12

»Oho!« rief Hci. »In guter Absicht begrüße ich dich. Die Zeit der Festlichkeiten ist herangerückt, da wollen wir unser Verhältnis festigen!«

»Sei gegrüßt«, antwortete Canka, der vor seinem Zelt stand.

Hci wurde von zwei Sleensoldaten begleitet. Einer hielt einen dicken Zügel, an dem zwanzig Kaiila befestigt waren.

»Zum Zeichen der Zuneigung, die ich in meinem Herzen für dich empfinde«, sagte Hci, »schenke ich dir zwanzig Kaiila.« Er gab dem Burschen mit dem Zügel ein Zeichen.

»Nicht!« rief Canka.

»Sie gehören dir!« verkündete Hci und machte eine ausholende Gebärde.

»Ich habe keine zwanzig Kaiila«, sagte Canka. »Ich bin kein Häuptlingssohn.«

»Du brauchst mir keine Kaiila zurückzuschenken«, sagte Hci besorgt. »Wie du weißt, erleidest du keinen Ehrverlust, wenn du mir ein Gegengeschenk von vergleichbarem Wert machst.«

»Aber was sollte ich besitzen, das einen solchen Wert hat?« fragte Canka ärgerlich. Offenkundig wollte ihn der andere beim Schenken, bei der Zurschaustellung von Großzügigkeit in den Schatten stellen. Genau genommen hätte Hci dem anderen nicht Geschenke anbieten dürfen, denen Canka nichts Gleichwertiges entgegensetzen konnte. Eine solche Gabe konnte den Empfänger beschämen.

»Sie«, sagte Hci und deutete auf Winyela, die am Zelteingang stand. »Ich nehme sie!«

Winyela erbleichte.

»Nein!« rief Canka. »Sie gebe ich nicht auf! Sie gehört mir!«

»Ich habe dir ein Geschenk gemacht, das einen großen Wert besitzt«, sagte Hci und tat verwirrt. »Und du willst mir keine Gegengabe machen?«

»Sie bekommst du nicht!« sagte Canka.

»Na schön, mein Freund«, bemerkte Hci und schaute seine Begleiter an. Dann blickte er auf die Zuschauer, die sich inzwischen eingefunden hatten, und lächelte breit. »Die Kaiila, die ich dir übergeben habe, gehören dennoch dir. Ich bedaure meine Großzügigkeit nicht. Ich bedaure nur, daß du in dieser Sache so kleingeistig reagierst.«

Einer der Sleensoldaten, die Hci begleiteten, schlug sich vor Vergnügen auf den Schenkel. Einige Umstehende begannen ebenfalls zu lachen. Die Gruppe der roten Wilden wurde immer größer; die Nachricht von Hcis Besuch bei Canka schien sich im Lager schnell herumzusprechen.

»Ich habe Canka zwanzig Kaiila geschenkt!« rief Hci in die Menge. »Als Gegenleistung gönnt er mir nicht einmal eine einzige weibliche Kaiila.« Und er deutete auf Winyela.

Die Zuschauer lachten.

»Nimm deine Kaiila zurück!« sagte Canka barsch.

»Wie sollte ich das tun?« fragte Hci. »Ich habe sie dir bereits geschenkt.«

»Ich gebe sie dir dennoch zurück!« sagte Canka zornig.

»Na schön«, gab Hci lächelnd nach. Der Sleensoldat faßte die Zügel fester.

»Hci ist sehr klug«, raunte mir Cuwignaka zu. »Er weiß genau, daß Canka Winyela nicht herausrücken will. Seine Zuneigung zu ihr ist längst überall im Lager bekannt. Trotzdem setzte er seinen Plan erst in die Tat um, nachdem Canka sich geweigert hatte, das Mädchen seinem Vater Mahpiyasapa als Geschenk für die Gelbmesser zu überlassen. Wenn Canka sie nicht Mahpiyasapa gab, würde er sie auch nicht Hci als Gegengeschenk überlassen.«

»Dann hat Hci also nicht damit gerechnet Winyela zu bekommen«, sagte ich.

