19

»Wer da?« fragte der Wächter.

Ich stand in der Dunkelheit am Strand, in das Gelb des Tyrers gekleidet. Der Speer, den der Wächter mit beiden Händen hielt, war auf mich gerichtet.

»Ich bin euer Feind«, sagte ich. »Ruf Sarus. Ich will mit ihm sprechen.«

»Keine Bewegung!« sagte er.

»Wenn ich mich bewege«, sagte ich, »dann nur, um dich zu töten. Ruf Sarus!«

Der Mann trat einen Schritt zurück. »Sarus!« brüllte er.

Wir standen etwa hundert Meter südlich des Palisadenzauns, den die Tyrer am Strand errichtet hatten. Von meinem Standort aus spürte ich die Hitze des großen Signalfeuers.

Ein ganzer goreanischer Tag war vergangen, seit sich Tina auf meinen Befehl den Männern der Rhoda und der Tesephone ausgeliefert hatte. Inzwischen war es wieder Nacht geworden.

Ich sah Tyrer aus der Umfriedung kommen, gefolgt von einigen Panthermädchen. Eine Gruppe von fünf Männern, von denen einer eine Fackel trug, kam über den Sand auf mich zu. Andere Männer eilten nach Norden und Süden am Wasser entlang, um sich umzusehen.

Die Palisadenmauer war kein Halbkreis mehr; sie war heute geschlossen worden und hatte nun sogar ein primitives Tor, das an Seilscharnieren hing.

Die fünf Männer, die auf mich zukamen, waren bewaffnet. In ihrer Mitte entdeckte ich Sarus.

Während des Tages waren mehrere Gruppen in den Wald gekommen und hatten Bäume gefällt, zurechtgeschnitten und zum Strand gezerrt. Dann hatten die Männer damit begonnen, die Stämme mit Seilen und Ketten zusammenzubinden. Offensichtlich wurde Sarus ungeduldig. Wahrscheinlich hielt er die Rhoda und die Tesephone für überfällig. Während der Arbeiten an den Flößen hatten Marlenus und die anderen Gefangenen eine Art Schutzwehr zum Wald hin bilden müssen.

Ich hatte also kaum noch Gelegenheit, meinen Langbogen einzusetzen – gegen das Palisadenlager ebensowenig wie gegen die Floßbauer. Ich hätte einige Holzfäller im Wald töten können, hätte damit jedoch wenig erreicht. Ich hätte den Tyrern damit nur verraten, daß sie wieder oder immer noch in Gefahr schwebten – etwas, das ich ihnen noch nicht zu Bewußtsein bringen wollte. Außerdem hätten sie sich dann vielleicht auch im Wald durch Sklaven abgeschirmt oder ausgewählte Stämme von der Seeseite der Palisade verwendet. Das Meer und der offene Strand boten den Männern den besten Schutz, denn ich hätte mich am Strand zeigen müssen, wenn ich sicher zielen wollte. Aber ein Angriff kam nicht mehr in Frage; es hatte ja in meiner Absicht gelegen, daß Sarus das Meer erreichte.

Ich war jedoch davon ausgegangen, daß er dort sein Lager aufschlug und auf das vorgesehene Rendezvous mit der Rhoda und der Tesephone wartete. Ich hatte nicht erwartet, daß er das Zusammentreffen mit den Schiffen vielleicht gar nicht abwarten wollte.

Offenbar hatte ich mich geirrt. Vielleicht war mir das Ausmaß des Schreckens nicht bewußt geworden, den ich den Tyrern eingejagt hatte. Vielleicht war Sarus auch durch die Flucht Caras und Tinas nervös gemacht worden und hatte sich um so schneller zum Handeln entschlossen. Womöglich hatte ihm inzwischen auch Mira verraten, daß ihm Hunderte von Panthermädchen auf den Fersen waren – ohne ihm anzuvertrauen, wie sie zu diesen Informationen gekommen war, denn das hätte sie belastet. Aber sie mochte ihm verraten, was ihr bei ihrem geheimen Verhör eingeredet worden war – daß es eine große Bande Panthermädchen auf die Tyrer abgesehen hatte. Vielleicht befürchtete Sarus nun, daß sein Lager gestürmt werden könnte.

