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»Dort!« sagte Rim und deutete nach Steuerbord. »Oben am Strand!«

Seine Sklavin Cara stand dicht hinter ihm.

Ich beschattete meine Augen. »Das Glas der Hausbauer«, sagte ich.

Thurnock aus der Kaste der Bauern stand hinter mir und reichte mir das Fernglas.

Ich öffnete es und suchte die Küste ab.

Hoch am Strand sah ich zwei Paar Stangen. Sie standen unten weit auseinander und waren oben zusammengebunden und bildeten eine Art »A« ohne Querstrich. Zwischen den Stämmen waren zwei Mädchen festgebunden, in die kurzen Felle der Waldpanther gekleidet. Es handelte sich um gefangene Panthermädchen. Sie hatten die Köpfe gesenkt, und das blonde Haar fiel ihnen übers Gesicht.

Wir hatten eine Austauschstelle entdeckt.

An solchen Orten bieten die Gesetzlosen den vorbeifahrenden Schiffen ihre Waren an.

Wir befanden uns fünfzig Pasang nördlich von Lydius, einer Hafenstadt an der Mündung des Laurius-Flusses. Dicht hinter dem Strand begannen die großen herrlichen Wälder des Nordens.

»Beidrehen«, sagte ich zu Thurnock.

»Beidrehen!« gab er weiter.

Männer eilten über den langen Segelbaum des riesigen Dreieckssegels, das unser kleines, schnelles Rammschiff aus Port Kar zierte. Andere holten an Deck die langen Leinen ein, die das Segel aufgeiten. Wir nahmen das Segel nicht ab, sondern schwangen den ganzen Baum parallel zum Schiff herum und ließen ihn Fuß um Fuß herab. Der Mast blieb an Ort und Stelle, denn wir planten keinen Angriff. Die Ruder waren binnenbords, und die Galeere schwang aus eigenem Antrieb in den Wind.

»Da ist ein Mann am Strand«, sagte ich.

Der Fremde hatte die Hand gehoben. Er trug ebenfalls ein Fellgewand. Sein Haar war lang und zerzaust. Ein Schwert hing an seiner Hüfte.

Ich reichte Rim das Fernglas. Er begann zu grinsen.

»Ich kenne ihn«, sagte er. »Es ist Arn, ebenfalls ein Gesetzloser.«

Fünf weitere Männer tauchten hinter Arn auf – ähnlich gekleidet, das Haar mit Lederstreifen zurückgebunden. Einige trugen Pfeil und Bogen, zwei waren mit Speeren bewaffnet.

Der Mann, den Rim als Arn bezeichnet hatte, kam ein Stück den Strand herab und machte die auf ganz Gor bekannte Geste des Handelns – eine Bewegung, als nähme er uns mit einer Hand etwas fort und gäbe uns mit der anderen etwas dafür.

Ich erwiderte die Geste, und der Mann am Ufer hob die Arme, wandte sich um und wanderte den Strand hinauf.

»Wenn es dir recht ist, Rim«, sagte ich und deutete auf Cara, »dann sollte deine Sklavin jetzt Wein aus dem Sand im Kielraum holen.«

Rim grinste und wandte sich an Cara. »Hol Wein«, befahl er.

»Ja, Herr«, erwiderte sie und verschwand auf dem Niedergang.

