KAPITEL 21

Am nächsten Abend verließen wir New Avalon.

Sir Roger und ich reisten alleine in einem winzigen, unbewaffneten Raumrettungsboot. Wir selbst waren nur wenig stärker. Ich hatte meine Kutte und meinen Rosen­kranz, wie immer: nicht mehr. Er war mit der Weste eines Freibauern bekleidet, wenn er auch Schwert und Dolch trug und die vergoldeten Sporen an den Stiefeln hatte. Seine mächtige Gestalt saß im Pilotensessel, als wäre es ein Sattel, aber seine zum Himmel gerichteten Augen waren voll des Winters.

Wir hatten unseren Hauptleuten gesagt, daß dies nur ein kurzer Flug sei, um irgend etwas Besonderes zu inspi­zieren, das Sir Owain gebracht hatte. Das Lager fühlte die Lüge, und man konnte ein unruhiges Brodeln wahrneh­men. Red John mußte zwei Quarterstaffs brechen, ehe er wieder Ordnung hergestellt hatte. Als ich mich ein­schiffte, schien mir, daß unser Unternehmen plötzlich verrostet sei. Die Männer saßen so still. Es war ein wind­loser Abend, unsere Banner hingen schlaff an den Stan­gen, und ich sah, wie verblaßt und zerfetzt sie waren.

Unser Boot durchstieß den blauen Himmel und trat in die Schwärze ein wie der ausgestoßene Luzifer. Ganz kurz entdeckte ich ein Schlachtschiff, das auf Kreisbahn patrouillierte, und hätte mich viel wohler gefühlt, hätte ich jene großen Kanonen in meinem Rücken gewußt. Aber wir durften nur diesen hilflosen kleinen Splitter benutzen. Das hatte Sir Owain klargemacht, als wir ein zweites Mal über den Weitsprecher verhandelten. »Wenn Ihr es wünscht, de Tourneville, dann empfangen wir Euch zu einem Gespräch. Aber Ihr müßt alleine kommen, in einem gewöhnlichen Rettungsboot und unbewaffnet. Oh, nun gut. Euren Pfaffen könnt Ihr mitnehmen. Ich werde Euch sagen, welche Bahn Ihr steuern müßt. An einem bestimmten Punkt dieser Bahn wird mein Schiff Euch erwarten. Wenn meine Teleskope und Detektoren irgendein Zeichen von Verrat an Euch entdecken, begebe ich mich sofort nach Wersgorixan.«

Wir beschleunigten unsere Fahrt, und das Schweigen wurde immer dicker. Einmal wagte ich zu sagen: »Wenn Ihr beide euch versöhnen könnt, macht das unserem Volk neuen Mut. Ich glaube, dann wären wir wahrhaft unbe­siegbar.«

»Catherine und ich?« bellte Sir Roger.

»Nun, ich. ich. ich meinte Euch und Sir Owain.« stammelte ich. Aber dann offenbarte sich mir die Wahrheit: Ich hatte in der Tat an die Lady gedacht. Owain an sich war nichts. Sir Roger war derjenige, auf dem unser ganzes Schicksal ruhte. Und doch konnte er nicht mehr lange weitermachen, getrennt von ihr, die seine Seele besaß.

Sie und die Kinder, die sie zusammen hatten, waren der Grund, weshalb er so kläglich zu Owain betteln ging.

Immer weiter hinaus führte unser Flug. Der Planet schrumpfte hinter uns zu einer kleinen Münze zusammen. Ich hatte mich noch nie so allein gefühlt, nicht einmal, als wir zum erstenmal unsere Erde verließen.

Aber endlich wurden einige der vielen Sterne verdun­kelt. Ich sah die schlanke schwarze Gestalt des Raum­schiffs vor uns heranwachsen, als es seine Geschwindig­keit der unseren anpaßte. Wir hätten von Hand eine Bombe werfen und es zerstören können. Aber Sir Owain wußte sehr wohl, daß wir dies nie tun würden, solange Catherine und Robert und Matilda an Bord waren. Und dann klirrte eine Magnettrosse gegen unseren Rumpf. Die Schiffe wurden zueinander gezogen, Portal an Portal, ein kalter Kuß. Wir öffneten unsere eigenen Tore und warte­ten.

