16

Jason hatte Schmerzen, fand sie aber nicht einmal unerträglich. Viel schlimmer war das Bewußtsein, daß er jetzt sterben mußte. Der Alte hatte ihn getötet. Nun war alles vorüber. Jason stieß den alten Mann mit letzter Kraft von sich fort, so daß er stolperte und fiel. Das Schwert steckte noch immer in seinem Körper.

„Nicht anfassen“, sagte Jason heiser zu Ijale, die mit ihren gefesselten Händen danach greifen wollte. Sie starrte ihn erschrocken und ängstlich an.

Der Kampf war zu Ende. Jason sah den Hertug vor sich auftauchen, auf dessen Gesicht deutlich zu lesen war, daß er keine Hoffnung mehr für Jason hatte. „Saubere Tücher“, verlangte Jason leise. „Ihr müßt sie fest auf die Wunde drücken, wenn das Schwert herausgezogen wird.“

Zwei kräftige Soldaten stützten ihn, während andere Leinentücher bereit hielten. Der Hertug stand vor Jason, der nur mit dem Kopf nickte und die Augen schloß. Noch einmal durchzuckte ihn der Schmerz, dann sank er zu Boden und nahm kaum noch wahr, daß sich die anderen um ihn bemühten.

Bevor er das Bewußtsein verlor, fragte er sich, weshalb er nicht einfach aufgab. Warum die Schmerzen verlängern? Hier konnte er nur sterben, denn er war Lichtjahre von sämtlichen medizinischen Errungenschaften entfernt. Er konnte nur noch sterben…


Jason erwachte nur noch einmal aus seiner Ohnmacht und sah, daß Ijale die klaffende Wunde an seinem Körper mit großen Stichen vernähte. Dann wurde es wieder dunkel um ihn, und als er später nochmals die Augen öffnete, lag er in seinem Zimmer, wo das Sonnenlicht durch die zersplitterten Fensterscheiben hereinströmte. Als jemand ihm ein nasses Tuch auf die Stirn legte, merkte er, wie ausgetrocknet sein Hals und sein Mund waren.

„Wasser…“, verlangte er und war überrascht, daß seine Stimme so schwach klang.

„Du darfst eigentlich nichts trinken — wegen der Wunde dort“, sagte Ijale mit zitternden Lippen.

„Das spielt jetzt keine Rolle mehr… so oder so“, versicherte Jason ihr. Das Bewußtsein, daß er sterben mußte, war schmerzhafter als die Wunden. Der Hertug betrat den Raum, blieb neben Ijale stehen und hielt Jason eine Schachtel entgegen.

„Die sciuloj haben diese Bede-Wurzeln beschafft, die jeden Schmerz betäuben. Du mußt sie kauen — aber nicht zu oft; die Wurzeln sind sehr gefährlich, wenn man zu viele davon nimmt.“

Nicht für mich, dachte Jason und zwang sich dazu, eine der trockenen Wurzeln zu kauen. Ein schmerzbetäubendes Mittel, ein Rauschgift…

Trotzdem war er für das Mittel dankbar, das schon nach wenigen Minuten zu wirken begann. Der Durst verging, die Schmerzen waren kaum noch zu spüren, aber Jason hatte einen merkwürdig leichten Kopf.

„Wie ist der Kampf ausgegangen?“ fragte er den Hertug, der mit verschränkten Armen auf ihn herabsah.

„Der Sieg ist unser. Die überlebenden Trozelligoj sind unsere Sklaven; ihr Clan existiert nicht mehr. Wir haben auch die Geheimkammern entdeckt, in denen ihre Maschinen stehen. Wenn du sie nur sehen und uns erklären könntest…“ Der Hertug brach ab, als ihm einfiel, daß Jason wahrscheinlich in seinem Leben nicht mehr viel sehen würde.

