Kapitel 19


Im Zimmer des Direktors des Untersuchungsgefängnisses traf Kurowski auf Franz Busko. Auch er hatte im Fernsehen Peter bei der blutigen Demonstration gesehen, und da seine Partei zu der Institution gehörte, gegen die eine progressive Jugend jetzt mit Gewalt vorging, hatte er sich sofort mit einem Dienstwagen an den Tatort bringen lassen. Als MdB erhielt er auch sofort Zutritt und durfte Peter Kurowski in der Sprechzelle sehen. Von zwei bewaffneten Beamten, mit Handschellen gefesselt, wurde er vorgeführt. er hatte nach seiner Festsetzung die Zelle bis auf alles, was unzerstörbar war, zu Kleinholz gemacht. Trotzig blieb er vor dem Stuhl und dem Tisch stehen, und die barsche Aufforderung:»Setzen!«überhörte er einfach.

«Was willst denn du hier?«fragte er Franz Busko in einem geradezu beleidigenden Ton.

«Ich bin gekommen, bevor dein Vater auftaucht. Ich nehme an, er ist auf dem Weg nach Frankfurt. Wieso machst du jetzt Revolution und verleihst keine Huren mehr?«

«Das eine ist Geschäft, das andere eine Ideologie. Warum kniest du jeden Sonntag in der Kommunionbank, damit deine Wähler das sehen, und hast in Godesberg ein Appartment für deine Sekretärin eingerichtet? Von unseren Steuern!«

«Ich bin Direktor der >Westschuh<«, sagte Busko steif. Er hatte sich freigeschwommen, wie Kurowski es nannte. Von dem ostpreußischen Schuhmachergesellen war nur noch der Name und im vertrauten Kreis die breite Sprache übriggeblieben. sonst hatte sich Busko vollends gehäutet, trug Maßanzüge, glänzte mit Schlagwörtern, die ihm Sitz und Stimme in einigen Bundestagsausschüssen einbrachten, und galt als der kommende große Mann seiner Partei. Er steht mitten im Volk, hieß es von ihm. So etwas brauchen wir. Theoretiker gibt's genug. Aber der Busko versteht die Wählerschaft, und die Wählerschaft versteht ihn. wo gibt es so etwas Ideales sonst noch bei den Volksvertretern? Außerdem gehörte Busko keinem Interessenverband an — auch nicht der Vereinigung der Schuhmacher —, vertrat keine Lobby und war deshalb geradezu märchenhaft unabhängig und liberal. So etwas kann man mit dem Mikroskop suchen, — eine Lupe reicht schon nicht mehr!

«Hast du einen Wurm im Hirn?«fragte Busko direkt.»Ein Kurowski als Revolutionär? Mit einer Hure im Gepäck und einem Sack voll Rauschgift! Peter, schämst du dich nicht?«

«Nein! Schämt sich unser Staat, solch ein Scheißstaat zu sein? Ich habe eine Mieze, gebe ich zu. aber der Staat besteht nur aus Hurerei. Der geht mit jedem ins politische Bett, wenn's nur Nutzen bringt! Ich will verhindern, daß 60 Millionen sich ankotzen, wenn sie in den Spiegel schauen!«

Man kam zu keiner Einigung. Peter beschimpfte Busko, Busko beschimpfte Peter, bis der Oberwachtmeister eingriff und fast jovial sagte:

«Herr Bundestagsabgeordneter, es hat doch wirklich keinen Zweck.

Ich führe das Rindvieh zurück in seine Zelle. Mit diesen Typen kann man einfach nicht diskutieren. Die lassen im Hirn eine Platte ablaufen, weiter nichts.«

«Ich habe ausgerechnet, daß in zwanzig Minuten dein Vater hier sein wird. Was dann passiert, kannste dir ja denken«, sagte Busko und stand auf.»Und Ludwig wird auch kommen.«

«Der Herr Dr. med. in spe kann mich am Arsch lecken!«schrie Peter wild.

