15

Unsere Rückkehr nach Port Kar war triumphal.

Ich trug das Purpur eines Flottenadmirals, eine goldene Kappe mit Quaste und Goldstreifen an den Ärmeln und an den Säumen meiner Robe.

Meine Hüfte zierte ein juwelenbesetztes Schwert, nicht mehr die Klinge, die ich in den langen Jahren meines Dienstes für die Priesterkönige getragen hatte. Dieses Schwert hatte ich kurz nach meiner Ankunft in Port Kar zur Seite gelegt und andere Waffen erworben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß ich dieses Schwert nicht länger tragen konnte. Es wurzelte zu sehr in meiner Vergangenheit, sein Stahl war mit zu vielen Erinnerungen befleckt. Es erinnerte mich an ein altes Leben, das Leben eines Toren, das ich, weise geworden, überwunden hatte. Außerdem – und das war noch wichtiger – war es mit seinem schlichten Griff und der ungeschmückten Klinge zu schlicht und anspruchslos für einen Mann meiner Stellung, für einen der wichtigsten Männer einer der größten Hafenstädte auf Gor. Ich war Bosk, ein einfacher, aber kluger Mann, der aus den Sümpfen gekommen war, Port Kar im Sturm erobert hatte und der nun die anderen Städte Gors mit seiner Klugheit und seiner Klinge verblüffte – und jetzt auch mit seiner Macht und seinem Reichtum.

Meinen zehn Suchschiffen war es gelungen, fünf von den fehlenden sieben Schatzschiffen aufzubringen, von denen vier direkt auf Cos zugehalten hatten. Die Welt, dachte ich, ist doch voller Narren. Es gibt Narren und Weise, und vielleicht zum erstenmal in meinem Leben vermochte ich mich getrost zu den letzteren zu zählen.

Ich stand am Bug des langen purpurnen Schiffs, das einmal das Flaggschiff der Schatzflotte gewesen war. Auf den Dächern und in den Fenstern der Gebäude an den Kais drängten sich die Menschen, und ich hob die Hand und nahm ihren Beifall entgegen. Hinter mir bewegten sich die Schiffe in einer herrlichen Linie – zuerst die Dorna, dann die Tarnschiffe, dann die Rundschiffe; sie glitten durch die Stadt, folgten dem Triumphweg der Kanäle am Haus des Kapitänsrats vorbei.

Blumen waren in den Kanal geworfen worden, Blüten wurden zu uns auf die Schiffe geschleudert.

Das Jubelgebrüll war ohrenbetäubend.

Ich hatte verfügt, daß aus meinem Anteil der Beute jeder Arbeiter im Arsenal ein Goldstück erhalten sollte und jeder Bürger der Stadt einen Silbertarsk.

Lächelnd hob ich die Hand und winkte. Nur wenige Männer, so dachte ich, durften je einen solchen Triumph genießen!

Und so seltsam es auch erscheinen mochte, ich freute mich auf das Wiedersehen mit Midice, meiner Lieblingssklavin. Ich wollte mich mit meinen neuen Roben und Schätzen vor ihr brüsten. Ich konnte ihr nun Kleider und Juwelen schenken, die eine Ubara neidisch machen mußten. Ich konnte mir das Staunen ihrer Augen vorstellen, wenn sie die wahre Größe ihres Herrn begriff, ihre Freude, ihren Eifer.

Ich war zufrieden.

Wie einfach es doch ist, ein wirklicher Mann zu sein, mächtig und rücksichtslos, man braucht nur das Zögern und die Bedenken beiseitezuschieben, mit denen sich die Schwachen und die Toren belasten und zu Gefangenen ihrer selbst und ihres Glücks machen. Mit meiner Heimkehr nach Port Kar schmeckte ich zum erstenmal wirkliche Freiheit.

Ich hob die Hand. Blumen fielen um mich auf Deck. Ich warf einen Blick auf das Mädchen, das vor mir an den Bug gefesselt worden war, Vivina, meine Beute.

Ich war Bosk, der tun konnte, was er wollte. Hatte es je einen größeren Triumph in Port Kar gegeben?

Ich führte achtundfünfzig Schiffe in den Hafen – das Flaggschiff der Schatzflotte, Vivina am Bug, die Dorna, die anderen neunundzwanzig Schiffe, die meine ursprüngliche Flotte gebildet hatten, und als Prisen, gefüllt mit Schätzen, die ein Lösegeld für eine ganze Stadt darstellen mochten, siebenundzwanzig von den dreißig Rundschiffen der Schatzflotte von Cos und Tyros.

»Dies ist Port Kar«, sagte ich zu Vivina.

Sie schwieg.

Das Flaggschiff, dessen Ruder langsam das Wasser teilten, suchte sich majestätisch seinen Weg zwischen den Gebäuden am großen Kanal.

In den fünf Tagen unserer Reise vom Schauplatz des großen Gefechts mit der Schatzflotte hatte ich Vivina und die anderen Mädchen natürlich nicht ständig an den Bugsprieten hängen lassen; sie waren dort nur im Augenblick des Sieges und jetzt für den Einzug in Port Kar angebunden worden.

Ich erinnerte mich, wie ich Vivina am ersten Abend im Lichte der Fackeln zu mir bringen ließ. Ich empfing sie in der Admiralskabine, an Bord des Flaggschiffs.

»Wenn ich mich recht erinnere«, hatte ich gesagt, »hast du mir im Thronsaal von Cos mitgeteilt, du wüßtest nicht, wie es auf den Ruderbänken eines Rundschiffs aussieht.«

Sie starrte mich an. Frauen hoher Abstammung reisten gewöhnlich in geräumigen Kabinen, die sich in den Heckaufbauten der Rundschiffe oder Rammschiffe befanden. Sie hatte natürlich auch hier an Bord eine luxuriöse Kabine bewohnt.

