Obwohl es sich um die Yaxa-Botschaft handelte, waren nur zwei der Techniker, die sich um die Tische drängten, auch wirklich Yaxa. Ein Wuckl war anwesend und neben ihm mehrere andere Wesen, die den Yaxa zumindest neutral gegenüberstanden, wenn nicht sogar freundlich.
Ein großer Minotaurus blieb an der Tür stehen und betrachtete kurz das überall sichtbare Symbol. Im Gegensatz zu seinem Heimat-Hex Dasheen, das ein übliches Sechseck-Symbol verwendete, benützten die Yaxa ein Ideogramm, das er zuerst mit einem stilisierten Flügelpaar verwechselte. Dann wurde ihm klar, daß er sich irrte. Yaxa war ein Staat an der Äquator-Barriere. Er bestand aus einer Hex-Hälfte, die horizontal gespalten, und einer Hex-Hälfte, die vertikal gespalten war. Nur vierundzwanzig Hexagons dieser Art gab es auf beiden Seiten der Barriere. Die ›Flügel‹ waren in Wahrheit zwei aneinandergefügte Hex-Hälften.
Eine Yaxa kam im Korridor heran, als er ins Zimmer spähte.
»Mr. Yulin?«sagte sie.
Der Minotaurus drehte sich um und nickte mit seinem mächtigen Schädel.
»Ja. Ich habe Ihre Nachricht erhalten und bin gekommen, so schnell ich konnte. Was geht hier vor?«
»Ich bin Botschafterin Windsweep«, erwiderte die Yaxa, ihren offiziellen Spitznamen nennend. »Die beiden Wesen sind Mavra Tschang und ihr männlicher Begleiter. Wir nehmen kleinere Eingriffe vor, um es allen etwas leichter zu machen.«
»Tschang? Wozu die Mühe?«sagte Yulin betroffen. »Wenn Sie sie haben, so beseitigen Sie sie doch, dann haben wir freie Bahn.«
Die Yaxa schien zu seufzen.
»Mr. Yulin, ich möchte Sie daran erinnern, daß wir vor einer Reihe von Problemen stehen. Erstens müssen wir das Schiff im Norden erreichen. Zweitens müssen wir auf die Bozog vertrauen, daß sie das Schiff auf irgendeine Weise von den Uchjin abziehen und eine geeignete Startplattform errichten. Drittens müssen wir, sobald das Raumschiff fliegt, uns Ihrem Planetoiden Neu-Pompeii durch Antor Treligs Roboterstationen nähern. Mr. Yulin, wie lautet das heutige Kennwort für die Killerstationen?«
Er sah sie erstaunt an.
»Ich — ich bin mir nicht sicher«, gab er zu. »Wir hatten eigentlich vor, sie auf einem Schnellband allesamt abzuspielen.«
»Was ist, wenn die Roboter nur auf langsame Sprache programmiert sind?«fragte die Botschafterin. »Wir haben, wie Sie selbst sagen, nur dreißig Sekunden Zeit, das Codewort zu nennen. Wenn das mit dem Tonband nicht klappt, sind wir erledigt.«
Der Gedanke gefiel ihm nicht, weil er der Wahrheit entsprach.
»Und?«
»Mavra Tschang war als Gast auf Neu-Pompeii, nicht wahr? Sie ist vorher nie dort gewesen?«
»Das ist richtig«, erwiderte Ben Yulin. »Kommen Sie zur Sache.«
»Und trotzdem hat Tschang ein Raumschiff entwendet — was noch im Bereich des Möglichen lag —, um dann ohne jede Schwierigkeit an den Roboterstationen vorbeizufliegen. Wie hat sie das gemacht, Mr. Yulin?«
Er hatte schon tausendmal darüber nachgedacht.
»Ich möchte das selbst gern genau wissen«, erwiderte er. »Ich vermute, daß der Computer ihr die Codewörter gegeben hat, als wir sie durchlaufen ließen. Aber schätzungsweise war es doch nur das Codewort für diesen einen Tag. Sie werden täglich geändert, das wissen Sie.«
Die Yaxa senkte ein wenig den Kopf.
