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Das letzte, was sie gesehen hatte, war eine Woge blendendweißer, unerträglicher Helligkeit, die plötzlich da entstanden war, wo sich zuvor die Riesenhantel gedreht hatte, Licht von so unvorstellbarer Intensität, daß die Wände des Gleiters durchsichtig zu werden schienen. Es war, als hätte der gesamte Kosmos Feuer gefangen, ein Licht wie das Herz einer explodierenden Nova, das sich rasend schnell auf sie zubewegt hatte. Und Skudders Stimme: »O mein Gott! Sie explodiert!«

Dann ... Stille. Ein endloses Dahingleiten durch ein schwarzes, weiches, warmes, leeres Nichts, in dem Sekunden zu Jahren und Äonen zu Augenblicken wurden, in dem Zeit und Raum nicht mehr dasselbe bedeuteten wie in der Welt, in der sie geboren und aufgewachsen war, und schließlich der erste, bewußte Gedanke, ebenso banal wie naheliegend, denn jeder in ihrer Situation hätte ihn wohl gedacht: War das der Tod?

Natürlich nicht.

Sie wußte, was es war. Es war nicht das erste Mal, daß sie in diesem fremden, unheimlichen Kontinuum weilte, einem Raum, der weder still noch leer, weder dunkel noch unbelebt war, aber so anders, daß ihre Sinne nichts von dem, was sie umgab, wirklich begreifen konnten.

Die Bombe war explodiert.

Aber - wieso lebte sie noch?

Lebte sie noch?

Eine gute Frage, dachte Charity. Die Bombe war explodiert, das zumindest war sicher. Sie hatten versagt. Es war ihnen nicht gelungen, Morons Todesboten zu entschärfen. Die Orbit-Stadt und das Flottenhauptquartier der Moroni existierten nicht mehr, und die Erde gab es vielleicht auch nicht mehr.

Sie hätte Zorn bei diesem Gedanken empfinden müssen, Entsetzen, zumindest Trauer - aber sie spürte nichts von alledem. Vielleicht war in diesem Raum zwischen den Universen kein Platz für Gefühle. Vielleicht war das Entsetzen auch einfach zu groß, daß etwas in ihr wie eine überlastete Sicherung durchgebrannt war. Sie hatten gekämpft - und verloren. Es war vorbei, und alles, was sie empfand, war ein tiefes Gefühl von Endgültigkeit.

Ganz flüchtig kam ihr der Gedanke, daß dies vielleicht doch der Tod war, und diese große, schwarze Leere ringsum nichts anders als die Hölle, durch die sie für alle Zeiten treiben würde, ohne Körper, ohne Gefühl, mit nichts anderem als dem sicheren Wissen ihres Versagens und des Preises, den ihre Freunde und letztendlich ihre ganze Welt dafür bezahlt hatten. Aber gleichzeitig wußte sie auch irgendwie, daß das nicht stimmte. Sie war schon mehrmals hiergewesen, und obwohl sie es bis vor wenigen Augenblicken nicht einmal selbst gewußt hatte, erinnerte sie sich an jedes einzelne Mal, als wären die Erinnerungen die ganze Zeit über dagewesen, aber sorgsam verborgen und ihrem bewußten Zugriff entzogen: Sie befand sich im Inneren des Transmitters. Es war die schwarze Leere, die hinter dem Silber der Transmitterringe wartete, der zeitlose Schritt durch den Raum, der nicht zeitlos war und der auch nicht durch den Raum führte, sondern durch ... etwas anderes. Etwas, wofür es keine Worte gab.

Allmählich begann sich die Dunkelheit zu lichten. Vielleicht verließ sie diesen bizarren Kosmos, vielleicht wurde sie auch allmählich zu einem Teil dieses fremden Raumes - sie wußte es nicht, aber was sie sah, das schlug sie in seinen Bann, machte es ihr unmöglich, den Blick zu wenden.