Branithar selbst trat durch das Tor. Sieg flammte in ihm. Er zuckte zurück, als er Sir Rogers Schwert und Dolch sah. »Ihr solltet keine Waffen tragen!« schnarrte er.

»Oh? O ja. Ja.« Der Baron blickte stumpf auf sein Schwert und den Dolch.

»Ich hätte nie gedacht. die sind wie meine Sporen, Insignien dessen, was ich bin. nicht mehr.«

»Übergebt sie«, sagte Branithar.

Sir Roger schnallte beide los und reichte sie dem Wersgor in den Scheiden. Branithar gab sie an einen anderen Blauen weiter und untersuchte uns dann beide persönlich. »Keine verborgenen Waffen«, entschied er. Ich spürte, wie mir die Wangen von der Beleidigung brannten, aber Sir Roger schien es kaum zu bemerken. »Gut«, sagte Bra­nithar, »folgt mir.«

Wir gingen einen Korridor hinunter zu der Salon­kabine. Sir Owain saß hinter einem Tisch aus eingeleg­tem Holz. Er selbst wirkte feierlich im schwarzen Samt, aber an der Hand, die auf einer Feuerpistole vor ihm ruhte, blitzten Juwelen. Lady Catherine trug eine graue Robe und ein Kopftuch. Eine Haarlocke hatte sie überse­hen, sie fiel ihr wie loderndes Feuer in die Stirn.

Sir Roger blieb gleich hinter der Kabinentür stehen. »Wo sind die Kinder?« sagte er.

»Sie sind in meinem Schlafgemach bei den Zofen.« Seine Frau sprach wie eine Maschine. »Es geht ihnen gut.«

»Setzt Euch, Sire«, drängte Sir Owain. Sein Blick huschte durch den Raum. Branithar hatte das Schwert und den Dolch abgelegt und stand zu seiner Rechten. Der andere Wersgor und ein dritter, der hier gewartet hatte, standen mit verschränkten Armen am Eingang hinter uns. Ich vermutete, daß sie der Arzt und die Navigator wären, die Sir Owain erwähnt hatte; die beiden Kano­niere mußten in ihren Türmen auf Station sein, der Pilot am Steuer, falls irgend etwas geschah. Lady Catherine stand wie ein Wachsbild zu Sir Owains Linken an der hinteren Wand.

»Ihr verübelt es mir nicht, hoffe ich«, sagte der Ruch­lose. »In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt.«

Catherine hob die Hand, um zu protestieren. »Nur im Krieg.« Sie war kaum zu hören. Ihre Hand fiel wieder herunter.

Sir Roger und ich blieben stehen, wo wir waren. Er spuckte auf das Deck.

Owains Gesicht rötete sich. »Schaut«, rief er aus, »wir wollen uns nicht über gebrochene Gelöbnisse streiten. Eure eigene Position ist mehr als zweifelhaft. Ihr habt Euch das Recht angemaßt. Adelige aus Bauern und Skla­ven zu machen, Lehen zu verteilen und mit ausländischen Königen zu verhandeln. Nun, wenn Ihr könntet, würdet Ihr Euch sogar zum König machen! Was wäre dann aus Eurem Lehenseid gegenüber Edward geworden?«

»Ich habe ihm kein Leid getan«, antwortete Sir Roger mit stockender Stimme. »Wenn ich je Terra finde, werde ich meine Eroberungen seinem Reich hinzufügen. Bis zu der Stunde müssen wir irgendwie zurechtkommen, und ich habe keine andere Wahl, als unser eigenes Feudal­system zu errichten.«

»Das mag bisher der Fall gewesen sein«, räumte Sir Owain ein. Jetzt lächelte er wieder. »Aber Ihr solltet mir danken, Roger, daß ich Euch diese Notwendigkeit genommen habe. Wir können nach Hause zurückkeh­ren!«

»Als Wersgorvieh?«

»Ich denke nicht. Aber setzt Euch, Ihr beiden. Ich werde Wein und Kuchen bringen lassen. Ihr seid jetzt meine Gäste, müßt Ihr wissen.«

»Nein. Ich werde mit Euch nicht das Brot brechen.«

»Dann werdet Ihr verhungern«, sagte Sir Owain vergnügt.