„Nur nicht den Kopf hängen lassen“, mahnte Jason. „Nach diesem Sieg ist der Weg frei. Du mußt nur zuschlagen, bevor die anderen Clans sich zusammenschließen. Wenn du das tust, kannst du ganz Appsala beherrschen, bevor der Winter kommt.“

„Wir werden dir das schönste Begräbnis ausrichten, das Appsala je gesehen hat“, versprach Hertug impulsiv. „Alle Perssonoj werden fasten und beten, bevor deine Leiche in dem Elektroschmelzofen zu Ehren Gottes Elektro verbrannt wird.“

„Nichts könnte mich glücklicher machen…“

„Und dann wirst du von einer Prozession schwer bewaffneter Schiffe aufs Meer hinausgebracht und dort den Wellen übergeben. Die Schiffe sind deshalb bewaffnet, weil wir nach unserer Rückkehr unvermutet die Mastreguloj überfallen werden.“

„Das ist wieder der gute alte Hertug. Ich hatte schon Angst, du seist auf deine alten Tage sentimental geworden.“

Dann flog die Tür krachend auf. Als Jason den Kopf zur Seite wandte, sah er einige Sklaven, die ein schweres Kabel hereinschleppten. Andere trugen große Kisten, und hinter ihnen kam ein Sklavenaufseher, der den gefesselten Mikah mit einer Peitsche antrieb. Mikah sank in einer Ecke zusammen.

„Ich wollte den Verräter köpfen“, sagte der Hertug, „als mir einfiel, daß du ihn vielleicht lieber selbst zu Tode foltern würdest. Der Schmelzofen ist bald heiß, und dann kannst du ihn Stück für Stück Elektro opfern, damit er dich gnädig aufnimmt.“

„Das ist freundlich von dir“, antwortete Jason und warf einen Blick auf Mikah. „Fesselt ihn und laßt mich mit ihm allein, damit ich mir die schrecklichsten Foltern für ihn ausdenken kann.“

„Ich erfülle deinen Wunsch gern. Aber du mußt mich holen lassen, wenn es Ernst wird. Ich lerne immer gern etwas Neues dazu.“

„Das glaube ich, Hertug.“

Die anderen verließen den Raum. Jason sah aus dem Augenwinkel, daß Ijale mit einem Messer auf Mikah zuschlich.

„Laß das“, rief er ihr zu. „Dadurch änderst du nichts mehr.“

Ijale ließ gehorsam das Messer fallen und nahm einen Schwamm auf, um Jasons Stirn zu kühlen. Mikah hob sein zerschlagenes Gesicht und starrte Jason an.

„Möchtest du mir nicht sagen“, begann Jason, „weshalb du mit den Trozelligoj gemeinsame Sache gegen mich gemacht hast?“

„Du kannst mich foltern, aber ich werde schweigen.“

„Benimm dich doch nicht wie ein Idiot. Niemand will dich foltern. Ich bin nur neugierig — warum hast du es getan?“

„Ich habe das getan, was ich für richtig hielt.“

„Das tust du immer — aber meistens bist du auf dem Holzweg. Warst du mit der Behandlung hier unzufrieden?“

„Ich hatte keine persönlichen Gründe, sondern mir lag das Wohl der leidenden Menschen am Herzen.“

„Ich glaube, daß du nur an deinen eigenen Vorteil gedacht hast.“ Jason spekulierte auf Mikahs Schwäche.

„Niemals! Ich wollte den Krieg verhindern…“

„Was soll das wieder heißen?“

Mikah wies anklagend auf Jason, wobei seine Ketten rasselten. „Du hast mir selbst verraten, daß du diese unschuldigen Menschen in einen Krieg verstricken wolltest, um den Hertug zum Alleinherrscher des gesamten Planeten zu machen. Als ich das hörte, wußte ich, was ich zu tun hatte.

Ein Mann in Diensten der Trozelligoj hatte sich mir bereits einmal genähert. Dieser Clan — ehrliche Arbeiter und Mechaniker, wie er mir versicherte — wollte dich mit meiner Hilfe den Perssonoj abwerben. Zunächst weigerte ich mich, aber dann sah ich ein, daß so der Krieg verhindert werden konnte.“

„Du kümmerlicher Narr“, sagte Jason leidenschaftslos. Mikah wurde rot.

„Ich weiß, was du von mir denkst. Aber ich würde nie anders handeln.“

„Obwohl die Trozelligoj auch nicht besser als alle anderen sind? Hast du nicht Ijale vor ihnen retten müssen? Eigentlich müßte ich dir dafür dankbar sein — obwohl du an ihrer Entführung schuld warst.“

„Ich will deinen Dank nicht…“

„Das spielt auch keine Rolle mehr. Der Krieg ist gewonnen, die Umwälzung nicht mehr aufzuhalten. Du hast eigentlich nur erreicht, daß ich sterben muß — und das kann ich nicht ohne weiteres entschuldigen.“

