16

Aegwynn beobachtete mit einem wehmütigen Lächeln, wie ihre Besucherin sich bemühte, die dämonische Barriere außer Kraft zu setzen. Die Frau hatte Aegwynns Hütte verlassen, um an den Rand des Barrierenfeldes zu treten, das sich an gleicher Stelle befand wie das alte, und versuchte, es aus der Nähe zu durchbrechen. Aegwynn glaubte nicht, dass sie dabei erfolgreicher sein würde.

Zmoldor hatte offenkundig kein Interesse mehr, Aegwynn wiederzubegegnen. Schließlich hatte er sich die Mühe gemacht, sie hier festzuzusetzen, nachdem Proudmoore die alten Barrieren deaktiviert hatte. So lange Aegwynn Barrieren aktiv gewesen waren, hatte sich Zmoldor keine Gedanken machen müssen. Aber die Deaktivierung der Barrieren bereitete ihm Sorgen, und deshalb errichtete er neue.

Nicht, dass es wirklich etwas ausgemacht hätte. Aegwynn war lange über den Punkt hinaus, dass sie Dämonen magisch bekämpfen konnte.

Nach ihrem neuerlichen fehlgeschlagenen Versuch griff Proudmoore in ihren Umhang und holte etwas Nahrung heraus. Fast ohnmächtig gab Aegwynn nickend ihre Zustimmung. Wer auch immer dieses Mädchen ausgebildet hatte, war schlau genug gewesen, ihr die praktischen Dinge des Lebens beizubringen. Das war etwas, was Scavell bei all seiner Brillanz versäumt hatte. Sie selbst hatte erst daran gedacht, etwas Proviant mit auf eine Mission zu nehmen, nachdem sie bereits das dritte Mal auf der Jagd nach einem Dämon vor Hunger zusammengebrochen war.

Kurz darauf drehte sich das Mädchen zu Aegwynn um. »Vielleicht können wir es schaffen, wenn wir unsere Kräfte bündeln.«

»Nicht sehr wahrscheinlich.« Aegwynn lachte bitter. »Meine Kräfte mit Euren zu vereinen, würde keinen großen Unterschied machen. Meine magischen Fähigkeiten sind schon lange... verkümmert.« Das Wort war unpräzise, aber ausreichend für den Zweck, Proudmoores Fragen zu beantworten. »Schade, dass niemand da ist, der als Leiter dienen könnte.«

»Als Leiter?«

Aegwynn revidierte ihre Einschätzung vom Lehrer der Proudmoore. »Kennt Ihr nicht Meitres Durchdringungsspruch?«

Proudmoore schüttelte den Kopf. »Die meisten von Meitres Schriftrollen wurden vor zehn Jahren zerstört. Ich studierte die, die gerettet wurden. Aber der kommt mir nicht bekannt vor.«

»Traurig«, war alles, was Aegwynn dazu sagte. Es hatte sie nicht interessiert, wessen Barrieren aktiv gewesen waren, so lange sie sie hier sicher hielten. Sie hatte nichts anderes gewollt, als den Rest ihrer Tage weit weg von der Welt zu verbringen, der sie schon so viel Schaden zugefügt hatte.

»Warum seid Ihr so geschwächt?«

Aegwynn seufzte. Sie hätte damit rechnen müssen. Andererseits, Proudmoore musste wohl die ganze Geschichte erfahren. Oder jedenfalls Aegwynns ureigene Version davon...

Vor fünfundzwanzig Jahren

Medivh war in den Turm von Kharazan im Redridge-Gebirge eingezogen, der in Hügel eingebettet lag, nur umgeben von Reben und Unkraut. Die alten Bäume des Waldes von Elwynn schafften es nicht mehr so weit. Sie waren gestorben, nachdem Medivh hier eingezogen war. Der kahle Hügel, auf dem Medivh seine Burg errichtet hatte, war genau wie ein menschlicher Schädel geformt.

Aegwynn fand die Form traurig angemessen. Sie näherte sich dem Ort zu Fuß, sie wollte vermeiden, dass ihr Sohn vorzeitig von ihrem Besuch erfahren könnte.