Die Galeere, auf der wir uns befanden, war die Tesephone aus Port Kar. Sie gehörte zu meinen schnellsten Schiffen und hatte vierzig Ruder, zwanzig auf jeder Seite. Sie besaß ein Steuerruder an der Steuerbordseite. Der Tiefgang solcher Schiffe ist sehr gering, wobei der untere Laderaum kaum einen Meter hoch ist. Schiffe dieser Art sind nicht zur Beförderung von Fracht bestimmt, es sei denn, es ginge um wertvolle Schätze oder ausgesuchte Sklaven. Im allgemeinen werden sie für Patrouillendienste oder für die Kommunikation eingesetzt. Die Ruderer sind, wie bei den meisten goreanischen Kriegsgaleeren, freie Männer. Sklaven dienen im allgemeinen nur auf Frachtgaleeren. Die Ruderer sitzen auf ihren Bänken am Oberdeck und sind dem Wetter schutzlos ausgesetzt. Sie leben praktisch hier, und auch gekocht wird im Freien. Bei schlechtem Wetter oder großer Hitze wird eine Segelplane gespannt, die eine Art Dach bildet und die Ruderer wenigstens einigermaßen schützt. Es ist nicht sehr angenehm, unter Deck zu schlafen, da die Belüftung sehr schlecht ist. Der Kielraum ist eigentlich gar kein Raum mehr, sondern nur eine Höhle zwischen den untersten Decksplanken und dem Holzkiel des Schiffs. Knapp fünfzig Zentimeter hoch, kann man darin nur kriechen. Es gibt kein Licht, Feuchtigkeit sickert durch die Planken. In der Mitte sammelt sich das Bilgewasser in einer Vertiefung – ein stinkender, schleimiger Tümpel. Bei trockenem Wetter wird das Wasser einmal am Tag ausgepumpt – oder zweimal oder öfter, wenn es schweren Seegang gibt. Wie die meisten Galeeren trägt auch die Tesephone Sandballast im Kielraum. Hat sie im unteren Laderaum viel schwere Fracht geladen, wird dieser Sand teilweise ausgeschaufelt, um das Gefährt zu trimmen. Eine Galeere dieser Bauart fährt im allgemeinen optimal mit einer Freibordhöhe zwischen einem und anderthalb Metern. Der Sand dient dazu, diese optimale Belastung bei jeder Fahrt herzustellen.

»Wir wollen ans Ufer«, sagte ich zu Thurnock, »aber wir laufen nicht auf.« Goreanische Galeeren, die einen geringen Tiefgang haben, werden oft einfach auf den Strand gesetzt. Meistens errichtet man das Nachtlager an Land. In diesem Fall jedoch wollte ich beweglich bleiben, einige Meter vom Strand entfernt, die Männer an den Rudern, einige Seeleute an den Stangen, damit wir notfalls schnell ins tiefere Wasser abstoßen und davonfahren konnten.

Thurnock gab seine Befehle.

Der hölzerne Tarnkopf, der den Bug der Tesephone schmückte, wandte sich langsam dem Strand zu.

Die beiden gefangenen Panthermädchen waren von den Gestellen genommen worden.

Rim und ich zogen einfache Tuniken an und bereiteten uns auf den Sprung ins Wasser vor. Cara war aus dem Kielraum zurückgekehrt. Sie wirkte etwas bleich; die schlechte Luft dort unten hatte ihr zugesetzt. Ihre Beine waren mit Sand bedeckt. Sie hielt zwei große Flaschen roten Ka-la-na-Wein in der Hand.

»Hol einen Beutel mit Bechern«, sagte Rim.

»Ja, Herr.«

»Ruder einziehen!« brüllte Thurnock.

Wir waren nur noch wenige Meter vom Strand entfernt. Ich hörte, wie die Ruder eingezogen wurden. Zwei Seeleute beiderseits des Bugs stemmten sich gegen riesige lange Temholzstangen, die die Fahrt der Tesephone bremsten. Gleich darauf kam das Schiff zur Ruhe und begann zu dümpeln.

Zwei weitere Stangen wurden am Heck angebracht, damit das Schiff nicht herumgedreht wurde.

Ein vorzügliches Manöver. Der Tarnkopf am Bug schwankte langsam auf und ab und beobachtete den Strand.

Ich schwang mich über die Bordwand, wobei ich mein Schwert samt Scheide und Gürtel in einer Hand über den Kopf hielt. Das Wasser, das mir bis zur Hüfte reichte, war sehr kalt.

Ein Plätschern hinter mir verriet, daß Rim mir gefolgt war.

Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Cara in die Arme ihres Herrn hinabgesenkt wurde. Doch Rim trug sie nicht ans Ufer, sondern setzte sie im kalten Wasser ab.

Ich spürte den Sand des Strandes unter den Füßen. Nach goreanischer Art warf ich mir das Schwert über die linke Schulter. Der Sand war heiß.

Die Gesetzlosen – ich sah nun, daß die Gruppe aus insgesamt sechs Männern bestand – kamen uns mit den Panthermädchen entgegen.

»Rim!« lachte der Mann, der Arn hieß. »Wie ich sehe, bist du den Frauen in die Hände gefallen!« Er begann zu lachen.

Rim hatte absichtlich keine Mütze aufgesetzt, um seine Schande zu verbergen. Sein Haar war fast wieder ausgewachsen, doch der Streifen war noch zu sehen.

»Sollen wir das Thema mit dem Schwert erörtern?« fragte er.