Es war so unvorstellbar fremd und furchteinflößend, daß eine Million Worte nicht ausgereicht hätten, es zu beschreiben, aber gleichzeitig auch von einer fast hypnotischen Faszination. Etwas daran berührte ihre Seele und begann Dinge in ihr auszulösen, von denen sie nicht wußte, was sie waren. Und plötzlich begriff sie die Gefahr, die von diesem Angriff ausging. Noch ein paar Sekunden, und dieses Bild würde es ihr völlig unmöglich machen, jemals wieder wegzusehen, jemals wieder an irgend etwas anderes zu denken als an das körperlose Wogen und Gleiten, es würde sie aussaugen, verbrennen und nur eine leere Hülle zurücklassen, die nie wieder irgend etwas anderes tun konnte, als diesen fremden Kosmos anzustarren, der Himmel oder Hölle zugleich war.

Aber wie sollte man die Augen schließen, wenn man keine Lider hatte; wie wegsehen, wenn man nicht sah?

Sie versuchte es. Die schwarzen Wirbel hinter und vor ihrer Stirn drehten sich schneller, zerrissen, ordneten sich neu ... immer und immer und immer wieder.

Dann ...

... fühlte sie etwas.

Stimmen, die lautlos flüsterten, schrien, weinten, riefen, lachten ...

Gefühle. Angst, Verwirrung, Freude, Furcht, Neugier, Entsetzen, Liebe und Haß, Wärme, Kälte ...

Die anderen.

Auch das war so wie die anderen Male, als sie die Transmitter benutzt hatte: Sie fühlte, daß sie nicht allein war, daß es da noch andere gab, die mit ihr durch das Tor in jenen anderen Kosmos getreten waren, aber etwas war anders.

Sie fühlte nicht einfach ihre Anwesenheit.

Sie fühlte sie.

Da war Skudder, groß und stark und voller Ruhe und Selbstvertrauen, aber zugleich auch von einer Verwundbarkeit und Sanftmut, die sie nie auch nur an ihm vermutet hatte. Sie spürte ihn, sie war er, kannte alle seine Gedanken und Gefühle und Erinnerungen; so wie er im gleichen Moment sie war, als wären sie im selben Augenblick für immer miteinander verschmolzen, in dem sich ihre Seelen berührten.

Es war wunderschön. Seine intimsten Geheimnisse kennenzulernen, hatte nichts Voyeuristisches. Es gab keine Peinlichkeiten, keine Geheimnisse, denn es war kein Belauschen, sondern ein Teilen, denn in diesen Momenten waren sie eins. Zum allerersten Mal begriff sie, was Skudder wirklich für sie empfand und daß sie diese Gefühle vom ersten Moment an erwidert, es sich aber nie selbst erlaubt hatte, es sich einzugestehen.

Aber da war nicht nur Skudder.

So deutlich wie ihn fühlte sie die Nähe der anderen - Stone, von dem sie plötzlich wußte, daß er kein Verräter war, allenfalls ein schwacher, bedauernswerter Mensch, der Fehler gemacht hatte, weil er in eine Situation hineingeworfen worden war, mit der er nicht fertig wurde. Auch French und Stark waren um sie und die anderen, die vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben ohne Angst waren ...

Außer diesen vertrauten, bekannten Wesen fühlte sie die Nähe anderer Geschöpfe, und es dauerte eine Weile, bis sie begriff, daß es nicht irgendwelche Bewohner dieses fremden Kosmos waren, sondern Kias und Gurk. Und im gleichen Moment, in dem sie sich diesen beiden zuwandte, wurde sie auch zu einem Teil von ihnen, und plötzlich wußte sie, wer Kias/Jared und Gurk wirklich waren.

Und da lernte sie das Grauen kennen.


*


Obwohl Hartmann nicht geglaubt hatte, daß es überhaupt möglich war, hatte der Kampf in den letzten Minuten noch an Heftigkeit zugenommen. Trotzdem bestand an seinem Ausgang nicht mehr der mindeste Zweifel. Die Moroni brachten immer mehr und mehr Krieger durch ihre Transmitter heran, aber der Augenblick, den Hartmann vorausgesehen hatte, war längst eingetreten - die Verteidiger der Schwarzen Festung wurden schneller umgedreht und zu ihren eigenen Feinden gemacht, als daß sie nachrücken konnten. Die Front der veränderten Moroni rückte weiter auf die Reihen der Transmitterstation vor, und Hartmann verstand längst nicht mehr, warum die Verteidiger immer noch frische Kräfte in die Schlacht warfen.

