You come to my home

Im Moment weiß ich nicht, wie es weitergehen sol. Das Visum habe ich, aber Lketinga ist fort. Priscilla ist mit zwei Kriegern in ihrem Häuschen. Ich berichte, und die beiden lassen sich von ihr übersetzen. Abschließend rät mir Priscilla, ich solle Lketinga, obwohl er sehr lieb sei, doch vergessen. Entweder sei er wirklich krank, oder die anderen hätten ihm etwas Schlechtes angewünscht, was ihn zwinge, zu seiner Mutter zurückzukehren, denn so sei er in Mombasa verloren. Er müsse zu einem Medizinmann. Ich könne ihm nicht helfen. Auch wäre es gefährlich, mich als Weiße gegen alle anderen zu stel en.

Ich bin völ ig verzweifelt und weiß nicht mehr, was und vor al em wem ich glauben soll. Nur mein Gefühl sagt mir, daß man Lketinga gegen seinen Willen vor meiner Rückkehr weggebracht hat. Am selben Abend kommen die ersten Krieger in mein Häuschen, um mir den Hof zu machen. Als der zweite eindeutig wird und meint, ich brauche ihn als boyfriend, da Lketinga „crazy“ sei und nicht mehr herkomme, werfe ich, erbost über soviel Frechheit, alle hinaus. Als ich Priscil a davon erzähle, lacht sie nur, das sei normal, ich solle al es nicht so eng sehen. Offensichtlich hat auch sie noch nicht begriffen, daß ich nicht irgend jemanden will, sondern mein ganzes Leben in der Schweiz für Lketinga aufgegeben habe.“

Am nächsten Tag schreibe ich gleich einen Brief an seinen Bruder James in Maralal. Vielleicht weiß er mehr. Nun werden sicher zwei Wochen vergehen, bevor ich Antwort erhalte. Zwei lange Wochen, in denen ich nicht erfahre, was los ist, da werde ich verrückt! Am vierten Tag halte ich es nicht mehr aus. Klammheimlich beschließe ich, aufzubrechen und die weite Strecke nach Maralal auf mich zu nehmen. Dort werde ich weitersehen, aber ich gebe nicht auf, die werden noch staunen! Nicht einmal Priscilla erzähle ich von meinen Plänen, denn ich traue niemandem mehr. Als sie an den Strand geht, um Kangas zu verkaufen, packe ich meine Reisetasche und verschwinde Richtung Mombasa.

Wieder lege ich gute 1400 Kilometer zurück und komme nach zwei Tagen in Maralal an. Ich beziehe dasselbe Lodging für vier Franken wie beim letzten Mal, und die Besitzerin staunt, als ich schon wieder auftauche. Im spärlichen Zimmer lege ich mich auf die Pritsche und überlege: Was jetzt? Morgen gehe ich zu Lketingas Bruder.

Zuerst muß ich den Headmaster überreden, bevor er bereit ist, James zu holen.

Auch ihm erzähle ich al es, und er meint, falls er die Erlaubnis bekäme, würde er mich zu seiner Mutter bringen. Der Headmaster ist nach langem Hin und Her einverstanden, wenn ich ein Auto auftreiben kann, das James und mich nach Barsaloi bringen wird. Zufrieden, so viel mit meinem spärlichen Englisch erreicht zu haben, ziehe ich durch Maralal und frage mich durch, wer ein Auto besitzt. Die wenigen sind fast alle Somalis. Doch wenn ich sage, wohin ich will, werde ich entweder ausgelacht, oder sie verlangen Preise, die mir astronomisch erscheinen.

Am zweiten Tag der Suche treffe ich auf meinen damaligen Retter Tom, der Lketinga gesucht und gefunden hat. Auch er möchte wissen, wo Lketinga ist. Erneut versteht er meine Situation und will versuchen, ein Auto zu bekommen, denn bei meiner Hautfarbe würde der Preis um das Fünffache steigen. Tatsächlich sitzen wir beide kurz nach Mittag in einem Landrover, den er samt Chauffeur für zweihundert Franken chartern konnte. Bei James melde ich mich ab, da Tom mitkommen will.

Der Landrover fährt durch Maralal und dann eine öde, rote Lehmstraße entlang.

Nach kurzer Zeit kommen wir in einen dichten Wald mit riesigen Bäumen, die von Lianen überwuchert sind. Man sieht keine zwei Meter in den Busch hinein. Auch das Sträßchen ist bald nur noch an den Fahrspuren, die die Reifen verursacht haben, erkennbar. Der Rest ist zugewachsen. Hinten im Landrover kann ich al erdings nicht viel erkennen. Nur an der Seitenlage, die ab und zu entsteht, merke ich, daß der Weg sehr steil und schräg sein muß. Als wir nach einer Stunde den Wald verlassen, stehen wir vor mächtigen Felsbrocken. Hier kann es unmöglich weitergehen! Aber meine zwei Begleiter steigen aus und verschieben einige Steine. Dann poltert das Gefährt langsam über die Geröllhalde. Spätestens hier wird mir klar, daß der Preis nicht zu hoch ist. Nach dem wenigen, was ich sehe, aber dem vielen, das ich spüre, wäre ich jetzt bereit, mehr zu bezahlen. Es wäre ein Wunder, wenn wir das Auto heil hinüberbrächten. Aber wir schaffen es, der Chauffeur ist ein hervorragender Fahrer.

