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Er ruderte, bis er wieder warm geworden war, und ließ sich dann treiben. Als ein Seitenkanal sichtbar wurde, ruderte er hinein, bog mehrmals ab und gönnte sich erst eine Pause, als er sicher war, daß er seine Spur genügend verwischt hatte. Dann setzte er sich bequemer zurecht und wartete auf die Morgendämmerung. Schon wenige Minuten später fror er entsetzlich und befand sich folglich in einer miserablen Stimmung, als der Morgen heraufzog.

Am Ufer erkannte er einige Hütten, vor denen Boote am Strand lagen. Ein Mann kroch aus einem dieser Löcher, sah Jason und verschwand sofort wieder, um Verstärkung zu holen. Jason kletterte steifbeinig ans Ufer und machte ein Dutzend Kniebeugen, um sich aufzuwärmen.

Etwa ein Dutzend Männer näherten sich dem Strand, um den Fremden nach seinem Begehr zu fragen. Sie umklammerten Keulen oder Ruder und zitterten fast vor Angst.

„Geh, laß uns in Frieden“, sagte ihr Anführer und streckte Mittel- und Ringfinger der linken Hand aus, um den bösen Blick zu bannen. „Nimm dein Boot, Mastreguloj, und suche andere Ufer auf. Wir sind nur arme Fischer…“

„Ich fühle mit euch“, unterbrach ihn Jason und lehnte sich auf das Schwert. „Ich hasse die Mastreguloj ebenso sehr wie ihr.“

„Aber dein Boot — es trägt ihr Wappen“, sagte der Anführer und wies auf das Schnitzwerk am Bug.

„Ich habe es ihnen gestohlen.“

Die Fischer machten entsetzte Gesichter und liefen verstört umher, während einige sogar auf die Knie sanken und die Götter anflehten.

„Wir sind verloren“, klagte der Führer. „Die Mastreguloj werden dich verfolgen, dieses schreckliche Boot finden und uns alle niedermachen. Sieh zu, daß du so schnell wie möglich wieder verschwindest!“

„Du hast gar nicht so unrecht“, stimmte Jason zu. Das Boot erwies sich tatsächlich als ein Hindernis. Er wurde kaum allein damit fertig und riskierte obendrein noch, daß ihn jemand erkannte. Jason achtete weiter auf die Fischer, während er die Schulter gegen das Boot stemmte und es ins Wasser schob, wo die Strömung es erfaßte und abtrieb.

„Das Problem wäre also gelöst“, sagte Jason zufrieden. „Jetzt muß ich nur noch zu den Perssonoj zurück. Wer von euch will den Fährmann spielen?“

Die Fischer versuchten sich unauffällig zu entfernen, aber Jason vertrat ihrem Anführer den Weg, bevor er ebenfalls verschwinden konnte. „Na, wie steht es damit?“

„Ich kenne den Weg nicht gut genug“, antwortete der Mann ausweichend. „Überall Nebel und Regen, ich komme eigentlich nie in die Stadt…“

„Du bekommst eine gute Belohnung, wenn wir angekommen sind. Wieviel verlangst du dafür?“

Der Mann lachte und wollte weitergehen.

„Ich verstehe, was du meinst“, sagte Jason und versperrte ihm den Weg. „Hierzulande wird nichts auf Kredit, sondern nur gegen bar verkauft.“

Jason warf einen Blick auf das Schwert in seiner Hand und bemerkte erst jetzt, daß das Heft mit geschliffenen Steinen in reich verzierten Fassungen besetzt war. Er wies auf die Edelsteine. „Hier, das ist deine Vorauszahlung, wenn du mir ein Messer gibst, mit dem ich die Steine herausbrechen kann. Als Anzahlung bekommst du den roten, der wie ein Rubin aussieht; den grünen erhältst du, wenn wir am Ziel angekommen sind.“

Nachdem Jason sein Angebot um einen weiteren Rubin erhöht hatte, siegte die Geldgier wie üblich über die Furcht. Der Fischer schob ein winziges Boot ins Wasser und ließ Jason einsteigen. Er ruderte, während Jason das eindringende Wasser ausschöpfte, und fuhr geradewegs in den nächsten Kanal hinein. Regen, Schneetreiben, Nebel und die Tatsache, daß der Fischer plötzlich die Kanäle wie seine Hosentasche kannte, sorgten dafür, daß sie unbeobachtet eine Pforte am Wasser erreichten. Der Mann schwor, dies sei der Eingang zu der Fort der Perssonoj, aber Jason kannte die hier üblichen Tricks gut genug, um im Boot zu bleiben, bis einige Soldaten mit dem Wappen der Perssonoj auf der Brust erschienen. Der Fischer machte ein erstauntes Gesicht, als er die vereinbarte Belohnung tatsächlich erhielt, und ruderte grinsend davon. Jason wurde entwaffnet und vor den Hertug geführt.