Die Wächter von Tirisfal waren tot. Orcs zogen brandschatzend durch Azeroth. Krieg war überall auf der Welt ausgebrochen. Und die Quelle all dessen?

Ihr eigen Fleisch und Blut.

Sie wusste nicht, wie das hatte geschehen können. Sie hatte Medivh geboren, damit er ihre Arbeit fortsetzen würde, nicht, um sie zu zerstören.

Erst als sie am Tor eintraf, fühlte sie es. Ihr Sohn war da, das wusste sie, genauso wie Moroes, der Hausdiener, und der Koch. Beide schliefen in ihren Kammern. Aber sie fühlte noch eine andere Präsenz, eine, deren Essenz mit der ihres Sohnes verflochten war. Eine, die sie Jahrhunderte zuvor besiegt hatte.

Sie kümmerte sich nicht weiter darum, sondern wirkte einen Windzauber, der gegen das Tor hieb und orkanartige Kräfte entfesselte, die das Holz in tausend Teile zerschmetterten.

Ihr Sohn stand auf der anderen Seite. Er hatte Aegwynns Größe und ihre grünen Augen geerbt, von Nielas Aran stammten die breiten Schultern und die elegante Nase. Sein graugeflecktes Haar war zurückgebunden zu einem bemerkenswerten Pferdeschwanz, und er hielt seinen Bart sauber gestutzt. Sein kastanienbrauner Umhang wehte hinter ihm in einer Brise. Das Wesen, das vor ihr stand, war unverkennbar ihr Sohn. Doch obwohl ihre Augen Medivh sahen, spürte ihre ganze Magie nur Sargeras.

»Wie ist das möglich? Ich habe Euch getötet

Medivh lachte dämonisch. »Mutter, bist du wirklich so eine Närrin? Glaubst du ernsthaft, dass ein einfaches Mädchen eine Macht wie Sargeras vernichten kann? Er benutzte dich. Benutzte dich, um mich zu erschaffen. Er versteckte sich in dir, als du so hingebungsvoll meinen Vater verführt hast, übertrug sein Wesen in meinen Fötus. Er war mein ständiger Begleiter, mein Mentor, der Elternteil, den du mich niemals haben ließest.«

Aegwynn konnte es nicht glauben. Warum war sie nur so blind gewesen? »Du hast den Rat getötet.«

»Hast du nicht immer gesagt, dass sie nur Narren seien?«

»Das ist nicht der Punkt! Sie verdienten es nicht zu sterben!«

»Natürlich taten sie es. Du hast mir nicht sehr viel beigebracht, Mutter. Du warst immer viel zu beschäftigt mit deinen Aufgaben als Wächterin, um tatsächlich den Sohn aufzuziehen, den du in die Welt gesetzt hattest, damit er dein Nachfolger wird. Aber eine Lektion hast du mich gelehrt bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen du so gütig warst, dich zu bequemen, meine Existenz zur Kenntnis zu nehmen. Und zwar, dass der Rat aus Narren besteht. Sargeras hat mir schließlich gezeigt, was das endgültige Schicksal aller Narren sein muss. Du siehst, Mutter, ich habe all meine Lektionen gut gelernt.«

»Hör auf, dich zu verstellen, Sargeras«, sagte sie. »Hör auf, mit der Stimme meines Sohnes zu sprechen.«

Medivh warf seinen Kopf zurück und lachte. »Verstehst du nicht, kleines Mädchen? Ich bin dein Sohn!« Er hob seine Hand. »Und ich bin dein Ende.«

Was als Nächstes folgte, passierte viel schneller, als Aegwynn es erwartet hatte. Sie erinnerte sich kaum an die Details, was vielleicht eine Gnade war. Alles, was sie sicher wusste, war, dass sie es schwerer und schwerer hatte, Medivhs – oder besser Sargeras – Sprüche zu kontern, und dass es ihm leichter und leichter bei den ihren fiel.