»Um Zeit zu gewinnen«, sagte Kyle, der Hartmanns Frage offenbar erraten hatte.

Kyle deutete auf die Transmitterstationen. »Er ist noch hier. Ich spüre es. Er braucht Zeit, um seine Flucht vorzubereiten.«

Hartmanns Antwort ging im Krachen einer neuerlichen Explosion unter, und für eine Sekunde erstrahlte die gewaltige Halle im Widerschein des blauweißen Feuerballs, in dem das letzte noch aktive Lasergeschütz verglühte. Instinktiv duckte er sich, aber die erwartete Hitzewelle blieb aus. Obwohl die Verteidiger sie mit einem wütenden Feuer aus ihren Lasergewehren und -pistolen überschütteten, verzichteten Kyles Krieger darauf, ihre Waffen einzusetzen, sondern stürmten einfach weiter und versuchten, ihre Feinde mit bloßen Händen zu packen und niederzuringen. Vor ihnen tobte ein wildes Handgemenge, und viele endeten damit, daß Freund und Feind von den nachrückenden Truppen einfach niedergetrampelt wurden. Von dem geheimnisvollen Herrscher der Schwarzen Festung war keine Spur zu sehen.

Langsam rückten sie weiter vor. Obwohl alles in ihm sich gegen den bloßen Gedanken wehrte, hatte auch Hartmann seine Waffe abgeschaltet und benutzte sie nur dann und wann, um sich mit Kolbenstößen eines Angriffes zu erwehren - was allerdings selten genug geschah. Obgleich sie sich praktisch in vorderster Front befanden, schützten Kyle und das gute Dutzend Ameisenkrieger, das den Megamann begleitete, sie doch vor allen Angriffen. »Da ist er!« schrie Kyle plötzlich. Sein ausgestreckter Arm deutete auf die aufgereihten Transmitter, die in so rascher Folge Moronikrieger ausstießen, daß sie allein dabei schon ein fast unentwirrbares Gedränge bildeten. Hartmann strengte seine Augen an, um zu erkennen, was Kyle entdeckt haben wollte. Aber er sah nur ein schwarzes, glitzerndes Durcheinander von gepanzerten Körpern, dürren Gliedmaßen und glotzenden Facettenaugen. Allerdings war er auch nicht sicher, ob er den Herrn der Schwarzen Festung überhaupt hätte erkennen können, selbst wenn er nicht von Hunderten seiner Insektenkrieger abgeschirmt gewesen wäre.

So wie Kyle seinen Gegner inmitten des Durcheinanders entdeckt hatte, schien der Herr der Festung auf Kyle aufmerksam geworden zu sein. Ganze Salven greller Laserblitze stachen in ihre Richtung, und plötzlich stürmten von überall her Ameisen auf sie ein. Auch Kyles Truppen erhielten sofort Verstärkung, und die umgedrehten Moroni setzten nun zum ersten Mal ihre Waffen ein. Die Halle war plötzlich voller Feuer und Qualm. Winzige Geysire aus glutflüssigem Metall spritzten hoch, wo die Lichtblitze ihre Ziele verfehlten und in den Boden schlugen.

Für einen Moment war Hartmann fast blind. Er konnte kaum noch atmen, und er sah nichts außer Feuer und Rauch und schwarzen, eckigen Gestalten, die in sonderbar abgehackten Bewegungen hin und her hasteten. Und für die gleiche, winzige Zeitspanne war Hartmann auch plötzlich gar nicht mehr so sicher, daß sie es schaffen würden. Es war ein gewaltiges letztes Aufbäumen, in dem die Moroni noch einmal all ihre Kräfte sammelten, um ihren Herrn zu schützen. Ihr Vordringen war so ungestüm, daß Kyles Truppen für Augenblicke nicht nur aufgehalten, sondern sogar zurückgedrängt wurden. Hartmann hob sein Gewehr, hielt kurz und vergeblich nach Kyle Ausschau und gab einen fast ungezielten Feuerstoß ab.

Der smaragdfarbene Lichtstrahl traf gleich drei oder vier Ameisen, aber für jeden Angreifer, den er ausschaltete, schienen auf der Stelle drei neue aus dem Transmitterring herauszubrechen.

