Viertes Kapitel Weltraum

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Das Raumschiff sah noch beeindruckender aus, als Trevize aufgrund seiner Erinnerungen an die Zeit, als sich die neue Kreuzer-Klasse im Bau befand und überschwengliche Publizität genoß, erwartet hatte.

Nicht die Größe war eindrucksvoll, denn das Raumschiff war ziemlich klein. Die Vorzüge der Konstruktion lagen in Manövrierbarkeit, Geschwindigkeit, dem Gravo-Antrieb und besonders der hochmodernen Computerisierung. Auf Größe hatte verzichtet werden können; sie wäre dem Zweck sogar hinderlich gewesen.

Es handelte sich um einen Einmann-Raumer, der dank seiner Überlegenheit die älteren Raumschiffe, die eine dutzendköpfige oder noch größere Mannschaft brauchten, leicht ersetzte. Mit einem zweiten oder gar dritten Besatzungsmitglied an Bord, so daß Schichtdienst möglich war, konnte so ein Kleinkreuzer es ohne weiteres mit einer ganzen Flottille größerer, nicht zur Foundation gehöriger Raumschiffe aufnehmen. An Geschwindigkeit war es jedem bekannten Typ überlegen und konnte sich etwaigen Gegnern notfalls mühelos entziehen.

Es besaß in seiner Gesamtheit eine schlanke Form, wies keine überflüssigen Merkmale auf, keine sinnlose Rundung, weder innen noch außen. Jeder Kubikmeter Innenraum war maximal genutzt worden, so daß man im Innern ein beinahe paradoxes Gefühl der Geräumigkeit hatte.

Nichts, was die Bürgermeisterin über die Wichtigkeit dieser Mission hätte sagen können, wäre für Trevize überzeugender gewesen als dies Raumschiff.

Branno die Bronzefrau, sah er mit Verdruß ein, hatte ihn zur Übernahme eines gefährlichen Auftrags von allerhöchster Bedeutung genötigt. Vielleicht hätte er ihn mit weniger Entschlossenheit übernommen, wäre nicht von der Branno alles so arrangiert worden, daß er ihr nur zu gern beweisen wollte, was er leisten konnte.

Was Pelorat betraf, er war entgeistert vor Staunen. »Würden Sie mir glauben«, meinte er, als er, bevor er hineinkletterte, behutsam einen Finger an den Rumpf legte, »daß ich einem Raumschiff noch nie so nahe gewesen bin?«

»Wenn Sie’s sagen, glaube ich’s natürlich, Professor, aber wie haben Sie das bloß geschafft?«

»Das weiß ich selbst kaum, um ehrlich zu sein, teurer… ich meine, Trevize. Vermutlich war ich immer zu sehr mit meinen Forschungen beschäftigt. Wenn man daheim einen richtig guten Computer hat, der andere Computer überall in der Galaxis erreichen kann, darf man sich die meisten Wege sparen, wissen Sie. Irgendwie habe ich erwartet, Raumschiffe seien größer.«

»Das hier ist ein kleiner Typ, aber trotzdem innen geräumiger als jedes andere Raumschiff dieser Größe.«

»Wie kann denn so was möglich sein? Sie machen sich über meine Unwissenheit lustig.«

»Nein, nein. Das ist mein Ernst. Sie sehen hier eines der ersten völlig gravobetriebenen Raumschiffe vor sich.«

»Und was bedeutet das? Bitte sehen Sie lieber von Erklärungen ab, falls dazu ausgedehnte Abschweifungen in die Physik erforderlich sind. Ich gebe mich mit Ihrem Wort zufrieden, so wie gestern Sie bezüglich der einheitlichen Spezies Mensch und der einen Welt des Ursprungs.«



»Wir wollen’s versuchen, Professor Pelorat. Während vieler Jahrtausende der Raumfahrt sind chemische Antriebe, Ionenantriebe und hyperatomare Antriebe verwendet worden, und all diese Antriebssysteme haben viel Platz beansprucht. Die alte Kaiserliche Marine hatte Raumschiffe von fünfhundert Metern Länge, in denen der Besatzung nicht mehr Aufenthaltsraum geboten war als in einem kleinen Apartment. Zum Glück hat sich die Foundation in all den Jahrhunderten ihrer Existenz auf Miniaturisierung spezialisiert, weil sie aufgrund des Mangels an Ressourcen gar keine andere Wahl hatte. Was Sie hier sehen, ist davon das Spitzenergebnis. Das Raumschiff fliegt dank Antigravitation, und der Antrieb, der das ermöglicht, nimmt so gut wie keinen Platz ein, er ist nämlich in die Hülle integriert. Wären nicht trotzdem noch die hyperatomaren…«

Ein Posten der Sicherheit trat näher. »Gehen Sie bitte weiter!«

Der Himmel erhellte sich allmählich, obwohl bis zum Sonnenaufgang noch eine halbe Stunde verstreichen mußte.

Trevize schaute sich um. »Ist mein Gepäck verladen worden?«

»Jawohl, Ratsherr. Die Ausstattung befindet sich schon vollständig im Schiff.«

»Und Kleidung dabei, nehme ich an, die weder meine Größe hat, noch meinem Geschmack entspricht.«

Urplötzlich grinste der Posten nahezu jungenhaft. »Ich glaube, daß alles zu Ihrer Zufriedenheit sein dürfte«, sagte er. »Die Bürgermeisterin hat uns im Laufe der vergangenen dreißig oder vierzig Stunden gehörig Mehrarbeit leisten lassen, und wir haben uns weitgehend nach dem gerichtet, was Sie daheim haben. Geld hat keine Rolle gespielt.« Er blickte sich um, als wolle er sich vergewissern, daß seine plötzliche Vertraulichkeit niemandem auffiel. »Hören Sie, ich finde, Sie beide können von Glück reden. Das ist das beste Raumschiff der Welt. Komplett ausgerüstet, abgesehen von Bewaffnung. Sie schwimmen ganz oben.«

»Als Treibgut, das kann sein«, erwiderte Trevize. »Also, Professor, sind Sie bereit?«

»Solange ich das hier bei mir habe, bin ich zu allem bereit«, sagte Pelorat und hielt einen kantigen Stab in die Höhe, der etwa zwanzig Zentimeter lang war und umhüllt von silbrigem Plastik. Unvermittelt fiel Trevize auf, daß der Professor ihn schon seit Verlassen seines Hauses mitführte, ständig von der einen in die andere Hand nahm, ihn nie weglegte, nicht einmal, als sie unterwegs schnell ein Frühstück einnahmen, aus den Fingern gelassen hatte.