Geschwächt, zerschunden, blutend brach Aegwynn auf dem Boden zusammen, kaum mehr fähig, den Kopf zu heben. Ihr Sohn stand über ihr und lachte. »Warum schaust du so traurig, Mutter? Ich bin genauso, wie du mich gemacht hast. Immerhin hast du mich geboren, um den Rat zu überlisten und dein Erbe fortzuführen. Das hast du getan. Von dem Augenblick an, da du Sargeras physische Form zerstört und ihn so befreit hattest, dass er in dir leben konnte, war es dein Schicksal, Sargeras Willen zu erfüllen. Nun hast du deinen Zweck erfüllt.« Er grinste. »Ein letzter Dolchstoß in das Auge des Rates, eh?«

Aegwynns Blut gefror zu Eis. Das waren ihre eigenen Gedanken bei Medivhs Empfängnis gewesen. Sie hatte diesen Satz nie laut ausgesprochen und ganz sicherlich niemals gegenüber Medivh. Sie war tatsächlich nur wenig präsent in seinem Leben gewesen. Am Anfang vielleicht und da hauptsächlich zu seinem eigenen Schutz. Sie hatte es sich nicht leisten können, dass bekannt wurde, dass ihr Sohn in Stormwind lebte. Ihre Feinde hätten das gegen sie eingesetzt. Sie offenbarte ihm erst, dass sie seine Mutter war, als er die Pubertät beendet hatte.

In diesem Moment ließ sie jeden Widerstand fallen. Sie wollte nicht länger in einer Welt leben, die sie so nachhaltig betrogen hatte. In ihrem Eifer, ihre Bestimmung zu erfüllen, dem Rat zu beweisen, dass er einen Fehler beging, wenn er sie absetzte, hatte sie den Dämonen zum Sieg verholfen.

Seit dem Ende ihrer Ausbildung hatte Aegwynn nicht mehr geweint. Die Geburt ihres Kindes, der Tod der Eltern, die Niederlagen gegen Dämonen... nichts davon hatte sie zum Weinen gebracht. Sie war immer stärker als das alles gewesen. Doch jetzt rannen Tränen über ihre Wangen, als sie ihren Sohn ansah, der angesichts ihrer Qual lachte.

»Töte mich.«

»Und dich so vom Haken lassen? Sei keine Närrin, Mutter. Ich sagte, das ist dein Ende, nicht dein Tod. Dir das Sterben zu erlauben, wäre keine Buße für das, was du mir alles angetan hast.« Dann murmelte er eine Beschwörung.

Vor acht Jahrhunderten hatte ihr der Rat die Macht der Wächter verliehen. Das war die wunderbarste Erfahrung in ihrem Leben gewesen. Es war so, wie es für einen Blinden sein musste, das erste Mal zu sehen. Als sie die Macht an Medivh übergab, war es weniger wundervoll, aber es gab immer noch das Gefühl der Befriedigung. Das Schwinden ihrer Kräfte war leicht und angenehm gewesen, wie das allmähliche Hinübergleiten in den Schlaf.

Doch jetzt wurde ihr die Macht von Medivh herausgerissen. Es fühlte sich an, wie blind, taub und stumm geschlagen zu werden. Ihr gesamter Körper wurde abgetötet. Es war weniger wie einschlafen, mehr wie ein ins Koma fallen.

Aber sie blieb wach und bekam mit, was passierte. Dann erkannte sie, dass, wenn sie bleiben würde, Medivh, oder eher Sargeras, sie hier behalten würde. Sie müsste in den Gewölben der Burg hausen, ohne Zweifel, um alles, was geschehen würde, sehen und hören zu können. Aufmerksam gemacht auf jede böse Tat, die ihr Sohn in Sargeras Namen beging.

Sie erkannte noch etwas anderes. Sie war immer noch jung. Das bedeutete, dass Medivh ihr nicht die Verjüngungsmagie genommen hatte.

Das war ihre Rettung. Sie sammelte die verbliebenen Reste ihrer Konzentration und entfesselte die Magie der Verjüngungsmagie. Sie griff danach, formte und erschuf daraus einen Teleportspruch, der sie von hier fortbringen würde.

Augenblicke später, ihr Haar war weiß geworden, ihre Haut runzelig und ihre Knochen brüchig, fand sie sich auf Kalimdor wieder, an der Ostküste des Kontinents, in einer grasreichen Region in den Bergen.