Aus welchem Grunde auch immer, Sarus schien entschlossen zu sein, seine Flöße so bald wie möglich – wahrscheinlich schon morgen früh – nach Süden zu führen. Es wäre gefährlich und vielleicht sinnlos, ihnen in der Deckung des Waldes zu folgen, denn dabei mußte ich zahlreiche Austauschstellen passieren. Außerdem mochten die Tyrer ihre Gefangenen auf der Landseite der Flöße unterbringen, so daß ich sie nicht einmal beschießen konnte. Schließlich bestand die Gefahr, daß ich die ganze Gruppe aus den Augen verlor. Das war ärgerlich. Wir hatten das Rendezvous mit der Rhoda und der Tesephone um wenige Stunden verpaßt. Nun mußte ich handeln.

»Ich bin Sarus«, sagte der hagere, große Mann.

Eine Fackel wurde in die Höhe gehoben, damit man mein Gesicht besser erkennen konnte.

Ich hatte mein Schwert und ein kurzes Sleenmesser bei mir.

»Er ist allein«, sagte einer der Männer, die den Strand hinter mir erkundet hatten.

»Paßt weiter auf«, ordnete Sarus an. Er war unrasiert, wirkte jedoch entschlossen und kraftvoll. Eine echte Führerpersönlichkeit.

»Du trägst die Farbe von Tyros«, bemerkte er.

»Aber ich bin nicht aus Tyros.«

»Das glaube ich auch.«

»Was suchst du hier?« fragte einer der Tyrer und trat einen Schritt vor.

Ich wandte mich an Sarus. »Ich bin dein Feind. Ich möchte mit dir verhandeln.«

»Im Norden ist der Strand klar«, meldete ein anderer Mann.

»Ich habe niemanden im Wald gefunden«, sagte ein dritter.

Die Tyrer sahen sich an.

»Verhandeln wir?« fragte ich.

Sarus sah mich an. »Kehren wir ins Lager zurück.«

»Ausgezeichnet«, bemerkte ich.

Sarus wandte sich an seine Männer. »Geht ins Lager zurück!« rief er. »Wir passen auf«, sagte er zu mir. »Wir lassen uns nicht so leicht überraschen.«

»Ausgezeichnet«, sagte ich noch einmal.

Ich ging ihm voran. Ehe ich durch das Tor trat, hörte ich Sarus zu zwei Männern sagen: »Das Signalfeuer soll weiterbrennen. Schürt es tüchtig.«

Im Lager sah ich mich um. »Keine schlechte Befestigung«, stellte ich fest. »In der kurzen Zeit habt ihr viel geschafft.«

Das Tor schloß sich hinter mir.

»Kommt mir nicht zu nahe«, sagte ich zu zwei Tyrern, die daraufhin sofort einige Schritte zurückwichen.

Die Aufmerksamkeit der Tyrer konzentrierte sich ganz auf mich. Ich blickte von einem Gesicht zum anderen, wobei ich mir besonders die Männer ansah. Einige waren besonders wachsam und kampfbereit und schienen ihre Waffen gar nicht loszulassen. Ich merkte mir die Klingen, deren Griffe besonders abgenutzt wirkten. Zwei Mann hatten Armbrüste bei sich, und ich prägte mir ihre Gesichter ein.

Ich stand in der Mitte eines Kreises. Auch Huras Mädchen mischten sich unter die Tyrer. Die Frauen, die mich vor langer Zeit in Marlenus’ Lager gesehen hatten, erkannten mich nicht wieder. Mira jedoch wußte, wer ich war. Sie stand abseits und sah mich mit großen Augen an. War ich ihretwegen hier? Sie schien Todesängste auszustehen.

»Ich glaube, ich kenne ihn«, sagte Hura, die Anführerin der Panthermädchen. Sie stand mit erhobenem Kopf vor mir.