»Natürlich nicht!« sagte Cuwignaka. »Ich meine fast, daß er sie überhaupt nicht haben will. Sie ist zwar hübsch, aber hübsche Mädchen gibt es im Lager jede Menge. Die Isanna allein besitzen mehr als zweihundert. Außerdem mag er zwar der Sohn eines Häuptlings sein, doch ist er noch sehr jung. Er würde für eine solche Frau keine zwanzig Kaiila zahlen wollen. Für einen jungen Mann wie ihn wäre das ein geradezu verrückter Preis. Schließlich ist sie nur eine weiße Sklavin, allenfalls vier oder fünf Kaiila wert. Die meisten weißen Sklavinnen werden für ein Fell oder weniger verkauft. Außerdem hat Hci seit seiner Verletzung die Gesellschaft von Frauen weitgehend gemieden, auch von Sklavinnen. Hci liegt mehr daran, Flieher und Gelbmesser zu töten, als Sklavinnen zu zähmen.«

»Folglich riskiert er gar nichts«, sagte ich.

»Und gewinnt sehr viel, indem er nämlich Canka an den Pranger stellt«, sagte Cuwignaka. »Er ist ein schlauer Bursche. Ich mag ihn irgendwie.«

»Es tut mir sehr leid, mein Freund Canka«, sagte Hci grinsend, »daß du in dieser Sache einen Ehrverlust erlitten hast. Ich hoffe, du wirst mir verzeihen. In gewisser Weise ist es natürlich mein Fehler. Ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen, dir zum Friedensschluß kein großes Geschenk zu machen. Nie hätte ich mir träumen lassen, daß dir der Edelmut und die Großzügigkeit des Kaiila-Kriegers abgehen. Nur gut, daß du nur den Kampfgefährten angehörst. Im Kreis der Sleensoldaten wäre ein Mann wie du niemals willkommen.«

Ich spannte die Muskeln an, denn ich fürchtete schon, Canka würde sein Messer ziehen und sich auf Hci stürzen. Hci selbst war sichtlich auf diese Möglichkeit vorbereitet und hätte den Angriff sicher begrüßt. Er hatte leicht die Knie gebeugt, und seine Hand schwebte in der Nähe des Messergriffs. Nur zu gern wäre Hci bereit gewesen, seine Differenzen mit Canka der Zufälligkeit des Messerkampfes zu überlassen.

»Hoho!« prustete Cuwignaka plötzlich los und schlug sich auf die Oberschenkel. »Hci begreift gar nicht, wie lustig das alles ist!«

Die beiden jungen Männer starrten Cuwignaka an, als habe er den Verstand verloren.

»Ein guter Witz, Canka«, sagte Cuwignaka. »Du hast ihn richtig getäuscht. Einen Moment lang habe auch ich mich täuschen lassen!«

»Wovon redest du?« fragte Canka.

»Hast du wirklich angenommen, Hci«, sagte Cuwignaka lachend, »daß mein Bruder Canka, der als Blotanhunka gedient hat und der den Kampfgefährten angehört und nicht lediglich den Sleensoldaten, für eine bloße Sklavin keine zwanzig Kaiila annehmen würde?«

»Ich gebe das Mädchen niemals auf«, sagte Canka.

»Dürfte ich mal mit meinem Bruder sprechen?« fragte Cuwignaka.

»Aber ja doch«, erwiderte Hci und wandte sich an die Menge. »Hier haben wir die hübsche Siptopto, Cankas Schwester. Warum sollte eine Schwester sich nicht mit ihrem Bruder beraten dürfen? Ist es nicht das Privileg einer Schwester, mit ihrem Bruder zu sprechen?«

»Cinto!« riefen etliche Stimmen. »Aber ja doch!«

»Danke!« rief Cuwignaka.

Dann baute er sich zwischen den beiden Wilden auf; er wandte Hci den Rücken zu und legte Canka brüderlich die Hände auf die Schultern, ein Vorgehen, das auch gleichzeitig dafür sorgte, daß Canka sich nicht von der Stelle rühren konnte. Leise sprach er auf Canka ein und trat schließlich zurück. »Ich meine, der Scherz ist nun weit genug getrieben worden«, sagte er ziemlich laut.

»Du hast recht, Cuwignaka«, sagte Canka. »Verzeih mir, Hci, ich wollte dich wirklich nicht unnötig zum Besten halten.«

Hci musterte ihn verwirrt.

»Sie gehört dir«, sagte Canka und deutete auf Winyela. Das Mädchen verzog entsetzt das Gesicht. Ich fürchtete schon, sie würde das Bewußtsein verlieren.

»Sie gehört mir?« fragte Hci.

»Selbstverständlich«, sagte Canka. »Nimm sie dir, führe sie fort.« Entschlossen nahm er dem Sleensoldaten den Kaiilazügel aus der Hand.

»Mir?« fragte Hci.

