Zweiter Tag

Fünf

Der Empfangschef war nicht zur Arbeit erschienen, als Erlendur am nächsten Morgen in die Lobby kam und nach ihm fragte. Keiner wusste, warum, er hatte nicht angerufen und sich krank gemeldet oder gesagt, dass er sich freinehmen würde, um irgendetwas zu erledigen. Eine Frau Mitte dreißig sagte Erlendur, dass es in der Tat ziemlich merkwürdig sei, dass der Empfangschef nicht zur festgesetzten Zeit bei der Arbeit erschienen war, denn der Mann sei immer superpünktlich. Und ganz unbegreiflich, dass er nicht angerufen hatte, falls er sich freinehmen wollte.

Sie berichtete Erlendur alles sehr freimütig, immer wieder unterbrochen von einer Mitarbeiterin des Krankenhauslabors, die ihr die Speichelprobe entnahm. Insgesamt drei Laborantinnen waren damit beschäftigt, die genetischen Fingerabdrücke des Hotelpersonals zu erfassen. Einige andere gingen zu den Privatadressen derer, die frei hatten.

Bald würden die Speichelproben aller derzeitigen Hotelangestellten vorliegen, um mit dem Speichel am Kondom des Weihnachtsmanns verglichen zu werden.

Kriminalpolizisten vernahmen die Angestellten, um festzustellen, inwieweit sie mit Guðlaugur bekannt gewesen waren, und wo jeder Einzelne sich gestern am späten Nachmittag aufgehalten hatte. Die gesamte Mordkommission beteiligte sich an jenem Stadium der Ermittlung, das in der Hauptsache noch aus Sammeln von Informationen und Beweismaterial bestand.

»Was ist mit denen, die bis vor kurzem hier gearbeitet haben oder schon vor einiger Zeit hier aufgehört haben, die kannten den Weihnachtsmann doch auch?«, fragte Sigurður Óli. Er setzte sich zu Erlendur in den Speisesaal und sah zu, wie der sich genüsslich Hering und dunkles Roggenbrot, gekochten Schinken, Toastbrot und dampfenden Kaffee einverleibte.

»Wir sehen erst mal, was jetzt beim ersten Anlauf herauskommt«, erwiderte Erlendur und schlürfte den heißen Kaffee. »Hast du etwas über diesen Guðlaugur herausgefunden?«

»Nicht viel. Über ihn scheint es nicht viel zu sagen zu geben. Er war achtundvierzig Jahre alt, unverheiratet und kinderlos. Hat über zwanzig Jahre hier im Hotel gearbeitet.

Es sieht so aus, als hätte er die ganzen Jahre da unten in dem Kellerloch gewohnt. Seinerzeit sollte das wohl nur eine Übergangslösung sein, so sagt jedenfalls der fette Hotelmanager, aber er behauptet, auch nicht viel mehr darüber zu wissen. Er hat mir geraten, mit seinem Vorgänger zu sprechen, der hat nämlich seinerzeit den Deal mit Guðlaugur gemacht. Fettkloß war der Meinung, dass Guðlaugur damals die Wohnung gekündigt worden war und er die Erlaubnis erhielt, sein Zeugs hier im Keller aufzubewahren. Und das hat dann einfach dazu geführt, dass er dort hängen geblieben ist.«

Sigurður Óli schwieg eine Weile.

»Elinborg hat mir gesagt, dass du hier im Hotel übernachtet hast.«

»Kaum zu empfehlen. Das Zimmer ist kalt, und man hat keine Ruhe vor dem Personal. Aber das Essen ist gut. Wo ist Elinborg?«

Im Frühstücksraum war Betrieb, und der Saal summte unter den lebhaften Gesprächen der Gäste, die sich am Frühstücksbüfett bedienten. Die meisten waren Ausländer in Wollpullovern und Bergschuhen. Sie waren dick vermummt, obwohl sie eigentlich nur ins Stadtzentrum wollten, das gerade mal zehn Minuten entfernt war. Kellner sorgten dafür, dass die Kaffeetassen nicht leer wurden, und räumten gebrauchte Teller ab. Aus der Lautsprecheranlage klangen getragene Weihnachtslieder.

»Die Hauptverhandlung ist heute, das weißt du doch«, sagte Sigurður Óli.

»Ja.«

»Elínborg ist dort. Was glaubst du, wie das ausgehen wird?«

»Wahrscheinlich kriegt er ein paar Monate auf Bewährung. Wie immer bei diesen miesen Richtern.«

»Er wird doch wohl kaum den Jungen behalten dürfen.«

»Ich weiß es nicht«, sagte Erlendur.

»Was für ein Dreckskerl«, sagte Sigurður Óli. »Er gehörte auf dem Lækjartorg an den Pranger gestellt.«

Elinborg hatte die Ermittlung geleitet. Ein acht Jahre alter Junge war mit schweren Körperverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Aus ihm war nichts herauszuholen gewesen, was den Tathergang betraf. Man ging zunächst davon aus, dass ältere Schulkameraden außerhalb des Schulgeländes über ihn hergefallen waren und ihn so zugerichtet hatten; ein Arm war gebrochen, die Kiefer waren angeknackst und zwei Zähne im Oberkiefer fehlten.

Sein Vater kam kurz darauf aus der Arbeit nach Hause und verständigte die Polizei. Ein Krankenwagen lieferte den Jungen ins Krankenhaus ein.

Der Junge war ein Einzelkind. Seine Mutter befand sich in der psychiatrischen Klinik, als der Überfall stattfand.

Er lebte allein mit seinem Vater in einem schönen, zweistöckigen Haus mit fantastischer Aussicht im Stadtviertel Breiðholt. Der Vater, geschäftsführender Direktor einer Internet-Firma, war erwartungsgemäß erschüttert über diesen Überfall und sprach davon, sich an den Jungen rächen zu wollen, die seinen Sohn so zugerichtet hatten.

Er verlangte, dass Elínborg die Täter ausfindig machen müsse.

Elinborg wäre vermutlich der Wahrheit nie auf die Spur gekommen, wenn das Haus nicht zwei Etagen gehabt hätte und das Zimmer des Jungen in der oberen gewesen wäre.

»Sie nimmt sich das viel zu sehr zu Herzen«, sagte Sigurður Óli. »Elinborg hat natürlich selber einen Sohn in diesem Alter.«

»Man darf sich nicht zu sehr von so was beeinflussen lassen«, antwortete Erlendur, der mit seinen Gedanken weit weg war.

»Und das sagst ausgerechnet du?«

Die friedliche Stimmung im Frühstücksraum wurde plötzlich durch Lärm, der aus der Küche herausdrang, gestört.

Ein Mann schimpfte lautstark und stritt sich mit jemandem, man konnte jedoch nicht hören, über was. Erlendur und Sigurður Óli standen auf und gingen Richtung Küche.

Die Stimme gehörte dem Chefkoch, der Erlendur mit der Rinderzunge ertappt hatte. Er ließ seinen Zorn an der Laborantin aus, die ihm eine Speichelprobe entnehmen wollte.

»… und jetzt zieh endlich ab mit deinen Scheißpinnchen«, schrie der Koch eine Frau um die fünfzig an. Ihr Handwerkszeug stand auf dem Tisch. Trotz seines Wutanfalls blieb sie höflich, aber bestimmt, und das trug nicht dazu bei, seinen Zorn zu mildern. Als er Erlendur und Sigurður Óli erblickte, geriet sein Blut noch mehr in Wallung.

»Seid ihr wahnsinnig geworden?«, schrie er. »Glaubt ihr wirklich, ich wäre unten bei Gulli gewesen und hätte ihm einen Präser über den Schwanz gezogen? Ihr tickt wohl nicht ganz frisch, ihr Saftärsche. Das hier kommt überhaupt nicht infrage, das kommt überhaupt nicht infrage.

Mir ist scheißegal, was ihr dazu sagt. Ihr könnt mich meinetwegen in eine Zelle stecken und den Schlüssel wegschmeißen, aber ich mach bei so einem Scheiß nicht mit, habt ihr das kapiert, ihr Idioten?«

Wutschnaubend stürmte er aus der Küche. Er fühlte sich in seiner Männlichkeit angegriffen, die allerdings durch die Kochmütze etwas beeinträchtigt wurde, und Erlendur musste unwillkürlich lächeln. Er schaute die Laborantin an, die das Lächeln erwiderte und dann anfing zu lachen.

Die Spannung in der Küche löste sich. Köche und Kellner, die sich in der Küche versammelt hatten, brachen in schallendes Gelächter aus.

»Sind die anderen auch so schwierig?«, fragte Erlendur die Laborantin.

»Nein, überhaupt nicht«, erwiderte sie. »Eigentlich zeigen alle großes Verständnis. Er war der Erste, der das unter seiner Würde fand.«

Sie lächelte, und Erlendur mochte ihr Lächeln. Sie war etwa so groß wie er selbst, hatte dichtes blondes Haar, das sie kurz geschnitten trug, und hatte eine bunte Strickjacke an mit einer weißen Bluse darunter, dazu Jeans und solide schwarze Lederschuhe.

»Mein Name ist Erlendur«, rutschte es unwillkürlich aus ihm heraus, und er streckte ihr die Hand hin.

Sie schien etwas verwirrt zu sein.

»Ja«, sagte sie und gab ihm die Hand. »Ich heiße Valgerður.«

»Valgerður?«, wiederholte er. Er sah keinen Ehering. Erlendurs Handy klingelte in der Jackentasche.

»Entschuldige«, sagte er und nahm das Gespräch entgegen.

