Man kann das Gottesbild «als eine Spiegelung des Selbst erklären, oder umgekehrt, das Selbst als imago Dei in homine.» (Versuch einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas, 1948, in Ges. Werke XI, 2. Aufl. 1973, Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion, pag. 207.)

Hierosgamos. Heilige oder geistliche Hochzeit. Vereinigung archetypischer Figuren in den Wiedergeburtsmythen, antiken Mysterien, und auch in der Alchemie. Typische Beispiele sind die Darstellung von Christus und der Kirche als Bräutigam und Braut (sponsus et sponsa) und die alchemistische Vereinigung (coniunctio) von Sonne und Mond.

Individuation. c. G. JUNG: «Ich gebrauche den Ausdruck , Individuation' in) Sinne jenes Prozesses, welcher ein psychologisches .Individuum", d. h.'' eine gesonderte, unteilbare Einheit, ein Ganzes, erzeugt.» (Bewußtsein, Unbewußtes und Individuation, 1939, in Ges. Werke IX/1, 1976, Die Archetypen und das kollektive Unbewußte, pag. 293.)

«Individuation bedeutet: zum Einzelwesen werden, und, insofern wir unter Individualität unsere innerste, letzte und unvergleichbare Einzigartigkeit verstehen, zum eigenen Selbst werden. Man könnte , Individuation' darum auch als .Verselbstung' oder als ,Selbstverwirklichung' übersetzen.» (Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten, 1928, in Ges. Werke VII, 2. Aufl. 1974, Zwei Schriften über Analytische Psychologie, pag.191.)

«Ich sehe immer wieder, daß der Individuationsprozeß mit der Bewußt-werdung des Ich verwechselt und damit das Ich mit dem Selbst (s.d.) identifiziert wird, woraus natürlich eine heillose Begriffsverwirrung entsteht. Denn damit wird die Individuation zu bloßem Egozentrismus und Autoerotismus. Das Selbst aber begreift unendlich viel mehr in sich als bloß ein Ich ... Es ist ebenso der oder die anderen, wie das Ich. Individuation schließt die Welt nicht aus, sondern ein.» (Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen, 1946, in Ges. Werke VIII, 1967, Die Dynamik des Unbewußten, pag. 258.)

Inflation. Eine die individuellen Grenzen überschreitende Ausdehnung der Persönlichkeit durch Identifikation mit einem Archetypus (s. d.) oder, in pathologischen Fällen, mit einer historischen oder religiösen Figur. Wirkt in normalen Fällen wie eine Art Aufgeblasenheit und wird durch entsprechende Minderwertigkeitsgefühle kompensiert.

Introversion. Typische Einstellung, die sich durch Konzentration des Interesses auf die innerseelischen Vorgänge auszeichnet. Gegensatz: Extraversion (s. d.).

Mana. Melanesischer Begriff für eine außerordentlich wirkungsvolle Macht, ausgehend von einem Menschen, einem Gegenstand, von Handlun


gen und Ereignissen, von übernatürlichen Wesen und Geistern. Bedeutet auch Gesundheit, Prestige, Heil- und Zauberkraft. Primitiver Begriff der psychischen Energie.

Mandala (sanskrit). Magischer Kreis. Bei C. G. Jung: Symbol der Mitte, des Ziels und des Selbst (s. d.) als psychischer Ganzheit. Selbstdarstellung eines Zentrierungsvorganges, der Herstellung eines neuen Persönlichkeitszentrums. Symbolisch ausgedrückt durch die Kreisform, durch symmetrische Anordnung der Zahl vier und deren Vielfaches (s. Quaternio). Im Lamaismus und im tantrischen Yoga ist das Mandala Instrument der Kontempla-tion (Yantra), Sitz und Entstehungsort der Götter. Gestörtes Mandala: Jede Form, die von Kreis, Quadrat und gleichschenkligem Kreuz abweicht, oder deren Grundzahl nicht vier oder acht ist.

c. G. JUNG: «Mandala heißt Kreis, speziell magischer Kreis. Die Manda-las sind nicht nur über den ganzen Osten verbreitet, sondern sind bei uns auch aus dem Mittelalter reichlich bezeugt. Christlich speziell sind sie aus dem frühen Mittelalter zu belegen, meist mit Christus in der Mitte mit den vier Evangelisten oder ihren Symbolen in den Kardinalpunkten. Diese Auffassung muß sehr alt sein. indem auch Horus mit seinen vier Söhnen von den Ägyptern so dargestellt wurde.» (Kommentar zu: Das Geheimnis der Goldenen Blüte, 1929, 10. Aufl. 1973, erscheint in Ges. Werke XIII, Studien über alchemistische Vorstellungen.)

