Der Ritter der schwarzen Rose

Lord Soth saß auf seinem zerfallenen, feuergeschwärzten Thron in den verwüsteten, verlassenen Ruinen der Burg Dargaard. Seine orangenen Augen flackerten in ihren unsichtbaren Höhlen – das einzig sichtbare Zeichen des verfluchten Lebens, das in der verkohlten Rüstung eines Ritters von Solamnia brannte.

Soth war allein.

Der tote Ritter hatte seine Gefolgsleute entlassen – ehemalige Ritter wie er, die ihm im Leben treu gewesen waren und deshalb verflucht worden waren, ihm auch im Tod die Treue zu halten. Er hatte auch die dunklen Hexen fortgeschickt, die Elfenfrauen, die bei seinem Sturz eine Rolle gespielt hatten und nun verdammt waren, ihr untotes Leben in seinem Dienst zu verbringen. Seit Hunderten von Jahren, seit der schrecklichen Nacht seines Todes, ließ Lord Soth diese unglückseligen Frauen sein Schicksal teilen. Jede Nacht, wenn er auf seinem verkohlten Thron saß, zwang er sie, die Geschichte seiner und ihrer eigenen Schande wieder und wieder zu besingen.

Der Gesang bereitete Soth bitteren Schmerz, aber er begrüßte diesen Schmerz. Zehnmal leichter war er zu ertragen als die Leere, die ansonsten sein unheiliges Leben nach dem Tod erfüllte. Aber in jener Nacht wollte er nicht ihrem Gesang lauschen. Statt dessen vernahm er die Geschichte seines Lebens, die wie der bitterkalte Nachtwind durch das Dachgesims der zerfallenen Burg geflüstert wurde.

»Vor langer, langer Zeit war ich ein Ritter von Solamnia. Damals hatte ich alles – ich war gutaussehend, charmant und tapfer. Verheiratet war ich mit einer Frau, die Vermögen, wenn auch keine Schönheit, in die Ehe brachte. Meine Ritter waren mir treu ergeben. Ja, man beneidete mich – Lord Soth von der Burg Dargaard.

Im Frühling vor der Umwälzung verließ ich Burg Dargaard und ritt mit meinem Gefolge nach Palanthas. In der Runde der Ritter war meine Anwesenheit erforderlich. Das Treffen der Ritter interessierte mich wenig – es würde sich mit endlosen Debatten über Belanglosigkeiten unseres Kodex in die Länge ziehen. Aber auch Trinkgelage, Treffen mit alten Kampfgefährten und Geschichten über Schlachten und Abenteuer würde es geben. Das war der Grund, warum ich dorthin reiste.

Wir ritten langsam und ließen uns Zeit. Die Tage verbrachten wir mit Gesang und Scherzen. In der Nacht machten wir, wo immer es möglich war, in Wirtshäusern halt, und sonst schliefen wir unter den Sternen. Das Wetter war gut, denn jener Frühling war mild. Tagsüber wärmte uns die Sonne, und die Abendbrise kühlte uns. In jenem Frühling war ich zweiunddreißig Jahre alt. Alles in meinem Leben lief hervorragend. Ich kann mich nicht erinnern, je glücklicher gewesen zu sein.

Aber dann, in jener Nacht – der silberne Mond sei verflucht, der sie beleuchtete – hatten wir in der Wildnis unser Lager aufgeschlagen. Ein Schrei schnitt sich durch die Dunkelheit und weckte uns aus unserem Schlummer. Es war der Schrei einer Frau, gefolgt von den Stimmen vieler Frauen und auch den barschen Rufen von Ogern.

Wir griffen nach unseren Waffen und eilten in den Kampf. Es war ein leichter Sieg: nur eine umherstreifende Banditenbande. Die meisten flohen vor uns, aber der Anführer, entweder mutiger oder betrunkener als die anderen, weigerte sich, seine Beute freizugeben. Und ich konnte es ihm wahrhaftig nicht verdenken. Er hatte ein wunderschönes, junges Elfenmädchen gefangengenommen. Ihre Schönheit strahlte im Mondschein, und ihre Angst steigerte noch ihren zarten Liebreiz. Allein forderte ich ihn heraus und ging aus dem Kampf als Sieger hervor. Und es war meine Belohnung – ah, welch bittersüße Belohnung —, das ohnmächtige Elfenmädchen in meinen Armen zu ihren Begleiterinnen zurückzutragen.