Er hörte eine altbekannte Stimme, die nach ihm fragte.

»Bist du das?«, sagte die Stimme.

»Ja, ich bin’s«, sagte Erlendur.

»Mit diesen Mobiltelefonen kenne ich mich nicht aus«, sagte die Stimme am Telefon. »Wo bist du eigentlich? Bist du in dem Hotel? Du stehst vielleicht unter Druck. Oder im Aufzug.«

»Ich bin im Hotel.« Erlendur legte die Hand über den Lautsprecher und bat Valgerður, einen Augenblick zu warten.

Dann ging er durch den Speisesaal in die Lobby. Marian Briem war am Telefon.

»Schläfst du im Hotel?«, fragte Marian. »Stimmt was nicht bei dir? Warum gehst du nicht nach Hause?«

Marian Briem war jahrzehntelang bei der Kriminalpolizei gewesen und hatte mit Erlendur zusammengearbeitet. Er hatte Erlendur damals in den Job eingewiesen, als der bei der Polizei angefangen hatte. Marian telefonierte ab und zu mit Erlendur und beklagte sich, dass er nie zu Besuch käme. Zwischen ihnen hatte nie ein besonders inniges Verhältnis geherrscht, und Erlendur hatte eigentlich keine Lust, Marian jetzt im Alter zu besuchen. Vielleicht, weil sie einander zu ähnlich waren. Vielleicht sah er in Marian seine Zukunft vor sich, und das wollte er vermeiden. Marian war einsam und langweilte sich im Ruhestand.

»Wieso rufst du an?«, fragte Erlendur.

»Da gibt es immer noch ein paar Leute, die mich nicht ganz vergessen haben und Verbindung zu mir halten, auch wenn du kein Interesse daran zu haben scheinst«, sagte Marian.

Erlendur war drauf und dran, das Gespräch sofort abzubrechen, aber irgendetwas ließ ihn zögern. Marian Briem hatte ihn schon ein paar Mal auf eine Spur gebracht, ohne dass er darum gebeten hatte. Er durfte nicht zu unhöflich sein.

»Kann ich dir mit irgendwas behilflich sein?«, fragte Erlendur.

»Sag mir den Namen des Mannes. Ich könnte etwas herausfinden, was ihr übersehen habt.«

»Du kannst es nicht lassen.«

»Ich langweile mich«, sagte Marian. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich langweile. Jetzt bin ich schon fast zehn Jahre im Ruhestand, und ich kann dir sagen, jeder Tag in dieser Hölle ist wie eine ganze Ewigkeit. Wie tausend Jahre jeder einzelne Tag.«

»Da wird doch einiges für Senioren gemacht«, sagte Erlendur. »Wie wär’s mit Bingo?«

»Bingo«, schnaubte Marian.

Erlendur nannte Guðlaugurs Namen. Er fügte einige Informationen über die Sachlage hinzu und verabschiedete sich dann, ohne dass es zu unhöflich klang. Das Handy klingelte im gleichen Moment wieder.

»Ja«, sagte Erlendur.

»Wir haben einen Zettel im Zimmer des Toten gefunden«, sagte eine Stimme am Telefon. Es war der Chef der Spurensicherung.

»Einen Zettel?«

»Auf dem steht: Henry 18.30.«

»Henry? Warte mal, wann hat das Mädchen den Weihnachtsmann gefunden?«

»So gegen sieben.«

»Dieser Henry könnte also bei ihm im Zimmer gewesen sein, als er ermordet wurde?«

»Weiß ich nicht. Aber da ist noch was anderes.«

»Ja?«

»Es könnte sein, dass das Kondom dem Weihnachtsmann gehört hat. In der Tasche seiner Livree war eine ganze Zehnerschachtel, drei fehlen.«

»Sonst noch was?«

»Nein, nur eine Brieftasche mit fünfhundert Kronen, ein alter Personalausweis und ein Kassenzettel vom ›10-11-Supermarkt‹, datiert auf vorgestern. Doch, und dann noch ein Schlüsselbund mit zwei Schlüsseln.«

»Was für Schlüssel?«

»Der eine scheint mir ein Hausschlüssel zu sein, und der andere könnte ein Schlüssel zu einem Schrank sein oder so was. Er ist viel kleiner.«

Das Gespräch war beendet. Erlendur hielt Ausschau nach der Laborantin, aber sie war verschwunden.


Unter den ausländischen Hotelgästen gab es zwei mit dem Vornamen Henry. Einerseits ein Amerikaner namens Henry Bartlet, und andererseits ein Engländer, Henry Wapshott. Der Letztere antwortete nicht, als man bei ihm durchklingeln ließ, aber Bartlet war auf seinem Zimmer und wunderte sich sehr, als sich herausstellte, dass die isländische Polizei etwas von ihm wollte. Die Story des Hotelmanagers über den Herzinfarkt des Portiers war offensichtlich glaubwürdig gewesen.

Erlendur nahm Sigurður Óli zu dem Treffen mit Henry Bartlet mit. Sigurður Óli hatte ein amerikanisches Diplom in Kriminalwissenschaften, auf das er sich nicht wenig einbildete, und beherrschte die Sprache wie ein Eingeborener. Der amerikanische Singsang ging Erlendur zwar auf die Nerven, aber damit musste man sich abfinden.

Auf dem Weg nach oben berichtete Sigurður Óli Erlendur darüber, dass man mit der Mehrzahl der Hotelangestellten, die Schicht hatten, als Guðlaugur ermordet wurde, gesprochen hatte, und dass die meisten ein Alibi vorzuweisen hatten, das von anderen bestätigt werden konnte.

Bartlet war um die dreißig, ein Börsenmakler aus Colorado. Er und seine Frau hatten vor einiger Zeit eine Sendung über Island im amerikanischen Fernsehen gesehen und sich von der wilden isländischen Natur und der Blauen Lagune faszinieren lassen; dort waren sie bereits dreimal gewesen. Sie hatten einfach beschlossen, einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen und Weihnachten und Silvester in diesem fernen Winterland zu verbringen. Sie waren hellauf begeistert vom Land, fanden aber die Preise in den Restaurants und Kneipen der Stadt unverschämt hoch.

Sigurður Óli nickte zustimmend. Für ihn waren die USA das Land seiner Träume, und er genoss es in vollen Zügen, sich mit dem Ehepaar zu unterhalten und mit ihnen über Basketball und amerikanische Weihnachtsbräuche zu reden, bis Erlendur genug hatte und ihn unterbrach.

Sigurður Óli informierte die Eheleute über den Tod des Portiers und den Zettel, den man in dem Zimmer gefunden hatte. Henry Bartlet und seine Frau starrten die Kriminalbeamten an, als hätten sie sich urplötzlich in Gäste von einem anderen Planeten verwandelt.

»Ihr habt den Portier nicht gekannt, oder?«, fragte Sigurður Óli, als er ihre entgeisterten Mienen sah.

»Mord?«, stöhnte Henry. »Hier im Hotel?«

»Oh, my god«, sagte seine Frau und sank auf das Doppelbett nieder. Sigurður Óli beschloss, das Kondom nicht zu erwähnen. Er erklärte, dass der Zettel darauf hindeutete, dass Guðlaugur, der Ermordete, eine Verabredung mit einem Mann namens Henry gehabt hatte, aber sie wüssten nicht, an welchem Datum und ob dieses Treffen bereits stattgefunden hatte oder möglicherweise erst zwei Tage, eine Woche oder zehn Tage später stattfinden sollte.

Henry Bartlet und seine Frau wiesen es weit von sich, den Portier gekannt zu haben. Sie hatten ihn nicht einmal wahrgenommen, als sie vor vier Tagen im Hotel eincheckten. Erlendur und Sigurður Óli hatten sie ganz offensichtlich in Aufregung versetzt.

»Jesus«, ächzte Henry. »Ein Mord!«

»You have murders in Iceland?«, fragte die Frau und schaute auf die Icelandair-Broschüre auf dem Nachttisch.

»Cindy«, hatte sie zu Sigurður Óli gesagt, als sie sich begrüßten.

»Rarely«, sagte er und versuchte zu lächeln.

»Dieser Henry muss nicht unbedingt Gast im Hotel gewesen sein«, konstatierte Sigurður Óli, während sie auf den Aufzug nach unten warteten. »Muss nicht mal ein Ausländer sein. Es gibt auch Isländer, die Henry heißen.«

»Genau«, sagte Erlendur. »Der stammt bestimmt aus dem edlen Geschlechte derer von Reißaus.«

Sechs

Sigurður Óli hatte den ehemaligen Hoteldirektor ausfindig gemacht. Deshalb verabschiedete er sich von Erlendur, als sie in die Lobby kamen, und machte sich auf den Weg zu ihm. Erlendur fragte nach dem Empfangschef, aber der war immer noch nicht aufgetaucht und hatte auch nichts von sich hören lassen. Henry Wapshott hatte am frühen Morgen seinen Schlüssel an der Rezeption hinterlegt, ohne dass es irgendjemandem aufgefallen wäre. Er hielt sich schon seit einer Woche im Hotel auf, und sein Zimmer war für zwei weitere Tage gebucht. Erlendur bat darum, sofort benachrichtigt zu werden, wenn Wapshott sich an der Rezeption blicken ließe.

Der Hotelmanager watschelte an Erlendur vorbei.

»Ich hoffe nur, du belästigst meine Gäste nicht«, sagte er.

Erlendur zog ihn ein wenig beiseite.

