KAPITEL 7

Wir schlugen in der Nähe des fast intakt geblichenen klei­nen Forts Lager. Unsere Leute hackten im Wald Holz, und als dann die beiden Monde aufgingen, sprangen die Flam­men zum Himmel. Die Männer saßen dicht beieinander, und das heimelige und doch unruhige Licht hob ihre Gesichter aus der Finsternis hervor. Alle warteten darauf, daß das Essen in den großen Töpfen fertig wurde. Die Pferde fraßen das fremdartige Gras, ohne an seinem Geschmack Gefallen zu finden. Die gefangenen Wersgorix drängten sich, von Pikenträgem bewacht, dicht aneinan­der. Sie waren benommen; alles dies schien einfach nicht möglich. Fast taten sie mir leid, so gottlos und grausam auch ihre Herrschaft sein mochte.

Sir Roger rief mich zu sich und seinen Hauptleuten, die in der Nähe eines der Kanonentürme kampierten.

Wir besetzten die Verteidigungsanlage, um uns wehren zu können, sollte es zu der Gegenattacke kommen, die wir erwarteten, und versuchten, uns nicht auszumalen, was für neue Schrecklichkeiten der Feind vielleicht in sei­nen Arsenalen bereithalten mochte.

Für die hochwohlgeborenen Ladys waren Zelte aufge­stellt worden. Die meisten waren zu Bett gegangen, aber Lady Catherine saß auf einem Hocker am Rand des Flammenscheins unseres Lagerfeuers. Sie lauschte auf unsere Reden und hatte den Mund finster verzogen.

Die Hauptleute lagen müde auf dem Boden. Ich sah Sir Owain Montbelle, der gelangweilt seine Harfe schlug, den wackeren alten Sir Brian Fitz-William, den dritten der drei zum Ritter geschlagenen Männer auf dieser Reise, den hünenhaften Alfred Edgarson, den reinsten der sächsischen Freisassen, den finsteren Thomas Bullard, der gedankenverloren über das blanke Schwert strich, das er im Schoß liegen hatte. Red John Hameward, scheu, weil er von ihnen allen der am niedrigsten Geborene war. Ein paar Pagen schenkten Wein aus.

Mein Herr, Sir Roger der Unbeugsame, stand da, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er hatte wie die anderen die Rüstung abgelegt und seine Prunkkleider im Kasten gelassen. Ebensogut hätte er, wie er so dastand, der bescheidenste seiner Feldwebel sein können. Aber dann sah man sein hageres Gesicht mit der vorspringen­den Nase und hörte ihn reden. Und an seinen Stiefeln klirren Sporen.

Als er mich sah, nickte er. »Ah, Bruder Parvus. Setz dich und nimm dir einen Becher. Du trägst deinen Kopf auf den Schultern, und wir brauchen jeden guten Rat, den wir bekommen können.«

Eine Weile schritt er noch brütend auf und ab. Ich wagte es nicht, ihn mit meiner schlimmen Nachricht zu unterbrechen. Die fremden Laute in der Dunkelheit ließen noch deutlicher erkennen, wie fremdartig doch die­ser doppelmondige Himmel war. Das waren keine Frösche oder Zikaden wie in England: Hier war es ein Summen ein sägeähnliches Brummen, ein unmenschlich süßes Singen, wie von einer stählernen Laute. Und auch die Gerüche waren fremd, was mich noch mehr störte.

»Nun«, sagte mein Herr. »Mit Gottes Gnade haben wir dieses erste Scharmützel gewonnen. Jetzt müssen wir uns entscheiden, was wir als nächstes tun.«

»Mich dünkt.« Sir Owain räusperte sich und meinte dann eilig: »Nein, Ihr Edlen, ich bin sicher, Gott hat uns gegen unvorhersehbare Verräterei geholfen. Er wird nicht mehr mit uns sein, wenn wir unziemlichen Stolz zeigen.

