25

»Dort«, sagte ich. »Das ist es.« Ich deutete auf das Blau und Gelb der fernen Zelte, die in einem flachen Tal sichtbar wurden, etwa einen halben Pasang von der Südstraße entfernt. Daneben standen Käfige und von Palisadenzäune umschlossene Gehege und Sklavenwagen. Am späten Vormittag hatten wir uns bei einem mürrischen Bewaffneten nach dem Weg erkundigt. Er führte zwei gefesselte Mädchen in die Richtung, die auch wir eingeschlagen hatten. Wenig später war ein Tarnflieger über uns dahingehuscht, vier Sklavinnen an den Sattelringen. Nun standen wir auf einem Hügelkamm im Schatten mehrerer Ka-la-na-Bäume. »Das Lager Tenalions.«

»Ja, Herr«, erwiderte sie.

Ich blieb einen Moment lang stehen und ließ die Szene auf mich wirken.

»Glaubst du, ich werde eine gute Sklavin abgeben, Herr?« fragte sie.

»Ja.«

»Glaubst du, ich werde einen guten Preis erbringen?«

»Du bist eine freie Frau und noch untrainiert.«

Sie warf den Kopf in den Nacken. »O doch, ich werde einen guten Preis erzielen. Dafür werden schon die Männer aus Vonda sorgen, die Freier, die ich früher abgewiesen habe.«

Ich lachte sie aus.

»Ich will versuchen, meinen Herren zu gefallen«, flüsterte sie.

»Komm, es wird Zeit, das Lager aufzusuchen.«

Wir betraten das Lager des Tenalion.

Hier und dort gingen Sklavinnen ihren Pflichten nach; sie trugen kurze Tuniken und Metallkragen. Sie betrachteten Lady Florence, die in meiner Begleitung war, als neues Mädchen. Beim Eintritt mußten wir zwei Wächter passieren, die ihr bewundernde Blicke zuwarfen. Dies ermutigte mich. Es waren Helfer eines Sklavenhändlers, die bei den meisten Mädchen im Lager freie Wahl hatten. »Hier entlang«, sagte ich zu Lady Florence und führte sie in die Mitte des Lagers. Ich roch ein Feuer, in dem vermutlich die Brandeisen heißgemacht wurden. Ich sah Mädchen in Käfigen und Gehegen. Ich sah zwei Krieger aus feindlichen Lagern: einer kam aus Ar, der andere aus Cos. Sie unterhielten sich über irgend etwas. Im Lager des Tenalion herrschte Waffenstillstand. An einer anderen Stelle wurden Mädchen auf einen Sklavenwagen geladen und mit einer Plane abgesichert. Ein anderer Wagen, leer, näherte sich dem Lager.

»Stell dich hinten an«, sagte ein Helfer des Sklavenhändlers vor der Ankaufsplattform.

Ich reihte mich ein und hielt Lady Florence neben mir fest.

Wir hörten ein Mädchen schreien, das von einem Brandeisen berührt wurde. »Ein guter Fang«, sagte der Mann vor mir und deutete mit der Kopfbewegung auf Lady Florence.

»Nicht uninteressant«, sagte ich und betrachtete die wohlgerundete dunkelhaarige Schönheit, die neben ihm kniete. »Hervorragend«, lobte ich.

»Du da!« sagte eine Stimme. Ein Sklavenhelfer näherte sich. Hinter ihm sah ich Tenalion auf der Ankaufplattform sitzen. Er unterbrach seine Tätigkeit und schaute mich an.

»Du bist Jason, der Kampfsklave, nicht wahr?« fragte der Mann, der vor mir stehengeblieben war. Sein Oberkörper war nackt, wie der Tenalions. Er trug ein blaugelbes Armband. In der rechten Hand hielt er eine zusammengerollte Peitsche. Ich erkannte ihn. Es war Ronald. Er hatte seinen Arbeitgeber in das Haus der Lady Florence begleitet.

»Ich bin Jason, der freie Mann«, antwortete ich.

»Jason!« rief Tenalion von der Plattform. »Bring deinen Fang herauf!«

Ich trat vor und zerrte Lady Florence mit. Gleich darauf stand sie zitternd auf der Plattform.

»Du bist jetzt frei, Jason?« fragte Tenalion.

»Ja«, sagte ich. Ich war vor der Plattform stehengeblieben.