»Wie sieht es hier im Hotel mit Prostitution aus?«, fragte Erlendur ohne Umschweife, als sie beim Weihnachtsbaum in der Eingangshalle standen.

»Prostitution? Wovon redest du eigentlich?«, stieß der Hotelmanager ächzend hervor und wischte sich mit seinem zerknüllten Taschentuch über den Nacken.

Erlendur blickte ihn an und wartete.

»Jetzt fang bloß nicht an, so einen verdammten Quatsch damit in Verbindung zu bringen«, sagte der Hotelmanager.

»Hat der Portier hier vielleicht die Nutten besorgt?«

»Jetzt hör aber mal auf«, sagte der Hotelmanager. »Es gibt keine Nutt… keine Prostitution in diesem Hotel.«

»In allen Hotels gibt’s Prostitution.«

»Nanu?«, sagte der Hotelmanager. »Hast du Erfahrung damit?«

Darauf antwortete Erlendur nicht.

»Willst du damit andeuten, dass unser Portier hier den Zuhälter gespielt hat?«, erklärte der Hotelmanager und klang schockiert. »Noch nie in meinem Leben habe ich so einen absurden Quatsch gehört. Das hier ist kein Striplokal. Das hier ist das zweitgrößte Hotel in Reykjavik!«

»Lungern hier wirklich keine Frauen an der Bar oder im Foyer herum, die es auf die Männer abgesehen haben und mit ihnen aufs Zimmer gehen?«

Der Hotelmanager zögerte. Er schien Erlendur nicht gegen sich aufbringen zu wollen.

»Das ist ein großes Hotel«, sagte er schließlich. »Wir können nicht alles mitverfolgen, was sich hier abspielt. Falls es tatsächlich eindeutig um Prostitution geht, versuchen wir, etwas zu unternehmen, aber es ist ziemlich schwierig. Falls wir etwas beobachten, was nicht ganz koscher ist, mischen wir uns ein. Ansonsten bleibt es den Gästen überlassen, was sie auf ihren Zimmern treiben.«

»Ausländer und reiche Isländer, Reeder vom Land, hast du das nicht gesagt?«

»Ja, und natürlich noch viele andere. Das ist keine billige Absteige. Es ist ein renommiertes Hotel, und die Gäste sind gut situiert und können sich im Allgemeinen die Übernachtung locker leisten. Hier verkehrt kein Gesocks. Sieh dich um Himmels willen vor, solche Gerüchte in Umlauf zu setzen. Die Konkurrenz ist so schon hart genug, und es ist furchtbar, mit diesem Mord in Verbindung gebracht zu werden.«

Der Hotelmanager schwieg eine Weile.

»Hast du vor, weiterhin hier im Hotel zu übernachten?«, fragte er dann. »Ist das nicht in hohem Maße ungewöhnlich?«

»Hier ist nur eins ungewöhnlich, nämlich ein toter Weihnachtsmann bei dir im Keller«, entgegnete Erlendur lächelnd.

Er sah, wie die Laborantin mit ihren Gerätschaften aus der Hotelbar im Erdgeschoss kam. Er verabschiedete sich mit einem Kopfnicken vom Hotelmanager und ging zu ihr hinüber. Sie wandte ihm den Rücken zu und war auf dem Weg zur Garderobe beim Seiteneingang des Hotels.

»Wie geht es voran?«, fragte Erlendur. Sie drehte sich um und erkannte ihn sofort wieder, ging aber trotzdem weiter.

»Leitest du diese Ermittlung?«, fragte sie und betrat die Garderobe, wo sie einen Mantel vom Bügel nahm. Sie bat Erlendur, ihre Tasche zu halten.

»Es waren nicht alle begeistert von den Speichelproben«, sagte sie, »und damit meine ich nicht nur den Koch.«

»Uns geht es in erster Linie darum, die Hotelangestellten auszuschließen, damit wir uns auf andere Dinge konzentrieren können, ich dachte, euch wäre das als Erklärung an die Hand gegeben worden.«

»Hat nicht viel genutzt. Habt ihr was gefunden?«

»Valgerður ist ein alter isländischer Name, nicht wahr?«, sagte Erlendur, ohne auf ihre Frage einzugehen.

Sie lächelte.

»Darfst du nicht über die Ermittlung sprechen?«

»Nein.«

»Würde es dir etwas ausmachen, wenn Valgerður ein alter Name ist?«

»Mir? Nein, ich …« Erlendur zögerte.

»Sonst noch was?«, fragte Valgerður und streckte ihre Hand nach ihrer Tasche aus. Sie musste über diesen Mann lächeln, der in seiner geknöpften Strickweste unter dem schäbigen Jackett mit den abgenutzten Ellbogenschonern vor ihr stand und sie mit traurigen Augen anschaute. Sie waren wahrscheinlich im gleichen Alter, aber er wirkte zehn Jahre älter als sie.

Es rutschte Erlendur heraus, ohne dass ihm klar war, was er da eigentlich sagte. Diese Frau hatte irgendwas.

Und er sah keinen Ring.

»Ich hätte gern gewusst, ob ich dich heute Abend hier zum Abendessen einladen darf, zum Weihnachtsbüfett, das ist wirklich exzellent.«

Er wusste gar nichts über sie, und er sagte es so, als hätte er keine Chance, eine positive Antwort zu bekommen, aber er hatte es trotzdem gesagt, und er wartete nur darauf, dass sie anfangen würde, zu lachen und ihm von ihrer Ehe zu erzählen, von vier Kindern, Einfamilienhaus und Sommerhaus, Konfirmationsfeiern und Abiturpartys, das älteste Kind bereits verheiratet, und wie sehr sie sich darauf freute, mit dem geliebten Ehegatten in Frieden alt zu werden.

»Vielen Dank«, sagte sie. »Das ist sehr nett. Aber … leider, ich kann nicht. Trotzdem vielen Dank.«

Sie nahm ihm die Tasche ab, die er für sie aufgehoben hatte, zögerte einen Augenblick, schaute ihn an und verließ dann das Hotel. Erlendur blieb halb benommen in der Garderobe zurück. Es war Jahre her, seit er zuletzt eine Frau eingeladen hatte. Sein Handy klingelte in der Jackentasche, er holte es geistesabwesend hervor und nahm den Anruf entgegen. Es war Elinborg.

»Jetzt kommt er in den Saal«, sagte sie beinahe im Flüsterton.

»Was?«, sagte Erlendur.

»Der Vater, er kommt gerade mit seinen beiden Rechtsanwälten herein. Weniger reicht wohl nicht, um ihn reinzuwaschen.«

»Sind viele Leute da?«, fragte Erlendur.

»Nein, nur ganz wenige. Ich glaube, das ist die Familie des Jungen mütterlicherseits, und dann noch ein paar Journalisten.«

»Was für einen Eindruck macht er?«

»Wie gewöhnlich ist ihm nicht das Geringste anzumerken, trägt Anzug und Krawatte, als wäre er auf dem Weg zu einer Vorstandssitzung. Der Mann hat keine Spur von Gewissen.«

»Doch«, sagte Erlendur. »Bestimmt hat er ein Gewissen.«


Erlendur war mit Elinborg ins Krankenhaus gefahren, sobald die Ärzte die Erlaubnis gegeben hatten, mit dem Jungen zu sprechen. Er war operiert worden und lag jetzt auf der Kinderstation mit anderen Kindern zusammen.

An den Wänden waren Kinderzeichnungen, Spielzeug lag auf den Betten, wo Eltern auf der Bettkante saßen, die nach schlaflosen Nächten erschöpft aussahen, unendlich besorgt wegen ihrer Kinder.

Elinborg setzte sich zu ihm. Der Junge trug einen dicken Kopfverband, sodass man vom Gesicht fast nur den Mund und die Augen sah, die den Kriminalbeamten voller Misstrauen entgegenblickten. Der Arm war eingegipst und hing an einem Haken über dem Bett. Unter dem Oberbett zeichneten sich die Verbände ab. Sie hatten die Milz retten können. Der Arzt hatte gesagt, dass sie gern mit dem Jungen reden dürften, aber es stehe auf einem anderen Blatt, ob er mit ihnen reden wolle.

Elinborg begann damit, von sich selber zu erzählen, wer sie war und was sie für Aufgaben bei der Polizei hätte, und sie fügte hinzu, dass sie hinter denen her wäre, die ihn so zugerichtet hätten. Erlendur stand etwas abseits und verfolgte das Gespräch mit. Der Junge starrte Elinborg an.

Sie wusste, dass sie eigentlich nicht mit ihm reden durfte, ohne dass ein Elternteil anwesend war. Sie hatten sich mit dem Vater im Krankenhaus verabredet, aber eine halbe Stunde war bereits verstrichen, ohne dass er aufgetaucht war.

»Wer hat das getan?«, fragte Elinborg endlich, als sie fand, dass sie zur Sache kommen konnte.

Der Junge blickte sie an und sagte keinen Ton.

»Wer hat dich so zugerichtet? Es ist ganz in Ordnung, wenn du mir das sagst. Die sollen nicht wieder über dich herfallen dürfen, das verspreche ich dir.«

Der Junge schaute zu Erlendur herüber.

»Waren das die Jungs in der Schule?«, fragte Elinborg. »Die großen Jungs? Wir wissen schon, dass zwei, von denen wir glauben, dass sie dich angegriffen haben könnten, richtige Rowdys sind. Sie haben schon früher andere Kinder angegriffen, aber nicht so schlimm. Sie behaupten, dass sie dir nichts getan haben, aber wir wissen, dass sie zu der Zeit in der Schule waren, wo du angegriffen wurdest. Bei ihnen war gerade die letzte Stunde zu Ende.«

Der Junge schaute Elinborg stumm an, während sie redete.

