Die Vorgänge, die zur Annexion von Sardinien und Korsika geführt haben, beweisen, daß Rom längst kein Bauernstaat mehr gewesen ist. Im Gegenteil, nur unter der Voraussetzung von ausgesprochen maritimen Interessen ist das Ausgreifen Roms im Tyrrhenischen Meere zu verstehen. Die Politik Roms erhält ein neues Gesicht, sie wird geprägt durch einen wagemutigen Geist, der zu dem alten methodischen Vorgehen in schärfstem Widerspruch steht.

Im Zusammenhang mit seiner Darstellung des 1. Illyrischen Krieges berichtet Polybios, die Römer seien damals zum ersten Male durch eine Gesandtschaft mit Griechenland in Verbindung getreten. Es ist jene Gesandtschaft, die sich nach Korinth und Athen begeben hat (s. S. 65). Dem Buchstaben nach mag Polybios recht haben - aber es kann schwerlich geleugnet werden, daß auch schon in früherer Zeit Beziehungen zwischen den Römern und einzelnen griechischen Staaten bestanden haben.

Allerdings ist das Jahr 229, wie dies schon Polybios gesehen hat, ein Wendepunkt der römischen Außenpolitik. Auch jetzt haben sich die Römer erst nach längerem Schwanken zum Eingreifen, dieses Mal in die Verhältnisse jenseits der Adria, entschließen können. Erst nachdem man im Senat in der grundsätzlichen Frage zu einer positiven Entscheidung gekommen war, haben die Römer rasch und zielbewußt gehandelt. Man wird darin das Vorhandensein einer politischen Gruppe im Senat sehen können, die durch kühnes Zupacken die anderen mit sich fortgerissen hat.

Jenseits der Adria, in Illyrien, hatte sich unter dem Könige Agron, dem Sohne des Pleuratos, ein großes Reich gebildet. Agron war mit dem Könige der Makedonen, Demetrios II., befreundet, und es geschah in Übereinstimmung mit den Wünschen seines Verbündeten, daß sich Agron in den Kampf gegen die Ätoler einmischte. Diese belagerten im Jahre 230 die Stadt Medeon. Von jeher waren die Illyrer zu Wasser und zu Lande tapfere Krieger gewesen, oft hatten sie mit ihren Nachbarn, insbesondere mit den Makedonen, die Klingen gekreuzt, ihre Phalanx war gefürchtet, und nicht minder ihre kleinen wendigen Schiffe, die Lemboi, mit denen sie die Küstengewässer der Adria unsicher machten. Das Reich hatte wahrscheinlich in dem etwas landeinwärts gelegenen Scodra (heute Skutari), vielleicht auch in dem weiter nördlich gelegenen Rhizon, seinen Mittelpunkt. Unter Teuta, der Witwe und Nachfolgerin des Agron (230), befand sich der Illyrerstaat in ständigem Ausgreifen: so konnte Phönike erobert werden, es wurde allerdings den Epiroten nach Zahlung eines Lösegeldes zurückgegeben, auch die Atintanen brachte man zum Anschluß, so daß sich das von den Illyrern kontrollierte Küstengebiet etwa von dem heutigen Split im Norden bis hin nach Phönike im Süden erstreckte. Dazu kamen eine Reihe von Inseln, die mit ihren Buchten und Häfen für die illyrischen Schiffe geradezu ideale Schlupfwinkel darboten.

Über die Vorgänge in Illyrien muß man in Rom gut unterrichtet gewesen sein, und zwar vor allem durch die italischen Händler, die über vielfache Beziehungen zu den Illyrern verfügten. Als außerordentlich lästig erwies sich der Seeraub der Illyrer, die hierbei keinen Unterschied zwischen Griechen und Italikern zu machen pflegten. So sollen im Jahre 230 zahlreiche italische Kaufleute durch die Illyrer beraubt, andere getötet und nicht wenige in Gefangenschaft geraten sein. Während sich die Römer früher (nach Polybios) um die Klagen über die illyrische Seeräuberei nicht gekümmert hätten, entsandte der Senat jetzt eine Gesandtschaft unter C. und L. Coruncanius nach Illyrien. Sie trafen die Königin Teuta bei der Belagerung von Issa. Die Herrscherin versprach, dafür zu sorgen, daß den Römern kein weiteres Unrecht von den Illyrern zugefügt würde, den Seeraub könne sie jedoch nicht abstellen. Bei der Rückfahrt aber wurde die römische Gesandtschaft überfallen, dabei fand einer der Gesandten den Tod, angeblich derjenige, der gegenüber der Königin den römischen Standpunkt mit besonderem Freimut vertreten hatte. Man vermutete, der Überfall sei auf Betreiben der Königin inszeniert worden. In Rom rüstete man ohne weiteres zum Kriege. Bevor noch die Römer auf dem Schauplatz erscheinen konnten, hatte sich Teuta gegen den Widerstand der Ätoler und Achäer in den Besitz der reichen Insel Korkyra gesetzt, auch Epidamnos (Durazzo) stand unter ihrer Bedrohung. Jetzt handelten die Römer blitzschnell: unter dem Befehl des Consuls Cn. Fulvius Centumalus näherte sich eine römische Flotte der Insel Korkyra, es erhob sich kein Widerstand, denn der griechische Dynast Demetrios von Pharos, der hier im Auftrage der Teuta das Kommando führte, übergab die Insel den Römern. Auch Apollonia trat auf die römische Seite über, und unterstützt von einem beträchtlichen Heere, das man von Brundisium herübergeschafft hatte, rückten die Römer unter dem Befehl des A. Postumius Albinus vor Epidamnos. Die Illyrer wagten keinen Kampf, sie verschwanden unter dem Schütze der Nacht, die benachbarten Stämme der Atintanen und Parthiner aber traten auf die römische Seite über. Wo immer sich die Römer zeigten, da wichen die Illyrer dem Kampfe aus, so wurde die illyrische Belagerung von Issa ohne Mühe gesprengt, auch einige Küstenplätze erobert. Als sich die Königin Teuta im folgenden Jahre (228) zum Frieden bereit erklärte, da war das illyrische Reich als solches von den Römern noch kaum angetastet. Dennoch hatte Rom im ganzen einen bedeutenden Erfolg jenseits der Adria zu verzeichnen. Denn Teuta verpflichtete sich nicht nur zur Zahlung einer Kriegsentschädigung, sie erklärte sich auch damit einverstanden, daß von nun an die Stadt Lissos die südliche Fahrtgrenze für ihre Schiffe sein sollte, diese Demarkationslinie durfte jeweils nur von zwei Lemboi, und zwar unbewaffneten, überschritten werden. Noch wichtiger war es, daß die Insel Korkyra, die korinthische Kolonie Epidamnos, dazu die Völker der Atintanen und Parthiner unter die römische Schutzherrschaft traten. Das gleiche gilt für Demetrios von Pharos, der nunmehr als römischer Klientelfürst zu betrachten ist. Rom hatte damit einen breiten Einbruch in die Küstengebiete der Balkanhalbinsel erzielt, mit der Errichtung eines römischen Protektorats jenseits der Adria war Rom der griechischen Welt um ein großes Stück

näher gerückt.

Als eine römische Gesandtschaft in Korinth und Athen erschien (228 v. Chr.), da wurde sie mit Freuden aufgenommen, und die Korinther haben die Römer sogar zu den Isthmischen Spielen zugelassen. Damit waren die Römer zwar noch nicht als Hellenen anerkannt - von einer Aufnahme in die griechische Staatengemeinschaft (Beloch) kann überhaupt keine Rede sein - , aber sie galten doch nicht mehr als Barbaren, sondern als Stammesverwandte der Griechen. Es besteht kaum ein Zweifel, daß hierbei die Sage von der trojanischen Abstammung der Römer von Bedeutung gewesen ist.