»Nein!« lachte Arn. »Es gibt wichtigere Dinge!«

Wir setzten uns mit untergeschlagenen Beinen in den Sand. Cara begann uns zu bedienen.

»Was gibt es Neues?« fragte Arn.

»Wir sind auf dem Thassa unterwegs gewesen«, sagte Rim. »Wir wissen nichts zu berichten.«

»Vor vier Tagen«, bemerkte Arn, »war ich in der Verkleidung eines Bettlers in Lydius.«

»Hast du gute Geschäfte gemacht?« wollte Rim wissen.

»Ich vermochte eine Waffendrohung in ein paar Goldstücke umzumünzen«, sagte Arn.

»Es sind gute Zeiten«, bemerkte Rim. »Gab es sonst etwas Neues in Lydius?«

»Der Preis für ein gutes Sleenfell beträgt jetzt einen Silbertark«, erwiderte Arn und hielt Cara seine Weinschale hin. »Mehr Wein«, sagte er und musterte das Mädchen interessiert.

Cara gehorchte und kniete erschrocken neben ihrem Herrn nieder. Sie hatte sichtlich Angst, wieder den Besitzer zu wechseln.

»Gibt es sonst noch Neuigkeiten aus Lydius?«

Arn lächelte. »Vor fünf Tagen war Marlenus aus Ar in der Stadt.«

»Was sucht der große Ubar so fern von Ar?« wollte Rim wissen.

»Er jagt Verna«, entgegnete Arn.

Bei diesem Wort glaubte ich ein leichtes Schulterzucken bei einem der gefesselten Panthermädchen zu bemerken.

»Er hatte Verna gefangen«, fuhr Arn fort, »doch sie ist ihm entwischt. Das hat Marlenus furchtbar geärgert.«

»Außerdem«, sagte einer seiner Männer, »soll Verna nun seine Tochter gefangenhalten.«

Arn lachte.

»Wo ist Marlenus jetzt?« fragte ich.

»Das weiß ich nicht«, sagte Arn. »Doch von Lydius aus wollte er dem Fluß nach Laura folgen, zweihundert Pasang stromaufwärts. Dort will er wohl in den Wald vordringen.«

»Schauen wir uns die Mädchen an«, sagte Rim und deutete mit einer Kopfbewegung auf die gefesselten Panthermädchen.

»Hockt euch gerade hin«, befahl Arn.

Die beiden Mädchen hoben die Köpfe. Sie waren beide blond und blauäugig und sehr hübsch.

»Großartige Ware!« sagte Arn.

Rim zuckte nur die Achseln.

Ich hatte mir vorgenommen, ihn gewähren zu lassen, obwohl mir daran lag, zumindest eins der Mädchen zu erwerben. Ich hoffte durch sie Informationen über Vernas Aufenthaltsort zu erhalten. Allein aus diesem Grund hatte ich das Boot gestoppt.

Nach langem Feilschen wechselten die beiden Panthermädchen für je eine silberne Tarnscheibe den Besitzer.


»Der hier«, sagte das Panthermädchen und deutete mit einem Messer auf die hängende Gestalt, »ist interessant. Wir haben viel Spaß mit ihm gehabt.«

Es war am Nachmittag des folgenden Tages.

Wir waren an der Westküste des Thassa nordwärts gefahren, den Wald zu unserer Rechten. Nun befanden wir uns knapp zehn Pasang von der Austauschstelle entfernt, an der wir am Tag zuvor die beiden Panthermädchen erworben hatten. An solchen Orten kommen sich männliche und weibliche Gesetzlose nicht ins Gehege. Jeder beschränkt sich auf seinen Markt, da es von gegenseitigem Vorteil ist, sichere Handelsstationen zu schaffen, wo man über längere Zeit hinweg Geschäfte machen kann.

Zwei Männer waren hier an Holzgestellen aufgehängt, erschöpft, ausgemergelt. Sie standen zum Verkauf. Die Panthermädchen hatten ihnen einen breiten Haarstreifen abrasiert.

»An dieser Austauschstelle«, flüsterte Rim mir zu, »bin auch ich verkauft worden.«

Das Panthermädchen Sheera, die Anführerin dieser Gruppe, hockte wie ein Mann im warmen Sand. Sie war eine kräftige schwarzhaarige junge Frau und trug eine Kette aus Klauen und goldenen Talismanen um den Hals. Geflochtene Goldbänder zierten ihre bronzefarbenen Arme. Am Gürtel trug sie eine Messerscheide. Die Waffe hielt sie in der Hand und unterstrich damit ihre Worte.

