Sir Owain landete wie der fleischgewordene Held eines Rittergesangs. Dabei hatte ihn das Ganze nicht einmal viel Mühe gekostet. Während er inmitten der Wersgor-Luftflotte herumraste, hatte er sogar die Zeit gefunden, Wasser heiß zu machen und sich zu rasieren. Jetzt schritt er leichten Fußes einher, den Kopf erhoben, in einen schimmernden Kettenpanzer gekleidet und einen roten Umhang, der im Wind flatterte. Sir Roger trat ihm in der Nähe der Ritterzelte entgegen, schmutzig, stinkend, mit zerbeultem Panzer und mit Blut besudelt. Seine Stimme war vom vielen Schreien heiser. »Mein Kompliment, Sir Owain, zu Eurer ritterlichen Tat.«
Der Jüngere verbeugte sich formell — und wechselte dann die Blickrichtung, als Lady Catherine aus einer jubelnden Menge hervortrat. »Ich hätte nicht weniger tun können«, murmelte Sir Owain, »mit Eurer Bogensehne auf dem Herzen.«
Die Farbe stieg ihr ins Gesicht. Sir Rogers Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. Die beiden gaben wahrhaftig ein schönes Paar ab. Ich sah, wie seine Hand sich um das Heft seines Schwertes krampfte.
»Geht in Euer Zelt, Madame«, wies er seine Frau an.
»Bei den Verwundeten gibt es noch viel Arbeit, Sire«, antwortete sie. »Ihr arbeitet für jeden, außer für Euren Ehemann und Eure Kinder, wie?« Sir Roger gab sich redliche Mühe, finster zu blicken, aber seine Lippen waren aufgedunsen, wo eine Kugel vom Visier seines Helms abgeprallt war. »Geht in Euer Zelt, sage ich.«
Sir Owain sah ihn erschreckt an. »Das sind nicht die Worte, um zu einer Dame von edlem Geblüt zu sprechen, Sire«, protestierte er.
»Darauf versteht Ihr Euch wohl besser?« brummte Sir Roger. »Oder ein geflüstertes Wort, um ein Rendezvous zu verabreden?«
Lady Catherine wurde bleich. Sie holte tief Luft, ehe die ersten Worte kamen. Schweigen senkte sich über alle, die in Hörweite standen. »Ich rufe Gott zu meinem Zeugen, daß mir Unrecht geschieht«, sagte sie. Dann wehte ihre Robe im schnellen Schritt. Als sie in ihrem Pavillon .erschwand, hörte ich ihr Schluchzen.
Sir Owain starrte den Baron mit vom Schrecken gezeichneter Miene an. »Seid hr von Sinnen?« stieß er zuletzt hervor.
Sir Roger spannte die Schultern, als müßte er eine schwere Last heben. »Noch nicht. Meine Hauptleute sollen sich mit mir treffen, sobald sie sich gewaschen und ihr Abendbrot eingenommen haben. Aber es wäre wohl klug, Sir Owain, wenn Ihr die Leitung der Lagerwache übernähmet.«
Der Ritter verbeugte sich erneut. Es war keine beleidigende Geste, und doch erinnerte sie uns alle daran, daß Sir Roger die guten Sitten verletzt hatte. Er ging weg und widmete sich wieder seinen Pflichten. Bald war eine Wache eingerichtet. Anschließend nahm Sir Owain Branithar in das zerstörte Wersgor-Lager mit, um jenes Gerät zu überprüfen, das weit genug außerhalb gelegen hatte, um noch einsetzbar zu sein. Das Blaugesicht hatte — sogar während der letzten paar geschäftigen Tage — mehr Englisch gelernt. Er sprach zwar stockend, aber mit großem Ernst, und Sir Owain lauschte. Dies gewahrte ich im letzten schwachen Zwielicht des Tages, als ich zur Konferenz eilte, konnte aber nicht hören, was gesprochen wurde.
Ein Feuer loderte hoch, und Fackeln steckten in der Erde. Die englischen Hauptleute saßen um den wuchtigen Tisch, während über ihren Köpfen fremde Konstellationen aufflammten. Ich hörte den Hauch der Nacht im Wald. Alle Männer waren todmüde, sie hockten eingesunken auf den Bänken, aber ihre Augen ließen den Baron nicht los.
Sir Roger stand auf. Gebadet, in frische, wenn auch einfache Gewänder gekleidet, einen Saphirring herausfordernd am Finger, verriet ihn nur sein schleppender Tonfall. Wenn auch seine Worte munter genug klangen, wußte ich doch, daß seine Seele nicht in ihnen war. Ich blickte zu dem Zelt hinüber, wo Lady Catherine und seine Kinder lagen, aber die Dunkelheit verbarg es.