Die Erfolge Roms waren nur möglich gewesen, weil Makedonien untätig zusehen mußte. Hier hatte Antigonos Doson (230?-222/21), der Nachfolger Demetrios' II., zunächst alle Hände voll zu tun gehabt, um dem von kriegerischen Nachbarn, insbesondere von den Dardanern, bedrängten Lande Luft zu verschaffen. Dennoch war die Nichteinmischung Makedoniens ein schweres Versäumnis, das sich später nicht nur an den Makedonen, sondern auch an den Griechen sehr gerächt hat. Roms Position an der illyrischen Küste aber hatte ein schwaches Makedonien zur Voraussetzung. Eben dies sollte sich aber durch die Erfolge des Antigonos Doson in Griechenland in den folgenden Jahren grundlegend ändern. Seit der Schlacht bei Sellasia (222 v. Chr.), die mit einem glänzenden Siege der makedonischen Waffen über den König Kleomenes von Sparta endete, geriet der Achäische Bund ganz in das makedonische Fahrwasser, der makedonische König aber hatte den Gipfel seines Ansehens erklommen, weite Teile Griechenlands waren von ihm abhängig. Auch der Dynast Demetrios von Pharos begann seine Segel nach dem Winde zu drehen, er warf sich den Makedonen in die Arme und machte in kühnen Fahrten Jagd auf die italischen Handelsschiffe. Für Rom kam diese Entwicklung sehr wenig gelegen, stand man doch unmittelbar vor dem Ausbruch des Konflikts mit den Puniern wegen Sagunt. Zum

Glück für Rom war Antigonos Doson im Jahre 222/21 v. Chr. verstorben, sein Nachfolger, Philipp V., der Sohn des Demetrios II., sah sich in einen allgemeinen griechischen Krieg verwickelt (sog. Bundesgenossenkrieg), der jahrelang (220-217) in Griechenland Handel und Wandel lahmlegte und die Kräfte Makedoniens in Anspruch nahm.

Zehn Jahre nach dem Beginn des 1. Illyrischen Krieges, im Jahre 219, entsandte Rom die beiden Consuln L. Aemilius Paullus und M. Livius Salinator nach Illyrien. Sie standen an der Spitze eines größeren Heeres, das sich wahrscheinlich auf etwa 20000 Mann belief. Unmittelbar vor der Entsendung der Expedition hatte Hannibal mit der Belagerung Sagunts in Spanien begonnen (s. S. 71). Die Römer hatten es sehr eilig, in kürzester Frist waren die beiden Hauptstützpunkte des Demetrios, Dimale auf dem Festlande und die Insel Pharos, genommen, Demetrios selbst aber war bei Nacht und Nebel zu Philipp V. geflohen. Der Feldzug hatte nur wenige Monate gedauert, die Römer hatten ihren Einfluß in Illyrien neu zur Geltung gebracht.

Die römische Expansion in Oberitalien: Seit dem Einfall der Kelten, der zur Schlacht an der Allia (387) geführt hatte, schwebte über den Römern stets die keltische Gefahr aus Oberitalien. Allerdings bedeutete die Schlacht bei Sentinum (295) einen gewissen Ruhepunkt, und die Gründung der Kolonien Sena Gallica auf dem Gebiet der Senonen (285) und besonders von Ariminum (268) hatte die Lage an der Nordgrenze weitgehend gefestigt. Übrigens hatten sich die Kelten längst in der fruchtbaren oberitalienischen Tiefebene an ein seßhaftes Leben gewöhnt, sie waren nicht mehr die unruhigen, sich ewig auf der Wanderung befindenden Barbaren, als die man sie im 4. Jh. in Italien und später in Griechenland und Kleinasien (seit 278) kennengelernt hatte. Aber immer noch waren die keltischen Wanderungen nicht beendet, von jenseits der Alpen stießen immer wieder neue keltische Wogen nach

Italien vor und rissen die hier wohnenden Volksgenossen mit sich fort.

Der äußere Anlaß für die keltischen Unruhen in Oberitalien war angeblich die Verteilung des Ager Gallicus in kleinen Landlosen an die römischen Bürger im Jahre 232 auf Antrag des Volkstribunen C. Flaminius. Durch diese Maßnahme sahen sich die angrenzenden Bojer in ihrer Existenz bedroht, sie dürften einen Feldzug der Römer in ihr Land befürchtet haben, sie trauten ihnen nicht über den Weg. Bojer und Insubrer schlossen sich zusammen, sie richteten einen Hilferuf an die jenseits der Alpen und im Gebiet der Rhone wohnenden Stammesgenossen, dazu wurden von ihnen die Gäsaten in Sold genommen. Auch die Römer trafen ihre Vorbereitungen, sie legten Vorräte an und führten die Truppen an die Nordgrenze, um gegen Überraschungen gewappnet zu sein. In der Zeit der beiderseitigen Vorbereitungen auf den entscheidenden Waffengang fällt der Ebro-Vertrag der Römer mit Hasdrubal im Jahre 226 (s. S. 70).

Zur Abwehr der keltischen Bedrohung schlossen die Römer Freundschaftsverträge mit den Venetern und sogar mit den Cenomanen, einem keltischen Volk zwischen der Etsch und der Adda. Wie hoch man jedoch die Gefahr aus dem Norden einschätzte, zeigt die Aufstellung des «Verzeichnisses der Wehrmänner» (formula togatorum). Alle römischen Bundesgenossen wurden angewiesen, die Listen ihrer waffenfähigen Bevölkerung zur Überprüfung nach Rom zu senden. Der Census des Jahres 225, wahrscheinlich der allererste, der in Italien abgehalten worden ist, liefert eines der wertvollsten Dokumente, die überhaupt aus der Geschichte der römischen Republik erhalten geblieben sind. Die Gesamtzahl der Wehrfähigen (togati bedeutet «Männer im Kriegsgewand») belief sich auf 700000 Mann zu Fuß und 70000 Reiter, eine ganz beträchtliche Streitmacht, die im gesamten Mittelmeerraum ihresgleichen nicht hatte. Man hat auf Grund dieser Zahlen die

Gesamtbevölkerung des damals unter römischer Hegemonie stehenden Italiens zu errechnen versucht und ist dabei auf etwa 2 1/2 Millionen Seelen gekommen.

Mit dem Anmarsch der Gäsaten aus der Rhönegegend kommt die keltische Woge in Bewegung. Die Gäsaten standen unter dem Befehl der beiden Könige Aneroestos und Konkolitanos, sie wurden durch Zuzüge der Taurisker, der Bojer und der Lingonen beträchtlich verstärkt. Die Römer stellten den Kelten zwei konsularische Heere entgegen, die aus je vier Legionen bestanden, mit einer Stärke von insgesamt 40000 Mann. In Rom erwartete man einen keltischen Vorstoß gegen das am meisten gefährdete Ariminum, die Kelten aber überschritten den Apennin (in der Gegend von Bologna?) und drangen in Etrurien ein. Bei Clusium, etwa 160 km vor Rom, stellte sich ihnen ein prätorisches römisches Heer entgegen, das aber von den Kelten geschlagen wurde. Die römische Niederlage blieb ohne Rückwirkung auf das Kriegsgeschehen, da die Kelten von Strategie zu wenig verstanden. Die Römer aber beorderten aus Sardinien den Consul C. Atilius Regulus herbei, er ging in Pisa an Land und nahm zusammen mit dem anderen Consul, L. Aemilius Papus, die Kelten in die Zange. Sie wurden bei Telamon (nördlich von Cosa) zum Kampfe gestellt und fast vollständig aufgerieben, nur der Reiterei war es gelungen, zu entkommen (225). Der eine König, Konkolitanos, geriet in römische Gefangenschaft, der andere, Aneroestos, verübte zusammen mit seinem Gefolge Selbstmord. Im ganzen sollen von den Kelten nicht weniger als 40000 Mann gefallen, weitere 10000 in römische Gefangenschaft geraten sein. Von den Römern war der Consul C. Atilius Regulus auf dem Schlachtfeld geblieben.

