20

Ich ließ meine Klinge vorzucken.

Ein Mann taumelte zur Seite.

»Tötet ihn!« kreischte Sarus.

Wieder hieb ich zu und sprang dabei zur Seite. Ein Mann sank auf Hände und Knie nieder, und Blut befleckte seine gelbe Tunika. Ich machte kehrt und stach noch zweimal zu. Zwei weitere Männer gingen zu Boden. Und wieder zwei schnelle, gut gezielte Hiebe.

»Tötet ihn!« forderte Sarus verzweifelt.

Ich bewegte mich blitzschnell hierhin und dorthin, verharrte kaum eine Sekunde an einem Ort. Und wieder fand ich zwei Opfer. Ich spürte eine Klinge meine Tunika durchtrennen, spürte Blut an der Hüfte hinablaufen. Doch wieder sprang ich los. Ich hörte das Schnappen einer Armbrust, das Zischen des Pfeils. Hinter mir gellte ein Schrei auf. Ich mußte zum Feuer! Erneut trat mein Schwert in Aktion. In der Menge der Tyrer gab es eine zweite geladene Armbrust, deren Stellung ich zu wissen glaubte. Ich bewegte mich so, daß immer ein Tyrer zwischen mir und dem Schützen stand.

»Zur Seite!« brüllte ein Mann.

Ich wehrte den Schwertstoß eines Gegners ab. Eine Klinge traf mich am Arm und zerfetzte meinen Ärmel. Blut lief über meine Hand.

Der Kriegsschrei Ko-ro-bas kam wild über meine Lippen. Mit heftigen Fußbewegungen zertrat ich das Feuer, so daß es innerhalb der Palisade plötzlich dunkel wurde.

Die gefesselten Panthermädchen begannen zu kreischen.

»Feuer! Fackeln!« brüllte Sarus.

Nicht umsonst hatte ich das Gelb der Tyrer angelegt. Ich bewegte mich wie einer von ihnen durch das Lager. Und wohin ich kam, starb ein Gegner.

»Wo ist er?« fragte jemand.

Mit schneller Bewegung tötete ich den Mann mit der zweiten Armbrust. Er hätte wissen müssen, daß er ein wichtiger Kämpfer war. Er hätte den Standort wechseln müssen.

Ich drängte mich durch das Gewirr der Männer und beugte mich über die Sklavinnen, die im hinteren Teil des Lagers am Boden lagen.

Sheera befand sich, wie ich mich erinnerte, am Ende einer Reihe. In Sekundenschnelle schnitt ich sie los und tastete mich dann weiter, bis ich Verna erreichte. Auch sie wurde von ihren Fesseln befreit.

Plötzlich leuchtete in meiner Nähe eine Fackel auf. »Hier ist er!« brüllte jemand.

Die Fackel verlöschte. Meine Klinge zuckte zurück, löste sich von dem fallenden Körper.

»Fackeln!« befahl Sarus. »Schürt das Feuer!«

Wieder eilte ich durch die Dunkelheit. Zwei Männer starben.

»Ich habe ihn!« rief ein Mann. »Ich habe ihn getötet!«

Doch er mußte ein anderes Opfer gefunden haben.

Ich setzte meinen Vernichtungsfeldzug im Schutze der Dunkelheit fort.

»Laßt die Mädchen frei!« rief Sarus. Plötzlich brauchte er sie wieder.

Ich sah zwei Tyrer zum Tor rennen. Dort machten sie sich am Querbalken zu schaffen.

»Halt!« brüllte Sarus.

Doch die Männer kümmerten sich nicht um ihren Anführer.

Ein gelbgekleideter Tyrer ging plötzlich mit dem Speer auf mich los. Ich wußte nicht, ob er mich erkannt hatte. Ich fuhr herum und ließ die Speerspitze an mir vorbeizucken. Der Schwung des Stoßes trieb den Mann in die Reichweite meiner Klinge. Der Speer blieb in meiner Hand zurück.