»Was ist das, Professor?«

»Meine Bibliothek. Sie ist nach Stichwörtern und Quellen geordnet, und ich habe alles in einen Datenkomprehensor packen können! Wenn Sie dieses Raumschiff für ein Wunderwerk halten, wie finden Sie dann erst diesen Datenkomprehensor? Eine ganze Bibliothek! Alles, was ich jemals zusammengetragen habe. Wunderbar! Einfach wunderbar!«

»Ja«, sagte Trevize. »Mann, wir schwimmen wirklich ganz obenauf.«

15

Auch während er das Innere des Raumschiffs besichtigte, kam Trevize aus dem Staunen nicht heraus. Es gab einen Lagerraum mit Nahrungsmittelvorräten, Bekleidung, Filmen und Spielen. Ein Gymnastikraum, ein Aufenthaltsraum sowie zwei fast gleiche Kabinen waren vorhanden.

»Das hier muß Ihre Kabine sein, Professor«, sagte Trevize. »Auf jeden Fall enthält sie einen FX-Projektor.«

»Gut«, meinte Pelorat mit merklicher Befriedigung. »Was für ein Trottel ich doch war, die Raumschiffahrt immer so gemieden zu haben. Hier drin könnte ich leben, mein werter Trevize, ohne jemals weitergehende Bedürfnisse zu verspüren.«

»Geräumiger als ich dachte«, sagte Trevize erfreut.

»Und der Antrieb befindet sich tatsächlich in der Hülle, wie Sie angenommen haben?«

»Jedenfalls die Kontrollinstrumente. Wir brauchen keinen Brennstoff zu lagern, wir verwenden von vornherein keinen. Wir bedienen uns der Grundenergie des Universums, also sind der Brennstoff und die Triebwerke… alles ist da draußen.« Er machte eine vage Geste.

»Tja, da fällt mir ein… was geschieht, wenn etwas schiefgeht?«

Trevize zuckte die Achseln. »Ich habe eine Ausbildung in Weltraumnavigation, aber diese Art von Schiff noch nie von innen gesehen. Wenn am Gravo-Antrieb irgendein Defekt auftreten sollte, werde ich wohl leider hilflos sein.«

»Aber Sie können mit diesem Raumschiff umgehen? Es fliegen?«

»Das frage ich mich auch.«

»Meinen Sie, das Schiff könnte automatisch funktionieren?« wollte Pelorat wissen. »Daß wir vielleicht nur Passagiere sind? Möglicherweise wird nichts von uns erwartet, als daß wir gemütlich herumsitzen.«

»Solche Dinge gibt’s innerhalb der Sonnensysteme im Fährdienst zwischen Planeten und Raumstationen, aber von automatischer Hyperraumfahrt habe ich noch nie was gehört. Bisher wenigstens nicht. Bisher…«

Erneut schaute er sich um und spürte das Prickeln einer gewissen Spannung. War diese alte Schachtel von Bürgermeisterin ihm womöglich weiter voraus, als er sich bis jetzt vorstellte? Besaß die Foundation auch bereits eine automatische interstellare Raumfahrt, und er würde gegen seinen Willen auf Trantor landen, ohne daß er darüber mehr zu bestimmen hatte als das an Bord befindliche Mobiliar?

»Setzen Sie sich ruhig hin, Professor«, sagte er mit einer heiteren Lebhaftigkeit, die er in Wirklichkeit nicht empfand. »Die Bürgermeisterin hat gesagt, das Schiff sei komplett computerisiert. Wenn’s in Ihrem Raum einen FX-Projektor hat, müßte in meinem eigentlich ein Computer sein. Machen Sie’s sich bequem, unterdessen schaue ich mich allein ein bißchen näher um.«

Augenblicklich wirkte Pelorat beunruhigt. »Trevize, mein Bester — Sie gehen mir aber nicht wieder aus dem Schiff, was?«

»Das ist keineswegs meine Absicht, Professor. Und sollte ich’s versuchen, können Sie sich darauf verlassen, daß man mich daran hindert. Die Bürgermeisterin hat nicht vor, sich von mir einen Strich durch die Rechnung machen zu lassen. Ich möchte lediglich herausfinden, wie die Far Star gesteuert wird.« Er lächelte. »Ich lasse Sie nicht im Stich, Professor.«

Er lächelte noch, als er die Räumlichkeit betrat, die er für seine Kabine hielt, aber als er leise hinter sich die Tür schloß, versachlichte sich seine Miene. Es mußte an Bord irgendein Mittel geben, mit dem man mit einem Planeten in der Nachbarschaft des Raumschiffs in Verbindung treten konnte. Ein Raumschiff, das von allem ringsherum vollständig abgeschlossen war, ließ sich kaum vorstellen, also mußte es irgendwo — vielleicht in einem Wandfach — einen Kommunikator geben. Damit konnte er das Bürgermeisteramt anrufen und sich nach den Kontrollen erkundigen.

Aufmerksam betrachtete er die Wände, das Wandregal überm Bett, die schlichten, weichen Formen der Möbel. Falls er hier nichts fand, mußte er sich im Rest des Raumschiffs umsehen.

Er wollte die Kabine gerade wieder verlassen, als er ein Glänzen auf der glatten, hellbraunen Tischplatte bemerkte. Es stammte von einem Leuchtkreis mit dem säuberlichen Hinweis: Computerinstruktionen.

Aha!