Hatten sich die Römer bisher auf die Abwehr der Kelteninvasion beschränkt, so gingen sie nunmehr zur Offensive über. Sie unterwarfen zunächst die Bojer, die in ein Vertragsverhältnis zu den Römern getreten sind. Im Jahre 223 erschien ein römisches Heer im Gebiet der Insubrer, dabei leisteten die Cenomanen den Römern Hilfe. Den Oberbefehl hatte der Consul C. Flaminius inne. Fabius Pictor (bei Polybios) hat ihn übrigens in sehr ungerechter Weise beurteilt; man darf dabei nicht vergessen, daß Flaminius wegen seiner späteren Niederlage am Trasimenischen See in Rom als Sündenbock gegolten hat. Erst das Jahr 222 brachte die EntScheidung. Unter den Consuln M. Claudius Marcellus und Cn. Cornelius Scipio fiel wieder ein römisches Heer in das Land der Insubrer ein. Diese aber hatten Gäsaten in ihren Dienst genommen, angeblich 30000 Mann. Die entscheidenden Kämpfe spielten sich im Raum nördlich und westlich von Piacenza ab, bei Acerrae (Pizzighettone) und Clastidium (Casteggio). Die Römer unter C. Flaminius hatten Clastidium befestigt, es wurde aber von den Kelten belagert. In der Schlacht bei Clastidium tötete der römische Consul M. Claudius Marcellus im Zweikampf den keltischen Häuptling Virdumarus, wodurch er die spolia opima (für die Tötung des feindlichen Anführers mit eigener Hand) errungen hat. Viele von den Kelten sollen in einem reißenden Fluß auf der Flucht ums Leben gekommen sein. Der Feldzug wurde mit der Erstürmung Mediolanums abgeschlossen (222).

Die Befriedung des Gebiets zwischen dem Po und den Alpen war damit praktisch vollendet. Der Erfolg der Römer hat sich aber nicht als dauerhaft erwiesen, denn nach dem Einfall Hannibals in Oberitalien (s. S. 75) haben zahlreiche keltische Völker des Landes im Dienst der Punier wieder zu den Waffen gegriffen. Um die Eroberung zu sichern, legten die Römer Straßen und strategisch wichtige Kolonien (Placentia und Cremona, 218) an; so erbaute C. Flaminius als Censor die nach ihm benannte Via Flaminia von Rom über den Apennin bis nach Ariminum; sie ist eine der wichtigsten Verkehrsadern Italiens geworden. Das Gebiet nördlich des Po stand auch jetzt noch nicht unter direkter römischer Herrschaft, aber die Römer hatten das Land vom Apennin bis zum Po unter ihre unmittelbare

Herrschaft gebracht. Im übrigen aber waren die mit der Nordgrenze verknüpften Probleme durch die römischen Erfolge im Keltenkriege (225-222) keineswegs gelöst, wenn hier auch zunächst wieder Ruhe eingetreten ist.


9. Rom und Karthago im 2. Punischen Kriege (218-201 v. Chr.)

Der große Krieg zwischen Rom und Karthago hat seinen Ausgang von der iberischen Halbinsel genommen, die bisher ganz an der Peripherie des Mittelmeeres und seiner Geschichte gelegen hatte. Seit dem Übergang des Hamilkar Barkas nach Spanien (237) tritt Iberien in den Mittelpunkt des Geschehens, zu einer Zeit, in der im Osten der Niedergang der hellenistischen Staatenwelt, eingeleitet durch den Tod des makedonischen Königs Antigonos Gonatas (239), beginnt. Hamilkar Barkas hatte in Spanien an die noch vorhandenen Stützpunkte des karthagischen Kolonialbesitzes anknüpfen können. Dazu bestanden zahlreiche Beziehungen der Karthager zu den einheimischen iberischen Stämmen, die immer wieder ihre Angehörigen in den Dienst der punischen Waffen gestellt hatten. Schon das Altertum hat mit dem Übergang des karthagischen Feldherrn nach Südspanien die widersprechendsten Auffassungen verbunden. Durchgesetzt aber hat sich die bei Polybios vorliegende Tradition, sie entstammt dem Scipionenkreise und muß deshalb eine Generation nach den Ereignissen als die in Rom herrschende betrachtet werden. Sie sieht in dem Unternehmen die bewußte Absicht Hamilkars, den Rachekrieg großen Stils gegen Rom von langer Hand vorzubereiten, und zwar von dem Augenblick an, in dem sich Rom in den Besitz Sardiniens gesetzt hatte (s. S. 62). Eine große Bedeutung wird bei dieser Interpretation dem Schwur des Hannibal beigemessen, den dieser in früher Jugend seinem Vater geleistet hatte; er hatte geschworen, «niemals mehr den Römern wohlgesinnt zu sein». An der Realität des Knabenschwurs ist um so weniger zu zweifeln, als Hannibal selbst, viele Jahre später, dem Seleukidenkönig Antiochos III. davon berichtet hat (195 v. Chr.). Doch bedeutet der Schwur nicht ganz das, was aus ihm herausgelesen zu werden pflegt: «niemals den Römern freundlich gesinnt zu sein» ist nicht ganz das gleiche wie «stets den Römern ein Feind zu sein». Als Beweisstück für eine Revanchepolitik der Barkiden um jeden Preis wird man daher auch den Schwur nicht anführen können.

Hamilkar ist mit Zustimmung der karthagischen Regierung nach Spanien gekommen. Er bekleidete das Amt des Strategen von Libyen und durfte diesen Posten nur mit Zustimmung der Regierung verlassen. Die Strategie von Libyen, die Hamilkar mit derjenigen von Iberien verbunden hat, ist ein Amt, das sich an entsprechende hellenistische Vorbilder anlehnt: auch die Territorien der hellenistischen Könige wurden von Strategen verwaltet, welche die Militär- und Zivilgewalt in ihren Händen vereinigten.

Die karthagische Regierung hat diese Institution übernommen, wie es scheint, von dem benachbarten Ptolemäerreich. Ist aber Hamilkar als Stratege Repräsentant der karthagischen Regierung in Iberien gewesen, so hat er auch die Eroberungen in diesem Lande im Auftrage des karthagischen Staates vorgenommen. Daß sich bei der weiten Entfernung von Karthago immer wieder Schwierigkeiten ergaben und daß insbesondere der iberische Stratege, je länger desto mehr, Selbständigkeit erlangte, ist nicht nur in der historischen Entwicklung, sondern auch in der Person des Hamilkar und seiner Nachfolger begründet.