»Ja«, entgegnete Canka. »Du sagtest doch, du wolltest sie. Nun nimm sie.«

»Aber das sind zwanzig Kaiila!« sagte Hci.

»Die Bedingungen für den Tausch wurden von dir festgesetzt«, sagte Canka. »Ich finde sie zwar seltsam, doch ich akzeptiere sie. Nimm das Mädchen.«

»Bitte, Herr!« flehte Winyela und warf sich vor Canka zu Boden. »Gib mich nicht fort! Ich liebe dich doch! Ich liebe dich!«

»Schweig, Sklavin!« sagte Canka streng.

Winyela senkte den Kopf und schluchzte so heftig, daß sie am ganzen Körper bebte.

Wie betäubt stand Hci vor uns.

»Was gedenkst du mit ihr zu tun?« fragte Canka freundlich.

Offenkundig hatte Hci nicht damit gerechnet, das Mädchen zu bekommen; Cuwignaka behielt recht. Er hatte sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, was er mit ihr anfangen sollte.

»Mein Vater wollte sie haben«, sagte Hci. »Ich werde sie ihm für die Gelbmesser schenken.«

»Das ist eine gute Idee«, sagte Canka aufgeschlossen.

»Hci«, rief ein Mann lachend, »hat für eine weiße Sklavin zwanzig Kaiila gegeben!«

»Ich glaube nicht, daß ich ihm auch weiterhin meine Tauschgeschäfte überlasse«, sagte ein zweiter.

»Es ist sogar doppelt witzig!« meldete sich ein dritter. »Hci wurde dazu gebracht anzunehmen, daß Canka auf den Handel nicht eingehen wolle, dann führte Canka ihn hinters Licht und schloß ein Geschäft ab, das sehr zu seinem Vorteil war!«

»Wenn ich beim Austausch von Geschenken nur auch so gut abschneiden könnte!« rief eine Stimme.

Gelächter breitete sich aus.

»Komm, Mädchen«, sagte Hci zornig zu Winyela. Offenbar wollte er schleunigst diesen Ort verlassen, an dem er, Hci, Sohn eines Häuptlings, plötzlich in die Hinterhand geraten war und als Dummkopf hingestellt wurde. Eine unangenehme Wende, die seiner Eitelkeit so gar nicht schmeichelte.

»Geh mit ihm«, sagte Canka zu Winyela.

Schwankend richtete sie sich auf.

Hci machte kehrt. Er hatte noch keine zwei Schritte gemacht, als Canka hinter ihm herrief: »Einen Moment noch, Freund Hci!«

Ärgerlich drehte sich der junge Krieger um. Er hatte die Hand auf den Messergriff gelegt.

»Wir haben die Zeit der Friedensschlüsse«, sagte Canka. »Die Zeit des Feierns und Tanzens. Die Zeit für Geschenke und Freundschaftsbekundungen.«

Aufgebracht starrte Hci ihn an.

»Ich schenke dir zwanzig Kaiila!« sagte Canka und hob den Zügel. »Sie gehören dir!«

»Ich habe nichts von vergleichbarem Wert, das ich dir schenken könnte!« brüllte Hci zornig.

»Ich nehme sie«, sagte Canka und deutete auf Winyela. »Nein!« sagte Hci nachdrücklich. »Ich weiß nun, daß du sie haben willst. Aber ich behalte sie.«

»Tu das!« sagte Canka lachend. »Aber dann wird überall an den Feuerstellen herumerzählt werden, wie Hci seine Ehre verlor, wie er sich vom Austausch von Geschenken ausschloß, wie er damit bewies, daß er ein engstirniger, geiziger Mann ist und den Edelmut und die Großzügigkeit des Kaiila-Kriegers vermissen läßt!«

»Ich bin Kaiila-Krieger!« brüllte Hci außer sich. »Ich bin nicht engstirnig und geizig! Hci ist großzügig! Hci ist edel! Hci ist ein großzügiger, edler Krieger! Hci ist ein Krieger der Kaiila! Hci verliert nichts von seiner Ehre!«

»Ach?« fragte Canka.

»Sie gehört dir!« sagte Hci.

»Und die Kaiila dir«, sagte Canka lächelnd und reichte den Leitzügel für die zwanzig Reittiere einem der Sleensoldaten in Hcis Begleitung.

Winyela sank vor Canka in die Knie. Ich fürchtete, sie würde das Bewußtsein verlieren.

Hci musterte Canka mit zornigem Blick. Seine Hand öffnete und schloß sich über dem Messer.