Sir Roger wurde wie Stein. Zum erstenmal fiel mir auf, daß Lady Catherine ein Halfter trug, aber daß es leer war. Owain mußte ihr unter irgendeinem Vorwand die Waffe abgenommen haben. Jetzt war er allein bewaffnet.

Er wurde ernst, als er unsere Gesichter sah, »Mylord«, sagte er, »als Ihr anbotet, hierherzukommen, um zu verhan­deln, konntet Ihr nicht erwarten, daß ich eine solche Gele­genheit ausschlagen würde. Ihr werdet bei uns bleiben.«

Catherine zuckte zusammen. »Owain, nein!« rief sie. »Ihr habt mir nie gesagt. Ihr sagtet, er könnte das Schiff verlassen, wenn.«

Er wandte ihr sein fahles Profil zu und sagte mit sanfter Stimme: »Überlegt doch, Mylady. War es nicht Euer höchster Wunsch, ihn zu retten? Aber Ihr habt geweint, habt gefürchtet, sein Stolz würde nie zulassen, daß er nachgibt. Jetzt ist er ein Gefangener. Euer Wunsch ist erfüllt. All die Unehre lastet auf mir. Ich trage diese Last leicht, da es um meiner Lady willen ist.«

Sie zitterte so, daß ich es sehen konnte. »Ich war daran nicht beteiligt, Roger«, klagte sie. »Ich hatte mir nie vor­gestellt.«

Ihr Mann sah sie nicht an. Seine Stimme hackte ihre Worte ab. »Was habt Ihr vor, Montbelle?«

»Diese neue Situation hat mich mit neuer Hoffnung erfüllt«, antwortete der andere Ritter. »Ich gestehe, daß es mir nie große Freude bereitete, mit den Wersgorix zu ver­handeln. Jetzt ist dies nicht mehr nötig. Wir können direkt nach Hause fliegen. Die Waffen und die Kisten mit Gold an Bord dieses Schiffes werden mir soviel einbrin­gen, wie ich besitzen will.«

Branithar, der einzige Nichtmensch in der Kabine, der sein Englisch verstand, bellte: »Hoi, und was wird aus mir und meinen Freunden?«

Owain antwortete kühl: »Warum solltet ihr uns nicht begleiten? Ohne Sir Roger de Tourneville wird die Sache der Engländer bald zusammenbrechen. Ihr habt also eure Pflicht gegenüber eurem Volk getan. Ich habe eure Art zu denken studiert — ein besonderer Ort hat für euch nichts zu bedeuten. Wir werden unterwegs ein paar Frauen eurer Rasse mitnehmen. Als meine getreuen Vasallen könnt ihr auf Terra ebensoviel Macht und Land gewinnen wie sonstwo; eure Nachkommen werden den Planeten mit mir teilen. Zugegeben, ihr opfert ein gewisses Maß an gewohntem Umgang, andererseits gewinnt ihr ein Maß an Freiheit, das eure eigene Regierung euch nie gestattet hat.«

Er hatte die Waffen. Dennoch glaubte ich, daß Branithar sein Argument akzeptierte und daß sein langsames, zustimmendes Murmeln ehrlich gemeint war.

»Und wir?« hauchte Lady Catherine.

»Ihr und Roger sollt Euren Sitz in England haben«, gelobte Sir Owain. »Ich werde noch einen in Winchester hinzufügen.«

Vielleicht meinte er es ebenfalls ehrlich. Oder vielleicht glaubte er auch, sobald er einmal Herr Europas war, könnte er mit ihrem Mann und ihr tun, was er wollte. Ich sah sie plötzlich von Träumen umwölkt. Sie sah Sir Roger an, lächelte und weinte zugleich. »Geliebter, wir können wieder nach Hause zurück!«

Er sah sie an, einmal. »Aber was ist mit den Leuten, die wir hierherführten?« fragte er.

»Nein, ich kann es nicht riskieren, sie mitzunehmen.« Sir Owain zuckte die Achseln. »Sie sind ohnehin von nie­derer Geburt.«

Sir Roger nickte.

»Ah«, sagte er. »So.«

Noch einmal sah er seine Frau an. Dann trat er nach hinten aus. Der Sporn seiner Ritterschaft traf den Leib des Wersgor hinter ihm. Er riß ihn nach unten.