Mit schneller Bewegung zog ich sie heran, und sie stieß einen Angstschrei aus. Ich hielt sie fest, daß sie sich nicht bewegen konnte, und preßte meine Lippen auf die ihren. Es war ein unverschämter Kuß, der Kuß zwischen Herr und Sklavin. Huras Mädchen stimmten ein Wutgeschrei an. Die Tyrer glotzten verblüfft.

»Tötet ihn!« kreischte Hura, der das Haar ins Gesicht hing. Ich hatte sie nach dem Kuß verächtlich zu Boden gestoßen.

»Sei still, Frau«, sagte Sarus.

Wütend hielten sich die Panthermädchen zurück. Ich hatte das Gefühl, daß die stolzen Panthermädchen bei den Tyrern nicht gerade beliebt waren. Zumal die Mädchen Angst vor den Männern zu haben schienen. Seltsame Verbündete, die Männer aus Tyros und die Frauen aus dem Walde.

»Ich verlange Rache!« brüllte Hura außer sich vor Wut.

»Sei still!« sagte Sarus schneidend, »oder wir stecken euch alle in Ketten.«

Die Mädchen hielten den Atem an und schwiegen. Die Tyrer konnten sie jederzeit versklaven, womit sie nicht besser dran waren als die armen Mädchen, die an der Palisadenmauer des Lagers lagen. Ich warf einen Blick zu den Gefangenen hinüber und merkte mir die Stelle, wo Sheera und Verna gefesselt lagen.

Hinter mir öffnete sich das Tor, und die beiden Männer, die sich um das Signalfeuer gekümmert hatten, wurden eingelassen. Nun schienen alle Männer Sarus’ im Lager zu sein.

Innen um die Palisadenmauer verlief kein Wachsteg.

»Ich höre«, sagte Sarus und verschränkte die Arme. »Du willst mit mir sprechen?«

»Richtig«, sagte ich.

Ich musterte den Anführer der Tyrer. Er war bestimmt schnell mit dem Schwert. Er war intelligent und rücksichtslos. Seine Sprache verriet eine Herkunft aus niedriger Kaste. Er war zweifellos durch alle Ränge gelaufen, ehe er sich seine hervorragende Stellung erobert hatte – und das war in dem aristokratischen System von Tyros ungewöhnlich. Familienbande waren wichtig auf dieser Felseninsel, wie auch auf Cos. In den Insel-Ubaraten, die eine relativ stabile Bevölkerungszahl hatten, konzentrieren sich Macht und Reichtum auf wenige erfolgreiche Familien, die sich mit der Zeit zu einer Art Aristokratie aufgeschwungen haben.

Sarus verdankte seine Position und seinen Einfluß sicher nicht der Familie, der er entstammte. Er hatte sich hochgekämpft, und das machte ihn gefährlich.

Er erinnerte mich ein wenig an Chenbar aus Tyros, seinen Ubar, der ebenfalls von niederer Herkunft war. Vielleicht war Sarus auf Fürsprache Chenbars befördert worden. Doch soweit ich wußte, befand sich Chenbar zurzeit angekettet in einem Verlies in Port Kar. In Tyros hatte es um die Thronfolge manchen Streit gegeben. Fünf Familien hatten mit ihren Angehörigen um das Medaillon gekämpft. Ich wußte jedoch nicht, wie die Dinge zur Zeit standen.

Bekannt war mir jedoch, daß Sarus und seine Männer zu einer wohlgeplanten Mission aufgebrochen waren, die das Ziel hatte, Marlenus aus Ar und einen gewissen Bosk aus Port Kar in ihre Gewalt zu bringen.

Und das fand ich so interessant. Es erschien mir ungewöhnlich, daß bei ungewisser Thronfolge eine solche Expedition befohlen worden war.

Aber dann ahnte ich die Wahrheit.

»Ich wußte gar nicht«, sagte ich, »daß euer Chenbar aus Port Kar geflohen ist.«

Sarus sah mich wachsam an. »Männer aus Torvaldsland haben ihm geholfen. Niemand mißtraute ihnen. Sie haben viel Geld dafür bekommen. Mit ihren Äxten kämpften sie sich zu ihm durch, schlugen seine Fesselringe aus den Steinen und brachten ihn nach Tyros. Dabei wurden viele Männer getötet. Die Flucht gelang bei Nacht. Eine Stunde nach seiner Ankunft in Tyros setzte die Rhoda unter meinem Kommando Segel und nahm Kurs auf Lydius.«

»Und was war dein Auftrag?« wollte ich wissen.