Was habe ich erreicht?“

„Meinen Tod, du Narr!“ Jason ließ sich in die Kissen zurücksinken. „Glaubst du denn, daß ich im Bett liege, weil ich müde bin? Durch deine Schuld bin ich in den Kampf geraten und aufgespießt worden.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Dann bist du noch dümmer, als ich gedacht hätte. Mir ist ein Schwert durch den Körper gegangen. Meine anatomischen Kenntnisse sind nicht überragend, aber ich nehme an, daß kein lebenswichtiges Organ verletzt worden ist. Sonst könnte ich nämlich nicht mehr mit dir sprechen. Aber ich weiß, daß ich eine Infektion davongetragen habe, die unter den hiesigen Verhältnissen hundertprozentig zum Tode führt.“

Diese Feststellung brachte zwar Mikah zum Schweigen, half Jason aber wenig. Deshalb schloß er die Augen und schlief erschöpft ein. Als er wieder aufwachte, rief er nach Ijale und ließ sich eine der schmerzstillenden Wurzeln bringen. Sie wischte ihm die Stirn ab, und Jason bemerkte ihren besorgten Gesichtsausdruck.

„Dann ist es also gar nicht so heiß“, stellte er fest, „sondern ich habe hohes Fieber.“

„Du bist meinetwegen verwundet worden“, schluchzte Ijale fassungslos.

„Unsinn!“ sagte Jason. „Ich wußte schon immer, daß ich eines Tages durch Selbstmord enden würde. Auf meinem Heimatplaneten hätte ich friedlich hundert Jahre alt werden können. Aber ich floh von dort, weil mir ein kurzes, erfülltes Leben erstrebenswerter als ein langes, ereignisloses erschien. Komm, gib mir noch eine Wurzel, damit ich das ganze Elend vergesse.“

Jason dämmerte im Halbschlaf dahin und wachte erst lange Zeit später auf. Alles war wie zuvor. Ijale nahm sich seiner an, Mikah hockte in der Ecke und schwieg.

Während einer dieser wachen Minuten hörte Jason das Geräusch — ein dumpfes Grollen, das plötzlich die Luft erfüllte und wieder erstarb. Er setzte sich auf, achtete nicht auf die Schmerzen und rief.

„Ijale, wo bist du? Komm sofort her!“

Als das Mädchen herbeigerannt kam, wurde Jason auf andere Stimmen außerhalb des Zimmers aufmerksam — die Perssonoj schrien erregt durcheinander. Hatte er das Geräusch wirklich gehört? Oder war alles nur eine Fieberphantasie? Ijale wollte ihn in die Kissen drücken, aber er stieß sie beiseite und rief zu Mikah hinüber: „Hast du eben etwas gehört? Hast du es gehört?“

„Ich habe geschlafen, aber ich glaube…“

„Was?“

„Ein Grollen — ich bin davon aufgewacht. Es klang wie… aber das ist doch unmöglich…“

„Unmöglich? Warum unmöglich? Es war ein Raketentriebwerk, nicht wahr? Hier auf diesem primitiven Planeten!“

„Aber hier gibt es keine Raketen.“

„Jetzt schon, du Idiot! Warum habe ich denn einen Sender in die Gebetsmühle eingebaut?“ Jason runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach.

„Ijale“, rief er und holte einige Goldstücke unter dem Kopfkissen hervor. „Nimm das Geld hier und bringe es den Priestern im Tempel. Laß dich nicht aufhalten, denn der Auftrag ist lebenswichtig. Vermutlich dreht kein Mensch mehr die Gebetsmühle, weil alle im Hof stehen und nach oben gaffen. Aber sie müssen wieder drehen, hörst du? Sage ihnen, daß ein Götterschiff auf dem Weg nach Appsala ist, und daß es nur kommt, wenn es die Gebete hört.“

Das Mädchen rannte hinaus, und Jason sank erschöpft zurück. Hatte wirklich ein Raumschiff sein SOS aufgenommen? Hatte es einen Arzt an Bord, der ihn behandeln konnte? Immerhin blieb noch die Möglichkeit, daß schon die Bordapotheke ausreichte. Jason lächelte zu Mikah hinüber.