Net schrie irgend etwas. Hartmann verstand die Worte nicht, wandte aber den Kopf, sah sie heftig gestikulieren und registrierte eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Hastig sprang er zurück, streckte das Bein vor und versetzte dem Moroni, der ihn hatte anspringen wollen, einen Kolbenstoß in den Rücken, als er an ihm vorbeistolperte. Die Ameise kippte ungeschickt nach vorn und direkt in die Arme eines zweiten Insektenkriegers hinein. Ihre Gegenwehr erlosch nach wenigen Augenblicken, und plötzlich war Hartmann froh, sie nicht schwerer verletzt zu haben, denn sie war jetzt ein Krieger mehr auf ihrer Seite.

Verrückt, dachte Hartmann. Vor einem Moment war dieses Geschöpf noch sein Todfeind gewesen. Er fragte sich, ob der Trick auch umgekehrt funktionierte, dachte aber dann nicht länger darüber nach, sondern zog es vor, diesen Gedanken zu verdrängen.

Net gestikulierte noch immer, sah aber nach einigen Augenblicken wohl ein, daß er nicht verstand. So zuckte sie nur mit den Schultern, hob die Waffe und gab einen fast anderthalb Sekunden langen Feuerstoß ab. Obwohl die Front der heranstürmenden Moroni keine zehn Meter mehr von ihr entfernt war, verfehlte der grüne Lichtstrahl zu Hartmanns Überraschung sein Ziel.

Erst nach einigen Sekunden begriff er, daß sie gar nicht auf die Ameisen gezielt hatte. Der Energiestrahl traf einen der Transmitterringe, ließ das silberne Metall in greller Rotglut aufflammen und verdampfte es. Für den Bruchteil einer Sekunde hing der durchbrochene Ring noch immer schwerelos in der Luft, dann flammte er plötzlich auf, verwandelte sich in einen Kreis aus Feuer und zerfiel zu Asche. Das Transmitterfeld erlosch. Hartmann beobachtete entsetzt, wie die beiden oberen Drittel eines Moroni aus dem zusammenbrechenden Feld hervortaumelten und reglos zu Boden stürzten; der Rest seines Körpers war so sauber abgetrennt, als wäre er mit einem chirurgischen Messer durchgeschnitten worden.

Net schwenkte ihre Waffe herum und feuerte auf einen zweiten Transmitter, und endlich erwachte auch Hartmann aus seiner Erstarrung und gab einen Schuß auf eines der Geräte ab.

Der Nachschub der Moroni geriet ins Stocken. Auch die anderen Ameisen konzentrierten ihr Feuer mittlerweile auf die Transmitterringe. Binnen weniger Augenblicke verwandelten sie mehr als ein Dutzend der wabernden Dimensionstore in glühende Trümmerhaufen, und nach einigen weiteren Augenblicken brach der Angriff der Insektenkrieger vollends zusammen. Kyles Truppen stürmten jetzt so schnell voran, daß Hartmann und Net einfach mitgerissen wurden.

Und beinahe hätten sie die Schlacht um die Schwarze Festung auch gewonnen.

Es geschah völlig lautlos und ohne irgendeine Warnung. Sie sahen nichts. Sie hörten nichts. Aber sie spürten, daß irgend etwas geschah, etwas Fremdes und Gefährliches und ungeheuer Machtvolles, das die Grenzen ihres Vorstellungsvermögens sprengte.

Hartmann war wie Net einfach stehengeblieben. Die Hauptmasse der Insektenkrieger bewegte sich noch ein Stück weiter, wie eine große, schwerfällige Maschine, die vom Schwung ihrer eigenen Bewegung mitgerissen wurde, aber der Kampf war ganz plötzlich beendet. Und ebenso plötzlich tauchte auch Kyle wieder auf, eine große, dunkelhaarige Gestalt in zerfetzten Kleidern, die aus einem Dutzend Wunden blutete und schnell und stoßweise atmete. Hartmann wollte ihn ansprechen, aber in diesem Moment sah er, daß Kyles Blick starr auf den riesigen Transmitterring über ihren Köpfen gerichtet war. Hartmann sah ebenfalls auf ...

... und erstarrte.