Nichtsdestoweniger schlug sein Herz beschleunigt. Es gab solche und solche Computer, und manche Programme erforderten viel Zeit, bis man sie beherrschte. Trevize hatte nie den Fehler begangen, seine eigene Intelligenz zu unterschätzen, andererseits aber war er kein Spitzenexperte. Einige Menschen besaßen ein Talent für den Umgang mit Computern, andere wieder überhaupt nicht, und Trevize wußte genau, welcher Kategorie er angehörte.

Während seiner Dienstzeit in der Raummarine der Foundation hatte er den Rang eines Lieutenant erreicht und gelegentlich den Befehlshabenden mimen müssen, daher hatte er zwangsläufig auch mit den Computern zu tun gehabt. Nie jedoch hatte er diesbezüglich die alleinige Verantwortung getragen, und es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, daß man irgendwann etwas anderes von ihm verlangen könnte als die Routinemanöver, wie ein befehlshabender Offizier sie nun einmal durchzuziehen hatte.

Mit einem Gefühl der Entmutigung erinnerte er sich an den Umfang, den ein Computerprogramm im Klartext-Printout besaß, und er entsann sich an die Arbeitsweise von Techno-Sergeant Krasnet an der Konsole. Er hatte die Hände daran wirbeln lassen, als handle es sich um das komplizierteste Musikinstrument der Galaxis, allerdings mit einem Gebaren der Nonchalance, als sei das alles so einfach, daß er sich unendlich langweile; trotzdem hatte auch er bisweilen in dicken Instruktionen nachschlagen müssen, dabei aus Verlegenheit unterdrückt geflucht.

Fast widerwillig tippte Trevize mit einem Finger auf den Leuchtkreis, und sofort breitete dessen Helligkeit sich über die ganze Tischplatte aus. Er sah darauf die Umrisse zweier Hände, einer rechten und einer linken Hand. Plötzlich schrägte sich die Tischplatte mit einer reibungslosen Kippbewegung in einem Winkel von fünfundvierzig Grad.

Trevize nahm vor dem Tisch Platz. Erklärungen waren überflüssig. Es war klar, was er tun mußte.

Er legte seine Hände auf die Umrisse, die für diesen Zweck auf der Tischplatte vorhanden waren, und dank des Winkels war das mühelos möglich. Die Oberfläche der Tischplatte fühlte sich weich an, fast wie aus Samt, wo er sie berührte, seine Hände sanken ein.

Erstaunt starrte er seine Hände an, denn sie waren durchaus nicht eingesunken. Seine Augen teilten ihm mit, daß die Hände auf der Fläche lagen. Sein Tastsinn dagegen übermittelte ihm den Eindruck, als habe die Fläche unter ihnen nachgegeben, als hielte irgend etwas seine Hände sanft und warm umfangen.

War das alles?

Und nun?

Er schaute umher, dann schloß er, indem er einer Einflüsterung gehorchte, die Lider.

Gehört hatte er nichts. Er hatte nichts gehört.

Doch in seinem Gehirn, als sei es ein ihm selbst entsprungener, ganz schwacher Gedanke, stand der Satz: ›Bitte schließen Sie die Augen. Wir werden in Verbindung treten.‹

Durch die Hände?

Irgendwie hatte Trevize immer angenommen, um mit einem Computer in gedankliche Verständigung treten zu können, müsse man sich eine Haube über den Schädel stülpen, Elektroden an Augen und der Kopfhaut befestigen.

Die Hände?

Aber warum nicht die Hände? Trevize spürte, wie er leicht entschwebte, nahezu wie schläfrig, doch behielt er seine volle verstandesmäßige Klarheit. Warum denn nicht durch die Hände?

Die Augen waren nichts anderes als Sinnesorgane. Das Gehirn war nicht mehr als eine zentrale Schaltstelle, umhüllt von Knochen, vom Arbeitsorgan des Körpers entfernt. Die Hände waren das Arbeitsorgan; die Hände waren es, die das Universum fühlten und auf es einwirkten.

Menschen dachten mit ihren Händen. Ihre Hände gaben ihnen die Antwort auf all ihre Neugier, sie tasteten und faßten zu, drehten, hoben und drückten. Es gab Tiere mit Gehirnen von beachtlicher Größe, aber sie besaßen keine Hände; das machte den maßgeblichen Unterschied aus.

Und während er und der Computer sich die Hände hielten, ging ihr Denken ineinander über, und es spielte keine Rolle mehr, ob seine Augen geschlossen waren oder geöffnet. Hatte er sie geöffnet, war seine Sicht nicht besser, und geschlossen konnten sie sie nicht trüben. Nach allen Seiten sah er das Innere der Kabine mit vollkommen scharfer Deutlichkeit, und nicht nur in der Richtung, in die er gerade blickte, sondern rundum sowie auch nach oben und unten.

Er sah jede Räumlichkeit im ganzen Raumschiff, und ebenso sah er die Umgebung. Die Sonne war aufgegangen, und die Morgennebel dämpften ihren Schein; er konnte in sie hineinschauen, ohne geblendet zu werden, denn der Computer filterte automatisch den Einfall der Lichtstrahlen.

Er spürte den leisen Wind, seine Temperatur, hörte die Geräusche der Welt, die ihn umgab. Er entdeckte das Magnetfeld des Planeten, bemerkte die winzigen elektrischen Aufladungen auf der Hülle des Raumschiffs.

Die Kontrollen des Kleinkreuzers kamen ihm zu Bewußtsein, ohne daß er über sie Details erfuhr. Er erkannte, daß er, wenn er das Schiff steigen, wenden oder beschleunigen lassen, irgendeinen Gebrauch von seinen Kapazitäten machen wollte, genauso vorgehen mußte, als beabsichtige er analoge Abläufe mit dem eigenen Körper zu vollführen. Aber er mußte sie mit seiner Willenskraft auslösen.

