»Hör mich an Georg!« fiel ihm der Barvitius ins Wort. »Laß in Gedanken unsere Leute antreten, sieh dir sie an, einen nach dem anderen, prüfe, überlege und dann sag mir: Ist unter ihnen einer, dem zuzutrauen wäre, daß er doppeltes Spiel getrieben hat?«
»Patron!« sagte in feierlichem Ton der Leitnizer. »Es ist nicht einer unter ihnen, der sich für Euch nicht brennen, schinden und radbrechen ließe.«
»Sprich mir nicht vom Radbrechen!« fuhr ihn der Barvitius an. »Du weißt, ich hör's nicht gerne. Ich hab' genug an meiner Gicht, die mich alle Tage henkersmäßig radbricht.«
Eine Weile saß er schweigend, mit gefurchter Stirn. »Soll ich mir dereinst sagen müssen«, begann er dann, »du hast es nicht besser gewollt, hast guten Rat für nichts geachtet, jetzt hast du deinen Teil? Ich mein', ich werd' auf Reisen gehen. Zuvor aber.. . Und du, Georg?« unterbrach er sich. »Hast du nicht Lust, dir Frankreich und die Niederlande zu besehen oder St. Marci Münster in Venedig?« »Das kenne ich«, erklärte der Leitnizer. »St. Marci Münster in Venedig ist mir bekannt. Ich hab' es in Kupfer gestochen gesehen. Drüben in der Niklasgasse sitzt einer in einer Bude, der hält Kupferstiche feil. Aber sollten wir nicht von unseren Leuten einen mit uns nehmen, den Smutny oder den Reißenkittel, daß wir einen haben, der uns die Stube fegt, die Betten macht und den Ofen heizt im fremden Land?«
»Dienerschaft findet sich überall«,sagte der Barvitius. »Bevor wir aber gehen, bevor ich Prag verlasse...«
Er verstummte und blickte eine Weile hindurch in Gedanken vor sich hin.
»Bevor wir aber gehen«, sprach er dann weiter, »will ich noch eine Sache ausführen, die ich schon lang im Kopf hab', — solch eine Sache, daß dem geschäftigen Herrn Stadthauptmann hinterher nichts anderes zu tun bleibt, als sich das Maul zu wischen, eine Sache, Georg, von der man noch nach Jahren in Prag, ja im ganzen Königreich sprechen soll.«
»Und was ist das für eine Sache, Patron?« fragte der Leitnizer voll Eifer.
Der Barvitius lehnte sich in seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme auf der Brust.
»Du weißt«, begann er, »daß ich meine Augen und Ohren überall habe, — auch in der Judenstadt. Und da ist einer, dessen nähere Bekanntschaft zu machen mich schon lang gelüstet. Juden und Christen umschwirren sein Haus wie die Fliegen den Milch topf. Alles, was er unternimmt, gelingt ihm. Die Juden sagen von ihm: >Wenn die ganze Stadt ein schwarzes Jahr hat, so ist das seine in Milch gekochte Und weiter sagen sie: >Er ist so reich, sogar auf den Honig streut er sich Zucker.< — Kennst du den Juden, weißt du wie er heißt?«
»Es ist der Mordechai Meisl, der sich auch Markus Meisl nennt, wohnt auf dem Dreibrunnenplatz«, gab der Leitnizer zur Antwort.
»Ja. Von dem ist die Rede«, bestätigte der Barvitius. »Er hat sein Gewerb' damit begonnen, daß er den kleinen Handwerksleuten auf geringes Pfand, das kein anderer nehmen wollt', Geld lieh, auf allerlei Kram, einen kupfernen Wagbalken, ein schlechtes Bocksfell, ein zerbeultes Messingbecken. Fuhr auch auf die Märkte nach Jicin, nach Chrudim, nach Welwarn, nach Caslau, wo die Wolle gehandelt wird, kaufte Wolle, soviel er vermochte, tauschte sie bei den Tuchmachern in der Altstadt gegen feines Tuch ein, das schickte er nach Linz auf die Bartholomäi-Messe, verdiente zwiefach, es gelang ihm alles. Wenn er das Geld liebte, so liebte ihn das Geld noch mehr, es schien ihn zu suchen, es lief ihm nach. Immer weiter dehnte sich seine Handelschaft. Und dann hat ihn der Kaiser durch einen Majestätsbrief in seinen Schutz genommen, gefördert und mit vielen Privilegien bedacht. Und es gibt Leut' dort oben«, — wiederum wies er mit dem Daumen über die rechte Schulter, »die sagen, die flüstern, die raunen, Seine Majestät, der Kaiser, sei heimlich mit dem Meisl associiert.«
»Der Kaiser? Mit dem Meisl? Mit dem Juden in der Judengasse?« rief der Leitnizer bestürzt und empört.
Der Barvitius zuckte die Achseln.
»Sie sagen es«, wiederholte er. »Und sie sagen auch, daß der Kaiser seit jenem Majestätsbrief immer Geld in seinen Truhen hat. Die alten Schulden, klagen die Leut', werden nicht bezahlt, aber für seine Kunst- und Raritätenkammer läßt der Kaiser Kostbarkeiten aus allen Teilen der Welt kommen. Der Mansfeld kauft in den Niederlanden Gemälde für ihn ein, der Khevenhueller in Madrid, der Harrach in Rom und Florenz. Aus Mantua kommen marmorne Statuen und Reliefs. Der Abt von St. Moriz in Besan^on schickt ihm Ringe und geschnittene Steine, die man in römischen Gräbern gefunden hat. Von den Welsern und Hochstaettern in Augsburg kommen Wundervögel aus der neuen Welt. Der Kurfürst zu Pfalz hat ihm einen elfenbeinernen Altar mit Darstellungen aus dem Leben Christi gebracht und ein Mönch aus Alexandria den Stab Mosis zugleich mit einer Urkunde, in der die Echtheit dieses Stücks bewiesen war, aber der Kaiser wollt' es nicht haben, er sagte, der Stab sei vordem eine Schlange gewesen und könnt' wiederum eine werden. Der Antonio di Giorgio verfertigt sphärische und parabolische Spiegel für ihn und der Miseroni krystallene Pokale, — und für all dies ist Geld da. Woher kommt es, frag' ich.«
»Der Kaiser mit dem Juden in der Judengasse! Ich kann's nicht glauben«, murmelte der Leitnizer. »Weißt du denn, wie es in der Welt zugeht? Was weißt du von der Welt? Nichts weißt du«, hielt ihm der Barvitius vor. »Wir haben uns auch nicht um Seine Majestät, den Kaiser, zu bekümmern, sondern um den Meisl-Juden, und da heißt es rasch zugreifen, sonst gehen wir leer aus, denn er ist ein Narr geworden und verschenkt sein Geld.« »Ich kenne einen Narren«, warf der Leitnizer ein, »der läuft im bloßen Hemd durch die Straßen und schreit, man solle Wasser über ihn gießen, er sei eine Seele im Fegefeuer, und einen kenne ich, der hält sich für einen Fisch, sitzt tagsüber in einem Zuber, und des Nachts, wenn er zu Bette gehen soll, muß man ihn mit Angel und Schnur aus dem Zuber ziehen. Aber einen Narren, der sein Geld verschenkt, kenne ich nicht, wünsche mir aber schon lange, einem solchen zu begegnen.«
»Er mag ein Narr sein oder nicht, er verschenkt sein Geld«, erklärte der Barvitius. »Er tut das in größter Heimlichkeit, er will, scheint es, nicht, daß es offenkundig werde. Und er verschenkt sein Geld nicht nur, er streut es aus, er stößt es von sich, ja, man sollt' es nicht glauben, er wirft es auf die Gasse hinaus. Er gibt den Leuten, die zu ihm kommen, Darlehen ohne Pfand, ohne Schuldbrief, ohne Bürgen und verlangt nur Stillschweigen von ihnen, es soll nicht einer vom andern wissen. Arme Mädchen, die sich verehlichen wollen, erhalten das Geld für ihre Aussteuer und wissen nicht, von wem es kommt. Er war es, der das alte Badhaus niederreißen ließ und ein neues baute, das alte war ihm nicht stattlich genug. Und ein neues Rathaus muß in der Judenstadt gebaut werden und ein Siechenhaus und eine Herberge für Waisenkinder, und mit wessen Geld? Mit des Meisls Geld. Und als ob es ihm auf diese Art nicht rasch genug durch die Finger ginge, will er jetzt, so wurde mir hinterbracht, alle Gassen und Winkel und Pfützen des Judenquartiers mit schönen Würfelsteinen pflastern lassen.«
»Das habt Ihr also gemeint, Patron, als Ihr sagtet, daß er sein Geld hinaus auf die Gasse wirft«, bemerkte der Leitnizer.