Tenalion wandte sich einer dunkelhaarigen Frau zu, die mit gesenktem Kopf vor ihm gestanden hatte, und stieß sie fort. »Zehn Kupfer-Tarsks«, sagte er zu einem Schreiber an einem kleinen Tisch im Hintergrund. Der Mann zählte die Münzen ab und gab sie einem Mann, der vor ihm stand.

Nun wandte sich Tenalion der anderen Frau zu, einer brünetten Schönheit, die zu zittern begonnen hatte.

»Was hätten wir denn da?« fragte er mich.

»Eine Frau, wenn du sie kaufen magst«, antwortete ich.

»Steh gerade!« befahl er und legte ihr die Hand unter das Kinn. »Wie heißt du?« fragte er.

»Ich bin Lady Florence aus Vonda«, antwortete sie.

»Warum bist du in mein Lager gebracht worden?«

»Um als Sklavin verkauft zu werden«, antwortete sie und musterte ihn mit Tränen in den Augen.

»Was willst du für sie haben?« fragte er mich.

Ich hatte nichts gegen Tenalion, aber ich brauchte Geld und nahm mir vor, einen unmöglichen Preis zu fordern, von dem ich mich dann notfalls noch sehr herunterhandeln lassen konnte. »Fünf Silber-Tarsks«, sagte ich kühn.

»Gib ihm zehn!« sagte Tenalion zu seinem Schreiber. »Legst du Wert auf deine Fessel und den Kragen?«

»Nein.«

Daraufhin stieß er Lady Florence von der Plattform. Sie wurde von einem seiner Helfer in Empfang genommen und fortgeführt. Sie warf mir einen letzten beschwörenden Blick zu und war fort.

»Was gedenkst du mit soviel Geld anzufangen?« wollte Tenalion von mir wissen.

»Ich suche ein Mädchen«, antwortete ich. »Ich kannte sie früher auf einer fernen Welt, die Erde heißt.«

»Eine Sklavin?«

»Ja«, gab ich zurück. »Das arme Mädchen ist in die Sklaverei geraten.«

»Eine hoffnungslose Aufgabe«, sagte er. »Auf Gor tragen viele Mädchen den Kragen.«

»Sie heißt Beverly Henderson«, sagte ich.

Tenalion lächelte. Sie konnte inzwischen jeden anderen Namen tragen. Sie mochte überall sein. Wollte ich sie in jeder Stadt, in jedem Dorf dieses Planeten suchen, in jedem Gebäude oder Zelt oder Boot? In welchen Winkel mochte sie verschlagen worden sein?

»Ich rechne nicht mit Schwierigkeiten«, sagte ich. »Ich kenne ihren Besitzer, einen Kaufmann namens Oneander aus deiner Heimatstadt, dem herrlichen Ar.«

»Einige Mädchen Oneanders befinden sich gerade jetzt in diesem Lager«, sagte er.

»Vielleicht ist die Gesuchte darunter.«

»Erdenmädchen haben wir nicht dabei«, bemerkte er.

»Dürfte ich sie mir trotzdem ansehen? Und ausfragen?«

»Selbstverständlich«, sagte er. Er begab sich zu dem Schreiber und sah einige Papiere durch. »Sie sind ausnahmslos in Gehege zwei«, sagte er. »Bezahl ihn!« wies er den Schreiber an. Der Mann reichte mir zehn Silber-Tarsks, eine gewaltige Summe. »Gib mir deine Peitsche«, sagte Tenalion zu seinem Helfer. »Du machst hier weiter.«

»Die nächste!« rief der Mann, und ein neues Mädchen betrat die Plattform.

Ich folgte Tenalion zu einem widerstandsfähig gebauten Gehege. Ein Wächter öffnete ihm das Tor, und Tenalion trat ein und ließ die Peitsche ertönen. Die Mädchen kauerten sich in einer Ecke zusammen.

»217, 218 und 219«, sagte Tenalion und zeigte mir die Mädchen. »Hierher und niederknien!«

Drei Mädchen eilten schluchzend herbei und gehorchten.

»Diese Mädchen kommen von Oneander«, erklärte Tenalion. »Sie wurden vor mehreren Tagen in der Nähe Vondas verkauft.«

Ich erkannte sie nicht, aber zweifellos besaß ein Mann wie Oneander viele Mädchen.

»Warum wurdet ihr verkauft?« fragte ich sie.

»Das wissen wir nicht«, sagte ein Mädchen bedrückt.

»Oneander ist Salz- und Lederhändler. Ich kenne ihn. Er trieb lebhaften Handel mit Vonda. Wie du dir denken kannst, haben seine Geschäfte in den letzten Monaten sehr gelitten.«

»Ob er wohl schnell Bargeld benötigt hat?«

»Ich könnte es mir denken«, meinte Tenalion.