Hamilkar hat mit der Eroberung der Pyrenäenhalbinsel im äußersten Süden begonnen, das erste Ziel war die Sicherung der Verbindungen zwischen Africa und Iberien, vor allem der Straße von Gibraltar. Die einheimischen Völkerschaften setzten sich energisch zur Wehr, insbesondere die Turdetanier, aber auch die Iberer der Ostküste und die Kelten, die ihnen Hilfe leisteten. Der Wert der Eroberungen aber war kaum zu überschätzen, Spanien war reich an Bodenschätzen, vor allem an Silber, es war außerdem eine wichtige Zwischenstation für den Handel mit

Gallien und Britannien. Machtpolitische und handelspolitische Gesichtspunkte verflochten sich miteinander, und das große Ziel, das Hamilkar vor Augen schwebte, war die Errichtung eines ausgedehnten Kolonialreiches, weit entfernt von Rom, das zunächst an den Vorgängen auf der Pyrenäenhalbinsel ganz uninteressiert gewesen ist. Anders stand es mit Massilia, das nicht allein eine Reihe von Kolonien an der spanischen Ostküste besaß, sondern das immer noch in einem gewissen Gegensatz zu der karthagischen Handelsmacht stand. Beide rivalisierten in Spanien, und Massilia war mit Rom eng befreundet. Als im Jahre 231 die erste römische Gesandtschaft auf iberischem Boden erschien, geschah dies sicher in stillem Einvernehmen mit Massilia. Den Römern gegenüber soll Hamilkar Barkas seine Eroberungen in Spanien damit begründet haben, daß Karthago Geld nötig hätte, um die festgesetzten Raten der Kriegsentschädigung zu entrichten, eine Antwort, die die Römer offenbar befriedigt hat. Hamilkar aber fand den Tod im Gebiet der Oretaner, er ist angesichts des Feindes im Fluß ertrunken (Winter 229/28 v. Chr.). Im iberischen Kommando folgte ihm sein Schwiegersohn Hasdrubal nach; auf spanischem Boden bildete sich unter ihm eine Art Hausmacht der Barkiden, die Hasdrubal vor allem mit den Mitteln der Diplomatie zu erweitern wußte. Er vermählte sich mit einer vornehmen Ibererin und gab dem punischen Kolonialreich in Carthago Nova (Cartagena) eine neue Hauptstadt. Sie war vortrefflich gewählt, auch im Hinblick auf die Verbindung mit der punischen Heimat. Mit der Eroberung weiter Gebiete des Südens und des Ostens der Pyrenäenhalbinsel aber war der Verlust von Sardinien und Korsika längst mehr als wettgemacht, außerdem standen die Barkiden in Spanien keineswegs am Ende ihrer voraussichtlichen Erfolge.

Rom, vor dem Ausbruch des großen Keltenkrieges stehend, hat im Jahre 226 zum zweiten Male in Spanien interveniert. Es kam zum Abschluß des Ebro-Vertrages mit Hasdrubal. Dieser hat sich verpflichtet, den Ebro in kriegerischer Absicht nicht zu überschreiten, weitere Bestimmungen habe der Vertrag (nach Polybios) nicht enthalten. Ob dies nun zutrifft oder nicht - die Römer müssen stillschweigend das Gebiet südlich des Ebro als karthagische Interessenssphäre anerkannt haben. Dies aber war ein bedeutender Erfolg für Hasdrubal, der noch fern vom Ebro stand. Auch der Expansion des karthagischen Handels setzte der Vertrag keine Schranke. Rom aber hatte dem Zusammengehen zwischen Hasdrubal und den Kelten in Gallien einen Riegel vorgeschoben. Möglicherweise haben beide Vertragschließende in dem Pakt eine nur vorläufige Regelung gesehen, für den Augenblick aber hatten beide ihre Ziele erreicht. Übrigens hatte der punische Stratege in Spanien sich längst eine nahezu königliche Stellung errungen: er prägte Münzen, die seinen Kopf, umkränzt vom Diadem, zeigen, das Vorbild hierfür waren die Münzen von Syrakus. Hasdrubal hat sich damit den hellenistischen Königen an die Seite gestellt.

Mit Hasdrubals Tod (221) beginnt eine neue Periode der punischen Expansion, sie wird durch die Person des damals 25jährigen Hannibal, des Sohnes des Hamilkar Barkas, bestimmt, den das Heer zum Strategen gewählt hatte. Die Regierung in Karthago mußte sich nach anfänglichem Widerstand mit der vollzogenen Tatsache abfinden. Hannibal warf zunächst einen Aufstand der Olkaden nieder und zerstörte deren Stadt Althaia (Cartala), dann aber stieß er von Andalusien über das heutige Merida in die Gegend von Salamanca vor, in das Land der Vaccäer, vielleicht sogar bis an den Duero bei Zamora, Landschaften, die bisher noch nie von einem karthagischen Heere betreten worden waren. Das karthagische Einflußgebiet wurde nunmehr auch auf das Binnenland zwischen dem Guadiana und dem Ebro ausgedehnt. Die Eroberungen hat Rom sicherlich nicht ignoriert, es hat sie geduldet. Zu einem Konflikt aber kam es zwischen den beiden Großmächten wegen Sagunt.

Sagunt, nördlich von Valencia an der Küstenstraße zwischen Carthago Nova und dem Ebro auf einer engen Hochfläche gelegen, war eine Stadt der Iberer, was durch die dort gefundenen Münzen mit iberischen Legenden bestätigt wird. Die Stadt stand in einem Freundschaftsverhältnis zu Rom, das nach Polybios einige Jahre vor der Zeit Hannibals geschlossen worden war, vielleicht schon im Jahre 231 v. Chr., als sich eine römische Gesandtschaft in Spanien befunden hatte (s. S. 70). Der Konflikt wurde hervorgerufen durch saguntinische Verbannte, die mit Hilfe des Stammes der Torboleten und mit Unterstützung Hannibals ihre Rückführung zu erzwingen versuchten. Wieder hat Rom interveniert: gegen Ende des Jahres 220 forderte eine römische Gesandtschaft von Hannibal, die Hände von Sagunt zu lassen, was aber von dem punischen Strategen in schroffer Form zurückgewiesen wurde. Die Römer reisten weiter nach Karthago, wo sie offenbar mit beruhigenden Zusicherungen abgespeist worden sind. Im Frühjahr 219 eröffnete Hannibal die Belagerung der widerspenstigen Stadt, nach acht Monaten fiel sie in seine Hand (Oktober/November 219). Rom hatte sich während dieser Zeit vollständig passiv verhalten. Erst als Hannibal im Frühjahr 218 mit einem großen Heere von 90000 Mann zu Fuß und 12000 Reitern von Carthago Nova aufbrach und Ende Mai den Ebro überschritt, um die Eroberung der nordspanischen Gebiete zwischen dem Ebro und den Pyrenäen in Angriff zu nehmen, schaltete sich Rom wieder ein: eine Gesandtschaft forderte in Karthago die Auslieferung Hannibals. Als dies verweigert wurde, ließ der römische Gesandte die Karthager wählen zwischen Krieg und Frieden, die Karthager überließen dem Römer die Wahl, dieser gab ihnen den Krieg.

Die dramatische Szene in Karthago ist der Schlußpunkt in dem großen diplomatischen Ringen, dem Vorspiel des 2. Punischen Krieges. Die Karthager hatten es verstanden, die Römer das entscheidende Wort «Krieg» aussprechen zu lassen;

vor der Welt stand Rom als Kriegstreiber da. Der diplomatische Erfolg hat aber den Karthagern nichts genützt, da der Krieg verlorenging und überdies die gesamte Überlieferung einseitig in romfreundlichem Sinne geprägt ist.

Mit den Vorgängen in Spanien, in Rom und in Karthago untrennbar verbunden ist die «Schuldfrage», die immer wieder im Mittelpunkt der historischen Forschung gestanden hat. Natürlich kann von einer moralischen Schuld weder auf der einen noch auf der anderen Seite die Rede sein. Keine der beiden Großmächte hat mit Absicht auf den Krieg hingearbeitet. Was diesen letzten Endes hervorgerufen hat, ist die Unvereinbarkeit der beiderseitigen Interessen, ein Problem, das auf friedlichem Wege kaum befriedigend gelöst werden konnte: Karthago mußte es darum zu tun sein, nach den schweren territorialen und wirtschaftlichen Verlusten des 1. Punischen Krieges eine neue Machtstellung aufzubauen. Rom aber konnte den Wiederaufstieg Karthagos nicht dulden, als dieser ihm gefährlich zu werden begann. Es hat versucht, die Expansion Karthagos einzudämmen, es hat auch durch Gesandtschaften auf die Barkiden mäßigend eingewirkt. Wenn Rom trotz des Vorgehens des Hannibal gegen Sagunt lange Zeit untätig geblieben ist, so liegt der Grund zweifellos darin, daß im römischen Senat keine einhellige Auffassung über die gegen Hannibal und die Karthager einzuschlagende Methode bestanden hat. Erst als die Nachricht vom Ebroübergang Hannibals nach Rom gelangte, vermochte sich die Kriegspartei durchzusetzen. Verbunden mit dem Vorgehen Hannibals gegen Sagunt hatte der flagrante Vertragsbruch des Barkiden auch jenen unter den römischen Senatoren die Augen geöffnet, die immer noch auf eine friedliche Lösung hoffen mochten.