»Aber Trelig hat den Code benützt, als Sie starteten, und das war einen Tag nach Mavra Tschang. Sie haben ihn nicht gehört, weil Sie vollauf mit der Steuerung beschäftigt waren, das hat die Tiefenhypnose bewiesen. Die einzigen Codewörter, die also bekannt sind, gelten für den Tag und die Zeit, als Mavra Tschang abflog, nicht wahr?«
»Richtig«, sagte er.
»Von Ihnen wissen wir ferner, daß es einundfünfzig Codeausdrücke gibt. Aber nur einer gilt jeweils für einen bestimmten Tag? Der Wechsel erfolgt täglich. Selbst nach zweiundzwanzig Jahren können wir mit dem Tag von Mavra Tschangs Flucht beginnen und berechnen, an welchem Tag es nun wieder fällig sein wird. Wir kennen den Standard-Kom-Kalender. Wenn wir uns den Zeitpunkt des Anflugs aussuchen, können wir die Gewißheit erlangen, auch durchzukommen. Verstehen Sie?«
Yulin behagte dieser Gedankengang nicht. Solange er der einzige Pilot war, führte er das alleinige Kommando. Mavra Tschang war eine Bedrohung für seine Macht, eine Unbekannte in der Gleichung, weil er nicht wußte, was der Computer ihr sonst noch eingegeben hatte. Er wollte sie nicht wieder auf Neu-Pompeii haben, soviel stand fest.
»Aber Sie können die Codewörter in Tiefenhypnose einfach aus ihr herausholen«, wandte er ein.
»Wir haben es versucht«, erwiderte die Yaxa. »Wie Ortega auch. Es geht nicht. Was durch Obies Einwirken auch in ihrem Gehirn liegen mag, es ist nur in der jeweiligen Situation zugänglich. Sie erinnert sich nicht daran, bis sie es braucht, und es ist für uns ebenso blockiert wie für sie.«
Das stimmte nur zum Teil. In Wahrheit empfanden die Yaxa kein Vertrauen zu Ben Yulin, und sie wollten über ein Druckmittel verfügen. Sie kannten die Codewörter sogar, weil Mavra sie bei der Flucht bewußt ausgesprochen hatte. Blockiert war der Rest der programmierten Informationen.
Zu Yulins grundlegender Amoralität kam, daß seine neue Kultur ausschließlich von Männern beherrscht wurde; die Frauen leisteten die Arbeit, die Männer hatten den Gewinn davon. Die Yaxa-Gesellschaft war das Gegenstück dazu, und mehr; im Grunde waren die Yaxa-Männchen Sexmaschinen, die nach dem Akt von ihren Partnerinnen getötet und gefressen wurden. Für eine rein weibliche Gesellschaft war Mavra Tschangs zusätzliches Wissen vertrauenswürdiger.
Yulin fand sich widerwillig mit der Situation ab.
»Also gut, dann kommt sie mit. Und was hat das alles zu bedeuten?«Er wies auf die Operationstische.
»Tschang und ihr Begleiter sind von den Wuckl chirurgisch verändert worden, damit sie wie Schweine aussehen«, erklärte die Yaxa. »Der Grund ist unwichtig. Wir haben aber zahlreiche Probleme zu lösen: Schutzanzüge lassen sich nicht so leicht umkonstruieren, es müssen wieder Stimmbänder eingesetzt werden. Der Wuckl, der die Eingriffe seinerzeit vorgenommen hat, und fünf Chirurgen aus den fortgeschrittensten Hexagons beschäftigen sich mit ihnen. Die Leute haben viel Geld gekostet. Ihre Fähigkeiten sind teilweise unglaublich.«
»Sie wollen sagen, daß Sie sie zurückverwandeln?«stieß Yulin fassungslos hervor. »Donnerwetter! Ich hätte gedacht, daß das unmöglich sei!«
»Kosmetik ist einfach«, erklärte Botschafterin Windsweep. »Sie in der Form den Raumanzügen anzupassen, die wir haben, ist schwieriger. Ich glaube, Sie werden verblüfft sein.«
Yulin hob resigniert die Schultern. Ihm wäre es lieber gewesen, sie auf den Operationstischen sterben zu sehen.