Der Barvitius stand auf und lachte leise vor sich hin.
»Lang wird er's nicht mehr tun, es ist Zeit, daß ich eingreife«, sagte er. »Ich will ihn aus seinem Haus holen und an einen sicheren Ort bringen und dort wird er bleiben, bis er sich losgekauft hat. Und loskaufen wird er sich mit solch einer Summe, daß wir sie unser Leben lang nicht werden aufzehren können. Viel werd' ich ihm nicht lassen, ich mein', die Judenstadt wird ungepflastert bleiben.«
Der Leitnizer nickte, ihm war es recht. Er begann im Kopf eine Rechnung aufzustellen, wie hoch eine Summe sich belaufen müßte, daß er und der Barvitius zeitlebens von ihr zehren könnten, kam aber mit dem Rechnen zu keinem Ende, denn der Barvitius, der einen Plan oder Abriß des Meisl-Hauses und der umliegenden Judengassen vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte, blickte jetzt auf und fragte:
»Wie viele hast du, die für diese Sache zu brauchen sind, Georg?«
»Wir sind unser elf und, wenn es not tut, vierzehn«, gab der Leitnizer Bescheid.
»Elf oder vierzehn, — es ist um einen Mann zu wenig«, sagte der Barvitius. »Ja. Um einen Mann zu wenig«, wiederholte er, als der Leitnizer ihn verwundert ansah, mit Nachdruck. »Du wirst in dieser Sache nicht das Kommando führen, und auch von den anderen taugt keiner dazu. Denn es ist eine Sache, wie sie sonst nur der Krieg mit sich bringt. Ohne einigen Lärm, Verfolgung und Scharmützel wird es diesmal nicht abgehen, und da brauche ich einen, der es im Krieg gelernt hat, wie man mit einer Handvoll Leut' einen Anschlag ausführt, eine Person in ihrem Quartier aufhebt und sie sicher davonbringt, — einen, der, wenn er auf Hindernisse stößt, selbst weiß, was er zu tun hat, und nicht erst nach meinen Befehlen fragt, kurzum: Ich suche einen, der das Kriegshandwerk von Grund aus versteht und sich in einer Sache brauchen läßt, die ihm als einem Soldaten wohl nicht Ruhm und Beförderung einbringt, dafür aber...«
Er machte die Gebärde des Geldzählens.
»Einen solchen kenne ich«, erklärte der Leitnizer. »Ja, Patron, ich mein', ich hab' den Mann, den Ihr sucht. Ein junger Edelmann, von den Waldsteins einer. Hat sich im Türkenkrieg mit Bravour geschlagen, ist dann mit seinen Obristen in Streit gekommen, hat den Dienst quittiert, ist nach Prag gegangen und sitzt nun hier, studiert, hat die Stube voll Bücher...«
»Was studiert er?« wollte der Barvitius wissen.
»Studiert, wie er Stadt und Schloß Peterwardein oder die Festung Raab im Sturm nehmen könnte, läßt Truppen aufmarschieren, legt Minen, bringt die Artillerie in Stellung. Weiß einem auch genau darzulegen, wie die Römer bei Cannae hätten manövrieren müssen, um über den Hannibal zu triumphieren...«
»Schon gut. Weiter!« gebot der Rarvitius.
»Hängt dem sternguckerischen Aberglauben an«, setzt der Leitnizer seinen Bericht fort. »Sagt, der Mars und das Sternbild des Wagens, die seien am Himmel seine Patrone, und wenn der Mars im Bereich des Wagens stünde, das sei dann sein Tag, an dem gelänge ihm alles. Ist aber trotz dieser hohen himmlischen Protection so arm, daß er sich nur alle Wochen einmal im Wirtshaus ein Stück Gebratenes und einen Schoppen Wein vergönnen kann. Ist unzufrieden, weil er, wie er sagt, ohne Geld nichts Großes unternehmen könne, hat mich mehrmals schon gefragt, wie es einer anstellen müßte, daß er rasch zu Geld kam', läßt merken, daß ihm jede Sache recht wäre, auch wenn sie gefährlich, ja selbst wenn sie gegen die Ordnung des Königreiches gerichtet wäre. Sagt, auf geraden Wegen sei es in diesen Zeiten schwer, etwas zu erlangen.«
»Das klingt alles recht gut und vielverheißend«, meinte der Barvitius. »Aber sag mir, — wie alt ist dieser Edelmann?«
»Nicht gar viel über zwanzig.«
»Oh weh!« rief der Barvitius. »Holz von grünem Strauch...«
»Ich weiß«, sagte der Leitnizer. »... gibt nicht viel Feuer, macht viel Rauch. Aber das gilt nicht für den Waldstein. Der ist schon der Rechte. Ein Kerl, dem kein Graben zu tief und keine Mauer zu hoch ist. Er hat mit einem halben Dutzend seiner Dragoner einen türkischen Wesir mitten aus dem Türkenlager herausgeholt und hat ihn mit sich fortgeführt.«
»Dann ist er vielleicht doch der Rechte«, gab der Barvitius zu. »Geh hin, sprich mit ihm! Üb aber Vorsicht, sag ihm nicht zu viel, denn bei solch einem jungen Gesellen, da ist das Gewissen oft noch wie ein Füllen, das um sich schlägt, wenn man ihm zu nahe tritt.«
»Seid ohne Sorge«, sagte der Leitnizer. »Ich werd' ihm die Sache schon so vorzupfeifen wissen, daß sie ihm gefällt.«
Der junge Albrecht von Waldstein, der nach des Leitnizers Aussage und Meinung der Rechte war, den Anschlag des Barvitius ins Werk zu setzen, — dieser Herr von Waldstein wohnte damals bei einer Schneiderswitwe in einem kleinen und etwas windschief geratenen Haus, das unterhalb des Hradschins in jenem Teil der Stadt lag, der »die kleine Seite« genannt wird. Von dem Fenster seiner schmalen Dachkammer hatte er einen weiten Blick bis hinunter zum Strahover Kloster. Aber wenn er des Morgens ans Fenster trat, fiel sein Auge zuerst auf den kleinen Küchengarten der Schneiderswitwe, in dem sich, sehr zu des Herrn von Waldsteins Arger, ihre beiden Ziegen, ihre Hühner und ihr Hund Lumpus meckernd, gackernd und kläffend umhertrieben. Den meisten Verdruß aber machte ihm der Hahn, ein kleiner, zerzauster Geselle, den die Schneiderswitwe ihren »Jeremias« nannte, weil sein Krähen so jammervoll und traurig klang, als hätte er das Elend der Welt zu beweinen. Und wenn dem Herrn von Waldstein der Lärm zu arg wurde, dann ließ er den Polybius, in dem er studierte, und lief die Treppe hinunter und in die Küche, in der die Schneiderswitwe mit dem Schaumlöffel, mit den Pfannen und den Töpfen hantierte. Er schrie, er könne es nicht länger ertragen, das sei ja die Hölle, und man sollte dem Lärm ein Ende machen, sonst müsse er fort, — und die Schneiderswitwe lachte und sagte, sie hielte die Hühner nicht um des Gackerns willen, wenn der Herr Milchsuppe und Eierkuchen haben wollte, dann müsse er auch die Ziegen und das Federvieh gewähren lassen, und was den Jeremias beträfe, dessen Tage seien gezählt, und er werde ihnen bald zu einem Sonntagsbraten dienen.