«Mandalas treten erfahrungsgemäß ... in Situationen auf, die durch Verwirrung und Ratlosigkeit gekennzeichnet sind. Der dadurch konstellierte Archetypus stellt ein Ordnungsschema dar, welches als psychologisches Fadenkreuz, bzw. als viergeteilter Kreis, gewissermaßen über das psychische Chaos gelegt wird, wodurch jeder Inhalt seinen Ort erhält und das ins Unbestimmte auseinanderfließende Ganze durch den hegenden und schützenden Kreis zusammengehalten wird.» (Ein moderner Mythus. Von Dingen, die am Himmel gesehen werden, 1958, in Ges. Werke X, 1974, Zivilisation im Übergang, pag. 461.)

Neurose. Zustand des Uneinigseins mit sich selbst, verursacht durch den Gegensatz von Triebbedürfnissen und den Anforderungen der Kultur, von infantiler Unwilligkeit und dem Anpassungswillen, von kollektiven und individuellen Pflichten. Die Neurose ist ein Stopzeichen vor einem falschen Weg und ein Mahnruf zum persönlichen Heilungsprozeß.

c. G. JUNG: «Die psychologische Störung bei einer Neurose und die Neurose selbst kann als ein mißlungener Anpassungsversuch bezeichnet werden. Die Formulierung (...) steht in Einklang mit Freuds Ansicht, daß eine Neurose gewissermaßen ein Versuch der Selbstheilung sei.» (Über Psychoanalyse, 1916, in Ges. Werke IV, 1969, Freud und die Psychoanalyse, pag. 285.)

«Die Neurose ist stets ein Ersatz für legitimes Leiden.» (Psychologie und Religion, 1939, in Ges. Werke XI, 2. Aufl. 1973, Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion, pag. 82.)

Numinosum. Rudolf Ottos Begriff («Das Heilige») für das Unaussprechliche, das Geheimnisvolle, Erschreckende, «Ganz Andere», die nur dem Göttlichen zukommende unmittelbar erfahrbare Eigenschaft.

Persona. Ursprunglich die Maske, die im antiken Theater vom Schauspieler getragen wurde.


C. G. JUNG: «Die Persona... ist jenes Anpassungssystem oder jene Manier, in der wir mit der Welt verkehren. So hat fast jeder Beruf die für ihn charakteristische Persona ... Die Gefahr ist nur, daß man mit der Persona identisch wird, wie etwa der Professor mit seinem Lehrbuch oder der Tenor mit seiner Stimme. . . Man könnte mit einiger Übertreibung sagen: die Persona sei das, was einer eigentlich nicht ist, sondern was er und die ändern Leute meinen, daß er sei.» (Über Wiedergeburt, 1950, in Ges. Werke IX/1, 1976, Die Archetypen und das kollektive Unbewußte, pag. 137.)


Psychoid. «Seelenähnlich», «seelenförmig», «quasi-seelisch». Jung charakterisiert damit die unanschauliche Tiefenschicht des kollektiven Unbewußten (s. d.) und dessen Inhalte, die Archetypen (s. d.).


C.G. JUNG: «Das kollektive Unbewußte (s.d.) stellt eine Psyche dar, die im Gegensatz zu dem uns bekannten Psychischen unanschaulich ist, weshalb ich sie als psychoid bezeichnet habe.» (Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, 1952, in Ges. Werke VIII, 1967, Die Dynamik des Unbewußten, pag. 495.)

