Hermann Bengtson

Römische Geschichte

Republik und Kaiserzeit bis 284 n. Chr.

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Altitalien - Einwanderung der Italiker und Etrusker - Die Griechische Kolonisation - Kampf mit Tarent und König Pyrrhos - Die Punischen Kriege - Römische Expansion - Philipp V. und Antiochos III. - Rom und der hellenistische Osten - Zerstörung Korinths und Karthagos - Die soziale Frage, die Gracchen und die Sklavenkriege - Jugurtha - Kimbern und Teutonen - Die Unruhen der marianischen Zeit - Mithridatischer Krieg, Bürgerkrieg, Sulla - Das Zeitalter des Gnaeus Pompejus - Caesar und die Eroberung Galliens - Caesars Diktatur - Octavian - Das Prinzipat- Das Imperium Romanum unter Augustus-die julisch-claudische Dynastie - Kultur der Hohen Römischen Kaiserzeit - Die flavische Dynastie - Nerva und Trajan - Hadrian und die griechische Renaissance - Die Antoninen - Commodus - Das severische Kaiserhaus - Die Krise

ISBN 3 406 02505 6 © C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Siebente, unveränderte Auflage, 1995


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Sonderausgabe (Vollständiger Text ohne Anmerkungen und Literaturverzeichnis) Die Originalausgabe liegt vor unter dem Titel:

«Grundriß der römischen Geschichte mit Quellenkunde Erster Band: Republik und Kaiserzeit bis 284 n. Chr.» im «Handbuch der Altertumswissenschaft» (Dritte Abteilung, Fünfter Teil,

Erster Band)

Aus: Handbuch der Altertumswissenschaft. Abt. 3, 5. Teil, Bd. l ISBN 3-406-02505-6

Inhalt

Vorwort

Die Römische Geschichte ist ein im wesentlichen unveränderter Abdruck des im «Handbuch der Altertumswissenschaft» erschienenen Werkes, das dort den Titel «Grundriß der römischen Geschichte mit Quellenkunde» führt. Der Verfasser hat jedoch zusätzlich einige Berichtigungen im Text vorgenommen, die in der Zwischenzeit notwendig geworden waren.

Auf das Kapitel über die neueren Forschungen zur römischen Geschichte, auf die Zwischenabschnitte über die Quellen und die moderne Forschung sowie auf den gesamten Anmerkungsapparat wurde jedoch in dieser Ausgabe verzichtet.

In der vorliegenden Form stellt das Buch einen kurzgefaßten Überblick über die Geschichte der römischen Republik und der römischen Kaiserzeit bis 284 n. Chr. dar; er wird, wie ich hoffe, den Lesern zur Information über die Ereignisse der römischen Geschichte sowie über den Stand der Forschung willkommen sein. Ist doch die Geschichte des alten Rom ein hervorragendes Beispiel für den Aufstieg eines Volkes, das sich viele Nationen in West und Ost unterworfen und sie mit römischer Kultur und Gesittung durchdrungen hat. Auf dem, was einst die Römer geschaffen haben, beruht noch heute die Kultur des Abendlandes.

Meinem Schüler Dr. Wolfgang Orth bin ich für seine Hilfe bei der Druckvorbereitung und bei den Korrekturen zu Dank verpflichtet.

München, im Herbst 1972 Hermann Bengtson


Italien, das Land und sein Name

«Italien ist nur ein geographischer Begriff»: dieses wenig schmeichelhafte Wort Metternichs hat für die mittelalterliche und neue Geschichte Italiens bis zu seiner Einigung unter der Krone Sardinien seine volle Berechtigung. Es paßt aber in gleicher Weise auch für das Altertum, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem es Rom gelungen ist, Italien unter seiner Hegemonie zusammenzuschließen. Dieser Vorgang hat sich im Altertum in einer Reihe von Etappen vollzogen. Wichtig ist das Jahr 338, in dem der Latinerkrieg mit einem Siege Roms beendet wurde, aber auch das Jahr 272, das den Sieg der Römer über Tarent und König Pyrrhos gesehen hat. Seit dem Ende des römischen Bundesgenossenkrieges (89 v. Chr.) reicht das römische Bürgerland (ager populi Romani) vom Arno und vom Aesis bis zur Straße von Messina. Erst unter dem zweiten Triumvirat (42 v. Chr.) ist auch Norditalien (Gallia Cisalpina) in das römische Bürgerland miteingeschlossen worden.

Roma caput mundi regit frena orbis rotundi: dieser Satz gilt nicht nur für das Mittelalter, sondern ebenso auch für das Altertum, er gilt aber auch für die römische Geschichtsschreibung. Die römischen Historiker haben nicht die Geschichte des alten Italiens, sondern die Geschichte Roms geschrieben, angefangen mit Fabius Pictor (um 200 v. Chr.) bis hin zu Tacitus (f um 120 n. Chr.). Die des M. Porcius Cato aus dem kleinen Latinerstädtchen Tusculum stehen hier ganz für sich.

Rom ist aber nicht Italien, und es wäre irrig, die Verhältnisse, die sich in Italien durch die römische Herrschaft seit dem 1. Punischen Kriege herausgebildet haben, für die Frühzeit vorauszusetzen. Das Gegenteil ist richtig. Die einzelnen Landschaften Italiens haben in der Frühzeit, teilweise auch noch in der Zeit der späten Republik und in der ersten Kaiserzeit, ein reges Eigenleben entfaltet, und Rom selbst, durch seine Lage keineswegs zur Hauptstadt der Halbinsel vorbestimmt, ist in diese Rolle erst allmählich hineingewachsen.

Der Name «Italia» ist von der äußersten Südspitze ausgegangen, er kommt von dem oinotrischen viteliu, «Rinderland». Vom Süden der Halbinsel, von Bruttium, ist der Name nach Norden gewandert; in der Zeit des Augustus bezeichnet er alles Land zwischen der Straße von Messina und den Alpen. Im frühen Mittelalter haftet der Name Italia vorzugsweise an dem heutigen Norditalien; so wird das Langobardenreich geradezu als Italia bezeichnet. Wegen seiner langen Küstenlinien ist Italien von jeher ein immer wieder von Einwanderern und Eroberern erstrebtes Land gewesen. Die Küsten waren gegen Seeräuber nur sehr schwer zu verteidigen, außerdem besaß die Halbinsel, vor allem im Westen, eine Reihe vorzüglicher Hafenplätze. Aber auch der Gebirgswall der Alpen ist immer von neuem von fremden Völkern überschritten worden. Im 2. Jahrtausend haben die Indogermanen den Boden Italiens betreten, nach ihnen die Etrusker, die Kelten, die Griechen, vorübergehend die Punier unter Hannibal, später das Volk der Kimbern, am Ende des Altertums die West- und Ostgoten, die Byzantiner und endlich die Langobarden. Norditalien ist des öfteren Kriegsschauplatz gewesen, hier liegen die großen Schlachtfelder des Kimbernkrieges, hier wurde im Vierkaiserjahr gekämpft (Schlachten bei Bedriacum), und an der Stelle von Hannibal verzeichnet die neuere Kriegsgeschichte die Namen Napoleons I. und Napoleons III.

Die großen landschaftlichen Unterschiede zwischen dem Norden, der Mitte und dem Süden des Landes existieren schon im Altertum, und ganz verschieden sind auch die Einflüsse, die die einzelnen Landschaften von außen her erfahren haben: der Süden und die Insel Sizilien stehen unter dem Zeichen der griechischen Kultur, die sich in Campanien mit dem etruskischen Element überschneidet. Das Gesicht der Landschaft der Toscana ist wesentlich durch das Rätselvolk der Etrusker geprägt worden, während in Norditalien ligurische, keltische und etruskische Elemente miteinander verschmolzen sind. Von großer Bedeutung für die Prägung des sozialen, aber auch des staatlichen Lebens ist in Italien, insbesondere im Süden, das Klima gewesen. Dabei wird hier allerdings vorausgesetzt, daß größere Klimaschwankungen und Veränderungen gegenüber der Gegenwart im Altertum nicht anzunehmen sind. Das sog. Halbinselitalien, d. h. jener Teil des Landes, der auf seiner ganzen Länge vom Apennin durchzogen wird, hat heiße, trockene Sommer, aber milde und niederschlagsreiche Winter. Anders steht es dagegen um das sog. festländische Italien, das Land zwischen dem Apennin und den Alpen, wo ein kontinentales Klima vorherrscht. Die Möglichkeit, bei der privaten und öffentlichen Arbeit sich im Freien zu betätigen, fördert den Gemeinschaftssinn und trägt zur Überwindung des Individualismus bei.

Die Lage Italiens zwischen Iberien und der Balkanhalbinsel hat zum Teil auch seine Geschichte geprägt. Die Beziehungen zu Griechenland sind allerdings unvergleichlich zahlreicher als jene zur iberischen Halbinsel, die in erster Linie nur für die Inseln, Sardinien und Korsika, von Bedeutung gewesen sind, und auch für diese nur in der frühesten Geschichte.

Die langgestreckte Halbinsel, deren Breite sich kaum viel über 200 km erstreckt, erhält ihr Gesicht durch die Konfiguration der Küsten, die insbesondere im Süden eine ganze Fülle von brauchbaren Landeplätzen aufweist. Die Flüsse dagegen haben keine allzu große Bedeutung, nicht einmal der Tiber und der Arno, die besonders im Frühjahr Hochwasser mit sich führen. Der ständigen Gefahr von Überschwemmungen ist man im wesentlichen erst in moderner Zeit Herr geworden, mit Ausnahme des Mündungsgebietes des Po, der mit seinen reißenden Nebenflüssen riesige Wassermengen mit sich führt. Seit der frühesten geschichtlichen Vergangenheit streben die

Flüsse danach, ihre Mündungen vorzuverlegen, so daß manche ehemalige Seestädte allmählich ins Binnenland gerückt sind: Aquileja, Atria, Pisa und andere.

Auch der eustatische Meeresanstieg hat an Italiens Küsten größere Veränderungen hervorgerufen. Städte, die früher an der Küste gelegen waren, mußten von ihren Bewohnern aufgegeben werden. Diese Vorgänge sind bisher im Zusammenhang noch nicht untersucht worden, obwohl sie für den historischen Ablauf der Geschichte Italiens von beträchtlicher Bedeutung gewesen sind.

Den Griechen erschien Italien als ein ausgesprochen nordisches Land, insbesondere als ein Waldland. Dieser Zustand hat sich heute stark verändert, obwohl man der Entwaldung und dem damit verbundenen Rückgang des Grundwassers durch Aufforstung zu begegnen sucht.

ERSTER ABSCHNITT DIE FRÜHZEIT UND DIE REPUBLIK


1. Altitalien bis zur Einwanderung der Nordvölker (Späteres 3. Jahrtausend bis etwa 1200 v. Chr.)

Eine Darstellung der italischen Frühgeschichte, die hier in kurzem Umriß geboten wird, erscheint deshalb notwendig, weil erst hierdurch eine wirkliche historische Kontinuität von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des Altertums hergestellt werden kann. Wenn auch die Vor- und Frühgeschichte im allgemeinen nicht das Arbeitsfeld des Althistorikers bildet, so muß dieser doch versuchen, die Ergebnisse der Nachbarwissenschaften in das gesamte Bild einzuordnen, selbst auf die Gefahr hin, daß seine Schlüsse über kurz oder lang durch die Fachwissenschaft widerlegt oder überholt werden. Eine Geschichte Roms und Italiens, die dies unterläßt, setzt sich dem Vorwurf aus, Entwicklungen zu ignorieren, die zum mindesten für die Herausbildung des italischen Volkstumes und der altitalischen Kultur von grundlegender Bedeutung gewesen sind. Allerdings handelt es sich hier um eine vorliterarische Epoche, aber wir leben nicht mehr im Zeitalter Mommsens, für den nur jene Fakten von Bedeutung waren, die durch historische Quellen im engeren Sinne bezeugt werden, durch die Inschriften und die antiken Schriftsteller. Natürlich muß es klar gesagt werden, daß es die italische Frühgeschichte mit Kulturen, nicht mit Völkern oder Volksstämmen, zu tun hat. Aber diese Kulturen sind insofern nicht ganz ohne historische Beziehungen, als sie mit verwandten Kulturkreisen in Verbindung stehen; dabei läßt es sich jedoch nicht immer feststellen, wer hier der Gebende und wer der Nehmende gewesen ist. Inwieweit es überhaupt möglich ist, gewisse Kulturen mit bestimmten Völkern in Zusammenhang zu bringen, ist eine andere Frage, die sich in den meisten Fällen nur aufwerfen, nicht aber beantworten läßt.

Die Bevölkerungsverhältnisse Italiens in der Stein-Kupferzeit,

d. h. vom späten 3. Jahrtausend bis gegen 1700 v. Chr., sind nahezu unbekannt. Welche völkischen Elemente für das Leben der Apenninhalbinsel bestimmend gewesen sind, ist ungeklärt. Anders steht es mit den gleichzeitigen Kulturen, die durch eine Reihe von Funden aus verschiedenen Teilen der Halbinsel und den Inseln Sizilien, Sardinien und Malta bekannt sind. Aus ihnen ergibt sich, daß die Apenninhalbinsel und die zu ihr gehörigen Inseln in der ausgehenden Jungsteinzeit (Neolithicum) und in der Stein-Kupferzeit (Äneolithicum), d. h. bis etwa 1700 v. Chr., in allerengstem Zusammenhang mit der mittelmeerländischen Zivilisation gestanden haben. Verbindungen zu Nordafrika und zum Balkan, aber auch zur iberischen Halbinsel liegen auf der Hand. Besonders eigenartig sind die großen Monumental-Bauten auf Sardinien und Malta. Sie gehören zwar verschiedenen Kulturen an, stehen aber beide in schneidendem Gegensatz zu der Entwicklung der späteren Zeit. Eine historische Erklärung kann hierfür nicht gegeben werden, doch ist die Möglichkeit nicht ganz auszuschließen, daß Bauformen des Orients als Vorbilder in Betracht kommen.

Über die einzelnen Kulturen der Stein-Kupferzeit sei hier nur so viel gesagt, daß für Oberitalien die Lagozza-Kultur und die etwas jüngere Remedello-Polada-Kultur, die letztere im Raum südlich des Gardasees, charakteristisch sind. Die Remedello- Polada-Kultur weist gewisse Verbindungen mit der Glockenbecher-Kultur Südfrankreichs und Böhmens auf. Die von namhaften Prähistorikern (Gordon Childe, Castillo) angenommene Ausbreitung der iberischen Glockenbecher- Kultur nach Oberitalien ist jedoch wenig wahrscheinlich.

Auch für Apulien, und zwar für die Kultur der dörflichen Siedlungen bei Matera - die Funde werden jetzt in den Museen von Matera und Tarent aufbewahrt -, sind Beziehungen zu auswärtigen Zivilisationen angenommen worden, insbesondere existieren Ähnlichkeiten zwischen der Matera-Keramik und derjenigen der Sesklo-Kultur in Thessalien, ja sogar zu der

Keramik von Tepe Mussian im Iran. Es muß sich hier jedoch wohl um Parallelentwicklungen handeln, auf jeden Fall ist die Annahme G. von Kaschnitz-Weinbergs, die Matera-Ware sei durch eingewanderte Töpfer hergestellt worden, ganz unwahrscheinlich. Wir befinden uns in der Mitte des 3. Jahrtausends, nicht im Zeitalter Solons.

Kretische Beziehungen verrät die etwa gleichzeitige Kultur Siziliens, die sog. Stentinello-Kultur vom Ende des 3. Jahrtausends, vor allem in der bemalten Keramik, aber auch die Doppelaxtsymbole, die man auf Sardinien gefunden hat, sind wohl kretischen Ursprungs.

Für Sardinien ist im übrigen die Zivilisation der Nuraghen charakteristisch, es sind Wehr- und Befestigungsanlagen, die teilweise zu richtigen Burgen erweitert und zu größeren Systemen zusammengeschlossen sind. Wenn es auch an ähnlichen, vergleichbaren Bauten im weiteren Raum der Mittelmeerländer nicht ganz fehlt - es sei hier nur an die Großbauten auf Malta und an die Wohnburgen in Palästina erinnert -, so sind diese Nuraghen doch eine sardische Eigentümlichkeit. Wir wissen nicht, wozu sie gedient haben. Man könnte daran denken, daß sie zum Schutz der metallreichen Insel errichtet worden sind.

Noch großartiger sind die Bauten auf Malta in der Jüngeren Steinzeit: es scheint sich um Tempel und Grabhöhlen, ausgestattet mit Malereien und Ornamenten, zu handeln. Woher die Insel die riesigen Mittel und die notwendige Zahl von Arbeitskräften für diese Monumentalbauten genommen hat, wird vorerst ein ungelöstes Rätsel bleiben.

Die Bronzezeit Italiens (etwa 1700-1200 v. Chr.). Mit der Bronzezeit tritt Italien in ein neues Zeitalter ein. In dieser Periode zeigen sich die ersten Spuren fremder Einwanderer, die wir als die Vorläufer der Italiker bezeichnen dürfen. Es ist wahrscheinlich, daß auf diese Einwanderer aus dem Norden die ersten Brandnekropolen zurückzuführen sind, die man in

Norditalien nachweisen kann. In dem Land nördlich des Apennin kommt es zur Ausbildung der Zivilisation der Terremare-Siedlungen, sie stellen eine norditalische Eigentümlichkeit dar.

Auch in dem Bronzezeitalter sind die Kontakte mit der Umwelt nicht abgerissen, im Norden und im Süden machen sich die Einflüsse von jenseits der Adria bemerkbar, Einflüsse, die aus dem bosnischen Raum, aber auch aus Thessalien hervorgegangen sind. Sizilien weist dagegen schon Beziehungen zur mykenischen Welt auf, sie sind wahrscheinlich auf Handelsverbindungen zurückzuführen. Ganz für sich steht, auch in der Bronzezeit, Sardinien, ein Zustand, an dem sich auch in den folgenden Jahrhunderten nichts geändert hat. In der Bronzezeit haben wir es mit zwei Kulturkreisen zu tun, dem padanischen Kreis, der sich vor allem auf die Po-Ebene und auf die ligurische Küste erstreckt, und mit dem Apenninkreis. Für den padanischen Kulturkreis sind drei Siedlungsformen bezeichnend, die sog. Pfahlbauten (palafitte) in der Zone der alpinen Seen im Norden, die Moordörfer (torbiere, «Torfgruben»), z. B. bei Vicenza, und an dritter Stelle, aber erst viel später, die Terremare-Siedlungen, am Nordabhang des Apenningebirges und in der heutigen Provinz Emilia.

Es kann als sicher gelten, daß diese drei verschiedenen Siedlungsformen nicht auf verschiedene völkische Elemente zurückzuführen sind, sie haben sich vielmehr auf Grund örtlicher Verschiedenheiten herausgebildet. Über die Bewohner läßt sich nur soviel sagen, daß sie der alpinen Rasse angehören. Von den drei Siedlungsarten sind die beiden ersten, die Pfahlbauten und die Moordörfer, auch im übrigen Europa verbreitet, allein die Terremare-Siedlungen sind eine Besonderheit Norditaliens. Der Begriff Terremare leitet sich her von terra marna, einem Dialektausdruck, der «fette Erde», «Komposterde» bedeutet; im übrigen nennen die italienischen Forscher diese Siedlungen auch «umwallte Pfahlbauten»

(palafitte arginate).

Bezeichnend für die Terremare-Hütten ist ihre Anlage auf einer Plattform, die ihrerseits auf Pfählen ruht. Es ist das Wahrscheinlichste, daß diese Siedlungen wegen der alljährlich wiederkehrenden Überschwemmungen angelegt worden sind, sie wurden von Wall und Graben umschlossen. Wohl das berühmteste Beispiel einer Terremare-Siedlung ist Castellazzo di Fontanellato, östlich von Piacenza, ferner Rovere di Caorso. Auf dem äußeren Bild der Terremare-Siedlung beruht die Hypothese, die manche Nachfolge gefunden hat, daß nämlich diese Siedlungen als Vorläufer des römischen Legionslagers anzusehen seien. Alles, was aus dem römischen Lager bekannt war, glaubte man in diesen Terremaren wiederzufinden, die Orientierung, den sulcus primigenius, cardo und decumanus. Es ist keine Frage, daß diese ingeniöse Verbindung reine Phantasie ist. Ein überzeugender Grund für die Entstehung und Herausbildung dieser eigentümlichen Siedlungen ist bisher nicht gefunden. Auch die von Leopold, von G. von Kaschnitz- Weinberg und anderen vorgetragene Vermutung, sie stünden mit der allmählichen Klimaverschlechterung in Italien in Zusammenhang, die sich insbesondere bei der Abholzung der Wälder am nördlichen Apennin bemerkbar gemacht habe, ist wenig wahrscheinlich.

Bemerkenswert ist die Veränderung der Bestattungssitten in der Po-Ebene in der Bronzezeit: anstatt des Begräbnisses findet sich jetzt die Verbrennung der Leichen. Eine derartige Änderung kann zwei Ursachen haben: sie kann auf einen scharfen inneren geistigen Bruch zurückzuführen sein, sie kann aber auch mit dem Kommen neuer Völker in Verbindung stehen, welche die neue Sitte mitgebracht haben. Friedhöfe mit Brandgräbern sind nun gerade in der Nähe von Terremare-Siedlungen gefunden worden; wenn die moderne Forschung ihre Zugehörigkeit zu diesen Siedlungen nicht für erwiesen hält, so scheint das Mißtrauen zu weit getrieben. Gehören aber diese Brandgräber zu den Terremaren, so würde man sie doch wohl auf transalpine Einwanderer zurückführen müssen (Pigorini). Die Frage, woher sie gekommen sind, bleibt offen, denkbar wäre als Heimat der Einwanderer etwa die Bodenseegegend oder die Ostschweiz. Gewisse Verbindungen mit Mitteleuropa sind auch sonst vorhanden, so kennt die Zivilisation der Terremaren bereits das Pferd, und zwar das gezähmte Pferd, das im altmediterranen Kulturkreise sonst unbekannt ist. Das zahme Pferd ist vielmehr im Donauraum und in Mitteleuropa zu Hause. Im übrigen erstrecken sich die Beziehungen über noch größere Entfernungen: auch Bernstein ist in den Terremaren gefunden worden, er stammt aus dem Samlande und ist auf dem Handelswege eingeführt worden, ebenso wie der Bernstein in den Gräbern der mykenischen Zeit in Griechenland.

Die Kultur des sog. Apenninkreises - der Name stammt von Ugo Rellini -, früher unter dem Namen der Extraterramaricoli bekannt, ist mit der mittelitalischen und süditalischen Grottenkultur gleichbedeutend. Ihre Fundplätze reichen von Tarent bis Bologna, sie sind zumeist in der Nähe der Adria gelegen. Verbindungen zwischen dem Apenninkreis und dem Gebiet jenseits der Adria sind sehr wahrscheinlich, vor allem mit Thessalien und Mittelgriechenland. Demgegenüber betrachtet Rellini diese Kultur als eine einheimische, sie sei ohne wesentliche auswärtige Einflüsse aus der äneolithischen Kultur Italiens abzuleiten. Andere Forscher, unter ihnen G. von Kaschnitz-Weinberg, halten eine Einsickerung balkanischer Bevölkerungsteile von jenseits der Adria für wahrscheinlich. Wie dem nun auch sein mag - daß damals bereits Verbindungen, und zwar gerade auch Handelsverbindungen, zwischen der Ostküste Italiens und dem gegenüberliegenden Ufer der Adria existiert haben, darüber kann es kaum einen Zweifel geben. Auch Sizilien tritt in der sog. 2. sikulischen Periode in Beziehungen zur Außenwelt; von nordischen Einflüssen ist hier indes keine Rede, dafür finden sich aber

Berührungen mit der ägäischen Zivilisation, insbesondere mit dem mykenischen Kreise. Eine Reihe von Metallsachen wie Dolche, Schwerter, Lanzenspitzen haben mykenische Formen, anderseits findet sich Obsidian von den Liparischen Inseln auf Kreta, zu feinen Steinvasen verarbeitet. Etwas anders steht es mit Sardinien. Die Bronzezeit ist hier der Höhepunkt der Nuraghen-Kultur, mehrere Tausend dieser Wohntürme sind hier gefunden worden, dazu zahlreiche Schmelzöfen und Bronzedepots.


2. Italien im Zeitalter der Einwanderung der Italiker und Etrusker (etwa 1200-800

v. Chr.)

Die frühe Eisenzeit bringt für Italien ein neues Zeitalter, es ist die Zeit der Einwanderungen nicht nur der Italiker, sondern auch der Illyrer und der Etrusker. Das völkische Gesicht Italiens ist in dieser Periode entscheidend umgeprägt worden, ein Vorgang, der zu den entsprechenden Umschichtungen in Griechenland parallel verläuft: auch hier ist durch die Dorische Wanderung eine neue Welle indogermanischer Stämme nach Griechenland gekommen, die Dorer und die Nordwestgriechen, erst durch diese wurde die Indogermanisierung Griechenlands abgeschlossen.

Die Völkerbewegungen in Italien und in Hellas werden in der Forschung unter dem Begriff der Ägäischen Wanderung zusammengefaßt. In Wirklichkeit haben sie nicht nur die Ägäis, sondern einen viel größeren Raum in Mitleidenschaft gezogen; wahrscheinlich ist der Untergang des Hethiterreiches (kurz nach 1200 v. Chr.) diesen Völkerbewegungen zur Last zu legen, auf jeden Fall steht er mit ihnen in ursächlichem Zusammenhang. Die Wogen der Seevölker haben nicht nur Syrien und Palästina überflutet, auch Ägypten befand sich in tödlicher Gefahr, die aber durch die Siege des Pharao Ramses III. gebannt werden konnte. Über den Ursprung der Großen Wanderung sind heute nur Vermutungen möglich. Die Illyrer als diejenigen zu betrachten, die sie ausgelöst haben, empfiehlt sich nicht, wohl aber scheint der Raum nördlich der Balkanhalbinsel, möglicherweise die ungarische Tiefebene, das Erregungszentruni gewesen zu sein.