Sie war in der Schule gewesen und hatte mit dem Rektor und den Lehrern gesprochen, sie war bei den beiden Jungen zu Hause gewesen und hatte die Familienverhältnisse erkundet und ihnen zugehört, als sie behaupteten, dem Jungen nichts getan zu haben. Der Vater des einen war im Knast.

In diesem Augenblick kam ein Kinderarzt in das Krankenzimmer. Er erklärte, dass der Junge der Ruhe bedürfe, sie sollten später wiederkommen. Elinborg nickte, und sie verabschiedeten sich.

Später am gleichen Tag war Erlendur ebenfalls mitgekommen, um den Vater des Jungen in seinem Haus aufzusuchen. Der Vater gab die Erklärung ab, dass er vormittags an einer wichtigen Telefonkonferenz mit Geschäftspartnern in Deutschland und Amerika teilnehmen musste und deswegen nicht ins Krankenhaus gekommen war. »Das hat sich ganz plötzlich ergeben«, sagte er. Als er sich endlich freimachen konnte, hatten Elinborg und Erlendur das Krankenhaus gerade verlassen.

Während sie miteinander sprachen, fielen die schrägen Strahlen der Wintersonne durch die Wohnzimmerfenster und beleuchteten die Marmorfliesen auf dem Fußboden und den Teppich auf der Treppe zur oberen Etage. Elinborg, die da stand und seinen Erklärungen zuhörte, glaubte auf einmal einen Flecken auf dem Teppichboden, mit dem die Treppe ausgelegt war, zu erkennen, und dann noch einen auf der nächsten Stufe.

Kleine Flecken, fast unsichtbar, wenn nicht die Wintersonne so schräg ins Zimmer geschienen hätte.

Flecken, die beinahe aus dem Teppich entfernt worden waren und bei flüchtigem Hinsehen so wirkten, als sei das die Teppichstruktur.

Flecken, von denen sich herausstellte, dass es kleine Fußstapfen waren.


»Bist du noch dran?«, fragte Elinborg am Telefon. »Erlendur? Bist du noch dran?«

Erlendur kam wieder zu sich.

»Informier mich, wie’s läuft«, sagte er, und damit war das Gespräch beendet.

Der Oberkellner des Hotels war ein Mann um die vierzig, gertenschlank. Er trug einen schwarzen Anzug und hochglanzpolierte Lackschuhe. In einer Ecke des Speisesaals ging er die Listen mit den Tischreservierungen für den Abend durch. Nachdem Erlendur sich vorgestellt und gefragt hatte, ob er ihn einen Augenblick stören dürfe, blickte der Oberkellner langsam von dem abgegriffenen Reservierungsbuch hoch, und ein elegantes dünnes Oberlippenbärtchen und schwarze Bartwurzeln, die er bestimmt zweimal am Tag rasieren musste, kamen zum Vorschein, bräunlicher Teint und braune Augen.

»Ich habe Gulli eigentlich überhaupt nicht gekannt«, sagte der Mann, der Rósant hieß. »Schrecklich, was da mit ihm passiert ist. Habt ihr schon etwas herausgefunden?«

»Nichts«, sagte Erlendur kurz angebunden. Er dachte an die Laborantin — und an seine Tochter Eva Lind, die erklärt hatte, sie würde es nicht mehr durchhalten. Er wusste, was das zu bedeuten hatte, aber innerlich hoffte er, dass er sich irrte. »Jetzt an den Feiertagen ist ganz schön viel los, nicht wahr?«, sagte er.

»Wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Jeder Tisch wird möglichst dreimal an einem Abend belegt, und das kann äußerst schwierig sein, weil manche Gäste der Meinung sind, dass sie das Büfett, wenn sie schon teuer dafür bezahlt haben, mit sich forttragen müssen. Der Mord im Keller hat nicht dazu beigetragen, unsere Situation zu verbessern.«

»Wohl nicht«, erwiderte Erlendur desinteressiert. »Du arbeitest dann also noch nicht lange hier, wenn du Guðlaugur gar nicht gekannt hast.«

»Nein, ich bin erst seit zwei Jahren hier. Ich hatte nicht viel mit ihm zu tun.«

»Wer, glaubst du, hat ihn hier im Hotel am besten gekannt? Oder überhaupt gekannt.«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte der Oberkellner und strich sich mit dem Zeigefinger über diesen Strich von einem Schnurrbart. »Ich weiß gar nichts über diesen Mann. Vielleicht die Putzmannschaft? Wann bekommt man über die Ergebnisse der Speichelproben Bescheid?«

»Bescheid worüber?«

»Wer bei ihm war. Ist das nicht so ein DNA-Test?«

»Ja«, sagte Erlendur.

»Müsst ihr das womöglich ins Ausland schicken?«

Erlendur nickte.

»Weißt du, ob er hier im Keller Besuch bekommen hat? Von Leuten, die nichts mit dem Hotel zu tun haben?«

»Hier ist immer so viel Betrieb. So ist es halt in Hotels. Die Leute laufen wie die Ameisen raus und rein, rauf und runter, nie herrscht Ruhe. In der Hotelfachschule wurde uns beigebracht, dass es im Hotel nicht um das Gebäude geht oder die Zimmer, sondern um Menschen. Im Hotel dreht sich alles um Menschen. Nichts anderes. Wir haben dafür zu sorgen, dass sie sich wohl fühlen. Sich wie zu Hause fühlen. So ist es in Hotels.«

»Ich will versuchen, mir das zu merken«, sagte Erlendur und bedankte sich bei ihm.

Er ließ abchecken, ob Henry Wapshott inzwischen ins Hotel zurückgekehrt war, was aber nicht der Fall war. Doch immerhin war inzwischen der Empfangschef zur Arbeit erschienen und begrüßte Erlendur. Wieder hatte ein Bus vor dem Hotel gehalten, voll mit Touristen, die ins Foyer drängten. Der Empfangschef lächelte Erlendur verlegen zu und zuckte mit den Achseln, als sei es nicht seine Schuld, dass keine Zeit für ein Gespräch war und man auf bessere Zeiten warten müsste.

Sieben

Guðlaugur Egilsson hatte 1982 seine Tätigkeit in dem Hotel aufgenommen. Damals war er achtundzwanzig Jahre alt. Zuvor hatte er in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, zuletzt als Nachtwächter im Außenministerium. Als die Entscheidung getroffen wurde, im Hotel eine feste Stellung für einen Portier einzurichten, hatte er die Stelle bekommen. Damals herrschte ein Tourismus-Boom auf Island. Das Hotel war vergrößert worden, und mehr Leute wurden eingestellt. Der ehemalige Hoteldirektor wusste nicht mehr genau, weswegen Guðlaugur eingestellt worden war, konnte sich aber undeutlich erinnern, dass es nicht viele Bewerber auf die Stelle gegeben hatte.

Der Hoteldirektor hatte einen guten Eindruck von ihm. Er schien umgänglich, höflich und dienstbeflissen zu sein.

Im weiteren Verlauf erwies er sich als guter Mitarbeiter. Er hatte keinerlei Familie, weder Frau noch Kinder, was den Hoteldirektor etwas beunruhigte, denn meist waren Männer mit Familie zuverlässigere Arbeitskräfte. Ansonsten hatte Guðlaugur über sich und seine Vergangenheit nicht viel Worte gemacht.

Kurz nachdem er angefangen hatte, war er zum Hoteldirektor gekommen und hatte gefragt, ob es im Hotel irgendeine Art von Unterkunft für ihn gäbe, solange er irgendwo eine neue Bleibe zu finden versuchte. Ihm war kurzfristig gekündigt worden, er stand auf der Straße und schien ziemlich verzweifelt zu sein. Er wies den Hoteldirekter auf eine kleine Kammer am hintersten Ende eines Korridors im Keller hin, wo er sich gut vorstellen könnte, provisorisch unterzukommen, solange er noch keine Wohnung gefunden hatte. Sie hatten sich den Raum angeschaut, der mit allem möglichen Kram voll gestopft war, aber Guðlaugur sagte, er wüsste, wo man den so lange verstauen könnte, das meiste müsste man sicher sowieso nur wegwerfen.

So kam es, dass Portier Guðlaugur, später auch Weihnachtsmann, in sein winziges Zimmer einzog, wo er bis zu seinem Todestag lebte. Der Hoteldirektor ging zunächst davon aus, dass er höchstens ein paar Wochen dort bleiben würde. So hatte Guðlaugur es nach eigenen Worten vorgehabt, und die Kammer war ja auch nicht so, dass irgendjemand dort für längere Zeit leben wollte. Aber die Wohnungssuche zog sich in die Länge, und bald schien es irgendwie selbstverständlich zu sein, dass Guðlaugur im Hotel wohnte, vor allem als er neben dem simplen Portiersdienst nach und nach auch die Hausmeisteraufgaben übernahm. Mit der Zeit fanden alle es sehr praktisch, dass Guðlaugur nachts im Hotel zur Verfügung stand, wenn irgendetwas kaputtging oder schief lief und jemand zum Reparieren gebraucht wurde.

»Kurz nachdem Guðlaugur in seine Kammer gezogen war, hat der ehemalige Hoteldirektor hier aufgehört«, sagte Sigurður Óli, der oben bei Erlendur auf dem Zimmer saß und ihm von seinem Gespräch berichtete. Der Tag war fortgeschritten, und es ging auf den Abend zu.