Quaternität. C. G. JUNG: «Die Quaternität ist ein Archetypus der sozusagen universell vorkommt. Sie ist die logische Voraussetzung für jedes Ganzheit s urteil. Wenn man ein solches Urteil fällen will, so muß dieses einen vierfachen Aspekt haben. Wenn man z. B. die Ganzheit des Horizontes bezeichnen will, so nennt man die vier Himmelsrichtungen. Es sind immer vier Elemente, vier primitive Qualitäten, vier Farben, vier Kasten in Indien, vier Wege im Sinne von geistiger Entwicklung im Buddhismus. Darum gibt es auch vier psychologische Aspekte der psychischen Orientierung, über die hinaus nichts Grundsätzliches mehr auszusagen ist. Wir müssen zur Orientierung eine Funktion haben, welche konstatiert, daß etwas ist (Empfindung), eine zweite, die feststellt, was das ist (Denken), eine dritte Funktion, die sagt, ob einem das paßt oder nicht, ob man es annehmen will oder nicht (Fühlen) und eine vierte Funktion, die angibt, woher es kommt und wohin es geht (Intuition). Darüber hinaus läßt sich nichts mehr sagen... Die ideale Vollständigkeit ist das Runde, der Kreis, (s. Mandala) aber seine natürliche minimale Einteilung ist die Vierheit.» (Versuch einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas, 1948, in Ges. Werke XI, 2. Aufl. 1973, Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion, pag. 182.)

Eine Quaternität oder ein Quaternio hat oft eine 3+1 Struktur, indem eine ihrer Größen eine Ausnahmestellung einnimmt und von abweichender Natur ist. (Z. B. sind drei der Evangelistensymbole Tiere und eines ein Engel). Wenn die vierte Größe zu den drei anderen tritt, entsteht das «Eine», welches die Ganzheit symbolisiert. In der analytischen Psychologie ist es nicht selten die «minderwertige» Funktion (d. h. diejenige Funktion, die dem Menschen nicht zur bewußten Verfügung steht), welche «das Vierte» verkörpert. Ihre Integrierung ins Bewußtsein stellt eine der Hauptaufgaben des Individuationsprozesses (s. d.) dar.

Schatten. Der inferiore Teil der Persönlichkeit. Die Summe aller persönlichen und kollektiven psychischen Dispositionen, die infolge ihrer Unver


einbarkeit mit der bewußt gewählten Lebensform nicht gelebt werden und sich zu einer relativ autonomen Teilpersönlichkeit mit konträren Tendenzen im Unbewußten zusammenschließen. Der Schatten verhält sich zum Bewußtsein kompensatorisch, seine Wirkung kann darum ebensogut negativ wie positiv sein. Als Traumfigur hat der Schatten das gleiche Geschlecht wie der Träumer. Als Teil des persönlichen Unbewußten (s. d.) gehört der Schatten zum Ich; aber als Archetypus (s. d.) des «Widersachers» zum kollektiven Unbewußten (s.d.). Die Bewußtmachung des Schattens ist die Anfangsarbeit der Analyse. Übersehen und Verdrängen des Schattens, sowie Identifizierung des Ich mit ihm kann zu gefährlichen Dissoziationen führen. Da der Schatten der Instinktwelt nahe steht, ist seine dauernde Berücksichtigung unerläßlich.

C. G. JUNG: «Die Figur des Schattens personifiziert alles, was das Subjekt nicht anerkennt und was sich ihm doch immer wieder — direkt oder indirekt. — aufdrängt, also z. B. minderwertige Charakterzüge und sonstige unvereinbare Tendenzen.» (Bewußtsein, Unbewußtes und Individuation, 1939, in Ges. Werke IX/1, 1976, Die Archetypen und das kollektive Unbewußte, pag.302.)

«Der Schatten ist... jene verhüllte, verdrängte, meist minderwertige und schuldhafte Persönlichkeit, welche mit ihren letzten Ausläufern bis ins Reich der tierischen Ahnen hinaufreicht und so den ganzen historischen Aspekt des Unbewußten umfaßt. .. Wenn man bis dahin der Meinung war, daß der menschliche Schatten die Quelle alles Übels sei, so kann man nunmehr bei genauerer Untersuchung entdecken, daß der unbewußte Mensch, eben der Schatten, nicht nur aus moralisch verwerflichen Tendenzen besteht, sondern auch eine Reihe guter Qualitäten aufweist, nämlich normale Instinkte, zweckmäßige Reaktionen, wirklichkeitsgetreue Wahrnehmungen, schöpferische Impulse u. a. m.» (Ges. Werke IX/2, 1976. Aion, pag. 281 f.)