»Wie ich mich erinnere, sagte ich dir bei der Gelegenheit auch, daß du vielleicht eines Tages Gelegenheit hättest, die Ruderbänke eines Rundschiffs kennenzulernen.«

»Nein!« sagte sie. »Bitte nicht!«

Ich hatte mich an meine Männer gewandt. »Bringt diese Dame in einem Beiboot zum größten Rundschiff der Flotte, das von gefangenen Offizieren der Schatzflotte gerudert wird, und kettet sie dort im Ruderdeck fest.« Ich sah Vivina an. »Ich nehme an, die Unterkunft wird dir gefallen.«

Das Mädchen hatte sich aufgerichtet. Wie eine Ubara machte sie kehrt und folgte dem Seemann, der sie begleiten sollte.

Im Augenblick des Einzugs in Port Kar musterte ich sie nun von der Seite. Sie wandte den Kopf und sah mich gequält an. »Was hast du mit mir vor?« fragte sie.

»Wenn die Schätze überprüft, berechnet und aufgeteilt sind, was etwa vier oder fünf Wochen in Anspruch nehmen dürfte«, sagte ich, »wirst du mit deinen Mädchen in Sklavenketten vor den Rat der Kapitäne gebracht, wo zugleich Muster aus dem Schatz gezeigt und Abrechnung über die Beute gehalten wird.«

»Wir sind also Kriegsbeute?« fragte sie.

»Ja.«

»Wie es scheint, hast du nun einen vollen Monat des Triumphs vor dir«, sagte sie kühl. »Was tust du, wenn wir vor dem Rat der Kapitäne gestanden haben?«

»Das wirst du dann schon sehen.«

»Ich verstehe«, sagte sie und blickte wieder nach vorn.

Weitere Blumen regneten herab, und das Jubelgeschrei nahm kein Ende.

Bestimmt hatte es in der Geschichte dieser Stadt keinen größeren Triumphzug gegeben, dabei wußte ich, daß dies nur der Anfang war. Der Höhepunkt war in vier oder fünf Wochen zu erwarten, wenn die Kriegsbeute dem Rat vorgeführt wurde und ich die höchste Auszeichnung der Stadt erhielt, den Titel »Würdiger Kapitän.«

»Heil Port Kar!« rief ich der Menge zu.

»Heil Port Kar!« erschallte die Antwort. »Und Heil Bosk, Admiral von Port Kar!«

»Heil Bosk!« riefen die Männer meines Hauses. »Heil Bosk, Admiral von Port Kar!«

Fünf Wochen waren seit meinem triumphalen Einzug in die Stadt vergangen.

An diesem Nachmittag hatte die formelle Präsentation der Beute im Saal des Kapitänsrats stattgefunden.

Ich stand auf und erwiderte die begeisterten Rufe meiner Leute, indem ich meinen Pagakelch hob.

Kelche stießen klingend zusammen, und wir tranken.

Fünf Wochen der Vergnügungen, Feiern, Bankette und Ehrenbezeigungen lagen hinter mir. Der Wert der erbeuteten Schätze übertraf unsere höchsten Erwartungen, lag über den optimistischsten Berechnungen unserer gierigsten Schreiber. Heute nachmittag nun hatte mein Ruhm im Saal des Kapitänsrats seinen Höhepunkt erlebt – in der formellen Präsentation und Abschätzung des Sieges und der Beute, und in der Anerkennung des Rats für meine Taten.

Noch jetzt, Stunden später, trug ich bei meiner privaten Feier um den Hals das breite scharlachrote Band mit dem Goldmedaillon, auf dem ein Tarnschiff mit Dreieckssegel abgebildet war und dazu die Initialen des Kapitänsrats von Port Kar.

Ich stürzte meinen Paga hinunter.

Ich war wahrlich ein verdienter Kapitän der Stadt.

Ich lächelte. Während die Ladung der Rundschiffe gelöscht, taxiert und registriert wurde, hatten sich Hunderte von Männern, von denen mir die meisten unbekannt waren, um Geschäftsbeziehungen beworben. Ich hatte Dutzende von Partnerschaftsangeboten erhalten – an spekulativen und kommerziellen Unternehmungen. Unzählige Männer hatten vorgesprochen, um ihre Pläne, Vorschläge und Ideen zu verkaufen. Meine Wachen hatten auch den verrückten halbblinden Schiffsbauer Tersites fortgeschickt, der seine fantastischen Vorschläge zur Verbesserung der Tarnschiffe auch bei mir loswerden wollte – als könnten so schöne, schnelle und kampfstarke Schiffe noch verbessert werden!