«Kaum. Er wird sich doch nicht den Appetit verderben. «Busko hob resignierend die Schulter.»Wo willst du überhaupt hin, Peter?«

«Zur Weltrevolution!«

«Ein bißchen viel, findest du nicht auch?«

«Wir schaffen es. Die Zeit ist reif. Wenn Typen wie du das Volk regieren, ist der ganze Staat faul!«

«Und dann wird — wenn ihr regiert — in jede Mittagssuppe 1 Gramm LSD verrührt, damit die ganze Welt auch immer ganz schön verrückt bleibt, was? Peter, du bist krank. Ehrlich krank. Wie bist du überhaupt an das Sauzeug von Rauschgift gekommen?«

«Aus Angst — «, antwortete Peter Kurowski ehrlich. Seine Stimme wurde plötzlich unsicher.»Aus Angst, Franz. Überall habe ich versagt… in der Schule, zu Hause, bei den Mädchen, bei den Kameraden… und dann habe ich mit Fixen angefangen, und auf einmal geht alles wie geschmiert. Das war's.«

«Und in einem Jahr bist du ein Wrack!«

«Na und?«Peter warf den Kopf in den Nacken.»Es ist mein Wrack! Was geht euch das an, ihr frustrierte Bande.«

Die beiden Wachtmeister zerrten Peter aus dem Sprechzimmer. Busko verließ nachdenklich den Raum und wartete im Büro des Direktors auf seinen Meister. Er hat Angst, dachte er. Das kenne ich. Auch ich hatte Angst, damals, in Adamsverdruß, als sie mich zum Militär holen wollten. Aber ich war lungenkrank und wurde nicht gemustert. Was aber wäre gewesen, wenn sie mich doch genommen hätten? Vielleicht wäre ich zu den Russen übergelaufen, so große Angst hatte ich vor dem Tod. Aber das weiß Gott sei Dank keiner…und es ist ja auch so lange vorbei.

Nun war Ewald Kurowski da und fragte sofort:»Kann ich meinen Sohn sprechen?«

«Natürlich. «Der Gefängnisdirektor bot Zigarren an und ließ Kaffee kommen. Bei Angehörigen von normalen Ganoven war das nicht üblich, aber hier handelte es sich um einen politischen Täter, und da sind die Spielregeln anders.»Lassen Sie sich aber vorher von dem Herrn Bundestagsabgeordneten berichten, was Sie erwartet.«

«Das weiß ich«, sagte Kurowski steif.»Aber mein Sohn weiß auch, was ihn erwartet.«

«Das wird ihn kaum kratzen. «Busko seufzte. Die Unzufriedenheit im Land wuchs, je sicherer und wohlhabender es wurde. Es war ein Rätsel. Der Ausspruch Kurowskis: Der Deutsche kann die Demokratie nicht vertragen! — schien erschreckende Wahrheit zu werden. Die Ordnung zerflatterte, — man verwechselte Freiheit mit Al-leserlaubtsein. Kurowski — immer zu großen, wahren Sprüchen bereit — nannte es schlicht: Typisch deutsch.

«Wenn Peter noch einen Funken Gefühl in sich hat, dreht er sich jetzt um«, sagte Kurowski.

«Sein Gefühl ist von der Spritze bestimmt, vergessen Sie das nicht«, warf der Gefängnisdirektor ein.»Seit zwei Stunden jammert er nach einem >Schuß<. Er bekommt hier natürlich keinen, und jetzt ist er in einer Stimmung, in der er alles vernichten könnte.«

«Ich möchte ihn sehen — «, sagte Kurowski und stand auf.

«Bitte — «

Zehn Minuten später führte man Peter wieder in die Besuchszelle. Jetzt begleitete ihn nur ein Beamter, und er war ungefesselt. das Fehlen des Rauschgiftes hatte ihn von einer Stunde zur anderen zu einem elenden, zitternden, jammervollen, erschreckend gealterten Bündel gemacht. Mit hohlen, flackernden Augen sah er seinen Vater an. seine Lippen waren aufgesprungen und heiß, seine Kehle trocken, wie mit Sand eingerieben. ihm fehlte das herrliche Leben aus der Spritze… der gaukelhafte Tod, aber das sah er nicht ein.

«Hast du einen Spiegel in deiner Zelle?«fragte Kurowski ohne Begrüßung.