Ich sehe immer noch ihr feines, goldfarbenes Haar im Mondlicht glänzen. Ich sehe immer noch ihre Augen, als sie erwachte und in meine Augen schaute, und ich sehe jetzt immer noch – so wie damals – ihre Liebe zu mir in ihnen aufblühen. Und sie sah – in meinen Augen – die Bewunderung, die ich nicht verheimlichen konnte. Gedanken an meine Frau, an meine Ehre, an mein Schloß – all das verflüchtigte sich, als ich auf ihr wunderschönes Gesicht sah.

Sie dankte mir; wie schüchtern sie sprach. Ich brachte sie zu den Elfenfrauen zurück – einer Gruppe von Klerikerinnen, die sich auf einer Pilgerwanderung nach Palanthas befand und dann nach Istar Weiterreisen wollte. Sie war noch Meßgehilfin und sollte zu einer Verehrten Tochter Paladins ernannt werden. Ich verließ sie und die Frauen, kehrte mit meinen Männern zu unserem Lager zurück. Ich versuchte zu schlafen, aber ich konnte immer noch ihren geschmeidigen jungen Körper in meinen Armen spüren. Niemals hatte mich so die Leidenschaft für eine Frau verzehrt.

Als ich endlich einschlief, waren Träume meine süße Folter. Als ich erwachte, stieß der Gedanke an Trennung wie ein Messer in mein Herz. Ich stand früh auf und kehrte zu dem Elfenlager zurück. Ich erzählte ihnen erfindungsreich von umherstreifenden Goblinbanden zwischen hier und Palanthas und überzeugte die Elfenfrauen schnell, daß sie auf meinen Schutz angewiesen wären. Meine Männer hegten keine Abneigung gegen diese angenehme Begleitung, und so reisten wir zusammen.

Aber das linderte nicht meinen Schmerz. Vielmehr verstärkte er sich noch. Tag für Tag beobachtete ich sie, wenn sie neben mir ritt – aber nicht nah genug. Nacht für Nacht schlief ich allein – und meine Gedanken gerieten in Aufruhr.

Ich begehrte sie, begehrte sie mehr als alles andere auf der Welt. Und dennoch, ich war ein Ritter, gebunden an die Ritterschwüre, die uns dem Kodex und strengen Regeln verpflichteten, gebunden an das heilige Heiratsgelöbnis, meiner Frau treu zu bleiben mein Leben lang, gebunden an den Eid eines Hauptmanns, meine Männer stets ehrenhaft zu führen. Lange kämpfte ich mit mir, und schließlich war ich überzeugt, den Sieg errungen zu haben. Morgen werde ich sie verlassen, sagte ich mir und spürte den Frieden über mich kommen.

Ich hatte wirklich beabsichtigt, sie zu verlassen, und hätte es auch getan. Aber – verflucht sei das Schicksal – ich ging in den Wäldern auf die Jagd, und dort, weit vom Lager entfernt, traf ich sie. Man hatte sie zum Kräutersammeln geschickt.

Sie war allein. Ich war allein. Unsere Begleiter waren weit entfernt. Die Liebe, die ich in ihren Augen gesehen hatte, leuchtete immer noch. Sie hatte ihr Haar gelöst, und es fiel in einer goldenen Wolke bis zu ihren Füßen. Meine Ehre, mein Entschluß waren in einer Sekunde zerstört, verbrannt in der Flamme der Leidenschaft, die über mich fegte. Sie war leicht zu verführen, das arme Ding. Ein Kuß, dann ein zweiter. Ich zog sie nach unten auf das frische Gras, meine Hände liebkosten sie, und mein Mund brachte ihren Protest zum Schweigen, und... nachdem sie die meinige geworden war... küßte ich ihre Tränen fort.