Am Nachmittag ging es im Küchengarten weniger laut zu. Der Lumpus war nicht mehr hinter den Ziegen und den Hühnern her, er hatte sich davongemacht und strich durch die Gassen der kleinen Seite. Erst in der Nacht kam er zurück und immer um die gleiche Stunde, wenn nämlich die Glocke des Loretokirchleins zwölf Uhr geschlagen hatte. Er kläffte und winselte vor dem Haus, daß man ihm die Tür aufmachen sollt', und darüber erwachte der Jeremias und begann das Elend der Welt zu beklagen, und nun mengten sich auch die Ziegen ein, der Waldstein aber preßte die Hände an die Schläfen und stöhnte und schrie, das sei ja die Hölle, er wolle hier keine Nacht länger bleiben, bei Tag sei keine Ruhe und bei Nacht auch nicht. Indessen hatte die Schneiderswitwe den Lumpus eingelassen, der schlich sich still in seinen Winkel, die Ziegen gaben sich zufrieden und zuletzt schlief auch der Jeremias ein und vergaß das Elend der Welt.
Wenn also der Küchengarten mit den Hühnern, den Ziegen, dem Lumpus und dem Jeremias für den Waldstein die Hölle war, so lag gleich hinter der Hölle das Paradies. Das war ein großer, von schönem Gitterwerk und Taxushecken umschlossener Park, hinter dessen alten Bäumen die Giebel, der Schornstein und die Windfahnen eines kleinen Lustschlosses zu erkennen waren. Hier in diesem Park war Stille, nichts regte sich, nur der Wind fuhr klagend durch die entlaubten Baumkronen und bisweilen hörte man aus der Ferne den Ruf und das leise Hämmern eines Spechts.
Der Park und das Lustschloß gehörten der Lucrezia von Landeck, einer jungen Witwe, die als eine der reichsten Erbinnen im ganzen Königreich galt. Man erzählte von ihr, daß sich viele Kavaliere und große Herren um ihre Hand beworben hätten, aber alle habe sie abgewiesen, sie wolle, so sagte man, unvermählt bleiben, um ihren Reichtum ungeteilt der Kirche hinterlassen zu können. Denn sie war eine von den Frommen. Es hieß, daß sie alle Tage in der Loretokirche die Messe höre und immer ein Evangelienbüchlein bei sich trage, um, wo sie auch sei, Gottes Wort vor Augen zu haben. An den Zerstreuungen, die die große Stadt bot, hatte sie wenig Anteil, in der Hofgesellschaft ließ sie sich fast niemals blicken. Sie pflog Umgang mit einem Domherrn von St. Veit, der ihr Anverwandter war, mit zwei ältlichen Fräulein vom adeligen Damenstift auf dem Hradschin und mit einem Jesuitenpater von St. Salvator.
Oft stand der Albrecht von Waldstein am Fenster und blickte auf den Park hinüber, er wußte selbst nicht, warum er dies tat. Manchmal schlich sich die Schwermut in sein Herz, und er mußte an sein vom Vater ererbtes Gütlein denken, das in seinen Knabenjahren wegen angehäufter Schuldenlast unter den Hammer gekommen war. Einmal hatte er die Lucrezia von Landeck gesehen, wie sie mit einem Gärtnerburschen sprach, der den Arm voll frisch geschnittener Rosen hatte. Sie schien ihm von nicht gar hohem Wuchs, doch von zierlichem Gliederbau zu sein, ihre Züge hatte er nicht zu erkennen vermocht. Nachher beschlich ihn ein Zweifel, ob er wirklich die Lucrezia von Landeck gesehen habe. Es konnte auch eines ihrer Kammerfräulein gewesen sein.
So lebte der Albrecht von Waldstein mit dem Blick auf die Hölle und auf das Paradies bis zu dem Tage, an dem der Leitnizer in seine Dachkammer trat.
Der Leitnizer hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wie er mit seiner Sache am besten an den Waldstein herankäme, und er begann damit, daß er den Barvitius, seinen »Patron«, aufs höchste rühmte: Was der für ein seltener Mann sei, wie jederman bei Hofe ihn achte, wie alle Türen ihm offenständen, wie er seinen Einfluß jederzeit zum Vorteil seiner Freunde zu verwenden wisse und wie sehr es dem Waldstein anzuraten sei, dieses Mannes Bekanntschaft zu suchen.
»Und wer ist der Herr, von dem Ihr da sprecht?« erkundigte sich der Waldstein. »Bekleidet er eine Stelle bei Hof? Oder in der Verwaltung des Königreichs?«
Der Leitnizer machte eine abwehrende Geste. »Davon später«, bedeutete er dem Waldstein. »Aber soviel kann ich Euch sagen: Er ist sein eigener Herr. Für den Augenblick tut sein Name nichts zur Sache. Wir nennen ihn nie anders als den Patron. Ich spreche da von einigen meiner Freunde, die sich auch seinem Dienst gewidmet haben. Und um Euch gleich alles zu sagen: Ich habe mit ihm schon über Euch gesprochen, hab' es ihm beigebracht, daß Ihr und kein anderer der Mann seid, der ihm in seiner Sache behilflich sein könnte.«
»Und was ist das für eine Sache?« fragte der Waldstein.
»Davon später«, meinte der Leitnizer. »Aber soviel kann ich Euch vielleicht schon jetzt sagen, daß es sich um eine Aktion handelt, die die böhmische Hofpartei gegen die spanische unternimmt, weil nämlich das Haupt der spanischen Partei...«
»Ich dank' Euch, mir taugt das nicht. Mit Hofintrigen und Sachen der Staatspolitik will ich nichts zu schaffen haben«, schnitt ihm der Waldstein das Wort ab, denn er dachte an seine Zukunft und wollte sich keine der bei Hof um Einfluß ringenden Parteien, weder die spanische, noch die böhmische, noch die der österreichischen Erzherzoge, zum Feinde machen.
