabeingang empor. Zum Glück hatte die verrückte Mumie dort nicht Wache bezogen, weil sie ja auf Lucas' Sieg vertraute. Als ich ins Dunkel spähte, sah ich einen winzigen Lichtschimmer. Er mußte ziemlich weit weg sein.

Ich hatte Angst um Evelyn und um Walter und wäre am liebsten hineingestürmt, doch Emerson, dessen Sorge um nichts geringer, dessen Vorsicht jedoch größer war als die meine, hielt mich zurück. Wir schlichen also lautlos weiter und folgten einem langen, ziemlich steilen Korridor.

Zum Glück gab es einige Dinge, die Lärm machten, da wir ihn doch nicht ganz vermeiden konnten. Es gab nämlich sehr viele Fledermäuse, die umherflogen.

Das Licht wurde allmählich heller, und dann hörten wir auch seine Stimme. Es war die eines Mannes, und sie erschien mir ziemlich bekannt, doch Walter war es nicht, der sprach. Dann verstand ich auch die Worte. Wer konnte in einem ägyptischen Königsgrab so unbekümmert reden?

Emerson hielt mich am Eingang zu einer Seitenkammer auf, aus der das Licht fiel. Da kauerten wir eine Weile, bis mir die Wahrheit dämmerte. Welch eine Närrin ich doch gewesen war!

»... und jetzt siehst du, mein Herzblatt, daß dein Vetter Luigi und ich zwei ganz gescheite Burschen sind, nicht wahr? Du sagst, ich hätte Glück gehabt, deine Liebe zu gewinnen, doch es war mein Charme, auch mein schönes

Gesicht, und dein alter Großvater hat dich von allen Männern ferngehalten. Wenn dein Großvater gescheit gewesen wäre, hätte er Luigi reich gemacht, und Luigi hätte ein neues Testament geschrieben. Er kann fein schreiben! Ja, das weiß ich, weil er viele Schecks geschrieben hat, ehe sie ihn fingen. Er ist fast so gerissen wie ich. Dann haben sie ihn nach England geschickt. Der alte Großvater hat dann ein neues Testament gemacht, in einer Kiste versteckt und sie weggeschickt. Ich habe in Kairo dein Zimmer durchsucht, aber die Kiste war nicht da. Also war ein anderer Plan notwendig. Warum sollte ich nicht als Mumie gehen? Ich bin ein guter Schauspieler, und ich habe euch Angst eingejagt. Ich hab' Luigi von dem jungen Narren erzählt, den ich im Museum gesehen habe. Den hast du so angeschaut wie einmal mich, und .«

Evelyn tat einen Schrei der Entrüstung, und ich war sehr froh, ihre Stimme zu hören. »Wäre er nicht verwundet und unter Drogen gesetzt worden, hättest du ihn nie ... , nein, nein, er ist nicht tot! Der Held lebt!«

»Aber warum machst du ein solches Geschrei? Bald seid ihr beide tot, wie Aida und Radames in der herrlichen Oper von Verdi, so romantisch. Luigi sagt, ich soll euch töten. Er will seine Hände nicht schmutzig machen. Ich lasse euch hier, weil ich auch ein Gentleman bin und keine schmutzigen Hände will. Eine Frau töte ich nicht, oder wenigstens nicht oft. Keine Frau, die ich in den Armen hielt .«

Das war zuviel für Emerson. Mit einem donnernden Gebrüll stürmte er in die Kammer, und ich folgte ihm auf den Fersen. Evelyn sah mich sofort. Sie rief »Amelia!« und brach vor Erleichterung und Freude zusammen.

Das arme Kind sah schrecklich aus; blaß, mit schmutzverschmiertem Gesicht und wirrem Haar, die Hände hin-ter dem Rücken gefesselt. Ich hob sie auf, während Emerson den elenden Alberto würgte. Ja, die Mumie, Lucas' Verbündeter, war Evelyns Verführer, ihr früherer Liebhaber Alberto, der seine Komplizenschaft mit seinen Prahlereien selbst enthüllt hatte. Ich mischte mich nicht ein, als dessen Gesicht purpur anlief und seine Arme schlaff herabhingen.

Emerson warf ihn schließlich auf den Boden und lief zu seinem Bruder, der an Händen und Füßen gebunden in einer Ecke lag. Er war bewußtlos und hatte eine tiefe Schramme an der Stirn. Evelyn kam wieder zu sich, als Emerson rief: »Er lebt! Er ist nicht schwer verletzt!« Daraufhin fiel sie wieder in Ohnmacht, und ich hatte alle Hände voll zu tun, sie wieder aufzuwecken. Mein Blick fiel auf das Mumienkostüm, das auf dem Boden lag. Jetzt erschien es mir absurd, daß er uns damit soviel Angst eingejagt hatte. Die Gesichtsmaske lag daneben.

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