Ab und zu fahren wir an Manyattas und Kindern mit Ziegen- oder Kuhherden vorbei. Ich bin aufgeregt. Wann sind wir endlich da? Ist hier mein Darling irgendwo zu Hause, oder ist die ganze Anstrengung vergebens? Gibt es noch eine Chance?

Leise bete ich vor mich hin. Mein Retter hingegen ist sehr ruhig. Endlich überqueren wir ein breites Flußbett, und nach zwei oder drei Kurven erspähe ich einige einfache Blockhütten und weiter oben, auf einer Anhöhe, ein riesiges Gebäude, das sich von der Landschaft wie eine Oase abhebt, grün und schön. „Wo sind wir?“ frage ich meinen Begleiter. „Hier ist Barsaloi-Town und dort oben die neu gebaute Mission.

Zuerst gehen wir aber zu den Manyattas und schauen, ob Lketinga zu Hause bei seiner Mutter ist“, erklärt er mir. Wir fahren nahe an der Mission vorbei, und ich staune über das viele Grün, denn hier ist es sehr trocken, wie in einer Halbwüste oder Steppe.

Nach dreihundert Metern biegen wir ab und holpern über die Steppe. Zwei Minuten später hält das Fahrzeug. Tom steigt aus und fordert mich auf, ihm langsam nachzukommen. Den Chauffeur bittet er zu warten. Unter einem großen, flachen Baum sitzen mehrere Erwachsene und Kinder. Mein Begleiter geht auf die Leute zu, während ich in angemessenem Abstand warte. Alle blicken herüber. Nach längerem Schwatz mit einer alten Frau kommt er zurück und sagt: „Corinne, come, his Mama teils me, Lketinga is here.“

Wir gehen durch hohes, stacheliges Gebüsch und gelangen zu drei sehr einfachen Manyattas, die in etwa fünf Metern Abstand voneinander stehen. Vor der mittleren stecken zwei lange Speere im Boden. Tom deutet darauf und sagt: „Here he is inside.“

Ich wage mich nicht zu bewegen, und so bückt er sich und geht hinein. Da ich dicht hinter ihm bin, verdeckt mich sein Rücken. Nun höre ich Tom sprechen und kurz darauf Lketingas Stimme. Jetzt halte ich es nicht mehr aus und quetsche mich vorbei. Wie überrascht und freudig, ja ungläubig Lketinga mich in diesem Moment ansieht, werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen. Er liegt auf einem Kuhfell in dem kleinen Raum hinter der Feuerstel e im rauchigen Halbdunkel und lacht plötzlich los. Tom macht Platz, so gut es geht, und ich krieche in seine ausgestreckten Arme. Wir halten uns lange fest. „I know always, if you love me, you come to my home.“

Dieses Wiedersehen, ja Wiederfinden ist schöner als alles bisher Dagewesene. In dieser Minute weiß ich, hier werde ich bleiben, auch wenn wir nichts haben außer uns. Lketinga spricht mir aus dem Herzen, als er sagt: „Now you are my wife, you stay with me like a Samburu-wife.“

Ich bin überglücklich.

Mein Begleiter schaut mich skeptisch an und fragt, ob er wirklich allein mit dem Landrover nach Maralal zurückfahren sol. Es sei schwer für mich hier. Es gäbe fast nichts zu essen, und schlafen müsse ich am Boden. Zu Fuß nach Maralal käme ich auch nicht. Mir ist das alles egal, und ich sage zu ihm: „Wo Lketinga lebt, da kann auch ich leben.“

Für einen kurzen Moment wird es dunkel in der Hütte, Lketingas Mutter schiebt sich durch das kleine Loch am Eingang. Sie setzt sich gegenüber der Feuerstelle nieder und schaut mich lange schweigend und düster an. Ich bin mir bewußt, daß dies entscheidende Minuten sind, und sage nichts. Wir sitzen da, halten unsere Hände, und unsere Gesichter glühen. Würden wir Licht damit erzeugen, wäre die Hütte hell erleuchtet.

Lketinga spricht nun ein paar Worte mit ihr, und ab und zu verstehe ich nur

„Mzungu“ oder „Mombasa“. Seine Mutter sieht mich unentwegt an. Sie ist ganz schwarz. Der rasierte Kopf ist schön geformt. Am Hals und an den Ohren trägt sie farbige Perlenringe. Sie ist eher füllig, und an ihrem nackten Oberkörper hängen zwei lange, riesige Brüste. Die Beine sind bedeckt mit einem schmutzigen Rock.

Plötzlich streckt sie mir ihre Hand entgegen und sagt „Jambo“. Dann folgt ein größerer Redeschwall. Ich schaue zu Lketinga. Er lacht: „Mutter hat ihren Segen gegeben, wir können mit ihr in der Hütte bleiben.“ Jetzt verabschiedet sich Tom, und ich hole nur noch meine Tasche aus dem Landrover. Als ich zurückkomme, hat sich eine größere Menschenmenge um die Manyatta versammelt.