Der Leitnizer erkannte sogleich, welchen Fehler er da begangen hatte, und beeilte sich, ihn wieder gut zu machen.
»Eine staatspolitische Sache ist es just eben nicht«, versicherte er dem Waldstein. »Es ist vielleicht zu früh, davon zu reden, aber glaubt mir, der Mann, der aus seinem Haus geholt und an einen sicheren Ort gebracht werden soll, hat mit der Hof- und Staatspolitik so wenig zu tun wie die Hühner dort unten im Garten.«
»Wer soll aus seinem Haus geholt und an einen sicheren Ort gebracht werden?« fragte der Waldstein. »Das will mir auch nicht recht gefallen, was Ihr da sagt.«
»Es gibt Dinge, die vielleicht nicht gut klingen, wenn man sie sagt, aber ausgeführt gefallen sie jedem«, hielt ihm der Leitnizer entgegen. »Und dann, überlegt Euch: Eine solche Occasion, mit einem Streich fünf- oder sechshundert Dukaten zu gewinnen, wird sich Euch in aller Ewigkeit nicht wieder präsentieren.«
»Sechshundert Dukaten«, wiederholte überrascht der Waldstein. Er überlegte und berechnete, daß er mit dieser Summe eine Schwadron leichter Reiter aufstellen und ausrüsten konnte. Und mit einer Schwadron leichter Reiter konnte er einen Streif- und Beutezug ins türkische Grenzland unternehmen und auf diese Art vielleicht sein Glück begründen.
Er ließ sich seine Überraschung nicht anmerken.
»Sechshundert Dukaten«, meinte er, »das ist nicht eben viel für eine Sache, in der man, wie es scheint, dem Teufel ein Meßlicht anzünden muß, damit sie gelingt.«
Wie der Leitnizer den Waldstein sagen hörte, daß man dem Teufel ein Meßlicht anzünden müsse, da wußte er, daß der Waldstein für die Sache, obwohl er sie für eine üble hielt, schon so gut wie gewonnen war, und daß es jetzt nur noch darum ging, sich mit ihm über die Höhe der Summe, die er empfangen sollte, einig zu werden.
»Sechshundert Dukaten, sagt Ihr, sei nicht viel?« erwiderte er. »Nun, man muß sich bisweilen auch mit einem guten Anfang zu begnügen wissen. Aber um den Teufel braucht Ihr Euch nicht zu scheren, die Sache steht unter höherer Protection. In zwei Tagen regiert Euer Stern, der Mars, im Bereich des Wagens, hab' ich mir sagen lassen, und da kann's Euch nicht mißlingen.«
»Soll die Sache in zwei Tagen vonstatten gehen?« fragte der Waldstein. »Und wer ist der Mann... «
»Davon später«, sagte der Leitnizer, sehr zufrieden mit dem, was er erreicht hatte. »Jetzt muß ich gehen, der Patron erwartet mich.«
Er kam noch ein zweites und ein drittes Mal. Beim drittenmal gab es kein »davon später« mehr, er war mit dem Waldstein in allen Stücken zu einem Einverständnis gelangt.
»Der Patron«, sagte er, bevor er ihn verließ, »will heute abend selbst mit Euch sprechen. Und das ist eine Ehre, die er nicht jedermann erweist. Geht, wenn es dunkel zu werden beginnt, vor Eurem Hause ein Weilchen auf und nieder. Man wird Euch holen. Aber wundert Euch nicht, wenn es etliche Zeremonien dabei geben wird. Denn der Patron läßt keinen gerne sein Gesicht sehen, auch will er nicht, daß man erfährt, wo er sein Quartier hat. Darin ist er eigen.«
Lang bevor es zu dunkeln begann, ging der Waldstein vor seinem Hause auf und nieder. Eine Stunde vorher hatte er vom Johannes Kepler erfahren, daß in der Nacht des Anschlags nicht der Mars, sondern die Venus im Bereich des Wagens der Regent war. Das beunruhigte ihn und machte ihn unsicher, aber es war zu spät, sich von der Sache zurückzuziehen.
Wie er nun so auf und nieder ging und schon ungeduldig zu werden begann, da kam ein Wagen die holperige Gasse hinuntergefahren. Vor dem Hause hielt er. Der Kutscher stieg vom Bock herab und öffnete den Wagenschlag. Er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen.
»Wenn's dem Herrn beliebt«, sagte er, »der Herr wird erwartet.«
Der junge Waldstein stieg in den Wagen. Und wie die Tür hinter im zufiel und er sich niederließ, hörte er neben sich aus dem Dunkel eine Stimme:
»Ich bitt' den Herrn, sich's gefallen zu lassen, daß ich ihm die Augen verbind'. Es ist so anbefohlen.«
Der Wagen hatte sich in Bewegung gesetzt.
Es wurde eine lange Fahrt.
Bald, schon nach einer Viertelstunde etwa, merkte der Waldstein mit Verwunderung, daß er nicht mehr auf den Pflastersteinen Prags dahinfuhr, sondern auf der vom Regen durchweichten Heerstraße durch offenes Land. Der Mann, der schweigend neben ihm saß, öffnete jetzt eines der Kutschenfenster. Ein herbstlichkalter Luftzug war zu verspüren und der Geruch der feuchten Ackererde. Von einem nahen Wald kam das Sausen des Winds und der Ruf eines Käuzchens. Jetzt schien man sich einem Dorf oder einem Gutshof zu nähern, denn man vernahm Hundegebell und das Brüllen der Binder. Es war ein Dorf, denn wie sie vorüberkamen, war ländliche Wirtshausmusik zu hören, eine Geige und ein Dudelsack.
»Das ist Vlasic«, sagte der Mann neben ihm und schloß das Fenster wieder. »Wir fahren durch Vlasic. Von hier kommen Blaubeeren und Pilze nach Prag auf die Märkte.«
»Ist es noch weit bis zu dem Quartier des Patrons«, erkundigte sich der Waldstein.
»Bis wohin?« fragte der Mann neben ihm.
»Zum Patron«, wiederholte der Waldstein. »Ich dachte, er hätte sein Quartier in der Stadt.«
»Wir haben noch etliche Meilen zu fahren, vier oder fünf«, gab ihm der Mann Bescheid.
»Das ist sonderbar. Ich kann's nicht recht verstehen«, sagte der Waldstein halb zu sich selbst.
Dann war wiederum Schweigen. Der Waldstcin hüllte sich fester in seinen Mantel. Der Begen schlug mit großer Heftigkeit an das Dach der Kutsche, und unter den Rädern und den Pferdehufen sprang das Wasser aus den Pfützen in Kaskaden hoch. Als eine halbe Stunde unter dem Trommeln des Regens vergangen war, wandte sich der Mann von neuem an den Waldstein:
»Jetzt sind wir in Hochauz«, berichtete er. »Hier auf dem Schlickschen Gut wird ein starkes Bier gebraut, jedermann rühmt es. Der Herr hat jetzt die halbe Reise hinter sich.«
Der Waldstein hörte ihn nicht. Er hatte den Kopf auf seinen Arm gesenkt und schlief.