Wir haben eine seltene Beute an Waffen gewonnen, mit denen wir zu Hause Großes vollbringen können. Laßt uns daher nach Hause aufbrechen.«

Sir Roger strich sich über das Kinn. »Ich würde lieber hierbleiben«, antwortete er. »und doch ist viel an dem, was Dir sagt, mein Freund. Wir können immer noch zurückkehren, nachdem das Heilige Land befreit ist, und hier Gutes tun.«

»Ja, wahrhaftig«, nickte Sir Brian. »Wir sind jetzt zu allein und von Frauen und Kindern und Alten und dem Vieh behindert. So wenige Kämpfer gegen ein ganzes Reich, das wäre Wahnsinn.«

»Und doch würde ich gerne eine Lanze gegen diese Wersgorix brechen«, sagte Alfred Edgarson. »Ich habe hier noch kein Gold gewonnen.«

»Gold bringt keinen Nutzen, solange wie es nicht nach Hause bringen«, erinnerte ihn Bullard. »Es ist schon schlimm genug, in der Hitze und dem Durst des Heiligen Landes einen Feldzug zu führen. Hier wissen wir nicht einmal, welche Pflanzen giftig sind oder wie es zur Win­terzeit ist. Am besten brechen wir morgen auf.«

Ein Murmeln der Zustimmung erhob sich.

Ich räusperte mich jämmerlich. Branithar und ich hat­ten gerade eine höchst unangenehme Stunde verbracht. »Ihr Herren.« begann ich.

»Ja? Was ist?« Sir Roger funkelte mich an.

»Mylords, ich glaube nicht, daß wir den Weg nach Hause finden können!«

»Was?« Sie brüllten es förmlich. Ein paar von ihnen sprangen auf. Ich hörte, wie Lady Catherine erschreckt einatmete.

Dann erklärte ich, daß die Wersgor-Notizen bezüglich der Route zu unserer Sonne aus dem zerbrochenen Kon­trollturm fehlten. Ich hatte einen Suchtrupp eingeteilt und überall gesucht, in der Hoffnung, sie zu finden, hatte aber keinen Erfolg gehabt. Das Innere des Turms war geschwärzt und an manchen Stellen zerschmolzen. Ich konnte nur den Schluß ziehen, daß ein verirrter Feuerstrahl durch das Loch gekommen war und eine Schublade erfaßt hatte, die durch den Aufprall unserer Landung aufgeplatzt war. Und dieser Feuerstrahl hatte möglicher­weise die Papiere zu Asche verbrannt.

»Aber Branithar kennt den Weg!« protestierte Red John. »Er ist ihn selbst gesegelt! Ich werde es aus ihm herauspressen, Mylord.«

»Seid nicht voreilig«, riet ich. »Das ist nicht, wie wenn man an einer Küste entlangsegelt, wo jede Landmarke bekannt ist. Es gibt unzählige Millionen von Sternen. Diese Suchexpedition ist im Zickzack zwischen ihnen geflogen, um einen geeigneten Planeten zu finden. Ohne Zahlen, die der Kapitän niederschrieb, während sie segelten, könnte man ein ganzes Leben auf der Suche verbringen und doch nicht auf unsere eigene Sonne stoßen.«

»Aber erinnert Branithar sich denn nicht?« rief Sir Owain.

»Sich an hundert Seiten mit Ziffern erinnern?« antwor­te ich. »Nein, niemand findet es, und das stimmt um so mehr, als Branithar ja nicht der Kapitän des Schiffes war und auch nicht derjenige, der ihre Wanderschaft verfolgte und das Logbuch betreute und die anderen Pflichten der Navigation erfüllte. Unser Gefangener war vielmehr ein Angehöriger des niedrigen Adels, dessen Aufgabe eher bei der Mannschaft zu suchen war. Er hat an den dämonischen Maschinen gearbeitet und.«

»Genug.«

Sir Roger kaute auf der Unterlippe und starrte zu Boden. »Das ändert die Dinge. Ja. war denn die Route des Kreuzfahrers nicht von Anfang an bekannt? Bei­spielsweise dem Herzog, der das Schiff ausgeschickt hat?«

»Nein, Mylord«, sagte ich. »Wersgors Aufklärungs­schiffe ziehen einfach in jede beliebige Richtung, die dem Kapitän behagt, und sehen sich jeden Stern an, den er für aussichtsreich hält. Erst wenn sie zurückkommen und berichten, erfährt der Herzog, wo sie gewesen sind.«

Ein paar enttäuschte Klagelaute waren zu hören. Jenes waren wackere Männer, aber was sie hier gehört hatten, hätte selbst Heilige zum Erblassen gebracht. Sir Roger schritt steif zu seiner Frau hinüber und legte ihr die Hand auf den Arm.

»Es tut mir leid, meine Liebe«, murmelte er.