Sie betraten das Büro der Botschafterin, und der Minotaurus ließ sich auf den riesigen Sessel nieder, der für ihn bereitstand.
»Wie sieht der Zeitplan aus?«fragte er.
»Wir haben uns bereits mit dem Torshind in Verbindung gesetzt«, erwiderte die Botschafterin. »Man wird in zwei Tagen soweit sein. Bis dahin sollten unsere Gefangenen sich erholt haben. Unsere gesamte Ausrüstung ist bereits hier, und alle großen Anlagen sind vom Torshind und seinen Gehilfen schon nach Yugash verbracht worden.«Ein Greifarm schob sich auf den Tisch und griff nach einem Plastikzylinder mit einer hellen Flüssigkeit. »So werden Sie überleben. Vier Kühe mitzunehmen, nur damit Sie mit dem Kalzium und der Laktose versorgt sind, die Sie brauchen, würde ungeheure Kosten verursachen. Damit sind Sie befreit davon.«
Yulin betrachtete den Zylinder unsicher.
»Wieviel haben Sie davon?«fragte er nervös.
»Sie brauchen am Tag nur eine kleine Menge«, sagte Windsweep. »Wir haben einen Vorrat für drei Monate. Selbst dann kämen Sie noch weitere zwei Monate ohne die Stoffe aus. Wenn wir bis dahin nicht am Ziel sind, werden wir tot sein.«
Yulin starrte den Zylinder an und hoffte, daß die Botschafterin recht hatte.
»Sie können immer noch den Rückzug antreten, wissen Sie«, sagte die Yaxa. »Wir wollen Sie schließlich nicht zwingen, obwohl wir Sie brauchen, um Zugang zum Computer zu erlangen.«
Der Minotaurus hob die Hände.
»Sie wissen es besser«, sagte er niedergeschlagen.
Die Chirurgen hatten mehrere Probleme zu bewältigen. Die kosmetischen Veränderungen waren natürlich leicht zu beheben, aber nicht die Beine, die in keinen vorhandenen Druckanzue paßten. Obwohl die Yaxa Anzüge für ihre alte Form gebaut hatten, wurden diese jetzt als ungeeignet betrachtet, weil die Gliedmaßen der Schweine völlig anders geartet waren. Sie in irgendeiner Weise in ihre ursprüngliche Form zurückzuverwandeln, hätte bedeutet, daß sie klein, schwach, langsam waren und mit den Augen zu Boden blickten. Das wäre eine schwere Belastung für die Expedition gewesen.
Darum ging es also. Unterstellt, daß Mavra in die Falle gelockt und Joshi als Geisel genommen werden konnte, was war mit ihnen zu tun, damit sie während der Reise nützlich waren und in einen Raumanzug von jemandem paßten, der von den Sternen aus in ein Schacht-Tor gefallen war oder auch auf eine verlassene markovische Welt, um in Zone zu landen?
Das Anzugproblem war akut. Obwohl Dutzende von Rassen in letzter Zeit in den Weltraum gelangt waren, hatten viel mehr es nicht geschafft. Es gab Grenzen. Das Problem blieb bestehen, bis die Yaxa selbst eine Lösung vorschlugen.
Über zwei Jahrhunderte vorher war der nahezu legendäre Nathan Brazil — vielleicht der letzte lebende Markovier — auf der Sechseck-Welt gewesen. Nur wenige, die das erlebt hatten, waren noch am Leben, und man hatte sich viel Mühe gegeben, zu verbreiten, er sei eine Legende und nicht mehr. Die meisten dieser Zeugen standen auf Ortegas Seite, der selbst dabeigewesen war.
Aber ein Zeuge befand sich auf der Seite der Yaxa, und das war alles, was man brauchte.