Proudmoores Stimme war gefasst, als sie sagte: »Das muss schrecklich für Euch gewesen sein.«

»Das war es.« Aegwynn schauderte. In Wahrheit war es noch schlimmer gewesen. Aber sie hatte nur die Höhepunkte erzählt, um Proudmoore zu schonen. Sie hatte ursprünglich versucht, mit Medivh zu reden, um eine Erklärung von ihm zu erhalten, warum er tat, was er tat. Als ob Sargeras tatsächlich einen Grund gebraucht hätte. Aber sie sah keine Veranlassung, Proudmoore mit so etwas zu belasten.

Die vorrangigste Absicht der Geschichte war, ihr den ganzen Umfang ihrer Dummheit zu offenbaren. Sie fuhr fort: »Als ich herkam, nutzte ich das bisschen Magie, das ich noch besaß, um festzustellen, dass niemand außer mir in der Gegend war. Ich baute meine Hütte, bepflanzte meinen Garten, grub meinen Brunnen. Die Barrieren stellte ich nicht auf, bevor Thrall und seine Leute hier in der Nähe siedelten.«

»Ich bin nicht überrascht.« Da war ein merkwürdiger Tonfall in Proudmoores Stimme. Als ob sie etwas wusste, wovon Aegwynn nichts ahnte.

»Was soll das heißen?«

Bevor Proudmoore antworten konnte, hörte Aegwynn etwas. Proudmoore vernahm es auch, und beide drehten sich um, blickten nach Süden. Es klang vertraut, aber Aegwynn hatte das Geräusch seit Jahren nicht mehr gehört.

Augenblicke später wurde ihr Verdacht bestätigt: Das Geräusch wurde von einem gewaltigen Luftschiff verursacht, das nun um die Bladescar-Spitze herumkam. Es stoppte direkt vor den Barrieren und schwebte auf der Stelle. Aegwynn vermutete, dass sich ein Magier oder zumindest jemand an Bord befand, der Zauberei erkennen konnte.

Eine Strickleiter fiel vom Unterbau, und eine Gestalt im Brustpanzer begann hinabzuklettern. Als sie näher kam, erkannte Aegwynn die Abzeichen eines Oberst.

Zu ihrem Schrecken war die Gestalt eine Menschenfrau. Sie drehte sich um und schaute Proudmoore fragend an.

Das Mädchen lächelte. »Wenn eine Frau Wächter von Tirisfal werden kann, warum dann nicht auch Oberst?«

Darauf konnte Aegwynn nichts erwidern.

»Milady«, sagte die Frau, nachdem sie von der unteren Sprosse der Leiter gesprungen war. »Ich fürchte, ich bringe schlechte Neuigkeiten.« Dann sah sie fragend zu Aegwynn.

»Oberst Lorena, dies ist Magna Aegwynn. Ihr dürft mit ihr so offen sprechen, wie mit mir.«

Der Oberst nickte und begann mit ihrem Rapport. Augenscheinlich reichte diesem Oberst das Wort von Jaina Proudmoore. Aegwynn erkannte widerwillig an, dass sie beeindruckt war. Eine Frau stieg nicht in solche Positionen auf, ohne große Leistungen. Sie vermutete, dass Lorena doppelt so gut war wie jeder männliche Oberst, einfach, weil sie es sein musste, um sich durchzusetzen. Wenn jemand dermaßen Talentiertes Proudmoore so bedingungslos vertraute, dann war sie ein noch bemerkenswerterer Mensch, als Aegwynn es sich zunächst hatte eingestehen wollen.

Vielleicht gab es ja doch noch etwas Verehrungswürdiges an dem Helden des Mädchens.

Lorena sagte: »Ma'am, ich bin mir sicher, dass Kämmerer Kristoff ein Anhänger des Flammenden Schwerts ist. Er hat unsere Truppen in der Feste Northwatch verstärkt, um die Orcs zu provozieren.«

Die Züge Proudmoores entgleisten. »Kristoff? Das glaube ich nicht.«

Aber der Oberst verbrachte die nächste Minuten damit zu erklären, was in Proudmoores Abwesenheit in Theramore passiert war.