Während ich auf dem Meer dem Beruf des Piraten nachgegangen war, hatte sich die Position des Rats in der Stadt in militärischer und politischer Hinsicht weiter gefestigt. Zum einen war die Aufstellung der Ratswache mit ihrer auffälligen Uniform abgeschlossen worden, als Streitmacht des Rats und als Polizei der Stadt. Die Arsenalwache dagegen blieb eine separate Einheit, die sich um das Arsenal kümmerte und innerhalb seiner Grenzen die Polizeigewalt ausübte. Zum anderen hatten sich die vier Ubars Chung, Eteocles, Nigel und Sullius Maximus, deren Macht bei dem erfolglosen Staatsstreich des Henrius Sevarius sehr beschnitten worden war, in ihr Schicksal gefügt und offenbar die Vormacht des Rats in der Stadt anerkannt. Jedenfalls gab es jetzt zum erstenmal seit vielen Jahren einen einzigen effektiven Herrscher in Port Kar – den Rat. Dementsprechend war sein Wort Gesetz. Eine ähnliche Konsolidierung und Vereinheitlichung hatte natürlich auch auf anderen Gebieten stattgefunden – bei der Besteuerung, in der Gerichtsbarkeit, in den Handelsregeln und dergleichen. Zum erstenmal seit Jahren konnte man sich darauf verlassen, daß das Gesetz auf beiden Seiten eines Kanals gleich ausgelegt wurde. Schließlich waren die Streitkräfte des Henrius Sevarius unter der Regentschaft des Claudius aus ihren Stellungen getrieben worden – bis auf eine, eine riesige Festung, deren Mauern sich bis in den Tamber erstreckten und die etwa zwei Dutzend Schiffen Schutz bot. Die Anlage hätte vielleicht im Sturm genommen werden können, aber das wäre ein teures Unternehmen gewesen. So hatte sich der Rat darauf beschränkt, das Anwesen auf der Landseite mit doppelten Belagerungsmauern einzuschließen und vom Thassa her mit Arsenalschiffen zu blockieren. Man wartete ab. Wie lange die Festung noch gehalten werden konnte, hing allein von der Größe ihrer Wasservorräte ab, von der Menge der Fische, die durch die vergitterten Tore in ihre Becken schwammen, und von den Brotresten, die sich in ihren Türmen noch befanden. Der Rat ignorierte die Festung weitgehend bei seinen Erwägungen und Unternehmungen; sie war praktisch das Gefängnis der dort Eingeschlossenen, zu denen nach Meinung des Rats natürlich auch Henrius Sevarius, der junge Ubar, gehörte.

Ich blickte auf. In diesem Augenblick war Fisch, der Sklavenjunge, aus der Küche gekommen und balancierte auf einer Platte über dem Kopf einen ganzen gebratenen Tarsk, knusprig und dampfend, im Fackellicht schimmernd, eine Larmafrucht im Maul, mit Suls und Turpah garniert.

Die Männer brüllten auf, riefen ihn zu sich an die Tische.

Fisch stellte die Platte vor den Männern ab. Er schwitzte. Er trug eine einfache Reptuch-Tunika und einen Metallkragen am Hals. Ich hatte ihn bränden lassen.

Die Männer schickten ihn wieder fort, damit er einen zweiten gebratenen Tarsk vom Spieß holen konnte, den er den ganzen Nachmittag über dem Kohlenfeuer gedreht hatte. Er eilte aus dem Saal.

Es war nicht einfach gewesen, ihn an seine Pflichten als Küchensklave zu gewöhnen. Der Küchenmeister hatte ihn oft schlagen müssen.

Etwa drei Wochen nach seiner Aufnahme in meinem Haus war plötzlich die Tür meines Audienzsaals aufgesprungen, und er war hereingestolpert, dichtauf gefolgt von dem Küchenmeister.

»Verzeih mir, Herr!« rief der Mann.

»Was wollt ihr?« fragte ich.

»Ich möchte dich sprechen, Kapitän«, sagte der Junge.

»Normalerweise bringt ein Küchensklave seine Wünsche durch den Küchenmeister zum Ausdruck!«

»Ich weiß«, erwiderte der Junge.

»Warum hast du’s dann nicht getan?«

»Ich hab’s ja getan!« sagte der Junge trotzig. »Sogar sehr oft.«

»Und ich«, schaltete sich der Küchenmeister ein, »habe es ihm abgeschlagen.«

»Wie lautet die Bitte?« fragte ich.

»Er wollte es mir nicht sagen!«

»Wie hast du dann erwarten können«, fragte ich den Jungen, »daß der Küchenmeister entscheidet, ob du zu mir kommen darfst oder nicht?«

Der Junge senkte den Kopf. »Ich wollte nur mit dir sprechen.«

Dagegen hatte ich nichts einzuwenden, aber als Hausherr mußte ich die Vorrechte des Küchenmeisters beachten. »Wenn du deine Wünsche äußerst«, sagte ich, »dann vor Tellius.«

Ärgerlich musterte der Junge den Küchenmeister, ballte die Fäuste und sagte: »Ich möchte gern den Gebrauch der Waffen lernen.«

Tellius, der Küchenmeister, starrte mich sprachlos an.

»Sklaven dürfen nicht unterrichtet werden«, sagte ich.

»Thurnock, Clitus und andere haben gesagt, sie würden mich unterrichten, wenn du die Erlaubnis gibst.« Er senkte den Kopf.

Der Küchenmeister schnaubte verächtlich. »Es wäre besser, du würdest die Küchenarbeit lernen.«

»Leistet er denn keine gute Arbeit?«

»Nein«, sagte Tellius. »Er ist faul, saumselig und dumm. Ich muß ihn oft schlagen.«

Der Junge blickte ärgerlich auf. »Ich bin nicht dumm«, sagte er.

Ich starrte ihn geistesabwesend an, als wüßte ich nicht, wer er war. »Wie heißt du?« fragte ich.

Er sah mich an und erwiderte: »… Fisch.«

Ich tat, als erinnerte ich mich jetzt. »Ja«, sagte ich, »… Fisch. Gefällt dir der Name?«

»Nein.«

»Wie würdest du dich nennen, wenn du dir einen Namen aussuchen könntest?«

»Henrius«, sagte er.

Der Küchenmeister lachte.

»Das ist ein stolzer Name für einen Küchenjungen!« bemerkte ich. »Könnte glatt der Name eines Ubar sein.«

Der Junge senkte rasch den Blick.