»Weißt du, warum?«, fragte Erlendur. Er hatte sich auf dem Bett ausgestreckt und starrte zur Decke. »Das Hotel war gerade erst erweitert worden, jede Menge neues Personal eingestellt, und er hört kurz danach auf. Findest du das nicht komisch?«

»Danach habe ich nicht gefragt. Ich werde sehen, was er dazu sagt, falls du der Meinung bist, dass es tatsächlich eine Rolle spielen könnte. Ihm war nicht bekannt, dass Guðlaugur den Weihnachtsmann gespielt hatte. Das muss sich nach seiner Zeit so ergeben haben, und er war wirklich erschüttert darüber, dass man ihn in diesem Raum ermordet aufgefunden hat.«

Sigurður Óli blickte sich in dem kahlen Zimmer um.

»Willst du wirklich über Weihnachten hier bleiben?«, fragte er.

Erlendur ging nicht auf die Frage ein.

»Warum siehst du nicht zu, dass du nach Hause kommst?«

Schweigen.

»Die Einladung steht noch.«

»Vielen Dank, und schöne Grüße an Bergþóra«, sagte Erlendur nachdenklich.

»Was geht eigentlich ab bei dir?«

»Nichts, was dich angeht, wenn denn überhaupt bei mir … etwas abgeht«, sagte Erlendur. »Weihnachten geht mir auf den Geist.«

»Ich jedenfalls möchte möglichst schnell nach Hause«, sagte Sigurður Óli.

»Wie geht’s mit dem Kinderkriegen?«

»Nicht besonders.«

»Liegt das Problem bei dir?«

»Ich weiß es nicht. Wir haben uns noch nicht untersuchen lassen, aber Bergþóra hat das schon in Erwägung gezogen.«

»Willst du überhaupt ein Kind?«

»Ja. Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, was ich will.«

»Wie spät ist es?«

»Schon nach halb sieben.«

»Geh nach Hause«, sagte Erlendur. »Ich werde mich mal um unseren Henry kümmern.«

Henry Wapshott war zwar ins Hotel zurückgekommen, befand sich aber nicht auf seinem Zimmer. Erlendur ließ von der Rezeption aus zu ihm durchklingeln und fuhr dann mit dem Aufzug hoch, um an der Zimmertür zu klopfen. Er bekam keine Antwort. Er überlegte, ob er den Hotelmanager dazu bringen sollte, das Zimmer zu öffnen, aber dazu musste er einen Durchsuchungsbefehl in der Hand haben, und das konnte sich bis spät in die Nacht hineinziehen. Außerdem war es völlig ungewiss, ob Henry Wapshott der Henry war, mit dem sich Guðlaugur um 18.30 Uhr verabredet hatte.

Erlendur stand auf dem Gang und ging die verschiedenen Optionen durch, als ein Mann zwischen fünfzig und sechzig um die Ecke bog und auf ihn zukam. Er trug eine abgewetzte braune Tweedjacke, grüne Khakihosen und ein blaues Hemd mit knallrotem Schlips. Grau meliertes Haar war sorgfältig über die Halbglatze gekämmt worden.

»Sind Sie das?«, fragte er auf Englisch, als er sich Erlendur näherte. »Mir wurde gesagt, dass jemand nach mir gefragt hat. Ein Isländer. Sind Sie Sammler? Wollten Sie sich mit mir treffen?«

»Heißen Sie Wapshott?«, fragte Erlendur. »Henry Wapshott?« Sein Englisch war nicht besonders gut. Er verstand zwar das meiste, aber mit dem Sprechen haperte es. Wegen zunehmender internationaler Verflechtungen in der Kriminalität hatte die Polizei spezielle Englischkurse eingerichtet, an denen Erlendur teilgenommen hatte. Es hatte ihm gefallen, und inzwischen las er sogar hin und wieder ein englisches Buch.

»Mein Name ist Henry Wapshott«, sagte der Mann. »Was wollen Sie von mir?«

»Wir sollten vielleicht nicht auf dem Gang herumstehen«, erklärte Erlendur. »Können wir auf Ihr Zimmer gehen? Oder …?«

Wapshott blickte auf die Zimmertür und dann wieder auf Erlendur.

»Vielleicht sollten wir hinunter in die Lobby gehen«, sagte er. »Was wollen Sie von mir? Wer sind Sie?«

»Gehen wir nach unten«, sagte Erlendur.

Henry Wapshott folgte ihm zögernd zum Aufzug. Als sie ins Foyer kamen, ging Erlendur zu einem etwas abseits stehenden Tisch in der Nähe des Restaurants, an dem man rauchen durfte. Sie setzten sich, und sofort erschien die Bedienung.

Es hatten sich schon wieder einige Gäste beim Büfett eingefunden, das Erlendur nicht weniger verlockend vorkam als am Abend vorher. Sie bestellten Kaffee.

»It’s very odd«, sagte Wapshott. »Ich war vor etwa einer halben Stunde genau an dieser Stelle mit jemandem verabredet, aber der Mann ist gar nicht aufgetaucht. Er hat mir keine Nachricht hinterlassen, aber dann stehen Sie auf einmal vor meiner Tür und gehen wieder mit mir nach unten.«

»Wen wollten Sie hier treffen?«

»Einen Isländer. Er arbeitet hier im Hotel. Er heißt Guðlaugur Egilsson.«

»Und Sie waren heute hier um halb sieben mit ihm verabredet?«

»Genau«, sagte Wapshott. »Was …? Wer sind Sie?«

Erlendur informierte ihn darüber, dass er von der Polizei sei und ging kurz auf den Mord an Guðlaugur ein und die Tatsache, dass sie einen Zettel in seinem Zimmer gefunden hatten, der auf eine Verabredung mit einem Mann namens Henry schließen ließ. Das war also offensichtlich er gewesen. Die Polizei interessierte sich dafür, weswegen sie sich treffen wollten. Erlendur erwähnte nicht, dass seiner Meinung nach Wapshott ganz gut in dem Kabuff des Weihnachtsmanns gewesen sein konnte, als er ermordet wurde. Er sagte nur, dass Guðlaugur zwanzig Jahre lang in dem Hotel gearbeitet hatte.

Wapshott starrte Erlendur an, während der ihm diese Informationen gab, und schüttelte ungläubig den Kopf, als begriffe er nicht ganz, was er hörte.

»Ist er tot?«

»Ja.«

»Ermordet?!«

»Ja.«

»Oh my God«, stöhnte Wapshott.

»Woher kannten Sie Guðlaugur?«, fragte Erlendur.

Wapshott schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein, und Erlendur wiederholte die Frage.

»Ich kenne ihn seit vielen Jahren«, sagte Wapshott endlich und lächelte, sodass man kleine nikotingeschädigte Zähne sehen konnte, bei einigen war die Bissfläche schwarz.

Erlendur war davon überzeugt, dass er Pfeifenraucher war.

»Wann haben Sie ihn kennen gelernt?«

»Wir haben uns nie kennen gelernt«, sagte Wapshott. »Ich habe ihn nie gesehen. Ich wollte mich heute Abend zum ersten Mal mit ihm treffen. Deswegen bin ich nach Island gekommen.«

»Sind Sie nach Island gekommen, um ihn zu treffen?«

»Ja, unter anderem.«

»Aber woher haben Sie ihn denn dann gekannt? Wenn Sie ihn nie kennen gelernt haben, was war denn das für eine Verbindung?«

»Es gab keine Verbindung«, sagte Wapshott.

»Ich verstehe Sie nicht«, sagte Erlendur.

»Da ist niemals eine Verbindung gewesen«, wiederholte Wapshott und setzte mit den Fingern das Wort Verbindung in Anführungszeichen.

»Was dann?«, fragte Erlendur.

»Nur einseitige Verehrung meinerseits«, sagte Wapshott.

Erlendur ließ ihn die letzten Worte noch einmal wiederholen. Es war ihm völlig unbegreiflich, wie dieser Mann, der offenbar extra aus England angereist war, Guðlaugur verehren konnte, ohne ihn je getroffen zu haben. Einen Portier in einem Hotel. Einen Mann, der in einem Kabuff im Keller wohnte und mit runtergelassenen Hosen und einem Messerstich im Herzen aufgefunden worden war.

Einseitige Verehrung. Einen Mann, der auf Kinderfesten den Weihnachtsmann spielte.

»Ich habe keine Ahnung, worüber Sie reden«, sagte Erlendur. Dann erinnerte er sich daran, dass Wapshott ihn oben auf dem Hotelflur gefragt hatte, ob er Sammler sei.

»Warum wollten Sie wissen, ob ich Sammler bin?«, fragte er. »Sammler von was? Was meinen Sie damit?«

»Ich dachte, dass Sie vielleicht Plattensammler seien«, sagte Wapshott. »Wie ich.«

»Plattensammler? Platten? Meinen Sie …?«

»Ich sammle alte Platten«, sagte Wapshott. »Alte Schallplatten. Vinylplatten. In dem Zusammenhang kenne ich Guðlaugur. Ich wollte mich vorhin mit ihm treffen und habe mich wirklich auf diese Begegnung gefreut, deswegen verstehen Sie vielleicht, dass es ein ziemlicher Schock war, als ich erfuhr, dass er tot ist. Ermordet! Wer hätte ihn ermorden wollen?«

Seine Verwunderung wirkte echt.

»Haben Sie ihn vielleicht gestern getroffen?«, fragte Erlendur.