Sein Wille gab jedoch nicht den alleinigen Ausschlag. Der Computer konnte ihn sozusagen übersteuern. In eben diesem Moment entstand in seinem Kopf ein neuer Gedanke, und er entnahm ihm exakt, wann und wie das Raumschiff starten sollte. Was das anging, war kein Spielraum vorhanden. Danach — das war ebenfalls klar — lagen die weiteren Entscheidungen bei ihm.

Er stellte fest, während er mit seinem computerverstärkten Bewußtsein in weiterem Umkreis hinaustastete, daß er dazu imstande war, die Verhältnisse in den oberen atmosphärischen Schichten zu spüren, die Beschaffenheit des Wetters, daß er andere Raumschiffe beobachten konnte, die aufwärts schwärmten, ins All, und andere, die herabschwebten. All das mußte berücksichtigt werden, und der Computer berücksichtigte es. Hätte er es versäumt, wäre es, ersah Trevize ohne jeden Zweifel, nur erforderlich gewesen, daran zu denken, dann wäre es geschehen.

So war es in diesem Fall also mit den umfangreichen Klartext-Instruktionen; es gab keine. Trevize dachte an Techno-Sergeant Krasnet und lächelte. Oft genug hatte er schon von den immensen Umwälzungen gelesen, zu denen es dank der Gravitationstechnik in der Welt kommen sollte, aber die Verschmelzung von Computer und menschlichem Geist war noch ein Staatsgeheimnis.

Bestimmt würde sie noch größere Umwälzungen verursachen.

Er war sich des Verstreichens von Zeit bewußt. Er wußte genau, welche Zeit es war, nach Terminus-Ortszeit ebenso wie Galaktischer Standardzeit.

Wie ließ der Kontakt sich unterbrechen?

Kaum hatte er daran gedacht, lösten sich seine Hände aus der scheinbaren Vertiefung, und die Tischplatte schwenkte zurück in ihre ursprüngliche Stellung; Trevize blieb mit seinen unverstärkten Sinnen allein.

Für eine Weile fühlte er sich auf einmal blind und hilflos, als sei er eine Zeitlang von irgendeinem Superwesen erhöht und erleuchtet, nun jedoch verlassen worden. Hätte er nicht gewußt, daß der Kontakt sich jederzeit wiederherstellen ließ, er wäre durch das heftige Gefühl der Verlassenheit womöglich in Tränen ausgebrochen.

So aber bemühte er sich lediglich um Wiedererlangung seiner gewohnten Orientierung, auf die erneute Anpassung an die bekannten Schranken seiner Sinne, dann stand er unsicher auf und verließ die Kabine.

Pelorat blickte auf, als er eintrat. Offenbar hatte er seinen FX-Projektor adjustiert. »Funktioniert gut«, sagte er. »Hat ein hervorragendes Suchprogramm. Haben Sie die Kontrollen gefunden, Junge?«

»Ja, Professor. Alles in Ordnung.«

»Müßten wir uns dann nicht irgendwie auf den Start vorbereiten? Ich meine, in bezug auf unsere Sicherheit? Müssen wir uns nicht anschnallen, oder so was? Ich habe mich nach Verhaltensmaßregeln umgesehen, aber nichts gefunden, und das hat mich nervös gemacht, deshalb habe ich mich ein bißchen mit meiner Taschenbibliothek beschäftigt. Wenn ich an meiner Arbeit sitze, fühle ich mich irgendwie…«

Trevize hatte dem anderen die Hände entgegengehoben, wie um den Redeschwall einzudämmen und zum Versiegen zu bringen. Nun mußte er laut sprechen, um den Professor zu übertönen. »Nichts von alldem ist nötig, Professor. Antigravitation ist gleich Nullschwerkraft. Bei Geschwindigkeitsveränderungen spürt man keine Beschleunigung, denn alles im Raumschiff unterliegt simultan der gleichen Veränderung.«

»Sie meinen, wir werden’s nicht merken, wenn wir starten und in den Weltraum fliegen?«

»Genau das meine ich, denn gerade jetzt, während wir uns unterhalten, sind wir gestartet. In ein paar Minuten werden wir die obere Atmosphäre durchqueren, und binnen einer halben Stunde sind wir im freien All.«

16

Pelorat schien ein wenig zu schrumpfen, während er Trevize anglotzte. Sein längliches Gesicht nahm eine derartige Ausdruckslosigkeit an, daß es, ohne irgendein Gefühl zu zeigen, erhebliches Unbehagen verriet.

Dann huschte sein Blick nach rechts, nach links.

Trevize entsann sich daran, wie er sich bei seinem ersten Flug gefühlt hatte, der über die Atmosphäre hinausführte.

»Janov«, sagte er so sachbetont wie er konnte (er redete den anderen zum erstenmal so vertraulich an, aber in diesem Fall sprach der Erfahrene zum Unerfahrenen, und es war erforderlich, einen väterlichen Eindruck zu erregen, völlig unabhängig von ihrem wirklichen Alter), »wir sind absolut sicher. Wir befinden uns im metallenen Rumpf eines Kriegsschiffs der Raummarine der Foundation. Wir sind nicht mit Waffen ausgerüstet, aber es gibt keinen Flecken in der Galaxis, wo der Name der Foundation uns nicht schützen könnte. Selbst wenn irgendein Irrer uns im Raum angreifen sollte, sind wir dazu in der Lage, im Handumdrehen auf Abstand zu gehen. Und ich darf Ihnen versichern, ich habe festgestellt, daß ich das Schiff ohne weiteres handhaben kann.«

»Es ist nur der Gedanke an das Nichts, Go-Golan…«, brabbelte Pelorat.