»Das geht dich nichts an.«

»Wie ich sehe, hast du Sklaven errungen.«

»Ein paar.«

Chenbars Flucht mußte sich kurz nach meiner Abreise aus Port Kar ereignet haben.

»Welcher Torvaldsländer hat es gewagt, in Port Kar einzudringen und Chenbar aus Tyros zu befreien?«

»Ein Verrückter!« lachte Sarus. »Ivar Forkbeard, der berüchtigte ›Gabelbart‹.«

»Ein Verrückter?«

»Wer sonst?« lachte Sarus. »Es muß schon ein Verrückter sein, der einen solchen Versuch macht. Und es braucht einen Verrückten, um damit Erfolg zu haben!«

»Er hat viel Geld bekommen?«

»Das kann man wohl sagen«, sagte Sarus lächelnd. »Das Gewicht Chenbars in Saphiren aus Shendi.«

»Der Preis ist hoch für einen Mann, der verrückt sein soll.«

»Alle Männer aus Torvaldsland sind verrückt«, stellte Sarus fest. »Sie haben keinen Verstand. Ihre einzige Sorge ist, nicht im Kampf zu sterben.«

»Ich möchte hoffen, daß du weniger verrückt bist.«

»Das hoffe ich von dir auch«, sagte Sarus und wurde ernst. »Warum bist du ins Lager gekommen? Was willst du hier?«

»Tötet ihn!« kreischte Hura noch einmal.

Sarus kümmerte sich nicht um sie.

»Ich will verhandeln«, sagte ich.

»Das verstehe ich nicht.«

Ich sah mich um und merkte mir dabei die Standorte der Männer und der Panthermädchen.

»Ich wünsche«, sagte ich, »daß ihr mir alle überlaßt, die als Sklaven bei euch im Lager sind.«

»Wie ich sehe, war dieser Ivar Forkbeard aus Torvaldsland noch vergleichsweise vernünftig«, sagte Sarus lächelnd.

Ich zuckte die Achseln.

»Weißt du, was uns die Sklaven gekostet haben?« wollte Sarus wissen.

»Der Preis war sicher hoch.«

»Tötet ihn!« rief ein Panthermädchen.

»Wie viele Männer hast du da draußen?« fragte Sarus.

Ich schwieg.

»Du wärst bestimmt nicht zu uns gekommen, ohne eine große Streitmacht hinter dir zu haben.«

Ich gab keine Antwort.

»Zweifellos kommst du als Vertreter jener, die uns im Wald verfolgt haben.«

»Das ist durchaus klug gefolgert.«

»Ich bin kein unvernünftiger Mann«, sagte Sarus, »aber in gewissen Dingen bin ich zu Kompromissen bereit.«

»Oh?«

»Bist du ein Sklavenhändler?«

»Ich habe Sklaven in meiner Gewalt«, sagte ich ausweichend.

»Was willst du?«

»Was bietest du?«

»Wir haben hier zweiundzwanzig gefesselte Sklavinnen«, sagte Sarus. »Ich gebe sie ungern auf, doch wenn das dein Preis ist, gehen wir darauf ein.«

Ich zuckte die Achseln.

»Möchtest du sie dir ansehen?«

»Ich habe sie schon gesehen.«

»Natürlich«, sagte Sarus. »Im Wald.«

»Ja«, erwiderte ich. Ich wollte mich den Gefangenen nicht näher zeigen, damit sie durch ihre Reaktion nicht meine Identität verrieten. Sheera, Verna und Grenna zum Beispiel kannten mich gut.

Die Sklavinnen lagen gefesselt im Schatten. Sie bekamen nicht mit, was in der Mitte des Lagers geschah.

»Dein Angebot reicht mir nicht«, erwiderte ich streng.