Gegen Abend höre ich Glockengebimmel. Wir gehen nach draußen, und ich erblicke eine große Herde von Ziegen. Die meisten ziehen vorbei, andere werden in unser Dornengehege getrieben. Etwa dreißig Tiere kommen in die Mitte des Krals, der nochmals mit Dornengestrüpp verbarrikadiert ist. Dann geht die Mama mit einer Kalebasse zu den Ziegen, um zu melken. Die gewonnene Milch reicht gerade für den Chai, wie ich später feststellen muß. Die Herde wird von einem etwa achtjährigen Knaben betreut. Er setzt sich bei der Manyatta nieder und beobachtet mich ängstlich, während er durstig zwei Becher Wasser hinunterkippt. Es ist der Sohn von Lketingas älterem Bruder.

Eine Stunde später ist es dunkel. Wir sitzen zu viert in der kleinen Manyatta, die Mama vorne neben dem Eingang und neben ihr das verschreckte Mädchen Saguna, die etwa drei Jahre alt ist. Saguna ist die kleine Schwester des Jungen. Sie drückt sich ängstlich an ihre Großmutter, die jetzt ihre Mutter ist. Wenn das erste Mädchen des ältesten Sohnes alt genug sei, gehöre es der Mutter, als eine Art Altershilfe zum Holz sammeln oder Wasser holen, erklärt mir Lketinga.

Wir beide bleiben auf dem Kuhfell sitzen. Die Mama stochert zwischen den drei Feuersteinen in der Asche und holt versteckte Glut zum Vorschein. Dann bläst sie langsam, aber ständig auf die Funken. Dadurch entsteht für einige Minuten beißender Rauch, der mir die Tränen in die Augen treibt. Alle lachen. Als ich auch noch einen Hustenanfall bekomme, quetsche ich mich ins Freie. Luft, Luft, ist das einzige, was ich denken kann.

Draußen vor dem Hüttchen ist es stockfinster. Nur Millionen Sterne erscheinen so nah, als könnte man sie vom Himmel pflücken. Ich genieße dieses Gefühl der Ruhe.

Überall sieht man das Flackern der Feuer in den Manyattas. Auch in unserer brennt es gemütlich. Die Mama kocht Chai, unser Abendessen. Nach dem Tee plagt mich meine Blase. Lketinga lacht: „Here no toilet, only bush. Come with me, Corinne!“

Geschmeidig geht er voraus, kippt einen Dornenbusch zur Seite, und ein Durchgang bildet sich. Der Dornenzaun ist die einzige Sicherheit gegen wilde Tiere.

Wir entfernen uns etwa dreihundert Meter vom Kral, und er zeigt mit seinem Rungu auf einen Busch, der in Zukunft mein WC sein wird. Pippi kann ich nachts auch neben der Manyatta machen, denn der Sand saugt al es auf. Aber den Rest dürfe ich niemals in deren Nähe erledigen, sonst müßten sie dem Nachbarn eine Ziege opfern, und wir müßten umziehen, was eine große Schande bedeute. Zurück bei der Manyatta wird al es mit dem Gebüsch verriegelt, und wir ziehen uns auf das Kuhfell zurück. Waschen kann man sich hier nicht, denn das Wasser reicht gerade für den Chai. Als ich Lketinga nach der Körperpflege frage, meint er: „Tomorrow at the river, no problem!“

Während es in der Hütte durch das Feuer recht warm wird, ist es draußen kühl.

Das kleine Mädchen schläft bereits nackt neben der Großmutter, und wir drei versuchen, einander zu unterhalten. Zwischen acht und neun Uhr gehen die Menschen hier schlafen. Auch wir nisten uns ein, da das Feuer nachläßt und wir uns kaum noch sehen. Lketinga und ich kuscheln uns eng aneinander. Obwohl wir beide mehr wol en, geschieht natürlich nichts in Gegenwart der Mutter und in dieser endlosen Stille.

Die erste Nacht schlafe ich schlecht, da ich den harten Boden nicht gewöhnt bin.

Ich drehe mich von einer Seite auf die andere und lausche den verschiedenen Geräuschen nach. Ab und zu bimmelt das Glöckchen einer Ziege, und für mich klingt es fast wie eine Kirchenglocke in dieser lautlosen Nacht. In der Ferne heult irgendein Tier. Später raschelt es im Dornengestrüpp. Ja, ich höre es deutlich, da sucht jemand den Eingang zum Kral. Mein Herz schlägt bis zum Hals, während ich angestrengt horche. Es kommt jemand. Liegend spähe ich durch den kleinen Eingang und sehe zwei schwarze Balken, nein Beine, und zwei Speerenden. Gleich darauf tönt eine Männerstimme: „Supa Moran!“

Ich stoße Lketinga in die Seite und flüstere: „Darling, somebody is here.“

Er stößt mir unbekannte Laute aus, die sich fast wie ein Grunzen anhören, und starrt mich für den Bruchteil einer Sekunde fast böse an. „Outside is somebody“, erkläre ich aufgeregt. Wieder ertönt die Stimme: „Moran supa!“

Dann werden einige Sätze gewechselt, worauf sich die Beine bewegen und verschwinden. „What's the problem?“

frage ich. Der Mann, ein anderer Krieger, wollte hier übernachten, was normalerweise auch kein Problem sei, aber weil ich hier bin, gehe es nicht. Er versuche, in einer anderen Manyatta unterzukommen. Ich solle wieder schlafen.