In der Apenninhalbinsel haben die Einwanderungen starke, tiefgreifende Veränderungen im Gefolge gehabt. In diesem Zeitalter sind hier die historischen Volks- und Stammesgruppen

geformt worden, welche die weitere Geschichte Italiens bestimmen. Ohne die Annahme stärkerer Einwanderungen, auch von ganzen Volksteilen und Stämmen, wird man in der frühen Eisenzeit in Italien ebenso wenig auskommen wie im gleichzeitigen Griechenland. Es ist allerdings richtig, daß die einheimischen Volkselemente in der Apenninhalbinsel keineswegs verdrängt worden sind, aber die Leugnung jeglicher Zuwanderung größeren Umfanges von Norden her durch einen Teil der italienischen Forschung scheint nicht begründet. Auf jeden Fall sind die Jahrhunderte von 1200 bis 800 v. Chr. eine typische Übergangszeit; in ihr hat sich die Umschmelzung der italischen Bevölkerung durch das Hinzukommen transalpiner Einwanderer vollzogen. Der italische Kulturkreis ist in diesem Zeitalter aus dem mediterranen Kreise herausgelöst und an den nordischen angeschlossen worden - ein Ereignis von weittragenden historischen Folgen. Es ist zuzugeben, daß manche Indizien, die man durch die Zuwanderung der Nordstämme zu erklären versuchte, auch anders gedeutet werden können. Dies betrifft insbesondere die Leichenverbrennung, die seit der frühen Eisenzeit auf der Apenninhalbinsel nachzuweisen ist. Es ließe sich hier allenfalls an einen scharfen geistigen Bruch denken, der sich in der Veränderung der Bestattung zum Ausdruck brächte. Aber in Verbindung mit anderen Merkmalen ist die Erklärung durch Zuwanderung in diesem Fall wohl die richtige; das Nebeneinander verschiedener Zivilisationselemente hat an sich nichts Überraschendes.

Das Bild der Zivilisation der einzelnen Landschaften Italiens ist in der frühen Eisenzeit sehr bunt und verschiedenartig. Von Bologna bis Calabrien reicht die Zone der Villanova-Kultur, in Venetien blühen die Kulturen Este I-III, in Picenum existiert die Kultur der früheisenzeitlichen Grabfelder, in Apulien gibt es die Hügelgräber, in Sizilien befinden wir uns in der 3. und 4. sikulischen Periode, von denen die letztere bereits durch

griechische Ware charakterisiert wird.

Die Uneinheitlichkeit des zivilisatorischen Bildes ist sehr wahrscheinlich auf Einwanderungen oder zum mindesten auf das Einsickern größerer Volksgruppen zurückzuführen, und zwar aus dem Gebiet nördlich der Alpen und aus dem Lande jenseits der Adria.

Im Norden Italiens bezeichnet man die Übergangsperiode als die Proto-Villanova-Zeit (Villanova ist ein Dorf bei Bologna). Neben dem Proto-Villanova-Kreis steht der sog. latinischsabinischcampanische Kulturkreis, vor allem südlich des Tibers, aber mit Ausläufern bis in den äußersten Süden, bis hin nach Calabrien und Apulien. Charakteristisch für diesen Kreis sind die Brandgräber-Gruppen, wie sie auf dem Forum Romanum, in den Albanerbergen und im Faliskerlande erscheinen. Wir wissen nicht, wie sich diese Kulturen zu den Völkern von Latium und Campanien verhalten. Beziehungen zur Außenwelt sind wahrscheinlich, so gehören nach Ansicht namhafter Prähistoriker (G. v. Merhart) die Antennenschwerter in den nordbalkanischen Kreis, vielleicht sind sie auf dem Seeweg eingeführt worden. Beziehungen zu der mitteleuropäischen Bronzezeit zeigen Funde aus den ältesten Schichten von Cumae und Locri. Während sich diese Kulturelemente transalpinen Ursprungs in Mittelitalien organisch weiterentwickeln, sterben sie im Süden bald ab, ein Grund hierfür ist sicherlich das Auftreten der überlegenen griechischen Kultur im 8. Jh. v. Chr.

Die Villanova-Kultur und ihre Perioden: Die Villanova Kultur, die für die zivilisatorische Entwicklung von Nord- und Mittelitalien eine große Bedeutung besitzt, wird in vier Perioden eingeteilt: 1. San Vitale-Savena (etwa 925-850), 2. Benacci I (850-750), 3. Benacci II (750-675), 4. Arnoaldi (675-525). Die Namen sind die von modernen Latifundienbesitzern. Alle Kulturen liegen nördlich des Apennin, sie stehen in enger Verbindung mit der Hallstatt-Kultur Mitteleuropas. An der

Villanova-Kultur sind sicherlich mehrere völkische Elemente beteiligt, in erster Linie die Umbrer, aber auch die Etrusker. Die Kultur ist uns vor allem auf Grund von Grabfunden bekannt geworden. Leichenverbrennung und -bestattung existieren hier nebeneinander, das Zeichen einer typischen Übergangszeit. Die Verbrennung der Leichen findet sich vor allem in Bologna, in der Landschaft Toscana und in Latium; dabei werden die Aschenurnen in Erdlöchern geborgen, in sog. pozzi. Zu den tönernen und bronzenen Gefäßen, die als Aschenurnen dienen, kommen noch die Hausurnen. Die Leichenbestattung trifft man in der Toscana, in Umbrien, Latium, Campanien und Calabrien - es ist kein Zweifel, der Schwerpunkt liegt südlicher als bei den pozzo-Gräbern. In der Forumsnekropole von Rom liegen beide Arten der Bestattung nebeneinander, sie sind nahezu gleichzeitig. Bezeichnend für die Villanova-Kultur sind die reichen Funde von Metallsachen und von Keramik. Neben der Verwendung des Eisens bleibt die Verarbeitung von Bronze bestehen. In der Eisenbearbeitung und -verarbeitung sind später die Etrusker führend gewesen; das Eisen wurde in Toscana und auf der Insel Elba gewonnen. In den Gräbern finden sich gelegentlich auch zweirädrige Wagen, es sind Streit- oder Rennwagen, wie sie zur gleichen Zeit aus Griechenland und aus Thrakien bekannt sind.

Die historische Auswertung der Funde der Villanova-Kultur ist nicht einfach. Sicher ist, daß sich ihr Verbreitungsgebiet mehr oder weniger mit jenen Teilen Italiens deckt, die sich im Besitz der Italiker, d. h. der Latino-Falisker und der Umbro- Sabeller, befinden. Die Latino-Falisker bewohnen in historischer Zeit Latium und das sich nördlich daran anschließende kleine Faliskerland, die Umbro-Sabeller nicht nur Umbrien, sondern auch die Toscana (aus der sie später teilweise von den Etruskern verdrängt worden sind), das Sabinerland, Campanien bis hin nach Süditalien. Es ist jedoch nicht zulässig, die Italiker auf die beiden verschiedenen Gruppen der Villanova-Kultur in der

Weise zu verteilen, daß man die Fossa-Gräber (Bestattung) den Umbro-Sabellern, die Pozzo-Gräber (Verbrennung) den Latino- Faliskern zuweist. Diese Rechnung geht nicht auf, es gibt nämlich Pozzo-Gräber z. B. in der Toscana und in Bologna, von Latino-Faliskern ist hier aber nichts bekannt. Die Kulturen der frühen Eisenzeit Italiens, die Villanova-Kultur, die venetischen Kulturen Este I-III, die früheisenzeitlichen Grabfelder in Picenum und die Hügelgrabkultur in Apulien, sind früher in der Regel als die archäologische Hinterlassenschaft von Völkern gedeutet worden, die um 1000 v. Chr. den Boden Italiens betreten haben: der Italiker, der Illyrer und der Etrusker. Wie die Etrusker auf italischem Boden eine Verbindung mit der Vorbevölkerung, vor allem mit den Umbrern, eingegangen sind, so ist dies auch für die anderen zugewanderten Völker anzunehmen. Fremde und einheimische Volkselemente haben sich in Italien miteinander verbunden, wobei das Erbe der fremden Völker, insbesondere in der Sprache und in den Ortsnamen, sichtbar wird.

Von den Fremden haben zuerst die Italiker den Boden der Apenninhalbinsel erreicht, sehr wahrscheinlich von Norden her. Nach V. Pisani ginge das Lateinische teilweise mit dem Gälischen zusammen, das Osko-Umbrische mit dem Äolischen, daher müsse die zweite Gruppe der Italiker aus dem Osten eingewandert sein. Diese Auffassung bleibt jedoch vorerst nur eine Hypothese. Die tiefgreifenden Verschiedenheiten zwischen den Dialekten der beiden Gruppen der Italiker, den Latino- Faliskern und den Osko-Umbrern, zwingen zu der Annahme, daß die Teilung der Italiker sich bereits außerhalb der Apenninhalbinsel vollzogen haben muß. Den beiden Gruppen der Italiker sind die illyrischen Stämme (im Süden der Halbinsel) und die Veneter (im Nordosten Italiens) gefolgt.

Auf Grund der antiken Überlieferung und der Ergebnisse der modernen Vergleichenden Sprachwissenschaft ist die Verwandtschaft der Völker auf der sallentinischen Halbinsel, d.

h. in Calabrien, mit den Illyrern jenseits der Adria einwandfrei nachgewiesen. Als illyrisch haben zu gelten die Messapier, Sallentiner, Japyger, Pödikuler und Peuketier. Zu der antiken Überlieferung paßt das Ortsnamenmaterial, das diesseits und jenseits der Adria gleichartige Bildungen aufweist. Ein Teil der modernen Forschung tritt jedoch für eine sehr viel weitere Verbreitung des illyrischen Elements in Italien ein. Man glaubte Illyrer nicht nur im Bereich der Umbro-Sabeller, sondern auch in Latium, in Ligurien, in Gallia Cisalpina zu finden. Auch die Veneter galten als Illyrer, eine Ansicht, die Krähe inzwischen allerdings längst revidiert hat. Dieser Panillyrismus, der auch in der griechischen Geschichte sein Spiel getrieben hat, kann heute wohl als überwunden gelten, wir brauchen uns im einzelnen mit ihm nicht mehr zu befassen.

Zu den eingewanderten Völkern gehören wohl auch die Veneter. Die Sprachdenkmäler dieses Volkes, die mit dem 6. Jh. v. Chr. oder etwas früher beginnen, stammen vor allem aus dem alten Ateste (heute Este), ferner aus Padua, Vicenza, aus dem Piave-Tal, aus Triest und aus Kärnten. Eigenartig ist die in den venetischen Inschriften vorkommende Punktierung; sie hat vielleicht dazu gedient, anzugeben, daß der Konsonant in der ursprünglich syllabischen Schrift für sich allein steht und nicht mit dem folgenden Vokal desselben Zeichens zusammengehört. Über die Einwanderung der Veneter berichtet Livius (I,1,2-3), sie hätten die Euganeer aus ihren Wohnsitzen verdrängt, die einst das ganze Land zwischen den Alpen und dem Meere bewohnten. An dieser aus der lokalen Überlieferung stammenden Nachricht mag etwas Wahres sein.

Von sehr viel größerer Bedeutung für die altitalische Zivilisation waren jedoch die Etrusker, die außerdem im 6. Jh. v. Chr., insbesondere seit der Mitte dieses Jh., eine achtunggebietende Macht in Italien darstellten.

Anders als in der modernen Forschung hat für die Etrusker selbst ein Herkunftsproblem niemals existiert, in der Kaiserzeit glaubten die Etrusker durchaus an ihre Herkunft aus Kleinasien, aus Mysien oder Lydien. Das Problem der Herkunft der Etrusker ist jedoch viel älter. Wie es scheint, ist es zuerst im 5. Jh. v. Chr. bei den Lydern erörtert worden. Nach Herodot (194) stammten Lydos, der sagenhafte Stammvater der Lyder, und Tyrsenos, der Stammvater der Etrusker, von Atys ab. Dazu steht die Angabe des Xanthos (bei Dion. Hal. I 28,2) im Widerspruch. Hier erscheint nämlich an Stelle des Tyrsenos der Name Torebos. Der griechische Rhetor Dionysios von Halikarnass (I 27ff.) bezeichnet dagegen die Etrusker als ein einheimisches Volk Altitaliens. Zwischen diesen beiden Ansichten, der des Herodot und der des Dionysios von Halikarnass, hat die Forschung der letzten Jahrzehnte in der Regel ihre Entscheidung getroffen. Dazu kommt schließlich noch die Hypothese, daß die Etrusker von Norden nach Italien eingewandert seien (Freret 1741, Niebuhr u. a.). Für die Einwanderung der Etrusker aus Übersee sind A. Furtwängler, C.F. Lehmann-Haupt, G.Herbig, Ed.Meyer, F. Schachermeyr und viele andere eingetreten. Vertreter der Autochthonen-Theorie (bzw. einer frühen prähistorischen Einwanderung vom Norden her) sind C. Schuchhardt, U. Kahrstedt, F. W. von Bissing, L. Pared, J. Sundwall u. a. Gegenüber diesen weit auseinandergehenden Hypothesen tritt die allerneueste Forschung dafür ein, daß sich das Volk der Etrusker als solches auf italischem Boden herausgebildet habe, und zwar durch die Verbindung und Vermischung mit anderen Völkern und Zivilisationen, vor allem mit den Umbrern.

Die Frage nach der Herkunft der Etrusker, die seinerzeit Mommsen als ebenso überflüssig bezeichnete wie die Frage nach der Mutter der Hecuba, ist in der Tat von großer historischer Bedeutung. Wenn die Etrusker wirklich vom Osten her nach Italien eingewandert sind, so wäre auch die etruskische Zivilisation ein fremdes Gewächs, das in keinem inneren Zusammenhang mit der Kultur Altitaliens stände. Die andere

Frage wäre die, ob es gelingt, die Entstehung der etruskischen Nation auf italischem Boden in ihrer historischen Entwicklung zu verfolgen.

Für die Herkunft der Etrusker aus dem Osten können mehrere Momente angeführt werden, die, zusammengenommen, erheblich ins Gewicht fallen. Unbestreitbar ist zunächst die Tatsache, daß seit dem 13. Jh. v. Chr. größere Völkerbewegungen im Bereich des östlichen Mittelmeeres stattgefunden haben. Im Verlauf dieser Wanderungen sind die Philister nach jenem Lande gekommen, das nach ihnen den Namen trägt (Palästina = Philisterland). Die Philister stammen wohl aus der Welt der Ägäis (Krethi und Plethi). In den hieroglyphischen Aufzeichnungen über die Große Wanderung erscheinen die Völker Schekelscha, Scherdana, Danuna, Aqaiwascha, Turscha, die letzteren im Heere des libyschen Königs Mrejwjw, der von dem ägyptischen Pharao Merneptah um 1220 im Delta völlig geschlagen worden ist. F. Schachermeyr sieht in den Turscha etruskische Söldner, neben Achäern, Sikelern und Sarden. Diese Auffassung ist aber nicht gesichert; man wird die Seevölkernamen auf sich beruhen lassen müssen. Sehr viel wichtiger ist aber der von Schachermeyr geführte Nachweis, daß das Gräbermaterial Kleinasiens unverkennbare Ähnlichkeiten mit demjenigen von Etrurien aufweist, und zwar ist die innere Entwicklung der Grabformen in der Zeit von etwa 1000 bis 650 v. Chr. in Kleinasien die gleiche wie in Etrurien. An die Stelle der früheren Brandgräber treten nun die Kuppelgräber, die vorher in Etrurien unbekannt waren. Mit den Kuppelgräbern hält eine neue Bautechnik ihren Einzug; die Gräber zeigen die sog. Vorkragung, sie enthalten eine Grabkammer, in der mehrere Tote beigesetzt werden können. Man bestattet die Toten, so z. B. in Populonia, unverbrannt, im Gegensatz zu dem früheren Brauch. Außerdem zeigen die Beigaben in den Grabkammern und deren Ausstattung einen großen Reichtum der Grabbesitzer, es ist eine reiche soziale Schicht, die hier ihre neuen Grabstätten erbaut hat.

Noch mehr spricht aber für die fremde Herkunft die Sprache der Etrusker. Da die gesamte etruskische Literatur des Altertums untergegangen ist, mit ihr auch das Werk des gelehrten Kaisers Claudius, die «Tyrrhenika» in 20 Büchern, sind wir auf die Glossen angewiesen und auf die inschriftlichen Denkmäler, etwa 9000 an der Zahl. Die große Masse der Inschriften stammt aus Etrurien, daneben gibt es aber auch solche aus Campanien und Norditalien. Das Material ist in ständiger Vermehrung begriffen. Die Hoffnungen auf eine etruskischlateinische Bilingue sind bisher nicht in Erfüllung gegangen. Dem Inhalt nach handelt es sich vor allem um Grabinschriften, dazu um Inschriften auf Spiegeln, Vasen und anderen Gegenständen. Sie beginnen im 7. Jh. v. Chr. Das Ergebnis ist weithin enttäuschend, da es sich bei den Inschriften meistens um stereotype Formeln und um Eigennamen handelt. Längere Texte sind Ausnahmen, wie die Mumienbinde von Agram und die Bronzetafel von Piacenza; aber auch sie helfen nicht viel, denn sie erklären sich nicht gegenseitig. Das Urteil des Dionysios von Halikarnass (I, 30), das etruskische Volk sei in seiner Sprache mit keinem anderen Volke verwandt, ist durch die moderne Forschung nur bestätigt worden. Gewisse Verbindungen zur Sprache der Inschriften von Lemnos, zum Rätischen und zu einigen kleinasiatischen Sprachen, insbesondere zum Lydischen, sind nicht zu übersehen. Was wir von der Sprache wissen, widerspricht nicht der Annahme, daß die Etrusker aus Kleinasien gekommen sind.

Die etruskische Kunst weist eine ganze Reihe von Komponenten auf: die etruskischkleinasiatische, die italische, die phönikische und die griechische, die letztere seit mindestens 700 v. Chr., wahrscheinlich aber schon früher einsetzend. Angeblich soll es ein Korinther namens Demaratos gewesen sein, der die Etrusker das Handwerk gelehrt habe. Die Kunst der

Metallbearbeitung weist indes nach dem Osten, auch die häufige Verwendung von Elektron ist kleinasiatisch. Überraschend sind jedoch die Übereinstimmungen in der Religion zwischen den Etruskern und dem Glaubensgut des Ostens. Das charakteristische Merkmal ist die disciplina Etrusca; sie bezeichnet das Bündel von Vorschriften und Riten, welche die Beziehungen zwischen den Göttern und Menschen regeln. Besonders wichtig ist die Opferschau (haruspicina), die an der Leber des Opfertiers ausgeübt wird. Als Modell hierfür ist die Bronzeleber von Piacenza erhalten, ihre Einteilung in eine Reihe von Feldern findet sich wieder auf Lebern aus Babylon und Boghazköi. Auch die Vogelschau hat Parallelen in Kleinasien, bei den Mysern, Phrygern und Karern. Die Sitte der evocatio, welche die Römer von den Etruskern übernommen haben, ist auch bei den Hethitern nachgewiesen, hier werden allerdings die Götter vor der Einnahme der Stadt aufgefordert, sie zu verlassen.

Im Kultleben der Etrusker spielen Flöte und Trompete eine große Rolle, auch sie sind kleinasiatisches Erbgut (salpinx ist ein ägäisches Lehnwort im Griechischen). Es gab eine große Zahl von religiös-superstitiösen Schriften, die libri haruspicini, fulgurates und rituales, die letzteren enthielten die libri fatales, sie brachten Angaben über die den Menschen und Völkern von den Göttern gesetzten äußersten Grenzen. Dazu kommen endlich die libri Acheruntici, sie beschäftigten sich mit dem Leben nach dem Tode, nachdem der Verstorbene den Grenzfluß Acheron überschritten hatte. Sehr eigenartig ist die Zeremonie der Stadtgründung, dabei wird der sulcus primigenius gezogen, die Lage der künftigen Stadttore wird dadurch angedeutet, daß die Furche unterbrochen und der Pflug in die Höhe gehoben wird. Die Zeremonie ist von Cato und Varro beschrieben worden, die Römer haben sie von den Etruskern übernommen.

Wenn Seneca (dial. XII 7, 2) sagt: Tuscos Asia sibi vindicat, so hat er wahrscheinlich recht. Um die Annahme einer

Einwanderung zur See, vom Osten her, wird man nicht herumkommen. Das ist von grundlegender Bedeutung, und so manches, was an dem Rätselvolk der Etrusker merkwürdig erscheint, findet hierdurch eine Erklärung.

Die Hypothese von der Nord-Einwanderung der Etrusker wird heute kaum noch ernsthafte Anhänger finden. In der Tat gibt es entscheidende Gegengründe, so vor allem den, daß die etruskischen Inschriften und Gräber in den Alpentälern erst aus späterer Zeit (3. und 2. Jh. v. Chr.) stammen, sie legen eine Ausbreitung der Etrusker von Süden nach Norden, nicht in umgekehrter Richtung, nahe.

Bei der Entstehung des etruskischen Volkes verhält es sich wie bei so vielen anderen Völkern: es sind sehr verschiedenartige Elemente gewesen, die zur Bildung der etruskischen Nation beigetragen haben, zu ihnen gehören vor allem die Umbrer, die Ligurer, die Latiner, die Griechen und andere.

Schon um 800 v. Chr. ist das völkische Bild Altitaliens nahezu vollendet. Nach diesem Zeitpunkt sind lediglich die Griechen und die Kelten noch hinzugetreten, die ersten vor allem im Süden und in Sizilien, die zweiten in Oberitalien, in der Landschaft, die später Gallia Cisalpina heißt.

Es ist klar, daß sich aus der völkischen Vielgestaltigkeit Italiens eine Fülle von zivilisatorischen und politischen Möglichkeiten ergibt. Die Beziehungen der einzelnen Völker zueinander sind von einer großen Buntheit, im ganzen ist das völkische Bild aber sehr viel uneinheitlicher als in dem gleichzeitigen Griechenland.

Von den Völkern Altitaliens sind im Norden die Ligurer die wichtigsten. In historischer Zeit erscheinen sie auf das Küstengebiet zwischen Arno und Rhone zusammengedrängt, sie bewohnten aber vor der etruskischen und keltischen Expansion einen sehr viel größeren Raum, das Gebiet der heutigen

Landschaften Piemont und den Kanton Tessin in der Schweiz. Auch beträchtliche Teile Südfrankreichs und Spaniens hatten eine ligurische Bevölkerung. Anthropologisch waren die Ligurer von kleiner Statur, Jäger, Holzfäller, Bauern und gute Krieger, sie dienen seit dem 5. Jh. v. Chr. immer wieder als Söldner in den Heeren der Karthager. Ihre sprachliche Hinterlassenschaft in Oberitalien besteht in den lepontischen Inschriften, die sich, etwa 80 an der Zahl, im Bereich der großen oberitalienischen Seen, des Comer Sees, des Luganer Sees, des Lago Maggiore und im Val d'Ossola (Ornavasso) gefunden haben. In der Sprache der Ligurer, die auch aus den Ortsnamen bekannt ist, lassen sich zwei verschiedene Schichten, eine nichtindogermanische und eine indogermanische, unterscheiden. Es ist immerhin möglich, daß sich hierin die Übernahme einer indogermanischen Sprache durch ein nichtindogermanisches Volk widerspiegelt. Dies müßte in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. geschehen sein. Reste einer vorindogermanischen Bevölkerung finden sich in Nordpicenum, um Pesaro und Novilara (nördlich von Ancona). Wir kennen sie aus den Novilara-Stelen. Auf ihnen ist das tägliche Leben der Bevölkerung abgebildet, außerdem aber auch Kämpfe zu Wasser und zu Lande. Die Sprache der Novilara-Inschriften ist unbekannt, das Volk wird auch die genannt, Silius Italicus rechnet es zu den Pelasgern. Die Schrift, linksläufig, ist griechisch.

Nichtindogermanisch sind auch die alten Sarden. Bei ihnen hat die Frau eine überragende Stellung inne (Matriarchat); auch das sog. Männerkindbett (Couvade), ein apotropäischer Brauch, hat sich, sogar noch in historischer Zeit, und zwar bei den Korsen, erhalten.

Auch Sizilien hatte in der Frühzeit nichtindogermanische Bewohner, die Proto-Sikuler (später durch die indogermanischen Sikuler überlagert), dazu die Sikaner im Westen und die Elymer um den Berg Eryx, die wohl aus dem

Osten (Ägäis) stammen, wenngleich dies von einem Teil der Forschung (U. Kahrstedt u. a.) bestritten wird. Eine scharfe ethnische Trennungslinie zwischen Indogermanen und Nichtindogermanen hat es in Italien nicht gegeben. Aber die Italiker, wie sie in der modernen Forschung genannt werden, sind durch die Römer zu der führenden Nation in Italien aufgestiegen - allerdings erst nach schweren inneren Kämpfen, von denen die Samnitenkriege und der Bundesgenossenkrieg die bedeutendsten gewesen sind.

Auf Grund der Sprache lassen sich zwei Gruppen von Italikern unterscheiden, die Latino-Falisker und die Osko- Umbrer. Natürlich existieren zwischen beiden zahlreiche Überschneidungen, die sich in den verschiedenen Dialekten widerspiegeln.

Die latino-faliskische Gruppe hat nur einen sehr kleinen Raum inne, es ist das nördliche Latium, dazu ein kleines Gebiet nördlich des Tibers am Mons Soracte. Die von Altheim in der Val Camonica entdeckten faliskischen Sprachreste (er nennt sie euganeisch) wird man besser beiseite lassen, da ihre Zuweisung zur latinofaliskischen Gruppe sprachlich nicht gesichert ist.

Die wichtigsten Latinergemeinden sind Rom, Praeneste, Tibur, Norba, Signia, Bovillae, Lavinium, Ardea, Gabii, Cora, Lanuvium; sie werden mit dem Begriff der prisci Latini, ihr Land, das sich vom unteren Tiber bis nach Circei erstreckt, als Latium vetus bezeichnet. Der latinische Stamm gliedert sich in eine Reihe von Volksgemeinden (populi), die in der Regel nach dem Vorort benannt worden sind. Gelegentlich finden sich auch Doppelnamen, so die Laurentes Lavinates und der populus Ardeatis Rutulus, sie müssen wohl historisch erklärt werden. Lavinium und Ardea sind wohl später für die alten populi der Laurenter und Rutuler eingetreten.

Der Hauptort der Falisker ist die Stadt Falerii im äußersten Süden von Etrurien. Ihr Gebiet war räumlich sehr beschränkt, es war von mächtigen Nachbarn, den Etruskern, Umbrern,

Sabinern und Latinern, umgeben. An städtischen Siedlungen sind allein Falerii und Fescennia zu nennen, doch gehörte wohl auch das Gebiet von Capena in sprachlicher Hinsicht zum Stamm der Falisker.

