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Die Schlacht von Agincourt (Azincourt war und bleibt die französische Schreibung) war eines der außergewöhnlichsten Ereignisse des mittelalterlichen Europas. Eine Schlacht, deren Ansehen ihre Bedeutung bei weitem übertraf. In der langen Geschichte der anglo-französischen Auseinandersetzungen teilen nur Hastings, Waterloo, Trafalgar und Crecy das Ansehen Agincourts. Man kann Poitiers mit guten Gründen als die bedeutendere Schlacht und sogar als den vollständigeren Sieg bezeichnen, Verneuil war ein ebenso erstaunlicher Erfolg, und es ist sicher, dass Hastings, Blenheim, Victoria, Trafalgar und Waterloo größeren Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichte nahmen. Und dennoch hat Agincourt bis heute seinen ganz besonderen Platz in der englischen Überlieferung behalten, denn an jenem 25. Oktober 1415 geschah etwas vollkommen Außergewöhnliches (Agincourt wurde lange vor der gregorianischen Kalenderreform ausgefochten, sodass der aktualisierte Jahrestag auf den 4. November fallen würde). Es war so außergewöhnlich, dass sein Ruhm noch beinahe siebenhundert Jahre später anhält.
Agincourts Berühmtheit könnte einfach nur auf einem Zufall beruhen, einer Laune der Geschichte, die durch Shakespeares Genie noch verstärkt wurde, doch die historischen Zeugnisse legen nahe, dass diese Schlacht tatsächlich eine Schockwelle durch Europa laufen ließ. Noch viele Jahre später nannten die Franzosen den 25. Oktober 1415 la mal-heureuse journee (den Unglückstag). Sogar nachdem sie die Engländer aus Frankreich vertrieben hatten, blieb la malheureuse journee für die Franzosen eine unheilvolle Erinnerung. Für sie war Agincourt eine Katastrophe.
Beinahe aber wäre es für Henry V. und seine kleine, aber gut ausgerüstete Armee zur Katastrophe geworden. Die Armee war mit großen Hoffnungen von Southampton Water losgesegelt. Die hochfliegendste davon war die schnelle Einnahme Harfleurs, der ein Vorstoß ins Landesinnere Frankreichs folgen sollte, wahrscheinlich, um die Franzosen in eine Schlacht zu verwickeln. Der Sieg in einer solchen Schlacht hätte als Beweis dafür gelten sollen, jedenfalls nach Henrys frommer Überzeugung, dass Gott seinen Anspruch auf den französischen Thron unterstützte. Womöglich hätte ihn der Sieg sogar auf diesen Thron gebracht. Die Hoffnungen waren nicht überzogen, solange Henrys Armee ihre volle Schlagkraft behielt, doch die Belagerung Harfleurs dauerte viel länger als erwartet, und danach war Henrys Armee durch Dysenterie, im Volksmund auch Ruhr genannt, nahezu kampfunfähig.
Die Erzählung von der Belagerung im Roman entspricht im Großen und Ganzen den historischen Tatsachen, auch wenn ich mir eine wesentliche Freiheit genommen habe: Sie besteht darin, dass ich eine Tunnelgrabung beim Leure-Tor eingefügt habe. An dieser Stelle gab es keinen solchen Tunnel, die Bodenstruktur war dafür nicht geeignet, und alle tatsächlich vorhandenen Stollen waren von den Einheiten des Dukes of Clarence gegraben worden, der Harfleur von Osten aus angriff. Die französischen Gegengrabungen vereitelten den Erfolg der englischen Grabungen, aber ich wollte einen - wenn vielleicht auch unzureichenden - Eindruck davon vermitteln, welchen Schrecken Männer ausgesetzt waren, die unter der Erde kämpften. Harfleur wurde großartig verteidigt, was zum großen Teil dem Garnisonsführer Raoul de Gaucourt anzurechnen ist. Sein Widerstand in den langen Tagen der Belagerung gab den Franzosen die Gelegenheit, eine viel größere Streitmacht gegen Henry aufzustellen, als es ihnen möglich gewesen wäre, wenn die Belagerung, sagen wir, Anfang September geendet hätte.