Morgens um sechs Uhr geht die Sonne auf, und mit ihr erwachen Tiere und Menschen. Die Ziegen blöken laut, denn sie wollen raus. Überal höre ich Stimmen, und der Platz von Mama ist bereits leer. Eine Stunde später erheben auch wir uns und trinken Chai. Dies wird fast zur Qual, da mit der Morgensonne auch die Fliegen erwachen. Stel e ich die Tasse neben mich auf die Erde, umschwirren Dutzende den Rand der Tasse. Unentwegt surren sie um meinen Kopf. Saguna scheint es kaum zu bemerken, obwohl sie ihr in den Augen- und sogar in den Mundwinkeln sitzen. Ich frage Lketinga, woher al diese Fliegen kommen. Er deutet auf den Ziegenkot, der sich während der Nacht angesammelt hat. Durch die Hitze am Tag trocknet der Kot aus, und die Fliegen werden weniger. Deshalb habe ich es am gestrigen Abend nicht so penetrant empfunden. Er lacht, dies sei nur der Anfang, wenn erst die Kühe wiederkämen, werde es noch viel schlimmer, denn deren Milch ziehe Tausende von Fliegen an. Noch unangenehmer seien die Moskitos, die nach Regenfäl en auftauchten. Nach dem Chai möchte ich zum River, um mich endlich zu waschen. Mit Seife, Handtuch und frischer Wäsche ausgerüstet, ziehen wir los. Lketinga trägt lediglich einen gelben Kanister für das nächste Chai-Wasser von Mama. Wir gehen etwa einen Kilometer einen schmalen Weg hinunter bis zu dem breiten Flußbett, das wir am Tag zuvor mit dem Landrover überquert haben. Links und rechts des Flußbettes stehen große, saftige Bäume, aber Wasser sehe ich keines. Wir spazieren am trockenen Fluß entlang, bis nach einer Biegung Felsen auftauchen.

Tatsächlich fließt hier noch ein kleines Bächlein aus dem Sand.

Wir sind nicht die einzigen hier. Neben dem Rinnsal haben einige Mädchen ein Loch in den Sand gegraben und schöpfen mit einem Becher geduldig ihre Kanister mit Trinkwasser vol. Beim Anblick meines Kriegers senken sie verschämt den Kopf und schöpfen kichernd weiter. Zwanzig Meter weiter unten steht eine Gruppe von Kriegern nackt am Bach. Sie waschen sich gegenseitig. Ihre Hüfttücher liegen auf den warmen Felsen zum Trocknen. Mein Anblick läßt sie verstummen, doch ihre Nacktheit stört sie offensichtlich nicht. Lketinga bleibt stehen und spricht mit ihnen.


Einige sehen mich unverhohlen an, während ich bald nicht mehr weiß, wohin ich schauen soll. So viele nackte Männer, denen dies nicht einmal bewußt ist, habe ich noch nie gesehen. Die schlanken, graziösen Körper glänzen wunderschön in der Morgensonne.

Da ich nicht recht weiß, wie ich mich in dieser ungewohnten Situation verhalten soll, schlendere ich weiter und setze mich nach ein paar Metern an das spärlich fließende Wasser, um die Füße zu waschen. Lketinga tritt zu mir und meint:

„Corinne, come, here is not good for lady!“

Wir gehen um eine weitere Biegung des Flußbettes, bis wir nicht mehr gesehen werden können. Hier entblättert er sich und wäscht sich. Als auch ich al es ausziehen möchte, schaut er mich erschrocken an. „No, Corinne, this is not good!“

„Warum?“ frage ich. „Wie sol ich mich waschen, wenn ich mein T-Shirt und den Rock nicht ausziehen kann?“ Er erklärt mir, daß ich die Beine nicht entblößen dürfe, das sei unsittlich. Wir debattieren, und schließlich knie ich doch nackt am Fluß und wasche mich gründlich. Lketinga seift mir den Rücken und die Haare ein, dabei blickt er ständig um sich, ob uns wirklich niemand beobachtet.

Das Waschritual dauert etwa zwei Stunden, dann gehen wir zurück. Am River herrscht jetzt heftiges Treiben. Mehrere Frauen waschen sich Kopf und Füße, andere graben Löcher, damit sie die Ziegen tränken können, und wieder andere schöpfen geduldig ihre Behälter voll Wasser. Auch Lketinga stellt seinen kleinen Wasserkanister hin, den ihm sofort ein Mädchen füllt.

Dann schlendern wir durch das Dorf, weil ich die Geschäfte besichtigen wil. Es gibt drei viereckige Lehmhüttchen, die Geschäfte sein sollen. Lketinga spricht mit den jeweiligen Besitzern, die al e Somalis sind. Überall schütteln sie den Kopf. Es gibt nichts zu kaufen außer etwas Teepulver oder Kimbo-Fettbüchsen. Beim größten finden wir noch ein Kilogramm Reis. Als er es uns einpacken will, entdecke ich, daß der Reis voller kleiner schwarzer Käferchen ist. „O no“, sage ich, „I don't want this!“

Er bedauert und nimmt ihn zurück. Wir haben also nichts zu essen.