Der Ausbruch des großen Krieges ist aufs engste verknüpft mit der Person des punischen Feldherrn Hannibal. Seine strategische Leistung in Spanien und in dem späteren Kriegsgeschehen steht hierbei völlig außer Frage. Neben

Alexander und Caesar ist er zweifellos der bedeutendste Feldherr des Altertums gewesen. In der Beurteilung des Politikers aber trennen sich die Geister. So hat ihm K. J. Beloch alle hervorragenden Fähigkeiten abgesprochen, ein Urteil, das ganz unberechtigt ist, ebenso wie das von A. Rosenberg, der in Hannibal einen Abenteurer gesehen hat, dem jedes Augenmaß für das politisch Erreichbare gefehlt habe. Im ganzen überwiegen heute aber die positiven Urteile, und E. Groag hat sogar den ethischen Gehalt seiner Persönlichkeit durchaus anerkannt: der Barkide habe einen tragischen Kampf gegen das Schicksal auf sich genommen und diesen ungebeugt bis zum Ende durchgefochten. Unzweifelhaft war Hannibal eine Persönlichkeit, die von starker Aktivität beseelt und von hervorragendem Selbstbewußtsein durchdrungen war. Dies zeigt sein Verhältnis zu der griechischen Geschichtsschreibung, nicht zuletzt aber auch sein , den er im Jahre 205 am Tempel der Hera am lakinischen Vorgebirge bei Locri Epizephyrii hat aufzeichnen lassen.

Nicht zu übersehen ist jedoch, daß Hannibal einen ganz entscheidenden Fehler begangen hat: im Vertrauen auf die eigene Kraft unterschätzte er die Widerstandskraft Roms und der römischitalischen Wehrgemeinschaft, er hatte kein Gefühl für die inneren Werte des Römertums, für den Opfermut, die Vaterlandsliebe und die Widerstandskraft, welche die Römer auch in ihren dunkelsten Stunden niemals verlassen haben. Im Grunde genommen ist er noch am ehesten mit den hellenistischen Fürsten zu vergleichen, die wie Pyrrhos mit hohem Selbstbewußtsein in den Krieg gegen Rom eintraten und erfahren mußten, daß sie den Gegner bei weitem unterschätzt hatten.

Auch bei den Römern steht zum erstenmal in ihrer Geschichte eine Persönlichkeit im Mittelpunkt, P. Cornelius Scipio. Bezeichnenderweise sind die Urteile über ihn ähnlich schwankend wie die über seinen großen Gegner Hannibal.

Während noch Mommsen Scipios Religiosität als bloße Heuchelei betrachtete, ist die neuere Forschung geneigt, diese ernst zu nehmen und sie für die Erklärung seiner Erfolge mitheranzuziehen. Auch in der Strategie bedeutet das Erscheinen Scipios eine Zeitenwende: er hat dem alten methodischen Vorgehen abgeschworen und eine durchaus revolutionäre Strategie inauguriert, die sich die Überwindung großer Räume und den Einsatz der militärischen Machtmittel gegen das Zentrum des feindlichen Widerstandes zum Ziel gesetzt hatte. Nur durch die neue Strategie, die, auf sorgfältige Vorbereitung gegründet, mit unerhörter Kühnheit ausgeführt wurde, ist es Scipio gelungen, den großen Gegner Hannibal niederzuwerfen.

Die Kriegspläne der Karthager und der Römer sind grundverschieden. Sie werden verständlich, wenn man bedenkt, daß die Römer ihren Gegnern an Menschen und materiellen Hilfsmitteln um ein Vielfaches überlegen gewesen sind. Dies gilt insbesondere auch für den Seekrieg, denn die Barkiden hatten den Ausbau einer leistungsfähigen Flotte (aus unbekannten Gründen) vernachlässigt. Hannibal aber setzte seine Hoffnung auf die norditalischen Kelten; ihr Beistand war ihm unentbehrlich, wenn er seinen Plan, in Italien von Norden her einzudringen, durchführen wollte.

Die Römer aber beabsichtigten, an zwei verschiedenen Stellen offensiv vorzugehen. Es wurden zwei konsularische Heere aufgestellt; das erste, unter dem Befehl des Ti. Sempronius Longus, wurde, zusammen mit 160 Fünfruderern, nach Sizilien gesandt, das andere, unter P. Cornelius Scipio, dem Vater des Africanus, mit 20 Schiffen nach Massilia, um von hier nach Spanien vorzurücken. Die Tatsache, daß Rom im ersten Kriegsjahr nur fünf oder höchstens sechs Legionen mobilisiert hat, zeigt, daß noch niemand ahnte, daß Rom in einen Kampf eingetreten war, in dem seine Existenz auf dem Spiele stand. Auf punischer Seite war der Winter 219/18 mit

Truppenbewegungen angefüllt: Afrika wurde durch 16000 Mann spanischer Miliz, Karthago selbst durch 4000 Libyer geschützt. Um die iberische Halbinsel zu decken und um die abgebrochenen Operationen im Gebiet zwischen Ebro und Pyrenäen weiterzuführen, wurden 15000 Mann aus Afrika unter dem Befehl des Hasdrubal, des Bruders des Hannibal, in Spanien stationiert. Dazu kam noch eine Flotte von 57 Schiffen, die aber nicht voll einsatzfähig war.

Seinen eigenen Feldzug hatte Hannibal dadurch vorbereitet, daß er durch Kundschafter Verbindungen mit den Kelten aufnahm. Auch die Entfernungen ließ er feststellen. Trotzdem ging der Aufbruch verhältnismäßig spät vonstatten. Erst zu Anfang August 218 machte sich Hannibal mit einem Heere von etwa 50000 Mann zu Fuß und 9000 Reitern auf den Weg durch das südliche Gallien. Die meisten Völker zwischen Ebro und Pyrenäen ließ er unbefriedet zurück, aber er hatte keine Zeit mehr zu verlieren, wenn er gegenüber den Römern das Überraschungsmoment, auf das bei seiner zahlenmäßigen Unterlegenheit alles ankam, ausnutzen wollte. Der Weg durch Südgallien bis an die Rhone konnte ohne große Schwierigkeiten zurückgelegt werden, allerdings hatte das Heer unverhältnismäßig große Marschverluste zu beklagen. Die Rhone wurde südlich des heutigen Orange, etwas oberhalb der Durance-Mündung, überschritten, wobei die Kelten vergeblich Widerstand zu leisten versuchten. Der römische Consul P. Cornelius Scipio, der inzwischen von Pisa auf dem Seewege an der Rhonemündung angekommen war, hatte durch seine Reiterei Fühlung mit der punischen Kavallerie aufgenommen. Da aber die Masse des punischen Heeres die Rhone bereits passiert hatte, verzichtete Scipio darauf, dem Hannibal zu folgen; er schickte sein Heer nach Spanien und begab sich selbst mit seinem militärischen Stabe wieder nach Oberitalien. In Spanien sollte sein Bruder Cn. Cornelius Scipio das Kommando führen, die römischen Truppen sollten vor allem gegen die rückwärtigen Verbindungen Hannibals, aber auch gegen das Heer des Hasdrubal in Nordspanien eingesetzt werden.