Harfleur ergab sich schließlich und wurde von den Plünderungen und dem Grauen verschont, die dem Fall von Soissons 1414 gefolgt waren. Dies war ein weiteres Ereignis, das Europa erschüttert hatte, wenn es bei Soissons auch das barbarische Verhalten der französischen Armee gegenüber der eigenen Bevölkerung war, das den Schock auslöste. Es geht das Gerücht tun, dass englische Söldner sich für den Verrat der Stadt bezahlen ließen, womit die Reaktionen des erfundenen Sir Roger Pallaire erklärt sind. Doch im Hinblick auf die Schlacht von Agincourt lag die Bedeutung von Soissons bei den Schutzpatronen der Stadt, Sankt Crispin und Sankt Crispinian, deren Gedenktag in der Tat der 25. Oktober war. In großen Teilen Europas war man nämlich der Überzeugung, dass in den Ereignissen des Sankt-Crispin-Tags von 1415 die himmlische Rache für die grauenvollen Exzesse während der Plünderung von Soissons zu sehen sei.
Der gesunde Menschenverstand legt nahe, dass Henry nach der Unterwerfung Harfleurs jeden Gedanken an einen weiteren Feldzug hätte aufgeben müssen. Er hätte einfach eine Garnison in der eroberten Hafenstadt abstellen und zurück nach England segeln können, doch ein solches Vorgehen wäre faktisch einer Niederlage gleichgekommen. So viel Geld eingesetzt und im Gegenzug nichts weiter als einen Hafen in der Normandie gewonnen zu haben hätte äußerst armselig gewirkt, und auch wenn die französischen Interessen durch den Verlust Harfleurs beeinträchtigt waren, so erhöhte der Besitz dieser Stadt Henrys Verhandlungsmacht nur unwesentlich. Zwar war sie nun englisch (und würde es zwanzig Jahre bleiben), aber ihre Eroberung hatte wertvolle Zeit gekostet. Zudem musste Henry durch die notwendige Besetzung der Garnison auf weitere Männer verzichten, sodass, als die Engländer ihren Vorstoß ins Inland Frankreichs unternahmen, nur die Hälfte der ursprünglichen Armee losziehen konnte. Dennoch entschied sich Henry für den Zug. Er lehnte den guten Rat ab, die Kampagne aufzugeben, und stellte seine kleine, von Krankheit geschwächte Armee vor die Aufgabe, von Harfleur nach Calais zu ziehen.
Das schien zunächst keine allzu große Herausforderung zu sein. Die Entfernung beträgt etwa 190 Kilometer, und die Armee, sämtlich beritten, konnte damit rechnen, diese Strecke in ungefähr acht Tagen zu bewältigen. Es war kein Plünderungszug. Henry verfugte weder über die Ausrüstung noch über die Zeit, die befestigten Städte und Burgen am Weg zu belagern (in die alles Lohnenswerte gebracht worden war, als sich die Engländer näherten). Auch war der Zug keine übliche chevauchee, also einer der zerstörerischen Märsche der Engländer durch Frankreich, bei denen die Armeen alles Erreichbare verwüsteten, um die Franzosen dazu zu bringen, in die Schlacht zu ziehen. Ich bezweifle trotz Henrys glühender Überzeugung, er würde von Gott unterstützt, dass er die Franzosen zum Kampf reizen wollte, denn die Schwäche seiner Armee war ihm sicherlich bewusst. Wenn er den Kampf gesucht hätte, wäre es sinnvoller gewesen, direkt ins Inland vorzustoßen, doch stattdessen bewegte er sich an der Küste entlang. Es scheint mir so, als habe er den Franzosen «eine lange Nase drehen» wollen. Nach der unbefriedigenden Belagerung und angesichts der Rückkehr nach England, die ihm beschämend erscheinen musste, wollte er die Franzosen schlicht demütigen, indem er ihnen vorführte, dass er ungestraft durch ihr Land ziehen konnte, wie es ihm gerade einfiel.