In jener Nacht kam sie in mein Zelt. Ich war in Glückseligkeit verloren. Natürlich versprach ich ihr die Ehe. Was hätte ich sonst auch tun sollen? Anfangs hatte ich das wohl nicht ernst gemeint. Wie konnte ich auch? Ich hatte eine Gattin, eine reiche Gattin. Ich brauchte ihr Geld. Meine Ausgaben waren hoch. Aber dann, in einer dieser Nächte, als ich das Elfenmädchen in meinen Armen hielt, wußte ich, daß ich sie niemals aufgeben konnte. Ich traf Vorkehrungen, meine Gattin für immer verschwinden zu lassen...

Wir setzten unsere Reise fort. Allmählich wurden auch die Elfenfrauen argwöhnisch. Wie hätte es auch anders sein können! Es fiel uns schwer, uns tagsüber nicht vertraulich anzulächeln und jede Gelegenheit zu vermeiden, zusammenzutreffen.

Als wir Palanthas erreichten, wurden wir zwangsläufig getrennt. Die Elfenfrauen waren in einem der schönsten Häuser untergebracht, das dem Königspriester zur Verfügung stand, wenn er sich in der Stadt aufhielt. Meine Männer und ich gingen zu unseren Unterkünften. Ich war jedoch zuversichtlich, daß sie einen Weg finden würde, zu mir zu gelangen, da ich nicht zu ihr gehen konnte. Die erste Nacht verstrich, und ich war nicht sehr beunruhigt. Aber dann verstrich die zweite und die dritte, und immer noch keine Nachricht.

Endlich klopfte es an meiner Tür. Aber es war nicht sie. Es war der Großmeister der Ritter von Solamnia, begleitet von den Oberhäuptern der drei Ritterorden. Bei ihrem Anblick wurde mir klar, was geschehen war. Sie hatte die Wahrheit herausgefunden und mich verraten.

Doch wie die Dinge lagen, war sie es nicht, die mich verraten hatte, sondern die Elfenfrauen. Meine Geliebte war krank geworden, und als die Frauen sie heilen wollten, fanden sie heraus, daß sie ein Kind erwartete. Sie hatte es niemandem gesagt, nicht einmal mir. Sie erzählten ihr, daß ich verheiratet sei und, was noch schlimmer war, daß in Palanthas Gerüchte über das ›geheimnisvolle‹ Verschwinden meiner Frau aufgekommen seien.

Ich wurde verhaftet. In qualvoller Erniedrigung öffentlich durch die Straßen von Palanthas gezerrt, war ich Gegenstand geschmackloser Witze und schändlicher Beleidigungen durch den Pöbel. Die Einwohner genossen den Anblick durch und durch, daß ein Ritter auf ihre Stufe gesunken war. Damals schwor ich, eines Tages meine Rache an ihnen und ihrer schönen Stadt zu nehmen. Aber dazu schien keine Hoffnung zu bestehen. Mein Verfahren ging schnell zu Ende. Ich wurde zum Tode verurteilt – ein Verräter der Ritterschaft. Meiner Ländereien und meines Titels entledigt, sollte mir die Kehle mit dem eigenen Schwert durchgeschnitten werden. Ich nahm meinen Tod hin. Ich freute mich sogar darauf, immer noch überzeugt, daß sie mich fallengelassen hätte.

Aber in der Nacht vor meiner Hinrichtung befreiten mich meine getreuen Männer aus dem Gefängnis. Sie war bei ihnen. Sie erzählte mir alles, erzählte mir auch, daß sie ein Kind von mir erwartete.

Die Elfenfrauen hätten ihr verziehen, sagte sie, und obgleich sie niemals eine Verehrte Tochter Paladins werden könne, dürfe sie bei ihrem Volk weiterleben – auch wenn Ungnade sie bis zum Ende ihres Lebens verfolgen würde. Aber sie konnte den Gedanken nicht ertragen, mich zu verlassen, ohne sich von mir zu verabschieden. Sie liebte mich, das war offensichtlich. Aber ich erkannte auch, daß sie über die Geschichten beunruhigt war, die sie gehört hatte.

Ich erfand eine Lüge über meine Frau, die sie glauben konnte. Sie hätte mir wohl auch geglaubt, daß schwarz weiß ist. Sie war bald beruhigt und einverstanden, mit mir zu fliehen. Heute weiß ich, daß dies der wirkliche Grund für ihr Kommen war. Meine Männer begleiteten uns, und wir flohen zurück zur Burg Dargaard.