Ganz anders die osko-umbrischen Dialekte. Sie werden von zahlreichen Stämmen und Völkerschaften Mittelitaliens gesprochen in einem Gebiet, das sich von Bruttium und Lukanien im Süden bis nach Umbrien im Norden erstreckt. Den Kern bilden die zahlreichen samnitischen Stämme im Bergland Mittelitaliens. Auch die Marser, Aequer, Herniker und Sabiner gehören zu der osko-umbrischen Gruppe, sie sind aber schon früh unter römischen Einfluß gekommen und dadurch weitgehend latinisiert worden. Auf Grund der tiefgreifenden strukturellen Unterschiede zwischen den osko-umbrischen Dialekten einerseits, dem Latino-Faliskischen anderseits ist es das Wahrscheinlichste, daß ihre Träger einst voneinander getrennt die Apenninhalbinsel betreten haben (G. Devoto), dies wäre eine Parallele zu der Einwanderung der Ioner, Äoler und Dorer in Griechenland. Das bekannteste Sprachdenkmal des Osko-Umbrischen sind die Iguvinischen Tafeln, sieben an der Zahl, die 1444 in Gubbio (Iguvium) gefunden worden sind. Sie stellen Opfervorschriften dar, es sind die wichtigsten und bedeutendsten, die überhaupt aus dem alten Italien erhalten sind, wahrscheinlich aus der republikanischen Zeit. Sie zeigen die religiöse Vorstellungswelt und die Götter der Umbrer, unter ihnen Juppiter Grabovius, dessen Name nach dem Osten, wahrscheinlich nach Makedonien, weist. Es ist Jupiter in der Eiche>, in die er als Blitzstrahl eintritt.

Das Schicksal Altitaliens ist aber zunächst durch zwei andere Völker bestimmt worden: durch die Griechen (seit etwa 750) und dann durch die Etrusker, die von etwa 550 v. Chr. an eine führende Stellung in Italien gewonnen haben.


3. Altitalien im Zeitalter der griechischen Kolonisation (etwa 750-550 v. Chr.)

Die große griechische Kolonisation, die um 750 v. Chr. einsetzt, gehört zu den merkwürdigsten und interessantesten Phänomenen der ganzen Alten Geschichte. Ihre Gründe, wahrscheinlich Landnot und relative Überbevölkerung des Mutterlandes, vermögen wir nur zu ahnen, ihre Wirkungen aber sind im ganzen Mittelmeergebiet und noch weit darüber hinaus erkennbar. Von allem Anfang an hat diese Kolonisationsbewegung auch gerade den Westen des Mittelmeerraumes erfaßt, insbesondere Unteritalien und Sizilien. Die Gründung zahlreicher griechischer Niederlassungen im Westen hat zu einem lebhaften Austausch sowohl im Handel wie im geistigen Leben zwischen den Griechen und den italischen Völkerschaften, aber auch mit den Etruskern und den Iberern, geführt, und es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, daß die Griechen zum ersten Male den Mittelmeerraum zu einer Einheit gemacht haben. Entscheidend ist, daß die Griechen im fremden Lande eigene neue Gemeinwesen, neue Poleis, begründet haben, sie haben damit ein Stück griechischen Wesens auf staatlichem, wirtschaftlichem und religiösem Gebiet in die Ferne verpflanzt. Das griechische Vorbild hat eine große Anziehungskraft auf die Einheimischen ausgestrahlt, mit den Erzeugnissen der griechischen Handwerkskunst, die überall im Westen, bis hinauf nach Gallien und sogar in Germanien zu finden sind, erschließt sich auch der griechische Geist neue Wege. Es ist wahrscheinlich, daß die Völker Italiens die Kunst des Städtebaues den Griechen abgesehen haben, gerade auch die Etrusker sind bei den griechischen Handwerkern und Baumeistern in die Schule gegangen. Die Griechen kamen zu einem Zeitpunkt in den Westen, als ihr geistiges Leben an einem entscheidenden Wendepunkt stand: sie brachten die griechische

Alphabetschrift mit, die schriftlose Zeit ist damit auch hier zu Ende, große Möglichkeiten des geistigen Lebens eröffnen sich, und zwar auch gerade für jene Völker, die mit den Griechen in Berührung gekommen sind.

Die griechischen Kolonisten kamen nicht aufs Geratewohl. Den Ansiedlern ist der Seefahrer und der Kaufmann vorangegangen, und die Bodenfunde in Italien erweisen, daß seit dem Ende der mykenischen Zeit (um 1000 v. Chr.) die Verbindungen zwischen Italien und Griechenland nicht mehr abgerissen sind. In Griechenland bildete sich allmählich eine gewisse Kenntnis der geographischen Zustände des Westens aus, sie hat ihren sagenhaften Niederschlag in der gefunden.

Die erste griechische Kolonie in Unteritalien, und zwar in Campanien, ist Kyme (Cumae), gegründet von den euböischen Chalkidiern, 754 v. Chr. Vorher hatten sich die Griechen einen Stützpunkt auf der Insel Ischia geschaffen, auf Pithekussai. Von hier stammt eine frühe griechische Inschrift Italiens, die Inschrift vom . Neben Campanien ist die Gegend um den Golf von Tarent ein bevorzugtes Ziel griechischer Ansiedlungen gewesen; schon seit der mykenischen Zeit hatte dieses Gebiet, wie die Bodenfunde in Coppa Nevigata (bei Manfredonia) und von Punta del Tonno (bei Tarent) erweisen, in Handelsbeziehungen zu Griechenland gestanden. Es waren Kolonisten aus den Landschaften Lokris in Mittelgriechenland und aus Achaia in der nördlichen Peloponnesos, die hier eine Anzahl bedeutender Niederlassungen geschaffen haben. Kroton, Sybaris und Metapont sind durch Achäer, Lokroi Epizephyrioi ist durch Lokrer gegründet worden. Tarent verdankt seine Entstehung den sagenhaften spartanischen Partheniern.

In Bruttium haben die Griechen die schmale Halbinsel vom Osten nach dem Westen überquert, am Tyrrhenischen Meere erhoben sich als hellenische Pflanzstädte Medma, Hipponion,

Elea (lat. Velia), Poseidonia (Paestum), während Parthenope (später Neapolis genannt) von Kyme (Cumae) aus gegründet worden ist.

Aus der Lage der Kolonien ergaben sich von vornherein die mannigfaltigsten Beziehungen zum Hinterland, alle Stämme Unteritaliens sind mit den Hellenen in Kontakt getreten, und diese Verbindungen haben sich keineswegs auf den wirtschaftlichen Austausch beschränkt. Es ist eine immerhin wahrscheinliche Hypothese der modernen Forschung (Fr. Altheim), daß die Griechenstadt Kyme für Rom - und sicherlich auch für andere italische Gemeinwesen - die Vermittlerin der hellenischen Götterwelt gewesen ist. Die Metopen des Tempels von Paestum mit der Darstellung der Taten des Herakles (aus dem späteren 6. Jh. v. Chr.) sind ein bedeutendes Monument, sicherlich aber nur ein einziges von unzähligen, das die Gestalten der griechischen Sage in einer ganz neuen Umwelt zur Schau stellt.

Wie tief und wie dauerhaft sich das Griechentum hier durchgesetzt hat, geht daraus hervor, daß sich im äußersten Süden Bruttiums noch heute in einigen Dörfern ein griechischer Dialekt mit Spuren der alten dorischen (nicht der byzantinischen) Gräzität erhalten hat. Von einem bestimmenden Einfluß der Italiker auf die eingewanderten Griechen (Ciaceri) kann dagegen nicht die Rede sein. Die Griechen waren bald nicht nur kulturell, sondern auch politisch in Süditalien (Magna Graecia) führend. So hat sich Sybaris ein weites Gebiet unterworfen, es soll über vier italische Völkerschaften, über 25 Städte und 300000 Bewaffnete geboten haben (Strabon VI 263), Zahlen, die allerdings wohl übertrieben sind. Der erste Vorstoß der Griechen führte übrigens zugleich am weitesten nach dem Westen, neben Kyme ist auch Pyrgoi, die Hafenstadt des etruskischen Caere, schon in früher Zeit (8. Jh.?) als griechische Faktorei begründet worden. Von hier aus haben sich wichtige Kontakte mit dem Etruskertum ergeben. Nicht weniger bedeutend unter welthistorischem Gesichtspunkt ist die Festsetzung der Griechen auf der Insel Sizilien. Auch hier waren die Chalkidier den übrigen Hellenen vorangegangen, ein Zeichen für die Bedeutung des euböischen Chalkis im 8. Jh. v. Chr. Am Fuße des Ätna, in einem fruchtbaren Landstrich, gründeten sie die Stadt Naxos (735), nicht weit davon mit Hilfe der Naxier auch Katana. Ob die Ortygia, die Urzelle des späteren Syrakus, chalkidische Siedler erhalten hat, ist umstritten. Die Festsetzung der Chalkidier an der Meerenge, in Zankle (später Messana genannt), und auf italischem Boden, in Rhegion, ist zweifellos durch handelspolitische Rücksichten bedingt. An der Südküste Siziliens findet sich dagegen eine Reihe dorischer Siedlungen: Akrai, Kasmenai und Kamarina sind syrakusanische Pflanzstädte. Syrakus selbst ist eine Gründung Korinths (736), sie sollte später, bald nach 500 v. Chr., einen glänzenden Aufstieg unter dem Zepter der Deinomeniden erleben. Auf Sizilien sind die Griechen nicht allein mit den einheimischen Sikulern und den Sikanern in Verbindung getreten, sondern auch mit den Karthagern, die sich im Westen der Insel, vor allem in Panormos (Palermo), in Motye und Solus, wichtige Handelsstützpunkte errichtet hatten.

Die griechischen Kolonien im Osten und Westen waren unter der maßgebenden Führung des hellenischen Adels gegründet worden. Die Adelsherrschaft ist auch weiterhin ein Kennzeichen des gesamten Westgriechentums, bis zum Aufkommen der Tyrannen, die in Sizilien (Leontinoi, Akragas) etwa um 600 v. Chr. die Zügel der Regierung in die Hand genommen haben. Die Hochblüte der Tyrannis aber fällt erst in die Zeit bald nach 500 v. Chr. Damals regierten Tyrannen wie Anaxilaos von Rhegion, Hippokrates von Gela, Gelon und Hieron von Syrakus.

Von den Städten des griechischen Mutterlandes ist es vor allem Korinth gewesen, das sich im Westen hervorragend zur Geltung gebracht hat. Durch die Insel Korkyra im Ionischen Meere hatte sich die mächtige Seestadt am Isthmus eine wichtige Zwischenstation nach Italien gesichert, überall im Westen finden sich korinthische Waren und korinthische Münzen, bis tief hinein in das 4. Jh. v. Chr.

Von großer Bedeutung ist auch die Gründung Massalias unweit der Rhonemündung durch die Phokaier aus Kleinasien (um 600). Massalia verfügte über ein unvergleichlich reiches Hinterland, die Stadt wurde dazu die Metropole zahlreicher Kolonien an der Küste der Seealpen (Nikaia/Nizza, Monoikos/Monaco, Antipolis/Antibes), sie konnte ihre Einflußsphäre entlang der südfranzösischen Küste sogar bis nach Iberien vorschieben. Hier sind vor allem Emporiai (Ampurias) und Rhode Kolonien Massalias. Bei den Ligurern und Kelten ist der Einfluß der aufblühenden Griechenstadt kaum zu überschätzen (Verwendung der griechischen Schrift durch die Helvetier), aber auch zu den italischen Völkerschaften unterhielt sie gute Beziehungen.

Bei ihrem Vordringen in den Westen fanden die Hellenen als Rivalen die Etrusker und die Karthager vor. Insbesondere der Vorstoß der Phokaier in das Westmeer rief die Gegenwirkung auf den Plan, um die Vorherrschaft auf Korsika kam es zu einer großen Seeschlacht bei Alalia (nach 540). Zwar behielten die Griechen die Oberhand über die vereinigten Flotten der Karthager und Etrusker, aber ihre Verluste waren so schwer, daß sie ihre Stützpunkte auf der Insel Korsika räumen mußten. So ist diese Schlacht ein Zeichen für die große Wende, die sich bald nach der Mitte des 6. Jh. anbahnt: das Griechentum, bisher in ständigem Ausgreifen, sieht sich in die Verteidigung gedrängt. Auch im Osten zeigt sich das gleiche Bild: im Jahre 547 war Sardes gefallen, die Hauptstadt des Lyderreiches; der Sieger, der Perserkönig Kyros II., war zur Annexion Ioniens geschritten, das von nun an einen Teil des persischen Weltreiches bildete.

Jedoch hatten zwei Jahrhunderte genügt, um Italien und den weiteren Westen an den Segnungen der griechischen Kultur reichen Anteil nehmen zu lassen. Durch die griechischen

Kolonien in Unteritalien und Sizilien ist den Italikern ein erster und bleibender Einblick in das Leben des griechischen Geistes geschenkt worden, überall erhoben sich Stätten des griechischen Heroenkultes, an vielen Orten Unteritaliens wurden die Gräber der homerischen Helden gezeigt. Auch das Orakelwesen erfuhr seine Ausprägung durch das Griechentum, wie das Orakel der cumäischen Sibylle, dieses ursprünglich wohl von den Oskern begründet. Für die libri Sibyllini, die unter den Tarquiniern nach Rom gelangten, gibt es Vorbilder in den griechischen Orakel sammlungen (Onomakritos unter den Peisistratiden in Athen). Auch ein Heraorakel hat in Cumae existiert. Übrigens standen die Tarquinier, wie so viele fremde Herrscher, in enger Verbindung mit dem delphischen Orakel in Griechenland. Die Griechen sind auf religiösem Gebiet vielfach die Lehrer der italischen Völker gewesen, und aus der Symbiose von Griechentum, Etruskertum und Italikertum hat sich die im einzelnen vielfach differenzierte Zivilisation des Alten Italien gebildet. Diese erste langdauernde Berührung zwischen Hellenentum und Italikertum ist auf keinem Gebiet spurlos untergegangen, sie hat reiche Frucht getragen und in gewisser Weise die Grundlagen zu einer einheitlichen Zivilisation der Apenninhalbinsel geschaffen.


4. Der Höhepunkt der Etruskerherrschaft (etwa 550-500 v. Chr.)

Ein Teil der Forschung (F. Schachermeyr) rechnet mit zwei etruskischen Einwanderungswellen, von denen die erste um 1000, die zweite, bedeutendere, um 800 v. Chr. angesetzt wird. Wenn neuerdings diese Zahlen sehr viel weiter herabgerückt werden, so ist dies ebensowenig zu billigen wie die Ansicht A. Piganiols, wonach die Etrusker gar erst nach den Griechen in Italien erschienen wären.

Fragt man nach den Gründen, welche die Etrusker in den Westen geführt haben, so ist es immer noch das Wahrscheinlichste, daß es die Erzlagerstätten auf Elba und in der Toscana gewesen sind. Die Besetzung der Landschaft hat sich übrigens erst allmählich vollzogen. Zuerst setzten sich die Einwanderer an der Küste, in Populonia, und auf Elba fest, ebenso aber auch im Süden, in Tarquinii. Von hier aus drangen sie nach und nach in das Innere der Landschaft vor, nach Vetulonia, Volaterrae, Arretium, Clusium und Volsinii am Bolsenersee. Schon am Ende des 7. Jh. kann die Etruskisierung der Landschaft in dem Sinne als abgeschlossen gelten, daß von nun an in allen wichtigen Gemeinden die führende Schicht durch die Fremden gestellt wird, die sich im übrigen vielfach mit den Umbrern und anderen verbunden haben. Die große Masse der etruskischen Inschriften stammt aus dem Binnenlande, aus Clusium (Chiusi) und aus Perusia (Perugia). Nach der Besetzung Toscanas setzte sich die Expansion nach Norden und nach Süden hin weiter fort. Der Apennin wurde überschritten, um 525 Felsina (in der Nähe Bolognas) gegründet. Eine wichtige etruskische Metropole befand sich in der Nähe von Marzabotto, die vor allem durch die schachbrettartige Anlage der Straßen bekannt geworden ist. In der weiten fruchtbaren Ebene des Po fanden die Eroberer offenbar nur geringen Widerstand, sie sollen hier angeblich 12 Städte gegründet haben, von denen aber nur Mantua und Melpum in den Quellen genannt werden. Wenn Livius (V 33,10) behauptet, die Etrusker hätten die ganze Po-Ebene bis hin zu den Alpen unter ihre Kontrolle gebracht (mit Ausnahme Venetiens), so ist dies sicherlich übertrieben. Im Westen ist wohl der Ticinus die äußerste Grenze gewesen (L. Banti) ; Funde in Piemont, in Nizza und an anderen Stellen erklären sich wohl besser durch Handelsbeziehungen. Etrusker wohnten auch in den Hafenstädten Adria und Spina an der Po-Mündung, aber sie waren hier nur ein Bevölkerungsteil neben anderen. Spina ist durch die großartigen Funde in seiner Nekropole in den immer noch andauernden Ausgrabungen (seit 1922 und dann wieder seit 1953) als eine Vermittlerin zwischen dem griechischen und dem italischen Markt bekannt geworden.

Der Ausdehnung nach Norden entspricht die Expansion der Etrusker nach dem Süden. Hier haben sich etruskische Herren in Latium festgesetzt, der Name der Stadt Rom stammt von dem etruskischen Geschlecht der Ruma; auch Pompeji ist von ihnen erreicht worden, so fand sich unter den Stabianer Thermen ein typisch etruskisches Kammergrab, unter dem Tempel des Apollon auf dem Forum wurden etruskische Inschriften gefunden. Neben Pompeji gehörten auch Capua, Acerrae, Nola, Nocera, Surrentum und andere Städte zur Einflußzone der Etrusker, die gerade in Campanien (wie z. B. in Cumae) mit dem Griechentum in freundliche und feindliche Berührung gekommen sind.

Die Herrschaft der Etrusker ist jedoch alles andere als ein einheitliches Reich (regnum) gewesen, es war im Gegenteil eine große Zahl etruskischer Herrengeschlechter mit ihren Klienten, untereinander vielfach verwandt, verschwägert und miteinander verbündet, gelegentlich auch verfeindet. Es war, wie die Ereignisse in Rom zeigten, eine sehr dünne Oberschicht, die im allgemeinen in der Bevölkerung keinen starken Rückhalt fand.

Es ist von vornherein klar, daß insbesondere der Gebrauch der etruskischen Sprache trennend wirken mußte. Wenn der Alte Cato behauptete: In Tuscorum iure paene omnis Italia erat (Serv. ad Aen. XI 567), so ist das nur cum grano salis zu verstehen. Viel weiter war allerdings die Zone des etruskischen Fernhandels, der sich gerade auch in den transalpinen Gebieten neue Märkte erschließen konnte.

Eine derartige Ausbreitung der etruskischen Herrenschicht ist nur denkbar und möglich, wenn neben ihr eine breite Masse italischer Völker unter etruskischer Führung mitbeteiligt gewesen ist. In der Tat sind z. B. in Mantua neben den Etruskern auch Veneter und Umbrer, in Adria Veneter, in Spina Griechen als Mitbewohner bezeugt. In Felsina gab es ein starkes umbrisches Element. Nicht anders stand es mit Pompeji, in dem man nicht nur mit den Oskern, sondern auch, wenn auch in geringerem Umfange, mit Griechen rechnen muß. Selbst in der Toscana liegen die Dinge nicht viel anders. So ist etwa für das südetrurische Caere nicht nur ein etruskischer und griechischer Bevölkerungsteil, sondern auch eine lateinisch sprechende Bevölkerung bezeugt; waren doch gerade die Caeriten von den Römern als vortreffliche Dolmetscher des Etruskischen sehr geschätzt (Liv. X 4,9).

Für die staatliche Organisation der Etrusker ist der 12- Städtebund charakteristisch (XIIpopuli Etruriae), er findet sich nicht nur in der Stammlandschaft, sondern auch in der Po-Ebene und in Campanien wieder. Nicht unwahrscheinlich ist die Vermutung F. Altheims, daß dieser 12-Städtebund dem Ionischen Bunde der Hellenen in Kleinasien nachgebildet sei. Wie in lonien, so haben auch bei den Etruskern mehr als 12 Städte - angeblich nicht weniger als 17 - Anspruch auf die Zugehörigkeit zur Bundesorganisation erhoben, vielleicht sind sie nacheinander Mitglieder gewesen. Diese XII populi Etruriae sind eine Art von Amphiktyonie, wie sie bei den Griechen, aber auch bei anderen Völkern (z. B. bei den Israeliten) bezeugt ist.

Die Bundesversammlungen fanden alljährlich im Frühling beim Heiligtum der Voltumna (ad fanum Voltumnae) statt; mit ihnen war ein Markt, ein Nationalfest (panegyris), mit sportlichen Spielen und Wettkämpfen verbunden. Die Parallele zu den griechischen Festen in Olympia oder Delphi liegt hier auf der Hand. An dem Heiligtum der Voltumna gab es einen Oberpriester für den gesamten Bund. An der Spitze der einzelnen Städte standen lucumones, angeblich gleichfalls 12 an der Zahl, das Wort wird mit erklärt (Serv. ad Aen. II 278; VIII 65, 475), von diesen stand einer dem gesamten Bunde vor. Dieser lucumo war also das, was bei den lonern der «König der loner» (basileüs ton lonon) gewesen ist. Wie man den praetor duodecim populorum Etruriae der römischen Kaiserzeit erklären soll, ist ungewiß. Von den übrigen Beamten und Funktionären der Etrusker läßt sich wenig aussagen, da die etruskischen Titel (zila, maru, pur) nur vermutungsweise mit römischen oder griechischen Bezeichnungen (pur = prytanis?) zur Deckung gebracht werden können. Eine überragende Stellung hatte der Adel inne, ihm unterstanden Scharen von Hörigen, aus denen sich das Heer rekrutierte. Waren die Eroberungen im Norden und Süden in Wahrheit Raubzüge mächtiger Adelsherren mit ihrem Anhang? Den Kern des Heeres stellten die schwerbewaffneten Hopliten; die Hoplitentaktik, den Kampf in der geschlossenen Phalanx, hatten die Etrusker den Griechen abgesehen - wahrscheinlich auf italischem Boden. Die Reiterei spielte keine Rolle, das Pferd diente, wie in archaischer Zeit bei den Griechen, als Bespannung für den Wagen, die etruskischen Streitwagen aber waren berühmt, sie finden sich gelegentlich in den Gräbern wie in Perugia und in Norcia.

Das erste historische Ereignis der römischen Geschichte ist die Etruskerherrschaft. Über die gesamte frühere Entwicklung ist nur wenig bekannt, die spätere historische Überlieferung, beginnend mit Fabius Pictor, vor allem aber dargestellt durch die Annalistik, ist durch mehr als vier oder gar fünf Jahrhunderte von dem Ereignis der Vertreibung der römischen Könige getrennt, sie hat die Vorgänge überdies im einzelnen ausgeschmückt, so daß sie nicht als zuverlässig gelten kann. Viel wichtiger sind die Ergebnisse der modernen vor- und frühgeschichtlichen Forschung, aber diese erbringen für Rom nicht viel, und auch dies wenige ist noch in seiner Interpretation umstritten. Schon im 10. Jh. wird man aber mit Ansiedlungen auf dem Palatin rechnen können, auf dem Kapitol mag sich eine Kultstätte des Juppiter, auf dem Forum eine solche der Vesta befunden haben, auch die Verehrung des urrömischen Janus geht wohl in die früheste Zeit zurück. Schon im 10. Jh. sind in Rom griechische, vor allem kretische Fundstücke nachgewiesen, sie ordnen sich in die Beziehungen zwischen der mykenischen und der italischen Welt ein, die nie abgerissen sind.

Das Bild vom ältesten Rom hat die frühere Forschung außerordentlich vereinfacht, sie rechnete mit zwei voneinander getrennten Siedlungen, einer auf dem Palatin (nebst der Forumsnekropole), und einer zweiten, davon unabhängigen, auf dem Hügel des Quirinal. Die Bewohner der ersten Siedlung wurden mit den Latinern, die der zweiten mit dem oskischen Element, den Sabinern, in Verbindung gebracht; den ersteren wurden die Brandgräber auf dem Forum, den zweiten die Bestattungsgräber zugewiesen. Diese Auffassung, die im wesentlichen auf F. v. Duhn zurückzuführen ist, kann heute als überholt gelten, zumal wir wissen, daß Leichenverbrennung und Leichenbestattung in den verschiedenen Zivilisationen auch sonst nebeneinander existieren.

Die neuere Forschung rechnet dagegen nur mit einer Siedlung, derjenigen auf dem Palatin als Urzelle, sie geht bis ins 10. Jh. v. Chr. zurück (H. Müller-Karpe). Bei dieser frühen Siedlung handelt es sich um primitive Hütten; erst im Laufe des 8. Jh. (nach Müller-Karpe) nimmt die Siedlung im Zuge ihrer Ausdehnung zum Esquilin und zum Quirinal hin gewisse städtische Züge an, sicherlich bedingt durch Einflüsse von außen

her, vielleicht von den Griechen Campaniens, von Cumae.

Über die innere und äußere Geschichte Roms in der ältesten Zeit (vor der Herrschaft etruskischer Könige) gibt es keine Überlieferung. Auf Grund der äußeren Entwicklung der Stadt, der sakralen Überlieferung und aus Rückschlüssen aus den in der Zeit der Republik vorhandenen Institutionen lassen sich jedoch gewisse Vermutungen anstellen. Sie sind natürlich im einzelnen von verschiedener Tragfähigkeit. Zunächst die äußere Entwicklung! An die Urzelle der Stadt, die sog. Palatinsstadt, schließen sich Erweiterungen des Stadtbildes an, die erste ist das Septimontium, die zweite ist die Vierregionenstadt. Die Überlieferung über das Septimontium ist im einzelnen unsicher, fest steht jedoch, daß der Quirinal nicht miteingeschlossen war. Die große Wahrscheinlichkeit ist jedoch, daß dieses Septimontium eher eine religiöse als eine politische Gemeinschaft gewesen ist. Anders die Vierregionenstadt der städtischen Tribus der Suburaner, Palatiner, Esquiliner und Colliner. Um diese Vierregionenstadt war das Pomerium gezogen, das in seiner ursprünglichen Ausdehnung bis in die sullanische Zeit existiert hat. Es bezeichnete die Grenze für die stadtrömischen Magistrate, in späterer Zeit war es die Scheidelinie zwischen der Gewalt der Magistrate und der Promagistrate. Zu der Vierregionenstadt gehörten aber weder das Capitol noch der Aventinus, der vielmehr erst im 5. Jh. zur Stadt geschlagen worden ist. Erst durch die Errichtung der servianischen Mauer im Jahre 378/77, nach dem Keltenbrand, ist die Stadt Rom wesentlich vergrößert worden.