Dann ließ er sich fallen und rollte über das Deck. Sir Owain schrie und sprang auf. Seine Waffe schleuderte einen Feuerstrahl — er verfehlte sein Ziel. Der Baron war zu schnell, griff nach oben, packte den anderen verstör­ten Wersgor und zog ihn herunter, über sich. Der zweite Feuerstrahl traf den lebenden Schild.

Sir Roger stemmte die Leiche hoch, erhob sich und warf sich in einem mächtigen Satz nach vorne. Owain hatte Zeit für einen letzten Schuß, der das tote Fleisch ver­kohlte. Dann warf Roger die Leiche über den Tisch, dem anderen Manne ins Gesicht.

Owain ging darunter zu Boden. Sir Roger schnappte nach seinem Schwert. Branithar hatte bereits die Hand darauf. Statt dessen erwischte Sir Roger den Dolch. Er blitzte aus der Scheide. Ich hörte das klatschende Geräusch, als er ihn durch Branithars Hand in den Tisch trieb, bis zum Heft.

»Wartet dort auf mich!« schrie Sir Roger. Er zog das Schwert. »Hurra! Mit Gott und Gerechtigkeit!«

Sir Owain hatte sich von der toten Last befreit und hielt immer noch die Waffe in der Hand. Ich fand mich ihm gegenüber auf der anderen Tischseite. Er zielte mit­ten auf den Leib des Barons. Ich versprach den Heiligen viele Kerzen und schlug dem Verräter meinen Rosenkranz über das Handgelenk. Er heulte. Die Waffe entfiel seiner Hand und rutschte über den Tisch. Sir Rogers Schwert pfiff. Owain war gerade noch schnell genug, um auszu­weichen. Der Stahl krachte ins Holz. Sir Roger hatte einen Augenblick Mühe, ihn wieder herauszuziehen. Die Feuerwaffe lag auf dem Deck. Ich stürzte mich darauf. Ebenso Lady Catherine, die um den Tisch herumgerannt war. Wir stießen mit den Köpfen zusammen. Als ich wie­der bei Sinnen war, saß ich auf dem Boden, und Roger jagte Owain zur Tür hinaus.

Catherine schrie.

Roger blieb stehen, als hielte ihn eine Schlinge fest. Sie erhob sich mit wirbelnden Gewändern. »Die Kinder, Mylord! Sie sind achtern, in der Schlafkammer — wo die Extrawaffen sind.«

Er fluchte und rannte hinaus. Sie folgte ihm. Ich rap­pelte mich etwas benommen auf, die Waffe, die sie beide vergessen hatten, in der Hand. Branithar fletschte die Zähne. Er zerrte an dem Messer, das ihn festnagelte, aber das ließ sein Blut nur noch schneller fließen. Ich kam zu dem Schluß, daß er hier in Sicherheit war. Meine Auf­merksamkeit galt anderem. Der Wersgor, dem mein Mei­ster den Bauch aufgeschlitzt hatte, lebte noch, würde dies aber nicht mehr lange tun. Ich zögerte einen Augen­blick. wo lag meine Pflicht, bei meinem Herrn und sei­ner Lady oder bei einem sterbenden Heiden?. Ich beugte mich über das verzerrte Gesicht. »Vater«, stöhnte er. Ich weiß nicht, wen er anrief, aber ich führte ihn durch die wenigen Riten, die die Umstände gestatteten, und hielt ihn, während er starb. Ich bete, daß er es wenigstens ins Fegefeuer geschafft hat.

Sir Roger kam zurück und wischte sein Schwert ab. Er grinste über das ganze Gesicht, und ich habe selten soviel Freude in einem Mann gesehen. »Der kleine Wolf!« strahlte er. »Ja, wahrhaftig. Normannenblut bleibt Nor­mannenblut!«

»Was ist geschehen?« fragte ich und erhob mich in mei­ner besudelten Kutte.