Er fuhr auf, als der Wagen hielt, wollt' sich die Augen reiben und spürte die Binde, da kam ihm die Erinnerung wieder. Er stieg aus dem Wagen. Es regnete nicht mehr. Kies knirschte unter seinen Füßen und eine Hand ergriff die seine.
»Geh der Herr nur geradeaus. Er wird erwartet«, sagte eine Stimme, die nicht dem Manne angehörte, der mit ihm im Wagen gefahren war.
Er ging auf einem Kiesweg. Es roch herbstlich nach späten Rosen und vergilbtem Laub.
»Stufen!« warnte die Stimme.
Er stieg eine Treppe hinauf und dann ging es, wie die Hand ihn führte, auf Steinfließen nach rechts, nach links, geradeaus und wiederum nach rechts. Jetzt ließ die Hand des Führers die seine los. Er blieb stehen. Trotz der Binde vor seinen Augen wußte er, daß er sich in einem hell erleuchteten Raum befand. Hinter ihm flüsterte es:
»Die Herrschaft.«
Und im gleichen Augenblick hörte er ein verhaltenes Lachen und eine helle Stimme:
»Seh der Herr doch nicht so streng darein wie die Themis selbst. Nehm der Herr doch endlich die Binde von den Augen und tret er näher, er ist willkommen.«
Der Waldstein streifte die Binde ab. Der Raum, in dem er sich befand, war nicht so hell beleuchtet, wie er vermutet hatte. Nur das Kaminfeuer erhellte ihn und das Licht zweier Wachskerzen, die in einem silbernen Leuchter auf einem Tisch standen, der für zwei Personen gedeckt war. Am Kaminfeuer saß eine Dame in einem Kleid von dunkelviolettem Samt, das gar nicht nach der Mode war, dafür aber auf anmutige Art den Fluß ihrer Körperlinien erraten ließ. Ihr Haar hatte einen Stich ins Rötliche, ihre Hände waren schmal, ihre Knöchel zart, aber das war auch alles, was der Waldstein zu erkennen vermochte, denn ihr Gesicht war hinter einer schwarzseidenen Maske verborgen.
»Da seh einer! Das ist also der Patron. Eine Weibsperson«, sagte der Waldstein zu sich, während er sich verbeugte.
»Ich find's charmant, daß der Herr gekommen ist, hab's zu hoffen nicht gewagt«, erklang hinter der Maske die Stimme der Dame. »Der Herr hat um meinetwillen in schlechtem Wetter und auf grundlosen Wegen eine beschwerliche Fahrt gehabt.«
»Im geringsten nicht«, versicherte der junge Waldstein. »Bin das Beisen gewohnt, sitz' freilich lieber zu Pferd als in einer Kutsche.«
»Ich weiß, daß der Herr bei den Dragonern ein Hauptmann war«, sagte die Dame.
»Der Demoiselle zu dienen«, bestätigte der Waldstein mit einer neuen Verbeugung.
Indessen waren zwei Diener, beide maskiert wie ihre Herrin, eingetreten, die trugen den ersten Gang des Abendessens auf: Weinsuppe, gefüllte Lammsbrust, Spanferkel, Rotkohl, Hühnerflügel, Hühnerleber und Wildschweinschinken, und die Dame lud den Waldstein ein, sich mit ihr zu Tisch zu setzen.
»Nehm der Herr mit dem vorlieb«, bat sie, während die Diener die Gläser füllten, »was das Haus und die Küche vermag, es ist nicht viel.«
»Nur um der allergnädigsten Demoiselle nicht zu mißfallen«, sagte, wie es der gute Ton vorschrieb, der junge Waldstein, und dann legte er sich ein Stück Lammsbrust, zwei Hühnerflügel, etwas Rotkohl und zwei Scheiben Schinken auf den Teller.
Als der zweite Gang mit seinen Gerichten von Kalbfleisch und Wildbret beendet war und die Diener das Dessert auftrugen und sich sodann entfernten, fand der Waldstein, es wäre nun an der Zeit, mit dem Patron über das Unternehmen zu sprechen, das ihm sechshundert Dukaten einbringen sollte.
»Ich trinke«, sagte er und dabei hob er sein Glas und sah der Herrin des Hauses in die Augen, »auf ein gutes Gelingen in der morgigen Nacht.«
»Ich tue Euch gerne Bescheid«, sagte die maskierte Dame, »wenn ich auch nicht weiß, was Ihr für die morgige Nacht im Sinne habt. Ich will aber hoffen, daß Ihr darüber die heutige nicht vergeßt, der ich mit einiger Erwartung entgegensehe. Oder seid Ihr etwa einer von denen, die, wenn sie in einer Sache darin sind, schon an die nächste denken?«
»Wie? Versteh' ich recht? Die Sache soll heute noch vonstatten gehen?« erkundigte sich der Waldstein mit Besorgnis. »Ich fürchte, die Zeit wird nicht reichen, da ich doch .. «
»Warum sollt' die Zeit nicht reichen? Habt Ihr es so eilig, zu Eurer Schneiderswitwe zurückzukehren?« fragte die maskierte Dame in etwas spitzem Ton.
»Das nicht, Patron«, gab der Waldstein zur Antwort. »Aber wenn die Sache heute noch ...«
»Wie nennt Ihr mich?« rief die Herrin des Hauses. »Patron? So hat mich noch keiner meiner, — so hat mich noch keiner von den Herren genannt, die ich zu Gast hatte. Patron! Ist das die Art, mit einer Dame zu reden und noch dazu mit einer, die, was Stand und Herkunft anlangt, hinter keinem von Euch zurücksteht?«
»Verzeihung!« murmelte der junge Waldstein ganz bestürzt. »Einer von Euern Dienern hat mir gesagt, daß ich Euch so nennen müßte.«
»Wahrhaftig?« rief die Dame empört. »Und welcher von meinen Bedienten war so närrisch oder so tölpfelhaft, Euch das aufzubinden?«
»Der, der heute morgen mit einer Botschaft von Euch bei mir war und gestern auch«, erklärte der Waldstein. »Ich weiß, wie er heißt, aber im Augenblick will's mir nicht einfallen.«
»Einer hat mit Lügen so weit sich verstiegen, daß er ohne Leiter nicht mehr recht kann weiter«, trällerte die maskierte Dame, während sie aufstand und um den Waldstein wie eine Katze herumstrich. »Laßt Euch sagen, Herr Hauptmann, daß ich nicht ein Wort von Eurer Geschichte glaube. Denn ich habe weder gestern noch heute morgen einen meiner Bedienten oder sonst wen mit einer Botschaft zu Euch geschickt.«
»Aber er sagte doch«, hielt ihr der Waldstein vor, »daß er von Euch käme, und ich sollt' mich bereit halten, weil Ihr mit mir von Geschäften zu reden hättet.«
»Von Geschäften?« lachte die Dame. »Das wird ja immer schöner. Nein, mein Herr Hauptmann! Ich will Euch ins Gesicht nicht zu sehr rühmen, aber daß ich einen schönen und jungen Offizier, wie Ihr einer seid, zu mir bitte, um mit ihm von Geschäften zu reden, — nein, Herr Hauptmann, wer das sagt, der kennt mich nicht. Ich fürchte, Ihr seid da in eine Kette von Irrtümern verstrickt.«
»Das fürchte ich auch«, sagte betrübt der junge Waldstein, der seine sechshundert Dukaten davonschwimmen sah. »Aber wollt Ihr mir nicht erklären, in welcher Absicht Ihr mich habt hierher kommen lassen?«
»Man könnte wahrhaftig glauben, daß Euer Mund noch nach der Ammenmilch riecht«, sagte lachend die maskierte Dame, und wiederum strich sie wie eine verspielte Katze um den Waldstein und sah ihn bald von der einen, bald von der anderen Seite an. »Warum ich Euch hab' hierher kommen lassen? Ist das so schwer zu erraten? Denkt einmal nach!« Der Waldstein dachte im Augenblick an alles eher'als an ein verliebtes Abenteuer, die Worte des Leitnizer klangen ihm im Ohr, der gesagt hatte, solch eine Gelegenheit, sechshundert Dukaten zu gewinnen, werde sich ihm in aller Ewigkeit nicht mehr präsentieren. Er blickte mißmutig vor sich hin und schwieg.