Diese Demonstration wäre vollkommen nach Plan verlaufen, wenn die Furten bei Blanchetaque nicht bewacht gewesen wären. Um Calais innerhalb von acht Tagen zu erreichen, musste Henry die Somme möglichst schnell überqueren. Doch die Franzosen hatten die Furten abgeriegelt, sodass Henry auf der Suche nach einem anderen Übergang ins Landesinnere gedrängt wurde und aus den geplanten acht Tagen achtzehn wurden (oder sechzehn, die Chronisten äußern sich unerträglich vage darüber, an welchem Tag die Armee aus Harfleur abgerückt ist). Die Verpflegung wurde knapp, und schließlich vereinigten die Franzosen ihre Armee, um die glücklosen Engländer zu stellen.
So kam es, dass Henrys lächerlich kleine Armee am Sankt-Crispins-Tag 1415 auf dem Feld von Agincourt dem Feind gegenüberstand. Ohne es zu ahnen, war diese Armee auf dem Weg in eine Legende gewesen.
Im Jahr 1976, in dem Sir John Keegan sein großartiges Buch Das Antlitz des Krieges veröffentlichte, konnte er über Agincourt schreiben: «Die Ereignisse um die Schlacht von Agincourt sind für den Militärhistoriker erfreulich eindeutig.. Es besteht nicht die übliche erhebliche Unsicherheit über die Anzahl der Beteiligten auf beiden Seiten.»
Leider hat sich diese Überzeugung mittlerweile aufgelöst, wenn nicht für den Verlauf der Schlacht, so doch für die Zahl der Beteiligten. Im Jahr 2005 hat Professor Anne Curry, eine der renommiertesten Wissenschaftlerinnen zur Geschichte des Hundertjährigen Krieges, ihr Buch Agincourt, A New History veröffentlicht, in dem sie nach detaillierten Ausführungen zu dem Schluss kommt, dass die Zahl der Kämpfenden auf beiden Seiten viel näher beieinanderlag, als die Geschichtsschreibung zugab. Die übliche Sichtweise ging davon aus, dass 6000 Engländer etwa 30000 Franzosen gegenüberstanden. Dr. Curry schätzt diese Zahlen nun auf 9000 Engländer und 12000 Franzosen. Wenn dies zutrifft, dann ist der Sieg in dieser Schlacht Hochstapelei, denn sein Ruhm beruht ja hauptsächlich auf dem enormen Ungleichgewicht zwischen den beiden Parteien. Shakespeare hätte kaum das Recht gehabt zu schreiben «wir wen'ge, wir glückliches Häuflein», wenn die Franzosen beinahe ebenso wenige gewesen wären.
Nun hatte Sir John Keegan allerdings recht damit, jedem Versuch, die Zahl der Beteiligten an mittelalterlichen Schlachten zu schätzen, eine «erhebliche Unsicherheit» zu attestieren. Wir sind in der glücklichen Lage, dass eine Reihe von Augenzeugen die Schlacht von Agincourt beschrieben haben, auch haben wir weitere schriftliche Quellen, die wenig später entstanden sind, und dennoch gehen darin die Schätzungen zu den Zahlen sehr weit auseinander. Englische Chronisten veranschlagen die Zahl der französischen Kräfte irgendwo zwischen 60000 und 150000, während in französischen und burgundischen Quellen alles zwischen 8000 und 50000 zu finden ist. Die vertrauenswürdigsten Augenzeugen setzen die französischen Kräfte mit 30000, 36000 und 50000 an, und sie alle tragen zu der erheblichen Unsicherheit bei, die Dr. Curry noch erheblicher macht. Ich selbst beschloss schließlich, mich der allgemein anerkannten Schätzung anzuschließen, dass etwa 6000 Engländer gegen rund 30000 Franzosen kämpften. Das war, wie ich betonen möchte, nicht das Ergebnis intensiver akademischer Studien, sondern eher das Bauchgefühl, dass sich in der zeitgenössischen Reaktion auf diese Schlacht ein ganz außerordentliches Ereignis spiegelt, und das Außerordentlichste an all den Berichten über Agincourt ist nun einmal dieses Missverhältnis zwischen den Zahlen der Beteiligten auf beiden Seiten. Ein englischer Kaplan, der die Schlacht miterlebt hat, schätzte dieses Missverhältnis auf dreißig Franzosen pro Engländer, eine offenkundige Übertreibung, und doch unterstützt sie die überlieferte Sicht, dass es die schiere zahlenmäßige Ungleichheit der beteiligten Parteien war, die das Volk dazu brachte, in Agincourt etwas wahrhaftig Außergewöhnliches zu sehen. Dennoch, ich bin kein Wissenschaftler, und Dr. Currys Schlussfolgerungen abzulehnen scheint mir vermessen.