Als sie geendet hatte, fragte Aegwynn: »Wann hat das mit dem Flammenden Schwert angefangen?«

»Wir sind uns nicht sicher«, sagte Proudmoore. »Wir denken, dass es mit einem ehemaligen Orc-Clan zusammenhängt. Warum?«

»Weil Zmoldor einen Kult gegründet hat, der das Flammende Schwert genannt wurde. Das Schwert, das er benutzte, um die Kinder zu opfern, war mit Öl überzogen und wurde angezündet, sobald die Opferung begann. Da Zmoldor in der Gegend ist, ist es möglich, dass er auch etwas mit diesen Orcs zu tun hat.«

Lorena entgegnete etwas, bevor Proudmoore antworten konnte. »Milady, warum seid Ihr hinter den Barrieren? Ich habe Booraven mitgebracht, um Euch zu finden und sie sagte, dass diese Barrieren aktiv sind und wir sie nicht passieren können. Ihr hingegen... warum kommt Ihr nicht dahinter hervor?«

»Ich fürchte, ich kann es nicht. Als ich hier ankam, war ich in der Lage, sie zu durchdringen, aber dieser Zmoldor hat sie inzwischen durch dämonische ersetzt. Ich fürchte, mir fehlt das Hintergrundwissen, um sie außer Kraft zu setzen.«

»Eine Schande«, spöttelte Aegwynn. »Wenn das noch meine Barrieren wären, ich würde Euch sofort durchlassen.«

Schnaubend sagte Proudmoore: »Macht Euch nicht lächerlich. Es waren niemals Eure Barrieren. Es waren die von Medivh.«

Aegwynn starrte Proudmoore mit offenem Mund an. »Woher wusstet Ihr...«

»Als ich hier ankam, erkannte ich die Magie, die für die Barrieren benutzt wurde, als die eines Tirisfalen. Und nachdem ich sie durchdrungen hatte, bemerkte ich, dass ich wusste, von welchem Tirisfalen sie stammte, weil ich ihn schon mal getroffen hatte. Wie ich Euch bereits versucht habe zu erzählen, kannte ich Medivh. Er war es, der Menschen und Orcs in dieses Land gebracht hat, und er überzeugte uns davon, uns gegen die Brennende Legion zu verbünden. Ich kenne seine Magie recht gut.«

Lorena sprach, bevor Aegwynn antworten konnte. »Milady, bei allem Respekt, die Zeit wird knapp. Wir müssen Euch da rausholen. Es muss einen Weg geben.«

Proudmoore schaute zu Aegwynn. »Es gibt einen. Lehrt mich den Spruch von Meitre.« Sie zeigte auf den Oberst und fügte hinzu: »Wir haben jetzt einen Leiter

»Sehr gut«, sagte Aegwynn, »und einverstanden – wenn das bedeutet, dass Ihr mich in Frieden lasst.«

»Es tut mir Leid, das ist nicht möglich.«

Aegwynn blinzelte. »Wie bitte?«

»Ihr kommt mit uns.«

Aegwynn schnaubte: »Tue ich das?«

»Ja. Ihr seid die Magna, der Wächter, der alles ist, was zwischen uns und den dämonischen Horden steht. Es obliegt Eurer Verantwortung, mit uns zu kommen.«

»Wie kommt Ihr darauf?«

»Ihr sagtet, dass Zmoldor diese Barrieren errichtet hat.

Das bedeutet, er lebt. Nach allem, was wir wissen, ist er verantwortlich für das Flammende Schwert, das gerade eben durch die Allianz schneidet, die Thrall und ich auf Anweisung Eures Sohnes geschmiedet haben. Aber Ihr habt geglaubt, Ihr hättet ihn vor achthundert Jahren besiegt. Offensichtlich habt Ihr Eure Arbeit nicht richtig beendet, und es ist Eure Pflicht...«