Die Reise war anstrengend, denn wir wurden ständig von den anderen Rittern verfolgt, aber schließlich erreichten wir das Schloß und verschanzten uns. Wie sie sich hoch über nackte Felsenwände erhob, bot die Burg uns eine problemlose Verteidigungsposition. Uns standen große Mengen von Proviant zur Verfügung, so daß wir mühelos jenen Winter durchhalten konnten, der sich schnell näherte.

Ich hätte glücklich sein sollen über mich, über mein Leben und meine neue Braut – was für ein Possenspiel die Heiratszeremonie war! Aber ich wurde von Schuldgefühlen gequält und, was noch schlimmer war, von dem Verlust meiner Ehre. Ich erkannte, daß ich einem Gefängnis entflohen war, nur um mich in einem anderen wiederzufinden – dem meiner eigenen Wahl. Ich war dem Tod entflohen, nur um ein dunkles und erbärmliches Leben zu führen. Ich wurde launenhaft und mürrisch. Ich war immer schon jähzornig gewesen und schnell bereit, meine Hände im Zorn zu gebrauchen, und jetzt wurde es noch schlimmer. Die Diener flohen, nachdem ich einige verprügelt hatte. Meine Männer gingen mir aus dem Weg. Und in einer Nacht schlug ich auch sie, die einzige Person auf dieser Welt, die mir zumindest einen Funken Trost spenden konnte.

Als ich in ihre tränennassen Augen sah, erkannte ich das Ungeheuer, das ich geworden war. Ich nahm sie in meine Arme und bat um Vergebung. Ihr wundervolles Haar fiel über mich, und ich konnte mein Kind spüren, das in ihrem Leib strampelte. Gemeinsam knieten wir uns nieder und beteten zu Paladin. Ich würde alles unternehmen, gelobte ich dem Gott, um meine Ehre wiederherzustellen. Ich bat lediglich darum, daß mein Sohn oder meine Tochter, wenn sie größer würden, niemals von meiner Schande erfahren sollten.

Und Paladin antwortete mir. Er erzählte mir von dem Königspriester und den arroganten Forderungen, die dieser dumme Mann den Göttern stellen wollte. Er sagte mir, daß die Welt selbst den Zorn der Götter spüren würde, wenn nicht – so wie Huma es vor mir getan hatte – ein Mensch bereit wäre, sich für die Unschuldigen zu opfern.

Paladins Licht glänzte um mich. Meine gequälte Seele war mit Frieden erfüllt. Welch geringfügiges Opfer schien es mir, mein Leben zu geben, damit mein Kind in Ehre aufwachsen und die Welt gerettet werden könnte. Ich ritt nach Istar, in der vollen Absicht, den Königspriester aufzuhalten, denn ich wußte, daß Paladin bei mir war.

Aber noch jemand begleitete mich auf dieser Reise – die Königin der Finsternis. Auf diese Weise führt sie ihren ewigen Krieg um die Seelen, die sie sich dann gern als Sklaven hält. Wen benutzte sie, um mich zu besiegen? Jene Elfenfrauen – die Klerikerinnen des Gottes, der mich auf diese Mission geschickt hatte.

Diese Frauen hatten seit langer Zeit schon den Namen von Paladin vergessen. Wie der Königspriester waren sie in ihre Rechtschaffenheit eingehüllt und konnten durch den Schleier ihrer Vollkommenheit nichts sehen. Erfüllt von meiner eigenen Rechtschaffenheit ließ ich sie wissen, was ich vorhatte. Ihre Angst war groß. Denn sie glaubten nicht, daß die Götter die Welt bestrafen würden. Sie sahen den Tag kommen, an dem nur das Gute – und damit meinten sie sich, die Elfen – auf Krynn bestehen würde.

Sie mußten mich aufhalten. Und sie waren erfolgreich.