Die Szene am Tor hatte sich weiter belebt. Vier Männer standen nun am Riegelbalken und schoben ihn in seinen Lederschleifen zur Seite.

»Beeilt euch!« rief ein Mann mit einer Fackel.

»Halt, ihr Feiglinge!« brüllte Sarus.

Als der Riegel fast aus den Schlingen war, verließ der mächtige goreanische Speer meine Hand. Dann griff ich wieder nach meinem Schwert, das ich vorübergehend in den Sand gestoßen hatte, und verschwand seitwärts in den Schatten.

Die Männer wichen vom Tor zurück. Einer war von dem Speer in den Rücken getroffen worden. Der Wurf war so wuchtig, daß der Mann an dem Balken festgenagelt war und den Weg versperrte.

»Sarus hat das getan! Sarus bringt seine eigenen Leute um!« brüllte der Mann mit der Fackel.

Die Männer am Tor drehten sich wütend um. Mehrere hoben ihre Schwerter.

»Ich doch nicht, ihr Narren!« schrie Sarus. »Der Feind! Der Feind!«

Vier Männer, die außer sich waren vor Wut oder Angst, begannen gegen andere Tyrer anzustürmen.

Ich sah Hura, die von ihren Fesseln befreit worden war. Sie huschte davon.

Ich schlich vorsichtig an der Innenseite der Palisadenmauer entlang. Ich mußte das Tor halten.

»Nicht kämpfen!« brüllte Sarus seine Männer an. »Ihr müßt den Gegner finden!«

Nach einiger Zeit trennten sich die Streithähne. Einige reglose Gestalten blieben zurück.

Auch Mira und andere Panthermädchen wurden nun befreit. Eine griff nach ihren Waffen.

Im nächsten Augenblick stürzte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit auf sie und rollte mit ihr durch den Schmutz. Es war Sheera.

Am Tor zerrten zwei Männer verzweifelt an dem Speer, der ihren Kampfgefährten am Riegelbalken festhielt. Vier andere drängten sich um sie. Ich huschte aus der Dunkelheit herbei und fand viermal mein Ziel. Endlich wurde der Speer herausgerissen, und die Leiche zur Seite gestoßen. Die beiden Männer drehten sich um und sahen mich. Zweimal zuckte meine Klinge durch die Dunkelheit.

»Holt eure Waffen!« rief Hura ihren Mädchen zu.

»Unsere Bogensehnen sind durchgeschnitten!« gab ein Panthermädchen zur Antwort. Auch andere schrien entrüstet auf. Von irgendwo hörte ich Vernas Lachen.

»Wir müssen fliehen!« rief eins der Panthermädchen.

»Unsere Speere sind verschwunden!« rief ein anderes Mädchen. »Auch unsere Messer!«

In der Mitte des Lagers kämpften Männer gegeneinander. Zwei Tyrer hauchten ihr Leben aus, von ihrem Kampfgefährten getroffen.

»Hört auf zu kämpfen!« brüllte Sarus immer wieder. »Im Namen Chenbars! Formt einen Kreis um mich!«

Niemand wußte, wo ich mich aufhielt.

»Bitte!« flehte Hura. »Wir haben keine Waffen. Nehmt uns in euren Kreis!«

»Schnell!« knurrte Sarus und ließ die Mädchen durch. Es brannten keine Fackeln mehr im Lager, und er konnte sich nicht orientieren.

»Bosk aus Port Kar!« rief er. »Bosk aus Port Kar!«

Natürlich antwortete ich ihm nicht.

Ich fragte mich, wo Sheera und Verna stecken mochten.

»Du hast dich vorzüglich geschlagen!« rief Sarus. »Aber jetzt haben wir uns formiert. Du kannst uns nicht mehr überraschen. Bald haben wir Fackeln, bald brennt das Feuer wieder.«

Doch ich antwortete ihm nicht.

»Wir fürchten dich nicht mehr!« rief er. »Aber damit es kein weiteres Blutvergießen gibt, wollen wir großzügig sein. Du kannst alle Frauen haben – alle.«

Huras Mädchen begannen wütend zu protestieren.