„Verräter!“ brüllte der Hertug unter völliger Mißachtung der üblichen Formalitäten. „Du bringst meine Leute um und fliehst, aber jetzt habe ich dich wieder…“

„Unsinn!“ antwortete Jason ebenso laut und stieß die beiden Posten beiseite. „Ich bin freiwillig zurückgekommen — und das muß selbst in Appsala etwas bedeuten. Ich bin von den Mastreguloj entführt worden, die einen deiner Leute bestochen hatten…“

„Sein Name!“

„Benn’t. Er lebt nicht mehr — ich habe dafür gesorgt. Dein Offizier hat mich an die Konkurrenz verkauft, für die ich arbeiten sollte, aber ich habe das Angebot abgelehnt. Immerhin habe ich etwas mitgebracht.“ Jason holte den Glasbehälter aus der Tasche, woraufhin selbst der Hertug einen Schritt zurückwich.

„Das brennende Wasser!“ keuchte er.

„Richtig. Wenn ich erst einmal etwas Blei habe, wird es zur Herstellung einer Naßzellenbatterie benützt, die ich noch erfinden wollte. Das ganze paßt mir nicht, Hertug — ich mag nicht gern entführt und bedroht werden. Appsala wird sich noch wundern, wenn ich meine Pläne in die Tat umsetze. Willst du nicht die anderen Kerle hinausschicken, damit ich dir erklären kann, was ich vorhabe?“

Der Hertug runzelte nachdenklich die Stirn und sah auf die Posten. „Du bist zurückgekommen“, sagte er zu Jason. „Weshalb?“

„Weil wir aufeinander angewiesen sind. Du hast Männer, Macht und Geld. Ich habe große Pläne. Willst du nicht lieber die Sklaven hinausschicken?“

Jason ging zu einem Tisch hinüber, auf dem eine Schale krenoj stand, und suchte sich die schönste aus. Der Hertug dachte angestrengt nach.

„Du bist zurückgekommen“, wiederholte er. Diese Tatsache schien ihn in Erstaunen zu versetzen. „Wir müssen miteinander sprechen.“

„Aber ohne Zeugen.“

„Verlaßt den Saal“, befahl der Hertug, war aber vorsichtig genug, sich eine gespannte Armbrust geben zu lassen. Jason lächelte, ging an das Fenster und wies auf die Stadt hinaus.

„Möchtest du das alles beherrschen?“ fragte er.

„Sprich weiter.“ Die Augen des anderen blitzten.

„Ich habe schon einmal davon gesprochen, aber jetzt meine ich es ernst. Ich werde dir sämtliche Geheimnisse aller anderen Clans offenbaren. Ich werde dir zeigen, wie die d’zertanoj Öl raffinieren, wie die Mastreguloj Schwefelsäure herstellen, wie die Trozelligoj Motoren bauen. Dann werde ich die Waffen der Perssonoj verbessern und einige neue erfinden lassen. Natürlich werden sich Kriege nicht vermeiden lassen, aber deine Truppen werden stets gewinnen. Du wirst die Konkurrenz besiegen, sie nacheinander ausschalten, bis du die Stadt und schließlich den ganzen Planeten beherrschst. Seine Reichtümer werden dir in den Schoß fallen, bis deine Schatzkammern überfließen. Was hältst du von meinem Vorschlag?“

„Supren la Perssonoj!“ rief der Hertug und sprang auf.

„So ähnlich habe ich mir deine Reaktion vorgestellt. Wenn ich schon hier leben muß, will ich die hiesigen Zustände ein wenig verbessern — auf meine Art. Allmählich ist es nämlich Zeit für einen Wechsel.“

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