»Aufs neue«, begann mein Herr, »hat die Gnade Gottes uns zum Siege verholten. Trotz all der Zerstörungen, die wir angerichtet haben, haben wir eine größere Beute an Wagen und Waffen, als wir gebrauchen können. Die Armee, die gegen uns antrat, ist zerbrochen, und nur noch eine Festung bleibt auf dieser ganzen Welt!«
Sir Brian kratzte sich die weißen Stoppeln am Kinn. »Aber dieses Spiel mit den Explosivbomben können zwei spielen«, sagte er. »Wagen wir es, hierzubleiben? Sobald die zu sich gekommen sind, werden sie Mittel und Wege finden, auf uns zu feuern.«
»Das ist wahr.« Sir Roger nickte. »Das ist ein Grund, weshalb wir keine Zeit vergeuden dürfen. Und ein weiterer besteht darin, daß dies bestenfalls eine unbequeme Behausung ist. Die Burg von Darova ist in jeder Hinsicht größer, stärker und besser ausgerüstet.' Sobald wir sie erobert haben, brauchen wir keinen Beschuß mehr zu fürchten. Und selbst wenn Herzog Huruga nicht mehr über die Mittel verfügt, und zu bombardieren, können wir sicher sein, daß er inzwischen seinen Stolz hinuntergeschluckt und Raumschiffe zu anderen Sternen geschickt hat, um Hilfe zu erbitten. Wir müssen damit rechnen, daß eine Wersgor-Armada gegen uns antritt.« Er tat so, als bemerkte er das Schaudern nicht, das alle durchlief, sondern schloß: »Aus all diesen Gründen wollen wir Darova, und zwar intakt.«
»Um die Flotten von hundert Welten aufzuhalten?« rief Hauptmann Bullard. »Nein, Sire, jetzt ist Euer Stolz geronnen und in Wahnsinn übergegangen. Ich sage, wir wollen hier durch den Himmel abziehen, solange wir noch können, und zu Gott beten, daß Er uns nach Terra zurücklenken möge.«
Sir Roger schlug mit der Faust auf den Tisch. Das Krachen übertönte das Rascheln im Walde. »Bei den Wunden Gottes!« dröhnte er. »Am Tage eines Sieges, wie man ihn seit Richard Löwenherz nicht mehr gekannt hat, würdet Ihr den Schwanz zwischen die Beine nehmen und davonrennen! Und ich hielt Euch für einen Mann!«
Bullard grollte tief in seiner Kehle: »Was hat Richard denn am Ende gewonnen, abgesehen von einem Lösegeld, das sein Land ruinierte?« Aber Sir Brian Fitz-William hörte ihn und brummelte mit leiser Stimme: »Ich will keinen Verrat hören.« Bullard erkannte, was er gesagt hatte, biß sich auf die Lippen und verstummte. Unterdessen sprach Sir Roger weiter:
»Die Arsenale von Darova müssen für den Angriff auf uns geleert worden sein. Jetzt verfügen wir über fast alles, was von ihren Waffen noch bleibt, und den größten Teil ihrer Garnison haben wir auch getötet. Wenn man ihnen Zeit läßt, werden sie sich neu sammeln. Sie werden vom ganzen Planeten Freisassen und Freibauern zusammenrufen und gegen uns marschieren. Aber in diesem Augenblick herrscht bei ihnen große Verwirrung. Sie sind höchstens imstande, sich hinter den Wällen zu sammeln. Ein Gegenangriff kommt nicht in Frage.«
»Sollen wir als o vor den Mauern Darovas sitzen, bis ihre Verstärkungen kommen?« rief eine Stimme aus dem Schatten.
»Besser als hier sitzen, glaubt Ihr nicht?« Sir Rogers Lachen klang gezwungen, und doch war von ein paar Stellen ein leises Lachen zu hören, das ihm antwortete. Und so wurde es entschieden.
Unsere ausgemergelten Leute bekamen keinen Schlaf. Sie mußten sofort mit der Arbeit beginnen, im hellen Schein der zwei Monde. Wir fanden ein paar von den großen Transportflugschiffen, die am Rand der Explosion gelegen hatten und daher nur leicht beschädigt waren. Die Handwerker unter unseren Gefangenen reparierten sie, von unseren Speeren dazu gedrängt. In diese Schiffe rollten wir alle Waffen und Fahrzeuge und anderen Geräte, die wir nur hineinbringen konnten. Dann folgen Leute, Gefangene und Vieh. Lange vor Mittemacht waren unsere Schiffe in den Himmel aufgestiegen, bewacht von einer ganzen Wolke anderer Fahrzeuge, die je ein oder zwei Männer an Bord hatten. Das war auch keineswegs zu früh. Knapp eine Stunde nach unserer Abreise — wie wir später erfuhren — regneten unbemannte Flugmaschinen, die mit den kräftigsten Explosivstoffen beladen waren, auf Ganturath nieder.