Im fernen Murithel, wo die wilden Murnies lebten, die lebendiges Fleisch aßen, war Brazils Körper über jede Wiederherstellung hinaus zerschmettert worden, und die Murnies hatten sein Bewußtsein auf irgendeine Weise in den Körper eines Riesenhirsches verpflanzt.
Andere kannten das Verfahren, auch wenn sie es nicht studierten konnten, weil die Murnies dazu neigten, jeden zuerst zu fressen und erst nachher höfliche Fragen zu stellen. Immerhin, es war geschehen, und mindestens zwei andere Rassen im Norden wußten davon.
Eine Yaxa steckte den Kopf zur Tür herein.
»Die Cuzicol sind hier«, sagte sie.
Die Cuzicol stammten aus dem Norden und trieben Handel mit den Yaxa.
Ein seltsames Wesen, wie eine metallische, gelbe Blume mit Hunderten scharfer Dornen, stand auf spindeldürren Beinen. In der gelben Scheibe, die sein Kopf war, leuchteten mehrere rubinrote Stellen auf, als es zu sprechen begann.
»Bringt das erste Geschöpf herein!«befahl es.
Die anderen wollten mithelfen, und zwar begierig. Jeder von ihnen hätte seine Seele verkauft — wenn er an so etwas glaubte —, nur um an dieser Operation teilnehmen zu können, welche die meisten gar nicht für möglich hielten, denn sie unterstellte praktisch die Existenz von etwas nicht Greifbarem, aber doch Realem und Übertragbarem. Und sie wurden Zeuge, zweimal hintereinander, der Übertragung in ein Tier, zum Teil chirurgisch, zum Teil mystisch. Es war nicht die Methode, welche die Murnies angewandt hatten, und sie hing von weit mehr ab als von technischen Fähigkeiten, aber sie war erfolgreich.
Und alle waren sich darin einig, daß die beiden Erfordernisse von Raumanzug und Nützlichkeit für die Expedition erfüllt waren, während nur geringe Störungen in den Gewohnheiten der Betroffenen beobachtet wurden. Sie waren daran gewöhnt, vierbeinige Huftiere zu sein, und würden es bleiben.
Die Geschicklichkeit des Wuckl sorgte für die Konstruktion von Kehlköpfen für beide und die Einpflanzung eines Übersetzerkristalls in Joshi. Ihre Stimmen würden geringe Schwingung und einen etwas künstlichen Klang haben, doch sie würden ausreichen. Das einzige, was der Übersetzer benötigte, war modulationsfähiges Material.
Mavra Tschang erwachte. Das letzte, woran sie sich erinnerte, war die Flucht über die Salzebene vor ihren Rettern, als vier mächtige Fangarme sich plötzlich um sie und zwei andere Paare um Joshi geschlungen hatten, um sie in die Luft zu reißen. Sie hatte einen Stich verspürt und war bewußtlos geworden.
Nun befand sie sich in einem Zimmer. Es war entschieden für Wesen anderer Art gedacht, als sie sie kannte — es gab seltsame Polster, merkwürdiges Mobiliar und unbegreifliches Gerät.
Sie war immer noch kurzsichtig und dazu auch noch farbenblind geworden. Das beunruhigte sie, mehr als der geringe Fischaugeneffekt, den sie bemerkte. Sie hatte Freude an Farben gehabt, und nun war sie ihr genommen worden.
Sie wußte, daß man sie wieder verwandelt hatte. Das ließ sich schon an der veränderten Wahrnehmung erkennen und auch daran, daß Größe und Sichtwinkel sich geändert hatten.
Für jemanden, der nie durch den Schacht der Seelen gegangen, nie von dieser gigantischen Maschine zu einem Geschöpf dieser Welt gemacht worden war, hatte sie mehr Erscheinungsformen angenommen als irgend jemand anderer auf der Sechseck-Welt.
Was immer sie sein mochte, sie hatte eine ziemlich lange Schnauze. Ihre Augen lagen weit zurück und ließen das deutlich erkennen. Sie versuchte sich zu bewegen und stellte fest, daß ihre vier Beine angekettet waren.