Ich wußte, daß Thurnock, Clitus und andere den Jungen in ihr Herz geschlossen hatten. Wie ich gehört hatte, war er oft dem Küchendienst ferngeblieben, um die Schiffe im Hof und die Waffenübungen der Männer zu beobachten. Der Küchenmeister hatte wirklich seine Mühe mit Fisch, daran bestand kein Zweifel.

Ich musterte den Jungen, betrachtete sein blondes Haar, die offenen, ernsten Augen, die mich flehend ansahen.

Außer ihm wußten in meinem Haus nur drei Männer, wer er wirklich war – ich, Thurnock und Clitus. Der Junge selbst ahnte natürlich nicht, daß wir seinen wahren Namen kannten. Da vom Rat ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt war, hatte er gute Gründe, seine wahre Identität geheimzuhalten. Auf eine Weise konnte er auch gar keinen anderen Namen haben – denn er war versklavt worden. Nach goreanischem Gesetz ist ein Sklave nicht viel mehr als ein Tier; vor dem Gesetz hat er keine Rechte und hängt von seinem Herrn nicht nur hinsichtlich seines Namens ab – der Herr kann auch über sein Leben und sein weiteres Schicksal frei entscheiden.

»Der Sklavenjunge Fisch«, sagte ich zu dem Küchenmeister, »ist ungebeten in meinen Audienzsaal gekommen und hat meiner Meinung nach dem Küchenmeister nicht den nötigen Respekt erwiesen.«

Der Junge kämpfte mit den Tränen.

»Also soll er kräftig geprügelt werden.«

Fisch ballte die Fäuste.

»Und ab morgen«, fuhr ich fort, »wenn sich seine Arbeit in der Küche zu deiner Zufriedenheit entwickelt, aber nur dann, darf er eine Ahn am Tag in der Waffenkunde unterrichtet werden.«

»Kapitän!« rief der Junge.

»Doch diese Ahn ist durch Extraarbeit in der Küche am Abend auszugleichen.«

»Ja, Kapitän«, sagte der Küchenmeister.

»Ich werde für dich arbeiten, Tellius«, sagte der Junge. »Ich werde besser arbeiten als alle anderen!«

»Gut, Junge«, sagte Tellius, »das werden wir sehen.«

Fisch wandte sich an mich. »Vielen Dank, Kapitän.«

»Herr«, berichtigte ihn Tellius.

»Wenn du dich mit den Waffen geschickt anstellst«, sagte ich, »ändern wir vielleicht auch deinen Namen.«

»Danke, Kapitän«, sagte er.

»Vielleicht nennen wir dich Publius – oder Tellius!«

»O nein!« rief Tellius.

»Oder eben Henrius. Aber für einen solchen Namen müßtest du schon vorzüglich mit den Waffen umgehen können.«

»Das werde ich!« rief er, machte kehrt und eilte aus dem Saal.

Der Küchenmeister sah mich grinsend an. »Ich habe noch nie einen Sklaven schneller laufen sehen, wenn es um seine Prügelstrafe ging.«

»Ich auch nicht«, sagte ich.

Bei meiner Siegesfeier nun folgte ich dem Jungen, der einen zweiten gebratenen Tarsk hereintrug, mit den Blicken. Meine Entscheidung, ihm eine Waffenausbildung zu geben, war eine Schwäche gewesen, überlegte ich – etwas, das nicht wieder vorkommen durfte.

Ich betastete das breite rote Band und das Medaillon, das auf meiner Brust hing. Ich war Bosk, Pirat, Admiral von Port Kar, jetzt vielleicht einer der reichsten und mächtigsten Männer auf Gor. Nein, eine solche Schwäche würde ich mir nicht noch einmal erlauben.

Ich hielt den silbernen Pagakelch in die Höhe, und Telima, die neben meinem Sessel stand, füllte ihn nach. Ich sah sie nicht an.

Ich blickte an meinem erhöhten Tisch entlang, an dem Thurnock mit seiner Sklavin Thura und Clitus mit seiner Ula saßen und lachten. Die beiden waren gute Männer, aber sie waren Narren. Sie waren schwach. Ich dachte daran, daß sie den Sklavenjungen mochten und ihm bei seinen Waffenübungen geholfen hatten. Solche Männer waren schwach. Sie hatten nicht das Zeug zum Kapitän.

Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück, den Pagakelch in der Hand, und ließ meinen Blick durch den Saal wandern.

Dichtgedrängt standen die Tische, an denen meine Leute saßen und feierten. In einer Ecke spielten Musiker.

Vor meinem Tisch erstreckte sich eine freie Fläche, auf der von Zeit zu Zeit Unterhaltungen geboten wurden – einfache Dinge, die manchmal sogar mir Spaß machten, Feuerschlucker und Jongleure, Akrobaten und Zauberer und Sklaven, die im Wettkampf herumtollten.

»Trinkt!« rief ich.

Und wieder klangen die Pagakelche gegeneinander.

Ich blickte am langen Tisch entlang und erblickte zu meiner Rechten, ganz allein am Ende der langen Tafel, meine Sklavin Luma, meine erste Buchhalterin. Arme, unscheinbare Luma in ihrem Sklavenkragen! Welch kümmerliche Pagasklavin war sie gewesen! Doch was für eine vorzügliche Geschäftsfrau war dieses Mädchen! Sie hatte sehr zu meinem Reichtum beigetragen. Ich stand dermaßen in ihrer Schuld, daß ich ihr heute abend gestattet hatte, an einem Ende der großen Tafel zu sitzen. Natürlich würde sich kein freier Mann neben sie setzen. Um meine anderen Schreiber und Angestellten nicht zu verärgern, hatte ich ihr die Sklavenketten anlegen lassen. Auf diese Weise nahm Luma, die vielleicht wichtigste Person im Hause außer ihrem Herrn, an meiner Siegesfeier teil.