»Ich glaube, Canka liegt wirklich an der Frau«, sagte ein Mann.

»Ich auch«, antwortete ein anderer.

»Interessant«, sagte eine Stimme.

»Nun ist der Scherz ein dreifacher«, sagte einer der Männer. »Canka tat, als wolle er nicht tauschen, dann tauschte er doch und legte Hci damit herein; da er aber letztlich die Frau behalten wollte, übertölpelte er Hci ein zweitesmal und zwang ihn gegen seine Ehre, sie zurückzugeben.«

Ich lächelte. Für mich stand nach diesem lebhaften Gespräch fest, daß die Ehre eher Cuwignaka als Canka gebührte.

Seine Schläue, so wollte mir scheinen, stand hinter Cankas Sieg und hatte ein Blutvergießen verhindert. Canka, davon war ich überzeugt, machte sich in diesem Punkt keine Illusionen.

»Eine gute Geschichte«, sagte ein Mann, »die im Laufe der Jahre oft erzählt werden wird.«

»Und es ist keine Eigengeschichte«, antwortete sein Nachbar. »Wir alle können sie erzählen.«

»Ja«, sagte der erste. Viele Geschichten, die bei den roten Wilden erzählt werden, stehen im Eigentum einzelner, und können nur von einem bestimmten Mann erzählt werden. Wollte man die Geschichte hören, müßte man sich an ihren Eigentümer wenden. Es ist ein Privileg, eine Geschichte zu besitzen. Sie kann einen zu einer wichtigen Person machen. Manchmal werden solche Geschichten an bestimmten Tagen erzählt, und viele Leute kommen zum Zuhören. Manche Menschen besitzen kaum etwas anderes als ihre Geschichte, doch eine gute Geschichte zu besitzen macht einen Mann in den Augen der roten Wilden reich.

Geschichten lassen sich auch wie jeder andere Besitz verschenken oder verkaufen. Dies geschieht aber selten, denn die roten Wilden stellen sich ungern vor, daß eine Geschichte einen Preis hat; für sie ist sie zu kostbar zum Verkaufen. Wie alle kostbaren oder unschätzbaren Dinge behält man sie oder verschenkt sie höchstens, wenn einem in einer Hochstimmung danach zumute ist. Manchmal vererbt ein Mann seine Geschichte; so leben gewisse Geschichten seit Generationen in Familien fort; manchmal gibt er sie an jemanden weiter, der sie liebt und von dem er annimmt, daß er sie gut erzählen kann.

»Morgen«, rief Hci zornig und deutete auf Canka, »wird sich mein Vater die Frau nehmen. Morgen mittag wird er sie dir abnehmen, für die Gelbmesser!« Wutschnaubend drehte er sich um und verschwand zwischen den Zelten. Die beiden Sleensoldaten folgten ihm; einer führte die Kaiila hinter sich her.

»Meinst du, er wird das tun?« fragte ich Canka.

»Nein«, antwortete Canka. »Mahpiyasapa ist zwar böse auf mich, doch er ist ein guter Häuptling. Er kennt die Sitten der Kaiila. Niemals würde er mir die Frau gegen meinen Willen nehmen.«

Canka hockte sich neben Winyela nieder, zog sie in eine kniende Stellung hoch und preßte sie an sich.

»Hab keine Angst«, sagte er beruhigend.

»Du hast mich verschenkt«, flüsterte sie.

»Doch nur vorübergehend«, erwiderte er, »und nur weil ich wußte, wie ein Kaiilakrieger denkt. Es bestand keine Gefahr, daß ich dich verlieren würde.«

»Du hast mich verschenkt«, sagte sie matt.

»Es ist alles vorbei. Ich werde es nicht wieder tun.«

»Magst du mich nicht?«

»O doch, sehr sogar.«

»Dann schicke mich niemals von dir fort.«

»Ich werde dich niemals gehen lassen«, sagte er. »Ich liebe dich.«

Erstaunt blickte sie zu ihm auf und drückte sich dann zitternd und schluchzend in seine Arme. »Ich liebe dich auch, mein Herr!«

Canka ließ sie eine Zeitlang weinen. Dann hob er sie hoch und trug sie vorsichtig in sein Zelt.

»Ich fand, daß Canka ziemlich geschickt mit Hci umgesprungen ist«, sagte Cuwignaka.