Unter einem Baum sitzen mehrere Frauen und bieten Kuhmilch aus ihren Kalebassen zum Verkauf an. Also kaufen wir wenigstens Milch. Für wenige Münzen nehmen wir zwei gefüllte Kalebassen, etwa einen Liter, mit nach Hause. Die Mama freut sich über so viel Milch. Wir kochen Chai, und Saguna erhält eine ganze Tasse voll Milch. Sie ist glücklich.

Lketinga und die Mama besprechen die mißliche Lage. Ich wundere mich wirklich, wovon sich die Leute ernähren. Ab und zu gibt es ein Kilo Maismehl von der Mission für alte Frauen, aber auch von dort ist vorläufig nichts zu erwarten. Lketinga beschließt, am Abend eine Ziege zu schlachten, sobald die Herde nach Hause kommt. Überwältigt von al dem Neuen, verspüre ich noch keinen Hunger.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir in der Manyatta, da sich die Mutter unter dem großen Baum mit anderen Frauen unterhält. Endlich können wir uns lieben.

Vorsichtshalber behalte ich meine Kleider an, immerhin ist es Tag und jederzeit kann jemand in die Hütte kommen. Den kurzen Liebesakt vol ziehen wir an diesem Nachmittag mehrere Male. Es ist ungewohnt für mich, daß al es immer so schnell vorbei ist und andererseits nach nur kurzer Pause wieder beginnt. Aber es stört mich nicht, ich vermisse nichts. Ich bin glücklich, bei Lketinga zu sein.

Abends kommen die Ziegen nach Hause und mit ihnen auch Lketingas älterer Bruder, Sagunas Vater. Zwischen ihm und der Mutter entwickelt sich ein heftiges Gespräch, wobei er mich ab und zu wild mustert. Später erkundige ich mich bei Lketinga. Ausführlich versucht er mir zu erzählen, sein Bruder mache sich nur große Sorgen um meine Gesundheit. Es würde sicher nicht lange dauern, bis der District-Chief herkäme und wissen wolle, warum eine weiße Frau in dieser Hütte lebe, das sei doch nicht normal.

In zwei bis drei Tagen wüßten in der gesamten Region alle Menschen, daß ich hier sei, und würden herkommen. Wenn mir etwas passiere, käme gar die Polizei, und das sei noch nie in der ganzen Geschichte der Leparmorijos, das ist ihr Familienname, vorgekommen. Ich beruhige Lketinga und versichere ihm, daß mit mir und meinem Paß al es in Ordnung sei, falls der Chief käme. Bis jetzt war ich in meinem ganzen Leben noch nie ernsthaft krank. Schließlich gehen wir ja jetzt eine Ziege essen, und ich werde mich bemühen, viel zu verzehren.

Sobald es dunkel ist, ziehen wir zu dritt los, Lketinga, sein Bruder und ich. Lketinga hat eine Ziege im Schlepptau. Wir gehen etwa einen Kilometer vom Dorf entfernt in den Busch, da Lketinga nicht in der Hütte von Mama essen darf, wenn sie anwesend ist. Mich akzeptiert man notgedrungen, weil ich eine Weiße bin. Was denn Mama und Saguna sowie deren Mutter essen würden, frage ich. Lketinga lacht und erklärt, gewisse Stücke seien für die Frauen und würden nicht von Männern gegessen.

Diese und alles, was wir nicht äßen, brächten wir Mama nach Hause. Sie sei, wenn es Fleisch gäbe, bis spät in die Nacht wach, sogar Saguna würde wieder geweckt.

Ich bin beruhigt, obwohl ich ständig zweifle, ob ich alles richtig verstehe, denn unsere Verständigung in Englisch, gemischt mit Massai sowie Händen und Füßen, ist immer noch sehr spärlich.

Endlich sind wir am geeigneten Platz angelangt. Es wird Holz gesucht, und grüne Äste werden von einem Busch geschlagen. Sie werden auf dem sandigen Boden zu einer Art Bett gebüschelt. Dann packt Lketinga die meckernde Ziege an den Vorder-und Hinterbeinen und legt sie seitwärts auf das Grünbett. Sein Bruder hält den Kopf und erstickt das arme Tier, indem er ihm Nase und Mund zudrückt. Es zappelt kurz und heftig und schaut bald starr und reglos in die sternenklare Nacht. Notgedrungen muß ich alles aus nächster Nähe mit ansehen, da ich hier im Dunkeln nicht weggehen kann. Etwas empört frage ich, warum man der Ziege nicht die Kehle durchschneidet, statt sie so grausam zu ersticken. Die Antwort ist kurz. Bei den Samburus darf kein Blut fließen, bevor das Tier tot ist, das sei schon immer so gewesen.