Dann, noch im gleichen Jahr, in dem Dr. Currys Buch erschien, wurde Juliet Barkers Werk Agincourt veröffentlicht und erwies sich als anschauliche, großangelegte und fesselnde Schilderung des Feldzugs und der Schlacht. Juliet Barker würdigt Dr. Currys Schlussfolgerungen, lehnt sie jedoch Höflich und entschieden ab, und da Juliet Barker eine ebenso gute Wissenschaftlerin wie Schriftstellerin ist und sie, ebenso wie Dr. Curry, in französischen und englischen Archiven recherchiert hat, fühlte ich mich berechtigt, meinem Instinkt nachzugeben. Jeder Leser, der mehr über den Feldzug und die Schlacht wissen möchte, ist gut beraten, alle drei Bücher zu lesen, die ich erwähnt habe. Das Antlitz des Krieges von John Keegan, Agincourt, A New History von Anne Curry und Agincourt von Juliet Barker. Ich sollte noch anfügen, dass, obwohl ich viele, sehr viele Quellen genutzt habe, um diesen Roman zu schreiben, das Buch, das ich wieder und wieder mit neuem Vergnügen gelesen habe, Juliet Barkers Agincourt war.
Jenseits aller Debatten steht die disparate Zusammensetzung der englischen Armee. Sie bestand zum größten Teil aus Bogenschützen, deren Zahl die der Feldkämpfer schon beim Auszug aus England um das Dreifache übertraf und am Sankt-Crispins-Tag um das Sechsfache. Noch immer werden Auseinandersetzungen darüber geführt, endlose Auseinandersetzungen, wo diese Bogenschützen aufgestellt waren, ob sie alle an den Flanken der englischen Armee standen oder ob sie vor der Kampflinie der Feldkämpfer eingesetzt wurden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bogenschützen vor der Front standen, einfach weil ihr Rückzug zwischen den Reihen der Feldkämpfer, rechtzeitig bevor der Kampf Mann gegen Mann einsetzte, viel zu schwierig gewesen wäre. Ich meine, dass die überwiegende Mehrheit zur Rechten und Linken der Hauptkampflinie aufgestellt wurde. Eine gute Erörterung über die Rolle von Bogenschützen im Kampf findet sich in Robert Hardys phantastischem Buch Longbow, A Social and Military History.
Soweit möglich habe ich versucht, den historischen Ereignissen zu folgen, die sich an jenem feuchten Sankt-Crispins-Tag in Frankreich zugetragen haben. Kurz zusammengefasst, scheint es sicher zu sein, dass die Engländer zuerst vorrückten (und offenbar hat Henry wirklich gesagt: «Gefährten! Es geht los!») und ihre Kampflinie weiter vorne gerade noch innerhalb der Reichweite eines Bogenschusses neu aufstellten und dass die Franzosen törichterweise nichts gegen dieses Manöver unternahmen. Dann provozierten die Bogenschützen mit einem Pfeilhagel den ersten französischen Angriff. Dieser erste Angriff wurde von berittenen Feldkämpfern geführt, deren Aufgabe es war, die Bogenschützen auseinanderzutreiben und zu schlagen, doch dieser Versuch scheiterte. Zum Teil, weil sogar Pferde mit Rüstungen verhängnisvoll leicht von Pfeilen verletzt werden konnten, und zum Teil wegen der Stöcke, die als Hindernis ausreichten, um dem Angriff jede Wucht zu nehmen. Einige der zurücklaufenden französischen Pferde scheinen von den Pfeilen so verrückt gemacht worden zu sein, dass sie in die vorrückende erste französische Kampfeinheit galoppierten und in den dichten Reihen ein wahres Chaos verursachten.