Seele, C. G. JUNG: «Wenn die Psyche des Menschen etwas ist, so ist sie unabsehbar kompliziert und von einer unbeschränkten Mannigfaltigkeit, der mit bloßer Triebpsychologie unmöglich beizukommen ist. Ich kann nur in tiefster Bewunderung und Ehrfurcht anschauend stille stehn vor den Abgründen und Höhen seelischer Natur, deren unräumliche Welt eine unermeßliche Fülle von Bildern birgt, welche Jahrmillionen lebendiger Entwicklung aufgehäuft und organisch verdichtet hat. Mein Bewußtsein ist wie ein Auge, das fernste Räume in sich faßt, das psychische Nicht-Ich aber ist das, was diesen Raum unräumlich erfüllt. Und diese Bilder sind nicht blasse Schatten, sondern mächtig wirkende seelische Bedingungen, die wir nur mißverstehen, aber niemals durch Leugnung ihrer Macht berauben können. Neben diesen Eindruck vermöchte ich nur noch den Anblick des gestirnten nächtlichen Himmels stellen; denn das Aequivalent der Welt innen ist nur die Welt außen, und wie ich diese Welt durch das Medium des Körpers erreiche, so erreiche ich jene Welt durch das Medium der Seele.» (Einführung zu W. Kranefeld «Die Psychoanalyse», 1930, in Ges. Werke IV, 1969, Freud und die Psychoanalyse, pag. 381.)

«Es wäre eine Blasphemie zu behaupten, daß Gott sich überall offenbaren könne, nur gerade nicht in der menschlichen Seele. Ja, die Innigkeit der Beziehung zwischen Gott und Seele schließt jede Minderbewertung der Seele


von vornherein aus. Es ist vielleicht zu weit gegangen, von einem Verwandt schaftsverhältnis zu sprechen; aber auf alle Fälle muß die Seele eine Beziehungsmöglichkeit, d. h. eine Entsprechung zum Wesen Gottes in sich haben, sonst könnte ein Zusammenhang nie zustande kommen. Diese Entsprechung ist, psychologisch formuliert, der Archetypus des Gottesbildes (s.d.).» (Ges. Werke XII, 2. Aufl. 1976, Psychologie und Alchemie, pag. 24 f.)

Selbst. Der zentrale Archetypus (s.d.). Der Archetypus der Ordnung. Die Ganzheit des Menschen. Symbolisch dargestellt durch Kreis, Quadrat, Quaternität (s. d.), Kind, Mandala (s. d.) usw.

c. G. JUNG: «Das Selbst ist eine dem bewußten Ich übergeordnete Größe. Es umfaßt nicht nur die bewußte, sondern auch die unbewußte Psyche und ist daher sozusagen eine Persönlichkeit, die wir auch sind ... Es besteht keine Hoffnung, daß wir je auch nur eine annähernde Bewußtheit des Selbst erreichen, denn, soviel wir auch bewußt machen mögen, immer wird noch eine unbestimmte und unbestimmbare Menge von Unbewußtem vorhanden sein, welches mit zur Totalität des Selbst gehört.» (Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten, 1928, in Ges. Werke VII, 2. Aufl. 1974, Zwei Schriften über analytische Psychologie, pag. 195 f.)

«Das Selbst ist nicht nur der Mittelpunkt, sondern auch jener Umfang, der Bewußtsein und Unbewußtes einschließt; es ist das Zentrum dieser Totalität, wie das Ich das Bewußtseinszentrum ist.» (Traumsymbole des Indivi-duationsprozesses, 1936, in Ges. Werke XII, 2. Aufl. 1976, Psychologie und Alchemie, pag. 59.)

«Das Selbst ist auch das Ziel des Lebens, denn es ist der völligste Ausdruck der Schicksalskombination, die man Individuum nennt.» (Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten, 1928, in Ges. Werke VII, 2. Aufl. 1974, Zwei Schriften über Analytische Psychologie, pag. 263.)