Jetzt wohne ich zum ersten Mal der Zerlegung eines Tieres bei. Am Hals wird ein Schnitt gemacht, und während der Bruder am Fel zieht, entsteht eine Art Mulde, die sich sofort mit Blut füllt. Angeekelt schaue ich zu und wundere mich, als sich Lketinga tatsächlich über diese Blutlache beugt und mehrere Schlucke daraus schlürft. Sein Bruder macht dasselbe. Ich bin entsetzt, sage jedoch kein Wort.

Lachend zeigt Lketinga auf die Öffnung: „Corinne, you like blood, make very strong!“

Verneinend schüttle ich den Kopf.

Dann geht alles recht schnel. Der Ziege wird das Fell gekonnt abgezogen. Der Kopf und die abgetrennten Füße werden auf das Blätterbett geworfen. Schon folgt der nächste Schock. Der Bauch wird vorsichtig geöffnet, und eine schrecklich stinkende, grüne Masse leert sich über dem Boden aus. Das ist der volle Magen.

Mein Appetit ist ganz und gar vergangen. Der Bruder zerteilt weiter, während mein Massai das Feuer geduldig anbläst. Nach einer Stunde ist es soweit, daß man die zerstückelten Fleischteile auf die zu einer Art Pyramide geformten Stecken legen kann. Die Rippen am Stück kommen zuerst darauf, weil sie weniger lange brauchen als die Hinterbeine. Der Kopf und die Füße liegen direkt im Feuer.


Das Ganze sieht ziemlich grausig aus, doch ich weiß, daß ich mich daran gewöhnen muß. Nach kurzer Zeit werden die Rippen vom Feuer geholt, und nach und nach wird der Rest der Ziege gegrillt. Lketinga schneidet mit seinem Buschmesser eine Hälfte der Rippen ab und streckt sie mir entgegen. Tapfer greife ich zu und knabbere an ihnen. Mit etwas Salz wäre es wahrscheinlich schmackhafter. Während ich Mühe habe, das zähe Fleisch von den Knochen zu beißen, schmatzen Lketinga und sein Bruder geübt und schnell. Die abgenagten Knochen fliegen nach hinten in den Busch, in dem es kurz darauf raschelt. Wer sich die Reste holt, weiß ich nicht. Aber wenn Lketinga bei mir ist, kenne ich keine Angst.

Die beiden schneiden sich nun schichtweise durch das erste Hinterbein, wobei sie es immer wieder auf das Feuer zurücklegen, um es weiter durchzugrillen. Der Bruder fragt mich, ob es mir schmeckt. Ich antworte: „O yes, it's very good!“

und nage weiter. Schließlich muß ich ja auch mal etwas im Magen haben, wenn ich nicht in kurzer Zeit selber ein Knochengestell werden will. Endlich bin ich durch, und meine Zähne schmerzen. Lketinga greift zum Feuer und reicht mir ein ganzes Vorderbein. Fragend schaue ich ihn an: „For me?“ „Yes, this is only for you.“

Aber mein Magen ist vol. Ich mag einfach nicht mehr. Sie wollen es kaum glauben und meinen, ich sei noch keine richtige Samburu. „You take home and eat tomorrow“,

sagt Lketinga gutmütig. Nun sitze ich nur noch da und schaue ihnen zu, wie sie Kilo um Kilo verschlingen.

Als die beiden endlich satt sind, packen sie die restlichen Ziegenteile mit al en Innereien, Kopf und Füßen in das Fell ein, und wir marschieren zur Manyatta zurück.

Ich trage mein „Frühstück“ nach Hause. Im Kral herrscht nächtliche Stil e. Wir kriechen in unsere Hütte, und Mama erhebt sich sofort von ihrer Schlafstelle. Die Männer geben ihr das übrig gebliebene Fleisch. Sehen kann ich fast nichts außer rötlich schimmernder Glut in der Feuerstelle.

Der Bruder verläßt uns und bringt Fleisch zur Manyatta seiner Frau. Mama stochert in der Glut und bläst vorsichtig hinein, um das Feuer erneut zu entfachen.

Natürlich gelingt es nicht ohne Rauch, und ich huste wieder kräftig. Dann lodert eine Flamme, und es ist hell und gemütlich in der Hütte. Mama macht sich über ein Stück gegrilltes Fleisch her und weckt Saguna. Ich staune, wie dieses kleine Mädchen, aus dem Tiefschlaf gerissen, sich gierig das dargebotene Fleisch schnappt und mit einem Messer kleine Stücke davon direkt neben dem Mund abschneidet.

Während die beiden essen, kocht das Wasser für den Chai. Lketinga und ich trinken Tee. Mein Ziegenhinterbein hängt über meinem Kopf im Deckengeäst der Hütte. Kaum ist der einzige Topf vom Tee geleert, wirft Mama klein geschnittene Fleischstücke hinein und brät sie knusprig braun. Anschließend füllt sie diese in leere Kalebassen. Ich versuche zu erfahren, was sie macht. Lketinga erklärt, daß sie so das Fleisch mehrere Tage konserviert. Mama werde al e Reste kochen, sonst kämen morgen viele Frauen hierher, mit denen sie teilen müsse, und wir hätten wieder nichts. Der Ziegenkopf, der durch die Asche völlig schwarz ist, soll besonders gut sein, den bewahre sie für morgen auf.