Die gigantische Konstruktion hatte aufgehört, blaues Feuer zu speien, aber sie war nicht leer. Statt des rückwärtigen Teiles der Halle erkannte Hartmann darin eine Bewegung. Schemen. Umrisse, die keine waren. Durcheinanderwogende, wachsende, gleitende Formen, die zugleich organisch wie kristallin wirkten. Formen, die wirklich zu erkennen vollkommen unmöglich schien, ein zugleich entsetzliches wie auch faszinierendes Konglomerat aus blauem und grünem Feuer und Farben, wie sie noch keines Menschen Auge je zuvor erblickt hatte.

»Seht nicht hin!« sagte Kyle erschrocken.

Hartmann hörte seine Worte, und etwas in ihm begriff nur zu gut, wie ernst diese Warnung gemeint war. Aber er konnte nicht wegsehen. Sein Blick hing wie gebannt an dem dreißig Meter durchmessenden Silberring, in dessen Innerem sich die faszinierende Tödlichkeit eines fremden Kosmos heranbildete, und er spürte, wie etwas in ihm auf den Lockruf dieser fremden Welt antwortete, sich zu verändern begann und ... Kyle packte ihn an der Schulter und riß ihn so grob herum, daß er das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte, und im gleichen Augenblick zerriß etwas in ihm; die Faszination des Fremden - die nichts anderes als die Verlockung des Todes gewesen war, erlosch, und zurück blieb eine Leere und ein Gefühl des Verlustes, die so tief waren, daß er beinahe aufgeschrien hätte.

Mühsam hob er den Kopf und sah, daß Kyle auch Net gepackt und herumgerissen hatte. Sie hockte benommen auf den Knien und schien Schwierigkeiten zu haben, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Sie war bleich und zitterte am ganzen Leib, und obwohl er nicht einmal hingesehen hatte, wußte er, daß auch sie um ein Haar der Verlockung dieses fremden Etwas erlegen wäre. Ein dumpfes Heulen ließ Hartmann aufblicken. Durch das gewaltige, offenstehende Tor am entgegengesetzten Ende der Halle fegte ein Schwarm silberner Lichtblitze heran, die Hartmann nach wenigen Augenblicken als eine Formation der scheibenförmigen Gleiter identifizierte, die sofort das Feuer auf die Moroni eröffneten. Offensichtlich hatten sie nur darauf gewartet, daß sich der Transmitter wieder beruhigte, um in den Kampf einzugreifen. Ein grelles Gewitter aus weißen und orangefarbenen Lichtblitzen regnete auf die gewaltige Insektenarmee herab und säte Tod und Flammen in ihre Reihen.

Für eine einzige Sekunde.

Dann griff ... etwas aus dem Transmitter heraus und berührte die Schiffe.

Zuerst war es nur wie das Flimmern heißer Luft, ein kaum wahrnehmbares Gleiten und Wogen, das die Konturen der Gleiter ergriff und sie verwischte. Für einen kurzen Augenblick hatte Hartmann das Gefühl, die heranrasenden Flugscheiben wie durch einen Vorhang aus sanft bewegtem, glasklarem Wasser hindurch zu beobachten. Dann verwandelte sich dieser Vorhang jäh in einen lautlos tosenden Wasserfall. Zitternde Wogen aus reiner Bewegung rasten über die Oberfläche der Gleiter, verzerrten, verbogen sie auf völlig unmögliche Art und Weise, ohne sie zu zerbrechen. Es dauerte vielleicht eine Sekunde, wahrscheinlich aber viel weniger, doch in dieser winzigen Zeitspanne ging eine unheimliche Veränderung mit dem knappen Dutzend Gleiter vor sich. Sie verformten sich auf eine unvorstellbare Weise, bis sie zu bizarren, formlosen Klumpen aus kochendem, silberfarbenem Metall geworden waren - und verschwanden.

Aber es hörte nicht auf.

Das Zittern und Wogen hielt an, ein riesiger Bereich der leeren Luft, der unter einer unfühlbaren Hitze zu kochen schien und sich langsam, aber beständig weiter ausdehnte.

»O mein Gott!« flüsterte Kyle. »Er reißt auf!«

Seine Stimme war fast tonlos, und als Hartmann zu ihm aufblickte, sah er, daß sein Gesicht alle Farbe verloren hatte. Seine Hände zitterten.

»Wer reißt auf?« fragte Net.