Synchronizität. Von C. G. JUNG geprägter Begriff, um eine sinnvolle Koinzidenz oder Entsprechung auszudrücken a) eines psychischen und eines physischen Ereignisses, welche kausal nicht miteinander verbunden sind. Solche synchronistischen Phänomene ereignen sich z. B., wenn innere Geschehnisse (Träume, Visionen, Vorahnungen) eine Entsprechung in der äußeren Realität haben: das innere Bild oder die Vorahnung hat sich als «wahr» erwiesen. b) ähnlicher oder gleicher Träume, Gedanken usw., die gleichzeitig an verschiedenen Orten stattfinden. Weder die eine noch die andere Manifestation kann durch Kausalität erklärt werden. Sie scheinen vielmehr mit archetypischen Vorgängen im Unbewußten zusammenzuhängen.

c. G. JUNG: «Meine Beschäftigung mit der Psychologie unbewußter Vorgänge hat mich schon vor vielen Jahren genötigt, mich nach einem ändern Erklärungsprinzip (neben der Kausalität) umzusehen, weil das Kausalprinzip mir ungenügend erschien, gewisse merkwürdige Erscheinungen der unbewußten Psychologie zu erklären. Ich fand nämlich zuerst, daß es psychologische Parallelerscheinungen gibt, die sich kausal schlechterdings nicht aufeinander beziehen lassen, sondern in einem anderen Geschehenszusammenhang stehen müssen. Dieser Zusammenhang erschien mir wesentlich in der Tatsache der relativen Gleichzeitigkeit gegeben, daher der Ausdruck »synchronistisch*. Es scheint nämlich, als ob die Zeit nichts weniger als ein Abstrakturn, sondern vielmehr ein konkretes Kontinuum sei, welches Qualitäten oder Grundbedingungen enthält, die sich in relativer Gleichzeitigkeit an verschiedenen Orten in kausal nicht zu erklärendem Parallelismus manifestieren können, wie z. B. in Fällen von gleichzeitigem Erscheinen von identischen Gedanken, Symbolen oder psychischen Zuständen.» (Zum Gedächtnis Richard Wilhelms, 1930, in Ges. Werke XV, 1971, Über das Phänomen des Geistes in Kunst und Wissenschaft, pag. 66.)

«Ich habe den Terminus ,Synchronizität' gewählt, weil mir die Gleichzeitigkeit zweier sinngemäß, aber akausal verbundener Ereignisse als ein wesentliches Kriterium erschien. Ich gebrauche hier also den allgemeinen Begriff der Synchronizität in dem speziellen Sinne von zeitlicher Koinzidenz zweier oder mehrerer nicht kausal aufeinander bezogener Ereignisse, welche von gleichem oder ähnlichem Sinngehalt sind. Dies im Gegensatz zu Synchronismus, welcher die bloße Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse darstellt.» (Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, 1952, in Ges. Werke VIII, 1967, Die Dynamik des Unbewußten, pag. 560 f.)

«Synchronizität ist nicht rätselhafter oder geheimnisvoller als die Diskontinuitäten der Physik. Es ist nur die eingefleischte Überzeugung von der Allmacht der Kausalität, welche dem Verständnis Schwierigkeiten bereitet und es als undenkbar erscheinen läßt, daß ursachelose Ereignisse vorkommen oder vorhanden sein könnten... Sinngemäße Koinzidenzen sind als reine Zufälle denkbar. Je mehr sie sich aber häufen und je größer und genauer die Entsprechung ist, desto mehr sinkt ihre Wahrscheinlichkeit, und desto höher steigt ihre Undenkbarkeit, d. h. sie können nicht mehr als bloße Zufälle gelten, sondern müssen mangels kausaler Erklärbarkeit als Anordnungen aufgefaßt werden . . . Ihr »Mangel an Erklärbarkeit' besteht nicht etwa nur aus der Tatsache, daß die Ursache unbekannt ist, sondern daraus, daß eine solche mit unseren Verstandesmitteln auch nicht denkbar ist.» (Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, 1952, in Ges. Werke VIII, 1967, Die Dynamik des Unbewußten, pag. 576 f.)