Rom in der Frühzeit war also die Vierregionenstadt, d. h. jenes Stadtgebiet, das in späterer Zeit durch den Umzug der Argeerprozession berührt wurde.

Neben dem latinischen Element hat es in Rom schon seit früher Zeit offenbar auch ein sabinisches gegeben. Es wird mit der Ansiedlung auf dem Quirinal in Verbindung gebracht (hier auch der sabinische Gott Semosancus). Bereits unter den ältesten römischen Geschlechtern erscheinen solche sabinischer Herkunft wie die Claudier, Fabier und Aurelier. Ferner sprechen die doppelten Collegien der Salier (Salii Palatini, Salii Collini) und der Lupercales für die Existenz zweier Bevölkerungsteile im alten Rom. Nimmt man dazu die Bezeichnung Quirites, die doch wohl (mit Madvig) als eine alte Volksbezeichnung zu betrachten und mit dem Quirinal in Verbindung zu bringen ist, so scheint auch dies das Vorhandensein eines anderen völkischen Elements neben dem römischen zu bestätigen. Es ist jedoch zu betonen, daß in dieser Frage Sicherheit nicht zu erlangen ist, weshalb alle modernen Theorien kaum mehr als Vermutungen sind.

Geht man davon aus, daß die Vereinigung Roms zur Vierregionenstadt, wahrscheinlich im 7. Jh. v. Chr., auf friedliche Weise erfolgt ist, so muß man fragen, welche Institutionen dieses Gemeinwesen besessen haben kann. An der Spitze stand sicherlich ein König, denn das Wort rex weist in die indogermanische Vorzeit zurück. Wie im alten Hellas war der König zugleich der oberste Feldherr, Richter und Priester, seine sakrale Würde lebt in republikanischer Zeit in dem rex sacrorum (rex sacrificulus) weiter, ebenso die besondere Stellung seiner Frau, der regina sacrorum. Neben dem König stand der Rat der Alten, der Senat, seine Mitglieder waren die Häupter der großen Familien, die patres. Neben diesen Familien, die in gentes gegliedert waren, gab es aber auch noch zahlreiche Einwohner der Stadt, die nicht zu diesen gentes und familiae gehörten, es war dies die große Masse der Bevölkerung, plebs genannt, unter denen sich auch viele Auswärtige und Zugewanderte befunden haben. Manche von den Plebejern waren den patres durch das Band der clientela in einem gegenseitigen Treueverhältnis verbunden.

In der Frühzeit gehört schließlich noch die Einteilung des Volkes in tribus, drei an der Zahl, sie entsprechen den Phylen der Griechen und hatten vor allem sakrale Bedeutung. Die

Namen dieser Tribus - Ramnes, Tities, Luceres - aber sind zweifellos etruskisch, ebenso gehört wohl auch die schematische Einteilung jeder der drei tribus in je zehn curiae () in die Etruskerzeit (Ernst Meyer). Curiae hat es dagegen sicher auch schon in der voretruskischen Periode gegeben, ebenso auch die comitia curiata, zu denen die Mitglieder der curiae zusammentraten. In historischer Zeit hatte diese Curienversammlung zwar keine große Bedeutung mehr, sie besaß aber immer noch gewisse Rechte, wie z. B. bei der Adoption, und politisch wesentlich war die lex curiata de imperio, durch die sich die consules nach ihrem Amtsantritt das Imperium bestätigen lassen mußten, nachdem ihre Wahl durch die comitia centuriata erfolgt war.

In der römischen Geschichtsschreibung, bei den Annalisten, ebenso aber auch bei Livius und Dionysios von Halikarnassos, die sich auf die Annalistik stützen, ist die Tradition über die römische Königszeit vollkommen ausgebildet. In einem Zeitraum von etwa 240 (genau: 244) Jahren herrschen in Rom sieben Könige: Romulus, Numa Pompilius, Tullus Hostilius, Ancus Marcius, L. Tarquinius Priscus, Servius Tullius, L. Tarquinius Superbus. Ihre Namen und ihre Taten sind in der römischen Tradition fest verankert. Trotzdem können die Königsgeschichten als solche schwerlich als historisch gelten. Auch die Dauer der sieben Königsherrschaften mit insgesamt ungefähr 240 Jahren widerspricht jeder menschlichen Erfahrung, sie ist viel zu lang. Außerdem erscheinen die römischen Könige geradezu als die Verkörperung der römischen Kardinaltugenden, ihre Gestalten sind Menschen ohne Fleisch und Blut, sie sind konstruiert, sie gehören nicht der Geschichte, sondern der Legende an.

In Verbindung mit der sagenhaften Gründungsgeschichte Roms hat die Geschichte der römischen Könige schon im Altertum überall den lebhaftesten Widerhall gefunden. Die Gestalten des Aeneas, der römischen Könige und Helden, sind durch die Medien der römischen Dichtung (Vergil) und Geschichtsschreibung (Livius) zu einem gemeinsamen Besitz der ganzen Kulturwelt geworden, sie haben immer wieder die Phantasie der Dichter und Maler beflügelt und sind auf diese Weise unsterblich geworden. Trotzdem kann darüber kein Zweifel bestehen, daß sie samt und sonders ihr Leben einer poetischen Erfindung verdanken, die im Laufe der Jahrhunderte immer weiter ausgesponnen worden ist. So werden dem Stadtgründer Romulus, neben dem sein Bruder Remus nur ein Schatten ist, die maßgebenden politischen Einrichtungen des alten Rom zugeschrieben. Senat und Bürgerschaft, das älteste römische Heer, sogar der Gegensatz zwischen patres und plebs werden in die Zeit des Romulus heraufgerückt. Gegenbild des ersten Königs ist Numa Pompilius, er ist der Schöpfer des römischen Sakralwesens und der Priesterkollegien. Mit Tullus Hostilius beginnt die kriegerische Expansion des alten Rom, Alba Longa wird erobert und zerstört. Dieses Werk wird durch Ancus Marcius fortgesetzt, er soll die Stadt Rom durch die Hereinnahme des Janiculus erweitert und den Stützpunkt Ostia an der Tibermündung angelegt haben. L. Tarquinius werden eine Reihe von Bauten in der Stadt, vor allem aber die Trockenlegung des Forum durch die cloaca maxima zugeschrieben. Sein Nachfolger Servius Tullius gilt als der eigentliche Schöpfer der Einteilung der römischen Bürgerschaft mit den centuriae und tribus, er soll ferner den Mauerbau der Stadt zu Ende geführt haben (agger des Servius Tullius). Tarquinius Superbus, der Letzte in der Reihe, ist der Typus des Tyrannen. Unter seiner Herrschaft erhoben sich die Römer unter der Führung des L. Junius Brutus, der angebliche Grund war die Ehrenkränkung, die einer der Königssöhne der vornehmen Lucretia, der Gattin des L. Tarquinius Collatinus, zugefügt haben soll. Die Familie des letzten Königs mußte Rom verlassen und in Caere, später in Cumae, das Brot der Verbannung essen.

Es ist vor allem A. Schwegler gewesen, der die traditionelle

römische Königslegende als reine Konstruktion erwiesen hat. Versuche der Neueren, wesentliche Züge oder sogar einige von den Gestalten der Könige als historisch zu verteidigen, können demgegenüber nicht ernsthaft in Betracht kommen.

Die immer noch nicht mit Sicherheit gelöste historische Frage besteht vielmehr darin, in welcher Epoche und unter welchen besonderen Umständen diese Königslegende ausgebildet worden ist. Übrigens kann darüber kein Zweifel bestehen, daß die Überlieferung über die Einwanderung des sagenhaften Urvaters der Römer, des Aeneas, in Latium in eine beachtlich frühe Zeit, ins 6. Jh., zurückreichen muß, sie ist auf jeden Fall viel früher als 300 v. Chr. Auch das Standbild der capitolinischen Wölfin ist sicherlich schon viel früher, vielleicht sogar schon in das 6. oder 5. Jh. v. Chr. zu setzen. Bei dem Beginn der römischen Geschichtsschreibung, ja sogar schon um 300 v. Chr., war die Gründungs- und Königslegende längst fest ausgebildet, sie ist dann von der Annalistik übernommen und weitergeführt worden. Übrigens kann das von der Annalistik errechnete Gründungsdatum Roms, 753, nicht als historisch gelten. Anders steht es dagegen mit der Herrschaft eines etruskischen Königsgeschlechts über Rom. Sie gehört in ursächlichen Zusammenhang mit der politischen Expansion der Etrusker nach Campanien. Wann die Herrschaft der Etrusker in Rom beginnt, ist unbekannt. E. Kornemann rechnete mit drei Generationen etruskischer Könige in Rom, von etwa 590 bis 490 v. Chr., was sicherlich zu lange ist. E.Gjerstad kommt auf die Zeit von etwa 575 bis 450. Auch dieser Ansatz erscheint noch zu hoch, außerdem ist das Schlußdatum viel zu spät. Im Zusammenhang mit der etruskischen Expansion nach Campanien wird man kaum über 550 v. Chr. zurückgehen dürfen. Natürlich hatte Rom auch schon vorher in engem Kontakt mit den Etruskern gestanden, dies hat sich etwa in den etruskischen Namen römischer Geschlechter (Romulus, Romilia) niedergeschlagen. Unter dem Hause der Tarquinier (etruskisch tarchu) hat Rom einen bedeutenden wirtschaftlichen, künstlerischen und wohl auch politischen Aufschwung genommen, eine Entwicklung, die aber, wenigstens zunächst, durch die Vertreibung der etruskischen Herrscherfamilie jäh abgebrochen worden ist. Die Tarquinier - wir wissen nicht, wieviel etruskische Könige in Rom regiert haben - haben in etwa einem halben Jahrhundert (?) zahlreiche Bauten in Rom aufgeführt, darunter den Tempel des Juppiter Capitolinus mit der Trias Juppiter, Juno, Minerva. Auch die Regia, das Haus der Könige auf dem Capitol, ebenso das Tullianum, dessen Zweckbestimmung noch nicht geklärt ist, gehören der Königszeit an. Auch der Einfluß des etruskischen Sakralwesens ist nicht gering; von den Etruskern übernahmen die Römer Tempel und Götter, die ihrerseits dem griechischen Pantheon entstammten. Etruskisch sind wohl auch die Leichenspiele, die seit dem 3. Jh. v. Chr. unter Hinzuziehung von Gladiatoren gefeiert worden sind. Derartige Leichenspiele sind übrigens aus dem Bereich zahlreicher antiken Kulturen, nicht zuletzt auch aus der griechischen, bekannt.

Etruskischen Ursprungs sind endlich auf dem Gebiete des staatlichen Lebens der Triumph und die Fasces. Nimmt man noch die vielfachen Anregungen der etruskischen Malerei und Plastik (Apollo von Veji) hinzu, so wird klar, daß die Entwicklung Roms nur im Rahmen der etruskischitalischen Kultur verstanden werden kann. An etruskischen Inschriften sind bisher lediglich zwei, eingeritzt auf Buccherogefäßen in Rom, und zwar bei den Ausgrabungen am Fuße des Capitols, gefunden worden, sie gehören ins 6. Jh. v. Chr., sind also älter als die älteste lateinische Inschrift, die vom Lapis Niger auf dem Forum Ro manum.

Während die Etrusker ihre Macht über weite Teile Italiens ausbreiteten, standen die Griechen des Landes in harten Abwehrkämpfen. So konnte eine so bedeutende Gemeinde wie Kyme (Cumae) nur dank der Tüchtigkeit ihres Tyrannen, des Aristodemos mit dem Beinamen ho Malakös, die äußere Freiheit behaupten. Kurz nach dem Regifugium scheint Rom noch einmal unter die Herrschaft eines etruskischen Königs, des Porsenna von Clusium, gekommen zu sein. Die legendäre Ausschmückung des Ereignisses durch die spätere römische Geschichtsschreibung (Livius) ist unhistorisch; dies gilt vor allem für die Tat des Horatius Codes, der gegen Porsenna den pons sublicius mit wenigen Gefährten verteidigt haben soll. Unhistorisch ist aber auch der Attentatsversuch des Mucius Scaevola auf den Etruskerherrscher. Porsenna hat, wie es scheint, Rom eingenommen, sein Sieg ist so vollständig gewesen, daß er den Römern den Gebrauch des Eisens - außer für die Herstellung von Pflugscharen - verbieten konnte. Nach einer Nachricht, wahrscheinlich aus kymeischer Quelle, soll um 505 eine Gesandtschaft von Aricia nach Kyme gekommen sein, um die Stadt um Hilfe gegen den Angriff eines Sohnes des Porsenna zu bitten. Ist dies historisch, so wäre damit nicht nur die Porsenna-Episode, sondern auch der ungefähre Ansatz des Regifugiums in Rom auf kurz vor 505 als geschichtlich erwiesen.

Die überragende politische Stellung der Etrusker erklärt sich teilweise aus ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit. Die Etrusker verfügten über eine Fülle wertvoller Rohstoffquellen, nicht nur über das toskanische Eisenerz von Populonia und Elba, sondern auch über Kupfer-, Blei- und Silbergruben. Die Landschaft Toscana war dazu außerordentlich fruchtbar, es gab 15fältige Weizenernten, die Wälder erbrachten Holz und Pech die Fülle; das Tyrrhenische Meer war so reich an Fischen, daß man an der Küste Wachttürme errichtete, um die Züge der Thunfische vom Lande aus beobachten zu können. Als P. Cornelius Scipio sich im Jahre 205 zum Zuge nach Sizilien gegen die Karthager rüstete, da haben ihm die reichen Etruskerstädte freiwillig ihre Erzeugnisse zur Verfügung gestellt: Caere Getreide und Proviant, Populonia Eisen, Tarquinii Segelleinwand, Volaterrae Wachs und Getreide, Arretium die verschiedensten Arten von

Waffen, dazu noch Weizen, andere Gemeinden wie Perusia, Clusium und Rusellae Tannenholz und Getreidespenden.

Mit dem Wohlstand war auch eine Verfeinerung der Lebensführung eingetreten, sie spiegelt sich in der Grabmalerei. In ihr werden vor allem sportliche Wettkämpfe und Trinkgelage abgebildet, wie denn das Essen und Trinken bei den Etruskern überhaupt hoch im Kurse gestanden hat. Wir wundern uns nicht, wenn die nachbarliche Abneigung der Römer den Begriff des pinguis et obesus Etruscus geprägt hat; der Grieche Theopomp hat ihnen sogar sexuelle Zügellosigkeit vorgeworfen. Doch trifft dies nur die eine Seite des Etruskertums, und die positiven Seiten des etruskischen Volkscharakters sind nicht zu übersehen: im Handel, im Kunstgewerbe und vor allem in der Baukunst haben die Etrusker Großes und Bleibendes geleistet, sie haben als gelehrige Schüler der Griechen zahlreiche Monumente errichtet, von denen die Stadttore wie jenes von Perugia ganz besonders charakteristisch sind. Sehr eindrucksvoll sind auch die von den Etruskern errichteten Gräberstädte, in denen die Grabstätten zu regelrechten Totenstädten vereinigt sind, wie z. B. in Caere (Cerveteri). Von den etruskischen Monumenten hat Plinius n. h. XXXVI 91-93 auf Grund von Varro das sog. Grabmal des Porsenna beschrieben, des Königs von Clusium (Chiusi); es ist bisher nicht aufgefunden worden, an seiner Rekonstruktion haben sich immer wieder die Archäologen versucht (Duc de Luynes, 1830, zuletzt F. Messerschmidt).

Besonders begabt waren die Etrusker auf dem Gebiet der Terrakottatechnik; der Apollo von Veji aus der Zeit um 500 v. Chr. ist ein besonders eindrucksvolles Giebelstandbild (Akroterion). Einzigartig sind die zahlreichen Gemälde der Grabkammern, neben vielen Szenen des täglichen Lebens findet sich gelegentlich auch Historienmalerei. Auf dem Wandgemälde aus dem Fran9oisgrabe zu Vulci ist dargestellt, wie ein Macstrna und ein Avle Vipinas mit mehreren anderen den Caile Vipinas aus der Gewalt von Männern befreien, unter denen sich auch ein Cneve Tarchu Rumach befindet. Der Kaiser Claudius hat in seiner Rede, erhalten auf der Lyoner Bronzetafel, behauptet, Macstrna sei mit Servius Tullius identisch - wir wissen aber nicht, woher der gelehrte Kaiser diese Kunde hatte.

Der Einfluß der etruskischen Zivilisation auf das frühe Rom und auf das übrige Italien, insbesondere auf die zentralen und nördlichen Landschaften, kann kaum überschätzt werden. Er wäre noch weit größer gewesen, hätten sich die Etrusker nicht einer Sprache bedient, die in der westlichen Kulturwelt völlig isoliert gewesen ist. Trotzdem war die Herrschaft der Etrusker in Rom und in Italien viel mehr als nur eine Episode: auf zahlreichen Gebieten der Zivilisation haben die Etrusker ihre Spuren hinterlassen, auch die römische Religion ist durch das Etruskertum maßgebend geprägt worden. Aber mit dem Sturz der Tarquinier in Rom beginnt eine neue Epoche, die Geschichte der römischen Republik. Sie ist Jahrhunderte lang durch die mächtigen Adelsfamilien bestimmt worden.


5. Italien und Rom im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr.

Der Sturz des etruskischen Herrschergeschlechts in Rom gegen 500 v. Chr. ist historisch von weitreichender Bedeutung: die Landverbindung zwischen Rom und Campanien geht damit den Etruskern verloren, zwischen die Stammlandschaft Toscana und die von Etruskern beherrschten Städte Campaniens schiebt sich ein eigenes Staatsgebilde, das bald auch außenpolitisch in Erscheinung treten sollte.

Die Vertreibung des etruskischen Königsgeschlechts aus Rom ist im übrigen ein Teil der altitalischen Sozialgeschichte. Sie wäre nicht möglich gewesen, hätte nicht das römische Patriziat jene Kräfte entwickelt, die sich dem Königtum überlegen gezeigt haben. Das Ende des Königtums in Rom gehört in den großen Zusammenhang der Emanzipation des freien Bürgertums, wie dies etwas später auch in den Griechenstädten Siziliens offenbar geworden ist (Sturz der älteren Tyrannis, 461). Auch in Athen war das Ende der Peisistratidenherrschaft im Jahre 510 der Beginn der Herrschaft des durch Kleisthenes politisch mündig gewordenen Bürgertums.

In der Schlacht bei Alalia (auf Korsika) hatten die vereinigten Kräfte der Karthager und Etrusker gegen die Flotte der Griechen im Westmeer gestanden (nach 540 v. Chr.). Karthago war schon damals eine achtunggebietende Macht, die niemand im westlichen Mittelmeer ignorieren konnte, auch nicht die Römer, die sich der etruskischen Königsherrschaft entledigt hatten. Mit dem 1. römisch-karthagischen Vertrag beginnt die äußere Geschichte der jungen römischen Republik. Der Vertrag ist ohne Datierung überliefert, Polybios hat ihn jedoch in das Jahr 508/07 v. Chr., nach Polybios das erste Jahr des römischen Freistaats, gesetzt. In diesem Vertrag erkennen die Römer und ihre Bundesgenossen eine Fahrtgrenze im Mittelmeer an, sie verpflichten sich, nicht über das «Schöne Vorgebirge» hinauszufahren, es sei denn im Falle höherer Gewalt. Wenn die Römer in Libyen, Sardinien und im karthagischen Teil Siziliens Handel trieben, so war die Anwesenheit eines Herolds (keryx) oder eines Urkundsbeamten (grammateüs) erforderlich. Daß der Vertrag kurz vor 500 v. Chr. angesetzt werden muß, zeigt die Erwähnung der latinischen Küstenstädte: Ardea, Antium, die Stadt der Laurenter (Lavinium), Circei, Terracina (das noch seinen alten Namen besitzt und noch nicht Anxur heißt, wie es nach der Eroberung durch die Volsker genannt wurde). Diese alle und diejenigen unter den Latinern, die als Roms Untertanen gelten, bleiben vor dem Zugriff der Karthager geschützt, nicht aber die übrigen Latiner, die vielmehr nur einen eingeschränkten Schutz erhalten. Falls die Karthager eine Stadt der letzteren einnehmen, so soll diese den Römern unversehrt übergeben werden. Befestigte Stützpunkte in Latium zu errichten wird den Karthagern untersagt; wenn sie latinischen Boden betreten, so dürfen sie auf ihm nicht übernachten. - Der Vertrag zeigt, daß Rom zwar noch eine gewisse Oberhoheit über Latium beansprucht, daß es diese aber nicht mehr in vollem Umfange besitzt. Zwar steht die Küste von der Tibermündung bis hin nach Terracina unter römischer Herrschaft, aber es gibt Latinerstädte, die Roms Herrschaft nicht anerkennen. Eben dies aber ist der Zustand nach der Vertreibung der Tarquinier. Anderseits ist Karthago zweifellos die überlegene Macht, es steht noch ganz unerschüttert da; dies trifft viel eher auf die Zeit um 500 als um 470 zu. So konnten die Karthager ohne weiteres die Anerkennung von Sperrzonen für den römischen Handel durchsetzen. Das Gebiet östlich des Schönen Vorgebirges (wahrscheinlich = Kap Farina), d. h. die Häfen und die Gebiete an der Großen Syrte, blieben den Römern verschlossen. Hatte hier der Kolonisationsversuch des Dorieus für die Karthager abschreckend gewirkt?

An der Authentizität der Vertragsurkunde kann kein Zweifel

bestehen. Das beweisen auch die Bemerkungen des Polybios (III 22, 3) über die Sprache des Vertragsinstruments: sie weiche von der späteren so stark ab, daß auch die sprachkundigsten Gelehrten einige Stellen nur mit Mühe nach eingehender Erwägung hätten verstehen können - eine Bemerkung, die nur dann ihren Sinn erhält, wenn es sich um eine in stark archaischem Latein geschriebene Urkunde handelt, die um 500 v. Chr., in der Zeit des Lapis Niger, und nicht erst um 400 v. Chr., abgefaßt worden war. Für die Karthager aber war Rom eine der zahlreichen Gemeinden Italiens, zu denen man Beziehungen unterhie lt, allerdings eine wichtige, da sie unter den etruskischen Herrschern eine Hegemoniestellung in Latium behauptet hatte.

Aber Rom hatte in Latium Rivalen. So hat ein gewisser Egerius Baebius aus Tusculum als dictator Latinus einen heiligen Hain (lucus) der Diana von Aricia geweiht. Nach Cato gehörten zu diesem Latinerbunde die Gemeinden Aricia, Tusculum, Lanuvium, der populus Laurens, Cora, Tibur, Pometia und Ardea. Es fehlen also, abgesehen von Rom, noch die wichtigen Orte Praeneste, Fidenae, Labicum, um nur einige zu nennen. Was war in der Zwischenzeit geschehen? Unzweifelhaft hatte Rom seine Hegemonie über Latium eingebüßt, es hatte sich ein Städtebund gebildet, dem auch Aricia und der populus Laurens, die Rom noch in dem ersten Vertrag mit Karthago als seine Untertanen bezeichnet hatte, angehörten. Diese Entwicklung ist nur in einer Schwächeperiode Roms denkbar, die etwa um 500 v. Chr., bald nach dem Abschluß des ersten Karthagervertrags, anzusetzen ist. War es dieser Latinerbund, der bei Aricia den Sieg über Aruns, den Sohn des Porsenna, davongetragen hatte? Wir wissen es nicht, aber der Sturz der Tarquinier hatte in Latium Kräfte freigemacht, die sich nun betätigen konnten, ohne noch länger an Rom gebunden zu sein.

Auch in der früheren Zeit war das Verhältnis zwischen Rom und Latium nicht immer friedlich gewesen. Wie man die späte Überlieferung auch beurteilen mag - daß die Stadt Alba Longa einst eine bedeutende Rivalin Roms gewesen war, bis sie den römischen Waffen zum Opfer gefallen war (wahrscheinlich im 7. oder spätestens in der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr.), ist sicherlich eine historische Tatsache.

Neben Rom hat in Latium auch Praeneste eine wichtige Rolle gespielt, es verfügte über 8 untertänige Gemeinden, auch Tibur nannte einige kleinere Orte sein eigen. Es liegt auf der Hand, daß diese sich vielfach kreuzenden hegemonialen Bestrebungen zu Zusammenstößen führen mußten, an denen natürlich auch Rom beteiligt gewesen ist. In der Tat berichtet die Annalistik von einem kriegerischen Zusammenstoß zwischen den Latinern (omne Latium) und Rom, und zwar in der Zeit bald nach 500 v. Chr. Angeblich soll der Krieg mit einem Siege der Römer am See Regillus geendet haben, jedoch ist die Geschichtlichkeit dieser Schlacht nicht über alle Zweifel erhaben. So viel ist jedoch sicher: der Krieg wurde durch einen Bündnisvertrag beendet, die Bedingungen sprechen übrigens dagegen, daß Rom einen durchschlagenden Sieg über die Latiner errungen hatte, obwohl dies in der annalistischen Tradition behauptet wird. Die Vertrags urkunde stand noch zu Ciceros Zeiten auf einem Bronzepfeiler hinter den Rostra auf dem Forum Romanum. Rom und die Latiner schlossen einen ewigen Frieden, sie verpflichteten sich, keine Feinde gegeneinander heranzuführen, sondern sich gegenseitig beizustehen, falls sie angegriffen würden. Die Beute sollte geteilt werden, private Streitigkeiten waren dort zu schlichten, wo das Rechtsgeschäft abgeschlossen worden war, und zwar binnen 10 Tagen. Außerdem wurde das Pfändernehmen gegenüber einem privaten Schuldner zum Zwecke der Selbsthilfe anerkannt.

Man vermißt in der Überlieferung eine Angabe darüber, wie der Oberbefehl in künftigen gemeinsamen Kriegen geregelt werden sollte. Er dürfte zwischen den beiden Partnern, Rom und den Latinern, gewechselt haben, eine Vermutung, die durch eine Angabe des Antiquars L. Cincius gestützt wird. Das Bündnis ist ein solches zu gleichem Recht (foedus aequum), die spätere Entwicklung zeigt allerdings schon sehr bald ein deutliches Übergewicht der Römer, um die Mitte des 5. Jh. hat Rom die Leitung des Latinerfestes (feriae Latinae) an sich gerissen, und die spätere Annalistik kennt nur den Oberbefehl Roms.