Dem punischen Heere aber stand der schwierigste Teil des Weges noch bevor: der Übergang über die Alpen, die nur auf engen Saumpfaden in schwindelnder Höhe zu passieren waren. Die Frage, auf welchem Wege Hannibal mit seinem Heere die Alpen überschritten hat, kann heute als gelöst betrachtet werden: Hannibal ist die Flußtäler der Isere und des Arc aufwärts über den Col du Clapier (2482 m), einen heute kaum noch begangenen Paß südlich des Mt. Cenis, gezogen. Diese Auffassung ist wohl zum erstenmal durch den Artillerieobersten J. B. Perrin (1887) vertreten worden, sie hat mit Recht den Beifall namhafter Forscher gefunden. In der Tat wird sie den Quellen und der Sachkritik am ehesten gerecht. Hannibal, der seine Soldaten, allen Schwierigkeiten zum Trotz, rücksichtslos vorwärtstrieb, mußte schwere Verluste in Kauf nehmen: um des strategischen Zieles willen hat er einen großen Teil seines Heeres geopfert, insgesamt etwa 20000 Mann, dazu den ganzen Troß. Als er im Gebiet der Tauriner die Poebene erreichte, war sein Heer auf 26000 Mann zu Fuß und 6000 Reiter zusammengeschmolzen.

Mit dem Erscheinen Hannibals sahen sich die Römer in Oberitalien in die Verteidigung gedrängt. In Eile wurde das Heer des Sempronius Longus von Sizilien (Lilybaeum) nach Italien zurückbeordert, die beabsichtigte Offensive gegen Karthago abgeblasen. In einem gewaltigen Landmarsch von der äußersten Südspitze Italiens erreichten die Legionen des Sempronius in insgesamt 40 Tagen den römischen Stützpunkt Ariminum. Die größte Sorge der Römer aber bestand darin, Hannibal am weiteren Vordringen nach Mittelitalien zu hindern. Die ersten Gefechte verliefen jedoch für die Römer unglücklich. Am Ticinus kam es zu einem Reitertreffen. Die punische Kavallerie zeigte sich der römischen Bürgerreiterei überlegen, Scipio selbst wurde verwundet. Die Römer zogen sich auf ihren befestigten Stützpunkt Placentia zurück, sie gaben das Land nördlich des Po dem Hannibal preis. Auch in der Winterschlacht an der Trebia hatten die Römer kein Glück. Hannibal hatte es verstanden, die Römer auf das Westufer des Flusses herüberzulocken. Wieder gab die punische Reiterei, diesmal durch einen Flankenstoß unter Mago, den Ausschlag: die Römer erlitten schwere Verluste, nur etwa 10000 Mann konnten sich nach Placentia in Sicherheit bringen (Dezember 218). Der kommandierende Consul, Sempronius Longus, hat in seinem Bericht an den Senat das Wetter, insbesondere das Schneegestöber und den Nebel, für die Niederlage verantwortlich gemacht.

Im Frühjahr 217 konnten die Römer endlich ihre großen materiellen Hilfsquellen voll einsetzen. Sie stellten nicht weniger als 11 Legionen auf, insgesamt etwa 100000 Mann. Von diesen standen zwei Legionen in Spanien, vier in Oberitalien, zwei als Hauptreserve in der Nähe von Rom, zwei auf Sizilien und eine auf Sardinien. Auf weitere Kämpfe in der Po-Ebene, die für die Reitermassen Hannibals ein ideales Gelände war, wollten sich die Römer nicht mehr einlassen. Infolge des Übertritts der Keltenstämme auf die Seite der Punier war Norditalien für Rom verloren. Was der römischen Heerführung fehlte, war das Gefühl für eine echte Schwerpunktbildung, wie sie die Strategie Hannibals in so eindrucksvoller Weise demonstriert. Die Römer hatten ihre Nordarmee geteilt, zwei Legionen standen bei Ariminum unter Servilius, die beiden anderen bei Arretium unter dem Befehl des C. Flaminius. Der Apennin war für Hannibal kein Hindernis. Schon im Frühjahr 217 (etwa im März-April) überschritten die Punier, und zwar in der Gegend von Bologna, wahrscheinlich auf dem Collina-Paß, das Apenningebirge, um in die reiche toskanische Ebene einzufallen. Bei Pistoja gerieten die Punier in das Gebiet des Arno. Der Fluß führte Hochwasser und hatte weite Teile des Landes überschwemmt. In einem Marsch von vier Tagen und drei Nächten wurde das überflutete Gebiet passiert, dabei verlor Hannibal, der auf dem einzigen ihm noch verbliebenen Elefanten saß, durch Entzündung ein Auge. Die Absicht der Römer, Hannibal zwischen ihren beiden Heeren in die Zange zu nehmen, wie einst die Kelten bei Telamon (s. S. 67), erwies sich als eine Fehlrechnung. In dem etwa 9 km langen Defile am Trasimenischen See (zwischen Cortona und Perugia) geriet C. Flaminius mit seinen Legionen in einen von Hannibal meisterhaft gelegten Hinterhalt; 15000 Mann deckten das Schlachtfeld, eine ebenso große Zahl geriet in punische Gefangenschaft. Auch C. Flaminius, dessen unvorsichtige Strategie das Unglück heraufbeschworen hatte, gehörte zu den Gefallenen, er soll angeblich von der Hand eines Kelten den Tod gefunden haben (Frühjahr 217). Um das Unglück der Römer vollzumachen, wurde die Reiterei des anderen Korps in der Nähe von Assisium von der punischen Kavallerie unter Maharbal gestellt und größtenteils gezwungen, die Waffen zu strecken.

Schon in Oberitalien hatte Hannibal die Mittel der Propaganda gegen die Römer spielen lassen, er gab sich besonders leutselig gegenüber den gefangenen Italikern, sie wurden ohne Lösegeld in ihre Heimatorte entlassen. Überhaupt verfolgte er anscheinend den Plan, die Römer allmählich in Italien zu isolieren und die Bundesgenossen von ihnen abspenstig zu machen. Für einen Angriff auf Rom fühlte er sich jedoch nicht stark genug. Er wandte sich vielmehr über Picenum nach Apulien. Dies waren die reichsten Landschaften Unteritaliens, mit Ausnahme der befestigten Kolonien Luceria und Venusia lagen sie dem Zugriff Hannibals offen.

In Rom herrschte tiefe Niedergeschlagenheit. Die Comitien wählten den alten Q. Fabius Maximus zum Diktator, M. Minucius Rufus zum magister equitum, der Senat hatte in dieser entscheidenden Stunde auf seine Prärogative verzichtet. Mit der Person des Q. Fabius Maximus verbindet sich eine grundsätzliche Änderung der römischen Strategie. Da man die Legionen nicht noch einmal einer Niederlage durch Hannibal aussetzen wollte, beschränkten sich die Römer auf eine abwartende Kampfestaktik, sie brachte dem Q. Fabius Maximus den (zunächst ironisch gemeinten) Beinamen Cunctator ein, stieß aber je länger desto mehr auf den Widerstand einflußreicher Gruppen im römischen Senat. Diese setzten es durch, daß der magister equitum Minucius zum Mitdiktator des Fabius ernannt wurde, ein staatsrechtliches Novum, das aber inschriftlich gesichert ist. Gegen Ende des Jahres 217 aber war die sechsmonatige Amtszeit der beiden Diktatoren abgelaufen, die Consuln Servilius und Atilius Regulus übernahmen das Kommando. Am 15. März des Jahres 216 traten neue Consuln ihr Amt an, L. Aemilius Paullus und C. Terentius Varro. Senat und Volk, längst des Abwartens müde geworden, forderten eine Entscheidungsschlacht. Nicht weniger als acht Legionen wurden ins Feld geführt, zusammen mit den Bundesgenossen etwa 80000 Mann zu Fuß und 6000 Reiter, es war das größte Heer, das jemals unter römischen Feldzeichen gestanden hatte. Die Überlegenheit an schwerbewaffnetem Fußvolk gegenüber dem Aufgebot Hannibals (etwa 40000 Mann) war geradezu erdrückend, während die punische Reiterei nicht nur an Qualität, sondern auch an Zahl (10000 Mann) die Römer wesentlich überragte.