Traum, C. G. JUNG: «Der Traum ist die kleine verborgene Tür im Innersten und Intimsten der Seele, welche sich in jene kosmische Urnacht öffnet, die Seele war, als es noch längst kein Ichbewußtsein gab, und welche Seele sein wird, weit über das hinaus, was ein Ichbewußtsein je wird erreichen können. Denn alles Ichbewußtsein ist vereinzelt, erkennt Einzelnes, indem es trennt und unterscheidet, und gesehen wird nur, was sich auf dieses Ich beziehen kann. Das Ichbewußtsein besteht aus lauter Einschränkungen, auch wenn es an die fernsten Sternnebel reicht. Alles Bewußtsein trennt; im Traume aber treten wir in den tieferen, allgemeineren, wahreren, ewigeren Menschen ein, der noch im Dämmer der anfänglichen Nacht steht, wo er noch das Ganze, und das Ganze in ihm war, in der unterschiedslosen, aller Ichhaftigkeit baren Natur. Aus dieser allverbindenden Tiefe stammt der Traum, und sei er noch so kindisch, so grotesk, noch so unmoralisch.» (Die Bedeutung der Psychologie für die Gegenwart, 1933, in Ges. Werke X, 1974, Zivilisation im Übergang, pag. 168.)

«Träume sind keine beabsichtigten und willkürlichen Erfindungen, sondern natürliche Phänomene, die nichts anderes sind, als was sie eben darstellen. Sie täuschen nicht, sie lügen nicht, sie verdrehen und vertuschen


nicht, sondern verkünden naiv das, was sie sind und meinen. Sie sind nur darum ärgerlich und irreführend, weil wir sie nicht verstehen. Sie wenden keine Kunststücke an, um etwas zu verbergen, sondern sagen das, was ihren Inhalt bildet, in ihrer Art so deutlich wie möglich. Wir vermögen auch zu erkennen, warum sie so eigentümlich und schwierig sind: die Erfahrung zeigt nämlich, daß sie stets etwas auszudrücken bemüht sind, was das Ich nicht weiß und nicht versteht.» (Analytische Psychologie und Erziehung, 1926, in Ges. Werke XVII, 1972, Über die Entwicklung der Persönlichkeit, pag. 121.)

Trauma, psychisches. .Plötzliches, das Lebewesen unmittelbar schädigendes Ereignis, wie Schreck, Angst, Scham, Abscheu usw.

Unbewußte, das. C. G. JUNG: «Theoretisch können dem Bewußtseinsfelde keine Grenzen gesetzt werden, da es sich in unbestimmtem Umfang zu erweitern vermag. Empirisch aber findet es stets seine Grenze am Gebiet des Unbekannten. Letzteres besteht aus all dem, das man nicht weiß, was also nicht mit dem Ich als dem Zentrum des Bewußtseinsfeldes in Beziehung steht. Das Unbekannte zerfällt in zwei Gruppen von Objekten, nämlich die sinnlich erfahrbaren, äußeren, und zweitens die unmittelbar erfahrbaren, inneren Tatbestände. Erstere Gruppe stellt das Unbekannte der Umwelt, letztere das der Innenwelt dar. Letzteres Gebiet bezeichnen wir als das Unbewußte.» (Ges. Werke IX/2, 1976, Aion, pag. 12.)

«Alles, was ich weiß, an das ich aber momentan nicht denke; alles, was mir einmal bewußt war, jetzt aber vergessen ist; alles, was von meinen Sinnen wahrgenommen, aber von meinem Bewußtsein nicht beachtet wird;


alles, was ich absichts- und aufmerksamkeitslos, d. h. unbewußt fühle, denke, erinnere, will und tue; alles Zukünftige, das sich in mir vorbereitet und später erst zum Bewußtsein kommen wird; all das ist Inhalt des Unbewußten.» (Theoretische Ueberlegungen zum Wesen des Psychischen, 1947, in Ges. Werke VIII, 1967, Die Dynamik des Unbewußten, pag. 214.)

«Zu diesen Inhalten kommen auch alle mehr oder weniger absichtlichen Verdrängungen peinlicher Vorstellungen und Eindrücke. Die Summe all dieser Inhalte bezeichne ich als das persönliche Unbewußte. Darüber hinaus aber finden wir im Unbewußten auch die nicht individuell erworbenen, sondern vererbten Eigenschaften, also die Instinkte, als die Antriebe zu Tätigkeiten, die ohne bewußte Motivierung, aus einer Nötigung erfolgen... (In dieser .tieferen" Schicht der Psyche finden wir auch die Archetypen.) Die Instinkte und die Archetypen ... bilden das kollektive Unbewußte. Ich nenne dieses Unbewußte kollektiv, weil es im Gegensatz zu dem oben definierten Unbewußten nicht individuelle, d. h. mehr oder weniger einmalige Inhalte hat, sondern allgemein und gleichmäßig verbreitete.» (Instinkt und Unbewußtes, 1919, in Ges. Werke VIII, 1967, Die Dynamik des Unbewußten, pag. 153 f.)