»Ach, es ist ständig nichts als ein Nichts rings um ganz Terminus. Zwischen uns auf der planetaren Oberfläche und dem Nichts des Weltalls befindet sich immer nur eine unbedeutende Schicht ziemlich dünner Luft. Wir fliegen bloß über diese luftige Schicht hinaus.«

»Mag ja sein, daß sie dünn und unbedeutend ist, aber jedenfalls brauchen wir sie zum Atmen.«

»Hier drin atmen wir auch. Die Luft hier an Bord ist sogar reiner und sauberer, sie wird immer unendlich reiner und sauberer bleiben als die natürliche Atmosphäre des Terminus.«

»Und die Meteore?«

»Was für Meteore?«

»Die Atmosphäre schützt uns doch vor Meteoren. Vor Strahlung übrigens auch.«

»Die Menschheit betreibt seit fast fünfundzwanzig Jahrtausenden Raumfahrt, glaube ich«, sagte Trevize, »und ich…«

»Zweiundzwanzig Jahrtausenden. Wenn wir nach der Hallblock-Zeitrechnung gehen, ist völlig klar, daß…«

»Genug, genug! Haben Sie je von Meteortreffern oder Strahlungsunfällen gehört? In letzter Zeit, meine ich? Ich meine, im Fall von Raumern der Foundation?«

»Ich verfolge die Nachrichten nicht hinsichtlich solcher Dinge, aber ich bin Historiker, mein Junge, und…«

»Historisch betrachtet, hat es solche Vorfälle gegeben, ja, aber die Technik ist ja verbessert worden. Es existiert kein Meteor, der groß genug ist, um uns zu schaden, und den wir nicht rechtzeitig bemerken, so daß wir ihm ausweichen können. Kämen vier Meteore gleichzeitig aus vier Richtungen auf uns zu, die den Senkrechten eines Tetraeders entsprechen, wär’s vorstellbar, daß wir erwischt werden, aber rechnen Sie mal die Wahrscheinlichkeit dafür durch, dann werden Sie feststellen, daß Sie eine Billion billionenmal wahrscheinlich an Altersschwäche sterben dürften, bevor Sie die Aussicht von fünfzig zu fünfzig haben, ein so interessantes Phänomen beobachten zu können.«

»Sie wollen sagen, wenn Sie am Computer sitzen?«

»Nein«, entgegnete Trevize verächtlich. »Wollte ich den Computer anhand meiner eigenen Sinneswahrnehmungen und Reaktionen bedienen, ein Meteor würde uns treffen, ehe wir’s merken. Der Computer selbst ist es, der die Arbeit leistet, er reagiert millionenmal schneller, als Sie oder ich es könnten.« Abrupt streckte er eine Hand aus. »Kommen Sie, Janov, lassen Sie mich Ihnen vorführen, was der Computer leisten kann, ich möchte Ihnen zeigen, wie der Weltraum wirklich ist!«

Pelorat stierte ihn an, die Augen ein wenig hervorgequollen. Dann lachte er abgehackt auf. »Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich das überhaupt wissen will, Golan.«

»Natürlich sind Sie sich nicht sicher, Janov, eben weil Sie nicht wissen, was es ist, was es da kennenzulernen gibt. Nehmen Sie die Chance wahr! Kommen Sie! Kommen Sie mit in meine Kabine!«

Trevize führte den Professor, zerrte ihn an der Hand halb mit. »Haben Sie schon einmal die Milchstraße gesehen, Janov?« erkundigte er sich, als er am Computer Platz nahm. »Haben Sie sie jemals betrachtet?«

»Am Himmel, meinen Sie?« fragte Pelorat zurück.

»Ja, sicher. Wo sonst?«

»Freilich habe ich sie schon gesehen. Jeder hat sie schon betrachtet. Wenn man nach oben schaut, sieht man sie.«

»Haben Sie sie sich einmal in einer dunklen, klaren Nacht angeschaut, wenn die Diamanten unterm Horizont stehen?«

›Diamanten‹ nannte man auf Terminus jene wenigen Sterne, deren Leuchtkraft ausreichte, um sie an Terminus’ Nachthimmel mit ausreichender Helligkeit sichtbar werden zu lassen. Es handelte sich um eine kleinere Ansammlung von Sternen in einem Bereich von nicht mehr als zwanzig Grad, und infolgedessen gab es nachts längere Zeitspannen, in denen sie allesamt unterhalb des Horizonts standen. Außer diesem Häuflein gab es nur verstreute, schwache Sternchen, gerade noch sichtbar, und den milchigen Schimmer der Galaxis — ein Anblick, wie er zu erwarten war, wenn man sich auf einer Welt wie Terminus befand, die ihre Position ganz am Rand der äußersten galaktischen Spirale hatte.

»Ich glaube, ja, aber warum soll das so wichtig sein? Das ist ein allgemein bekannter Anblick.«

»Natürlich ist’s ein bekannter Anblick«, sagte Trevize und seufzte. »Deshalb nimmt ihn nämlich niemand mehr wahr. Warum hinschauen, wenn man’s immer sehen kann? Aber jetzt werden Sie sie richtig sehen, nicht von Terminus aus, wo ständig Dunst und Wolken dazwischenliegen. Sie werden sie sehen, wie man sie von Terminus aus niemals sehen kann, ganz egal, wie genau man hinschaut, ganz gleich, wie dunkel und klar die Nacht sein mag. Ich wünschte mir fast, ich wäre noch nie im Weltraum gewesen, so daß ich die Milchstraße jetzt, so wie Sie, in ihrer ganzen, unverhüllten Schönheit zum erstenmal sehen könnte.«

Er schob Pelorat einen Stuhl zu. »Setzen Sie sich, Janov! Es kann noch ein Weilchen dauern. Ich muß mich noch weiter mit dem Computer vertraut machen. Nach allem, was ich bis jetzt weiß, ist die Sicht holographisch, wir brauchen also keinen Bildschirm, aber ich glaube, ich kann ein objektives Bild projizieren lassen, so daß Sie’s auch sehen können. Löschen Sie das Licht, ja? Nein, Unfug, das kann der Computer tun. Bleiben Sie sitzen!«

Trevize stellte den Kontakt mit dem Computer her, und sie hielten sich in warmer Freundlichkeit, fast intim, die ›Hände‹.

Die Beleuchtung dimmte herab, erlosch ganz; im Dunkeln vollführte Pelorat irgendwelche Regungen.