»Was wisst Ihr schon von Pflicht?«, schrie Aegwynn. »Seit acht...«

»Ja, ich weiß, was Ihr getan habt, Magna, Ihr habt mir ein wenig von Euren Fehlern erzählt, Euren Täuschungen, Euren Lügen, Eurer Arroganz. Aber woran Ihr mich noch erinnert habt, ist, dass Ihr Euch niemals vor den Pflichten eines Wächters gedrückt habt. Alles, was Ihr gemacht habt, von der Konfrontation mit Zmoldor bis zur Vernichtung des Rates durch Medivhs Zeugung, tatet Ihr, weil Ihr an das geglaubt habt, was Ihr initiiert habt. Ungeachtet Eurer Fehler, der Niederlagen, Ihr habt nie die Aufgaben eines Wächters vernachlässigt. Bis jetzt.« Proudmoore schüttelte den Kopf. »Ihr habt mich gefragt, was ich von Verantwortung weiß, und jetzt behaupte ich: Mehr als Ihr. Weil Ihr nie für etwas anderes verantwortlich wart als für Euch selbst. Ich habe Menschen in die Schlacht geführt, ich habe sie regiert, als die Schlacht vorbei war. Und gerade jetzt brauchen mich die Leute, die mir vertraut haben. Und das kann gut wegen eines Dämons sein, den Ihr hättet töten sollen. Ich werde nicht alles, was wir aufgebaut haben, wegen Eures Selbstmitleids zerstören lassen, Magna.«

»Ich glaube, ich habe mir das Recht verdient, mein eigenes Schicksal zu bestimmen.«

»Weil Ihr Medivh zurückgebracht habt?«

Wieder hatte es Proudmoore geschafft, Aegwynn mit ihrem Scharfsinn zu beeindrucken. Sie brachte keinen Ton heraus.

»Wir alle haben uns gefragt, wie Medivh von den Toten zurückkommen konnte, nachdem Khadgar und Lothar ihn besiegt hatten. Man brauchte schon machtvolle Magie dafür. Ich wäre dazu fähig gewesen, und auch noch ein oder zwei andere. Aber wenn sie es getan hätten, hätten sie es eingestanden. Ihr habt gesagt, Ihr wärt bei dem Kampf mit Medivh ausgezehrt worden. Aber es gibt etwas, das als Ersatz für die notwendige Kraft dienen konnte und das ist das Band zwischen Mutter und Sohn.«

Aegwynn nickte und starrte auf einen unbestimmten Punkt über einer der Bladescar-Spitzen. »Mit dem, was von der Verjüngungsmagie noch übrig blieb, war ich in der Lage, in den Brunnenwassern die Zukunft zu sehen. Ich sah meinen Sohn, getötet von seinem Schüler und seinem besten Freund. Und ich sah Sargeras, der aus ihm vertrieben wurde. Deshalb habe ich Jahre damit verbracht, meine Kraft aufzubauen, um ihn zurückzubringen. Als ich es tat, brachte es mich fast um. Deshalb waren die Barrieren von Medivh. Ich hatte nicht mehr die Kraft, sie zu setzen. Oder irgendetwas anderes zu tun. Bis heute nicht.« Sie drehte sich um und sah Proudmoore an. »Das war mein Schwanengesang, Lady Proudmoore. Es kann nicht mal ansatzweise wiedergutmachen, was ich falsch gemacht habe.«

»Ich widerspreche. Was Ihr getan habt, ist, einen Sohn zu gebären, der die Welt gerettet hat. Es mag eine Weile gedauert haben, aber was er tat, war genau das, was Ihr getan hättet. Was Ihr für ihn geplant hattet. Er ging gegen das konventionelle Wissen an und wurde aktiv im Bekämpfen der Brennenden Legion, indem er Thrall und mich überzeugte, unsere Kräfte zu vereinen. Das hat er nicht von Sargeras gelernt, und er hat das nicht im Jenseits gelernt, aus dem Ihr ihn zurückholtet. Das hat er von Euch gelernt.«

Lorena folgte unruhig der Unterhaltung. Ihr offensichtlicher Respekt vor Lady Proudmoore rang mit ihrem soldatischen Wunsch zu handeln. »Milady...«

»Ja, selbstverständlich«, sagte Aegwynn, »Euer Oberst hat Recht. Zmoldor muss besiegt werden. Dauerhaft dieses Mal.« Sie seufzte. »Bereitet Euch vor, Oberst Lorena. Was jetzt folgt, mag ein bisschen wehtun. Lady Proudmoore, sprecht mir nach.«

Und dann lehrte Aegwynn Jaina Proudmoore den Durchdringungsspruch des Meitre.

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