„Ich habe das Gefühl, daß wir die letzte kreno gegessen haben, alter Knabe. Glaubst du, daß du dich wieder auf normales Essen umstellen kannst?“

„Ich muß dich verhaften lassen“, sagte Mikah ernst. „Deine Verbrechen sind zu schändlich; ich kann dich nicht in Schutz nehmen. Der Kapitän wird die Polizei benachrichtigen und…“

„Wie kann man nur so dumm sein und trotzdem leben?“ fragte Jason kalt. „Was hindert mich denn daran, dich umbringen zu lassen, bevor du Anklage gegen mich erheben kannst?“

„Ich glaube nicht, daß du das tun würdest. Du besitzt ein gewisses Ehrgefühl.“

„Ein gewisses Ehrgefühl! Ein Lob aus deinem Mund! Seit wann so sanftmütig, Mikah?“

Bevor der andere sich zu einer Antwort aufraffen konnte, ertönte wieder das bekannte Grollen. Aber diesmal erstarb es nicht, sondern wurde ständig lauter und näherte sich rasch, bis es zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen angeschwollen war.

„Chemische Triebwerke!“ schrie Jason über den Lärm hinweg Mikah zu. „Die Pinasse oder das Landungsboot eines Raumschiffs — das kann kein Zufall sein!“ In diesem Augenblick stürzte Ijale herein und warf sich vor Jasons Bett nieder.

„Die Priester sind geflohen“, schluchzte sie. „Alle verstecken sich. Ein großes flammenspeiendes Ungeheuer ist am Himmel erschienen und will uns alle vernichten!“ Ihr Schluchzen klang unnatürlich laut, als das Röhren der Triebwerke verstummte.

„Gut gelandet“, meinte Jason zufrieden und wandte sich an das Mädchen. „Ijale, ich möchte, daß du diesen Brief zu dem Schiff bringst, das eben gekommen ist.“ Das Mädchen wich erschrocken zurück, als Jason ihr den Zettel in die Hand drückte, den er in der Zwischenzeit geschrieben hatte.

„Du brauchst keine Angst zu haben, Ijale. Es ist nur ein Schiff wie alle anderen, obwohl es durch die Luft fliegt, statt auf dem Wasser zu schwimmen. Die Leute tun dir bestimmt nichts.“

„Ich habe Angst…“

„Das brauchst du aber nicht. Die Leute in dem Schiff werden mir helfen. Ich glaube, daß sie mich wieder gesund machen können.“

„Dann gehe ich“, antwortete Ijale einfach, obwohl sie vor Angst zitterte.

Jason sah ihr nach. „Wenn ich nicht gerade dich ansehe, Mikah“, stellte er fest, „bin ich wirklich stolz auf die menschliche Rasse.“

Die Minuten verstrichen unendlich langsam, während Jason auf jedes Geräusch von draußen lauschte. Er fuhr auf, als er Metall auf Metall klirren hörte. Dann fielen in rascher Folge einige Schüsse. Griffen die Perssonoj etwa das Schiff an? Er verfluchte seine eigene Schwäche, die ihn zum Nichtstun verdammte, so daß sein Schicksal von anderen abhing.

Noch einige Schüsse — diesmal bereits im Innern des Gebäudes —, dann Geschrei und laute Rufe. Die Tür öffnete sich, und Ijale stürzte herein — dann tauchte Meta hinter ihr auf. Sie hielt eine rauchende Pistole in der Hand.

„Du hast einen langen Weg hinter dir“, begrüßte Jason sie lächelnd. „Aber ich bin froh, daß du doch noch gekommen bist…“

„Du bist verwundet!“ Meta kam rasch auf ihn zu und kniete vor seinem Bett nieder, daß sie die Tür beobachten konnte. Dann löste sie wortlos den Medikasten vom Gürtel und drückte ihn gegen Jasons Arm. Das Gerät summte leise, eine Nadel drang durch die Haut, drei weitere folgten. Schließlich erhielt Jason noch eine schmerzstillende Spritze — damit war die Behandlung beendet.

Meta beugte sich über ihn, um ihn zu küssen. Aber da sie von Pyrrus stammte, erlahmte ihre Aufmerksamkeit selbst in diesem Augenblick nicht. Als die Soldaten in der Tür erschienen, trieb Meta sie mit einem Schuß zurück, der den Türstock zerfetzte.

„Nicht mehr schießen“, sagte Jason, als er wieder sprechen konnte. „Angeblich sind sie meine Freunde.“

„Meine jedenfalls nicht. Als ich das Schiff verlassen hatte, schossen sie mit Pfeilen nach mir, aber ich habe es ihnen gezeigt. Sie schossen sogar auf das Mädchen, das mir den Zettel brachte, und hörten erst auf, als ich eine Mauer über ihnen einstürzen ließ. Geht es dir wieder besser?“

„Nicht besonders, mir ist ziemlich schwindlig. Wir müssen so schnell wie möglich verschwinden. Vielleicht kann ich schon wieder gehen.“ Er wollte aufstehen, sackte aber vor dem Bett zusammen. Meta hob ihn auf und deckte ihn wieder zu.