In der Überlieferung ist dieses wichtige Bündnis mit dem Namen des praetor maximus Spurius Cassius (493) verbunden. Dies dürfte historisch sein, ebenso wie der Abschluß eines Bündnisses zwischen Rom und den Hernikern, gleichfalls durch Spurius Cassius, angeblich im Jahre 486. Aus dem römischlatinischen Zweibund war damit ein Dreibund geworden, in dem alle Partner gleiche Rechte besaßen: so sollte die Beute gedrittelt werden (Plin. n. h. XXXIV 20). Die Herniker waren eine Art Eidgenossenschaft, sie saßen im Tal des Trerus (Sacco); ihre Hauptorte waren Anagnia, Aletrium, Ferentinum und Verulae, sie standen, ebenso wie die Römer und Latiner, in entschiedenem Gegensatz zu den Aequern und Volskern, was den Abschluß des Bundesvertrages hinreichend erklärt.

Die Geschichte des ersten Jahrhunderts der römischen Republik verzeichnet eine große Zahl von Kriegen der Römer mit den sabellischen Völkern der Aequer und Volsker, die sich damals in fortschreitender Ausbreitung gegenüber Latium und Campanien befunden haben. Ihr Ziel war die Küste, die sie auch an einigen Stellen zu erreichen vermochten. Damit tauchte aber für die Römer ein gefährlicher Rivale auf. So gewannen die Volsker vorübergehend Tusculum als Bundesgenossen, sie eroberten Velitrae und vor allem Pometia, dessen Fall nicht weniger als viermal in den Quellen erzählt wird. Auf dem Hintergrund der volskischen Expansion spielt die Coriolan- Sage, in die griechische Motive hineinverwoben sind: so flieht Coriolan zu dem Landesfeind, den Volskern, ähnlich wie

Themistokles zum Perserkönig.

Die Aequer haben sich bis hinein ins 4. Jh. v. Chr. in Latium, und zwar im Gebiet des Mons Algidus, halten können.

Im Zwielicht der Sage liegen dagegen die frühen Auseinandersetzungen zwischen Rom und Veji, doch ist die berühmte Episode vom Untergang der 306 Fabier an der Cremera, wo sie in einen Hinterhalt gefallen sind (477), im Kern historisch, galt doch dieser Tag hinfort als ein dies ater der römischen Geschichte. Das gleiche gilt aber nicht von dem angeblichen 40jährigen Frieden zwischen Rom und Veji vom Jahre 474. Er scheint lediglich erfunden, da man von Kämpfen in den nächsten Jahrzehnten zwischen Rom und Veji nichts zu berichten wußte.

Innere Geschichte Roms bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Die ersten Jahrzehnte nach der Befreiung Roms von der Herrschaft der Tarquinier sind für das sakrale Leben der Stadt und ihrer Bewohner epochemachend gewesen. Kaum jemals gibt es innerhalb von wenigen Jahrzehnten eine so große Zahl von Tempelgründungen wie in dieser Zeit: im Jahre 507 weihte man den Tempel des Juppiter Capitolinus, 497 den Tempel des Saturnus ad forum, 495 erhielt Mercurius ad Circum Maximum sein Haus, 493 die Göttertrias Ceres, Liber und Libera, das Jahr 484 sah die Weihung der Aedes Castoris ad forum, das Jahr 466 endlich die der Aedes Dii Fidii in Colle. Man wird hierin keinen Zufall sehen dürfen, der neue Freistaat errichtete sich nunmehr ein Pantheon, dabei haben vor allem griechische Göttergestalten, wenn auch unter lateinischem Namen, in Rom ihre Heimstatt gefunden. So ist Dius Fidius sicherlich eine römische Erscheinungsform des Zeus Pistios, der über die Einhaltung der feierlich abgeschlossenen Verträge wacht.

Nicht weniger grundlegend aber waren die Umwälzungen, die im römischen Heerwesen in der gleichen Zeit stattgefunden haben. Es ist dies vor allem die Einführung der neuen Kampfestaktik der Schwerbewaffneten, der Hopliten, die Römer haben sie angeblich von den Etruskern übernommen. In Griechenland hatte sich diese umwälzende Neuerung schon viel früher vollzogen, der erste griechische Staat, der sie eingeführt hatte, war der spartanische, und zwar schon im 7. Jh. v. Chr., im 6. Jh. aber war die Hoplitentaktik in der griechischen Welt allgemein verbreitet. Der Zeitpunkt der Einführung in Rom ist umstritten, es fehlt nicht an Stimmen, die sich für die Königszeit ausgesprochen haben, aber dies scheint zu früh zu sein. Aufschlußreich ist die Erzählung von dem gestrengen Diktator A. Postumius Tubertus, der, angeblich im Jahr 432, seinen Sohn zum Tode führen ließ, weil er, dem gegebenen Befehl zuwider, sich in einen Einzelkampf eingelassen hatte. Dies ist ein Zeichen dafür, daß damals die Kampfestaktik der geschlossenen Hoplitenphalanx bereits für die Römer verbindlich gewesen sein muß, wenn sie auch immer noch gelegentlich durchbrochen wurde. Derartig grundlegende Veränderungen setzen sich eben erst allmählich durch, man wird daher die Zeit zwischen 500 und 450 v. Chr. als eine Übergangszeit ansehen müssen.

Untrennbar verbunden mit der Umgestaltung der äußeren Kampfestaktik ist in Rom das Problem der servianischen Centurienordnung. Ihre Struktur ist allerdings erst in den späteren Quellen (Livius, Dionysios von Halikarnassos) erkennbar, doch lassen sich bei vorsichtiger Auswertung gewisse Schlüsse auf die früheren Zustände anstellen.

So, wie sie uns überliefert ist, besitzt die servianische Centurienordnung 193 Centurien, in 5 Klassen eingeteilt, und zwar nach dem Vermögen (Zensus), wie in Athen zur Zeit des Solon. Grundsätzlich wird zwischen den Reitern (equites) und dem Fußvolk (pedites) unterschieden, das letztere eingeteilt in Bewaffnete (armati) und Unbewaffnete (velites). Im ganzen gibt es 18 Centurien Reiter und 175 Centurien Fußvolk, eine so hohe Zahl, daß sie einen Ansatz der Institution in die Königszeit von vornherein ausschließt. Die Reitercenturien setzen sich zusammen aus 6 suffragia, den Ramnes, Tities, Luceres priores et posteriores, dazu aus 12 centuriae equitum, die Centurien des Fußvolks sind eingeteilt in 5 Klassen, davon 80 der I. Klasse, je 20 der Klasse II-IV und 30 Centurien der Klasse V. Dazu kommen schließlich noch 5 weitere Centurien, und zwar 2 der fabri, 2 der cornicines et tubicines, l der proletarii, diese 5 Centurien unter dem Begriff der accensi velati zusammengefaßt. Bewaffnung und Zensus der einzelnen Klassen sind verschieden, dazu teilt sich jede Klasse des Fußvolks in die seniores und iuniores, die Grenze ist das 46. Jahr, zu den ersteren gehören die Jahrgänge vom 47. bis zum 60., zu den letzteren die vom 17. bis zum 46. Jahr.

Da in den Comitien (comitiatus maxumus, XII-Tafel-Gesetz) auf jede Centurie nur eine einzige Stimme entfiel, so war dies mit dem Übergewicht der 1. Klasse gleichbedeutend, denn die 18 Centurien der Reiter und die 80 der 1. Klasse hatten zusammen für sich die Mehrheit (98 Stimmen gegenüber 95 der anderen). Waren sie sich einig, so gelangten die übrigen gar nicht mehr zur Abstimmung. Dazu kam noch ein Vorstimmrecht der älteren Jahrgänge (seniores) vor den jüngeren (iuniores) in den einzelnen Klassen. Es ist dies ein ganz extremes Klassenwahlrecht, wie es in der Geschichte in dieser Form wohl ohne Beispiel ist.

Wenn die römische Überlieferung diese komplizierte Centurienordnung mit dem Namen des Königs Servius Tullius verbindet, so ist dies historisch unmöglich, was allein schon durch die überlieferten Zensussätze erwiesen wird. In dieser merkwürdigen Centurienordnung spiegelt sich im Gegenteil eine längere historische Entwicklung wider, sie beginnt in der Königszeit und zieht sich durch die ganze Geschichte der frühen römischen Republik hindurch.

Für die Frühzeit, d. h. für die Königszeit, wird man eine einfache Dreiteilung annehmen dürfen, und zwar in Reiter, Aufgebot des Fußvolks (classis) und Leute infra classem. Dies entspräche der sozialen Schichtung in Adel, Vollbauern und

Minderbemittelte, ähnlich der timokratischen Einteilung der attischen Bürgerschaft durch Solon. Diese einfache Einteilung des römischen Heeres muß aber um die Mitte des 5. Jh. eine Reform erfahren haben, und zwar in Verbindung mit der Einführung der Hoplitentaktik. Vielleicht sind an die Stelle von ursprünglich 30 Centurien des Fußvolks nunmehr deren 40 getreten, doch muß dies, wie überhaupt alles einzelne, Vermutung bleiben. Auf jeden Fall zeigt aber auch die Schaffung der Censur (443) und die Einführung des Consulartribunats, daß um die Mitte des 5. Jh. wichtige Veränderungen stattgefunden haben.

Mit der Einführung der Hoplitenphalanx verbindet sich, wie in Griechenland im 7. und 6. Jh. v. Chr., der Aufstieg der breiten Masse des Bürgertums, dem jetzt die vollen Rechte nicht mehr verweigert werden konnten, nachdem der Staat ihre Wehrkraft voll in Anspruch genommen hatte. Neben die Angehörigen der großen Familien, der gentes, trat nunmehr auch die große Masse der clientes, die in der Phalanx ihren Platz erhielten. Vor Jahren hat K. J. Neumann die Auffassung vertreten, die Klienten seien in der Frühzeit servi, an die Scholle gebundene leibeigene Bauern gewesen; in der 1. Hälfte des 5. Jh. habe eine große Bauernbefreiung stattgefunden, mit ihr stehe die Errichtung der ersten 16 römischen Landtribus (tribus rusticae) in Zusammenhang. Neumanns Theorie, die sich vor allem auf Ideen des Straßburger Nationalökonomen Knapp stützt, hat in der Forschung zwar Beachtung, aber wenig Glauben gefunden, und dies mit Recht. Denn für die weitreichenden Hypothesen gibt es keine Anhaltspunkte in der Überlieferung, vor allem aber hat Neumann die Beziehungen zwischen den patres und den Klienten zu sehr unter wirtschaftlichem Aspekt gesehen und dabei die ideellen Bande ignoriert, die beide miteinander verknüpfen.

In der Urzeit zerfiel das römische Volk in drei Tribus, die Namen sind etruskisch: Ramnes, Tities, Luceres. Es sind dies gentilizische Phylen wie die vorkleisthenischen Phylen in Athen. Eine Tribuseinteilung gibt es auch sonst in Italien, z. B. bei den Umbrern (trifu = tribus). An die Stelle dieser gentilizischen Tribus sind später lokale getreten, im Jahre 241 sind es insgesamt 35 an der Zahl. Bis weit hinein in das 5. Jh. haben jedoch nur 20 solcher lokalen Tribus existiert, 4 tribus urbanae (s. o. S. 22) und 16 tribus rusticae, die 21., die tribus Clustumina, ist erst gegen Ende des 5. Jh. gegründet worden (S. 37). Die Namen der ältesten 16 ländlichen Tribus sind sehr aufschlußreich. Es finden sich die Namen einer Anzahl berühmter gentes unter ihnen wieder, die Aemilia, Claudia, Cornelia, Fabia, Galeria, Horatia, Menenia, Papiria, Sergia, Veturia. Daneben existieren aber auch solche Namen, die wahrscheinlich geographischer Natur sind wie die Camilia, Lemonia, Pupinia, Pollia, Voltinia und wahrscheinlich auch die Romilia. Diese letzteren sind ohne Ausnahme Tribus, die in die unmittelbare Nähe Roms gehören, sie sind zweifellos als die ältesten tribus rusticae zu betrachten, ihre Entstehung gehört schon in die Königszeit. Von den übrigen läßt sich nur sagen, daß sie sicherlich vor dem Jahrhundertende eingerichtet worden sind, vielleicht in der Mitte des 5. Jh. Jeder römische Bürger gehörte einer lokalen Tribus an, im Rahmen der Tribus wurde sein Zensus ermittelt, und mit der Institution der Tribus hängt die Erhebung des tributum zusammen.

In die erste Hälfte des 5. Jh. fällt noch ein anderes für die römische Geschichte epochemachendes Ereignis. Es ist dies die Abschließung und Formierung des Patriziats und der Plebs als eigene Stände (ordines) und die Bildung der plebejischen Sondergemeinde in Rom. Dies ist der Beginn des römischen Ständekampfes, der sich durch volle zwei Jahrhunderte der römischen Geschichte hindurchzieht, bis er seinen Abschluß in der Lex Hortensia (287) gefunden hat.

In der römischen Königszeit hatten allein die Häupter der großen Familien, die patres, am politischen Leben der

Gemeinde ihren Anteil, sie saßen im Rat der Alten (senatus), sie pflegten das Andenken ihrer Ahnen (maiores) im Kult, zu dem allein die Angehörigen der Großfamilie (gens) zugelassen waren. Sie hatten das Vorrecht, als Reiter im Heere zu dienen, sie allein verfügten über die Priesterstellen, sie waren allein berechtigt, die Auspizien einzuholen. Zwischen ihnen und der Masse des Volks, der plebs, klaffte eine tiefe Kluft. Die Plebejer galten vielfach als unehrbar und unfrei, als ein zusammengewürfelter Haufe ohne Ahnen und ohne Rechte. Dennoch waren die Plebejer sicherlich nicht Abkömmlinge der unterworfenen Bevölkerung, den Heloten in Sparta vergleichbar, im Gegenteil, sie stellten die Masse des römischen Ackerbürgertums. Unter ihnen müssen sich auch so manche zugewanderten Elemente nichtrömischer Abstammung befunden haben, Latiner, Sabiner, überhaupt Italiker, aber auch Etrusker und sogar einzelne Griechen aus den Hellenenstädten Italiens. Der große soziale Abstand zwischen dem Patriziat und der Plebs ist nichts Überraschendes, ähnliche Verhältnisse gab es auch in der griechischen Welt (Gegensatz der Gamoren und Kyllyrier in Syrakus, der Geomoren und des Demos in Samos).

In den XII-Tafeln findet sich das Verbot des conubium zwischen den Patriziern und den Plebejern, die Abschließung der Stände muß also vorher erfolgt sein, vielleicht um 485. Der grundlegende soziale Gegensatz zwischen Patriziern und Plebejern zeigt sich in Kampfmaßnahmen, von denen der «Wehrstreik» (secessio) der Plebs die wichtigste gewesen ist.

Die Plebejer gehen außerdem dazu über, sich eine eigene Kampforganisation zu schaffen, sie bestellen Sonderbeamte, die tribuni plebis und die aediles plebis. Der Zeitpunkt der Einsetzung der Volkstribunen und ihre ursprüngliche Zahl sind umstritten. Angeblich sollen im Jahre 494 zwei, im Jahre 471 vier und erst im Jahre 449 zehn Volkstribunen eingesetzt worden sein. Livius gibt dagegen schon für das Jahr 494 die Fünfzahl an. In den tribuni plebis hat Eduard Meyer die ehemaligen Vorsteher der städtischen Tribus gesehen, nach Varro sind dagegen die Volkstribunen das Gegenbild der tribuni militum gewesen, d. h. sie waren zu Anfang militärische Beamte, die Führer der plebs im Kampfe gegen das beherrschende Patriziat. Ihre Unverletzlichkeit (sacrosanctitas) war durch einen heiligen Eid (lex sacrata) aller Plebejer, geschworen beim Tempel der Ceres, gesichert. Ähnliche Schwurgenossenschaften hat es auch sonst im alten Italien gegeben, jedoch mit dem Unterschied, daß sich diese in der Regel auflösten, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten. Zu den Volkstribunen traten noch zwei plebejische Ädilen hinzu, es waren die Verwalter des plebejischen Heiligtums der Ceres auf dem Aventin. Damit hatte sich die plebejische Sondergemeinde konstituiert, sie tagte in eigenen Versammlungen, den concilia plebis. Um die Mitte des 5. Jh. ist diese Entwicklung bereits als abgeschlossen zu betrachten.

Nahezu gleichzeitig ist die erste große römische Rechtsaufzeichnung, das Zwölftafelgesetz. Es war durch eine eigens zu diesem Zweck eingesetzte Kommission von zehn Männern (decemviri legibus scribundis) vorbereitet worden, die an die Stelle der amtierenden Oberbeamten getreten waren (451). Das Zwölftafelgesetz, das erste zuverlässig überlieferte Normengesetz der römischen Rechtsgeschichte, ist zweifellos ein bedeutender Schritt zur römischen Volksgemeinschaft. Der Inhalt besteht vor allem aus privatrechtlichen Bestimmungen, daneben finden sich solche über das Gerichtsverfahren, außerdem polizeiliche Vorschriften - alles noch ohne jede Systematik, ähnlich der griechischen Gesetzgebung der gleichen Zeit (Recht von Gortyn von etwa 480 v. Chr.). Erhalten sind von den XII-Tafeln nur Bruchstücke bei späteren Literaten und Juristen, vor allem bei Cicero, Plinius dem Älteren, Gellius, bei Gaius, Pomponius, Ulpian und anderen. Die rechtsstaatliche und kulturgeschichtliche Bedeutung des XII-Tafelgesetzes ist schwerlich zu überschätzen. So steht z. B. auf der 10. Tafel das

Verbot, einen Menschen in der Stadt zu begraben oder zu verbrennen. Der griechische Einfluß wird nicht nur in dem Lehnwort poena (griech. poine) sichtbar, er zeigt sich auch in der Bestimmung der 7. Tafel, wonach bei der Anlage von Mauern und Gräben ein gewisser Abstand von der Grenze des Grundstücks eingehalten werden muß: hierfür findet sich das Vorbild in Solons Gesetzen.

Als das Haupt der Kommission erscheint Ap. Claudius. Die Namen der zweiten Kommission, derjenigen des Jahres 450, sind dagegen nicht über jeden Zweifel erhaben. Das XII- Tafelgesetz ist ein entschiedener Fortschritt des Staatsgedankens, die Idee der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ist in ihm wenigstens angedeutet, wenn auch noch nicht in allen Punkten durchgeführt. Die Kluft zwischen Patriziat und Plebs ist keineswegs beseitigt, alle Ämter und Priestertümer sind den patres vorbehalten, das conubium zwischen den beiden Ständen ist erst im Jahre 445 durch die lex Canuleia gestatten worden. In dem Gesetzwerk spiegelt sich der vorwiegend agrarische Charakter des römischen Staates und Volkes wider, unter diesem Gesichtspunkt werden so manche Bestimmungen, wie die über die Grenze der Äcker und das Verbot, das Land des Nachbarn zu schädigen, erst ganz verständlich. Natürlich hat es auch damals schon Handwerker und Künstler, auch solche griechischer Herkunft, in Rom gegeben, aber sie treten hinter den Ackerbauern zurück, und das Vermögen der großen Familien besteht vor allem in Landbesitz und in den Viehherden, die die ausgedehnten Weiden und Triften bevölkern.

Seit dem Sturz des Königtums befand sich die Leitung des römischen Staates in den Händen von zwei Oberbeamten (magistratus), die in der späteren Überlieferung als consules bezeichnet werden. Ursprünglich hießen sie praetores, und als solche waren sie vielleicht die Hilfsbeamten der römischen Könige gewesen. Die Oberbeamten verfügten seit dem

Regifugium über das uneingeschränkte Imperium, über die volle militärische und zivile Gewalt. Die gegenteilige Ansicht, die ihnen zunächst nur ein militärisches Imperium zubilligen möchte, ist nicht begründet. Die Vollgewalt der beiden Amtsträger wurde dadurch gemildert, daß die Bürger die Möglichkeit hatten, gegen die über sie verhängten Kapitalstrafen Berufung beim Volke einzulegen; hier tritt also das souveräne Volk (in der Gestalt der comitia centuriata) gegen das uneingeschränkte Imperium der Oberbeamten in die Schranken. Es besteht kein Grund, die frühen römischen leges de provocatione, d. h. die lex Valeria (angeblich sogleich nach der Beseitigung des Königtums) und die lex Valeria Horatia (449), als unecht zu verdächtigen, zumal die Provokation bereits im XII-Tafelgesetz verankert ist.

Aus dem umfassenden Imperium der Oberbeamten sind die Ämter des Censors, des (späteren) Praetors und des Quästors gewissermaßen ausgegliedert worden (Th. Mommsen).

Rom und Italien von 450 bis 280 v. Chr. Außenpolitisch bezeichnet die Zeit bald nach 450 v. Chr. den Beginn einer stärkeren römischen Expansion. Am folgenreichsten waren die Kämpfe der Römer mit Veji, das in Fidenae, wenige Kilometer von Rom entfernt, diesseits des Tibers einen Brückenkopf besaß. Das gesamte rechte Tiberufer muß bis weit hinein in das 5. Jh. für Rom feindliches Ausland gewesen sein. In der Überlieferung erscheint die Eroberung Fidenaes durch die Römer zweimal, zuerst 437 und dann wieder im Jahre 426, beide Ereignisse können durchaus historisch gewesen sein. Bei den Kämpfen des Jahres 426 zeichnete sich auf römischer Seite A. Cornelius Cossus aus, er erschlug mit eigener Hand den Vejenterkönig Lars Tolumnius. Dessen Panzer wurde als spolia opima im Tempel des Juppiter Feretrius in Rom aufgehängt, wo ihn noch Augustus gesehen hat.

Nach einer 20jährigen Waffenruhe brach der Krieg zwischen Rom und Veji im Jahre 405 erneut aus. Nachdem sie

Crustumerium erobert hatten, schufen die Römer die tribus Clustumina, die letzte der alten Landtribus. Etwa um die gleiche Zeit errichteten sie an der Tibermündung in Ostia ein Kastell, und zwar mit Tuffsteinen aus Fidenae. Der Überlieferung zufolge soll Veji nach einem zehnjährigen Kriege im Jahre 396 in die Hände der Römer gefallen sein. Aus der Beute weihten die Römer einen Mischkrug, der im Schatzhause der Massalioten in Delphi aufgestellt wurde; im 3. Heiligen Kriege ist er, wie so manche anderen Weihegaben, von den Phokern eingeschmolzen worden. Mit der Errichtung von vier neuen Landtribus in Südetrurien (Arnensis, Tromentina, Stellatina, Sabatina) fand die Expansion (im Jahre 389 oder 387) ihren vorläufigen Abschluß.

Die Fortschritte der Römer bis in den Anfang des 4. Jh. hinein sind von großer historischer Bedeutung. Rom hat den Tiber überschritten, in Ostia besitzt es einen befestigten Stützpunkt am Tyrrhenischen Meere. Durch seine Bündnisse mit Latinern und Hernikern ist Rom die bedeutendste Macht in Mittelitalien, neben ihm verharren die anderen Völkerschaften des zentralen Apennin im Zustande weitgehender Zersplitterung. Auch außerhalb Italiens hat sich Rom Freunde erworben, dies gilt vor allem für Massalia, aber auch für den syrakusanischen Tyrannen Dionysios I. Bereits in dieser frühen Zeit sind die Grundzüge des römischen Wesens klar erkennbar. Roms Haltung wird gekennzeichnet durch einen kriegerischen Geist, durch die Wehrhaftigkeit seiner Bevölkerung, dazu durch staatsmännische Klugheit, die sich im Abschluß von Verträgen dokumentiert. In den Kriegen mit Aequern, Volskern und Etruskern (Veji) verrät das römische Bauernvolk einen hohen Grad von Disziplin und Tapferkeit, die zielbewußte Leitung durch den römischen Senat ist unverkennbar, auch an führenden Persönlichkeiten wird es nicht gefehlt haben, mögen sie auch für uns durch den Schleier der Sage verhüllt werden.

Die aufsteigende Entwicklung Roms wird jäh unterbrochen durch die gallische Katastrophe des Jahres 387 v. Chr. Die Wanderungen der Kelten vom 5. bis zum 3. Jh. v. Chr. sind ein wichtiger, aber immer noch sehr dunkler Abschnitt in der Geschichte Mitteleuropas. Sie umspannen den weltweiten Raum von Südspanien bis Inneranatolien und Südrußland. Das Kerngebiet der Kelten ist das mittlere und westliche Frankreich, das im Laufe des 5. und 4. Jh. v. Chr. durch die Kelten in Besitz genommen worden ist. Der Anlaß zu den keltischen Wanderungen ist unbekannt; es ist immerhin möglich, daß die Bewegungen durch den Druck der germanischen Völker ausgelöst worden sind. Jegliche zentrale Lenkung fehlt, die Wanderungen werden getragen von den einzelnen Stämmen. Im 4. und 3. Jh. (?) werden auch England und sogar Schottland in den Bereich der keltischen Expansion miteinbezogen; das gleiche gilt für die Pyrenäenhalbinsel; hier bildet sich bald eine typische Mischkultur keltoiberischen Charakters, die insbesondere durch die karthagische Zivilisation beeinflußt worden ist.