»Wir wollen handeln.«

Im Grunde interessierten mich die Sklaven nicht, die sie zu bieten hatte. Ich war auf Informationen aus. Die Panthermädchen waren frei. Wer konnte wissen, was sie erfahren hatten?

Arrogant ließ sich Sheera von Cara bedienen. Panthermädchen leben allein in den nördlichen Wäldern und ernähren sich durch die Jagd, den Sklavenhandel und gelegentliche Überfälle. Sie haben vor nichts Respekt außer vor ihresgleichen und den Tieren, die sie jagen – insbesondere den Waldpanther dieser Welt und den schnellen, beweglichen Sleen.

Sheera starrte mich mit finsterem Blick an und stieß das Messer in den Sand. »Was bekomme ich für die beiden Sklaven?« fragte sie.

»Ich hatte eigentlich erwartet, Verna hier anzutreffen. Stimmt es nicht, daß sie sonst ihre Verkäufe hier tätigt?«

»Ich bin Vernas Feind«, sagte Sheera hart und trieb die Messerklinge tief in den Sand.

»Oh«, sagte ich nur.

»Viele Mädchen verkaufen hier an diesem Ort. Und Verna ist heute nicht hier. Heute verkauft Sheera. Wie hoch ist dein Gebot?«

»Wie man hört«, schaltete sich Rim ein, »hat Verna stets die beste Ware.«

Ich lächelte bei dem Gedanken, daß auch Rim von Verna und ihren Mädchen verkauft worden war. Für einen Gesetzlosen war Rim kein übler Bursche.

»Wir verkaufen, was wir fangen«, sagte Sheera und deutete auf ihre beiden Opfer.

Die Männer waren zerschunden und mitgenommen. Diese wilden Katzen hatten sie zweifellos nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt.

Sie interessierten mich eigentlich nicht, doch ich wollte sie nicht weiter der Willkür der Panthermädchen überlassen. Ich wollte sie kaufen.

»Du hast davon gesprochen, du seist Vernas Feindin«, sagte ich. »Wir möchten sie gern kennenlernen. Weißt du, wo ich sie finden kann?«

Sheera kniff die Augen zusammen. »Überall«, sagte sie.

»Ich habe gehört«, fuhr ich fort, »daß sich Verna und ihre Gruppe irgendwo nördlich von Laura herumtreiben.«

Das kurze Aufblitzen in Sheeras Augen verriet mir, was ich wissen wollte.

»Möglich«, sagte sie achselzuckend.

Die Information über Vernas Gruppe hatte ich von einem Mädchen, das bis vor kurzem als Sklavin in meinem Haus gedient hatte – von einer gewissen El-in-or. Sie gehörte jetzt Rask aus Treve.

Sheeras unfreiwillige Reaktion hatte El-in-ors Information bestätigt.

Natürlich war es noch immer sehr schwierig, Vernas Lager oder ihren Tanzkreis ausfindig zu machen. Jede Bande Panthermädchen hatte im allgemeinen ein halbbefestigtes Lager für den Winter und einen Tanzkreis. Hier toben die Mädchen, wenn ab und zu ihre unterdrückte Sexualität an die Oberfläche dringt, ihre Emotionen aus. An solchen Orten wird auch oft die Versklavung von Männern vollzogen.

Rim war zwar in Vernas Gewalt gewesen, doch er hatte weder das Lager noch den Tanzkreis gesehen.

»Vernas Lager«, sagte ich gelassen zu Sheera, »liegt nicht nur nördlich von Laura, sondern auch westlich davon.«

Sie schien verblüfft zu sein. Wieder vermochte ich in ihren Augen zu lesen. Doch diesmal hatte ich nicht ins Schwarze getroffen. Vernas Lager befand sich also im Nordosten Lauras.

»Möchtest du die Sklaven kaufen oder nicht?« fragte Sheera.

»Ja, natürlich«, antwortete ich lächelnd.

Ich hatte alle Informationen aus ihr herausgeholt, die ich bekommen würde. Es wäre jedenfalls unklug gewesen, weiter in sie zu dringen. Sie war bereits mißtrauisch geworden. Genauere Informationen hoffte ich von den beiden Panthermädchen zu erhalten, die an Bord der Tesephone warteten. Wenn ich sie richtig verhörte, ließen sie sich vielleicht entlocken, wo Verna zu finden war. Bei Sheera hatte ich jedenfalls genug erfahren, um die Reaktionen meiner Gefangenen zu beurteilen.