Peter schüttelte den Kopf.»Kaputtgeschlagen.«

«Schade! Du solltest dich ansehen!«Er griff in die Seitentasche, zog einen kleinen Kammspiegel heraus und hielt ihn Peter vor das Gesicht.»Da, sieh dich an! Das ist aus dir geworden! Ist das noch Peter Kurowski?«

Peter starrte in den Spiegel und warf dann den Kopf zur Seite. Sein Gesicht zuckte wild.»Ihr Schweine!«stöhnte er.»Ihr reaktionären Säue! Ich sehe gut aus. Ich habe nie besser ausgesehen! Ich fühle mich wohl.«

«Natürlich. Es braucht seine Zeit, bis ein Kurowski etwas zugibt, was er falsch gemacht hat. Wir haben deine Show im Fernsehen miterlebt. eine miese Regie, ein noch mieserer Auftritt, dilettantisch bis auf die Knochen!«

«Mach's besser!«schrie Peter.»Ihr habt nur immer >Heil< gebrüllt! >Sieg heiltun etwas!«

«An der verkehrten Stelle, wie immer, wenn Deutsche etwas ganz Großes tun wollen. Du willst also weiterhin Straßenschlachten schlagen, dir Gift in den Körper spritzen, dich ruinieren.«

«Ich lebe mein Leben. In drei Monaten bin ich 21… da kannst du Arien auf 'n Hobel blasen, da hört deine Verfügungsgewalt auf. Die elterliche Verfügungsgewalt. welch ein Scheißwort!«

«Ich habe gar nicht vor, irgend etwas gegen dich zu unternehmen«, sagte Kurowski mit eisiger Ruhe.»Vor ein paar Wochen, ja, da hat mich die plötzliche Erkenntnis, was für einen Sohn ich habe, umgehauen. Aber heute. man gewöhnt sich an alles, auch an einen Sohn, der ein Idiot ist!«

Das war eine Lüge, aber wer erkannte das? Seit Wochen lief Ku-rowski verändert herum, war in sich gekrochen, stiller geworden, besuchte keine Vereinsabende mehr, mied den Kegelclub, die Reitergesellschaft, den exklusiven Golfclub, den Tennisverein Rot-Gold. er saß immer nur zu Hause in seinem wunderbaren Landsitz, spazierte durch den parkähnlichen Garten und freute sich, wenn Lud-wig aus Köln herüberkam und ihm von seinem Studium erzählte, oder Inge ihre Klassenarbeiten durchschnittlich mit >gut< machte. Jeder sah, daß er unter Peters Weggang litt, aber keiner sprach ihn darauf an… ein Kurowski braucht kein Mitleid, er beißt sich von selbst durch.

«Na also!«sagte Peter jetzt frech.»Was willst du dann hier? Mir den besten Rechtsanwalt ankündigen? Ich brauche keinen Anwalt… ich spucke dem Gericht ins Gesicht.«

«Der neue Stil der neuen guten Zeit!«Kurowski legte die Hände aneinander.»Von Mutter kann ich dich nicht grüßen. «sagte er dann langsam.

Peter's Kopf drehte sich verwundert.»Ist sie verreist?«

«Ja. Ins Krankenhaus. Vor einer Stunde habe ich sie hingebracht. Sie hat einen Nervenschock erlitten. Sie fand die Show, wie man ihren Sohn auf der Straße zusammenschlug, gar nicht interessant. Frauen — vor allem Mütter — haben da ihren eigenen Geschmack.«

Peter Kurowski setzte sich schwer. Er schluckte krampfhaft, seine staubtrockene Kehle brannte. Wasser, dachte er. Einen Schluck Wasser. Oder einen >Schuß<, nur einen halben >Schuß<, das genügt. Leute, ich gehe ja ein. Er griff nach der Wasserkaraffe, die zwischen ihm und seinem Vater stand, verzichtete auf das Glas und setzte sie einfach an die Lippen.

«Ist. ist es schlimm?«fragte er, als er die Karaffe abgesetzt hatte.

«Ja. Du säufst wie ein Schwein.«

«Mit Mutter!«schrie Peter.

«Sie hat dich — wie alle ihre Kinder — maßlos geliebt. So wie sie können nur Mütter zusammenbrechen.«

«Ich möchte zu ihr.«, sagte Peter leise.

«Das wird unmöglich sein.«

«Hol den besten Anwalt, Vater.«

«Versuch's doch mit dem Anspucken des Gerichtes.«

«Es gibt die Möglichkeit der Haftverschonung.«

«Nur bei einem festen Wohnsitz. Du bist ein Landstreicher geworden.«

«Ich wohne bei dir, Vater. Ich muß zu Mutter.«

Kurowski erhob sich. Er ist am Boden, dachte er. Jetzt soll man ihn nicht mehr treten. Vielleicht gelingt es Erna, ihn zurückzuholen. Er müßte kein Herz mehr haben, wenn er den Anblick Ernas ertragen könnte, wie sie jetzt im Krankenhaus liegt. Ich kann es nicht. um diese Frau zu retten, würde ich sogar meinen Sohn opfern!