Sie wandte das Gesicht von ihm ab.

Sir Owain stand auf. An der Hand, die die Harfe umfaßt hielt, standen weiß die Knöchel hervor. »Hierher habt Ihr uns geführt!« rief er mit schriller Stimme. »In Tod und Verdammung jenseits des Himmels! Seid Ihr zufrieden?«

Sir Roger schlug mit der Hand gegen den Schwertgriff. »Seid still!« brüllte er. »Ihr alle habt meinem Plan zuge­stimmt. Keiner von euch hat sich widersetzt. Und keiner ist gezwungen worden mitzukommen. Jetzt müssen wir alle gemeinsam die Last tragen, oder Gott mag uns allen gnädig sein!«

Der jüngere Ritter murmelte irgend etwas Aufrühre­risches, setzte sich aber wieder.

Es grenzte wirklich an das Wunderbare, wie schnell mein Herr aus der Niedergeschlagenheit zur Kühnheit zurückfand. Natürlich war das eine Maske, die er um der anderen willen aufsetzte, aber wie viele Männer gab es, die dazu imstande gewesen wären? Er war wahrhaft ein Führer ohnegleichen; ich schreibe das dem Blut König Wilhelms des Eroberers zu, von dem ein illegitimer Enkel eine illegitime Tochter jenes Earl Godfrey geheiratet hatte, der später wegen Piraterei geächtet worden war und das so edle Haus de Tourneville gegründet hatte.

»Kommt«, sagte der Baron mit einem Anflug von Heiter­keit. »So schlimm ist dieses nicht. Wir brauchen bloß mit mutigem Herzen zu handeln, dann wird der Tag uns gehören. Vergeßt nicht, wir halten eine ganze Anzahl von Gefangenen fest, die wir in einem Handel einsetzen können. Wenn wir noch einmal kämpfen, dann haben wir bereits bewiesen, daß sie uns unter auch nur annähernd gleichen Bedingungen nicht gewachsen sind. Ich gebe zu, ihre Zahl ist größer als die unsere, und sie haben mehr Erfahrung im Umgang mit diesen Teufelswaffen. Aber was soll's? Das wäre nicht das erste Mal, daß tapfere Männer unter guter Führung eine scheinbar stärkere Armee vom Felde gejagt haben. Im schlimmsten Fall bleibt uns immer noch der Rückzug. Wir besitzen genügend Himmelsschiffe und können in den grenzenlosen Tiefen des Weltalls die Verfolger abschütteln.

Aber ich bin dafür, hierzubleiben, geschickt zu verhan­deln, zu kämpfen, wo immer nötig, und auf Gott zu ver­trauen. Sicher kann doch Er, der für Joshua die Sonne ange­halten hat, eine Million Wersgorix erschlagen, wenn es Ihm gefällt, denn Seine Gnade währt ewig. Sobald wir dem Gegner die richtigen Konditionen abgerungen haben, werden wir Ihn dazu bringen, für uns unsere Heimat zu finden und unserer Schiffe mit Gold vollzustopfen. Ich sage euch, behaltet euren Mut! Zum Ruhm Gottes, der Ehre Englands und der Bereicherung von uns allen.«

Damit packte er sie, trug sie auf der Welle seiner eigenen Begeisterung nach oben, und am Ende jubelten sie ihm zu. Sie drängten sich nahe heran, legten die Hände auf seine Hände über dem großen blitzenden Schwert und schworen, treu zu bleiben, bis die Gefahr vorüber war. Hernach verstich eine Stunde mit eifriger Planung — das meiste allerdings leider vergeudet, denn Gott läßt selten das geschehen, was der Mensch erwartet. Schließlich gingen alle zur Ruhe.

Ich sah wie mein Herr den Arm seiner Gemahlin nahm und sie in seinen Pavillon führte. Sie sprach im Flü­sterton zu ihm, man konnte sehen, daß es harte Worte waren; sie war nicht bereit, seine Proteste anzuhören, und stand da und wies ihn in die feindliche Nacht hinaus. Der größere Mond, der bereits am Sinken war, hüllte sie in kaltes Feuer.

Es war seltsam, daß ein Mann so hilflos gegenüber einer Frau sein konnte. Wie er so dalag, hatte er etwas Geschlagenes, Beklagenswertes an sich. Ich fand, daß es uns allen ein schlechtes Omen war.

Загрузка...