Arnaldur Indridason Engelsstimme

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

Aus HÄLFTE DES LEBENS von Friedrich Hölderlin


Endlich war der Augenblick gekommen. Der Vorhang ging hoch, der Saal lag vor ihm. Es war ein wunderbares Gefühl, von all diesen Leuten angeblickt zu werden, und seine Schüchternheit verflog im Nu. Er sah einige seiner Schulkameraden und Lehrer, und sogar der Rektor war anwesend, der ihm wohlwollend zuzunicken schien. Aber sonst kannte er nur wenige. All diese Leute hatten sich eingefunden, um ihn zu hören, seine schöne Stimme zu hören, die auch im Ausland bereits Aufsehen erregt hatte.

Das Summen im Saal verstummte allmählich, und aller Augen waren in schweigender Erwartung auf ihn gerichtet.

Er sah seinen Vater in der Mitte der ersten Reihe mit übereinander geschlagenen Beinen sitzen, sah seine dicke, schwarze Hornbrille und auf dem Knie den Hut liegen. Er sah, dass er das Opernglas auf ihn gerichtet hatte und ihm aufmunternd zulächelte, das hier war für sie beide die große Stunde in ihrem Leben. Von jetzt an würde nichts mehr so sein wie früher.

Der Chordirigent hob die Hände. Schweigen senkte sich über den Saal.

Und er begann zu singen, mit dieser reinen, schönen Stimme, von der sein Vater sagte, es sei eine Engelsstimme.

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