Ein Geräusch in der Nähe erregte ihre Aufmerksamkeit. Als sie den Kopf drehte, sah sie ein kleines Pferd, etwa so groß wie ein Shetland-Pony, von goldener Farbe, mit breiten, dicken, kraftvollen Beinen und Hufen. Das Tier hatte eine dichte Mähne, und zwischen den Ohren hing dichtes, gewelltes Haar bis fast zu den Augen herab.
»Joshi?«sagte sie zu sich selbst, aber sie sagte es laut.
Das andere Wesen regte sich.
»Mavra?«fragte eine seltsame, elektronisch-sonore Stimme.
»Joshi! Wir können wieder sprechen!«rief sie aufgeregt.
Er sah sie mit seinem Pferdekopf an.
»Jetzt sind wir also sprechende Pferde, wie?«sagte er mürrisch. »Was kommt danach? Schmeißfliegen?«
»Ach, hör doch auf«, meinte sie. »Wir sind nicht schlechter dran als vorher. Wir sind am Leben, wir sind gesund, wir sind zusammen.«
Das letzte schien ihm zu gefallen. Es war das erstemal, daß sie so etwas zu ihm gesagt hatte.
»Gut, gut«, gab er zurück. »Wer hat uns jetzt in der Hand? Das Ding auf dem Pferd oder der Schmetterling?«
Sie schaute sich um.
»Ganz sicher der Schmetterling. Warum und wozu, weiß ich noch nicht, aber wir werden es sicher bald erfahren.«
Sie unterhielten sich, mehr aus der Freude heraus, wieder dazu fähig zu sein, als zu einem bestimmten Zweck. Sie waren beide nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, wie sehr ihre Isolierung sie beeinträchtigt hatte.
Nach etwa einer halben Stunde glitt summend eine Tür zur Seite. Eine Yaxa kam herein. Sie sah in Schwarzweiß nicht weniger bedrohlich aus als vorher in Farbe.
»Ich stelle fest, Sie sind wach«, sagte sie kalt. »Ich bin Wooly. Sie wissen, wer Sie sind, und ich weiß es auch.«
»Was wird hier gespielt?«fragte Mavra scharf.
Woolys Totenkopf starrte sie an.
»Möchten Sie nach Neu-Pompeii zurück?«fragte sie.
Mavra stockte der Atem. Neu-Pompeii! Der Weltraum! Die Sterne! »Aber…… als Pferd bin ich eine tolle Pilotin!«ergänzte sie sarkastisch.
Woply zeigte keine Reaktion.
»Wir brauchen Sie nicht als Pilotin, allenfalls als Ersatzperson. Erinnern Sie sich an Ben Yulin?«
Mavra dachte kurz nach. Sie hatte von Yulin, dem jungen Wissenschaftler an Treligs Testkonsolen, wenig gesehen. Sie sah nicht einmal sein Bild vor sich. Sie hatte nur mit Trelig zu tun gehabt, nicht mit Yulin.
»Undeutlich«, erwiderte sie. »Ein Wissenschaftler, der für Trelig tätig war. Und? Ich weiß, ihr habt euch auf ihn verlassen, um nach den Kriegen vor über zwanzig Jahren nach Neu-Pompeii zu kommen. Das hat nicht geklappt, wie?«
Wooly ging nicht darauf ein.
»Wir haben Yulin, wir können in den Norden gelangen, wir können Neu-Pompeii erreichen, aber es wird nicht leicht sein. Sie sind unser Notsystem. Würden Sie einem ehemaligen Gehilfen von Antor Trelig trauen?«
Sie mußte zugeben, daß sie es nicht tun würde. Aber sie würde auch Mavra Tschang nicht trauen, die den Yaxa keine Treue schuldete.
»Es hat nicht vielmehr mit der Tatsache zu tun, daß Ortega mich nicht einsetzen kann, wenn ich bei euch bin?«fragte sie.
Die Fühler der Yaxa schwankten ein wenig.