»Wir haben hier einen Sänger«, rief einer der Männer.

Das ärgerte mich, aber ich wollte den Ablauf der Dinge nicht stören, die heute abend dargebracht werden sollten.

»Er ist ein vorzüglicher Sänger«, sagte Telima hinter mir.

»Hol Ta-Wein aus der Küche«, sagte ich.

»Bitte, mein Ubar«, flehte sie, »ich möchte hierbleiben!«

Es wurde still an den Tischen. Wie es hieß, war der Mann von Sullius Maximus geblendet worden, der daran glaubte, daß ein blinder Mann bessere Lieder hervorbringe. Sullius Maximus, der sich selbst mit Poesie und Giften beschäftigte, war ein höchst kultivierter Mann, dessen Meinung allgemein respektiert wurde. Wie dem auch sein mochte – der Sänger war jedenfalls in seiner Finsternis allein mit seinen Liedern. Er hatte nur sie in seiner Dunkelheit.

Ich musterte ihn. Er trug die Robe seiner Kaste, die nicht erkennen ließ, aus welcher Stadt er kam. Viele Sänger wandern von Ort zu Ort. Ich hatte vor langer Zeit einmal einen Sänger gekannt, Andreas aus Tor.

Der Sänger berührte seine Lyra.

»Ich besinge Ar und seine Belagerung, das herrliche Ar, Ich besinge seine Türme und Mauern, das schimmernde Ar, Ich besinge die Vergangenheit.

Ich besinge die dunkelhaarige Talena, aus dem herrlichen Ar, Ich singe von der Wut des Marlenus, Ubar von Ar, Ich besinge die Vergangenheit. Ich besinge den Mann mit dem Sonnenhaar, im herrlichen Ar. Den Mann, der einst zu den Mauern kam, des herrlichen Ar. Tarl aus Bristol besinge ich.«

Ich starrte Telima an, die neben mir stand. In ihren Augen standen Tränen. Es ärgerte mich, daß die anderen im Saal ebenso gebannt waren, daß sie dem Sänger und seinen Nichtigkeiten Aufmerksamkeit schenkten, den bedeutungslosen Lauten aus dem Mund eines Blinden.

Ich dachte daran, daß Telima nur ein Rencemädchen war und wahrscheinlich noch nie einen Sänger gehört hatte. Ich überlegte, ob ich sie in die Küche schicken sollte, sah dann aber davon ab.

Im flackernden Schein der Fackeln setzte der Sänger sein Lied fort. Er sang vom düsteren Pa-Kur, dem Anführer der Attentäter und der Horden, die nach dem Diebstahl des Heimsteins über Ar hereinbrachen, er sang auch von Fahnen und schwarzen Helmen, von Standarten und von der Sonne, die auf Speerspitzen blitzte, von riesigen Belagerungstürmen, von Katapulten aus Ka-la-na und Tem-Holz, vom Donnern der Kriegstharlarion, von Rollen der Trommeln, vom Schallen der Trompeten, vom Klirren der Waffen und dem Geschrei der Männer; und er sang von der Liebe der Menschen für ihre Stadt, und törichterweise, wußte er doch so wenig vom Menschen, besang er auch den Mut der Männer und ihre Loyalität und ihre Anhänglichkeit; er sang von Duellen, die auf den Mauern Ars und am großen Tor ausgefochten wurden, und von Tarnreitern, die bis zum Tode über den Zylindern der Stadt kämpften – und von einem ganz bestimmten Zweikampf, der auf Ars Justizzylinder ausgetragen wurde, zwischen Pa-Kur und dem Mann, der in seinem Lied Tarl aus Bristol genannt wurde.

»Warum weint mein Ubar?« fragte Telima.

»Sei still, Sklavin!« fuhr ich sie an. Ärgerlich schob ich ihre Hand von meiner Schulter.

Der Sänger hatte sein Lied beendet.

»Sänger!« rief ich ihm zu. »Gibt es diesen Tarl aus Bristol wirklich?«

Der Sänger wandte den Kopf in meine Richtung. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Vielleicht ist das alles nur ein Lied.«

Ich lachte, reichte Telima meinen Pagakelch, den sie füllte. Dann stand ich auf und hob den Kelch.

»Es gibt Gold und Stahl!« sagte ich.

»Gold und Stahl!« riefen meine Leute im Chor. Wir tranken.

»Und Lieder«, sagte der blinde Sänger.

Es war still im Saal.

Ich sah den Mann an. »Ja«, antwortete ich und hob den Kelch in seine Richtung. »Und Lieder.«

Ein Freudenschrei klang auf, und wieder tranken wir.

Als ich mich setzte, sagte ich zu den Dienstsklaven: »Bewirtet den Sänger gut.« Dann wandte ich mich an Luma, die gefesselt am Ende des Tisches saß. »Morgen soll der Sänger, ehe er weiterwandert, einen Beutel Gold erhalten.«

»Ja, Herr«, sagte das Mädchen.

»Dank sei dir, Kapitän!« rief der Sänger.

Die Gäste freuten sich über meine Großzügigkeit, und viele schlugen sich applaudierend mit der rechten Hand gegen die linke Schulter.

Zwei Sklavenmädchen führten den Sänger an einen Tisch in einer Ecke des Saals, während ich mich wieder meinem Paga zuwandte.

Ich war wütend. Dieser Tarl aus Bristol lebte nur in Liedern. Einen solchen Mann gab es nicht. Wenn es darauf ankam, hatten nur Gold und Macht und die Körper schöner Frauen Bedeutung – und vielleicht doch auch Lieder, die aus den Mündern von Blinden erklangen? Ich war Bosk, Kapitän aus den Sümpfen, Admiral in Port Kar!