Diese erste Kampfeinheit, die vermutlich aus achttausend Feldkämpfern bestand, hatte ohnehin schon ernsthafte Probleme. Das Feld von Agincourt war kurz zuvor für den Winterweizen gepflügt worden, und es stimmt, wenn Nicholas Hook sagt, dass man für den Winterweizen tiefer pflügt als für den Frühlingsweizen. Zudem hatte es in der vorausgegangenen Nacht wolkenbruchartig geregnet, und so mussten sich die Franzosen durch zähe Lehmerde schleppen. Es muss ein Albtraum gewesen sein. Niemand kam schnell voran, und die ganze Zeit über ging der Pfeil-beschuss weiter, und je näher die Franzosen an die englische Linie kamen, desto tödlicher wurden die Pfeile. Auch über die Wirkung von Bogenschüssen wird viel diskutiert. Einige Wissenschaftler behaupten, dass auch die kräftigste Ahlspitze, mit dem stärksten Eibenbogen geschossen, keine Plattenrüstung durchbohren kann. Doch warum sonst sollte Henry so viele Bogenschützen aufgestellt haben? Die Pfeile konnten den Rüstungsstahl durchbohren, auch wenn der Schuss dazu im rechten Winkel auftreffen musste, und zweifellos hielten die besten Rüstungen, etwa solche aus Mailand, besser stand. Und wenn nichts anderes, dann zwang der Pfeilsturm die Franzosen mit geschlossenen Visieren vorzurücken, wodurch ihre Sicht ganz wesentlich eingeschränkt wurde.
Ein guter Bogenschütze konnte in einer Minute fünfzehn Pfeile zielgenau abschießen. (Ich habe das jemanden mit einem Bogen tun sehen, der ein Zuggewicht von 110 Pfund hatte, also zwanzig bis dreißig Pfund weniger als die Bögen, die in Agincourt eingesetzt wurden, aber immer noch viel mehr als jeder moderne Wettkampfbogen. ) Wenn wir annehmen, dass die Bogenschützen von Agincourt einen Durchschnitt von zwölf Pfeilen in der Minute erreichten und dass 5000 Bogenschützen dort waren, bedeutet das, dass in einer Minute 60000 Pfeile auf die Franzosen geschossen wurden, eintausend Pfeile in der Sekunde. Es bedeutet außerdem, dass die Bogenschützen in zehn Minuten 60000 Pfeile abgeschossen hätten, und die Folgerung daraus ist, dass ihnen recht schnell die Pfeile ausgegangen sein müssen. Doch der Pfeilsturm hatte erreicht, dass die Flanken des ungeordneten französischen Vorstoßes nach innen auf die wartenden englischen Feldkämpfer zu gedrängt wurden. Dieses Schrumpfen der französischen Linie muss die Flanken der englischen Armee, die auf beiden Seiten mit Bogenschützen besetzt waren, dem Beschuss der französischen Armbrustschützen ausgesetzt haben, doch es Hegt kein Hinweis darauf vor, dass die Franzosen diese Gelegenheit nutzten. Abgesehen von einigen Salven zu Beginn der Schlacht scheinen die französischen Armbrustschützen sich kaum am Kampf beteiligt zu haben, ein schwerwiegender Fehler, der dem fatalen Mangel an Führerschaft auf der französischen Seite zugeschrieben werden muss.