»Werden Sie nicht nervös, Janov«, sagte Trevize. »Kann sein, daß ich anfangs noch einige geringfügige Schwierigkeiten mit dem Computer habe, aber ich fange vorsichtig an, und Sie müssen ein bißchen Geduld haben. Sehen Sie’s? Den Halbkreis?«

Er schwebte vor ihnen in der Dunkelheit. Zuerst noch trüb und ein wenig flackrig, doch er nahm an Schärfe und Helligkeit zu.

»Ist das Terminus?« Pelorats Stimme klang regelrecht ehrfürchtig. »Sind wir schon so weit entfernt?«

»Ja, der Raumer ist schnell.«

Das Raumschiff flog in Terminus’ Nachtschatten ein; der Planet war als breite Halbkugel hellen Lichts erkennbar.

Trevize empfand kurz ein Bedürfnis, das Raumschiff in weitem Bogen Terminus’ taghelle Seite überqueren zu lassen, um ihn Pelorat in voller Schönheit zu zeigen, aber er verzichtete darauf.

Es mochte sein, daß ein solcher Anblick für Pelorat neu gewesen wäre, aber die gezeigte Schönheit hätte sich voraussichtlich als allzu zahm entpuppt. Zu viele Fotos existierten, zu viele Karten, zu viele Globen. Jedes Kind wußte, wie die Terminus-Oberfläche aussah, Terminus war eine Wasserwelt, und zwar in stärkerem Maß als ähnliche Planeten; er war reich an Wasser und arm an Mineralien; bestens geeignet für Landwirtschaft, wenig dagegen für Schwerindustrie; nichtsdestoweniger vollbrachte man dort Spitzenleistungen in Technik, Technologie und in der Miniaturisierung.

Wenn er den Computer dazu bringen konnte, Mikrowellen zu verwenden und sie in ein sichtbares Modell umzusetzen, würden sie jede einzelne von Terminus’ zehntausend bewohnten Inseln sehen, zusammen mit der einen großen Insel, deren Fläche es rechtfertigte, daß man sie als Kontinent bezeichnete, auf der Terminus City stand und…

Abdrehen!

Er dachte lediglich den Gedanken, bemühte seine Willenskraft, aber sofort veränderte sich die Sicht. Die helle Halbkugel wanderte an den Rand des Sichtbereichs und verschwand daraus. Die Dunkelheit sternenlosen Weltraums erfüllte sein Blickfeld.

Pelorat räusperte sich. »Es wäre mir lieber, Sie würden Terminus zurückholen, mein Junge. Mir ist zumute, als wäre ich plötzlich blind.« Seine Stimme klang gepreßt.

»Sie sind nicht blind. Schauen Sie nur!«

Ein schleierartiger Nebel von heller Transluzenz trat in den Sichtbereich. Er breitete sich aus, erhellte sich, bis die ganze Kabine in seinem Licht zu schimmern schien.

Abstand!

Eine weitere Willensanstrengung, und die Milchstraße, betrachtet durch das von ihm zusehends besser beherrschte geistige Teleskop, wich zurück. Sie schrumpfte und verwandelte sich zu einem Gebilde von unterschiedlicher Leuchtstärke.

Heller!

Ohne daß die Größe der Darstellung sich änderte, nahm die Helligkeit zu, und weil das Sonnensystem, zu dem Terminus gehörte, sich oberhalb des galaktischen Äquators befand, sahen sie die Galaxis nicht genau von der Seite. Sie war als erheblich verkürzte Doppelspirale sichtbar, und an der Terminus’ zugewandten Seite machten gewundene Dunkelwolken den hellen Randbezirk streifig wie von Rissen. Das sahnig-helle Leuchten des fernen galaktischen Kerns, zusätzlich durch den Abstand verkleinert, wirkte vergleichsweise unbedeutend.

»Sie haben recht«, sagte Pelorat leise und nahezu andächtig. »So habe ich sie noch nie gesehen. Ich hätte nie gedacht, daß man soviel Einzelheiten erkennen kann.«

»Wie hätten Sie auch darauf kommen sollen? Man kann die äußeren Bereiche nicht sehen, solange Terminus’ Atmosphäre sich dazwischen befindet. Von Terminus’ Oberfläche aus läßt sich ja kaum das Zentrum der Milchstraße erkennen.«

»Schade, daß wir sie nur aus diesem Winkel sehen.«

»Das muß nicht so bleiben. Der Computer kann sie aus jedem Winkel zeigen. Ich brauche nur dem entsprechenden Wunsch Ausdruck zu verleihen — und das nicht einmal laut.«

Perspektive wechseln!

Sein Wille brachte keinen präzisen Befehl zustande. Dennoch begann das Bild der Milchstraße sich einer langsamen Veränderung zu unterziehen, während sein Geist den Computer anwies, und der Computer mußte tun, was er wünschte.

Gemächlich vollführte die Milchstraße eine Drehung, bis sie sie im rechten Winkel zum galaktischen Äquator sehen konnten. Die Galaxis schwebte ausgebreitet vor ihnen wie ein riesiger, schimmernder Strudel, durchzogen von Windungen aus Dunkelheit, durchsetzt mit Knoten stärkerer Helligkeit, in der Mitte einen Kern von nahezu verwaschenem Glanz.