»Sandra!« rief ich. »Holt Sandra!«

Jubelgeschrei wurde laut.

Ich sah mich um. Es war wirklich eine Siegesfeier. Es betrübte mich nur, daß Midice nicht bei mir war. Sie hatte sich nicht wohlgefühlt und gebeten, in meinem Quartier bleiben zu dürfen, was ich ihr gewährt hatte. Tab nahm ebenfalls nicht an dieser Siegesfeier teil.

Im nächsten Augenblick ertönten Sklavenglocken, und Sandra, das Tanzmädchen aus Port Kar, das ich in einer Pagataverne entdeckt hatte, stand vor ihrem Herrn.

Sie war seit langem bemüht, das erste Sklavenmädchen des Hauses zu werden, doch ich hatte sie bisher meinen Männern überlassen. Die schöne, dunkelhaarige, schlanke Midice war das Mädchen meines Herzens, meine Lieblingssklavin.

Trotzdem war Sandra interessant. Es konnte nicht schaden, wenn Midice ein wenig Konkurrenz bekam.

Sandra hatte hohe Wangenknochen, blitzende schwarze Augen und pechschwarzes Haar. Sie war in einen schimmernden Umhang gekleidet.

Bei dem nun folgenden Tanz ließ ich sie keinen Augenblick aus den Augen. Golden schimmernd im Licht der Flammen, aufschreiend, stampfend, sich anmutig wiegend, so tanzte sie vor uns, ehrfürchtig bestaunt von, den Männern meines Hauses.

Sie drehte sich und wand sich, wie von eingebildeten Fesseln gehalten, fiel jedoch immer wieder in den Rhythmus der Musik ein. Sie war großartig.

Die Musik ging mit einem Crescendo zu Ende, und begeisterter Applaus klang auf. Auch ich war begeistert.

»Zu mir!« rief ich, und mit katzengleicher Gewandtheit eilte das Mädchen zu meinem Thronsessel und kniete mir zu Füßen nieder. Sie blickte auf, schweratmend, schwitzend, mit schimmernden Augen.

»Dein Tanz war nicht uninteressant«, sagte ich.

Sie legte eine Wange gegen mein Knie.

»Ka-la-na!« rief ich.

Eine Schale Wein wurde gebracht. Ich packte sie am Haar, zog ihren Kopf zurück, flößte ihr Wein ein.

»Habe ich dir gefallen?« fragte sie schließlich.

»Ja.«

»Dann schicke mich nicht zu deinen Männern zurück«, sagte sie. »Behalte Sandra für dich.«

»Das werden wir sehen. Midice ist sehr gut.«

»Sandra ist besser«, sagte das Mädchen. »Du brauchst mich nur auszuprobieren.«

»Vielleicht«, sagte ich, fuhr ihr mit der Hand durchs Haar und ließ sie neben meinem Sessel niedersitzen. Wie eine zufriedene Katze hockte sie zu meinen Füßen und genoß die neidischen und haßerfüllten Blicke der anderen Sklavinnen, die ringsum im Saal bedienten.

»Das Gold, Kapitän«, sagte einer meiner Schatzwächter.

Ich hatte für die Männer meines Hauses eine kleine Überraschung parat.

Auf die Plattform, auf der mein Sessel und mein Tisch standen, hievte er einen schweren Ledersack mit goldenen Tarnmünzen doppelten Gewichts, Münzen aus Cos und Tyros, aus Ar und Port Kar, selbst aus Thentis und Thuria, die fern im Süden lagen. Er stellte den Sack neben meinen Sessel.

Nur die Männer, die ganz in der Nähe feierten, sahen den Beutel dort stehen.

»Holt das Sklavenmädchen aus Tyros!« befahl ich.

An den Tischen wurde gelacht.

Ich hob meinen Pagakelch, der jedoch nicht gefüllt wurde. Ärgerlich sah ich mich um. Einem vorbeieilenden Sklavenmädchen rief ich zu: »Wo ist Telima?«

»Sie war doch noch eben hier!«

»Sie ist in die Küche gegangen!« rief ein anderes Sklavenmädchen.

Ich hatte ihr nicht erlaubt, sich zu entfernen.

»Ich schenke dir Paga ein«, sagte Sandra.

»Nein«, sagte ich und hielt den Pagakelch in die andere Richtung. Dann wandte ich mich an eine Sklavin. »Telima soll ausgepeitscht und wieder hierhergeschickt werden. Ich brauche Bedienung!«

»Ja, Herr«, sagte das Mädchen und eilte fort.

Ketten klirrten, und Vivina wurde zur Freude der Gäste vor meinen Tisch geführt. Ich spürte eine Bewegung neben mir und sah, daß Telima ihren Platz wieder eingenommen hatte. Tränen standen ihr in den Augen. Ich bezweifelte nicht, daß sie nun die Striemen der Peitsche des Küchenmeisters auf dem Rücken trug. Ich hielt ihr meinen Pagakelch hin, und sie füllte ihn.

Ich musterte Vivina, die von allen Seiten angestarrt wurde. Sogar einige Sklaven waren stehengeblieben und blickten herüber; auch Fisch starrte sie an.

»Sei gegrüßt, noble Vivina«, sagte ich zu ihr.

»Ist das der Name, mit dem du mich anreden willst?« fragte sie.

»Löst ihr das Haar!« sagte ich.

Der Mann, der sie zu mir geführt hatte, gehorchte. Das lange Haar fiel ihr über die Schultern herab. Ein bewunderndes Murmeln wurde laut.

»Knie nieder!« befahl ich, und sie gehorchte.

»Du bist Vina«, sagte ich.