Die Schlacht bei Cannae (am 2. Sextilis = August 216 nach dem unrevidierten römischen Kalender) ist in ihren wesentlichen Phasen von Polybios (III 107-117) geschildert, sie ist eine typische Vernichtungsschlacht, die in der Geschichte oft geplant, aber nur selten erreicht worden ist. Entscheidenden Anteil am Sieg der Karthager hatte die glänzend geführte punische Kavallerie. Die römische Führung unter C. Terentius Varro hatte zwar keine kardinalen Fehler begangen, aber sie hatte wiederum Hannibal unterschätzt, insbesondere sein geniales Einfühlungsvermögen in die Absichten des Gegners.

Nur 14500 Mann haben sich von den Römern retten können.

Am Abend der Schlacht von Cannae gab es auf dem Boden Italiens kein römisches Heer mehr, die meisten der höheren militärischen Führer waren gefallen oder in punischer Kriegsgefangenschaft. Hannibal aber war weit entfernt davon, den Sieg zu überschätzen. Angeblich hat er sogar den Versuch gemacht, ähnlich wie seinerzeit Pyrrhos, mit den Römern Verhandlungen anzuknüpfen. Dies aber habe der Senat in schroffer Form zurückgewiesen, die Abgesandten Hannibals seien nicht einmal in die Stadt Rom hereingelassen worden. Das flache Land in Unteritalien lag jetzt dem Zugriff der Punier offen, aber selbst in diesen dunkelsten Stunden der römischen Geschichte hielten die meisten Bundesgenossen den Römern die Treue. Von einigen unbedeutenden Gemeinden in Apulien abgesehen, trat nur das wichtige Capua auf die Seite Hannibals über, aber auch dies nur unter dem Druck der karthagischen Partei in seinen Mauern.

Das Kriegsgeschehen aber zeigt von nun an neue Aspekte: die Nebenkriegsschauplätze gewinnen an Bedeutung, dazu weitet sich der Krieg aus, vor allem durch die Bemühungen Hannibals. In Nordspanien hatten die Römer seit 218 mit wechselndem Erfolge gekämpft. Im Bunde mit den Massilioten hatten sie einen Sieg über die karthagische Flotte an der Ebromündung davongetragen, ein Ereignis, das von Sosylos beschrieben worden ist (217). Im Jahre 214 war Sagunt in die Hände der Römer gefallen. Nachdem aber Hasdrubal, der Bruder Hannibals, aus Afrika zurückgekehrt war, wo er einen Aufstand des Numiderkönigs Syphax niedergeschlagen hatte, da wandte sich das Blatt. Beide Scipionen, zuerst Publius, dann auch Gnaeus, fielen im Kampfe (211), die römischen Eroberungen südlich des Ebro gingen wieder verloren. Dennoch war das Werk der Scipionen in Spanien nicht umsonst gewesen, sie hatten starke punische Truppenverbände auf dem iberischen Kriegsschauplatz gebunden und dadurch zur Entlastung Italiens

beigetragen.

Eine Folge von Cannae war der Vertrag, den Hannibal im Sommer 215 mit Philipp V., dem König der Makedonen, geschlossen hat. Hannibal hatte dadurch nicht nur einen der großen hellenistischen Staaten in den Krieg hineingezogen, der Kriegseintritt Makedoniens ließ darüber hinaus für die Karthager eine gewisse Entlastung erhoffen, da die Römer einen Teil ihrer Flotte zum Schütze ihrer Verbündeten jenseits der Adria aufbieten mußten. Gleichzeitig ging es auch auf Sizilien mit dem römischen Einfluß bergab. Als im Jahre 215 Hieron II., der treue Bundesgenosse der Römer, gestorben war, geriet sein Enkel, Hieronymos, sogleich ins karthagische Fahrwasser; er schloß mit Hannibal einen Vertrag, jedoch konnte sich dieses Abkommen nicht auswirken, da Hieronymos schon nach einer Regierung von nur 13 Monaten in Leontinoi ermordet wurde (214). Die Parteigänger der Punier, vor allem die beiden Griechen Hippokrates und Epikydes, sorgten jedoch dafür, daß Syrakus nach anfänglichem Schwanken wieder in das Lager der Punier zurückkehrte. Seit dem Jahre 214 war auch Sizilien Kriegsschauplatz, eine weitere Belastung der Römer. Sie gewannen jedoch bald die Oberhand, da die Karthager nicht imstande waren, ihren sizilischen Verbündeten ausreichende Hilfe zu leisten. Syrakus fiel im Jahre 212 in die Hände der Römer, Claudius Marcellus, der hier den Befehl führte, ließ die reiche Griechenstadt nach dem Kriegsrecht plündern. Dabei fand der berühmte Mathematiker Archimedes, der seine Erfindungen in den Dienst der Verteidigung seiner Heimatstadt gestellt hatte, den Tod. Der sizilische Krieg hatte damit seinen Höhepunkt überschritten, zwei Jahre später (210) fiel auch Akragas, und zwar durch den Verrat eines karthagischen Offiziers, des Libyphönikers Myttones, die Römer haben ihn dafür mit dem Bürgerrecht belohnt.

Die militärischen Operationen der folgenden Jahre in Italien sind deswegen so schwer zu überblicken, weil Polybios mit dem

Jahre 216 abbricht. Zunächst hat jedoch Hannibal weitere Erfolge errungen, er setzte sich durch Überfall in den Besitz Tarents (213/12 v. Chr.), auch Metapont, Herakleia und Thurii wechselten auf die Seite der Punier über. Gewaltigen Schrecken verbreitete Hannibal durch seinen Vorstoß gegen Rom (211). Diese Aktion war als eine Entlastung Capuas gedacht, das von einem römischen Belagerungsheere eingeschlossen worden war. Der eigentliche Zweck, die Aufhebung der Belagerung Capuas, wurde aber nicht erreicht. Im ganzen hielten sich Römer und Punier in Unteritalien die Waage, entscheidende Erfolge blieben auf beiden Seiten aus. Als im Jahre 210 in Italien eine Hungersnot ausbrach, die zweifellos auf die Verwüstungen des Krieges zurückzuführen ist, da hatten die Römer das Glück, eine reiche Getreidesendung von Ptolemaios IV., dem Könige von Ägypten, zu erhalten. Die Flotte gelangte unbehelligt nach Italien - dies ein Zeichen dafür, daß die Römer über die uneingeschränkte Seeherrschaft verfügten.

Eine Wendung des Kriegsgeschehens bahnte sich auf dem spanischen Kriegsschauplatz an. Hier hatte nach dem Tode des Oheims und des Vaters der junge, nur 26jährige P. Cornelius Scipio ein prokonsularisches Imperium übertragen erhalten. Scipio war übrigens der Schwiegersohn des Aemilius Paullus, der in der Schlacht bei Cannae geblieben war. Spanien wurde damit zu einer Domäne der Scipionen, die hier mit den punischen Barkiden um die Siegespalme rangen. Schon im Jahre 209 fiel Neukarthago (Carthago Nova, heute Cartagena), die Hauptstadt des punischen Spaniens. Man erzählte, daß der Meeresgott Neptun dem jungen römischen Feldherrn den Weg in die starke Land- und Seefestung gewiesen habe. Überhaupt ist Scipio nicht zu verstehen ohne seine tiefe Religiosität: er fühlte sich als Schützling des Juppiter Optimus Maximus, das Vertrauen zur Hilfe des Juppiter hat ihn bei all seinen Taten geführt. In seiner Religiosität trifft Scipio zusammen mit vielen anderen Römern, die durch die Not des Krieges wieder beten gelernt hatten. Die vornehme Behandlung der Iberer hatte Scipio die Herzen der Einheimischen im Fluge gewinnen lassen, so daß im Lande ein grundlegender Stimmungsumschwung zu verzeichnen war. Aber es gab auch Mißerfolge: trotz seines Sieges bei Baecula (208) konnte Scipio den Abzug Hasdrubals, des Bruders des Hannibal, aus Spanien nicht verhindern. Mit dem Sieg bei Ilipa (206) erschloß sich den Römern das südliche Spanien, als letzte bedeutende Gemeinde fiel Gades (Cadix) den Römern in die Hand. Als Scipio im Jahre 206 nach Rom zurückkehren konnte, da existierte die Herrschaft der Punier auf der Pyrenäenhalbinsel nicht mehr, 30 Jahre karthagischer Anstrengungen waren umsonst gewesen, vor allem fielen die spanischen Stämme für die punische Kriegführung vollkommen aus.