Wie wir so vorsichtig durch den Himmel zogen, der von feindlichen Fahrzeugen frei war, erreichten wir ein Binnenmeer. Viele Meilen dahinter, inmitten einer schroffen und dicht bewaldeten Region, entdeckten wir Darova. Man hatte mich in den Kontrollturm gerufen, um zu dolmetschen, und ich sah die Burg auf der Sichtscheibe, weit vor uns und unter uns, aber vergrößert, so daß wir sie gut erkennen konnten. Wir waren der Sonne entgegengeflogen, und die Morgendämmerung leuchtete rosafarben hinter dem Bauwerk. Es waren nur zehn flache gerundete Strukturen aus verschmolzenem Stein, mit Mauern, dick genug, umfast jedem Angriff Widerstand zu leisten.
Verstärkte Tunnels verbanden sie miteinander. Tatsächlich lag der größte Teil jener Festung tief unter der Erde, so abgedichtet wie ein Raumschiff. Ich sah einen äußeren Ring gigantischer Bombarden und Geschoßschleudem, die ihre Mäuler aus versenkten Batterien zum Himmel reckten, und natürlich war auch das Kraftfeld eingeschaltet und schimmerte bleich wie eine satanische Parodie eines Heiligenscheins. Aber angesichts der wuchtigen Stärke der Festung selbst schien das eher eine Verzierung zu sein. Nirgends waren Luftfahrzeuge zu sehen, bloß die unseren.
Inzwischen war ich, wie die meisten von uns, mit dem Brauch der Weitsprecher vertraut. Ich drehte an den Knöpfen, bis das Bild eines Wersgor-Offiziers auf der Bildscheibe erschien. Er hatte offenbar seinerseits versucht, mit uns Verbindung aufzunehmen, und so hatten wir einige Minuten verloren. Sein Gesicht war bleich, fast himmelblau, und er schluckte ein paarmal, ehe er fragen konnte: »Was wollt Ihr?«
Sir Roger furchte die Stirn, seine blutunterlaufenen, dunkelgeränderten Augen in einem Gesicht, dessen Fleisch von der Sorge weggeschmolzen schien, verliehen ihm ein schreckliches Aussehen. Nachdem ich übersetzt hatte, stieß er hervor: »Huruga.«
»Wir… wir werden unseren Grath nicht ausliefern.
Das hat er selbst gesagt.«
»Bruder Parvus, sagt diesem Idioten, daß ich mit dem Herzog sprechen möchte! Verhandeln. Wissen die denn überhaupt nichts von zivilisierten Sitten?«
Der Wersgor blickte beleidigt, da ich die Worte meines Herrn genau übersetzt hatte, und sprach dann in einen kleinen Kasten und drückte ein paar Knöpfe. Sein Bild wich dem Hurugas. Der Gouverneur rieb sich den Schlaf aus den Augen und sagte mit gekünstelt wirkendem Mut: »Rechnet nicht damit, diesen Ort so zu zerstören, wie Ihr die anderen zerstört habt. Darova ist als ultimate Festung gebaut. Selbst das schwerste Bombardement könnte nur die Anlagen über der Erde entfernen. Wenn Ihr einen direkten Angriff versucht, können wir Luft und Land mit Explosionen und Feuer füllen.«
Sir Roger nickte. »Aber wie lange haltet Ihr das durch?« fragte er milde.
Huruga ließ seine scharfen Zähne sehen. »Länger als ihr angreifen könnt, ihr Tiere!«
»Nichtsdestoweniger«, murmelte Sir Roger, »zweifle ich, daß ihr für eine Belagerung ausgerüstet seid.« In meinem beschränkten Wortschatz konnte ich für ›Belagerung‹ keinen Ausdruck der Wersgorsprache finden, und Huruga schien es schwerzufallen, die Umschreibungen zu verstehen, die ich benutzte.