»Auch biete ich dir alle männlichen Sklaven, einschließlich deiner Leute an. Nur Marlenus, den Ubar aus Ar, den werde ich behalten. Ihn muß ich behalten. Akzeptierst du diese Bedingungen?«

Ich schwieg.

»Er ist fort!« rief ein Tyrer. »Er ist geflohen.«

»Bleibt in Formation!« brüllte Sarus und benannte zwei seiner Männer, die Holz holen sollten.

Gedeckt von ihren Leuten, machten sich die beiden Tyrer daran, im Innern des Lagers Holz zu sammeln – vorwiegend die Überreste des Feuers, das ich vorhin gelöscht hatte.

»Hier ist er!« rief plötzlich eine Stimme. Es war Rim. Mein Herz machte einen Sprung.

»Bleibt hier!« brüllte Sarus, doch schon waren zwei Männer auf Rims Stimme zugeeilt.

»Hier ist er nicht!« rief einer der beiden.

Doch das war ein Irrtum. Zweimal traf meine Klinge ihr Ziel.

»Er ist hier!« kreischte eine Mädchenstimme.

Die Tyrer hätten eigentlich wissen müssen, daß ja alle Sklavinnen gefesselt und geknebelt waren und daß sich Huras Panthermädchen in ihrem Kreis befanden.

Wieder rannten zwei Männer los. Wieder fanden sie mich nicht.

Dafür fand ich sie.

»Wir müssen fliehen!« rief einer der Tyrer. »Er wird uns alle töten.«

Er rannte auf das Tor zu, doch ich erwischte ihn rechtzeitig. Dann drehte ich mich vor dem Tor um.

»Fackeln!« befahl Sarus.

Nach einigen Sekunden brannten zwei Fackeln, und innerhalb des Kreises der Tyrer loderte ein Feuer auf.

Die Männer starrten mich an. Nur noch sieben waren übrig – und ihr Anführer Sarus. Sie waren abgekämpft. Da und dort stöhnten Verwundete in der Dunkelheit.

Meine Tunika war an der linken Seite blutbeschmiert. Auch der Schnitt am linken Arm schmerzte immer mehr.

»Ich bin hier, Sarus!« rief ich.

Sarus wandte sich an seine Gefolgsleute. »Sucht die Armbrüste!« befahl er. Ich lehnte mich an das Tor und schüttelte den Kopf.

Ich hatte einen der beiden Armbrustschützen getötet, wußte aber nicht, was aus seiner Waffe geworden war. Den zweiten Armbrustschützen hatte ich nicht gesehen, auch waren keine Pfeile aus dem Hinterhalt auf mich abgeschossen worden.

Ich wußte nicht, wo die beiden Armbrüste waren – das war ein Fehler.

Sarus lächelte. »Sucht die Armbrüste!« wiederholte er seinen Befehl.

»Hier sind sie!« sagte eine leise Frauenstimme neben mir. Es war Sheera. Auf der anderen Seite stand Verna, die ebenfalls eine Armbrust hielt.

»Du hast verloren, Sarus«, rief ich.

Doch Sarus lachte nur. »Ich habe nicht verloren!« rief er. »Seht hinter euch! Du hast verloren, Bosk aus Port Kar!«

Durch einen Spalt in der Palisadenmauer sah ich Laternen unten am Strand. Zwei Langboote voller Männer waren gelandet.

»Es sind die Männer von der Rhoda und der Tesephone!« sagte Sarus. »Du hast verloren, Bosk aus Port Kar!«

Ich wandte mich um und schob bedächtig das Schwert in die Scheide. Langsam zog ich den schweren Balken zurück und öffnete das Tor.

Ein großer Mann in der gelben Tunika eines Tyrers trat grinsend vor. Im Oberkiefer rechts fehlte ihm ein Zahn.

»Sei gegrüßt, Kapitän«, sagte Thurnock.

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