Das Feuer ist heruntergebrannt, und Lketinga und ich versuchen zu schlafen. Er legt seinen Kopf immer auf ein dreibeiniges, geschnitztes Holzböckchen von etwa zehn Zentimeter Höhe, damit seine langen roten Haare sich nicht verzausen und nicht alles verfärben. In Mombasa hatte er dieses Gestel nicht und band deshalb seine Haare in eine Art Kopftuch. Mir ist es ein Rätsel, wie man mit gestrecktem Kopf auf so etwas Hartem gut schlafen kann. Doch für ihn scheint es kein Problem zu sein, denn er schläft bereits. Mir dagegen bereitet das Schlafen auch in der zweiten Nacht noch Schwierigkeiten. Es ist sehr hart am Boden, und Mama ißt immer noch genüßlich, was nicht zu überhören ist. Ab und zu schwirren lästige Moskitos um meinen Kopf.

Das Meckern der Ziegen und ein seltsames Rauschen wecken mich am Morgen.

Ich spähe durch den Eingang und sehe Mamas Rock. Zwischen ihren Beinen ergießt sich ein rauschender Bach. Offensichtlich pinkeln die Frauen im Stehen, während die Männer sich für diesen Zweck zwanglos niederkauern, wie ich bei Lketinga bemerkt habe. Als das Rauschen verklingt, krieche ich aus der Hütte und verrichte ebenfalls mein Pippi, indem ich mich hinter unsere Manyatta kauere. Dann schlendere ich zu den Ziegen und schaue Mama beim Melken zu. Nach dem üblichen Chai ziehen wir wieder an den River und bringen fünf Liter Wasser mit.

Als wir zurückkommen, sitzen in der Manyatta drei Frauen, die sofort die Hütte verlassen, als sie Lketinga und mich erblicken. Mama ist verärgert, weil anscheinend schon vorher andere da waren und sie nun kein Teepulver, keinen Zucker und keinen Tropfen Wasser mehr im Hause hat. Zur Gastfreundschaft gehört, daß jedem Besucher Tee oder zumindest eine Tasse Wasser angeboten wird. Alle fragten sie über die Weiße aus. Vorher sei sie nicht interessant gewesen, jetzt sollten sie sie auch in Ruhe lassen. Ich schlage Lketinga vor, in einem der Läden wenigstens Teepulver zu beschaffen. Bei unserer Rückkehr hocken mehrere alte Menschen vor der Manyatta im Schatten. Dabei zeigen sie unendliche Geduld. Stundenlang hocken sie da, warten und unterhalten sich, wohlwissend, daß die Mzungu auch mal essen wird und die Gastfreundschaft es nicht erlaubt, die Alten auszuschließen.

Lketinga will mir die Gegend zeigen, da er sich als Krieger nicht wohl fühlt unter so vielen verheirateten Frauen und älteren Männern. Wir marschieren quer durch den Busch. Lketinga nennt mir die Namen von Pflanzen und Tieren, die wir sehen. Die Gegend ist ausgetrocknet, und der Boden besteht entweder aus roter, steinharter Erde oder aus Sand. Die Erde ist zerklüftet, und manchmal durchqueren wir richtige Krater. Bei der Hitze verspüre ich nach kurzer Zeit Durst. Doch Lketinga meint, je mehr Wasser ich trinke, desto durstiger würde ich. Er schneidet von einem Busch zwei Holzstücke ab, steckt sich eines in den Mund und reicht mir das andere. Das sei gut zum Zähneputzen und nehme gleichzeitig das Durstgefühl.

Ab und zu bleibt mein weiter Baumwollrock am dornigen Gebüsch hängen. Nach einer weiteren Stunde bin ich völlig verschwitzt und will nun doch etwas trinken. Also gehen wir zum River, den man schon von weitem erkennt, weil dort die Bäume größer und grüner sind. Im ausgetrockneten Flußbett suche ich vergebens nach Wasser. Wir laufen eine Weile am Flußbett entlang, bis wir aus einiger Entfernung mehrere Affen erblicken, die erschrocken über die Felsen davonspringen. Genau bei diesen Felsen gräbt Lketinga ein Loch in den Sand. Nach nur kurzer Zeit wird der Sand dunkler und feucht. Bald bildet sich die erste Wasserpfütze, die mit der Zeit immer klarer wird. Der Durst wird gelöscht, und wir machen uns auf den Heimweg.

Der Rest des Ziegenbeines ist meine Abendmahlzeit. Im Halbdunkel unterhalten wir uns, so gut es geht. Mama will viel von meinem Land und meiner Familie wissen.

Manchmal lachen wir über unsere Verständigungsprobleme. Saguna schläft wie üblich dicht an Mama gepreßt. Allmählich hat sie sich an meine Anwesenheit gewöhnt, doch anfassen läßt sie sich noch nicht von mir. Nach neun Uhr versuchen wir bereits zu schlafen. Das T-Shirt behalte ich an, nur den Rock lege ich unter meinen Kopf als Kissen. Als Zudecke benütze ich einen dünnen Kanga, der mich allerdings nicht vor der Morgenkälte schützt.