Als ich erklärte, warum ich zur Übersetzung so lange brauchte, nickte Sir Roger und lächelte. »Das habe ich vermutet«, sagte er. »Schau, Bruder Parvus, diese sternfahrenden Nationen haben Waffen, die beinahe so mächtig sind wie das Schwert von Sankt Michael. Sie können mit einem Schuß eine Stadt in die Luft sprengen und mit zehn eine ganze Grafschaft verwüsten. Aber da dies so ist, wie können da ihre Schlachten je lange dauern? Ah? Jene Burg ist dafür gebaut. Hammerschläge hinzunehmen. Aber eine Belagerung? Kaum!«
Und wieder zur Sichtscheibe gewandt: »Ich werde mich in der Nähe festsetzen und Wache halten. Auf das erste Lebenszeichen aus Eurer Burg hin werde ich das Feuer eröffnen. Es wäre also gut, wenn Eure Männer die ganze Zeit unter der Erde bleiben. Sobald Ihr Euch zu ergeben wünscht, ruft mich über den Weitsprecher, und ich werde Euch mit größtem Vergnügen die Artigkeiten des Krieges erweisen.«
Huruga grinste. Fast konnte ich die Gedanken hinter jener Schnauze lesen. Die Engländer waren mehr als willkommen, draußen hockenzubleiben, bis die rächende Armada kam! Er löschte die Bildscheibe.
Wir fanden einen guten Lagerplatz jenseits des Horizonts. Er lag in einem tiefen, geschützten Tal, durch den ein Fluß lief, sauber und kalt und voller Fische. Der ganze Wald war von Wiesen durchsetzt, es gab reichlich Wild, und unsere Männer, soweit sie nicht zum Dienst eingeteilt waren, konnten nach Belieben jagen. Nach ein paar wenigen jener langen Tage spürte ich, wie in unseren Leuten wieder Mut aufblühte.
Sir Roger gönnte sich keine Ruhe. Ich glaube, das wagte er nicht, denn Lady Catherine ließ ihre Kinder bei ihrer Pflegerin und schlenderte mit Sir Owain durch die Damengemächer. Nicht unbehütet — sie achteten sehr auf die guten Sitten —, aber jedesmal, wenn ihr Mann sie erblickte, drehte er sich herum und brüllte dem Nächststehenden irgendein Kommando zu.
In den Wäldern verborgen war unser Lager vor jeglichem Beschuß sicher. Seine Zelte und Hütten, unsere Waffen und Werkzeuge bildeten keine ausreichend große Konzentration an Metall, als daß eines der magnetischen Geräte der Wersgorix es hätte entdecken können. Und diejenigen unserer Luftfahrzeuge, die Darova bewachten, landeten woanders. Wir hielten geladene Belagerungsmaschinen bereit, falls sich in der Festung irgendeine Aktivität zeigen sollte, aber Huruga war es zufrieden, passiv zu warten.
Gelegentlich zog ein wagemutiges feindliches Luftfahrzeug über unseren Köpfen dahin, wahrscheinlich von irgendeinem anderen Ort auf dem Planeten. Aber es fand nie ein Ziel für seine Explosivbomben, und unsere eigenen Streifen drängten es bald ab.
Der größte Teil unserer Streitmacht — die großen Schiffe und Kanonen und Kriegswagen — war die ganze Zeit anderswo untergebracht. Ich selbst sah die Jagd nicht, die Sir Roger führte. Ich blieb im Lager und beschäftigte mich damit, selbst mehr Wersgor zu lernen und Branithar mehr Englisch zu lehren. Ich begann auch Unterrichtsstunden in der Wersgorsprache für einige unserer intelligentere jungen Leute. Darüber hinaus hätte ich gar nicht den Wunsch verspürt, an der Expedition des Barons teilzunehmen.
Er hatte Raum- und Luftfahrzeuge. Er hatte Bombarden, mit denen er sowohl Flammen wie auch Geschosse abfeuern konnte. Er hatte ein paar schwerfällige Schildkrötenwagen. Er hatte hunderte leichter, offener Schlachtwagen, die er mit Schilden und Wimpeln behängte und mit jeweils einem Kavalleriemann und vier Fußsoldaten besetzte. Er zog auf den Kontinent hinaus, um zu plündern.
Kein isolierter Landsitz konnte seinem Angriff widerstehen. Plündernd und brennend hinterließ er Verwüstung. Er tötete viele Wersgorix, aber nicht mehr als notwendig. Den Rest stopfte er als Gefangene in die riesigen Transportschiffe. Einige Male versuchten die Bauern und Freisassen ihm Widerstand zu leisten. Sie verfügten nur über Handwaffen; sein Heerbann jagte sie auseinander wie Spreu und trieb sie über ihre eigenen Felder. Er brauchte nur ein paar Tage und Nächte, um die ganze Landmasse zu verwüsten. Dann machte er einen schnellen Ausfall über einen Ozean, warf Bomb en und beschoß mit Flammenwerfern, was er entdeckte, und kehrte wieder zurück.