Die Schlacht dauerte zwischen drei und vier Stunden, doch im Grunde war sie vermutlich schon so gut wie vorbei, als sich die führende französische Kampfeinheit zurückzog. Die französischen Feldkämpfer waren erschöpft, halb blind, ungeordnet und blieben im Morast stecken. Was passiert zu sein scheint, ist, dass ihre ersten Reihen schnell fielen und so einen Wall für die nachrückenden Männer bildeten, die ihrerseits von Nachrückenden auf diesen Wall gedrängt wurden. So stolperten die Franzosen in die englischen Waffen, und die Engländer (zusammen mit einigen Walisern und Gascognern) hatten im Vergleich zu ihnen mehr Raum zum Kämpfen und Töten. Zu dieser ersten französischen Kampfeinheit hatte der größte Teil des Hochadels von Frankreich gehört, und so fielen bei dem Gemetzel die großen Namen: der Duc d'Alencon, der Duc de Bar, der Duc de Brabant, der Erzbischof von Sens, der Konnetabel von Frankreich und wenigstens acht Comtes. Andere, wie der Duc d'Orleans, der Duc de Bourbon und der Marschall von Frankreich, wurden gefangen genommen. Auch für die Engländer lief nicht alles glatt: Der Duke of York wurde getötet, ebenso wie der Earl of Suffolk (sein Vater war in Harfleur an Dysenterie gestorben), doch die englischen Verluste scheinen bemerkenswert gering gewesen zu sein. Henry hat ohne Zweifel in der ersten Reihe der Engländer gekämpft, und alle achtzehn Franzosen, die sich zu einer Brüderschaft verschworen hatten, um ihn zu töten, fanden statt seiner den Tod. Henrys Bruder Humphrey, Duke of Gloucester, wurde beim Kampf schwer verwundet, und man sagt, dass Henry über ihm stand und die Franzosen abwehrte, die den verletzten Duke wegholen wollten.
Die zweite französische Kampfeinheit sollte die erste verstärken, doch nun mussten die Franzosen über einen Wall aus Toten und Sterbenden hinweg kämpfen, und sie mussten auch gegen die Bogenschützen kämpfen, die ihre Bögen hatten liegenlassen und nun Kampfaxte, Schwerter und Hämmer schwangen. Der Vorteil der englischen Bogenschützen bestand in ihrer Beweglichkeit. Unbelastet von sechzig Pfund schlammbeschwerter Rüstung, müssen ihre Angriffe tödlich gewesen sein. Ich kann nicht sicher behaupten, dass der britische Zwei-Finger-Gruß in Agincourt als Verhöhnung der geschlagenen Franzosen seinen Anfang nahm, weil die Bogenschützen zeigen wollten, dass sie ihre Bogenfinger noch hatten, die ihnen die Franzosen hatten abschlagen wollen -aber es erscheint mir glaubwürdig.
Einige Zeit nach dem Vorrücken der zweiten französischen Kampfeinheit griff ein kleiner Reiterverband unter der Führung des Seigneurs d'Azincourt den englischen Tross an. Dies und die augenscheinliche Bereitschaft der Franzosen zum Angriff brachten Henry dazu, den Befehl zur Tötung der Gefangenen zu erteilen. Dieser Befehl stößt uns heute ab, doch die zeitgenössischen Chronisten verdammen ihn nicht. In dieser Phase der Schlacht standen etwa zweitausend französische Gefangene dicht hinter der englischen Linie, die einen weiteren Angriff von achttausend Franzosen erwartete. Die Gefangenen hätten durchaus die entscheidende Wende des Kampfes herbeiführen können, indem sie Henry in den Rücken fielen, also wurde der Befehl gegeben - zum offenkundigen Missfallen vieler englischer Feldkämpfer, die wertvolle Lösegelder verloren. Henry schickte einen Junker und zweihundert Bogenschützen, um die Gefangenen zu töten, doch sie wurden offenbar recht schnell zurückgerufen, weil klarwurde, dass die Plünderung des Trosses keinen Angriff von hinten zur Folge haben würde und weil sich die Bedrohung durch die dritte französische Kampfeinheit in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Die Franzosen hatten genug, ihre Uberlebenden begannen das Schlachtfeld zu verlassen, und Henry hatte den außergewöhnlichen Sieg von Agincourt errungen. Erhebliche Unsicherheit besteht im Hinblick auf die Zahl der Gefallenen, doch zweifellos erlitten die Franzosen schreckliche Verluste. Ein englischer Augenzeuge, ein Priester, berichtet von achtundneunzig Toten unter dem französischen Adel, etwa 1500 französischen Rittern und zwischen viertausend und fünftausend Feldkämpfern. Die französischen Verluste gingen in die Tausende, möglicherweise waren es sogar 5000, während die englischen Verluste allem Anschein nach 200 Tote nicht überstiegen (einschließlich eines Bogenschützen namens Roger Hunt, der von einer Kanone getötet wurde). Die Schlacht war ein Gemetzel, das, ebenso wie die Plünderung von Soissons, für Erschütterung in der gesamten Christenheit sorgte. Gewalt war in dieser Epoche nichts Besonderes. Henry verbrannte und hängte die Lollarden in London, und er ließ einen Bogenschützen dafür hinrichten, auf dem Zug nach Agincourt eine vergoldete Kupferpyxis gestohlen zu haben, doch solche Ereignisse waren alltäglich. Soissons und Agincourt jedoch, die durch Sankt Crispin und Sankt Crispinian in einer erstaunlichen Verbindung zu stehen schienen, galten auch in dieser Hinsicht als höchst außergewöhnlich.