„Du mußt im Bett bleiben, bis es dir besser geht. In diesem Zustand kannst du unmöglich aufstehen.“

„Wenn ich bleibe, geht es mir bald noch schlechter. Sobald der Hertug — der Führer dieser Leute — merkt, daß ich fort will, wird er alles unternehmen, um mich daran zu hindern.

Wir müssen verschwinden, bevor er auf dumme Gedanken kommt.“

Meta sah sich um, verschwendete keinen Blick auf Ijale und starrte Mikah an. „Ist der Kerl gefährlich, weil er an die Wand gekettet ist?“ erkundigte sie sich.

„Manchmal schon; du mußt gut auf ihn aufpassen. Er hat mich von Pyrrus entführt.“

Meta griff sich an den Gürtel und holte eine zweite Pistole hervor, die sie Jason gab. „Hier — vermutlich willst du ihn lieber selbst erschießen.“

„Siehst du, Mikah“, sagte Jason und wog die Waffe in der Hand. „Jeder will, daß ich dich umbringe. Weshalb tue ich es eigentlich nicht?“

„Ich habe keine Angst vor dem Tod“, behauptete Mikah und versuchte sich aufzurichten.

„Das solltest du aber“, meinte Jason. „Ich frage mich nur, wie du trotz deiner Art so alt geworden bist.“

Er wandte sich an Meta. „Ich kann keine Toten mehr sehen“, erklärte er ihr. „Außerdem brauchen wir ihn noch, damit er mir die Treppen hinunterhilft. Ich schaffe es unmöglich allein.“

Meta wandte sich Mikah zu. Ihre Pistole glitt aus dem Halfter, dann fiel ein Schuß. Mikah wich erschrocken zurück, hob den Arm vor die Augen und schien verblüfft, als er noch immer lebte. Meta hatte die Kette durchschossen, mit der er an die Wand gefesselt war. Jetzt kam sie auf ihn zu und drückte ihm die noch rauchende Waffe in die Rippen.

„Jason will nicht, daß ich dich erschieße“, sagte sie gefährlich ruhig, „aber ich tue nicht immer, was er wünscht. Wenn dir dein Leben lieb ist, gehorchst du ohne Widerrede. Du hilfst jetzt Jason zum Schiff hinunter. Aber keine falsche Bewegung, sonst bist du ein toter Mann! Hast du verstanden!“

Mikah öffnete den Mund, um zu protestieren oder eine seiner üblichen Reden zu halten, aber dann schwieg er doch betroffen. Er nickte nur und blieb wartend stehen, den Blick nach unten gesenkt.

Ijale kauerte neben Jasons Bett und hielt die Hand des Verwundeten umklammert. Sie hatte kein Wort von der ganzen Unterhaltung verstanden.

„Was ist denn geschehen, Jason?“ fragte sie ängstlich. „Warum hat das blitzende Ding dich in den Arm gestochen? Diese Frau hat dich geküßt, deshalb muß sie dir gehören, aber du bist stark und kannst zwei haben. Laß mich nicht allein zurück.“

„Was tut das Mädchen neben dir?“ erkundigte sich Meta wütend und warf Ijale einen abschätzenden Blick zu.

„Eine Sklavin, die mir geholfen hat“, antwortete Jason leichthin, obwohl ihm nicht danach zumute war. „Wenn wir sie zurücklassen, wird sie umgebracht. Sie kommt mit…“

„Das ist vielleicht nicht die beste Lösung“, antwortete Meta und schien zu überlegen, ob sie Ijale erschießen sollte. Glücklicherweise wurde ihre Aufmerksamkeit abgelenkt, als von draußen eine ängstliche Stimme ertönte.