»Wie viele Männer hast du?« fragte er wütend. »Seien wir doch vernünftig! Du kannst uns nicht besiegen, ohne Männer zu verlieren, viele Männer!«

»Richtig«, sagte ich. »Ihr habt ein befestigtes Lager.«

»Ja!« sagte Sarus. »Nimm die Sklavinnen und sei zufrieden.«

Ich starrte Sarus unerbittlich an. »Ich will aber mehr.«

»Töte ihn endlich, du Narr!« rief Hura.

Sarus sah sie an.

»Legt sie und die anderen Weiber in Sklavenfesseln!« befahl er.

Ich sah reglos zu, wie Hura und ihre Panthermädchen von den Tyrern ergriffen und in Ketten gelegt wurden. Hura wehrte sich verzweifelt, konnte aber gegen die Übermacht der Männer nichts tun.

»Töte ihn!« schluchzte sie. »Er ist dein Feind – nicht wir! Gib uns nicht auf! Wir sind eure Verbündeten!«

»Ihr seid lästige Weiber!« sagte Sarus. »Und wir haben genug von euch.«

Hura sah ihn entsetzt an.

»Du wirst dich auf dem Auktionsblock gut machen«, bemerkte Sarus und musterte sie von Kopf bis Fuß.

»Du Narr!« kreischte Hura.

»Er hat gar keine Männer!« rief Mira plötzlich. »Er hat gar keine Männer!«

»Woher weißt du das?« wollte Sarus wissen.

»Ich wurde von ihm gefangen und in den Wald verschleppt!« sagte Mira hastig. »Er und andere zwangen mich, unseren Mädchen Wein zu geben, in dem sich ein Schlafmittel befand!«

Hura ging wie ein Panther auf sie los. »Sleen!« fauchte sie.

»Er hat mich gezwungen! Ich konnte nichts machen!«

»Sleen!« kreischte Hura aufgebracht, doch Sarus bändigte sie mit einem überraschenden Schlag ins Gesicht. Hura sank mit glasigem Blick zu Boden.

»Er fing mich«, sagte Mira weinend, »und schaffte mich in den Wald. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu gehorchen.«

»Wie viele Panthermädchen hat er?«

»Hunderte!« sagte Mira.

Sarus versetzte ihr einen Stoß. »Wie viele hast du gesehen?«

»Keine – ich hatte eine Binde vor den Augen.« Sie wurde von Schluchzen geschüttelt.

Sarus lachte. »Sie trug eine Binde«, sagte er, »weil er gar keine Verbündeten hat – oder nur eine Handvoll.«

»Das scheint mir eine intelligente Schlußfolgerung zu sein«, bemerkte ich.

»Ich habe Frauen gehört – viele Frauen!« beharrte Mira.

»Oder nur zwei oder drei Frauen, die immer wieder an dir vorbeigegangen sind!«

Mira sah mich gequält an.

Sarus wandte sich an mich. »Du hast nur wenige oder überhaupt keine Verbündete!« sagte er triumphierend.

»Bitte, Sarus!« flehte Hura, die sich inzwischen wieder aufgerichtet hatte. »Bitte befreie uns!«

Sarus sah sie kühl an. »Ihr macht euch als Sklavinnen ganz gut.«

Die Mädchen starrten ihn wortlos an.

Sarus sagte lächelnd zu mir: »Ich glaube, du schuldest uns eine Erklärung. Weshalb bist du hier?«

»Zunächst möchte ich die Freilassung der Sklaven erreichen. Besonders interessieren mich zwei Männer, die Rim und Arn heißen. Auch möchte ich die Sklavin Sheera übernehmen.«

»Du bist bescheiden«, sagte Sarus. »Weißt du denn nicht, wen wir hier im Lager gefangenhalten?«

»Wen denn?«

»Marlenus aus Ar!«

»Ah«, erwiderte ich. »Den nehme ich dann auch – und alle anderen.«

Sarus und seine Männer lachten. Sarus war bereit, mir alle Panthermädchen auszuliefern, wenn er, seine Männer und die ihm wichtig erscheinenden Sklaven ungeschoren davonkamen.