»Man sagt Euch nach, Ihr hättet einen hohen Verstand«, sprach die Dame weiter. »Aber Ihr scheint Euch seiner mit Mäßigung zu bedienen, denn sonst, Herr Hauptmann, hättet Ihr gemerkt, wie es um mich steht. Ich bin Euch schon mehrmals begegnet und habe nach einer Gelegenheit getrachtet, mit Euch zu sprechen, denn es schien mir, als wäre etwas Besonderes an Euch, etwas, das Euch von allen Männern, die ich kenne, unterscheidet. Irre ich mich? Aber das wißt Ihr ja wohl selbst nicht. Kurzum, Ihr gefallt mir, und ich möchte es dazu bringen, daß auch Ihr mich ein wenig liebt.«
Sie hatte die letzten Worte gar nicht zaghaft oder schüchtern gesprochen, sondern so, als wäre das, was sie begehrte, die selbstverständlichste Sache von der Welt. Der junge Waldstein lächelte, sein Mißmut war verflogen. Und er mußte an den Johannes Kepler denken, der ihm gesagt hatte, daß nicht der Mars, daß die Venus über seinem Abenteuer leuchten werde.
»Da es also der allerschönsten Dame«, begann er und ergriff ihre Hand, »gefallen hat, mich zu ihrem Liebsten zu erwählen...«
»Daß Ihr mich recht versteht: Für eine Nacht!« fiel ihm die allerschönste Dame ins Wort, und sie machte ihre Hemd frei und begann an dem dunkelvioletten Samt ihres Kleides zu nesteln. »Für eine Nacht, mein Herr Hauptmann, merkt Euch das wohl! Denn ich will frei sein und mit mir tun können, was mir beliebt. Aber diese eine Nacht wird Euch für hundert gut sein.«
»Wenn es Euch also«, sagte, ohne große Enttäuschung zu zeigen, der junge Waldstein, »gefallen hat, mich für diese Nacht zu Eurem Liebsten zu erwählen, warum wollt Ihr mir Euer Gesicht nicht zeigen, daß ich es in die Hände nehmen und liebkosen kann.«
»Weil ich«, gab die Dame, noch immer an ihrem Kleide nestelnd, zur Antwort, »mehr, als Ihr denkt, auf meinen Ruf bedacht bin und den Männern nicht traue. Sie rühmen sich allzu gerne ihrer Liebsten, können nicht schweigen.«
»Vielleicht ist es eben das, wodurch ich mich von den anderen unterscheide. Ich kann schweigen«, beteuerte der Waldstein.
»Vielleicht«, gab die Dame zu. »Aber auch die Männer, die zu schweigen verstehen, begehen oft die erstaunlichsten Fehler, so daß die ganze Welt ihr Geheimnis errät. Nein, Liebster! Du kannst in dieser Nacht alles von mir erlangen. Aber die Maske bleibt.«
Sie warf den Kopf zurück, ließ die Arme sinken und der dunkelviolette Samt glitt an ihr zu Boden.
Wie sie nun nach genossenen Freuden Seite an Seite in zarter Umschlingung lagen, kam eine Lust, zu plaudern, die Dame an, sie konnte jetzt nicht stille sein, sie begann von allem, was ihr durch den Kopf ging, zu sprechen.
»Ich bin recht munter«, sagte sie. »Aber du, Liebster, solltest schlafen, denn morgen, wenn die Sonne aufgeht, mußt du schon drei Meilen weit weg von hier sein, kommst heim, da wird alles sein, wie es war, wirst an mich nicht denken. Man sagt von dir, man hat mir erzählt, daß du Tag und Nacht über deinen Büchern sitzest; ist es die Heilige Schrift, in der du so fleißig liest?«
»Nein«, erklärte ihr der Waldstein, »es sind lateinische und griechische Autoren, die über die Kriegswissenschaft geschrieben haben.«
»Dann bist du ja ein wahrer Schrein der Gelehrsamkeit«, meinte die Dame halb spöttisch, halb bewundernd. »Ich kann auch Latein. Willst du hören, wie ich Latein kann? Hodie heute, morgen — cras, aliquid schwimmt im Butterfaß. Ja, Liebster, hodie bist du bei mir und morgen, cras, o wehe, da bist du fort, ja, leider, es geht nicht alles so, wie man es möchte, und was das aliquid ist, das im Butterfaß schwimmt, das hab' ich auch gewußt, aber ich hab' es vergessen, kannst du's mir nicht sagen, da du doch so gelehrt bist?«
»Laß mich dein Gesicht sehen, so will ich's dir sagen«, schlug ihr der Waldstein vor.
Sie schüttelte den Kopf, ließ sich küssen und küßte wieder, und ihre Gedanken nahmen eine andere Richtung.
»Sag mir, Liebster, da du doch so gelehrt bist, — warum fallen die Frauen so gerne und so oft in Sünde? Wenn du's nicht weißt, wenn's nicht in deinen Büchern steht, so will ich dir's sagen. Ich sündige, weil ich drei gewichtige Gründe dafür habe: Zum ersten, weil es vor der Welt verborgen bleibt, es mengt sich keiner in meine Sachen. Zum zweiten, weil Gott barmherzig ist, er läßt den Sündern Zeit, zu bereuen und sich zu bekehren, das hat mir mein Kaplan gesagt. Und zum dritten, weil es die anderen Frauen auch tun, aber das weißt du ja besser als ich, oder weißt du es nicht?«
Von einem Kirchturm her kamen Glockenschläge, der Waldstein zählte sie, es waren zwölf. Und wie der letzte Glockenschlag verhallt war, da war aus der Ferne ein leises Kläffen und Winseln zu vernehmen, zuerst achtete der Waldstein nicht darauf, es war so leise, er hörte es kaum, doch nun kam ein Ziegengemecker dazu und dann -, war es denn möglich? Klang das nicht wie der jammervolle Hahnenschrei des Jeremias? Es konnte kein Zweifel sein. Das war der Jeremias, der die Sünden der Welt beklagte.
Einen Augenblick lang war der Waldstein ganz verwirrt und wie vor den Kopf geschlagen, und dann begriff er. Er wußte nun, wo er sich befand und wer an seiner Seite lag.