«Die erstere Gruppe betrifft Inhalte, welche integrierende Bestandteile der individuellen Persönlichkeit darstellen und daher ebensogut auch bewußt sein könnten; die letztere bedeutet soviel wie eine allgemein vorhandene durchgehend sich selbst identische Bedingung oder Grundlage der Psyche überhaupt.» (Ges. Werke 1Ä/2, 1976, Aion, pag. 16.)

«Die tieferen .Schichten' der Psyche verlieren mit zunehmender Tiefe und Dunkelheit die individuelle Einzigartigkeit. Sie werden nach ,unten', d. h. mit Annäherung der autonomen Funktionssysteme, zunehmend kollektiver, um in der Stofflichkeit des Körpers, nämlich in den chemischen Körpern, universal zu werden und zugleich zu erlöschen. Der Kohlenstoff des Körpers ist überhaupt Kohlenstoff. .Zuunterst' ist Psyche überhaupt ,'Welt'.» (Zur Psychologie des Kind-Archetypus, 1940, in Ges. Werke IX/1, 1976, Die Archetypen und das kollektive Unbewußte, pag. 187.)

Urbild. (Jakob Burckhardt) Ursprünglich von Jung für den Begriff «Archetypus» (s.d.) gebraucht.


Carl Gustav Jung und Emma Rauschenbach, 1902

Nebenstehende Seite:


EmilieJung-Preiswerk (1848-1923), die Mutter


Johann Paul Achilles Jung (1842-1896), der Vater

Bollingen, 1958

Nebenstehende Seite:


Bollingen, «der Turm», endgültige Gestalt 1955


Bollingen, der Stein

Küsnacht, I960

AnielaJaffe

C. G. Jung - Bild und Wort

Eine Biographie


Sonderausgabe, gebunden, Format 23,5X27,5 cm, 1983

Diese einzigartige illustrierte Biographie zeigt in Text - und Bilddokumenten einen Querschnitt durch die Forschungen, Erfahrungen und Erkenntnisse des genialen Psychologen. Aniela Jaffé, seine langjährige Sekretärin und Mitarbeiterin, hat sie zusammengestellt und vorzüglich kommentiert.

«In der vorliegenden großformatigen, oft farbigen Wiedergabe beginnt das Dargestellte erst zu sprechen. Hinzu kommt, daß der Band viel noch nicht veröffentlichtes Material enthält. Darunter befinden sich Schriftstücke aus

Kindheit und Studentenzeit, einige Briefe sowie aufschlußreiche Reproduktionen von Jungs eigenen Bildern und Gestaltungen aus dem Unbewußten... Alles in allem: Ein eindruckvolles, ein impulsierendcs

Lebcnszeugnis ist gelungen!» Analytische Psychologie 4/197 8, G. Wehr

«Sowohl derjenige, der seine bisher vagen Vorstellungen von den tiefenpsychologischen Forschungen Jungs vervolls tändigen möchte, wie auch der Leser, der mit dem Werk des Forschers vertraut ist,von seinem

Leben aber mehr erfahren möchte, findet hier anregende Aufschlüsse. Mancher mag überrascht feststellen, daß Begriffe C. G. Jungs in unsere Alltagssprache eingegangen sind, ohne daß wir uns darüber klar sind.»

Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 10/1983, G.lversen

Grundwerk C. G. Jung

Herausgegeben von Helmut Barz, Ursula Baumgardt, Rudolf Blomeyer, Hans Dieckmann, Helmut Remmler, Theodor Seifen

9 Bände, insgesamt etwa 3000 Seiten


Format 13X20 cm, kartoniert

Das Grundwerk C.G. Jung repräsentiert den Kern der Jungschen Psychologie. Als kompetente Auswahl mit ausführlichen Registern ist es eine ideale Studienausgabe. Allgemeininteressierte und Studenten haben auf 3000 von 13 000 Seiten beisammen, was man gelesen haben muß, um C.G. Jung einigermaßen zu kennen. Angesichts der wachsenden Bedeutung des Autors warten nicht nur Psychologen, sondern auch

Mediziner, Theologen, Pädagogen, Anthropologen, Soziologen, Ethnologen, Mythologen usw. auf diese Auswahl.