Die Kelten hatten vielfache Beziehungen zu den Kulturen des Mittelmeerraumes, in keltischen Gräbern finden sich attische Vasen wie z. B. auf der Heuneburg (bei Hundersingen, Krs. Saulgau); in dem Grab einer keltischen Fürstin in Vix (bei Chatillon an der Seine) hat sich ein prachtvoller griechischer Bronzekrater gefunden, der ein Vermögen gekostet haben dürfte. Die Kelten verfügten über die besondere Fähigkeit, sich die Elemente der fremden Zivilisation anzueignen und diese mit ihrer eigenen zu verschmelzen. Wichtige Ziele der keltischen Wanderungen waren die Gebiete an der mittleren Donau, insbesondere der Raum zwischen der Donau und der Save, hier haben sich die Kelten in harten Auseinandersetzungen mit den Illyrern durchgesetzt. Kurz nach 400 v. Chr. erschienen die ersten keltischen Stämme auf dem Boden Norditaliens, es waren die Völker der Insubrer, Cenomanen, Bojer, Lingonen und Senonen. In Oberitalien stießen sie vor allem auf die Etrusker und Umbrer, diese wurden allmählich bis an den Nordabhang des Apennin zurückgedrängt, manche Siedlungen der Etrusker wie Mantua vermochten sich jedoch gegen die Kelten zu behaupten. Als letzte erschienen die Senonen, sie breiteten sich im nördlichen Picenum bis an den Aesis aus, nach ihnen hieß das Land später der Ager Gallicus. Einzelne Streifzüge der Kelten gelangten bis in den äußersten Süden der Apenninhalbinsel, andere sogar bis nach Sizilien, wo sie als Söldner von Dionysios I. in den Dienst genommen worden sind. Nach der Überlieferung soll ein Keltenhaufe, der das etruskische Clusium belagerte, gegen Rom aufgebrochen sein. Die Römer, die zum Schütze ihres Landgebiets sich den Kelten zum Kampfe gestellt hatten, wurden in der Schlacht an der Allia (18. Juli 387) vernichtend geschlagen, nur wenigen gelang es, nach Veji zu entkommen. Die Schlacht hat aller Wahrscheinlichkeit nach am linken Ufer der Allia (fossa di Bettina) stattgefunden (anders Diodor). Rom selbst, das keine Befestigung besaß, mußte vor den anrückenden Kelten geräumt werden, die Bevölkerung wurde über den pons sublicius auf das andere Ufer des Tiber herübergeführt, die Brücke danach abgebrochen, allein auf dem Kapitol blieb eine Besatzung zurück, die Kelten aber zogen nach einer kürzeren Belagerung des Kapitols wieder ab. Die Keltenkatastrophe war der Grund dafür, daß Rom zum ersten Male in seiner Geschichte eine vollständige Ringmauer erhalten hat (sog. servianische Mauer), und zwar wurden in diese auch das Kapitol und sogar der Aventin miteinbezogen. Es ist wahrscheinlich, daß für den römischen Mauerbau das Beispiel von Syrakus das Vorbild gewesen ist.

Überhaupt steht die Geschichte Italiens in den ersten Jahrzehnten des 4. Jh. eindeutig unter dem Zeichen der Hegemonie des Dionysios I. von Syrakus. Der Tyrann hatte im Jahre 392 den Krieg mit den Karthagern durch einen Friedensschluß beendet. Dionysios war dadurch praktisch der Herr von fast ganz Sizilien (mit der Ausnahme des äußersten

Nordwestens der Insel) geworden. Es war verlockend für ihn, nun, da er den Rücken frei hatte, den Fuß auf italischen Boden zu setzen: verbündet mit dem bedeutenden Lokroi Epizephyrioi und mit den Lukanern, hatte er eine Vereinigung süditalischer Griechenstädte als Gegner. Zu ihnen gehörten Kroton, Kaulonia, Sybaris am Traeis, Thurii, Hipponion und sogar Tarent. Dem Tyrannen aber waren sie nicht gewachsen, sie wurden am Elleporosflusse geschlagen (388), nach einer längeren Belagerung fiel Rhegion (Reggio di Calabria) in die Hände des Dionysios (387).

Auch aus dem Zusammenbruch der Etruskerherrschaft in der Po-Ebene hat Dionysios Nutzen gezogen, er hat die Häfen Ankon (Ancona) und Adria an der Po-Mündung anlegen lassen, auf der Adria-Insel Issa (Lissa) gründete er eine syrakusanische Kolonie und eine Flottenstation. Die Schwäche der Etrusker, die damals von den Kelten bedrängt wurden, zeigt auch der Flottenvorstoß des Dionysios gegen die Küste Etruriens, dabei wurde das Heiligtum der Leukothea von Pyrgoi (Hafen von Caere) geplündert. Auch an der Südspitze der Insel Korsika setzten sich die Syrakusaner fest (Porto Vecchio?).

Das halbe Jahrhundert zwischen 387 und 338 ist eine Periode der inneren Festigung Roms. Von größter Fernwirkung waren die licinisch-sextischen Gesetze, die im Jahre 367 von den Volkstribunen C. Licinius Stolo und L. Sextius Lateranus beantragt worden sind. Die wichtigste politische Bestimmung ist die, daß an die Stelle des mehrköpfigen Consulartribunats nun wieder zwei Consuln treten sollten, der eine von ihnen sollte aus der Plebs gewählt werden. Außerdem wurde die Rechtssprechung den Consuln entzogen und dafür ein eigener Praetor (praetor urbanus) eingesetzt. Für die Abhaltung der Großen Spiele (ludi maximi) aber wurden die Stellen von zwei kurulischen Ädilen neu geschaffen, die damit den plebejischen Ädilen zur Seite traten.

Mit der Reform, wie sie durch die leges Liciniae Sextiae gegeben ist, war der römische Beamtenapparat fertig, in der neuen Form hat er bis tief hinein in die römische Kaiserzeit bestanden, mögen auch einzelne Magistrate später in der Zahl ihrer Amtsträger vermehrt worden sein. Noch wichtiger aber ist die Tatsache, daß mit den leges Liciniae Sextiae die allgemeine Vormachtstellung der patres abgebaut worden ist. Mit dem Ausgleich zwischen den Ständen der Patrizier und Plebejer ist hier Ernst ge macht worden, von nun an beginnt die Herausbildung des römischen Amtsadels, der Nobilität. Zu ihr gehören die gewesenen Consuln und deren Nachkommen (nicht aber die Träger aller kurulischen Ämter, wie Sigonius und sogar noch Mommsen glaubten).

Wie es heißt, sollen die beiden Volkstribunen C. Licinius Stolo und L. Sextius Lateranus noch zwei weitere Gesetzesanträge gestellt haben, einer davon bezog sich auf die Schuldenregelung, der zweite Antrag aber bestimmte, daß niemand unter den Bürgern mehr als 500 iugera (etwa 125 Hektar) Staatsland (ager publicus) besitzen durfte. Der erste Antrag mag historisch sein, die Bestimmung über den limitierten Besitz von Staatsland kann jedoch unmöglich in das 4. Jh. gehören, sie kann daher auch nicht Gegenstand der leges Liciniae Sextiae gewesen sein.

Die Annalen der römischen Geschichte verzeichnen in den Jahren von 361 bis 349 immer wieder Kämpfe mit den Kelten (361, 360, 349), gelegentlich auch mit latinischen Städten wie Tibur (360) und Praeneste, mit dem ein längerer Krieg (von 368 bis 354) geführt werden mußte. Wichtiger als diese überwiegend lokalen Auseinandersetzungen, die ein wachsendes römisches Übergewicht erkennen lassen, sind die von Rom abgeschlossenen Verträge, im Jahre 354 der hundertjährige Friede zwischen Rom und Caere und im Jahre 348 der 2. römischkarthagische Vertrag. Caere galt zunächst als Bundesgenosse (socius) der Römer, später war es Halbbürgergemeinde (civitas sine suffragio), und zwar geradezu das Muster einer solchen, denn die Liste der Bürger ohne Stimmrecht wurde später die «Liste der Caeriten» (tabula Caeritum) genannt. Während über einen weiteren Vertrag, den zwischen Rom und den Samniten (gleichfalls aus dem Jahre 354), nichts bekannt ist, sind die Bestimmungen des 2. Karthagervertrages (348) ausführlich überliefert. In dem Vertrag findet sich eine neue Abgrenzung des beiderseitigen Hoheitsgebiets: Rom beansprucht für sich die Herrschaft in ganz Latium, doch ist dies nur ein Anspruch, da in der Urkunde zwischen zwei Kategorien von Städten unterschieden wird: zwischen solchen, die Rom nicht untertänig sind, und solchen, die gleichfalls unabhängig, aber durch ein Vertragsverhältnis mit Rom verbunden sind. Die Karthager sind berechtigt, sich der von Rom unabhängigen Städte zu bemächtigen, sie dürfen sogar aus ihnen Einwohner und Beute fortschleppen (Recht des sylan), jedoch müssen die Städte danach Rom übergeben werden. Während es den Römern verboten ist, in Sardinien und Libyen Handel zu treiben, ist es ihnen in Sizilien und Karthago selbst gestattet. Für die römischen Kauffahrer ist eine Fahrtgrenze festgesetzt, sie wird durch das

Nicht gut begründet ist dagegen die angebliche Dedition der Campaner an Rom vom Jahre 343 v. Chr. und der diesem Ereignis unmittelbar folgende 1. Samnitenkrieg (343-341). Beide Ereignisse sind historisch äußerst zweifelhaft; es ist ganz und gar nicht wahrscheinlich, daß die Römer die Sidiciner den Samniten überantwortet haben, wie in den Friedensbedingungen zu lesen steht; vielmehr dürften Römer und Samniten gegen die

Sidiciner gemeinsame Sache gemacht haben.

Von großer geschichtlicher Bedeutung ist dagegen der Aufstand der Latiner gegen Rom im Jahre 340. Es ist dies eine Bewegung, die nicht nur die altlatinischen Gemeinden, sondern auch die latinischen Kolonien erfaßt hat. Nur wenige Orte sind in der Not den Römern treu geblieben, unter ihnen Ardea, Lavinium, dazu die Kolonien Sutrium und Nepet. Angeblich haben die Latiner die Forderung an die Römer gerichtet, hinfort den einen Consul und die Hälfte der Senatoren stellen zu dürfen. Während sich die Latiner der Hilfe der Volsker, Aurunker und Sidiciner zu versichern wußten, hatten die Römer in den Samniten Bundesgenossen. Wo die entscheidende Feldschlacht geschlagen worden ist, bleibt ungewiß, vielleicht bei Sinuessa am Mons Massicus. Roms Sieg brachte die Auflösung des politischen Latinerbundes, der von nun an nur noch als sakrale Vereinigung weiterbestanden hat. Rom aber ging dazu über, sein Verhältnis zu den einzelnen latinischen Gemeinden auf Grund ihres Verhaltens in der vorausgegangenen Auseinandersetzung zu regeln: die einzelnen Gemeinden wurden zunächst isoliert, commercium und conubium, ebenso gemeinsame Landtage zwischen ihnen (concilia) untersagt. Die Latinerstädte erscheinen in drei verschiedene Kategorien eingeteilt, die erste von ihnen ist die kleine Gruppe der autonomen Städte wie Tibur, Praeneste, Lavinium und Cora. Die Bürger der zweiten Gruppe wie die von Aricia, Lanuvium, Nomentum, Pedum u. a. fanden Aufnahme in das römische Bürgerrecht, Tusculum erhielt als Gemeinde Verzeihung, seine Bürger behielten die civitas Romana. Schlechter gestellt waren dagegen Gemeinden wie Fundi und Formiae, dazu die campanischen Städte Capua, Cumae und Suessula: all diese sind nur in den Besitz des römischen Halbbürgerrechts (civitas sine suffragio) gelangt; Fundi und Formiae entbehrten dazu der Selbstverwaltung, die vielmehr in die Hände römischer Magistrate gelegt wurde.

Der politischen Neuordnung des Jahres 338 liegt zweifellos eine großangelegte politische Konzeption zugrunde: es ist das Divide et impera, das, hier zum ersten Male in der römischen Politik, seine Triumphe feiert. Die Devise als solche stammt allerdings, wie J. Vogt gezeigt hat, erst aus der Zeit Ludwigs XL von Frankreich (1461-1483), die Sache aber ist altrömisch. Unter sparsamer Verwendung des römischen Bürgerrechts hatte die römische Staatsführung ihr Ziel vollauf erreicht: Rom und die latinischen Gemeinden aber sind auf dem besten Wege, zu einer Einheit zusammenzuwachsen, es ist hier eine römischlatinische Wehrgemeinschaft im Entstehen, diese ist der politische Kern des römischen Italien geworden. Ein Blick auf das gleichzeitige Griechenland enthüllt die Bedeutung des klugen römischen Vorgehens: während auf dem Schlachtfeld bei Chäronea die Totenglocke für die Welt der griechischen Poleis geläutet wird, ist Rom dabei, seine machtmäßigen Grundlagen unter Heranziehung des stammverwandten latinischen Elements beträchtlich zu erweitern und sie für die Folgezeit auf festem Boden zu verankern. Die Römer haben hier in einzigartiger Weise vorausschauende Arbeit geleistet, bei der sich Großzügigkeit mit Zielstrebigkeit verbindet.

In die Zeit unmittelbar nach der Neuordnung des Verhältnisses zwischen Rom und den Latinern fällt die erste Berührung zwischen Rom und der griechischen Welt. Es ist die Expedition Alexanders des Molossers, des Oheims und Schwagers Alexanders des Großen, der auf den Hilferuf Tarents von Albanien nach Süditalien übersetzte (334). Alexander von Epirus war nicht der erste Herrscher, der, vom Osten kommend, seinen Fuß auf italischen Boden gesetzt hat: wenige Jahre zuvor (338) hatte der spartanische König Archidamos III., gleichfalls als Bundesgenosse Tarents, im Kampfe gegen die Messapier sein Leben verloren. Unter den Gegnern des Molosserkönigs Alexander aber befanden sich vor allem die Samniten, und diese Gegnerschaft war es, die zu einem förmlichen Abkommen zwischen ihm und den Römern geführt hat (um 333-331). Die politische Verbindung ist jedoch bald wieder gelöst worden, denn Alexander der Molosser wurde schon im Jahre 331/30 v. Chr. bei Pandosia durch den Dolch eines tarentinischen Verbannten hinweggerafft.

Mit seinem Ausgreifen nach Campanien hatte Rom in einer Landschaft Fuß gefaßt, die bisher vor allem von dem oskischsamnitischen Element als Einflußsphäre betrachtet worden war. Seit 338 aber stand Rom im Bunde mit Capua, einer Griechenstadt, die aber seit einem vollen Jahrhundert durch Samniten regiert wurde. Auch Cumae war Bundesgenosse der Römer. In diese erste Periode römischcampanischer Beziehungen wurde früher die erste Prägung des römischcampanischen Silbergeldes gesetzt (sog. 1. römischcampanische Serie), doch hat sich diese Theorie nicht aufrechterhalten lassen.

Der römischsamnitische Gegensatz entlud sich schließlich in dem großen 2. Samnitenkriege (328-304). Der Krieg hat an die Römer besonders hohe Anforderungen militärischer Art gestellt. Bisher gewohnt, in festgeschlossener Phalanx zu kämpfen, hatten die Römer es dieses Mal mit einem Gegner zu tun, der sich auf den Kleinkrieg in den Bergen des Apennin aufs beste verstand. Außerdem war Samnium alles andere als ein zentral gelenkter Staat, es war ein buntes Konglomerat von Bergkantonen; hier gab es keinen politischen Mittelpunkt, gegen den der Gegner den zusammengefaßten Einsatz seiner Waffen hätte richten können. So war der Krieg eine Folge von zahlreichen Eroberungs- und Beutezügen, die an Führung und Mannschaft der Römer besonders hohe Anforderungen stellten. Anlaß zum Kriege soll angeblich das Bündnis zwischen Rom und Neapel (326/25 nach der Chronologie der Annalisten) gewesen sein, aber die Vorgänge, die zu dem foedus aequum zwischen Rom und Neapel führten, sind durch die Annalistik gefärbt. Ob es wahr ist, daß Neapel einen Angriff auf das mit den Römern verbündete Capua gewagt hat, ist immerhin zweifelhaft, denn in der Vorgeschichte spielt die römische Propaganda bei den Annalisten eine große Rolle, auch die Hilfesendung der Tarentiner für Neapel ist verdächtig. Neapel aber blieb als mit Rom verbündete Stadt im Besitz seiner Autonomie, die griechischen Beamten der Stadt amtierten weiter, auch der Rat (bule), der hier synkletos hieß, was von den Römern als griechisches Äquivalent für senatus übernommen worden ist. Der Krieg zwischen Rom und den Samniten brachte den römischen Waffen eine schwere Niederlage: das in Samnium eingedrungene römische Heer wurde in den Caudinischen Pässen eingeschlossen, zur Kapitulation gezwungen und unter das Joch geschickt (321). Sieger war der samnitische Feldherr Gavius Pontius, er behielt 600 römische Ritter als Geiseln für die Einhaltung des Kapitulationsvertrages zurück. Erst drei Jahre später (318) gingen die Kriegshandlungen weiter: die Römer verlegten den Kriegsschauplatz nach Apulien (Gründung der latinischen Kolonie Luceria 315), aber erst seit 314 waren sie eindeutig im Vorteil, Fregellae, die wichtige Sperrfeste im Tal des Liris, wurde von den Römern zurückerobert (313), Calatia und Nola unterworfen.

Ernst Kornemann hat hinter den Operationen der Römer als treibende Kraft die große Gestalt des Ap. Claudius vermutet, was jedoch nicht zu beweisen ist. Auch das Bündnis zwischen den Samniten und Etruskern vermochte die Erfolge der römischen Waffen nicht aufzuhalten: zum ersten Male hat ein römisches Heer das ciminische Waldgebirge nach Norden überschritten, der vierzigjährige Friede zwischen Rom und der Etruskerstadt Tarquinii wurde erneuert. Seit dem Jahre 306 beginnt Rom mit einem erbarmungslosen Vernichtungs- und Ausrottungsfeldzug in Samnium, worauf die Samniten (im Jahre 304) Frieden schließen. Dieser Friede festigte die römische Vorherrschaft in Mittelitalien, die Samniten sahen sich vom Meere abgedrängt, eine Anzahl mittelitalischer Stämme, unter ihnen die Marser, Marruciner, Päligner und Frentaner, traten zu Rom in ein Bundesverhältnis. Ja sogar zu den Lukanern hat Rom damals friedliche Beziehungen anknüpfen können. Im Bunde mit den Lukanern wandte sich Rom gegen Tarent. Die große Griechenstadt aber erhielt Hilfe durch den spartanischen Prinzen Kleonymos, er trieb die Lukaner zu Paaren, die schließlich auf die Seite der Samniten überwechselten. Rom sah sich von einer größeren Koalition bedroht (3. Samnitenkrieg, 299/98-290), zu der sich nicht allein die Umbrer und Lukaner, sondern auch die Kelten und Etrusker zusammengeschlossen hatten. So standen alle Völker Italiens (mit Ausnahme der Griechen) gegen Rom im Felde. Eröffnet wurde der Krieg von den Römern, und zwar durch einen Feldzug des Consuls L. Cornelius Scipio Barbatus gegen Samniten und Lukaner. Die Entscheidung aber fiel in der Schlacht bei Sentinum (295), die Römer behielten hier über die Heere der Kelten, Etrusker und Samniten in einem verlustreichen Kampf die Oberhand. Wie ernst die Lage in der Schlacht gewesen war, zeigt die Devotion des Consuls P. Decius Mus, die zweifellos historisch ist.

Im Süden befestigte Rom seine Position durch die Entsendung einer starken latinischen Kolonie nach Venusia (angeblich nicht weniger als 20000 Ansiedler) im Jahre 291 und durch die Unterwerfung der benachbarten Sabiner, und zwar durch M'. Curius Dentatus (290), sie fanden als cives sine suffragio Aufnahme in das römische Bündnissystem; mit der Gründung der Kolonie Hadria an der Küste Picenums ist das Meer erreicht: wie ein breiter Gürtel legt sich die römische Macht mit ihren Kolonien quer durch Mittelitalien, der nördlichste Stützpunkt, abgesehen von Hadria, ist Narnia (gegründet 299), der südlichste Venusia. Schon in dieser frühen Zeit haben es die Römer hervorragend verstanden, den Raum zu durchdringen und für politische und militärische Zwecke dienstbar zu machen. Aber noch in ganz anderer Hinsicht sind die Kämpfe in den 90er Jahren des 3. Jh. v. Chr. von großer historischer Bedeutung;

schon damals ist die Entscheidung über die Hegemonie in Italien praktisch gefallen. Rom mit seinen Bundesgenossen kontrollierte ein Gebiet von etwa 54000 qkm, während das gesamte übrige nicht von Rom abhängige Italien auf etwa 72000 qkm zu veranschlagen ist. Vor allem aber beherrschte Rom die Küste im Westen von Caere bis Lukanien, im Osten von Picenum bis Canusium. Der Bund der Samniten, als solcher ein Mitglied der römischen Wehrgemeinschaft, erscheint rings von römischem Gebiet umklammert, während das übrige freie Italien in eine Unzahl von selbständigen, z. T. miteinander verbündeten, z. T. aber auch verfeindeten Staaten aufgesplittert ist. Hatten die freien Italiker damals überhaupt noch eine Möglichkeit, sich der drohenden Herrschaft Roms zu entziehen? Da eine führende einheimische Macht als Gegengewicht gegen Rom nicht vorhanden war, so blieb nur die Hoffnung auf Hilfe von außen. Wo aber gab es in der Welt des Mittelmeeres einen Staat, der es mit Rom hätte aufnehmen können? Das Alexanderreich existierte nicht mehr, die hellenistische Staatenwelt aber war in eine Anzahl von rivalisierenden Staaten aufgespalten; für die Entwicklung in Italien haben sie wenig Interesse gezeigt, mit der Ausnahme von Makedonien und Epirus.

Im Jahre 285 hatte Rom noch einmal einen Einfall der Kelten aus Norditalien abzuwehren. Nach dem für sie unglücklichen Kampf bei Arretium (Arezzo) siegten die Römer unter M'. Curius Dentatus über die keltischen Senonen; an dem Gestade der Adria wurde die römische Bürgerkolonie Sena Gallica gegründet, der Ager Gallicus aber ward römisches Bürgerland. Die vereinigte Kraft der Bojer und Etrusker wurde endlich in der Schlacht am Vadimonischen See (283) gebrochen, worauf die Etruskerstädte Einzelverträge mit Rom abschlossen. Ganz neue Perspektiven aber eröffnete das Bündnis Roms mit der Griechenstadt Thurii, das letztlich der Anlaß des Krieges zwischen Rom und Tarent gewesen ist (s. S. 46).

Von den führenden Persönlichkeiten der römischen Politik is t in dieser Zeit so gut wie nichts bekannt, mit der einzigen Ausnahme des Ap. Claudius Caecus (Censor 312). Dieser Mann hat nicht nur die Via Appia erbauen lassen, die wichtigste Verkehrsader zwischen Rom und Campanien, auch die erste große Wasserleitung (Aqua Appia) ist sein Werk gewesen. Als Censor revidierte er die Senatsliste; wie es heißt, soll er Söhnen von Freigelassenen erstmals den Zugang zum Senat geöffnet haben. Unter diesen Männern war auch der kurulische Ädil Cn. Flavius; er hat ein Verzeichnis der dies fasti verfaßt und die legis actiones (Klageformeln) veröffentlicht, eine Tat, die zweifellos gegen das Rechtsmonopol der patres gerichtet war. Alle weitergehenden Hypothesen, so insbesondere die, daß Cn. Flavius die ersten Annalen veröffentlicht oder die älteste Redaktion der Consulliste vorgenommen habe, sind dagegen reine Vermutungen. Mögen auch einzelne Vorgänge wie z. B. die Einschreibung der niederen städtischen Bevölkerung in alle Tribus (nicht nur in die städtischen) auf Veranlassung des Ap. Claudius historisch umstritten sein, - es kann darüber kein Zweifel bestehen, daß sich hier das Wehen eines demokratischen Geistes offenbart, der kühn über die altgeheiligten Traditionen hinweggeschritten ist.

Auch außenpolitisch ergeben sich am Ende des 4. Jh. v. Chr. für Rom neue Perspektiven: um das Jahr 306/05 v. Chr. hat Rom einen Vertrag mit der Seestadt Rhodos geschlossen, er mag die gemeinsame Bekämpfung der Seeräuber zum Ziel gehabt haben.

Etwa um die gleiche Zeit bereiteten sich innenpolitisch große Wandlungen in Rom vor. Die lex Ogulnia (300 v. Chr.) erschloß den Plebejern den Zugang zu den Kollegien der Pontifices und Auguren, und zwar dadurch, daß die Zahl ihrer Mitglieder verdoppelt wurde. Im Jahre 287 ist die Plebs wieder einmal in den Wehrstreik getreten (secessio in montem laniculum), es war das letzte Mal in der jahrhundertealten Auseinandersetzung. Der Diktator Q. Hortensius - über seine Person ist sonst nichts bekannt - brachte die endgültige Aussöhnung zustande. Es wurde bestimmt, daß von nun an die Beschlüsse der Plebs auch für die Gesamtgemeinde bindend sein sollten. Dies bedeutet die rechtliche Gleichstellung der concilia plebis, der comitia tributa und der comitia centuriata. Während die letzteren immer noch die oberen Magistrate zu wählen und über Krieg und Frieden zu entscheiden haben, liegt die Wahl der unteren Magistrate in den Händen der Tributkomitien, sie besitzen aber auch das wichtige Recht, Gesetze zu beschließen. Hierdurch hat sich die Stellung der tribuniplebis stark gehoben, denn diesen Sonderbeamten der Plebs ist jetzt in weitem Umfang das Recht der Gesetzesinitiative zugefallen. Es wäre jedoch verfehlt, wenn man von nun an von einer (Beloch) sprechen würde, im Gegenteil, das Volkstribunat ist mehr oder weniger in die Abhängigkeit des Senats oder seiner Faktionen geraten, es hat die Senatspolitik unterstützt und dadurch zum Aufbau des römischen Weltreiches Wesentliches beigetragen, eine Periode, die allerdings mit den Gracchen ihr Ende gefunden hat.