Die Königin der Finsternis ist klug. Sie kennt die dunklen Bereiche im Herzen eines Mannes. Ich hätte eine Armee niedergeritten, wenn mir eine im Weg gestanden hätte. Aber die sanften Worte dieser Elfenfrauen strömten in mein Blut wie Gift. Wie raffiniert sei es von dem Elfenmädchen gewesen, mich so einfach loszuwerden, sagten sie. Jetzt hätte sie mein Schloß, meinen Reichtum und alles für sich, ohne den Unannehmlichkeiten eines menschlichen Ehemannes ausgesetzt zu sein. Wäre ich denn überhaupt sicher, daß das Kind von mir sei? Man hatte sie in der Gesellschaft eines jungen Mannes aus meinem Gefolge gesehen. Wohin war sie gegangen, wenn sie mein Zelt in der Nacht verlassen hatte?

Sie haben niemals offen eine Lüge erzählt. Niemals haben sie direkt etwas gegen sie geäußert. Aber ihre Fragen knabberten an meiner Seele und nagten an mir. Ich erinnerte mich plötzlich an Worte, an Situationen und Blicke. Ich war auf einmal überzeugt, daß ich betrogen wurde. Ich würde sie zusammen erwischen! Ich würde ihn töten! Ich würde sie leiden lassen!

Ich brach meinen Weg nach Istar ab.

Bei meiner Ankunft zertrümmerte ich die Tore meines Schlosses. Meine Frau kam berunruhigt herbei und wollte mich begrüßen. In ihren Armen hielt sie unseren kleinen Sohn. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck der Verzweiflung – aber ich hielt ihn für ein Schuldeingeständnis. Ich verfluchte sie, und ich verfluchte ihr Kind. Und in diesem Moment schlug das feurige Gebirge auf Ansalon ein.

Die Sterne fielen vom Himmel. Der Boden bebte und brach entzwei. Ein Kronleuchter mit hundert brennenden Kerzen fiel von der Decke. Von den Flammen wurde meine Frau sofort verschlungen. Sie wußte, daß sie sterben würde, aber sie hielt mir ihr Kind entgegen, um es vor dem Feuer zu retten. Ich zögerte, denn eifersüchtiger Zorn tobte immer noch in meiner Brust, und schließlich wandte ich mich ab.

Mit ihrem letzten Atemzug rief sie den Zorn der Götter auf mich herab. ›Du wirst diese Nacht im Feuer sterben‹, schrie sie, ›so wie auch dein Sohn und ich sterben werden. Aber du wirst auf alle Ewigkeit in Dunkelheit leben. Du wirst für jedes Leben büßen, das durch deine Torheit in dieser Nacht ausgelöscht wurde!‹ So verschied sie.

Die Flammen breiteten sich aus. Bald brannte mein Schloß lichterloh, und alle Versuche, dieses seltsame Feuer zu löschen, mißlangen. Es verbrannte sogar das Gestein. Meine Männer versuchten zu entkommen. Aber auch sie gingen in Flammen auf, wie ich beobachten mußte. Niemand, niemand außer mir blieb lebend auf diesem Berg zurück. Ich stand allein in der riesigen Halle, auf allen Seiten vom Feuer umzingelt, das mich noch nicht berührt hatte. Aber wie ich da stand, sah ich, daß es mich immer näher einschloß, immer näher... näher...

Ich starb langsam in unerträglichen Todesqualen. Als der Tod endlich eintrat, brachte er keinen Trost. Denn ich schloß meine Augen, nur um sie wieder zu öffnen, und schaute in eine Welt der Leere und düsteren Verzweiflung und ewigen Pein. Nacht für Nacht, seit endlosen Jahren, sitze ich auf diesem Thron und höre den Elfenfrauen zu, die meine Geschichte singen.

Aber das hat aufgehört, es hat mit dir aufgehört, Kitiara...

Als die Dunkle Königin mich aufforderte, sie im Krieg zu unterstützen, antwortete ich ihr, ich würde dem ersten Drachenfürsten dienen, der den Mut aufbrächte, die Nacht auf Burg Dargaard zu verbringen. Es gab nur einen – dich, meine Schöne. Dich, Kitiara. Ich bewunderte dich dafür, ich bewunderte deinen Mut und deine skrupellose Entschlossenheit. In dir sehe ich mich. Ich sehe, was ich hätte werden können.