»Zwölf Uhr«, stellte indessen die Dame fest. »Liebster, du sollst schlafen. Du mußt früh fort, hast eine lange Fahrt vor dir.«
Sie ließ ihn aber nicht schlafen, sondern plauderte weiter:
»Sechs Meilen. Fünf Meilen, — da denkst du noch an mich. Vier Meilen, — da hast du mich vergessen. Drei Meilen, — da wirst du ungeduldig. — Kutscher, fahr zu! Und der Kutscher knallt mit der Peitsche, die Gänse stieben aus dem Weg und strecken die Hälse und schreien dir nach, zwei Meilen, eine Meile noch, da ist die Prager Neustadt,
und wenn du kommst zum Neustädter Tor da steht ein steinerner Ochse davor.
Eins, zwei, muh!
Der Ochse, der bist du!«
»Schweig still, Lucrezia!« sagte der junge Waldstein. »Laß die Possen! Ich habe keine lange Fahrt, und ich komme auch nicht zum Neustädter Tor.«
Sie hob den Kopf und sah den Waldstein aus erschreckten Augen an. Ihre Verwirrung verbarg sich hinter einem Lachen.
»Wie hast du mich genannt?« fragte sie. »Was hast du dir für einen neuen Namen für mich ausgedacht? Erst Patron und jetzt, — wie sagtest du?«
»Ach geh!« rief der Waldstein. »Vom ersten Augenblick an hab' ich gewußt, wer du bist. Nein, Lucrezia, Liebste, ich hab' nicht Lust, nochmals zwei Stunden lang in deiner Kutsche zu sitzen. Ich lauf durch den Garten, spring' über den Zaun und bin daheim.«
Die Lucrezia von Landeck seufzte, sah ihn an, seufzte wiederum und nahm die seidene Maske ab. Ein schmales, blasses, erschrockenes Gesicht mit großen Augen und langen Wimpern kam zum Vorschein, ein spitzes Näschen und ein eigenwillig geformter Mund. Um ihre Lippen zuckte es.
»Ach Liebster!« klagte sie. »Was hast du angerichtet. Was hast du nur getan! O Jammer, jetzt ist es aus mit dir, du mußt sterben und ich werd' mein Leben lang keinen guten Tag mehr haben.«
Sie richtete sich auf und ging zu einem Spind, das an der Wand stand, suchte eine Weile darin, und als sie zurückkam, hatte sie ein Terzerol in den Händen, das hielt sie auf den Waldstein gerichtet.
»Sieh her!« sagte sie. »Ich hab' oft daran gedacht und mir's vorgestellt und ausgemalt, wie einer, der auf mein Geheimnis kam', das Haus nicht lebend verlassen dürfe, wie er himmelhoch um sein Leben bittet, aber es ist keine Gnade für ihn. Sich's auszumalen ist nicht schwer, aber wenn's dazu kommt, — ich kann ja mit diesem Ding nicht umgehen, weiß nicht einmal recht, wie man's anfaßt, ich hab' ja nicht die Kriegswissenschaften studiert.«
»Soll ich dir's zeigen, wie man damit umgeht?« schlug ihr der Waldstein vor. »Es ist nicht schwer. Erst das Zündkraut aufgelegt, gib aber acht, daß es dir der Wind nicht fortweht.«
Sie legte das Terzerol aus der Hand und sah den Waldstein mit einem hilflosen Blick an.
»Was soll ich tun?« klagte sie. »Rat mir, Liebster, was soll ich tun?«
»Ich hätte dir nie begegnen dürfen, Lucrezia«, sagte der junge Waldstein. »Nun aberist's um michgeschehen,undich muß dich lieben, solange ein lebendiger Hauch in mir ist.«
In ihrem Gesicht leuchtete es auf, als hätte sie auf diese Worte gewartet.
»Ja, es gibt nur diesen einen Weg«, erklärte sie mit fester Stimme. »Als mein Gatte wirst du schweigen und meine Ehre bis zum Tode behüten. An Stand und Herkunft sind wir einander gleich, kennen einander auch, wie Frau und Mann einander kennen. Ist's dir lieb so? Der Kaplan und zwei Zeugen sind bei der Hand.«
»Ja, mir ist's lieb so, wie sollt's mir nicht lieb sein! Her mit dem Kaplan und her mit den Zeugen!« rief der junge Waldstein so laut, daß die Lucrezia erschrocken zusammenfuhr.
»Still!« flüsterte sie und legte die Finger an die Lippen. »Mach nicht Lärm. Vergiß nicht, daß du mit einer Dame im Bett liegst, die noch nicht deine Frau ist. Willst du denn, daß die ganze Stadt dazugelaufen kommt?«
Als der Waldstein am nächsten Morgen nach vollzogener Ehe in seine Dachkammer zurückkehrte, fand er dort den Leitnizer, der stand in einem Winkel und wartete auf ihn. Er sah zum Erbarmen aus, müde und verstört. Er mußte die Nacht auf einem Heuboden verbracht haben, denn in seinen Haaren, in seinen Schuhen und in seinen zerdrückten Kleidern staken Strohhalme.
»Wo seid Ihr gestern geblieben?« rief er, sowie der Waldstein die Türe hinter sich geschlossen hatte. »Ihr habt nicht hier geschlafen? Hat man Euch gewarnt?«
»Gewarnt? Wovor?« fragte der Waldstein.
Der Leitnizer schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
»Man hat ihn verhaftet!« jammerte er. »Hört Ihr? Man hat ihn verhaftet! Ich wartete auf Euch, zwei Stunden lang hab' ich gewartet. Ihr kamt nicht und ich ging zurück, um es dem Patron zu melden, und wie ich hinkam, sah ich, daß sie das Haus umstellt hatten, und sie führten den Barvitius hinaus mit Ketten an den Füßen, die Hände hatten sie ihm auf dem Rücken gebunden.«
»Den Barvitius? Wer ist das?« fragte, ohne sonderlichen Anteil an der Sache zu nehmen, der Waldstein.
»Der Patron!« stöhnte der Leitnizer. »Und er hat es vorhergesehen! Er hat es vorhergesehen, und ich wollte nicht auf ihn hören. Und was wird das Ende sein? Gefängnis, Ketten und der Galgen oder die Galeere. Und ich? Was werde ich ohne ihn beginnen? Wo ist Frankreich! Wo sind die Niederlande?«
Er sah den Waldstein mit einem zornigen Blick an und rief:
»Da muß einer ja von Stein und Marmor sein, wenn er dabei kein Mitleid fühlt.«
»Ich habe mit all dem nichts zu schaffen«, erklärte der Waldstein.
»Ganz so sicher fühlt Ihr Euch aber nicht«, meinte der Leitnizer, »sonst hättet Ihr die Nacht nicht außer Haus verbracht. Und Ihr tatet recht daran, denn man hat mir sicherlich nachgespürt und gesehen, daß ich etliche Male bei Euch war. Ich mache mich davon, lasse mich in Prag nicht mehr sehen, und Euch rat' ich, sucht Euch rasch ein anderes Quartier.«
»Das hab' ich schon getan«, sagte der Waldstein.
Am gleichen Tag erhielt Johannes Kepler ein Schreiben des Herrn Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, in dem dieser ihm »den schuldigen Dank für empfangenen großgünstigen Bescheid« zum Ausdruck brachte. Die Venus, hieß es in dem Schreiben weiter, müsse aber auch schon in der vergangenen Nacht im Bereich des Wagens gestanden sein, denn er, der »dienstwilligst und gehorsamst Unterzeichnete« habe in eben dieser Nacht seine Sache aufs rühmlichste gewonnen.