Sie bekamen keine Antwort, Kyle starrte eine Sekunde lang weiter zu dem Bereich flimmernder Leere empor, der sich träge wie ein zitternder Ölschleier auf Wasser immer weiter ausbreitete, dann fuhr er jählings herum, riß Net und Hartmann in die Höhe und versetzte ihnen einen Stoß, der sie vorwärts taumeln ließ. »Weg!« brüllte er. »Weg hier!«

Aus der erbitterten Schlacht, die noch vor Augenblicken in der Schwarzen Festung getobt hatte, wurde eine kopflose Flucht. Jegliche Feindschaft zwischen den beiden Moroni-Armeen war vergessen. Die Insektenkrieger stürmten in heller Panik davon, fort von dem wabernden Etwas, das die Wirklichkeit verschlang.

Kyle stieß Hartmann und die Wasteländerin immer schneller vor sich her. Mehr stolpernd als rennend näherten sie sich den zum Teil zerstörten Transmittern. Die schwebenden Silberringe stießen längst keine Krieger mehr aus, sondern verschlangen sie, als die Moroni in wilder Panik auch diesen Weg wählten, um aus der Halle zu entkommen.

Hartmann wandte im Laufen den Kopf. Sein Herz machte einen erschrockenen Sprung, als er sah, welche Ausdehnung das Feld zitternder Leere in den wenigen Augenblicken bereits erreicht hatte. Seine Bewegung schien langsam und träge, aber sie war es nicht.

»Schneller!« schrie Kyle. »Um Gottes willen - lauft!«

Hartmann riß seinen Blick von der unheimlichen Erscheinung los - und erschrak erneut und noch heftiger, als er die Transmitter vor sich ansah.

Sie erloschen einer nach dem anderen. Das wabernde Nichts der Entmaterialisierungsfelder wurde transparent und erlosch, und plötzlich waren die drei Meter durchmessenden Ringe aus silbernem Metall nichts als schwebende, leere Kreise, in denen man den dahinterliegenden Teil der Halle sehen konnte. Sie erloschen nicht gleichzeitig. Es war, als beobachte er eine Reihe nacheinander umstürzender Dominosteine, die schneller fielen, mit jedem Stein, der angestoßen wurde.

Trotzdem schafften sie es.

Die Transmitter schalteten sich einer nach dem anderen ab, aber sie näherten sich der Reihe schneller, als die Geräte erloschen. Für den Bruchteil einer Sekunde flammte Angst in Hartmann auf vor dem, was sie auf der anderen Seite erwarten mochte, aber zugleich begriff er auch, daß es kaum schlimmer sein konnte als der lautlose Tod, der ihnen hier folgte. Bevor sie in den Transmitter stolperten, wandte er noch einmal den Kopf, und was er erblickte, ließ ihn vor Schreck aufschreien.

Im Zentrum des außer Kontrolle geratenen Transmitters war ein weißglühendes, loderndes Etwas erschienen, wie ein höllisches Auge, das auf das Chaos herunterblickte, das sich in der Festung der Moroni ausgebreitet hatte. Gleißende Lichtstrahlen gingen von dem Glutball aus und ließen Metall und Stein verdampfen, wo sie aufprallten, und hinter diesem weißglühenden, lodernden Höllenauge schien ... irgend etwas aus dem Inneren des Transmitter-Ringes herauszudrängen, etwas Formloses und Ungeheuerliches, dessen bloßer Anblick töten konnte.

Hartmann sah es kaum. Der unheimliche Effekt hatte fast die gesamte schwarze Festung ergriffen. Wände, Decke und Boden wogten und zitterten, verbogen und verformten sich auf unmögliche Art und Weise. Lichtblitze huschten lautlos wie kleine, leuchtende Tiere hierhin und dorthin, und er spürte, wie irgend etwas Unsichtbares, ungeheuer Mächtiges und unvorstellbar Gefährliches nach ihm und den anderen griff.

»Großer Gott, Kyle, was ist das?« hauchte er.

»Die Bombe«, antwortete Kyle, noch während er herumfuhr und Net und Hartmann vor sich her in den Transmitter stieß. »Die Energie muß sehr viel größer gewesen sein, als wir geglaubt haben. Der Hyperraum reißt auf!«

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