»Wie kann der Computer die Milchstraße von einer Position aus zeigen, die mehr als fünfzigtausend Parsek von hier entfernt sein muß?« wollte Pelorat erfahren. »Entschuldigen Sie, daß ich so dumm frage«, ergänzte er leise und mit gepreßter Stimme. »Ich verstehe von all diesen Dingen nichts.«

»Ich weiß über diese Art von Computer fast so wenig wie Sie«, entgegnete Trevize. »Aber auch ein simplerer Computer kann Koordinaten verschieben und die Galaxis in jeder Position zeigen, angefangen mit der, die seine Sensoren ihm aus der natürlichen Perspektive übermitteln, das heißt, aus der Richtung, in der im Raum der Computer sich befindet. Naturgemäß macht er aber nur Gebrauch von den Informationen, die ihm vorliegen oder dank seiner Sensoren verfügbar sind, deshalb sind bei einem Wechsel der Perspektive Undeutlichkeiten und Lücken vorhanden, vor allem, wenn die ganze Galaxis von oben gezeigt wird. In diesem Fall allerdings…«

»Ja?«

»Wir haben einen ganz herausragenden Ausblick. Ich vermute, der Computer besitzt eine komplette Karte der Galaxis und kann sie deshalb aus jeder Perspektive mit gleichbleibender Qualität zeigen.«

»Wie meinen Sie das, eine komplette Karte?«

»Ich will damit sagen, in den Datenbänken des Computers müssen die räumlichen Koordinaten jedes Sterns der Milchstraße enthalten sein, aus denen er eine holographische Darstellung produzieren kann.«

»jedes Sterns?« fragte Pelorat entgeistert.

»Nun ja, vielleicht nicht aller dreihundert Milliarden. Bestimmt aber aller Sonnen, die bewohnte Planeten haben, und wahrscheinlich aller Sterne der Spektralklasse K und hellerer Klassen. Das bedeutet, mindestens ungefähr fünfundsiebzig Milliarden.«

»Jedes Sterns eines bewohnten Systems?«

»Ich möchte mich da ungern festlegen. Vielleicht sind nicht alle gespeichert. Zu Lebzeiten Hari Seldons gab’s immerhin fünfundzwanzig Millionen von Menschen bewohnte Sonnensysteme — das klingt nach viel, in Wahrheit ist’s aber nur ein Stern von je zwölftausend. Und während der fünf Jahrhunderte seit Seldons Zeiten hat der allgemeine Zusammenbruch des Imperiums die weitere Besiedlung ja keineswegs zum Erliegen gebracht. Nach meiner Meinung dürfte er sie sogar begünstigt haben. Es gibt noch zahlreiche bewohnbare Planeten zu erschließen, also können wir gut und gerne von dreißig Millionen ausgehen. Es ist möglich, daß nicht alle in neuerer Zeit besiedelten Welten in den Unterlagen der Foundation verzeichnet sind.«

»Aber die alten Welten? Sie müßten doch ohne Ausnahme dabeisein.«

»Nehme ich jedenfalls an. Garantieren kann ich natürlich nichts, aber es würde mich überraschen, sollte eines der schon lange bewohnten Systeme in den Datenspeichern fehlen. Lassen Sie mich etwas zeigen… — vorausgesetzt, meine Fähigkeit, den Computer zu lenken, ist schon groß genug.«

Trevizes Hände verkrampften sich ein wenig vor Anstrengung, und sie schienen tiefer in den Griff des Computers zu sinken. Das mochte jedoch überflüssig sein; möglicherweise brauchte er nur ruhig und gelassen zu denken: Terminus!

Sobald er den Namen dachte, glomm als Reaktion darauf am äußersten Rand des galaktischen Mahlstroms ein helles, rotes Pünktchen auf.

»Dort ist unsere Sonne«, sagte er erregt. »Das ist der Stern, um den Terminus kreist.«

»Ach«, machte Pelorat mit einem dumpfen, zittrigen Aufseufzen.

In einem dichten Sternhaufen, tief im Herzen der Galaxis, aber noch deutlich abseits vom zentralen Schimmern, funkelte ein hellgelber Punkt auf. Er stand jener Randzone der Galaxis näher, in der sich Terminus befand, als der anderen Seite.

»Und das«, sagte Trevize, »ist Trantors Sonne.«

Pelorat seufzte noch einmal. »Sind Sie sicher?« meinte er dann. »Es heißt doch immer, Trantor sei im Zentrum der Milchstraße.«

»Das ist er gewissermaßen auch. Er ist so nahe am Zentrum, wie ein Planet noch sein kann, wenn er bewohnbar sein will. Er ist dem Zentrum näher als jede andere bedeutsame bewohnte Welt. Das eigentliche Zentrum der Galaxis besteht aus einem Schwarzen Loch mit einer Masse von fast einer Million Sonnen, deshalb ist es dort reichlich ungemütlich. Soviel wir wissen, existiert direkt im Zentrum kein Leben, und vielleicht ist dort auch jedes Leben ausgeschlossen. Trantors Position befindet sich am innersten Unterkreis der Spiralarme, und wenn Sie seinen Nachthimmel sehen könnten, glauben Sie mir, Sie würden meinen, Sie wären am Mittelpunkt der Galaxis. Er befindet sich mitten in einem außerordentlich dichten Sternhaufen.«

»Waren Sie schon auf Trantor, Golan?« fragte Pelorat mit merklichem Neid.

»Nein, das nicht, aber ich habe holographische Darstellungen seines Nachthimmels gesehen.«

Versonnen betrachtete Trevize die Galaxis. Während der ausgedehnten Suche nach der Zweiten Foundation, zur Zeit des Fuchses, hatte man alle Arten von Kartenwerken der Galaxis zu Rate gezogen — und wie viele Bücher und Filme waren zu diesem Thema fabriziert worden!

Und alles, weil Hari Seldon am Anfang gesagt hatte, die Zweite Foundation sei ›am entgegengesetzten Ende der Galaxis‹ zu finden, auf ›Star’s End‹.

Am entgegengesetzten Ende der Galaxis! Noch während Trevize daran dachte, ging von Terminus’ Position eine blaue Linie aus, durchquerte das zentrale Schwarze Loch der Galaxis und stoppte auf der anderen Seite. Fast wäre Trevize aufgesprungen. Er hatte keine direkte Anweisung erteilt, so eine Linie zu ziehen, aber klar an eine gedacht, und das hatte dem Computer bereits genügt.