Mir erschien das Ganze als ein grausames Gemetzel, wenn auch nicht schlimmer als das, was dieses Imperium auf vielen Welten getan hatte.
Dennoch gestehe ich, daß ich die Logik solcher Dinge nicht immer verstehe.
Sicherlich war, was Sir Roger tat, üblicher europäischer Brauch in einer aufständischen Provinz oder einem feindlich gesinnten fremden Land. Und doch ging ich zu Branithar, als er wieder im Lager gelandet war und seine Männer, beladen mit Juwelen, wertvollen Stoffen, Silber und Gold aus den Schiffen taumelten, betrunken von gestohlenem Wein und mit dem prahlend, was sie getan hatten.
»Ich habe keine Macht über diese neuen Gefangenen«, sagte ich, »aber sag deinen Brüdern von Ganturath, daß der Baron, ehe er sie vernichten kann, meinen eigenen armen Kopf abschlagen muß.«
Der Wersgor sah mich überrascht an. »Was kümmert dich, was mit uns geschieht?« fragte er.
»Gott möge mir helfen«, erwiderte ich, »ich weiß es nicht, ich weiß nur dies, daß Er auch euch gemacht haben muß.«
Dies geriet meinem Herrn zu Ohren. Er rief mich in das Zelt, das er jetzt anstelle seines Pavillons benutzte. Ich sah Waldlichtungen, dicht gefüllt mit Gefangenen, aneinandergedrängt wie Schafe unter den Gewehren der Engländer. Freilich, ihre Anwesenheit war wie ein Schild für uns. Ohne Zweifel mußte die Landung der Schiffe Hurugas Sichtscheiben verraten haben, wo wir uns befanden. Aber Sir Roger hatte dennoch dafür gesorgt, daß der Gouverneur erfuhr, was geschehen war. Aber ich sah blauhäutige Mütter, die ihre Kinder an sich drückten, und mir war, als griffe eine Hand nach meinem Herzen.
Der Baron saß auf einem Hocker und nagte an einem Rinderknochen herum. Licht und Schatten, das durch die Blätter hereinfiel, zeichneten ein seltsames Muster auf sein Gesicht. »Was soll das?« schrie er. »Liebst du diese Schweinegesichter so sehr, daß du nicht zulassen willst, daß ich auch die bekomme, die wir in Ganturath fingen?«
Ich schob meine schmalen Schultern zurück. »Wenn Euch sonst nichts bekümmert, Sire«, sagte ich zu ihm, »dann bedenkt, wie eine solche Tat Eurer eigenen Seele weh tun muß.«
»Was?« Er hob die dicken Brauen. »Wann war es je verboten, die Gefangenen freizulassen?«
Jetzt war ich daran, ihn mit erstaunt aufgerissenem Mund anzustarren. Sir Roger schlug sich auf die Schenkel und grinste. »Ein paar werden wir behalten, wie Branithar und die Handwerker, die uns nützlich sind. Den ganzen Rest treiben wir nach Darova. Tausende und aber Tausende. Glaubst du nicht, daß Huruga das Herz vor Dankbarkeit schmelzen wird?«
Ich stand im hohen Gras unter der Sonne da, während rings um mich schallendes Gelächter ertönte.
Und so stolperte, von den Rufen unserer Leute begleitet und von ihren Speerspitzen getrieben, jene ungezählte Schar über Wald und Feld und durch Baum und Strauch, bis sie in der Ferne Darova erblickten. Ein paar drängten sich verängstigt aus der Menge. Die Engländer stürzten sich grinsend auf ihre Waffen. Ein Wersgor fing zu laufen an. Niemand schoß auf ihn. Ein weiterer löste sich aus der Masse, und dann noch einer, und dann rannte der ganze Schwarm auf die Festung zu.
Dies war der Abend, an dem Huruga aufgab.
»Es war ganz einfach«, sagte Sir Roger und lachte glücklich. »Ich hatte ihn ja dort wie in einer Flasche verkorkt. Ich bezweifelte, daß er genügend Vorräte besaß, denn die Kunst der Belagerung ist ohne Zweifel in diesem Land schon verlorengegangen. So zeigte ich ihm zuerst, daß ich seinen ganzen Planeten verwüsten könnte — wofür er sich, selbst wenn man uns am Ende besiegte, würde verantworten müssen. Und dann gab ich ihm all jene zusätzlichen Münder zum Füttern.« Er schlug mir auf den Rücken. Als ich mich wieder aufgerappelt und mich abgestaubt hatte, sagte er: »Nun, Bruder Parvus, jetzt, da uns diese Welt gehört — hättest du jetzt Lust, ihre erste Abtei zu leiten?«