»Ich finde, Cuwignaka ist mit Hci recht geschickt umgesprungen«, sagte ich. »Und Canka weiß das – und Hci vermutlich auch, leider.«

»Hci ist ein schlauer Bursche«, meinte Cuwignaka. »Es war an der Zeit, daß er mal seine eigene Arznei zu schmecken bekam.«

»Wer solche Medizin austeilt, bekommt sie selten gern selbst verschrieben.«

»Ich glaube, nun habe ich einen befriedigenden Ausgleich gefunden für Hcis Trick in der Senke und den Verlust des Fleisches«, sagte Cuwignaka leise lachend.

»Meinst du, es wird deswegen noch Ärger geben?«

»Nein«, sagte Cuwignaka. »Hci ist wütend, aber er kann nichts tun. Nach den Gebräuchen unseres Stammes ist er hilflos.«

»Aber was ist, wenn er sich über die Sitten und Gebräuche hinwegsetzt?« fragte ich.

»Das wird er nicht tun. In letzter Konsequenz ist Hci ein hundertprozentiger Kaiila. Er ist ehrenvoll.«

»Er drohte Canka, Mahpiyasapa würde ihm Winyela morgen wegnehmen«, sagte ich. »Er kann auf keinen Fall bestimmt wissen, daß das geschehen wird – eher ist diese Aussage sogar falsch. Auf ähnliche Weise scheint er mir in der Angelegenheit mit dem Fleisch gelogen zu haben.«

»Das stimmt schon«, sagte Cuwignaka nachdenklich. »Er hätte das wirklich nicht tun dürfen.«

»Nein.«

»Das ist nicht recht.«

»Außerdem hängen Dinge wie Zivilisation und Freundschaft und Verständigung von gegenseitigem Vertrauen ab«, meinte ich.

»Außerdem könnte ein solches Verhalten gefährlich sein«, sagte Cuwignaka.

»Inwiefern?« wollte ich wissen.

»Der eigene Schild könnte einen verraten.«

Ich betrachtete den jungen Mann.

»Ja«, sagte Cuwignaka. »Es ist eine allgemein bekannte Tatsache. Wenn man lügt, kann sich der eigene Schild weigern, den Kämpfer zu verteidigen.«

»Außerhalb des Ödlands verhalten sich Schilde aber nicht so«, sagte ich lächelnd.

»Wie ich sehe, bist du skeptisch«, sagte Cuwignaka. »Nun ja, ich kann es dir ganz genau sagen, mein Freund. Ich spreche von den Schilden der Völker des Ödlands. Dabei handelt es sich nicht um gewöhnliche Schilde. Unsere Schilde werden mit Hilfe von Zaubersprüchen gefertigt. Diese Kriegsmedizinen sind wichtig in Aufbau und Entwurf. Es handelt sich bei ihnen nicht einfach nur um Kriegsgerät, nicht nur um Gegenstände aus Metall oder Leder. Sie sind heilig. Sie sind kostbar. Sie sind Freunde und Verbündete. Gewiß hast du sie schon auf Stativen hinter Zelten gesehen, wo sie der Sonne ausgesetzt wurden?«

»Ja«, mußte ich zugeben.

»Sie sollen die Kraft der Sonne in sich aufsaugen.«

»Ich verstehe.«

»Bei einem normalen Schild würde man das nicht machen, oder?«

»Im allgemeinen nicht«, sagte ich.

»Also sind es keine normalen Schilde«, folgerte Cuwignaka.

»Im Kampf sind einige Krieger sicher erfolgreicher als andere«, bemerkte ich.

»Selbstverständlich. Wahrscheinlich ist ihre Kriegsmedizin stärker.«

»Aha.«

»Kehren wir in unser Zelt zurück«, sagte Cuwignaka.

»Du sprichst goreanisch«, sagte ich. »Du hast bei Weißen gelebt.«

»Ja?« fragte Cuwignaka.

»Glaubst du wirklich an diese Dinge?«

»Welche Dinge?«

»Na, an die Sache mit den Schilden.«

»Natürlich!«

»Komm, bleib ernst!«

»Ich weiß nicht«, sagte Cuwignaka lächelnd. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«

»Glauben alle deine Stammesgenossen daran?«

»Ich würde sagen, die meisten.«

»Was ist mit Kriegern wie Canka und Hci? Glauben sie daran?«

»Natürlich!«

»Gehen wir in unser Zelt«, sagte ich.

»Ja«, stimmte mir Cuwignaka zu. »Ich muß mich ausruhen. Morgen muß ich tanzen. Morgen wird ein herrlicher Tag!«

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