«Wir wollen sehen.«, sagte er und ging zur Tür. Peter sprang auf, aber die starke Hand des Wachtmeisters hielt ihn zurück.

«Laß mich zu Mutter.«, heulte Peter.

Kurowski zuckte zusammen und hob die Schultern. Er fror. So heult ein Wolf, dachte er. Mein Gott, ist mein Sohn schon so weit vom Menschen weg.?

Ohne eine Antwort ging er hinaus, aber erst draußen, auf dem Flur, bewies er, daß auch ein Kurowski nicht eine unfällbare Eiche ist. er lehnte sich gegen die Wand, schlug die Hände vors Gesicht und brauchte eine ganze Zeit, um sich von dieser Begegnung zu erholen.

Franz Busko fuhr ihn zurück nach Leverkusen… seinen MdB-Wa-gen schickte er mit Chauffeur allein nach Bonn. Kurowski war jetzt nicht fähig, selbst zu fahren. er hing hinten in den Polstern, sprach kein Wort und wurde erst wieder der alte, der >Meester<, als sie sich Leverkusen näherten.

«Ob man ihn freiläßt?«fragte er.

«Bestimmt. «Busko blickte durch den Rückspiegel. Er sah Kurowskis Kopf, alt geworden, grauhaarig, aber kantig und eisenhart. Ein Schädel aus Adamsverdruß, aus Urgestein gehauen.»Ich habe für ihn gebürgt, Meester.«

«Was hast du?«

«Gebürgt. Das war der schnellste Weg. Als MdB.«

«Franz. «Kurowski schluckte. Rührung überkam ihn, kindliche Rührung.»Wie kann ich dir das jemals gutmachen?«

«Nächste Woche, Meester. Ich brauche eine neue Rede. Über die

Notwendigkeit der Entwicklungshilfe für Schwarzafrika.«

«Du meine Güte! Mußt du dich da dreinhängen? Such dir ein anderes politisches Gebiet aus.«

«Es geht nicht, Meester. «Sie bogen von der Autobahn ab, Richtung Krankenhaus.»Sie meinen alle, gerade in der Entwicklungspolitik wäre ich der richtige Mann. Vielleicht kann man in der Rede darauf hinweisen, daß 90 % aller Afrikaner barfuß laufen und die Erziehung zum Schuhbewußtsein vorrangig ist.«

«Du bekommst deine Rede. «Kurowski lehnte sich in die Polster zurück.»Also doch Lobbyist.«

«Ein Hintern an der Wand ist besser als ein Hintern im Wind. «Busko bremste. Krankenhaus. Er stieg aus, klappte den Kofferraum hoch und holte einen großen Blumenstrauß heraus. Langstielige rote Rosen.

«Jetzt weiß ich, warum du Politiker geworden bist«, sagte Kurowski, nahm die Rosen und stampfte ins Krankenhaus.

Nach zwei Tagen wurde Peter Kurowski aus der Untersuchungshaft entlassen. Es bestand keine Fluchtgefahr, ein MdB bürgte für ihn, er hatte einen festen Wohnsitz. nach der Unterschrift unter die Verpflichtung, sich zweimal wöchentlich bei der örtlichen Polizei zu melden, öffneten sich ihm die Gefängnistore. Sein erster Weg war zum Frankfurter Hauptbahnhof. Dort kaufte er sich für 50,- DM eine Ampulle Morphium und eine Einwegspritze, ging auf die Toilette und gab sich den ersehnten Schuß. Im Frankfurter Bahnhof konnte man alles kaufen, wenn man die Typen kannte und die Ecken wußte, wo sie standen. Eine Ampulle Morphin war da noch das geringste. es hatte einen Mann gegeben, der dort ein völlig intaktes, gut gepflegtes und geöltes Flak-Geschütz mit zwanzig Schuß Munition anbot. Er bekam es nicht los. Flaks sind zu groß für den Untergrund. Man munkelte, er habe später seine Riesenkanone an kroatische Freiheitskämpfer losgeschlagen.

