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Die drei gefesselten Mädchen schrien auf.

Der Gelbmesser, der hinter ihnen ritt, glitt vom Rücken seiner Kaiila; ein Pfeil hatte ihn in die Brust getroffen.

Der zweite Gelbmesser senkte seine Lanze in die Angriffsstellung, stieß einen Wutschrei aus und spornte seine Kaiila an. Das Tier stürmte auf Cuwignaka los.

»Halte dich auf der Außenseite seiner Lanze!« brüllte ich. Cuwignaka besaß keinen Schild. Er mußte den Angriff mit der eigenen Lanze ablenken. Mit Schild hätte er den Gegner von innen angreifen können, die Lanze nach links drückend, mit der eigenen Waffe die geöffnete Mitte suchend. Ich setzte einen neuen Pfeil aus der Hand auf die Bogensehne; im Kampf werden gewöhnlich einige Pfeile in der Hand oder im Mund in Bereitschaft gehalten, denn im Zweifel kann der Weg vom Köcher zum Bogen zu lang werden.

Cuwignaka stieß die angreifende Lanze mit seiner Speerspitze zur Seite. Der Angreifer war so schnell gekommen, daß er seine Waffe nicht wieder freibekam. Die Kaiila stoppte in einer Staubwolke, ging auf die Hinterhand nieder und fuhr herum. Ich hob den Bogen – und senkte ihn wieder. Ein genauer Schuß war nicht möglich. Beim zweiten Durchlauf wich Cuwignaka nach rechts aus. Sein Gegner reagierte mit einem Wutschrei, denn er kam mit seiner Lanze nicht über den Hals seiner Kaiila herum. Cuwignakas aufwärts gerichteter Stoß dagegen wurde mühelos von dem Schild des Gelbmessers abgewehrt – einem dicken Schutz aus undurchdringlichem Kailiauk-Nackenleder, durch Erhitzen und Kaltschrumpfen über den Rahmen gespannt.

Wieder senkte ich fluchend meine Waffe und wechselte die Position.

Ein zweitesmal fuhr die Kaiila trampelnd und schnaubend herum und ließ explosionsartig den Staub aufsteigen.

Der Reiter hob die Lanze über den Hals des Tiers, vor den Schild an seinem linken Arm. In dieser Position, den Gegner auf der linken Seite attackierend, bewegt sich der Reiter im Schutz seines Schildes – ein wohl mehr als angemessener Ausgleich für den eingeschränkten Bewegungsradius für die Lanze zwischen Schild und Kaiilahals. Die Kaiila war gut trainiert; ihr linkes Ohr wies eine Kerbe auf. Zweifellos würde sie sich so bewegen, daß Cuwignaka auf der linken Seite ihres Reiters blieb, auch wenn sie dazu ihren Angriffsweg ändern mußte.

Ich versuchte auf die rechte Seite des Reiters zu gelangen. Doch schon hatte er seine Attacke begonnen. Ich hörte die beiden Lanzenschäfte gegeneinanderscharren – Cuwignaka drückte die angreifende Spitze zur Seite, dann hörte ich ein kurzes schlagendes Geräusch und sah, wie Cuwignaka von der Seite der Kaiila einen Hieb empfing und rückwärts torkelnd zu Boden ging, getroffen von dem vorüberhuschenden Schild, gedrückt vom Gewicht der Kaiila und ihres Reiters. Cuwignakas Lanze fiel zu Boden. Bei einer ausgebildeten Kaiila, die sich stets so stellt, daß die Lanze ihres Reiters am besten ins Spiel kommt, ist gegen solche Manöver kaum ein Kraut gewachsen. Gelangt man dicht genug an den Gegner heran, um wirksam zu kämpfen, bringt das im allgemeinen auch die Gefahr eines solchen Schildschlages mit sich. Der Hieb war kräftig genug geführt worden, daß ich im ersten Moment fürchtete, Cuwignaka sei das Genick gebrochen worden. Der Reiter ließ seine Kaiila herumwirbeln, nach rechts, so daß sein Schild zwischen ihm und meinem Pfeil blieb. Cuwignaka hatte sich auf den Knie hochgestemmt und schüttelte den Kopf. Seine Waffe lag ein Dutzend Schritte entfernt. Der Reiter senkte die Lanze, um sein Opfer zu erledigen.

»Runter!« brüllte ich.

Cuwignaka warf sich förmlich unter die Hufe der Kaiila und die herabstoßende Lanze, die nun im Staub landete. Die Kaiila verhielt beinahe über Cuwignaka und drehte sich immer wieder mit gesenkter Lanze. In seiner Verzweiflung griff Cuwignaka danach und ließ sich von der Waffe, die unter dem Arm des Gelbmesser-Kriegers steckte, aufwärts ziehen und halb durch den Sand schleifen. Der Reiter stieß einen Wutschrei aus. Cuwignaka ließ seine Lanze nicht los. Er war an der Schläfe getroffen, Blut lief ihm in das linke Auge. Ich war nur noch wenige Fuß vom Reiter entfernt. Dieser hatte sich zur Seite gebeugt und versuchte die Kontrolle über seine Lanze zurückzugewinnen. Cuwignaka befand sich zwischen ihm und meiner Waffe. Der Reiter, der von meiner Anwesenheit wußte, zog die Kaiila herum und brachte von neuem seinen Schild zwischen uns. Gleichzeitig zerrte er ruckhaft an der Lanze, die Cuwignakas Handflächen aufriß und frisches Blut hervortreten ließ. Dann ließ er die Lanze nach unten gegen die Kaiilaflanke schwingen, und Cuwignaka verlor das Gleichgewicht und rollte unter die Hufe des Reittiers. Mit einem Triumphschrei schwenkte der Gelbmesser die Lanze und trieb seine Kaiila an, um einen neuen Angriff zu beginnen. Ich senkte meinen Bogen. Cuwignaka war aufgesprungen und sprintete hinter dem Reiter her. Ich lächelte. Wenn der Gelbmesser seine Taktik nicht änderte, mochte Cuwignakas Verzweiflungstat sogar gelingen. Der Gelbmesser ließ seine Kaiila halten, auf die Hinterhand hochsteigen, die Vorderhufe durch die Luft wirbelnd – und beinahe gleichzeitig sprang Cuwignaka von hinten auf den Rücken des Tiers und landete hinter dem Gelbmesser. Die beiden Männer stürzten zusammen in den Staub. Gleich darauf erhob sich Cuwignaka mit blutigem Messer.

»Ich hole die Kaiila«, sagte ich.

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