»Owain ist gar nicht zu den Waffen gelaufen«, erklärte Sir Roger. »Er muß statt dessen nach vorne gerannt sein. zum Kontrollturm. Aber die anderen Matrosen, die Kanoniere, hatten den Kampf gehört. Wahrscheinlich dachten sie, jetzt sei ihre Chance gekommen, und so lie­fen sie, um sich zu bewaffnen. Ich sah einen von ihnen durch die Boudoirtüre laufen. Der andere war dicht hin­ter ihm, mit einem langen Schraubenschlüssel bewaffnet. Ich sprang ihn mit dem Schwert an, aber er kämpfte gut, ich brauchte eine Weile, um ihn zu töten. Unterdessen verfolgte Catherine den ersten und kämpfte mit bloßen Händen gegen ihn, bis er sie niederschlug. Diese hühnerköpfigen Zofen konnten nichts, als sich ducken und schreien, wie erwartet. Aber dann! Hör zu, Bruder Par­vus! Mein Sohn Robert öffnete die Waffenkiste, holte eine Pistole heraus und tötete jenen Wersgor ebenso sau­ber, wie Red John das geschafft hätte. Oh, dieser kleine Teufel!«

Meine Lady trat ein. Ihre Zöpfe hingen lose herunter, und eine ihrer Wangen war purpurfarben. Aber sie sagte so unpersönlich wie jeder Sergeant, der einen Auftrag als ausgeführt meldet: »Ich habe die Kinder beruhigt.«

»Die arme kleine Matilda«, murmelte ihr Mann. »War sie sehr verstört?«

Lady Catherine blickte verärgert. »Sie wollten beide mitkämpfen!«

»Wartet hier«, sagte er. »Ich kümmere mich um Owain und den Piloten.«

Sie atmete tief. »Muß ich mich immer verstecken, wenn mein Herr sich in Gefahr begibt?«

Er blieb stehen und sah sie an. »Aber ich dachte.« begann er seltsam hilflos.

»Daß ich Euch bloß verraten habe, um nach Hause zurückzukehren? Ja.« Sie starrte aufs Deck. »Ich glaube, Ihr werdet mir dafür Vergebung gewähren, lange bevor ich selbst mir verzeihen kann. Und doch tat ich, was mir das beste schien... auch für Euch. ich war verwirrt. Es war wie ein Fiebertraum. Ihr hättet mich nicht so lange allein lassen sollen, Mylord. Ihr habt mir so gefehlt.«

Er nickte sehr langsam. »Ich bin es, der um Vergebung bitten muß«, sagte er. »Gott möge mir genügend Jahre gewähren, um Euer würdig zu werden.«

Dann umfaßte er ihre Schultern. »Aber bleibt hier. Es ist nötig, daß Ihr jenes Blaugesicht bewacht. Wenn ich Owain und den Piloten töten sollte.«

»Tut das!« rief sie in einer Aufwallung von Wut.

»Lieber nicht«, sagte er mit demselben Sanftmut, den er ihr gegenüber an den Tag gelegt hatte. »Wenn ich Euch ansehe, kann ich ihn nur zu gut verstehen. Aber wenn es ganz schlimm kommt, kann auch Branithar uns nach Hause führen. Bewacht ihn also.«

Sie nahm mir die Waffe ab und setzte sich. Der festge­nagelte Gefangene stand starr da.

»Komm, Bruder Parvus«, sagte Sir Roger. »Vielleicht brauche ich dein Geschick im Umgang mit Worten.«

Er trug sein Schwert und hatte eine Feuerpistole aus der Waffenkiste in seinen Gürtel gesteckt. Wir gingen durch einen Korridor, eine Rampe hinauf und zum Kon­trollraum. Seine Tür war verschlossen, von innen ver­riegelt.

Sir Roger schlug mit dem Schwertknauf dagegen. »Ihr beide dort drinnen!« schrie er. »Ergebt euch!«

»Und wenn wir es nicht tun?« hallte Owains Stimme schwach durch die Tür.

»Wenn nichts anderes«, sagte Roger ruhig, »werde ich die Maschinen zerstören und in meinem eigenen Boot abfliegen und Euch treiben lassen. Aber seht, ich habe mich frei gemacht von Groll. Alles ist zum Besten ausge­gangen, und wir werden in der Tat nach Hause zurück­kehren — nachdem diese Sterne für Engländer sicher gemacht sind. Ihr und ich waren einmal Freunde, Owain. Gebt mir wieder Eure Hand. Ich schwöre, daß kein Leid über Euch kommen soll.«

Schweigen lastete schwer.

Bis der Mann hinter der Türe sagte: »Ja. Ihr habt nie einen Eid gebrochen, oder? Nun gut, kommt, Roger.«

Ich hörte, wie der Riegel zurückgeschoben wurde. Der Baron legte seine Hand auf die Tür. Ich weiß nicht, was mich veranlaßte zu sagen: »Wartet, Sire!« und mich selbst, ungeachtet der schlechten Manieren, vor ihn zu schieben.