»Wo steckt Beverly Henderson?« fragte ich die Mädchen.

»Wir kennen sie nicht«, antwortete ein Mädchen angstvoll.

»Die Frau Beverly? Die Sklavin Beverly?«

»Wir kennen sie nicht.«

»Sie ist klein und dunkelhaarig und von erlesener Schönheit«, fuhr ich fort.

»Veminia?« fragte eines der Mädchen.

»Sie kommt von der Erde«, sagte ich.

»Veminia!« bestätigte ein zweites Mädchen.

»Ja«, sagte ich.

»Das Mädchen, das angekettet von einem Markt in Vonda zu uns kam?« fragte die dritte.

»Das muß sie sein«, sagte ich. »Wo ist sie?«

»Wissen wir nicht.«

Ich stieß einen zornigen Schrei aus, und Tenalion hob die Peitsche.

»Wir wissen es nicht!« rief das erste Mädchen und kauerte sich zusammen.

»Ist sie mit euch zusammen verkauft worden?« fragte ich.

»Nein, Herr!«

»Wo ist Oneander jetzt?«

»Das wissen wir nicht!« rief das erste Mädchen weinend. »Bitte peitsche uns nicht aus!«

»Wo vermutet ihr ihn?«

»Er wollte nach Ar zurückkehren«, sagte das erst Mädchen. »Vielleicht ist er dort.«

Mein Blick fiel auf Tenalion. »Ich vermute auch, daß er in Ar ist«, antwortete dieser. »Aber genau weiß ich es nicht.«

»Ich glaube nicht, daß ich die Sklavinnen weiter verhören muß«, sagte ich.

Tenalion nickte, und wir verließen das Gehege.

»Ich muß nach Ar«, sagte ich zu dem Sklavenhändler, als das Tor hinter uns geschlossen worden war. »Ich nehme an, die Gesuchte hält sich in der Stadt auf.«

»Mag sein«, sagte Tenalion.

Ich nickte. Miß Henderson war Sklavin. Es war natürlich möglich, daß sie verkauft worden war, einfach nur so. Sie konnte überall sein.

»Wir kehren in etwa zwei Monaten nach Ar zurück«, sagte Tenalion.

»Wie meinst du das?« fragte ich.

»Laß die Sklavin unterdessen, wo sie ist«, fuhr Tenalion fort und lächelte. »An dieser oder jener Sklavenkette wird sie zweifellos Sicherheit finden.«

»Ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Du bist ein kräftiger Bursche, Jason«, fuhr Tenalion fort. »Ich habe von dir gehört. Du hast sogar den berühmten Kampfsklaven Krondar besiegt. Ich könnte einen Mann wie dich gebrauchen. Bleib hier bei mir im Lager. Ich zahle gut. Außerdem hättest du unter den meisten Frauen hier deine freie Auswahl.«

»Tenalion ist großzügig«, antwortete ich, »und ich bin dir wirklich dankbar. Aber ich möchte so schnell wie möglich nach Ar aufbrechen.«

»Bist du wirklich so begierig, diese Frau nackt und angekettet zu deinen Füßen zu sehen?« fragte Tenalion.

Ich lächelte. Es erschien absurd, sich Miß Henderson so vorzustellen. Und doch war sie sehr attraktiv. Als Sklavin würde sie sich bestimmt nicht übel machen.

»Ich muß aufbrechen«, sagte ich.

»Es hält sich ein Tarnkämpfer im Lager auf«, sagte Tenalion. »Er heißt Andar und wird bald nach Ar aufbrechen. Er ist scharf auf Geld. Zweifellos ließe er sich für einen Silber-Tarsk überreden, dich nach Ar mitzunehmen.«

»Vielen Dank, Tenalion«, sagte ich.

»In drei Tagen«, fuhr er fort, »wirst du in Ar sein.«

»Ich bin dir dankbar.«

In diesem Moment gellte der Schrei einer Frau auf, die gebrandet wurde.

»Ist das Lady Florence?« fragte ich.

»Noch nicht«, antwortete er. »Es sind noch mehrere vor ihr an der Reihe. Hier muß sie warten, bis es soweit ist. Hier ist sie ein Mädchen unter vielen.« Er musterte mich. »Möchtest du zusehen, wie sie gebrandet und versklavt wird?«

»Nein«, antwortete ich, »sie ist nur ein Mädchen unter vielen.«

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