»Das gehört mit dazu, ja. Wir könnten Sie aber auch töten, dann wäre das erledigt. Nein, wir brauchen Sie als Bremse gegenüber Yulin. Wir wollen noch jemanden haben, der Neu-Pompeii kennt, und wir brauchen jemanden, der dafür sorgen kann, daß er uns nicht hereinlegt. Die Geeignetste dazu, die wir finden können, sind Sie.«
»Aber warum Pferde?«warf Joshi gereizt ein.
»Verwandte von Pferden, ja«, sagte Wooly, »aber keine Pferde. Sie sind zum einen außerordentlich kräftig.«
»Damit wir helfen können, die Fracht zu schleppen«, erklärte Mavra. »Das ist mir klar.«
»Außerdem sind Ihre neuen Körper nicht strenge Pflanzenfresser. Ihre Gattung stammt aus Furgimos, einem Hex im Osten, und Sie können fast alles essen, wie vorher als Schweine. Sie vermögen sehr viel Wasser zu speichern. Zwei Wochen lang oder länger. Sie werden einsehen, daß die Reiseprobleme dadurch verringert werden.«
»Ich nehme an, wir haben einen weiten Weg vor uns, sobald wir im Norden sind«, sagte Mavra.
»Einen sehr langen. Zum einen können die erforderlichen Atemgeräte nur in halb-technischen oder hoch-technischen Hexagons verwendet werden, so daß der kürzeste Weg ausscheidet. Der kürzeste Weg unter Aussparung von nicht-technischen Hexagons kommt nicht in Frage, weil die Poorgl außerordentlich bösartige Hoch-tech-Wesen sind, die uns töten würden. Wir haben sieben Hexagons zu bewältigen.«
Die Pferde begannen nachzurechnen, aber Wooly sagte sofort:»Es sind insgesamt ungefähr 2400 Kilometer. Eine riesige Entfernung.«
Joshi war entsetzt.
»So weit im Norden! Ohne Luft, ohne Nahrung und Wasser, sofern wir nicht alles mitschleppen? Ausgeschlossen!«
»Nicht ausgeschlossen«, sagte die Yaxa. »Schwierig. Sie vergessen, daß wir sehr viel Zeit hatten, dieses Unternehmen vorzubereiten, auf diplomatischem wie auf logistischem Gebiet. Ungefähr tausend Kilometer davon werden hart werden. Auf den übrigen Strecken werden wir Transportmittel finden und von angelegten Stützpunkten Vorräte entnehmen können. Trotzdem, es wird schwer und gefährlich werden.«
»Und was ist mit uns?«fragte Mavra. »Wie sollen wir atmen, wie will man uns schützen?«
»Ich habe gesagt, daß es mehrere Gründe dafür gibt, warum Sie Pferde sind. Die Dillianer — Sie erinnern sich vielleicht, sie sind Zentauren — haben, in welchem Teil des Raumes ihre Kolonie auch begonnen hat, zur Raumfahrt gefunden. Wir haben zwei von den Anzügen und einen Ersatzanzug von Dillia-Neuzugängen beschafft und sie leicht umbauen können«, erklärte die Yaxa. »Sie sind für Pferdekörper gedacht, funktionieren aber in der Hauptsache wie die Ihrigen — unter Druck passen sie sich den Umrissen an. Alles ist vorbereitet.«
»Und wann beginnen wir mit der Expedition?«fragte Mavra.
»Morgen. Morgen früh«, erwiderte die Yaxa und entfernte sich. Die Tür schloß sich hinter ihr.
Sie standen minutenlang da und dachten nach. Plötzlich bemerkte Mavra, daß Joshi erregt mit dem Hinterteil wackelte.
»Was ist denn?«fragte sie. »Machst du dir Sorgen?«
»Das ist es nicht«, erwiderte er dumpf. »Mavra, würdest du zwischen meine Hinterbeine hineinsehen und mir sagen, was du sieht?«
Sie senkte den Kopf und tat es.
»Nichts«, sagte sie. »Warum?«
»Das dachte ich mir«, rief er klagend. »Verdammt, Mavra! Ich glaube, sie haben ein Pferdemädchen aus mir gemacht!«