„Nicht schießen“, mahnte Jason. „Das ist der Hertug — ich habe seine Stimme erkannt.“

„Wir wußten nicht, daß das Mädchen zu dir wollte, Jason!“ rief der Hertug. „Die Soldaten waren nur übereifrig. Ich werde sie bestrafen lassen. Darf ich hereinkommen, ohne eine Gefahr befürchten zu müssen?“

„Ich verstehe nicht, was er sagt“, meinte Meta, „aber seine Stimme gefällt mir nicht.“

„Dein weiblicher Instinkt hat völlig recht, Liebling“, versicherte ihr Jason. „Der Kerl ist durch und durch falsch und verdorben.“

„Komm herein, Hertug“, rief er dann. „Niemand will dir etwas Böses antun — Irrtümer sind eben nie ausgeschlossen.“ Er wandte sich leise an Meta: „Sei vorsichtig, ich kann nicht dafür garantieren, daß er friedlich bleibt.“

Der Hertug warf einen kurzen Blick in den Raum und verschwand wieder. Dann nahm er schließlich allen Mut zusammen und kam hereingeschlurft.

„Deine Freundin hat eine hübsche Waffe, Jason“, begann er. „Sage ihr, daß ich ihr ein paar Sklaven dafür biete. Fünf Sklaven — das ist ein erstklassiges Geschäft.“

„Sagen wir lieber sieben.“

„Einverstanden. Kann ich sie gleich haben?“

„Nicht diese hier; sie ist ein altes Familienerbstück, das man nicht verkauft. Aber in dem Schiff liegt noch eine andere — wir brauchen sie nur zu holen.“

Der Hertug wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab und sah sich mißtrauisch um. „In dem Schiff gibt es Dinge, die dich wieder gesund machen werden“, sagte er und bewies damit mehr Intelligenz, als Jason von ihm erwartet hätte. „Du wirst nicht sterben, sondern uns in dem Schiff verlassen?“

Jason stöhnte heftig. „Ich sterbe, Hertug! Meine Asche soll von dem Schiff aus zwischen den Sternen verstreut werden…“

Der Hertug rannte auf die Tür zu, aber Meta holte ihn schon nach wenigen Schritten ein. Sie schlang ihm von hinten den linken Arm um den Hals und drückte ihm die Pistole in den Rücken.

„Was hast du mit ihm vor, Jason?“ fragte sie gelassen.

„Mikah und Ijale können mich stützen, während du den alten Knaben bewachst. Mit ein bißchen Glück müßten wir es bis zu dem Schiff hinunter schaffen.“

Sie stiegen langsam die Treppen hinab und überquerten den Hof. Die führerlosen Perssonoj konnten sich nicht zu einem Entschluß durchringen. Die Hilferufe des Alten und Metas gut gezielte Schüsse verwirrten sie nur noch mehr. Die kleine Gruppe erreichte das Schiff ohne Verluste.

„Jetzt kommt der schwierigste Teil“, sagte Jason und stützte sich schwer auf Mikah und Ijale. Er konnte nicht allein gehen, deshalb mußten die beiden ihn an Bord ziehen und schieben. „Bleib hier an der Tür, Meta, und halte den alten Vogel gut fest. Sieh dich vor, denn die Kerle nehmen bestimmt keine Rücksicht auf ihren Anführer, wenn sie dich erwischen können.“

„Das ist klar“, stimmte Meta zu. „Krieg ist schließlich Krieg.“

„Richtig, ich hätte fast vergessen, daß du von Pyrrus stammst. Du bleibst also hier, bis ich die Triebwerke angelassen habe. Wenn wir startbereit sind, läßt du den Hertug los, schließt die Luftschleuse und kommst so schnell wie möglich in die Pilotenkabine. Ich bin noch zu schwach, um selbst starten zu können. Verstanden?“

„Völlig. Geh schon — du vergeudest hier nur Zeit.“

Jason ließ sich in den Sessel des Kopiloten fallen und leitete den Start ein. Als er schon auf den Knopf für die Startsirene drücken wollte, erschütterte ein schwerer Schlag das ganze Schiff. Jason wartete, aber die Erschütterung wiederholte sich nicht. Er drückte auf den Knopf. Bevor der Sirenenton verklungen war, saß Meta bereits neben ihm und führte einen ihrer berühmt-berüchtigten Blitzstarts vor.

„Die Leute hier sind technisch fortgeschrittener, als ich gedacht hatte“, berichtete sie kurze Zeit später. „Sie rollten eine große Maschine heran, die plötzlich dampfte und einen Stein schleuderte, der die halbe Heckflosse abriß. Ich habe die Maschine in die Luft gejagt, aber der Hertug ist entkommen.“

„In gewisser Beziehung sind sie sehr fortschrittlich“, gab Jason zu, weil er Meta nicht gerade auf die Nase binden wollte, daß sie fast von seiner eigenen Erfindung erledigt worden wären.

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