6. Rom im Kampf mit Tarent und König Pyrrhos. Die römischitalische Wehrgemeinschaft (280-264 v. Chr.)

Die Griechenstadt Tarent, eine Gründung der spartanischen Parthenier, war im Herbst des Jahres 282 v. Chr. in einen Konflikt mit Rom geraten, und zwar dadurch, daß sich die Tarentiner an römischen Schiffen vergriffen hatten, die in ihrem Hafen vor Anker lagen. Die Schiffe kamen von Thurii; die Stadt war gerade durch die Römer unter C. Fabricius von einer Belagerung durch die Samniten befreit und mit einer römischen Garnison belegt worden. Angeblich existierte ein Vertrag mit Tarent, der es den Römern untersagte, über das Vorgebirge am Lakinion hinauszufahren. Möglicherweise haben die Tarentiner eine Einmischung der Römer in ihre inneren Angelegenheiten befürchtet, die Abneigung der Griechen gegen Rom ist so weit gegangen, daß auch eine römische Gesandtschaft, die wegen der Übergriffe intervenierte, von den Tarentinern insultiert worden sein soll. Rom aber konnte sich dies nicht bieten lassen (es besteht kein Grund zu der Annahme, daß Rom die Vorgänge bewußt provoziert hätte), es entsandte den Consul des Jahres 281, L. Aemilius Barbula, er brachte in Tarent die Römerfreunde ans Ruder. Inzwischen aber war ein Hilfegesuch der Stadt an den König Pyrrhos ergangen (Herbst 281). Was aber hat Pyrrhos, den König der Molosser in Epirus, bewogen, dem Hilfegesuch Folge zu leisten? Pyrrhos' Pläne richteten sich auf das makedonische Königtum, das seit dem Tode Alexanders eine geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Diadochen ausstrahlte. In Makedonien aber herrschte damals Ptolemaios Keraunos, aber auch Antigonos Gonatas, der Sohn des Demetrios Poliorketes, und Antiochos, der Sohn des Seleukos, hatten die Hoffnung auf das makedonische Königtum keineswegs aufgegeben. Außerdem hatte Pyrrhos im eigenen

Hause zu wenig Freiheit, seine Stellung war durch die Bundesversammlung der Molosser gewissen Beschränkungen unterworfen. Wenn man dazu dem Plutarch Glauben schenken darf, so hätte Pyrrhos von Anfang an sehr weitreichende Eroberungspläne gehegt: er hätte nicht allein von einer Unterwerfung Siziliens, sondern auch von einer Eroberung Afrikas (Libyens) und Karthagos geträumt. Mag dies nun auf Wahrheit beruhen oder nicht - Pyrrhos ließ die Burg von Tarent durch eine Vorausabteilung besetzen, im Frühjahr 280 landete er selbst mit einem großen Heere an der messapischen Küste. In Tarent zeigte Pyrrhos bald sein wahres Gesicht: er fühlte sich hier als Herr, nicht als Bundesgenosse, die Jugend der Stadt wurde zum Waffendienst herangezogen, auch auf den Emblemen der tarentinischen Münzen spiegelt sich die Vorherrschaft des Königs Pyrrhos wider.

In Rom herrschte zunächst Bestürzung und Furcht, man rief sogar die proletarii unter die Waffen und übertrug dem Consul P. Valerius Laevinus das Kommando gegen Pyrrhos, der die Römer im Gebiet von Herakleia am Siris erwartete. Trotz der unbestreitbaren Tapferkeit der Römer endete das Treffen für sie mit einer Niederlage (Juli 280). Pyrrhos verdankte seinen Sieg vor allem den Elefanten, die in den Reihen der Römer Furcht und Schrecken verbreitet hatten. Doch waren die Verluste des Epiroten so groß gewesen, daß Pyrrhos angeblich gesagt haben soll: «Noch ein solcher Sieg, und wir sind verloren!» Die Folge war, daß eine Reihe von italischen Völkerschaften, insbesondere die Lukaner, Samniten und Bruttier, auf die Seite des Pyrrhos übergingen, auch die Griechenstädte Locri Epizephyrii und Croton öffneten ihm ihre Tore. Pyrrhos machte nun einen überraschenden Vorstoß gegen Rom, gelangte aber nur bis Anagnia (oder bis Praeneste) und mußte wieder umkehren, da der andere römische Consul, Ti. Coruncanius, nach Beendigung der Kämpfe gegen die Etrusker herbeieilte. Die nun einsetzende Kampfesruhe bot beiden Gegnern Gelegenheit zu diplomatischen Verhandlunge n: ihr Ablauf im einzelnen ist umstritten, insbesondere die Frage, ob der Thessaler Kineas, der Vertraute des Pyrrhos, zweimal, nach der Schlacht bei Herakleia und nach Ausculum, in Rom gewesen ist. Wenn die Überlieferung auch im einzelnen legendär sein mag, so wird man doch daran festhalten können, daß der Widerstand in Rom von dem bejahrten Ap. Claudius Caecus und seinen politischen Freunden ausgegangen ist. Im übrigen sahen sich die Römer außerstande, die weitgehenden Forderungen des Pyrrhos, die nicht nur die Befreiung der Griechenstädte Italiens von römischer Herrschaft, sondern auch die Entlassung der italischen Völker aus dem römischen Bündnis vorsahen, zu erfüllen. So mußten noch einmal die Waffen entscheiden. In Apulien, auf den weiten Feldern bei Ausculum, wurde zwei Tage lang erbittert gerungen, wieder behielt Pyrrhos die Oberhand, die Verluste auf beiden Seiten waren aber beträchtlich, so daß die Operationen zum Stillstand kamen (279). Die Römer erneuerten bald danach (im Jahre 279/78) das Bündnis mit Karthago, es liegt im Wortlaut bei Polybios (III 25,3-5) vor, ist aber in seiner Interpretation immer noch umstritten. Soviel scheint jedoch sicher, daß der Vertrag einen eventuellen Sonderfrieden mit Pyrrhos untersagte. Im übrigen erklärten sich die beiden Vertragspartner zu gegenseitiger uneingeschränkter Unterstützung bereit, die Karthager erboten sich, für den Transport der Truppen die notwendigen Schiffe zu stellen. Pyrrhos sollte offenbar in Italien festgehalten und daran gehindert werden, in Sizilien einzugreifen. Aber Pyrrhos hatte inzwischen durch Kineas Verbindungen mit den sizilischen Griechenstädten angeknüpft; als Schwiegersohn des Agathokles hielt er sich nicht nur für berechtigt, sondern sogar für verpflichtet, den Sikelioten zu Hilfe zu kommen. Dabei hat ihm zweifellos die Errichtung einer eigenen Herrschaft in Sizilien vor Augen gestanden. So entsprach es ganz seinen Absichten, wenn er nach dem Übergang nach Sizilien als rex Siciliae sicut

Epiri proklamiert worden ist, und zwar soll Pyrrhos seinem Sohn von der Lanassa, Alexander, die Insel Sizilien, dem anderen Sohn, Helenos, Italien als Königreich bestimmt haben.

In Sizilien wurde der Molosser enthusiastisch begrüßt, zahlreiche Griechengemeinden traten auf seine Seite, unter ihnen Syrakus, Leontinoi, Akragas und Henna, im ganzen sollen sich ihm mehr als 30 Städte unterstellt haben. Der Feind war hier Karthago, das sich im Westen der Insel, vor allem in den Festungen Panormos, Lilybaeum und auf dem Berge Eryx, eine starke Position aufgebaut hatte, die es mit allen Mitteln zu behaupten versuchte. Die Bergfeste Eryx wurde von Pyrrhos im Sturm genommen, vor dem starken Lilybaeum aber scheiterten all' seine Anstrengungen, die Belagerung mußte nach einer Dauer von zwei Monaten wieder aufgegeben werden. Dieser Rückschlag, verbunden mit einer Reihe wenig populärer Maßnahmen des Königs - hierzu ist vor allem die Einziehung zahlreicher Güter zu rechnen, die vorher dem Agathokles gehört hatten, inzwischen aber längst in andere Hände übergegangen waren -, machte Pyrrhos sehr unbeliebt, zahlreiche Städte wechselten auf die karthagische Seite über. Da die Römer auch in Bruttium Erfolge zu verzeichnen hatten und die Mamertiner, campanische Söldner, in Messina ihre Feindschaft gegen Pyrrhos nach wie vor aufrechterhielten, kehrte der König mit einer immer noch sehr stattlichen Flotte nach Italien zurück (Sommer 276). Die Karthager aber stellten die Flotte bei Rhegion zum Kampf und fügten ihr schwere Verluste zu. Obwohl Pyrrhos aus einem Treffen gegen die Mamertiner als Sieger hervorgegangen war, hatte sich seine Lage in Italien doch so schwierig gestaltet, daß er den König Antigonos Gonatas bitten mußte, ihm Truppen nach Italien zu schicken, ein Ansinnen, das dieser jedoch von sich gewiesen hat. Die römischen Triumphalfasten verzeichnen in den Jahren 278, 277 und 276 Triumphe der Consuln C. Fabricius, C. Junius Brutus und Q. Fabius Maximus Gurges über eine Reihe von italischen

Völkerschaften, darunter die Lukaner, Bruttier, Samniten. Im Jahre 276 waren aber die römischen Operationen durch den Ausbruch einer Pest behindert. Die Entscheidung fiel im folgenden Jahre, 275, bei Benevent (vorher Maleventum genannt). Die Römer hatten es inzwischen gelernt, mit den Elefanten fertig zu werden, sie konnten sich sogar in den Besitz des gegnerischen Lagers setzen. Ob außerdem noch ein zweites Treffen stattgefunden hat, und zwar auf den Campi Arusini, ist in der Forschung umstritten. Von einem großen Teil seiner früheren Bundesgenossen in Italien im Stich gelassen, ohne den nötigen Nachschub an Mannschaften aus der Heimat, sah sich Pyrrhos gezwungen, wieder nach Epirus zurückzukehren (Herbst 275), doch blieb Tarent von einer epirotischen Besatzung unter seinem Sohn Helenos und unter Milon gesichert. Italien hat Pyrrhos nicht mehr wiedergesehen, nach wechselvollen Kämpfen in Griechenland ist er im Jahre 272 in dem peloponnesischen Argos umgekommen. Schon vorher, im Jahre 274, hatte er seine Besatzung aus Tarent zurückziehen müssen, seine wenigen ihm noch verbliebenen italischen Bundesgenossen waren damit auf Gnade und Ungnade den Römern ausgeliefert.

Mit dem Sieg über Pyrrhos war Rom in die Reihe der großen Mächte eingetreten. Es ist hierfür kennzeichnend, daß es schon im Jahre 273 zum Abschluß eines Freundschaftsvertrages (amicitia) mit Ptolemaios II. gekommen ist. Von den Italikern unterwarfen sich die Lukaner und Samniten zuerst. Sie mußten einen Teil ihres Gebietes an die Römer abtreten, die Befriedung Lukaniens aber wurde mit der Entsendung einer latinischen Kolonie nach Paestum (Poseidonia) zu Ende geführt. Croton und Locri, dies einer der wichtigsten Stützpunkte des Pyrrhos in Italien, fanden Eingang in die römische Bundesgenossenschaft. Sie wurden socii navales und haben als solche in den Kämpfen mit den Karthagern eine wichtige Aufgabe wahrgenommen. Tarent fiel dagegen erst im Jahre 272, und zwar nach dem Tode des Pyrrhos, den Römern anheim. Die Tradition über die Behandlung der Stadt ist nicht ohne Widersprüche. Angeblich soll vor dem Fall der Stadt eine karthagische Flotte erschienen sein, was in späterer Zeit von den Römern als feindseliger Akt betrachtet worden ist. Die Tarentiner müssen den Römern Geiseln für ihr Wohlverhalten gestellt haben, und unter diesen Gefangenen ist wohl auch der spätere Dichter Livius Andronicus nach Rom gekommen. Sehr viel härter aber war das Schicksal von Rhegium. Die Stadt wurde im Jahre 270 von den Römern mit stürmender Hand genommen, die campanischen Mamertiner, die sich hier zu Herren aufgeworfen hatten, nach Rom fortgeführt, auf dem Forum mit Ruten gepeitscht und enthauptet. Die Eroberung von Mittel- und Süditalien war damit praktisch abgeschlossen. Die Kämpfe gegen die Picenter, die Beilegung des Konflikts mit Caere und endlich die Unterwerfung des etruskischen Volsinii waren für die Römer keine Probleme mehr. Wieder wurden die neuen Eroberungen durch die Anlage von Kolonien gesichert, es waren dies Benevent, Ariminum (beide im Jahre 268 gegründet), Firmum Picenum (264) und Aesernia (263).

Wie aber sah es in Italien am Vorabend des 1. Punischen Krieges aus? Völkisch und sprachlich war die Apenninhalbinsel alles andere als eine Einheit. Neben dem Lateinischen wurden noch zahlreiche andere Sprachen gesprochen, von ihnen waren das Etruskische, Oskische, Umbrische, Messapische, Griechische und Keltische die wichtigsten. Die Verständigung zwischen den verschiedenen Völkern und Stämmen war keineswegs einfach, wenngleich das Vordringen des Lateinischen, vor allem über die römischen Bürgerkolonien und die latinischen Kolonien, eine gewisse uniformierende Wirkung hatte. Aber es hat den Römern im 3. Jh. ganz fern gelegen, eine bewußte Sprachenpolitik zu betreiben, sie begnügten sich, ihre Hegemonie auf politischem Gebiet zu festigen.

Das Bild der politischen Landkarte Italiens war noch viel bunter, die Zahl der verschiedenen Städte und Territorien war unübersehbar, sie alle waren selbständig, aber der größte Teil von ihnen gehörte der römischitalischen Wehrgemeinschaft an, die Rom in zielbewußter Arbeit in Mittel- und Süditalien errichtet hatte. Im ganzen gesehen war diese Wehrgemeinschaft ein dreigegliedertes Gebilde, bestehend aus den Römern, den Latinern (nomen Latinum) und den Bundesgenossen (sociiltalici).Die Territorien der drei Kategorien, das römische Bürgerland (ager populi Romani), die latinischen Kolonien und die Gebiete der Bundesgenossen lagen bunt durcheinander, sie alle aber fanden in Rom ihren Mittelpunkt, sie alle hatten Interesse daran, daß dieser Zustand auch erhalten blieb. Die politischen Bindungen an die Hegemonialmacht waren ganz verschieden: neben den römischen Vollbürgergemeinden, gegründet auf erobertem Territorium (coloniae civium Romanorum), deren Bewohner alle Pflichten und Rechte (munera ac honores) der römischen Bürger besaßen, standen die sog. Halbbürgergemeinden (municipia); ihre Bürger waren zwar zum Wehrdienst und zur Entrichtung der Abgaben verpflichtet, besaßen aber nicht das Wahlrecht (cives sine suffragio). Wieder eine andere Kategorie bildeten die latinischen Kolonien, deren Bürger bei ihrer Übersiedelung nach Rom dort das Bürgerrecht erhielten. Eine Ausnahme hiervon bildeten jedoch die Kolonien vom Typ Ariminum. Die große Masse der Bundesgenossen aber war in Verträgen verschiedensten Inhalts mit Rom verbunden, sie waren zwar eigene souveräne Staaten, mußten aber auf die Militärhoheit und auf eigene Außenpolitik großen Stiles verzichten. Auch untereinander bestand in der Regel kein commercium und conubium.

Die Durchdringung Italiens mit römischem Geist und mit römischer Kultur ist ein Vorgang, der sich erst allmählich vollzogen hat, seinen vorläufigen Abschluß fand er mit dem Ende des Bundesgenossenkrieges (89 v. Chr.). Interessant sind die Wandlungen, die der Begriff Italia im Laufe der römischen

Expansion durchgemacht hat. Vom Süden aus hat der Name Italia seinen Siege szug nach dem Norden angetreten, unter dem Begriff der Italici werden die Angehörigen der Wehrgemeinschaft unter Roms Führung zusammengefaßt. Die Verbindung Roms mit den volkreichen Stämmen Italiens einerseits und mit den Griechenstädten des Südens anderseits ist ein Vorgang von weiter historischer Fernwirkung. In der römischitalischen Wehrgemeinschaft ist ein Staatenbund entstanden, der, was die Zahl seiner Einwohner und die Ausdehnung des von ihm kontrollierten Gebietes betrifft, im Westen des Mittelmeerraumes ohne jede Konkurrenz ist. Rom aber und seine führende Schicht haben hier einen glänzenden Beweis ihrer staatsmännischen Einsicht erbracht: eine Minderheit hat einer vielfachen Mehrheit ihren Willen aufgezwungen und die Kräfte von ganz Mittel- und Süditalien zu einem planvollen Einsatz unter römischer Führung gebracht.


7. Der 1. Punische Krieg (264-241 v. Chr.)

Als Pyrrhos Sizilien verließ, soll er gesagt haben: «Welchen Kampfplatz überlassen wir den Römern und Karthagern!» Der Ausspruch ist schwerlich historisch, er ist wahrscheinlich ein vaticinium ex eventu. Aber die Frage bleibt, ob der Zusammenstoß zwischen den Römern und Karthagern auf Sizilien ein unvermeidliches Ereignis gewesen ist. Ernst Kornemann spricht geradezu von der «schicksalhaften Verflochtenheit der Dinge, die weit über Menschenwitz und Menschenkunst den Agrarstaat vorwärts getrieben habe, vermöge des in ihm innewohnenden Machtund Ausbreitungstriebes für die nach Brot und Betätigung schreienden Massen». Andere Forscher betonen dagegen, daß zwar eine weitere Expansion Roms kaum aufzuhalten, daß aber ein Übergreifen der Römer auf Sizilien bereits im Jahre 264 in keiner Weise unausweichlich gewesen sei, zumal es schwierig sein mußte, die Insel in das römische Hegemonialsystem einzubeziehen. Aber Rom konnte es sich auf die Dauer einfach nicht leisten, die Entwicklung in Sizilien zu ignorieren, und zwar um so weniger, als die Griechengemeinden der Insel durch vielfache Bande mit den Hellenenstädten Unteritaliens, den socii navales der Römer, verbunden waren.

Rom und Karthago, die auf Sizilien gegeneinander in die Schranken getreten sind, waren die bei weitem mächtigsten Staaten der westlichen Mittelmeerwelt. Beide hatten sich aus einer Stadt als Urzelle entwickelt, doch hatten sie ganz verschiedene Wege eingeschlagen, Rom hatte die mächtige Wehrgemeinschaft in Italien aufgebaut, Karthago dagegen war zum Mittelpunkt eines großen Handelsreiches geworden, das sich von den Küsten Iberiens über die Balearen bis nach Sardinien und Sizilien, an der afrikanischen Küste von Marokko bis an die Grenze der Cyrenaica erstreckte.

Die Karthager waren ihrer Herkunft nach Phöniker, die Römer nannten sie deshalb Poeni; ihre Stadt (Karthago bedeutet «Neustadt») war eine Kolonie der Tyrier, die Gründung gehört in die Zeit um 800 v. Chr. Am Schnittpunkt zahlreicher Verkehrslinien gelegen, hat Karthago einen steilen Aufstieg erlebt, im westlichen Mittelmeer war es die bedeutendste Handelsmetropole, vor allem seitdem es den Karthagern im Bunde mit den Etruskern gelungen war, die griechische Konkurrenz in den westlichen Gewässern zu überwältigen (Seeschlacht bei Alalia auf Korsika, nach 540 v. Chr.). Kühne Seefahrer der Karthager drangen um 500 v. Chr. an der Westküste Afrikas entlangfahrend bis nach Kamerun vor (Hanno), andere erkundeten den Seeweg von Spanien nach den «Zinnländern», der Bretagne und Cornwall (Himilko). Dazu hatte Karthago seine Stützpunkte in Sizilien (Panormos, Solus und Motye) seit dem Jahre 409 v. Chr. zu einer regelrechten Provinz (epikrateia) erweitert, gegen alle Angriffe der Griechen (Dionysios L, Timoleon, Agathokles und Pyrrhos) hatten die Karthager ihre Positionen in Westsizilien behauptet. Abgesehen von der sizilischen Epikratie kann von einer wirklichen Organisation des karthagischen Herrschaftsgebietes kaum die Rede sein. Es ist im wesentlichen ein System von Stützpunkten und Handelsfaktoreien, einem weiten Netz über dem westlichen Mittelmeerraum vergleichbar. Mit den Nachbarn schlossen die Karthager Verträge, bei denen sie nach Möglichkeit Sperrzonen festlegten, die den Schiffen der Vertragspartner verschlossen blieben. Von einem politischen Imperialismus waren die Karthager zunächst noch weit entfernt; bezeichnend hierfür ist die Tatsache, daß man den Libyern im Hinterland von Karthago Tribut entrichtete, erst im Verlaufe des 5. Jh. wurden die libyschen Stämme unterworfen; ebenso wie die Berber und Numider finden sie sich von nun an im karthagischen Heere, das sich vor allem aus Söldnern verschiedenster Nationalität (Kelten, Iberer, Ligurer, Griechen) rekrutiert.

Die Leitung des karthagischen Staates liegt in den Händen einer zahlenmäßig beschränkten Aristokratie. Die Spitze bilden die beiden Sufeten («Richter»), die eigentlich regierende Körperschaft aber ist der «Rat der Dreihundert», aus dessen Mitte ein Ausschuß der «Dreißig» gebildet wird. Dazu kommt noch der Staatsgerichtshof der «Hundertvier», er hat über die Verfassung zu wachen, seine Mitglieder bleiben längere Zeit, wenn nicht lebenslänglich, im Amt. Die Verfassung ist aristokratischtimokratisch, ganz nach dem Vorbild der großen phönikischen Metropolen. Von einer Übernahme spartanischer oder westgriechischer Elemente kann nicht die Rede sein, wohl aber haben sich die Karthager in späterer Zeit hellenistische Verwaltungsprinzipien zunutze gemacht. Bemerkenswert ist der Gegensatz, der sich zwischen dem Heer und dem Staatswesen in Karthago herausgebildet hat. Der Befehlshaber - oft genug ein Ausländer ist zwar von der Regierung abhängig, aber immer wieder gibt es Zwistigkeiten, und nicht selten ist es vorgekommen, daß die Strategen den Weg des bewaffneten Aufstands gegen die Stadt beschriften haben.

Das Epochenjahr in den Beziehungen zwischen Rom und Karthago ist das Jahr 270. Damals hatte Rom sich in den Besitz von Rhegion gesetzt (s. S. 49). Jenseits der Meerenge aber, in Messana, existierte immer noch die Republik der campanischen Mamertiner, die sich nicht nur gegenüber Pyrrhos, sondern auch gegenüber Hieron II., dem Herrscher von Syrakus, behauptet hatte. Allerdings war ihre Lage schwieriger geworden, seitdem es Hieron gelungen war, die Mamertiner am Longanosfluß (unweit von Mylai) aufs Haupt zu schlagen (269). In ihrer Bedrängnis wandte sich ein Teil der Mamertiner an die Karthager mit der Bitte, eine Besatzung in die Burg von Messana zu legen. Als die karthagische Besatzung ihren Einzug in die Stadt gehalten hatte, standen sich Römer und Karthager, nur durch die Straße von Messina getrennt, gewissermaßen Stirn an Stirn, gegenüber. Ein anderer Teil der Mamertiner aber richtete an Rom ein Hilfegesuch. Der Senat konnte sich jedoch zu einer Entscheidung nicht durchringen, die Consuln brachten die Sache vor die Volksversammlung (comitia centuriata). Diese aber stimmte dem Hilfegesuch der Mamertiner zu, angeblich wegen des reichen Gewinns, den man sich von einem sizilischen Feldzug erhoffte. Messana aber erhielt eine römische Besatzung, die karthagische Truppe wurde aus der Stadt vertrieben. Da erschien Hieron II. vor Messana, er hatte überraschenderweise mit den Karthagern ein Bündnis geschlossen und wollte nun die Römer zum Abzug veranlassen. Der römische Consul Ap. Claudius Caudex brachte die Entscheidung, er hatte in Rhegion Verhandlungen mit dem Karthager Hanno geführt, sie waren ohne Ergebnis geblieben. Für Claudius aber war die Tatsache des bellum iustum gegeben, und zwar zur Verteidigung römischer Bundesgenossen, so erklärte denn der Consul den Karthagern den Krieg (264).

Es kann als sicher gelten, daß keine der beiden Großmächte den Krieg gesucht hat. Ein ausgesprochener Eroberungswille war weder in Rom noch in Karthago vorhanden. Wer aber trägt dann die Schuld am Kriege? Nach Philinos von Akragas hatte es einen Vertrag zwischen Rom und Karthago gegeben des Inhalts, daß sich die Römer verpflichtet hätten, nicht in Sizilien, die Karthager, nicht in Italien einzugreifen. Aber dieser sog. Vertrag des Philinos ist nicht nur in seiner Datierung, sondern sogar in seiner Existenz umstritten, so daß man nicht auf ihn bauen kann. Maßgebend ist allein die Darstellung des Polybios (I 10-11,3), die wahrscheinlich auf Fabius Pictor zurückgeht. Danach wären sich die Römer dessen bewußt gewesen, daß sich die Unterstützung der Mamertiner in Messana moralisch kaum rechtfertigen ließe, die Ausdehnung der karthagischen Macht schien ihnen aber keine andere Wahl zu lassen.

Jede Darstellung der Auseinandersetzung zwischen Rom und Karthago muß darauf Rücksicht nehmen, daß punische Quellen von irgendwelchem Gewicht nicht vorhanden sind. Dazu kommt noch, daß den Römern jegliches Verständnis für die Eigenart der Karthager gefehlt hat, und nicht durch Zufall wollen die Klagen über die perfidia Punica niemals verstummen. Doch ist anderseits nicht zu übersehen, daß auch die Römer zu Mitteln gegriffen haben, die nicht gerade wählerisch gewesen sind. Daß im übrigen der Rassengegensatz im Kriege keine Rolle gespielt hat, ist längst erwiesen.

Schon im folgenden Jahre (263) hatte Rom in Sizilien einen großen Gewinn zu verzeichnen. Hieron II. von Syrakus wechselte auf die römische Seite über, die Römer garantierten ihm das Gebiet seines Reiches, während sich der König verpflichtete, eine Kriegsentschädigung von 100 Talenten zu entrichten. Größere Kämpfe sind offenbar nicht vorgekommen, jedoch hat der römische Konsul dieses Jahres, M'. Valerius, bei der Curia Hostilia in Rom ein Gemälde aufstellen lassen, das seinen Sieg über die Punier und Hieron II. verherrlichte. M'. Valerius hat außerdem den Beinamen Messalla erhalten und einen Triumph über die Punier und den König von Sizilien, Hieron, (de Poenis et rege Siculorum Hierone) feiern dürfen.

Im Jahre 262 erweiterte sich der Krieg um Messina zu einem sizilischen Kriege: die Römer gingen an die Belagerung von Akragas, das von den Karthagern zu einer starken Heeres- und Flottenbasis ausgebaut worden war. Die Stadt fiel nach einer Belagerung von sechs Monaten in die Hände der Römer, die von Hieron tatkräftig unterstützt worden waren. Ein ganz neues Aussehen gewann der Krieg durch den Entschluß der Römer, den Karthagern von nun an auf ihrem eigentlichen Element, der See, entgegenzutreten. Die Römer legten im dritten Kriegsjahr (262) eine große Flotte auf Kiel, wobei die Hauptlasten von den socii navales getragen werden mußten. Es sollen 100 Fünfreiher und 20 Dreireiher gewesen sein, mehr als 30000 Ruderer mußten eingeübt und für die taktischen Manöver geschult werden. Neu war die Verwendung von Enterhaken und Enterbrücken (corvi); man wollte den römischen Legionären mit ihrer Hilfe die Möglichkeit geben, die Technik des Landkampfes auch auf hoher See fortzusetzen. Dieser kühne Entschluß brachte den Römern unter Führung des Consuls C. Duilius im Jahre 260 einen glänzenden Seesieg in den Gewässern bei Mylae an der Nordküste Siziliens. Es war der erste Seesieg der römischen Geschichte, er wurde durch die Errichtung einer Siegessäule mit den Schiffsschnäbeln der genommenen karthagischen Schiffe (columna rostrata) auf dem Forum Romanum gefeiert.