Dem Brief war ein versiegelter Beutel mit fünf ungarischen Dukaten beigelegt.
Johannes Kepler ging mit dem Beutel in die Kammer, in der seine kranke Frau lag. Er setzte sich an den Rand ihres Bettes, flößte ihr mit einem Löffelchen Arznei ein und wischte ihr die Schweißtropfen von der Stirn.
»Du weißt«, erklärte er ihr, »und ich hab' es dir gesagt, daß die Astrologie, die von der Menge der Urteilslosen so hoch gepriesen wird, die schlechte und entartete Tochter der erhabenen Sternenkunde ist. Ich liebe sie nicht. Aber wie manches verlorene Kind ernährt auch sie mit ihren Reizen die arme Mutter, deren keiner sonst gedenkt.«
Und er legte die fünf Dukaten auf das Bett der Kranken.
»Ein Hund, der bellte, und ein Hahn, der krähte, die haben das Glück des Wallenstein begründet«, sagte mein Hauslehrer, der stud. med. Meisl, als er mir an einem regnerischen und nebligen Novembertag diese Geschichte erzählte, statt mich in die Mysterien des Rechnens mit Sinus und Cosinus einzuführen. »Davon wirst du freilich in deinem Gymnasium nichts gehört haben, denn dort trichtert man euch nur Jahreszahlen ein. Ich will, Gott behüte, nichts Schlechtes auf ihn sagen, aber er war ein guter Rechner, im Krieg wie in der Liebe, der Wallenstein, und darum habe ich meinen Zweifel, ob damals wirklich nur die Venus im Bereich des Wagens gestanden ist. Denn, - erinnere dich daran, was ich dir von der Lucrezia von Landeck gleich zu Anfang erzählt habe: daß sie eine der reichsten Erbinnen im Königreich Böhmen war. Sie ist früh gestorben. Ihr Reichtum aber hat den Wallenstein in den Stand gesetzt, zwei Dragonerregimenter aufzustellen, als der Krieg gegen Venedig ausbrach, und sie dem Kaiser zuzuführen. Und das war der Beginn seines steilen Aufstiegs, dem dann ein Hellebardenstoß in Eger ein Ende gesetzt hat.«
Der stud. med. Meisl stopfte sich seine lange Studentenpfeife, deren Porzellankopf das Bild Voltaires zeigte, mit irgendeinem billigen Produkt der k. u. k. Tabakregie. Dann fuhr er fort:
»Johannes Kepler, der so tief in die Gesetze des Weltalls blickte, hat sich sicherlich nicht geirrt. Die Venus herrschte in jener Nacht im Bereich des Wagens. Aber mir will es scheinen, als wäre noch ein anderer, ein kleiner, unscheinbarer Stern ganz in der Nähe gestanden, - der wahre Stern des Wallenstein: der Merkur. Und wenn du auch ein schlechter Lateiner bist und nicht einmal eine leichte Stelle aus dem Ovid anständig übersetzen kannst, das weißt du doch, daß bei den Alten Merkur der Gott des Geldes war.«
Der Maler Brabanzio
Es gab in Prag einen Maler, von dem der Nachwelt nur wenig überliefert ist, er hieß Vojtech oder Adalbert Brabenec, doch er hörte es nicht ungern, wenn man ihn mit Signor Brabanzio ansprach. Man konnte ihn freilich eher einen Landstreicher und Vaganten nennen als einen Maler. Er pflegte alljährlich die böhmischen und österreichischen Länder, Ungarn und die Lombardei zu durchwandern, doch nahm er nur selten bei einem guten Meister Arbeit an, blieb auch nirgends lange, er hatte nämlich seine eigenen Anschauungen über die Malkunst und wollte sich den Weisungen des Meisters nicht fügen. Auch sonst war er von unruhiger Gemütsart, er führte, wo immer er sich befand, rebellische Reden gegen die Obrigkeit und bezeigte allen Personen von Stand und Ansehen, ja auch solchen Leuten, die nur anständig gekleidet waren, seine Mißachtung. So trieb er sich denn zumeist in Bauemschenken, in Hafenkneipen und in verrufenen Häusern herum, wo man auf seine aufrüherischen Reden gerne hörte und auch seine Fähigkeit, mit wenigen Strichen die Gesichter seiner Zechkumpane festzuhalten, zu schätzen wußte. Er sah, auch wenn er nicht betrunken war, ja selbst an Sonntagen so aus wie einer, den man soeben aus dem Rinnstein aufgelesen hatte, und sein Gesicht zeigte die Spuren überstandener Raufhändel, denn er und seine Gesellen hatten, wenn es Streit gab, das Messer immer gleich bei der Hand.
Wenn er für einige Zeit der Händel und des Wanderlebens müde geworden war, kehrte er nach Prag zurück, in zerrissenen Schuhen, ohne Hemd, ohne einen Kreuzer in der Tasche, ja bisweilen sogar ohne sein Malgerät. Er ließ sich dann in der Werkstätte seines Bruders nieder, der am Moldauufer, unweit des Agnesklosters, das Gewerbe eines Flickschneiders ausübte. Sie liebten einander, aber sie kamen nur schlecht miteinander aus. Den Flickschneider verdroß es, daß sein Bruder nicht die ehrbaren Leute malte und auch nicht die Muttergottes und die lieben Heiligen, sondern immer nur geringes Volk und liederliches Gesindel: Betrunkene Soldaten, Zigeuner, Hundefänger, Taschendiebe, die Wäscherinnen vom Moldauufer mit ihren Körben, Quacksalber, Zahnbrecher, Musikanten, allerlei Gestalten aus den Gassen des Ghettos und die Höckerweiber, die auf dem Kleinen Ringplatz ihre selbstgefertigten Pflaumenmuskuchen feilhielten. Auch nahm er ihm übel, daß er mit dem Geld, das ihm seine Pinseleien bisweilen einbrachten, nicht hauszuhalten wußte. Denn — wie das Sprichwort sagt — ein Narr und seine Groschen bleiben nicht einen Tag lang beieinander.
Nun waren aber einige dieser Bildchen, flüchtige Skizzen und Entwürfe, in die Hände solcher Leute gelangt, die etwas von der Malerei verstanden oder zu verstehen vorgaben. Und eines von ihnen, das einen bärtigen und etwas schiefgewachsenen Kapuzinermönch darstellte, der einen erbeuteten oder erbettelten Käselaib mit verliebten Augen betrachtete, war dem Römischen Kaiser zu Gesicht gekommen.
Kaiser Rudolf II. war in jenen Zeiten aufs eifrigste darauf bedacht, seine Kunst- und Raritätenkammer zu bereichern, und das Geld, dessen er dazu bedurfte, scharrte er aus allen Ecken und Enden zusammen, so daß die Hofkammer viel Mühe hatte, seine Schulden zu bezahlen. Mit den Staatsgeschäften befaßte er sich in jenen Tagen nur wenig. Er liebte die Künste, er lebte nur für sie. Und wenn er auch die Wahl des Gegenstandes dieser Darstellung vom Standpunkt der Kirche aus mißbilligte, so erschien es ihm doch merkwürdig, ja beinahe unglaublich, daß unter seinen Böhmen, die in der Malerei so wenig Gutes hervorgebracht hatten, daß in einem schmutzigen Winkel der Alt