»Für jeden ein Stahlmesser und vierzig stählerne Pfeilspitzen«, sagte ich.

»Einverstanden«, erwiderte sie. »Dazu aber ein Steingewicht Kandis für jeden.«

»Gut«, sagte ich.

Daraufhin schlug sie sich lachend auf die Knie. Die Mädchen schienen sich zu freuen. Es gab wenig Zucker im Wald, so daß dieses Nahrungsmittel bei den Panthermädchen eine Rarität darstellte. Es kam durchaus vor, daß ein männlicher Sklave für eine Handvoll Zuckerstücke verkauft wurde.

Ich ließ die Tauschwaren vom Schiff holen und den Kandiszucker auswiegen.

Sheera und die Mädchen paßten genau auf und zählten zweimal ihre Pfeilspitzen.

Schließlich stand Sheera zufrieden auf. »Nehmt die Sklaven.«

Meine Begleiter schnitten die armen Männer von den Gestellen los und halfen ihnen zum Wasser. Die Mädchen riefen Spottworte hinter ihren Gefangenen her.

Auf Gor sind männliche Sklaven nicht besonders wertvoll. Die meiste Arbeit wird von freien Männern getan. Im allgemeinen werden Sklaven auf Frachtgaleeren, in Bergwerken und auf den großen Bauernhöfen eingesetzt, oft auch als Träger in den Häfen. Sie erreichen meistens nur einen Bruchteil der Preise, die für Sklavinnen gezahlt werden.

Kurz darauf stießen unsere beiden Seeleute die Tesephone mit ihren schwarzen Temholzstangen vom Ufer los.

»Nach Lydius!« sagte ich zu Thurnock.

»Ruder raus!« brüllte er.

Die Ruder wurden ins Freie geschoben.

Mit knirschenden Seilen und Flaschenzügen stieg der lange, schräge Segelbaum am Mast empor, das Segel noch aufgegeit.

Ich sah Sheera, die knietief im Wasser stand. Die Sonne spiegelte sich im Gold ihrer Halskette und ihrer Armbänder.

»Kommt mal wieder!« rief sie. »Vielleicht können wir euch noch mehr Männer verkaufen!«

Ich hob zur Erwiderung die Hand und wandte mich an Thurnock. »Halbe Schlagzahl«, sagte ich.

»Ruder fertig!« rief er. »Halbe Schlagzahl! Los!«

In vollkommenem Rhythmus tauchten die Ruderblätter ein und wurden durch das schimmernde Wasser gezogen. Sanft begann sich die Tesephone zu drehen, ihr Bug richtete sich nach Süden, suchte Lydius.

Ich rief einem Seemann zu: »Bring die beiden Sklaven nach unten. Ihre Wunden sollen versorgt werden. Sie müssen sich ausruhen.«

»Ja, Kapitän.«

Ich blickte zur Küste zurück. Sheera und ihre Mädchen waren bereits wie Panther in der Dunkelheit des Waldes verschwunden. Die Rahmen, an denen die beiden Gefangenen gestanden hatten, waren leer.

»Aus dem ersten Laderaum holst du mir dann die beiden Panthermädchen und kettest sie hier oben an.«

Mehrere Seeleute kletterten nun am großen Segelbaum entlang und lösten die Seile, die das große Tarnsegel festhielten.