In der Eroberung der Insel Korsika durch den Consul L. Cornelius Scipio, und zwar im Jahre 259, kündet sich eine Erweiterung des Krieges auf neue Schauplätze an, der Kampf wird von nun an nicht mehr allein um Sizilien, sondern um die Herrschaft in dem gesamten westlichen Becken des Mittelmeeres geführt. Da die Römer ihre Gegner nicht aus den festen Positionen auf Sizilien verdrängen konnten, faßten sie im Jahre 256 den Entschluß, die Karthager in ihrem eigenen Lande anzugreifen. In der großen Seeschlacht bei Eknomos (an der Südküste Siziliens) erzwangen die Römer den Übergang nach Afrika (256), die Landung vollzog sich, unbehindert von den Karthagern, in Aspis-Clupea. Aber die römische Führung scheute sich, aufs Ganze zu gehen, man beorderte einen großen Teil der Truppen und der Flotte nach Sizilien zurück. Allein der Consul M. Atilius Regulus blieb mit 15000 Mann Infanterie, 500 Reitern und 40 Schiffen in Afrika zurück. Die Erfolge waren zunächst sehr beachtlich, die Karthager wurden bei Adys (unbekannter Lage) geschlagen, die Römer nahmen Tunes ein, unter den Libyern und Numidern machte sich der Abfall von Karthago breit, so daß die Stadt um die Übermittlung von Friedensbedingungen nachsuchen mußte. Hier beging nun Regulus einen schwerwiegenden Fehler: die Bedingungen, die er den Karthagern übermittelte, waren so hoch geschraubt, daß sie Karthago den Verlust der Souveränität gekostet hätten - es war kein Wunder, wenn sich die Punier wieder zum Kampfe vorbereiteten. Der Tüchtigkeit eines griechischen Söldnerführers im Dienste der Karthager, des Spartaners Xanthippos, gelang es, das Blatt zugunsten der Punier zu wenden: unter geschicktem Einsatz von Kriegselefanten wurden die Römer völlig geschlagen. Regulus selbst geriet in Gefangenschaft, nur wenige Römer konnten sich nach Aspis-Clupea retten. Afrika aber wurde bereits im Jahre 255 von den Römern geräumt, der Feldzug war ebenso gescheitert wie mehr als 50 Jahre vorher, im Jahre 307, das ähnliche Unternehmen des Agathokles.

In Afrika war der Krieg damit beendet, das Ringen um Sizilien aber wurde fortgesetzt. Obwohl die Römer Panormos, Solus und einige andere Plätze an der Nordküste der Insel erobern konnten, so behaupteten dennoch die Karthager in Lilybäum und in Drepanon ihre Positionen, und zwar dadurch, daß sie eine ausgesprochene Ermattungsstrategie anwandten. Es war kein Wunder, wenn die Römer in den folgenden Jahren, von 254 bis 248, nichts Rechtes erreichen konnten. Aber sie richteten sich in Sizilien häuslich ein; so wurde bei dem Orte Zuccarone in Westsizilien ein Meilenstein des Consuls Aurelius Cotta gefunden, er gehört zu der Straße Agrigent-Palermo: wer aber im Kriege eine so wichtige Verbindungsstraße errichtet, der hat nicht die Absicht, das Land so bald wieder zu verlassen.

Schwer waren auch die Verluste der Römer zur See. Sie beherrschten vor allem die Kunst des Navigierens noch nicht genügend, so daß sie im Kampfe mit den Elementen mehrfach den kürzeren zogen. Eine entscheidende Wende aber brachte das Jahr 247. Damals hat auf Seiten der Karthager Hamilkar Barkas (der «Blitz») das Kommando übernommen. Er reorganisierte das Landheer und besetzte einen strategisch sehr wichtigen Punkt in Westsizilien, den Berg Heirkte, etwa 12 km nordwestlich von Palermo (246). Von dieser überragenden Position aus beherrschte Hamilkar Barkas die römischen Verbindungslinien von Palermo nach Drepanon, seine Schiffe erschienen an den italischen Küsten bis herauf nach Campanien und brandschatzten die Einwohner. Für die Römer aber war die Stellung Hamilkars ein Pfahl im Fleisch, so wie einst für die Athener das von den Lakedämoniern besetzte Kastell Dekeleia in Attika. Nach dreijährigem Kleinkrieg von dem Berge Heirkte aus verlegte Hamilkar Barkas seine Tätigkeit nach dem Berge Eryx, östlich von Drepanon. Der Tempel der Venus Erycina auf der Höhe des Berges wurde von keltischen Söldnern in römischen Diensten gehalten, Hamilkars Stellungen selbst aber waren von den Gegenbefestigungen der Römer umschlossen. Lilybäum aber und Drepanon wurden weiter von der See her verproviantiert und trotzten allen römischen Anstrengungen.

Noch einmal wurde in Rom der Versuch unternommen, dem Kriege eine neue Wendung zu geben: wieder wurde eine große Flotte auf Kiel gelegt. Da der Staatsschatz leer war, brachte man die notwendigen Gelder durch eine außerordentliche Vermögenssteuer, eine Art von Kriegsanleihe, auf. Der römische Staat verpflichtete sich, die Summen nach dem Kriegsende zurückzuerstatten. Während man in Rom die entscheidenden Vorbereitungen traf, während in den Hafenstädten der socii navales die Werften und Arsenale vom Arbeitslärm widerhallten, bereisten koische Festgesandte Unteritalien und Sizilien (etwa im Herbst 242). Von ihrem Besuch künden einige Dekrete griechischer Städte, von Neapel, Kamarina und von Phintias, das sich damals im Besitz der exilierten Geloer befunden hat. Man war nicht nur im Gebiet des westlichen Mittelmeeres, sondern auch in den griechischen Landen gespannt, wie die große Auseinandersetzung enden würde.

Wieder erschien eine römische Flotte von 200 Fünfreihern (Penteren) in den sizilischen Gewässern. Sie stand unter dem Befehl des Consuls C. Lutatius; er nutzte das Überraschungsmoment voll aus und legte sich vor Lilybäum und Drepanon auf die Lauer. Die beiden letzten wichtigen Stützpunkte der Karthager auf Sizilien waren nunmehr von der

Zufuhr über See abgeschnitten. Angesichts der schwierigen Lage hat die karthagische Regierung versagt. Als endlich eine punische Flotte vor Sizilien aufkreuzte, da war sie ungenügend ausgerüstet, es fehlte vor allem an dem notwendigen seemännischen Personal, an Matrosen. Endlich ließen die Karthager eine zweite Flotte (unter dem Befehl des Hanno) in See gehen, sie sollte die Blockade von Lilybäum aufheben und dem abgeschnittenen Hamilkar Barkas wieder Luft schaffen. Hanno aber wurde mit seinen Schiffen bei dem Versuch, von den Ägatischen Inseln nach Drepanon zu fahren, von den Römern angegriffen, die Seeschlacht endete mit einer vernichtenden Niederlage für die Karthager, sie verloren nicht weniger als 120 Schiffe, von denen allein 70 von den Römern genommen worden waren (Frühjahr 241). Da Karthago nicht mehr imstande war, eine neue Flotte aufzustellen und da anderseits die Besatzungen der Festung Lilybäum und des Berges Eryx dem sicheren Hungertode ausgeliefert waren, erhielt Hamilkar Barkas Vollmachten für den Abschluß eines Friedens mit Rom.

Hamilkar und Lutatius einigten sich auf folgende Bedingungen, die sie dem römischen Volk unterbreiteten: die Karthager sollten Sizilien evakuieren, dazu alle Kriegsgefangenen ohne Lösegeld ausliefern, sie sollten 2200 Talente als Kriegskosten zahlen, und zwar in 20 Jahresraten, die römischen Bundesgenossen sollten Schutz genießen, die Anwerbung von Söldnern in dem Hoheitsgebiet der anderen Macht sollte untersagt sein. Die comitia centuriata in Rom haben diese Bedingungen nicht geradezu verworfen, aber doch im ganzen erheblich verschärft: die karthagische Kriegsentschädigung wurde auf 3200 Talente heraufgesetzt, die Zahlungsfrist jedoch um 10 Jahre verkürzt. Der römische Staat hatte das Geld bitter nötig, vor allem um seine Gläubiger, die römischen Finanzleute, zu befriedigen. Außerdem wurden dem Vertrag einige Klauseln hinzugefügt, eine von diesen sollte eine geradezu verhängnisvolle Bedeutung gewinnen: daß nämlich alle zwischen Sizilien und Italien gelegenen Inseln - gemeint waren hiermit unzweifelhaft die Liparischen Inseln - den Römern gehören sollten. Eine bewußte Zweideutigkeit scheint aber nicht vorzuliegen. Die Liparischen Inseln befanden sich übrigens schon seit einiger Zeit in den Händen der Römer, es wurde also nur der bestehende Zustand sanktioniert.

Da die Karthager die Bedingungen annahmen, hatte der große Krieg nach 24jährigem wechselvollem Kampf im Hochsommer 241 sein Ende gefunden, C. Lutatius Catulus aber, der den entscheidenden Sieg bei den Ägatischen Inseln errungen hatte, feierte am 4. Oktober (des unrevidierten römischen Kalenders) einen wohlverdienten Triumph.

Der hauptsächliche Gewinn der Römer war die Insel Sizilien, jedoch ohne das Gebiet Hierons II. Die einzelnen sizilischen Gemeinden hatten während des Krieges mit Rom Verträge abgeschlossen, ein großer Teil von ihnen war zu Abgaben verpflichtet worden, die von einem römischen Quästor eingezogen wurden. Dieses Abgabesystem machte eine regelrechte Verwaltung in Sizilien notwendig, die das römische Herrschaftssystem vorher nicht gekannt hatte.

In Italien wurden die beiden letzten Bürgertribus, die Velina und die Quirina, eingerichtet, es waren die 34. und die 35., damit war der Abschluß der Tribusorganisation erreicht. Die neuen Tribus lagen in Picenum und im Sabinerland.

Der Sieg in dem überaus langen Kriege war den Römern nicht unverdient und nicht ohne schwere Opfer an Gut und Blut zuteil geworden. Hatte die Zahl der römischen Bürger im Jahre 265/64 etwa 292000 betragen, so war sie im Jahre 247/46 auf etwa 241000 gesunken, ein Zeichen für die schweren Menschenverluste, die das Kriegsgeschehen mit sich gebracht hatte. Am Ende des Krieges war jedoch wieder eine Zahl von rund 260000 Bürgern erreicht. Groß waren die Schäden in Italien, obwohl das Land, von einigen Einfallen und

Plünderungen der karthagischen Flotte abgesehen, außerhalb des eigentlichen Kriegsgeschehens geblieben wir. Regulus soll sich bei seinem Feldzug in Afrika beklagt haben, er müsse sein Landgut unbestellt liegen lassen. Aber diese Schäden betrafen weniger die Großgrundbesitzer, die immerhin von der Möglichkeit, Sklaven oder Kriegsgefangene für die Landarbeit heranzuziehen, Gebrauch gemacht haben dürften, als vielmehr die kleinen Bauern, die jahrzehntelang der Scholle fernbleiben mußten. Hier sind Verluste eingetreten, die durch den Gewinn des Krieges in keiner Weise aufgewogen worden sind.

Die Erwerbung des größten Teiles von Sizilien ist noch in anderer Hinsicht für die Gestaltung des römischen Staates epochemachend gewesen. Zunächst hatte man einen Quästor mit der Einziehung der Steuern und Abgaben mit Sitz in Lilybäum beauftragt, im Jahre 227 aber fand eine folgenschwere Veränderung in der inneren Verwaltung der Insel statt: nachdem die Römer auch Sardinien und Korsika hinzugewonnen hatten, sind sie dazu übergegangen, für diese beiden Inseln und für Sizilien je einen Prätor als Statthalter zu ernennen. Das ist der Anfang der römischen Provinzialverwaltung. Seit dieser Zeit beginnt man, die überseeischen römischen Besitzungen als «provinciae» zu bezeichnen, während früher dieser Begriff ganz allgemein den Amtsbezirk des römischen Magistrats zu bezeichnen pflegte, ein Brauch, der übrigens auch jetzt noch beibehalten worden ist. Die Einsetzung von Prätoren als Repräsentanten des populus Romanus in Übersee ist in ihrer historischen und allgemeinen Tragweite kaum zu überschätzen: der Prätor als Statthalter ist gelöst von den Fesseln der Kollegialität, aber auch von dem tribunizischen Vetorecht. Er war während seiner Amtszeit unumschränkter Herr in dem ihm anvertrauten Territorium. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, daß bei der Einrichtung der beiden ersten Provinzialpräturen von Sardinien und Korsika sowie von Sizilien im Jahre 227 v. Chr. die Römer sich irgendwie die

Organisation der hellenistischen Staaten zum Vorbild genommen haben: auch bei den Seleukiden und bei den Ptolemäern hatte der Statthalter (Stratege) des Königs die unumschränkte Gewalt in dem ihm anvertrauten Territorium. Übrigens ist auch das Reich des Hieron II. in Ostsizilien ganz nach hellenistischen Grundsätzen regiert worden.

Der 1. Punische Krieg ist der erste große Krieg gewesen, den Rom zusammen mit seiner italischen Wehrgemeinschaft durchgefochten hat. Allein schon dadurch erhält er eine Bedeutung, die weit über die der früheren italischen Kriege hinausreicht. Gewiß hatte es gelegentlich Spannungen zwischen den Römern und den Bundesgenossen gegeben, so hatten im Jahre 259 Samniten in Verbindung mit römischen Sklaven einen Aufstand vorbereitet, der jedoch vorher entdeckt werden konnte. Gelegentlich haben sich auch die Römer und die Bundesgenossen im Felde entzweit, wenn es um die Verteilung der Beute ging. Und ganz am Ende des Krieges, im Jahre 241, empörte sich die Stadt Falerii. Aber all diese Ereignisse sind gewissermaßen nur das Negativ zu der sonst ganz vorzüglichen Zusammenarbeit der großen römischitalischen Wehrgemeinschaft, die hier eine schwere Belastungsprobe bestanden hat. Schlimmer war es, daß sich Rom mit seinem Eintreten für die Mamertiner von Messana die Zuneigung der Griechen Siziliens restlos verscherzt hatte. Die Römer haben es auch nicht verstanden, sich diese Sympathien im Laufe des Krieges zurückzugewinnen, im Gegenteil, die Einstellung der sizilischen Griechenstädte blieb stets ganz von der Zweckmäßigkeit her bestimmt, und es ist immer wieder vorgekommen, daß die Römer Griechenstädte zweimal erobern mußten, nachdem sie in der Zwischenzeit wieder zu den Karthagern übergegangen waren. Zu einem Teil hängt dies damit zusammen, daß die Römer in Sizilien die ganze Strenge des Kriegsrechts gerade auch gegen die Griechen angewandt haben: die Einwohner eroberter Städte wurden in die Sklaverei verkauft, gelegentlich einfach hingerichtet. Diese harte unerbittliche Einstellung konnte für die Römer unmöglich Sympathien erwecken, und es war kein Wunder, wenn die öffentliche Meinung der Hellenen auf der Seite der Karthager stand.

Erst sehr viel später haben es die Römer gelernt, daß Kriege nicht allein mit den Waffen, sondern auch mit psychologischen Mitteln geführt werden müssen, damals fehlte den Römern noch jegliche Erfahrung, sie führten den Krieg mit jener bedingungslosen Härte, die sie einst gegenüber den Samniten und anderen italischen Völkerschaften angewandt hatten.

Während des langen Krieges hatten die Römer auf dem Gebiete der militärischen Organisation Großes geleistet; allein die jahrelange Versorgung eines Heeres von ungefähr 40000 50000 Mann auf Sizilien stellte eine Reihe von schwierigen technischen Problemen, die aber von den Römern ohne weiteres gemeistert worden sind. Anders stand es mit dem Seekrieg: immer wieder hatten sich die römischen Schiffe dem Kampf mit den Elementen als nicht gewachsen gezeigt, und in der kurzen Frist von fünf Jahren (von 253 bis 249) hatten die Römer nicht weniger als viermal ihre Flotte eingebüßt. Wenn sie dennoch in den Kämpfen zur See in der Regel die Oberhand über ihre Gegner behalten haben, so lag dies vor allem an der neuartigen Taktik der Enterbrücken (corvi), mit denen sie den Kampf auf See zu einem Landkampf gestalteten, eine Taktik, der die Karthager ratlos gegenüberstanden.

Mit dem Frieden des Lutatius ist Rom in die Reihe der großen Mächte eingetreten, es stand nunmehr ebenbürtig neben den großen hellenistischen Staaten, dem Ptolemäer- und dem Seleukidenreich. Allerdings hatten sich diese Staaten in den 1. Punischen Krieg nicht eingemischt. Aber es besteht kein Zweifel daran, daß Verbindungen zwischen Rom und der hellenistischen Welt vorhanden waren. Und Karthago hat sogar den Versuch unternommen, während des Krieges bei Ptolemaios II. eine

Anleihe aufzunehmen, was dieser jedoch verweigert hat. Nicht viel besser erging es den Römern, die an den König Seleukos II. (246-225) das Ansinnen richteten, ihren Stammverwandten in Ilion Steuerfreiheit zu gewähren. Und wenige Jahre später wandten sich die Akarnanen an Rom mit der Bitte, sich bei den Ätolern für sie einzusetzen, denn sie seien die einzigen unter allen Griechen, die am Kriege gegen Troja nicht teilgenommen hätten. Mit Recht hat man darauf aufmerksam gemacht, daß die Äneaslegende in jenen Tagen schon längst ein Instrument der römischen Ostpolitik geworden war.

Übrigens hat man auch in der Münzprägung die Angleichung an griechisch-hellenistische Typen vollzogen, und zwar schon sehr bald nach dem Siege über Pyrrhos und die große Handelsstadt Tarent. Es ist das Symbol der Rhome, das immer wieder auf den Münzen dargestellt worden ist, es tritt gewissermaßen der Figur der Dido auf den karthagischen Münzen gegenüber. Diese Münzen mit den Rhome-Typen sind wahrscheinlich im 1. Punischen Kriege in großer Zahl geprägt worden, sie zeigen das römische Selbstbewußtsein, das an die mythische Vergangenheit anknüpft. Was Rom damals noch fehlte, das war ein Herold seines neu errungenen Ruhmes. Dies konnte jedoch nur ein Grieche sein, denn allein die griechische Sprache wurde überall verstanden. So mußte es eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Generation sein, die Verbindung mit dem Griechentum zu festigen. Daher kommt der ersten Aufführung eines griechischen Dramas und einer griechischen Komödie in Rom durch Livius Andronicus im Jahre 240 große Bedeutung zu. Lateinisch geschrieben haben sie bei den späteren Römern wenig Beifall gefunden, so meint Cicero (Brutus 18, 71), sie verdienten es nicht, wieder gelesen zu werden. Aber dennoch bleibt die Leistung des Livius Andronicus sehr beachtlich: er hat die griechische Bühnenkunst nach Rom verpflanzt, und diese fand hier einen überaus günstigen Boden vor. Zahlreiche Römer waren bei ihrem

Kriegsdienst in Sizilien mit der griechischen Zivilisation, auch mit dem griechischen Theater, in Berührung gekommen, die Komödien des Plautus zeigen zur Genüge, wieviele griechische Worte aus der Sphäre des Kriegswesens, des Theaters und des alltäglichen Lebens Aufnahme in den Sprachschatz der Römer gefunden haben. Allerdings war die Berührung zwischen Römertum und Griechentum vielfach ganz oberflächlich, aber sie hat dennoch den Grund gelegt zu einem besseren Verständnis der beiden Nationen und darüberhinaus zu einer tiefdringenden Hellenisierung des Römertums.


8. Die römische Expansion im Tyrrhenischen Meer, in der Adria und in Norditalien (241-219 v. Chr.)

Das Ende des Krieges stellte die Karthager vor schwierige Probleme. Insbesondere war es notwendig, die großen Söldnermassen, die man in Dienst genommen hatte, zu entlohnen, die Kassen des karthagischen Staates aber waren leer, und dazu war Hamilkar Barkas von seinem Kommando zurückgetreten. Den Oberbefehl übernahm jetzt Gisgo, der die auf Sizilien stehenden Truppen nach Afrika herüberschaffen ließ. Man dirigierte sie nach Sicca (El Kef), wo Hanno sie durch Versprechungen hinzuhalten versuchte. Es war eine bunt zusammengewürfelte Söldnerschar, Iberer, Kelten, Ligurer, Griechen, vor allem auch zahlreiche Libyer. Fast wäre es dem aus Sizilien herbeigeeilten Gisgo gelungen, die Söldner wieder unter Kontrolle zu bringen, hätte sich nicht die Masse durch die Agitation von zwei besonders radikalen Söldnern, von dem ehemaligen campanischen Sklaven Spendios und dem Libyer Mathos, zum offenen Aufstand fortreißen lassen. Wer den beiden in der Versammlung entgegenzutreten wagte, erlitt den sofortigen Tod durch Steinigung. Für Karthago wurde der Söldnertumult zu einer ganz großen Gefahr, als sich auch die Bewohner der libyschen Terra ferma der Bewegung anschlossen, nur Utica und Hippo Diarrhytos hielten zunächst Karthago die Treue. Erst als Hanno vor den Mauern des von den Söldnern belagerten Utica eine schwere Niederlage hatte hinnehmen müssen, erinnerte man sich wieder des Hamilkar Barkas, und dieser konnte die Aufständischen in einer bergreichen Gegend (sie wird von Polybios die «Säge» genannt) einschließen. Als es dem Hamilkar überdies gelungen war, durch eine nicht sehr vornehme Kriegslist die 10 Haupträdelsführer festzunehmen, hatte der Aufstand seinen

Höhepunkt überschritten. Die zu den Söldnern übergegangenen Städte Utica und Hippo Diarrhytos wurden zurückerobert, der Militäraufstand, in dessen Verlauf auf beiden Seiten geradezu unvorstellbare Grausamkeiten begangen worden waren, ging nach einer Dauer von drei Jahren und vier Monaten zu Ende.

Rom hatte sich übrigens zunächst sehr korrekt verhalten. Als die Karthager nicht weniger als 500 italische Kaufleute gefangengesetzt hatten, weil sie die Söldner mit Lieferungen aller Art unterstützt hatten, da forderte Rom ihre Freilassung, was von den Karthagern ohne weiteres bewilligt wurde. Als Gegengabe erhielten die Punier ihre Kriegsgefangenen ohne Lösegeld zurück. Außerdem wurde den Karthagern die Einfuhr italischen Getreides gestattet, dazu die Bestimmung des Lutatius-Vertrages, daß sie in Italien keine Söldner anwerben durften, außer Kraft gesetzt.

Anders wurde die Lage, als die Karthager Ans talten machten, in Sardinien die Ordnung wiederherzustellen. Auch hier hatten sich nämlich die Söldner empört und die Karthager hingeschlachtet. Das Militär geriet aber durch die Inselbevölkerung in Bedrängnis, so daß sich die Söldner an Rom um Hilfe wenden mußten. Rom aber lehnte zunächst das Ansinnen ab; als jedoch die Söldner im Jahre 237 ihr Hilfegesuch erneuerten, griffen die Römer zu: sie entsandten eine Flotte nach Sardinien und nahmen die Insel in Besitz. Karthago aber machte Miene, die Insel wieder zurückzuerobern. Da zeigte Rom sein wahres Gesicht. Die Comitien erklärten Karthago in aller Form den Krieg. Da aber die Punier ganz und gar nicht imstande waren, es auf eine neue Auseinandersetzung mit den Waffen ankommen zu lassen, erklärten sich die Römer bereit, gegen eine Zahlung von 1200 Talenten und gegen die Abtretung Sardiniens den Puniern den Frieden zu gewähren. So hatte Rom ohne Krieg ein glänzendes Geschäft gemacht (Ed. Meyer). Auch Korsika wird damals in den Besitz der Römer übergegangen sein.

Es wäre in der Tat verfehlt, in den Vorgängen des Jahres 237 etwas anderes zu sehen als nackten römischen Imperialismus. In rücksichtslosester Weise hat Rom die momentane Schwäche seines Kontrahenten ausgenutzt, es hat sich territoriale Vorteile gesichert, die bei künftigen Auseinandersetzungen schwer zu seinen Gunsten in die Waagschale fallen mußten. Die öffentliche Meinung brauchte Rom nicht zu fürchten, es war soeben als Sieger aus dem großen Ringen hervorgegangen, und es stand schwerlich zu erwarten, daß sich auch nur eine Stimme zugunsten der Karthager erheben würde, vor allem nicht unter den westlichen Griechen außerhalb Siziliens. Im Gegenteil, eine Stadt wie Massilia dürfte die Vertreibung der Karthager aus dem Tyrrhenischen Meere sogar mit großer Freude begrüßt haben. Die Römer aber haben die Erwerbung der beiden Inseln noch teuer bezahlen müssen; zahlreiche, oft blutige Kriege mußten mit den Einheimischen geführt werden, und in der Kaiserzeit waren die Inseln hauptsächlich dadurch bekannt, daß sie den Verbannten als Aufenthaltsort zugewiesen wurden.

Um die Verluste wieder wettzumachen, ging Hamilkar Barkas, dem Karthago die Niederwerfung des Söldneraufstandes zu verdanken hatte, im Jahre 237 mit einem Heere von Afrika nach Spanien hinüber. In jahrelangen Kämpfen hat er hier den Karthagern ein neues Reich erobert. Dabei ist zu beachten, daß zwischen der iberischen Halbinsel und Karthago von jeher enge Beziehungen bestanden hatten; so ist die keltiberische Kultur ganz wesentlich durch punische Elemente mitgeprägt worden. Außerdem war die wichtige Hafenstadt Gades im Besitz der Punier, anderseits waren zahlreiche iberische Söldner in den Heeren der Karthager zu finden.

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