Aus dem Inhalt

Ziele der Psychotherapie - Vom Wesen der Träume - Die praktische Verwendbarkeit der Traumanalyse - Allgemeines zur Komplextheorie — Allgemeine Beschreibung der Typen — Das persönliche und das kollektive Unbewußte - Über die Archetypen des kollektiven Unbewußten - Die psychologischen Aspekte des Mutterarchetypus - Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen - Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten - Die Individuation - Die Mana-Persönlichkeit - Animus und Anima Die Psychologie der Übertragung — Psychologie und Religion — Antwort auf Hiob — Die Mandalasymbolik - Die psychische Natur des alchemisrischen Werkes - Symbole der Mutter und der Wiedergeburt - Vom Werden der Persönlichkeit — Die Frau in Europa — Die Ehe als psychologische Beziehung - Die Lebenswende - Gut und Böse in der analytischen Psychologie - Was Indien uns lehren kann - Psychologie und Dichtung - Sigmund Freud

Band l

Grundfragen zur Praxis

Band 2

Archetyp und Unbewußtes

Band 3

Persönlichkeit und Übertragung

Band 4

Menschenbild und Gottesbild

Band 5

Traumsymbole des Individuationsprozesses

Band 6

Erlösungsvorstellungen in der Alchemie

Band 7

Symbol und Libido

Band 8

Heros und Mutterarchetyp

Band 9

Mensch und Kultur

Vorwort zur Reihe in Band l

Gesammelte Werke von C. G. Jung

Herausgegeben


von Lilly Jung-Merker fi Dr. phil. Elisabeth Ruf und Dr. phil. Leonie Zander

Band l Psychiatrische Studien Band 2 Experimentelle Untersuchungen Band 3 Psychogenese der Geisteskrankheiten Band 4 Freud und die Psychoanalyse

Band5 Symbole der Wandlung Band 6 Psychologische Typen


Band 7 Zwei Schriften über Analytische Psychologie


Band 8 Die Dynamik des Unbewußten


Band 9/1 Die Archetypen und das kollektive Unbewußte Band 9/D Aion. Beiträge zur Symbolik des Selbst Band 10 Zivilisation im Übergang


Band 11 Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion Band 12 Psychologie und Alchemie


Band 13 Studien über alchemistische Vorstellungen


Band 14/1 und U Mysterium Coniunctionis Band 14/III Mysterium Coniunctionis. Ergänzungsband «Aurora consurgens»


Band 15


Über das Phänomen des Geistes in Kunst und Wissenschaft


Band 16 Praxis der Psychotherapie


Band 17 Über die Entwicklung der Persönlichkeit


Band 18/1 und II Das symbolische Leben. Verschiedene Schriften


Band 19 Bibliographie


Band 20 Gesamtregister


Supplementband Seminare: Kinderträume Supplementband Seminare: Traumanalyse Supplementband Seminare: Analytische Psychologie


Briefe in drei Bänden 1906-1961 WALTER VERLAG

Noch kurz vor seinem 'Iode, zu Beginn seines neunten Jahrzehnts, hat C. G. Jung wesentliche Gedanken über sein Werden und sein Werk seiner Mitarbeiterin und Sekretärin Aniela Jaffè erzählt und sie mit der Aufzeichnung und Gestaltung betraut. Einzelne Teile hat er selber verfaßt.


«Die Erinnerung an die äußeren Fakten meines Lebens ist nur zum größten Teil verblaßt oder entschwunden. Aber die Begegnung mit der inneren Wirklichkeit, der Zusammenprall mit dem Unbewußten, haben sich meinem Gedächtnis unverlierbar eingcgraben. Ich kann mich nur aus den inneren Geschehnissen verstehen. Sie machen das Besondere meines Lebens aus, und von ihnen handelt meine Autobiographie.»


Das Buch eröffnet überraschende Ausblicke sowohl für den, der mit dem Werk C.G. Jungs vertraut ist, wie auch für den, der sich bisher noch nicht mit ihm beschäftigt hat. Es gibt kaum eine bessere Einführung in die Geisteswelt eines Forschers als den Bericht über das, was an subjektivem Erleben hinter seinen Ideen und Erkenntnissen steht.


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