Der zweite Weg führte Peter zum Telefon. Er rief seine Mieze an, ließ sich durchgeben, wieviel sie in seiner Abwesenheit verdient hatte, war zufrieden, versprach, in zwei Tagen wieder zurückzukommen, und rauchte hastig eine Haschzigarette. Dann erst suchte er einen Zug nach Leverkusen aus und kam gegen Mittag zu Hause an. Er machte erst gar nicht den Umweg zu seinem Vater, sondern fuhr sofort ins Krankenhaus. Zuerst wollte man den Mann in der verkommenen Kleidung und dem Bart nicht vorlassen, aber als er schrie, er würde den ganzen Saustall zur Minna machen, führte man ihn zu Ernas Zimmer. Zwei Pfleger blieben vorsichtshalber vor der Tür im Gang.

Erna lag bleich und mit geschlossenen Augen im Bett. Aus einer Tropfflasche rann langsam ein Vitaminkonzentrat in ihre linke Armvene. Sie war dem Tode näher als dem Leben. Peter sah das sofort, ging leise an das Bett, zog den Stuhl heran und setzte sich.»Mutter.«, sagte er heiser.»Mutter. ich bin's.«

Sie hob mühsam die Lider, erkannte ihn, ein Lächeln zog über ihr Gesicht, ihre Hand tastete nach seinen Fingern.

«Peter.«, sagte sie mühsam.»Mein Kleiner. Gut, daß du da bist.«

«Ja, Mutter. «Peter beugte sich vor und küßte sie auf die kalte Stirn.»Was machst du denn für Sachen, Mutter.«

«Ich? Du. Peter. du. «Sie bewegte sich. Peter hielt sie mit beiden Händen fest.»Reg dich nicht auf, Mutter«, stammelte er.»Bitte, reg dich nicht auf. Du mußt gesund werden. Wir alle brauchen dich.«

«Du auch?«

«Ich auch.«

«Ich will mir Mühe geben. «Sie lächelte wieder, und es lag ein unbeschreiblicher Zauber von mütterlicher Liebe über ihrem Gesicht. Peter erkannte ihn, und er kam sich elend und gemein vor. Hundsgemein.»Bleibst du jetzt zu Hause, Kleiner?«

«Ja, Mutter.«

«Und du nimmst nicht mehr dieses. dieses Zeug.?«

«Nie mehr, Mutter. Ich verspreche es dir.«

«Dann ist ja alles gut. «Sie schloß die Augen, streckte sich und dämmerte in die Müdigkeit der Erschöpfung hinüber.»Ich bin so froh, mein Junge.«

Auf Zehenspitzen schlich sich Peter hinaus. An der Tür blieb er noch einmal stehen, sah lange seine Mutter an, warf sich herum und verließ das Zimmer. Sein Weggang aus dem Krankenhaus glich einer Flucht.

In dem Waldstück zwischen Leverkusen und Burscheid ließ er sich von dem Taxi, das er gemietet hatte, absetzen. Zu Fuß ging er weiter und verschwand im Unterholz. Es gibt keinen Ausweg mehr, dachte er. Ich komme von den Spritzen nicht los, ich werde nie ein Versprechen halten können, ich werde immer in der Gosse leben, ich bin im Sumpf, ich stecke in ihm, es kann mich keiner mehr rausholen. Und wenn ich auch ein dämlicher Hund bin, — ich weiß genau, wo ich enden werde. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Konzentration der >Schüsse<.

Es ist vorbei, Vater. es geht nicht mehr, Mutter. Verzeiht mir, wenn ihr könnt.

Allein komme ich nicht mehr weiter, und zu helfen ist mir nicht mehr.

Er setzte sich unter einen Baum, entblößte Arm und Oberschenkel und spritzte sich den ganzen Vorrat ein, den er bei sich trug. Vier Ampullen.

Dann warf er seinen Hosengürtel um einen Ast, steckte den Kopf in die Schlinge, hüpfte hoch und zog beim Fallen die Beine an.

So starb er zweimal. einmal durch Genickbruch und einmal durch vier Ampullen Morphin. Das war ein Luxus, denn als das Gift wirken sollte, war das Blut in ihm bereits erkaltet.

Er hing drei Tage in seinem Gürtel, ehe man ihn fand. Und dann dauerte es noch zwei Tage, bis man ihn identifizierte. Er hatte alle Papiere verbrannt. Franz Busko, der Bürge, übernahm es, Ewald und Erna Kurowski die Nachricht zu überbringen. Zum erstenmal hatte sich ein Kurowski unterkriegen lassen.

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