Aber natürlich war eine Gerade zur anderen Seite der Galaxis nicht unbedingt das, was Hari Seldon mit dem ›entgegengesetzten Ende‹ gemeint hatte. Arkady Darell war es gewesen (falls man ihrer Autobiografie glauben durfte), die erstmals die Feststellung traf: ›Ein Kreis hat kein Ende‹, um auf das hinzuweisen, was heute allgemein als anerkannte Wahrheit galt…

Und obwohl Trevize den Gedanken augenblicklich zu unterdrücken versuchte, war der Computer für ihn viel zu schnell. Die blaue Linie verschwand, und an seine Stelle trat ein Kreis, der die ganze Galaxis in säuberlichem Blau umrundete und dabei den dunkelroten Fleck durchquerte, der Terminus’ Sonne darstellte.

Ein Kreis besitzt in der Tat kein Ende, und wenn der Kreis auf Terminus begann, mußte die Suche nach seinem Ende unweigerlich zurück nach Terminus führen; und wirklich hatte man die Zweite Foundation dort aufgespürt, auf derselben Welt, auf der sich die Erste Foundation befunden hatte.

Aber wenn sie in Wirklichkeit nun nicht entdeckt worden war, wenn es sich bei der angeblichen Aushebung der Zweiten Foundation um eine Täuschung gehandelt hatte — was dann? Was außer einer Geraden und einem Kreis konnte in diesem Zusammenhang einen Sinn ergeben?

»Erzeugen Sie Fantasiegebilde, oder was?« erkundigte sich Pelorat. »Warum ist da ein blauer Kreis?«

»Ich habe nur die Kontrollen getestet. Sollen wir mal sehen, ob wir die Erde lokalisieren können?«

Ein oder zwei Momente lang herrschte Schweigen. »Machen Sie einen Witz?« fragte Pelorat schließlich nach.

»Nein. Ich werd’s einfach mal versuchen.« Er tat es. Nichts geschah.

»Bedaure«, sagte Trevize.

»Sie ist nicht da? Keine Erde?«

»Es könnte sein, daß ich meine Anordnung falsch gedacht habe, aber das kommt mir wenig wahrscheinlich vor. Ich nehme eher an, daß die Koordinaten der Erde nicht in den Speicherbänken des Computers enthalten sind.«

»Sie kann unter einem anderen Namen verzeichnet sein«, sagte Pelorat.

»Welchem anderen Namen, Janov?« hakte Trevize sofort nach.

Pelorat schwieg, und im Dunkeln lächelte Trevize. Er sah eine Möglichkeit, daß die Dinge sich ineinanderfügen mochten. Sollten sie eine Zeitlang ihren Lauf nehmen. Mochten sie reifen. Mit voller Absicht wechselte er den Gesprächsstoff. »Ich frage mich«, meinte er, »ob es uns wohl gelingen könnte, die Zeit zu überlisten.«

»Die Zeit! Wie denn?«

»Die Galaxis rotiert. Terminus benötigt fast eine halbe Milliarde Jahre, um sich einmal durch den großen Umkreis der Galaxis zu bewegen. Dem Zentrum nähere Sterne brauchen für die Rotation natürlich weniger Zeit. Vielleicht ist im Computer die Bewegung jedes Sterns im Verhältnis zum zentralen Schwarzen Loch gespeichert, und wenn das der Fall ist, kann man möglicherweise den Computer jede Bewegung einige millionenmal wiederholen lassen und dadurch den Rotationseffekt sichtbar machen. Ich kann’s jedenfalls mal versuchen.«

Er begann den Versuch, konnte nicht verhindern, daß sich infolge der Willensanstrengung seine Muskeln zusammenkrampften — als habe er selbst Hand an die Galaxis gelegt, um sie in Schwung zu bringen, als drehe er sie, zwänge sie gegen fürchterlichen Widerstand zur Rotation.

Die Galaxis geriet in Bewegung. Langsam, in träger Massigkeit, drehte sie sich um ihre Achse, in die Richtung, die eine Straffung der Spiralarme bewirken mußte.

Während sie zuschauten, verstrich unglaublich schnell Zeit — eine falsche, artifizielle Zeit —, und unterdessen enthüllten die Sterne ihre Vergänglichkeit.

Einige der größeren Sterne — da und dort — verfärbten sich rot und leuchteten stärker, indem sie sich zu Roten Riesen aufblähten. Und dann explodierte in den zentralen Sternhaufen lautlos eine Sonne mit blendender Helligkeit, deren grelles Licht für einen Sekundenbruchteil die gesamte Galaxis verblassen ließ; danach war sie verschwunden. Wenig später geschah das gleiche mit einem anderen, in einem Spiralarm gelegenen Stern, dann mit noch einem, nicht weit davon entfernt.

»Supernovae«, sagte Trevize mit leicht zittriger Stimme.

War es möglich, daß der Computer exakt vorauszusagen imstande war, welche Sterne wann explodieren würden? Oder bediente er sich nur eines vereinfachten Modells, das die Zukunft der Sterne auf allgemeine Weise veranschaulichte, ohne sie im einzelnen zu berücksichtigen?

»Die Galaxis sieht wie ein Lebewesen aus«, sagte Pelorat leise und mit rauher Stimme, »das durch den Weltraum kriecht.«

»So ähnlich verhält’s sich auch«, sagte Trevize. »Aber ich werde allmählich müde. Bis ich gelernt habe, weniger verkrampft zu sein, kann ich die Tätigkeit am Computer nur für kurze Zeit durchstehen.«

Er machte Schluß. Die Galaxis verlangsamte ihre Rotation, verharrte, schwenkte abwärts, bis man sie wieder von der Seite sah, so wie anfangs.

Trevize schloß die Augen und holte tief Luft. Er nahm Terminus wahr, der hinter ihnen zurückfiel, und der letzte feststellbare Hauch von Atmosphäre war mittlerweile aus ihrer Umgebung verschwunden. Er bemerkte all die anderen Raumschiffe in Terminus’ näherem Umkreis.

Er kam nicht auf die Idee, zu überprüfen, ob es mit einem dieser anderen Raumer irgendeine Besonderheit auf sich haben mochte. War da eines, das ebenfalls einen Gravo-Antrieb besaß, dessen Kurs dem der Far Star weit mehr ähnelte, als es sich durch Zufall erklären ließ?

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