»Worauf wollen Sie … Glauben Sie etwa, dass ich lüge? Bin ich …? Wollen Sie mir etwa sagen, dass ich unter Mordverdacht stehe? Glauben Sie, dass ich etwas mit seinem Tod zu tun habe?«

Erlendur blickte ihn an und schwieg.

»Aber das ist ja absurd!«, sagte Wapshott und sprach unwillkürlich lauter. »Ich habe mich seit langem darauf gefreut, diesen Mann zu treffen. Seit Jahren. Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

»Wo waren Sie gestern um diese Zeit?«, fragte Erlendur.

»In der Stadt«, erwiderte Wapshott. »Ich war in der Stadt. Ich war in einem Sammlerladen da an der Hauptgeschäftsstraße, und dann habe ich indisch gegessen, das Restaurant war da ganz in der Nähe.«

»Sie sind bereits einige Tage hier im Hotel. Warum waren Sie nicht früher mit Guðlaugur verabredet?«

»Aber … Haben Sie nicht gesagt, dass er tot ist? Was meinen Sie damit?«

»Haben Sie ihn nicht gleich treffen wollen, nachdem Sie ins Hotel gekommen waren? Sie haben sich doch so auf die Begegnung gefreut. Warum haben Sie so lange gewartet?«

»Er hat Zeit und Ort bestimmt. Oh my God, in was bin ich da hineingeraten?«

»Wie haben Sie überhaupt Verbindung zu Guðlaugur bekommen? Und was meinen Sie mit einseitiger Verehrung?«

Henry Wapshott schaute ihn an.

»Ich meine …«, begann Wapshott, aber Erlendur ließ ihn nicht ausreden.

»Sie haben gewusst, dass er hier im Hotel arbeitet?«

»Ja.«

»Wie haben Sie davon erfahren?«

»Ich hatte mich darüber informiert. Ich bin immer darauf bedacht, mich gut über meine Objekte zu informieren. Meine Sammelobjekte.«

»Und deswegen haben Sie in diesem Hotel übernachtet?«

»Ja.«

»Wollten Sie Platten von ihm kaufen?«, fuhr Erlendur fort.

»Haben Sie sich auf diese Weise kennen gelernt? Zwei Sammler mit ähnlichen Interessen?«

»Wie ich bereits gesagt habe, ich kannte ihn nicht, aber ich hatte vor, ihn persönlich kennen zu lernen.«

»Was meinen Sie damit?«

»Sie haben offensichtlich keine Ahnung, wer er war, oder?«, sagte Wapshott. Es hatte ganz den Anschein, als sei er erstaunt darüber, dass Erlendur Guðlaugur Egilsson nicht zu kennen schien.

»Er war Hausmeister oder Portier und Weihnachtsmann«, sagte Erlendur. »Muss ich noch mehr über ihn wissen?«

»Wissen Sie, was mein Spezialgebiet ist?«, fragte Wapshott. »Ich weiß nicht, wie viel Sie von Sammlern im Allgemeinen und Plattensammlern im Besonderen verstehen, aber die meisten Sammler haben ihre Spezialgebiete. Bei einigen kann es wirklich zu einer Marotte werden. Es ist unglaublich, was Leute sich alles einfallen lassen zu sammeln. Ich weiß von einem Mann, der Kotztüten von praktisch allen Fluglinien der Welt gesammelt hat. Ich weiß von Frauen, die Haare von Barbie-Puppen sammeln.«

Wapshott blickte Erlendur an.

»Wissen Sie, was mein Spezialgebiet ist?«, wiederholte er.

Erlendur schüttelte den Kopf. Er war sich nicht sicher, ob er das mit den Kotztüten richtig verstanden hatte. Und was sollte das mit den Barbie-Puppen?

»Mein Spezialgebiet sind Knabenchöre.«

»Knabenchöre?«

»Und nicht nur Knabenchöre. Mein ganz besonderes Interesse gilt Chorknaben.«

Erlendur zögerte, weil er sich nicht sicher war, ob er den Mann vielleicht missverstanden hatte.

»Chorknaben?«

»Ja.«

»Sammeln Sie Platten mit Chorknaben?«

»Ja. Ich sammle selbstverständlich auch andere Platten, aber Chorknaben sind — wie soll man das ausdrücken? — meine Leidenschaft.«

»Was hat das mit Guðlaugur zu tun?«

Henry Wapshott lächelte. Er streckte die Hand nach einer ledernen schwarzen Aktentasche aus, die er dabeihatte. Er öffnete sie und entnahm ihr die Hülle einer kleinen 45er Schallplatte.

Er zog eine Brille aus der Brusttasche, und Erlendur sah, dass ein weißer Zettel auf den Boden fiel. Er bückte sich danach und sah, dass der Name Brenner’s mit grünen Buchstaben aufgedruckt war.

»Vielen Dank«, sagte Wapshott. »Eine Serviette aus einem deutschen Hotel. Sammeln ist eine Leidenschaft«, fügte er entschuldigend hinzu.

Erlendur nickte.

»Ich wollte ihn bitten, diese Plattenhülle für mich zu signieren«, sagte Wapshott und reichte Erlendur die Platte.

Auf der Vorderseite stand mit goldenen, geschwungenen Buchstaben ›Guðlaugur Egilsson‹, dazu das Schwarzweiß-Foto eines sommersprossigen Jungen mit glatt gekämmten Haaren, ein Junge, der kaum älter als zwölf Jahre war und Erlendur anlächelte.

»Er hatte eine unerhört sensible Stimme«, sagte Wapshott. »Aber dann kommt die Pubertät und …« Er zuckte resigniert mit den Achseln. »In dieser Stimme konnte man Wehmut und Sehnsucht spüren. Ich finde es erstaunlich, dass Sie nie etwas von ihm gehört haben und nicht wissen, wer er war, wenn Sie diesen Mordfall bearbeiten. Er muss doch seinerzeit einen ziemlichen Namen gehabt haben.

Meinen Informationen zufolge war er ein bekannter Kinderstar.«

»Kinderstar?«

»Es wurden zwei Platten mit ihm herausgegeben, einmal eine Soloplatte und dann eine, wo er mit einem Kirchenchor singt. Er muss doch seinerzeit einen ziemlich bekannten Namen gehabt haben.«

»Kinderstar«, wiederholte Erlendur. »Sie meinen wie Shirley Temple? Meinen Sie so einen Kinderstar?«

»Wahrscheinlich, nach den Maßstäben hierzulande, hier auf Island, meine ich. Er muss doch sehr bekannt gewesen sein, auch wenn alle ihn heutzutage vergessen haben. Shirley Temple war …«

»The Little Princess«, murmelte Erlendur wie zu sich selbst.

»Wie bitte?«

»Ich habe nicht gewusst, dass er ein Kinderstar war.«

»Es ist natürlich viele Jahre her.«

»Und was dann? Es wurden also Plattenaufnahmen mit ihm gemacht?«

»Ja.«

»Die Sie in Ihrer Sammlung haben?«

»Ich versuche, an solche Exemplare heranzukommen. Mein Spezialgebiet sind Chorknaben wie er. Er hatte eine einzigartige Knabenstimme.«

»Chorknabe?«, sagte Erlendur wie zu sich selbst. Er sah im Geiste das Plakat mit der kleinen Prinzessin vor sich und wollte gerade Wapshott näher nach dem Kinderstar Guðlaugur Egilsson ausfragen, aber er kam nicht dazu.

»Hier bist du also«, hörte er jemanden von oben sagen, und er blickte hoch. Valgerður stand hinter ihm und lächelte.

Sie hatte keine Instrumententasche in der Hand. Sie trug eine dünne, schwarze Lederjacke, die bis zu den Knien reichte, und darunter einen schönen roten Pullover. Sie war so dezent geschminkt, dass es kaum zu sehen war.

»Steht die Einladung immer noch?«, fragte sie.

Erlendur sprang auf, aber Wapshott war noch schneller als er.

»Entschuldige«, sagte Erlendur, »mir war nicht klar … Selbstverständlich.« Er lächelte zurück. »Natürlich.«

Acht

Nachdem sie sich ausgiebig am Büfett gütlich getan und einen Kaffee getrunken hatten, gingen sie in die Bar neben dem Speisesaal. Erlendur bestellte Getränke für sie, und sie setzten sich in eine abgetrennte Nische im Inneren der Bar.

Sie sagte, dass es nicht zu spät für sie werden dürfe, was Erlendur als höfliche Vorsicht auslegte. Nicht, dass er sie auf sein Zimmer einladen wollte, das wäre ihm im Traum nicht eingefallen, und das wusste sie auch selbst. Er merkte aber, dass sie unsicher war, und er spürte ihre defensive Haltung, ähnlich wie bei denen, die zum Verhör zu ihm kamen. Vielleicht wusste sie selbst nicht, was sie da tat.

Sie fand es interessant, sich mit einem Kriminalbeamten zu unterhalten, und erkundigte sich ausführlich nach seiner Arbeit, nach den unterschiedlichen Kriminaldelikten und wie man bei der Verbrecherjagd vorgeht. Erlendur erwiderte, dass der größte Teil der Arbeit aus langweiliger Bürotätigkeit bestand.

»Aber die Delikte sind brutaler geworden«, sagte sie. »Das liest man in den Zeitungen. Grausamere Verbrechen.«

»Ich weiß nicht«, sagte Erlendur. »Verbrechen sind immer grausam.«

»Man hört doch dauernd was aus der Drogenszene, über Geldeintreiber und wie sie über die Jugendlichen herfallen, die ihnen Geld schulden, und wenn diese Kinder nicht bezahlen können, wenden sie sich an die Familienangehörigen und erpressen sie.«

»Ja«, sagte Erlendur, der sich nicht selten derartige Sorgen wegen Eva Lind machen musste. »Die Welt hat sich ganz schön verändert. Die Brutalität hat zugenommen.«

Sie schwiegen.