Am vierten Tag ziehe ich mit Lketinga los, um den ganzen Tag die Ziegen zu hüten. Ich bin sehr stolz, mitgehen zu dürfen, und freue mich. Es ist nicht einfach, alle beisammen zu halten. Wenn wir anderen Ziegengruppen begegnen, staune ich, wie sogar die Kinder jedes einzelne Tier erkennen, das zu ihnen gehört. Immerhin sind es meistens fünfzig Tiere oder mehr. Man läuft gelassen Kilometer um Kilometer, und die Ziegen knabbern die ohnehin fast kahlen Büsche ab. Um die Mittagszeit werden sie an den Fluß gebracht, um Wasser zu trinken, und dann geht es weiter. Auch wir trinken dieses Wasser. Es ist unsere einzige Nahrung an diesem Tag. Gegen Abend kehren wir nach Hause zurück. Völ ig erschöpft und verbrannt von der sengenden Sonne denke ich: Einmal und nie wieder! Ich bewundere die Menschen, die dies Tag für Tag, ja ihr ganzes Leben lang betreiben. Bei der Manyatta werde ich freudig von der Mama, dem älteren Bruder und dessen Frau empfangen. Am Gespräch zwischen ihnen merke ich, daß ich an Ansehen gewonnen habe. Sie sind stolz, daß ich das geschafft habe. Zum ersten Mal schlafe ich tief und fest bis spät in den Morgen.

Mit einem frischen Baumwollrock krieche ich aus der Manyatta. Die Mama staunt und fragt, wie viele ich denn besitze. Ich zeige vier Finger, und sie meint, ob ich ihr nicht einen abtreten könne. Sie besitzt nur den, den sie schon seit Jahren trägt. Den Löchern und dem Schmutz nach ist das leicht zu glauben. Nur sind ihr meine viel zu lang und zu eng. Ich verspreche ihr, einen von der nächsten Safari mitzubringen. Für Schweizer Verhältnisse besitze ich wirklich nicht mehr viele Kleider, aber hier kommt man sich mit vier Röcken und etwa zehn T-Shirts fast unverschämt vor.

Heute will ich meine Wäsche im spärlichen Flußwasser waschen. Deshalb gehen wir in einen Shop und kaufen Omo. Dieses einzige Waschmittel, das man in Kenia kaufen kann, wird auch zur Körperpflege und zum Haarewaschen benutzt. Es ist nicht einfach, mit wenig Wasser und viel Sand die Kleider zu waschen. Lketinga hilft mir sogar, wobei er von den anwesenden Mädchen und Frauen kichernd beobachtet wird. Dafür, daß er sich meinetwegen bloßstellt, liebe ich ihn noch mehr. Männer verrichten nahezu keine Arbeit, schon gar nicht Frauenarbeit, wie Wasser holen, Brennholz suchen oder eben Kleiderwaschen. Nur ihren eigenen Kanga waschen sie meistens selbst.

Am Nachmittag beschließe ich, bei der „pompösen“ Mission vorbeizuschauen, um mich vorzustel en. Ein grimmig bis erstaunt aussehender Missionspater öffnet die Türe. „Yes?“ Ich krame mein bestes Englisch hervor, um zu erklären, daß ich hier in Barsaloi bleiben möchte und mit einem Samburu-Mann zusammenlebe. Etwas abweisend schaut er mich an und sagt mit italienischem Akzent: „Yes, and now?“

Ich frage ihn, ob es möglich sei, ab und zu mit ihm nach Maralal zu fahren, um Eßwaren zu besorgen. Kühl erwidert er, daß er nie im voraus wisse, wann er Maralal aufsuche. Abgesehen davon sei er zuständig, kranke Menschen zu transportieren, aber nicht dafür, Einkaufsmöglichkeiten zu bieten. Er streckt mir seine Hand entgegen und verabschiedet mich kühl mit den Worten: „I’m Pater Giuliano, arrivederci.“

Benommen von dieser Abfuhr stehe ich vor der geschlossenen Tür und versuche, meine erste Begegnung mit einem Missionar zu verdauen. Wut steigt in mir auf, und ich schäme mich, weiß zu sein. Langsam gehe ich zurück zur Manyatta und zu meinem armen Volk, das bereit ist, das wenige mit mir zu teilen, obwohl ich für sie völlig fremd bin.

Meine Erlebnisse erzähle ich Lketinga. Er lacht und meint, diese zwei Missionare seien nicht gut. Der zweite, Pater Roberto, sei aber entgegenkommender. Ihre Vorgänger hätten sie besser unterstützt und in einer solchen Hungersnot immer wieder Maismehl verteilt. Diese hier würden zu lange warten. Die Abfuhr des Paters stimmt mich traurig. Anscheinend kann ich auf eine Mitfahrgelegenheit nicht hoffen.

Und betteln will ich nicht.

Die Tage verstreichen in gleichmäßigem Rhythmus. Die einzige Abwechslung sind die verschiedenen Besucher in der Manyatta. Mal sind es Alte, mal Krieger derselben Altersgruppe, wobei ich meist stundenlang zuhören muß, um wenigstens ab und zu ein Wort zu verstehen.

Ende des 1. Bandes

Es folgt Band 2

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