Ich half dir, die anderen Fürsten umzubringen, als wir aus Neraka aus dem Aufruhr nach der Niederlage der Königin flohen, ich half dir dann, Sanction zu erreichen, und dort half ich dir, deine Macht auf diesem Kontinent wieder aufzubauen. Ich half dir bei dem Versuch, die Pläne deines Bruders Raistlin zu vereiteln, als er die Königin der Finsternis herausfordern wollte. Nein, ich war nicht überrascht, daß er dich überlistet hat. Von allen Lebewesen, die ich jemals kennengelernt habe, ist er der einzige, den ich fürchten mußte.

Selbst deine Liebesaffären haben mich amüsiert, meine Kitiara. Wir Tote empfinden keine Lust. Das ist eine Leidenschaft des Blutes, und in diesen eiskalten Adern fließt kein Blut mehr. Ich habe beobachtet, wie du diesem Schwächling, Tanis, dem Halb-Elfen, das Innere nach außen gekehrt hast, und ich genoß jede Einzelheit wie auch du.

Aber jetzt, Kitiara, was ist jetzt aus dir geworden? Die Herrin ist zur Sklavin geworden. Und wofür – für einen Elfen! Oh, ich habe deine Augen brennen gesehen, als du seinen Namen aussprachst. Ich habe deine Hände zittern gesehen, als du seine Briefe hieltest. Du denkst an ihn, obwohl du einen Krieg vorbereiten solltest. Selbst deine Generäle können nicht länger deine Aufmerksamkeit wecken.

Nein, wir Tote können keine Lust empfinden. Aber wir können Haß spüren, wir können Neid spüren, wir können Eifersucht und Gier nach Besitz spüren.

Ich könnte Dalamar töten – dieser Dunkelelf ist stark, aber er stellt keine Herausforderung für mich dar. Sein Meister? Raistlin? Ah, das ist etwas anderes.

Meine Königin in deiner dunklen Hölle – hüte dich vor Raistlin! Deine größte Herausforderung steht dir mit ihm bevor, und du mußt – am Ende – ihm allein entgegentreten. Ich kann dir auf deiner Ebene nicht helfen, Dunkle Majestät, aber vielleicht kann ich dir auf dieser helfen.

Ja, Dalamar, ich könnte dich töten. Aber ich habe erlebt, was es heißt, zu sterben, und der Tod ist eine schäbige, eine wahrhaft jämmerliche Angelegenheit. Der Schmerz des Todes ist qualvoll, aber schnell vorbei. Welch größerer Schmerz ist es dagegen, immer weiter auf der Welt der Lebenden zu verweilen, ihr warmes Blut zu riechen und ihr sanftes Fleisch zu sehen und zu wissen, daß es niemals, niemals wieder deins sein kann. Aber das wirst du noch erfahren, und nur allzu gut, Dunkelelf...

Und was dich betrifft, Kitiara, wisse dies – ich würde eher diesen Schmerz ertragen, ich würde eher ein weiteres Jahrhundert einer gequälten Existenz erleiden, als dich wieder in den Armen eines lebenden Mannes zu sehen!«

Der tote Ritter grübelte und schmiedete Komplotte, sein Geist drehte und krümmte sich wie die Dornenzweige der schwarzen Rosen, die sein Schloß überwucherten. Skelettkrieger schritten über die zerstörten Zinnen, jeder gebannt an den Ort, wo er seinen Tod gefunden hatte. Die Elfenfrauen rangen ihre fleischlosen Hände und stöhnten im bitteren Leid über ihr Schicksal.

Soth hörte nichts und nahm nichts wahr. Er saß auf seinem geschwärzten Thron und starrte blind auf einen dunklen, verkohlten Fleck auf dem Steinboden – einen Fleck, den er seit Jahrhunderten mit all seiner machtvollen Magie vergeblich auszulöschen versucht hatte – und der niemals verschwand, ein Fleck in der Form einer Frau...

Und schließlich lächelten die unsichtbaren Lippen, und die Flammen der orangenen Augen brannten hell in ihrer ewigen Nacht.

Du, Kitiara – du wirst mir gehören – für immer und ewig...

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