Mit Ausnahme von Thomas Perrill habe ich sämtliche Namen der Bogenschützen aus den Musterrollen von Henrys Armee übernommen, die bis heute in den National Archives liegen (Leser, die sich für einen leichteren Zugang interessieren, finden die Namen im Anhang zu Anne Currys Buch). Es gab wirklich einen Nicholas Hook in Agincourt, wenn er auch nicht Sir John Cornewaille diente, der in der Tat der Turniermeister von Europa war. Sein Name wird oft Cornwell geschrieben, was für mich eine gewisse Peinlichkeit bedeutet. Er ist kein Verwandter.
Das Feld von Agincourt ist erstaunlich unverändert, obwohl die angrenzenden Wälder etwas kleiner geworden sind und die kleine Burg, die ihm den Namen verliehen hat, seit langem verschwunden ist. In dem Dorf gibt es ein wundervolles kleines Museum. Ein Mahnmal und eine Karte der Schlacht findet sich im nahegelegenen Maisoncelle, wo der englische Tross geplündert wurde (ein großer Teil von Henrys Kostbarkeiten wurde später wiedergefunden). Ein Kreuz auf dem Feld zeigt eine der Stellen, an der die Franzosen aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Gefallenen beerdigten. Harfleur ist verschwunden, zusammengelegt mit der größeren Stadt Le Havre, auch wenn sich noch Spuren der mittelalterlichen Stadt finden. Petrochemie-Werke erstrecken sich nun an dem Küstenabschnitt, an dem die englische Flotte landete.
Die Führerschaft Henrys V. hat unbezweifelbar viel zu dem unwahrscheinlichen Sieg beigetragen. Er kämpfte weiter in Frankreich und zwang die Franzosen schließlich, sich seiner Forderung nach dem französischen Thron zu beugen, als dessen rechtmäßigen Inhaber er sich ansah. Es wurde vereinbart, dass er nach dem Tode des geisteskranken Königs Charles gekrönt werden sollte. Doch Henry starb als Erster. Sein Sohn wurde zum König von Frankreich gekrönt, aber die Franzosen wurden wieder stark genug, um die Engländer aus ihrem Land zu vertreiben. Marschall Boucicaut, ein herausragender Soldat, sollte in englischer Gefangenschaft sterben, während Charles Duc d'Orleans fünfundzwanzig Jahre als Gefangener verbringen sollte und erst 1440 freigelassen wurde. Während all dieser Jahre schrieb er viele Gedichte, und Juliet Barker hat in Agincourt eine der Strophen übersetzt, die er in England geschrieben hat. Eine Strophe, die auch dieser Erzählung von einer lange vergangenen Schlacht als Abschluss dienen kann:
«Frieden ist ein Schatz, der nicht hoch genug gelobt werden kann.
Ich hasse den Krieg. Er sollte niemals gerühmt werden; So lange Zeit hat er mich daran gehindert, zu Recht oder zu Unrecht, mein Frankreich wiederzusehen, das mein Herz doch lieben muss.»