Erlendur versuchte, zu einem anderen Gesprächsthema überzuwechseln, aber er verstand sich nicht auf Frauen. Die Frauen aus seinem Bekanntenkreis hätten ihn nicht auf so etwas wie das hier vorbereiten können, was gemeinhin wohl unter der Bezeichnung romantischer Abend lief. Elinborg und er waren befreundet und gute Arbeitskollegen, und ihre gegenseitige Zuneigung war aus jahrelanger Zusammenarbeit und gemeinsamer Erfahrung erwachsen. Eva Lind war seine Tochter, um die er sich ständig Sorgen machen musste. Halldóra war die Frau, die er vor mehr als einem Menschenalter geheiratet hatte und die ihm nach der Scheidung nur noch Hass entgegenbringen konnte. Das waren die Frauen in seinem Leben, und dann vielleicht noch ein paar flüchtige Bekanntschaften, die nichts hinterlassen hatten als Enttäuschung und Verwirrung.

»Was ist mit dir?«, fragte er, als sie sich gesetzt hatten.

»Warum hast du dich anders entschlossen?«

»Ich weiß nicht«, entgegnete sie. »Es ist lange her, dass ich so eine Einladung bekommen habe. Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, mich einzuladen?«

»Ich habe keine Ahnung. Das mit dem Büfett ist mir idiotischerweise so rausgerutscht. So was habe ich auch seit langem nicht mehr gemacht.«

Sie grinsten beide.

Er erzählte ihr von Eva Lind und seinem Sohn Sindri, und sie sagte ihm, dass sie zwei Söhne hätte, auch schon erwachsen. Er spürte, dass sie nicht gern über sich selber und ihre Verhältnisse sprach. Er hatte nicht vor, in ihrem Leben herumzuschnüffeln.

»Habt ihr irgendwas in Bezug auf den Ermordeten herausfinden können?«

»Nein, eigentlich nicht. Der Mann, mit dem ich vorhin da vorne gesprochen habe …«

»Habe ich euch gestört? Ich wusste nicht, dass es etwas mit der Ermittlung zu tun hatte.«

»Das war ganz in Ordnung«, sagte Erlendur. »Er sammelt Platten, also Schallplatten, und es stellte sich heraus, dass der Ermordete im Keller ein Kinderstar gewesen ist, vor vielen Jahren.«

»Ein Kinderstar?«

»Hat sogar auf Platten gesungen.«

»Ich könnte mir vorstellen, dass es schwierig ist, ein Kinderstar zu sein«, sagte Valgerður. »Als Kind solche Träume und Erwartungen zu haben, und meist wird dann gar nichts daraus. Was dann wohl an die Stelle tritt?«

»Dann vergräbst du dich in einem Kabuff und hoffst, dass sich niemand mehr an dich erinnert.«

»Glaubst du das?«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht erinnern sich ja einige an ihn.«

»Glaubst du, dass das mit dem Mord in Verbindung steht?«

»Was?«

»Dass er ein Kinderstar war.«

Erlendur hatte versucht, so wenig wie möglich über die Ermittlungen zu sagen, ohne abweisend zu wirken. Er hatte bisher keine Zeit gehabt, über diese Frage nachzudenken, und war sich noch nicht im Klaren, ob sie eine Rolle spielte oder nicht.

»Wir wissen es noch nicht. Das wird sich herausstellen.«

Sie schwiegen.

»Du bist aber kein Kinderstar gewesen«, sagte sie und lächelte.

»Nein«, sagte Erlendur. »In jeder Hinsicht völlig untalentiert.«

»Das Gleiche gilt für mich«, sagte Valgerður. »Ich zeichne immer noch wie eine Dreijährige.«

»Was machst du, wenn du nicht arbeitest?«, fragte sie, nachdem sie sich eine Weile schweigend gegenübergesessen hatten.

Erlendur war nicht auf diese Frage gefasst und zögerte, bis sie anfing zu lächeln.

»Ich wollte dir nicht zu nahe treten«, sagte sie, als er nicht antwortete.

»Nein, das … ich bin es nicht gewohnt, über mich selber zu sprechen«, sagte Erlendur.

Er konnte ihr nicht sagen, dass er Golf spielte oder irgendeinen anderen Sport trieb. Irgendwann hatte er sich mal für Boxen interessiert, aber das war schon lange vorbei.

Er ging nie ins Kino und schaute sich nur ganz selten etwas im Fernsehen an, ging nicht ins Theater. Reiste im Sommer allein in Island herum, aber auch seltener in den letzten Jahren. Was machte er, wenn er nicht arbeitete? Er wusste es selber nicht. Meistens war er allein mit sich selbst.

»Ich lese viel«, sagte er plötzlich.

»Und was liest du?«, fragte sie.

Wieder zögerte er, und wieder musste sie lächeln.

»Ist das so schwierig?«, sagte sie.

»Über tragische Unfälle und Bergnot«, sagte er. »Tödliche Unfälle in den Bergen. Leute, die vor Kälte und Erschöpfung umkommen. Da gibt’s eine eigene Literatursparte. Das war früher einmal populär.«

»Unfälle und Bergnot?«

»Aber auch vieles andere, natürlich. Ich lese viel. Geschichte. Philosophie. Historische Sachen.«

»Also alles, was vergraben und vergessen ist?«

Er nickte zustimmend.

»Die Vergangenheit hält einen in der Hand«, sagte er. »Obwohl sie auch manchmal erlogen sein kann.«

»Aber warum tödliche Unfälle? Menschen, die im Schneesturm erfrieren. Ist das nicht schrecklich zu lesen?«

Erlendur lächelte in sich hinein.

»Du solltest bei der Polizei sein«, sagte er. Es war ihr gelungen, in dieser kurzen Abendstunde bis zu einem Bereich in seinem Inneren vorzudringen, der sorgfaltig versperrt und verschlossen war, sogar für ihn selber. Er wollte nicht darüber reden. Eva Lind wusste zwar etwas darüber, aber nichts Genaues, und sie sah da auch keine besondere Verbindung zu seinen Interessen. Er saß lange schweigend da.

»Es hat sich halt mit den Jahren so entwickelt«, sagte er schließlich und bereute diese Lüge sofort. »Aber was ist mit dir? Was machst du, wenn du nicht gerade den Leuten Wattepinnchen in den Mund stopfst?«

Er versuchte, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben und einen leichteren Ton anzuschlagen, aber die Verbindung zwischen ihnen war gestört, und das war seine Schuld.

»Ich habe eigentlich zu nichts anderem Zeit gehabt als zu arbeiten«, sagte sie und spürte, dass sie unbewusst etwas angerührt hatte, worüber er nicht reden wollte, und sie wusste nicht, was das war. Sie wurde verlegen, und er spürte das.

»Ich finde, wir sollten das hier bald einmal wiederholen«, sagte er, um den Abend abzuschließen. Die Lüge war zu viel für ihn.

»Unbedingt«, sagte sie. »Ich war erst ziemlich unschlüssig, aber ich bereue es ganz und gar nicht. Ich möchte, dass du das weißt.«

»Ich bereue es auch nicht«, sagte er.

»Gut«, sagte sie. »Dann vielen Dank für alles. Danke für den Drambuie«, sagte sie und leerte das Glas. Er hatte sich ebenfalls einen Drambuie bestellt, um ihr Gesellschaft zu leisten, aber ihn nicht angerührt.

Erlendur lag ausgestreckt auf seinem Bett im Hotelzimmer und starrte zur Decke. Es war immer noch kalt in dem Zimmer, und er war vollständig angekleidet. Draußen schneite es. Es war weicher und schöner Schnee, der zart vom Himmel rieselte und sich am Boden gleich auflöste. Nicht kalt und hart und gnadenlos wie der Schnee, der tötete und verstümmelte.


»Was für Flecken sind das?«, fragte Elinborg den Vater.

»Flecken?«, fragte er. »Was für Flecken?«

»Hier auf dem Teppich«, sagte Erlendur. Elinborg und er waren gerade aus dem Krankenhaus gekommen, wo sie den Jungen besucht hatten. Die Strahlen der Wintersonne fielen auf die mit Teppichboden ausgelegte Treppe, die nach oben führte, wo sich das Zimmer des Jungen befand.

Die Flecken im Teppich waren deutlich zu erkennen.

»Ich sehe keine Flecken«, erklärte der Vater, bückte sich und starrte auf den Teppichboden.

»Sie sind ziemlich deutlich bei dieser Beleuchtung«, sagte Elinborg und schaute aus dem Wohnzimmerfenster auf die Sonne. Sie stand sehr tief am Himmel und schien einem direkt in die Augen. Sie blickte auf die beigefarbenen Marmorfliesen, die Feuer gefangen zu haben schienen.

Nicht weit von der Treppe stand ein schöner Barschrank mit starken Getränken, teuren Likören. Rotwein- und Weißweinflaschen reihten sich wie vorgeschrieben in den entsprechenden Regalen auf. Der Schrank hatte zwei Glastüren, und an einer Tür erkannte Erlendur undeutliche Wischspuren. An der Schrankseite, die zur Treppe ging, hing ein kleiner Tropfen, der anderthalb Zentimeter weit hinabgeflossen war. Elinborg ging mit dem Finger darüber, er war klebrig.