Sie neigte den Kopf in Bestätigung des Namens, den ich ihr gegeben hatte. Dann blickte sie auf. »Ich beglückwünsche meinen Herrn«, sagte sie. »Es ist ein ausgezeichneter Name für ein Sklavenmädchen.«

»Was sind deine Pflichten, Sklavin?« fragte ich.

»Der Herr hat sie mir noch nicht genannt«, erwiderte sie.

Ich musterte Vina, früher die noble Vivina, die einmal Ubara von Cos werden sollte – jetzt eine Sklavin im Hause Bosks aus Port Kar.

»Ja, welche Tunika soll ich für dich holen lassen?« fragte ich. »Die Tunika einer Haussklavin? Oder die Glöckchen und das Seidengewand einer Vergnügungssklavin?«

Sie schwieg.

Aus dem Beutel neben mir, der viele Goldstücke enthielt, zog ich ein kleines zusammengefaltetes Kleidungsstück und warf es dem Mädchen zu.

Sie fing es auf. »Nein!« rief sie.

Ich lachte. »Zieh es an!« befahl ich.

Gelächter brandete auf, als sie die knappe Tunika einer Küchensklavin überstreifte.

»In Cos wärst du Ubara geworden«, sagte ich. »In meinem Hause wirst du in der Küche arbeiten.«

Mit zornrotem Gesicht und geballten Fäusten starrte mich Vivina an.

»Küchenmeister!« rief ich.

»Hier, Kapitän!« erwiderte Tellius aus dem Hintergrund.

»Tritt vor!«

Der Mann näherte sich meinem Tisch.

»Hier«, sagte ich, »hast du ein neues Mädchen für die Küche.«

»Eine Schönheit«, sagte er lachend und ging um Vina herum.

»Fisch!« rief ich. »Wo ist der Sklave Fisch?«

»Hier!« rief er und trat vor.

Ich deutete auf das Mädchen. »Findest du die Sklavin hübsch?« fragte ich.

Er starrte mich verwirrt an. »Ja«, erwiderte er.

»Dann soll sie dir unterstehen.«

»Nein! Nein!« rief das Mädchen.

»Ich glaube, die Arme des Sklaven Fisch werden dir willkommener sein als die Arme des beleibten Lurius auf seinem Liebeslager in Cos.«

Tränen standen ihr in den Augen, als sie mich ansah.

Ich wandte mich an den Küchenmeister. »In der Nacht kettest du sie zusammen.«

Das Mädchen sank weinend zu Boden. Fisch beugte sich vor, hob sie sanft hoch und führte sie aus dem Saal.

Ich lachte, und die Männer meines Hauses fielen in das Gelächter ein. Was für ein Witz, das Mädchen zu versklaven, das Ubara von Cos hatte werden sollen, sie einem Küchensklaven zu überlassen, einem Jungen! Diese Geschichte sprach sich bestimmt bald in allen Häfen des Thassa und in allen Städten Gors herum. Wie beschämt mußten Tyros und Cos sein, die Feinde meiner Stadt, Port Kar. Was für eine köstliche Niederlage! Wie herrlich doch der Erfolg war, der Triumph!

Trunken griff ich in den Beutel neben meinem Sessel, schaufelte die Münzen mit den Händen heraus, schleuderte sie in den Saal.

»Paga!« rief ich dann und hielt Telima meinen Kelch hin.

Taumelnd richtete ich mich auf, vergoß Paga. Ich bedauerte nur daß Midice und Tab heute abend nicht bei mir waren. Ich lachte, als die Männer hinter meinen Goldmünzen herkrochen und wild darum rauften. Immer wieder streute ich Tarnmünzen um mich.

»Heil Bosk!« vernahm ich. »Heil Bosk, Admiral von Port Kar!«

Ich trank und trank. »Ja!« rief ich. »Heil Bosk!«

Plötzlich hörte ich einen Angstschrei, und als ich mich umdrehte und benommen zum Ende des Tisches starrte, sah ich Luma dort sitzen. Sie starrte mich an. Ihr Gesicht war eine Maske des Entsetzens.

»Dein Gesicht!!« rief sie. »Dein Gesicht!«

Ich starrte sie verblüfft an. Es wurde plötzlich still im Saal.

»Nein«, sagte sie plötzlich und schüttelte den Kopf. »Jetzt ist es fort.«

»Was ist los?« fragte ich.

»Dein Gesicht!« sagte sie.

»Was ist damit?«

»Nichts! Einen Augenblick lang dachte ich … es wäre Surbus’ Gesicht!«

Ich stieß einen Wutschrei aus, packte den großen Tisch, warf ihn um. Geschirr und Pagakelche fielen klirrend zu Boden. Thura und Ula kreischten, auch Sandra schrie auf und huschte davon. Luma, am Tisch angekettet, wurde von der Plattform gestoßen und stürzte zu Boden. Sklavinnen flohen laut schreiend aus dem Saal.

Aufgebracht packte ich den Goldbeutel und schleuderte ihn in den Saal. Ein Regen goldener Münzen ergoß sich über Tische und Bänke, ehe das Leder den Boden berührte. Wütend machte ich kehrt und taumelte davon.

»Admiral!« rief jemand hinter mir. »Admiral!«

Ich umfaßte das Medaillon an meinem Hals. Stolpernd, vor Wut brüllend, taumelte ich auf mein Quartier zu. Ich prallte gegen Wände, stürzte zuweilen, rappelte mich jedoch immer wieder auf.

Dann riß ich die Tür meines Quartiers auf.

Midice und Tab keuchend, eng umschlungen. Sie fuhren erschrocken auseinander.

Ich brüllte auf vor Wut, schlug mit den Fäusten gegen die Wände, warf meinen Umhang ab und zog das Schwert.