Die goreanischen Galeeren haben im allgemeinen mehrere Segel an Bord, die sich nach drei Typen unterscheiden – Gutwettersegel, Tarnsegel und Sturmsegel. Innerhalb jeder Gattung gibt es je nach Schiff mehrere Unterschiede. Die Tesephone hatte vier Segel mit – ein Schönwettersegel, zwei Arten Tarnsegel und ein Sturmsegel. Das Schönwettersegel ist ziemlich groß, um auch bei leichter Brise jeden Lufthauch auszunutzen. Die Tarnsegel finden sich am häufigsten an den Masten eines Tarnschiffs und haben ihren Namen von dieser Schiffsgattung. Das Sturmsegel hat eine ziemlich kleine Segelfläche und dient dazu, das Schiff vor einem schweren Sturm laufen zu lassen; es dient oft als »Fluchtsegel«, denn es gibt Situationen, da ein Schiff von den mächtigen Wogen zerschlagen würde, wenn es nicht vor dem Unwetter treiben könnte. Die goreanischen Galeeren, besonders die Rammschiffe, sind auf Geschwindigkeit und Wendigkeit beim Kampf angelegt. Ihre Hülle setzt einer stürmischen See keinen großen Widerstand entgegen. Bei einem Kampf gegen fünfzehn Meter hohe Wellen, die mit voller Wucht zuschlagen, ist ein solches Schiff meistens verloren. Es ist oft geschehen, daß Galeeren bei Stürmen trotz aller Verstrebungen und Ketten in zwei Teile zerbrachen. Zum Segelwechsel wird der Baum herabgelassen und dann wieder aufgezogen. Bei der üblichen goreanischen Lateinsegeltakelage gibt es keine Möglichkeit, die Segel zu reffen, wie bei Rahseglern. Deshalb die verschiedenen Segel. Die Reffschnüre waren bei einem solchen Dreieckssegler im Grunde nur dazu da, das Segel festzubinden oder für den Wind zu öffnen. Andererseits hat ein solcher Segler mit seinem mächtigen schrägstehenden Segelbaum herrliche Segeleigenschaften und kann unglaublich dicht an den Wind gehen.

Die beiden Mädchen wurden aus dem Laderaum geholt und hinter der offenen Küche an Deck festgekettet. Es roch nach Boskbraten und gekochtem Vulofleisch. Ein herrlicher Duft!

Ich hielt einem der Mädchen ein gebratenes Vulobein hin.

Ich saß zwischen den beiden, dicht neben der offenen Küche. Sie hatten noch nichts zu essen bekommen, seit sie an Bord gekommen waren, wenn ich auch dafür gesorgt hatte, daß sie Wasser bekamen. Beide Mädchen mußten halb verhungert sein.

Ein Mädchen näherte sich mit dem Kopf dem leckeren Braten und öffnete den Mund.

Ich zog das Fleisch zurück. »Ich möchte wissen, wo ein bestimmtes Panthermädchen ihr Lager hat.«

»Wir wissen nichts«, sagte das Mädchen.

»Das Mädchen heißt Verna.«

Mir entging nicht, daß sie den Namen kannten. »Ihr wißt bestimmt ungefähr die Lage des Lagers und ihres Tanzkreises.«

»Wir haben keine Ahnung.«

»Ihr werdet es mir sagen«, beharrte ich.

»Wir sind Panthermädchen!« fauchte die eine und stieß das Fleisch zurück.

»Wie ihr wollt«, sagte ich und wandte mich an Thurnock. »Bringt sie wieder nach unten! Und zwar in den Kielraum!«


Am nächsten Abend waren die Mädchen reif. Ausgehungert, mit nassem Sand bedeckt, so standen sie mir inmitten der köstlichen Küchendüfte gegenüber. Die beiden zitterten und hatten die Schultern hochgezogen.

»Nun?« fragte ich.

»Das Lager und der Tanzkreis Vernas«, sagte das eine Mädchen, »liegen nordöstlich von Laura. An den Sklavengehegen am Rand Lauras mußt du nach einem Turbaum Ausschau halten, der drei Meter über dem Boden mit einer Speerspitze gekennzeichnet ist. Von diesem Baum aus mußt du in nördlicher Richtung gehen und dabei ähnlich markierten Bäumen folgen, die etwa einen Viertel-Pasang voneinander entfernt sind. Es gibt fünfzig solche Bäume. Der fünfzigste trägt ein doppeltes Zeichen. Dort mußt du nach Nordosten weitergehen. Wieder sind die Bäume markiert, jetzt aber unten an der Wurzel. Zwanzig Bäume. Dann mußt du auf einen Turbaum achten, der durch Blitzschlag gespalten wurde. Einen Pasang nordnordöstlich dieses Baums beginnen wieder gekennzeichnete Bäume. Zwanzig Bäume dieser Art folgen, und du erreichst Vernas Tanzkreis. Ihr Lager, am Nordufer eines kleinen Flusses, ist gut versteckt und liegt zwei Pasang im Norden.«

Beide Mädchen hoben erwartungsvoll die Köpfe.

»Gebt ihnen zu essen«, sagte ich zu einem Seemann. »Und morgen sollen sie in Lydius verkauft werden.«

Ich hatte erfahren, was ich wissen wollte.

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