Ich stand mit dem Rücken zum Tor und musterte noch einmal die Männer mit den Armbrüsten. Auch schätzte ich meine Entfernung zum Lagerfeuer ab. Beide Armbrüste waren gespannt.

»Jetzt erkenne ich ihn!« rief Hura plötzlich. »Ich wußte doch, daß ich ihn kenne – er ist Bosk aus Port Kar!«

Die Gefangenen, die gefesselt am Boden lagen, wurden unruhig. Das war ein Name, den sie kannten.

»Stimmt das?« fragte Sarus.

»Ja.«

»Du bist tatsächlich verrückt. Weißt du nicht, daß wir außer Marlenus auch dich gefangennehmen wollten? Was für ein Glück, daß du dich uns ergeben hast! Wir können es kaum fassen!«

»Aber ich bin nicht hier, um mich zu ergeben.«

»Deine List ist fehlgeschlagen.«

»Wie wäre das möglich?« gab ich zurück. »Deine Verbündeten stehen in Fesseln da!«

»Befreie uns!« flehte Hura.

»Schweigt!« brüllte Sarus und wandte sich an mich. »Wir brauchen diese Sklavinnen nicht!«

»Mir ist das nur recht«, bemerkte ich. »Ich würde sie ungern töten müssen.«

»Bosk aus Port Kar«, sagte er, »du bist mein Gefangener.«

»Ich biete dir das Leben und das deiner Männer«, sagte ich, »wenn ihr sofort verschwindet und alle Gefangenen zurücklaßt.«

Sarus sah sich im Kreise seiner Gefolgsleute um – und alle begannen zu lachen.

»Ihr könnt eure Waffen hier aufhäufen.«

Im Hintergrund des Lagers standen die männlichen Sklaven in ihren Ketten auf; niemand kümmerte sich um sie. In den Schatten machte ich die große Gestalt Marlenus’ neben Rim und Arn aus.

»Ergib dich!« sagte Sarus. »Ergib dich! Wir sind in der Überzahl.«

»Das tue ich nicht«, erwiderte ich. »Wie viele Männer hast du denn?«

»Fünfundfünfzig«, sagte er.

»Ich war nicht immer Kaufmann – es gab eine Zeit, da gehörte ich der Kriegerkaste an.«

»Aber wir sind fünfundfünfzig«, wiederholte Sarus mahnend.

»Meine Heimat war einmal die Stadt Ko-ro-ba, auch die Türme des Morgens genannt.«

»Ergib dich!« flüsterte Sarus und zog bedächtig seine Klinge. Die Tyrer folgten seinem Beispiel.

»Das kann mir nicht genommen werden!« rief ich. »Doch vor langer Zeit verlor ich meine Ehre, und ich weiß, ich kann sie nicht wiederfinden. Sie ist wie ein Tarn mit goldenen Flügeln, der den Helm eines Kriegers schützt – wenn sie fort ist, kehrt sie nie zurück.« Ich sah die Männer aus Tyros an. »Ja, ich habe meine Ehre verloren – doch ihr dürft nicht glauben, ich hätte das vergessen. An manchen Abenden, an einem Abend wie heute, erinnere ich mich daran.«

»Du bist ja verrückt!« kreischte Sarus. »Wir sind fünfundfünfzig!«

»Marlenus!« rief ich. »Wir haben doch einmal im Sand einer Arena in Ar als Schwertbrüder gekämpft!«

»Das stimmt!« rief Marlenus.

»Und es gab einen Augenblick, da ich dich im Tarnstadion den Helm abnehmen sah, um deine Ansprüche auf den Thron von Ar wieder anzumelden!«

»Richtig!«

»Dann wollen wir jetzt noch einmal die Hymne Ars hören!«

Marlenus begann zu singen, und seine Gefolgsleute fielen in das Lied ein.

»Ruhe!« brüllte Sarus außer sich. Er starrte mich an und sah, daß auch ich inzwischen das Schwert gezogen hatte.

»Du bist nicht aus Ar!« rief er.

»Es wäre besser für dich, wenn ich es wäre.«

»Du bist verrückt!« kreischte er. »Verrückt!«

»Willst du als erster kämpfen, Sarus?«

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