»Ich laß dich foltern und pfählen, Midice«, sagte ich heiser.

»Nein!« sagte Tab. »Ich habe Schuld. Ich habe mich ihr aufgedrängt.«

»Nein! Nein!« rief Midice. »Ich allein bin schuld! Ich allein!«

»Foltern und pfählen«, wiederholte ich. Dann wandte ich mich an Tab. »Du bist mir ein guter Helfer gewesen, Tab«, sagte ich. »Ich will dir die Folter ersparen.« Dann machte ich eine Bewegung mit dem Schwert. »Verteidige dich!«

Tab zuckte die Achseln, ohne die Waffe zu ziehen. »Ich weiß, daß du mich töten kannst«, bemerkte er.

»Verteidige dich!« brüllte ich.

»Also gut«, sagte Tab, und seine Waffe zuckte aus der Scheide.

Midice warf sich weinend zwischen uns. »Nein!« rief sie. »Töte mich! Laß ihn frei!«

»Warum hast du mir das angetan?«

»Ich liebe ihn«, sagte sie schluchzend. »Ich liebe ihn.«

Ich lachte. »Du kannst nicht lieben. Du bist Midice. Du bist klein und egoistisch und eitel. Du kannst nicht lieben.«

»Ich liebe ihn«, flüsterte sie. »Wirklich!«

»Und mich liebst du nicht?«

»Nein«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Nein! Nein!«

»Aber ich habe dir soviel gegeben«, klagte ich. »Und habe ich dir nicht große Freude bereitet?«

»Ja«, sagte sie, »aber ich liebe dich nicht. Ich habe dich nie geliebt.«

Ich schluchzte und steckte meine Klinge in die Scheide zurück.

»Nimm sie«, sagte ich müde zu Tab. »Sie gehört dir.«

»Ich liebe sie«, sagte er.

»Bring sie fort!« brüllte ich. »Verlaßt meinen Dienst. Aus meinen Augen!«

Midice stürzte sich ins Tabs Arme. Die beiden machten kehrt und verließen den Raum. Tab trug noch die Klinge in der Rechten.

Ich wanderte ruhelos im Zimmer auf und ab und setzte mich schließlich auf den Rand meiner Steincouch und stützte den Kopf in die Hände.

Wie lange ich so dasaß, weiß ich nicht. Nach einiger Zeit hörte ich jedenfalls ein leises Geräusch und blickte auf.

Telima stand auf der Schwelle.

»Willst du hier den Boden putzen?« fragte ich streng.

Sie lächelte. »Das habe ich vorhin schon getan«, sagte sie, »damit ich dich beim Fest bedienen konnte.«

»Weiß der Küchenmeister, daß du hier bist?«

»Nein.«

Ich sah an ihrem linken Arm den Ring, den ich ihr weggenommen und Midice gegeben hatte.

»Woher hast du den Armreif?«

»Von Midice.«

»Du hast ihn gestohlen«, sagte ich.

»Nein, Midice hat ihn mir zurückgegeben.«

»Wann?«

»Vor über einem Monat.«

»Ich habe nie bemerkt, daß du ihn getragen hast.«

»Ich hatte ihn im Stroh meiner Schlafmatte versteckt.«

Ich betrachtete Telima. Sie stand schüchtern in der Tür. Sie war barfuß und trug die kurze, fleckige Tunika einer Küchensklavin. Um ihren Hals zog sich ein einfacher Stahlkragen – doch am linken Arm trug sie das goldene Band.

»Warum trägst du den Armreif?«

»Er ist alles, was ich besitze.«

»Warum bist du gekommen?«

»Midice«, sagte sie nur.

Ich senkte niedergeschlagen den Kopf.

Telima kam näher.

»Sie hat dich gemocht«, sagte sie.

Ich schüttelte den Kopf.

»Sie kann nichts dafür, wenn sie dich nicht geliebt hat.«

»Geh wieder in die Küche! Oder ich töte dich!«

Telima kniete nieder, Tränen in den Augen. »Nein, das brächtest du nicht fertig.«

»Ich bin Bosk!« rief ich und stand auf.

»Ja«, sagte sie lächelnd. »Du bist Bosk. Und ich habe dir diesen Namen gegeben.«

»Du hast mich auch vernichtet!« sagte ich.

»Niemand hat dich vernichtet«, erwiderte sie.

Ich hatte mir einmal geschworen, nie wieder eine Frau zu verlieren – und nun war Midice gegangen. Ich war berühmt und mächtig und reich – doch das alles war mir nicht mehr wichtig. Ich hatte eine Niederlage hinnehmen müssen. Mein Stolz war verletzt.

»Es ist nicht leicht«, sagte ich zu Telima, »zu lieben und nicht wiedergeliebt zu werden.«

»Ich weiß«, sagte sie.

Ich nahm Telimas Kopf in die Hände. »Meine stolze Telima«, sagte ich, »meine frühere Herrin …« Und die nächsten Worte, die ich sprach, schienen nicht von mir selbst zu kommen, sondern von einem verborgenen Wesen in meinem Innern … Seit ich vor Ho-Hak auf der Renceinsel hockte, gefesselt, versklavt, waren solche verzweifelten Worte nicht über meine Lippen gekommen. »Ich bin unglücklich, ich bin einsam«, flehte ich.

»Ich bin auch einsam«, sagte Telima.

Wir streckten uns die Arme entgegen, und unsere Hände berührten sich, umfaßten sich. Und dann standen wir eng umschlungen in der Mitte meines Quartiers.

»Ich liebe dich!« schluchzte ich.

»Und ich liebe dich, mein Ubar. Ich liebe dich seit dem Augenblick, da wir uns zum erstenmal begegneten.«

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