»Ist hier bei dem Schrank etwas passiert?«, fragte Erlendur.

Der Vater schaute ihn an.

»Worüber redest du eigentlich?«

»Da scheint was drangespritzt zu sein. Du hast ihn erst kürzlich abgewischt.«

»Nein«, sagte der Vater, »nicht kürzlich.«

»Diese Spuren da auf der Treppe«, sagte Elinborg, »die scheinen mir von einem Kind zu stammen, oder irre ich mich da?«

»Ich sehe keine Spuren auf der Treppe«, erklärte der Vater.

»Eben noch hast du von Flecken geredet. Was willst du eigentlich damit sagen?«

»Warst du zu Hause, als der Junge attackiert wurde?«

Der Vater schwieg.

»Er wurde in der Schule überfallen«, fuhr Elinborg fort.

»Die Schule war schon zu Ende, aber er hat noch Fußball gespielt, und als er nach Hause wollte, wurde er angegriffen. Wir sind davon ausgegangen, dass es sich so abgespielt hat. Er hat nicht mit dir reden können und auch nicht mit uns. Ich glaube, er will das nicht. Traut sich nicht. Vielleicht, weil die Jungs ihm gesagt haben, dass sie ihn umbringen würden, wenn er der Polizei was verrät. Vielleicht, weil jemand anderes ihm gesagt hat, dass er ihn umbringen wird, wenn er mit uns redet.«

»Worauf soll das Ganze hinauslaufen?«

»Warum bist du an dem Tag so früh von der Arbeit gekommen? Du bist mitten am Tag nach Hause gekommen. Der Junge hat sich nach Hause geschleppt, und du hast kurze Zeit später die Polizei verständigt.«

Elinborg hatte schon vorher darüber nachgedacht, was der Vater in einer normalen Arbeitswoche wohl mitten am Tag zu Hause zu suchen hatte, aber erst jetzt danach gefragt.

»Niemand hat ihn auf dem Heimweg aus der Schule gesehen«, sagte Erlendur.

»Du wirst doch wohl nicht etwa andeuten wollen, dass ich … dass ich in dieser Form über meinen Sohn hergefallen bin? Das willst du mir doch wohl nicht zu verstehen geben?«

»Hättest du etwas dagegen, wenn wir diesem Teppich hier eine Gewebeprobe entnehmen?«

»Ich glaube, es wäre das Beste, wenn ihr jetzt verschwindet«, sagte der Vater.

»Ich will nichts andeuten«, sagte Erlendur. »Der Junge wird früher oder später erzählen, was passiert ist. Vielleicht nicht jetzt und auch nicht nach einer Woche oder einem Monat oder sogar einem Jahr, aber er wird eines Tages davon erzählen.«

»Raus«, sagte der Vater ungehalten und offensichtlich wütend. »Was fällt dir … Was fällt euch … Haut ab. Verschwindet! Raus mit euch!«

Elinborg fuhr direkten Wegs wieder zurück ins Krankenhaus und ging in die Kinderabteilung. Der Junge schlief, den Arm in der Binde hängend. Sie setzte sich zu ihm und wartete darauf, dass er aufwachte. Sie hatte eine Viertelstunde dagesessen, als der Junge wach wurde und eine erschöpfte Polizistin an seinem Bett sah, aber nicht den Mann mit der Strickweste und den traurigen Augen, der heute Vormittag bei ihr gewesen war. Sie schauten einander in die Augen.

Elinborg lächelte und fragte, so sanft sie nur konnte.

»War es dein Vater?«

Später am Abend kehrte sie mit einigen Leuten von der Spurensicherung und einem Durchsuchungsbefehl in der Hand in das Haus in Breiðholt zurück. Sie nahmen die Flecken auf dem Teppich in Augenschein. Sie untersuchten den Marmorboden und den Barschrank. Sie nahmen Proben. Sie saugten Partikel vom Marmorboden auf und schabten den klebrigen Tropfen ab. Sie gingen die Treppe hinauf zum Zimmer des Jungen und untersuchten das Bettgestell. Sie gingen in die Waschküche und nahmen sich Wischlappen und Handtücher vor und die dreckige Wäsche. Sie öffneten den Staubsauger. Sie holten Gewebeproben aus dem Besen.

Sie gingen zur Mülltonne und wühlten im Abfall. In der Tonne fanden sie einen Socken des Jungen.

Der Vater stand in der Küche. Er rief einen Rechtsanwalt an, seinen Freund, sobald die Polizei auf der Bildfläche erschienen war. Der Rechtsanwalt kam unverzüglich und schaute sich den Durchsuchungsbefehl an. Er riet seinem Klienten, sich der Polizei gegenüber nicht zu äußern.

Elinborg und Erlendur beobachteten die Leute von der Spurensicherung bei der Arbeit. Elinborg warf dem Vater bohrende Blicke zu, der den Kopf schüttelte und wegschaute.

»Ich begreife nicht, was ihr wollt«, erklärte er, »ich begreife es einfach nicht.«

Der Junge hatte nicht gegen seinen Vater ausgesagt. Als Elinborg ihn fragte, hatte er keine andere Reaktion gezeigt, als dass sich seine Augen mit Tränen füllten.

Zwei Tage später meldete sich der Chef der Spurensicherung.

»Es ist wegen der Flecken auf dem Teppich.«

»Ja«, sagte Elinborg.

»Drambuie.«

»Drambuie? Der Likör?«

»Es gibt Reste davon im ganzen Wohnzimmer und an den Fußspuren, bis in das Zimmer des Jungen.«


Erlendur starrte immer noch zur Decke, als an die Tür geklopft wurde. Er stand auf und öffnete. Eva Lind schlüpfte herein. Erlendur schaute auf den Flur hinaus und machte die Tür hinter ihr zu.

»Mich hat niemand gesehen«, sagte Eva. »Es wäre aber viel einfacher, wenn du bei dir zu Hause wärst. Ich kapier nicht, was bei dir abgeht.«

»Ich komm schon irgendwann nach Hause«, sagte Erlendur. »Mach dir deswegen keine Gedanken. Wieso treibst du dich so herum? Fehlt dir was?«

»Muss ich einen besonderen Grund haben, wenn ich dich treffen will?«, sagte Eva, setzte sich an den Schreibtisch und zog eine Zigarettenschachtel heraus. Sie warf eine Plastiktüte auf den Boden und nickte ihm zu. »Ich hab dir ein paar Klamotten gebracht«, sagte sie. »Falls du hier im Hotel herumhängen willst, brauchst du was zum Wechseln.«

»Vielen Dank«, sagte Erlendur und setzte sich ihr gegenüber aufs Bett. Er bekam eine Zigarette von ihr, und Eva zündete sie für sie beide an.

»Nett, dich zu sehen«, sagte er und blies den Rauch von sich.

»Kommst du vorwärts mit dem Weihnachtsmann?«

»So langsam. Was gibt ’s Neues bei dir?«

»Nichts.«

»Was macht deine Mutter, hast du sie getroffen?«

»Ja, immer dasselbe. Bei ihr tut sich überhaupt nichts. Arbeit, Glotze, Schlafen. Arbeit, Glotze, Schlafen. Ist das alles, was einen erwartet? Soll man sich deswegen auf dem geraden Weg halten, nur um sich krumm zu schuften, bis man umfällt? Und guck dich doch bloß mal selber an! Hockst da wie ein Trottel in einem Hotelzimmer rum, anstatt dich nach Hause zu verkrümeln!«

Erlendur inhalierte tief und blies den Rauch durch die Nase aus. »Ich hatte nicht vor, zu …«

»Nein, ich weiß«, unterbrach ihn Eva Lind.

»Hältst du nicht mehr durch?«, sagte er. »Als du gestern gekommen bist …«

»Ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll.«

»Was ertragen?«

»Dieses Scheißleben!«

Sie saßen und rauchten, und die Zeit verging.

»Denkst du manchmal an das Kind?«, fragte Erlendur schließlich. Nach der Fehlgeburt hatte sie immer wieder schwere Depressionen gehabt. Erlendur wusste, dass das alles andere als ausgestanden war. Sie gab sich immer noch selbst die Schuld am Tod des Kindes. An dem Abend, an dem er sie nach ihrem Notruf in einer Blutlache vor dem Krankenhaus gefunden hatte, hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre selber ums Leben gekommen.

»Dieses Scheißleben«, sagte sie noch einmal und drückte die Zigarette auf der Tischplatte aus.


Als Eva Lind weg war und Erlendur sich hingelegt hatte, klingelte das Telefon auf dem Nachttisch. Es war Marian Briem.

»Weißt du, wie spät es ist?«, fragte Erlendur und schaute auf seine Armbanduhr. Es war schon nach Mitternacht.

»Nein«, sagte Marian. »Ich habe über diese Speichelspuren nachgedacht.«

»Den Speichel an dem Kondom?«, fragte Erlendur und hatte keine Lust, sich aufzuregen.

»Die finden das sicher auch selber heraus, aber es kann vielleicht nichts schaden, sie an das Kortisol zu erinnern.«

»Ich muss sowieso noch mit der Abteilung reden, die werden uns bestimmt etwas über das Kortisol erzählen.«

»Dann kannst du dir das eine oder andere ausrechnen und sehen, was sich da in diesem Kellerloch abgespielt hat.«

»Ich weiß, Marian. Sonst noch was?«

»Ich wollte dich nur an das Kortisol erinnern.«

»Gute Nacht, Marian.«

»Gute Nacht.«

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