»Was ist?« Er blinzelte verwirrt.

Ich öffnete die Tür und trat über die Schwelle. Zwei Eisenstangen schmetterten auf meinen Kopf hernieder.

Der Rest dieses Abends muß notwendigerweise nach dem Hörensagen berichtet werden, denn ich sollte erst in einer Woche wieder zu Sinnen kommen. Ich brach blutüberströmt zusammen, und Sir Roger hielt mich für tot.

In dem Augenblick, in dem sie sahen, daß sie nicht den Baron erwischt hatten, griffen Owain und der Pilot ihn an. Sie waren mit zwei Stahlträgem bewaffnet, die sie losgeschraubt hatten, so lang und so schwer wie Schwer­ter. Sir Rogers Stahl blitzte. Der Pilot warf seine Keule hoch. Die Klinge glitt in einem Funkenregen ab. Sir Roger heulte, daß es von den Wänden widerhallte: »Ihr Mörder der Unschuld...« Sein zweiter Hieb schlug die Stange aus einer taub gewordenen Hand. Bei seinem dritten Hieb sprang der blaue Schädel von seinen Schultern und hüpfte die Rampe hinunter.

Catherine hörte den Lärm. Sie ging zu Salontür und blickte nach vom, als könnte der Schrecken ihren Blick schärfen, um die Wände, die dazwischenlagen, zu durch­dringen. Branithar biß die Zähne zusammen. Er packte den Dolch mit seiner freien Hand. Muskeln schwollen an seiner Schulter an. Nur wenige Männer hätten jene Klinge herausziehen können, aber Branithar schaffte es.

Meine Lady hörte den Lärm und wirbelte herum. Bra­nithar kam gerade um den Tisch herum. Seine rechte Hand hing herunter, mit Blut überströmt, aber in seiner Linken blitzte das Messer.

Sie hob die Waffe. »Zurück!« schrie sie.

»Legt das weg«, sagte er geringschätzig. »Ihr würdet nie schießen. Ihr habt nie genug Sterne auf Terra gesehen und sie Euch gemerkt. Wenn am Bug irgend etwas schiefgeht bin ich Eure einzige Garantie für die Heimkehr.«

Sie blickte in die Augen des Feindes ihres Mannes und schoß ihn tot. Dann rannte sie zum Turm.

Sie Owain Montbelle war in jene Kammer zurückge­taumelt. Er konnte die schiere Wut von Sir Rogers Angriff nicht abwehren. Der Baron zog die Pistole. Owain schnappte sich ein Buch und hielt es vor seine Brust.

»Seid vorsichtig!« keuchte er. »Dies ist das Logbuch des Schiffes. Es enthält die Notizen über Terras Position. Es gibt keine anderen.«

»Ihr lügt. Da ist noch Branithar.« Nichtsdestoweniger steckte Sir Roger die Waffe in den Gürtel zurück und trat vor. »Es schmerzt mich, sauberen Stahl mit Eurem Blut zu beflecken. Denn Ihr habt Bruder Parvus getötet und werdet jetzt sterben.«

Owain richtete sich auf. Die Stange, die er in der Hand hielt, war eine schwerfällige Waffe. Aber er hob den Arm und warf. Sie traf Roger an der Stirn, und dieser taumelte zurück. Owain sprang, riß die Pistole aus dem Gürtel des Benommenen und wich einem schwachen Schwerthieb aus. Er entkam, schrie seinen Triumph hinaus. Roger tau­melte auf ihn zu. Owain zielte.

Catherine erschien unter der Tür. Ihre Pistole flammte. Das Buch ihrer Reise verschwand in Rauch und Asche. Owain schrie auf. Kühl feuerte sie erneut, und er stürzte.

Sie warf sich in Rogers Arme und weinte. Er tröstete sie. Und doch frage ich mich, wer von beiden dem ande­ren mehr Stärke verlieh.

Nachher sagte er betrübt: »Ich fürchte, wir haben unklug gehandelt. Jetzt ist der Weg nach Hause in der Tat verloren.«

»Es macht nichts«, flüsterte sie. »Wo Ihr seid, ist Eng­land.«

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