Hannibal hatte seine Positionen in Italien im wesentlichen behaupten können, nur das wichtige Tarent war im Jahre 209 durch Verrat wieder auf römische Seite zurückgeführt worden. Aber im offenen Felde zeigte Hannibal sich nach wie vor überlegen; das beweisen seine Siege über Cn. Fulvius Centumalus bei Herdonia (210) und über M. Claudius Marcellus (208). Aber es war vorauszusehen, daß seine Position ständig schwächer werden mußte, da er von den Kelten in Oberitalien abgeschnitten war und über keine nennenswerte Flotte verfügte.

Da erschien im Jahre 207 Hasdrubal mit seinem Heere auf dem Boden Italiens. Er hatte die Alpen überstiegen und durch keltische Stämme in Oberitalien reißenden Zulauf gefunden. In Rom setzte man alles auf eine Karte: die beiden Consuln des Jahres 207, M. Livius Salinator und C. Claudius Nero, vereinigten ihre Heere in Oberitalien ohne Rücksicht auf Hannibal. In der Schlacht am Metaurus verlor Hasdrubal das Leben, die Entscheidung in Italien war damit gefallen, Hannibal mußte es genügen, wenn er sich im äußersten Süden der Halbinsel, in Bruttium, im Stellungskrieg gegen die Römer zu behaupten vermochte.

Bald nach dem spanischen ging auch der makedonische Krieg zu Ende.

Für Hannibal war der makedonische Bundesgenosse eine einzige Enttäuschung gewesen. Denn der Eintritt Makedoniens in den Krieg im Jahre 215 hatte keine wesentliche Entlastung für Karthago gebracht, im Gegenteil, die Römer hatten es verstanden, die Ätoler, die geschworenen Feinde der Makedonen, auf ihre Seite herüberzuziehen (212). Der römischätolische Bündnisvertrag ist auf einer Inschriftenstele zu Thyrreion ans Licht gekommen. Die Vertragsbestimmungen zeigen ein sehr weitgehendes Entgegenkommen der Römer gegenüber ihren neuen griechischen Freunden. So hatten die Römer versprochen, alle etwa von ihnen eingenommenen Städte mitsamt ihrer Habe den Ätolern zu übergeben. Der Vertrag ist vom römischen Senat übrigens erst im Jahre 210 ratifiziert worden, hierfür sind jedoch kaum moralische Bedenken der Römer maßgebend gewesen, sondern vielmehr die Tatsache, daß der Senat nur mit Mühe zu einer einhelligen Auffassung über die Ostpolitik gelangen konnte. Die Ätoler aber trennten sich im Jahre 206 wieder von Rom; sie fühlten sich mehr oder weniger im Stich gelassen und schlossen einen Sonderfrieden mit Philipp V. von Makedonien (206). Der Friede von Phoinike vollends, der den 1. römischmakedonischen Krieg beendete (205), kam durch die Vermittlung der Epiroten zustande, Rom zeigte sich gegenüber seinem ehemaligen Gegner mehr als großzügig; es beschränkte sich darauf, eine Anzahl von illyrischen Küstenplätzen zu behaupten, das gesamte Hinterland wurde den Makedonen überlassen.

Inzwischen war in Rom der Streit über die weitere Kriegsführung gegen Karthago mit voller Macht entbrannt. Es ist das Verdienst Scipios, einer neuen strategischen Idee zum Siege verholfen zu haben: ohne Rücksicht auf Hannibal sollte der entscheidende Schlag gegen das karthagische Zentrum in Afrika gerichtet werden. Es erscheint nicht verwunderlich, wenn diese ungemein kühne Konzeption auf starken Widerstand innerhalb des Senats gestoßen ist. Wortführer war Q. Fabius Maximus Cunctator. Als Scipio im Jahre 205 das Consulat und die Provinz Sizilien übertragen ward, da war die Entscheidung zu seinen Gunsten gefallen, im Sommer 204 setzten die Römer von Lilybaeum nach Afrika über. Hier trat der numidische Prätendent Massinissa auf ihre Seite; da sich aber sein Widersacher, Syphax, nach anfänglicher Entfremdung wieder den Karthagern zur Verfügung stellte, war das Gleichgewicht mehr oder weniger wiederhergestellt. Mit dem Endkampf zwischen den beiden Großmächten Rom und Karthago verbindet sich ein erbittertes Ringen um die Herrschaft in Numidien. Aus diesem Streit ist Massinissa als Sieger hervorgegangen, der sich in den Besitz der Hauptstadt Cirta zu setzen vermochte. Als Scipio die Karthager auf den Großen Feldern besiegt hatte, da waren diese friedensbereit. Scipio gewährte ihnen einen Waffenstillstand, die Punier verpflichteten sich, Hannibal aus Bruttium und Mago aus Ligurien zurückzurufen. Nach der polybianischen Überlieferung hätten die Karthager den Waffenstillstand in dem Augenblick wieder gebrochen, als Hannibal, aus Italien zurückgekehrt, den Boden seines Vaterlandes betreten hätte. Ferner soll Scipio die punische Gesandtschaft großmütig entlassen haben, obwohl die Karthager völkerrechtswidrig römische Transportschiffe gekapert und außerdem ein Attentat auf eine römische Gesandtschaft unternommen hätten. Die Überlieferung des Polybios beruht wahrscheinlich auf der Erzählung des Älteren Laelius, der sich im Gefolge Scipios befunden hat. Sie ist als glaubwürdig zu betrachten.

In Scipio war dem Hannibal in Afrika ein ebenbürtiger Gegner entstanden, beide Feldherrn hatten außergewöhnliche Leistungen vollbracht, Scipio standen jedoch die größeren Hilfsmittel zur Verfügung, Karthago befand sich dagegen am Ende seiner Kräfte. Die Entscheidungsschlacht wurde im Jahre 202 bei Zama Regia, etwa fünf Tagemärsche von Karthago entfernt, geschlagen. Vor der Schlacht hatten sich die beiden Feldherrn zu einer Unterredung getroffen, sie war völlig ergebnislos verlaufen. Scipio verfügte über eine überlegene Reiterei, die vor allem durch die Numider unter Massinissa gebildet wurde. Beide Heere, das römische und das punische, waren in drei Treffen aufgestellt, die Veteranen Hannibals standen im letzten Glied. Im übrigen aber nahm die Schlacht einen Verlauf, der weder von Scipio noch von Hannibal vorauszusehen war, sie zeigt, daß Strategie nichts anderes ist als ein System von Aushilfen (Moltke). Im punischen Heere entstanden Spannungen zwischen den einzelnen Treffen, sie führten sogar zu Auseinandersetzungen mit den Waffen. Entschieden aber wurde die Schlacht durch die Kavallerie, wobei die Numider auf Seiten Scipios eine ausschlaggebende Rolle spielten.

Der Friede des Jahres 201 zog den Schlußstrich unter die nahezu 20jährige Auseinandersetzung. Karthago wurde auf die terra ferma in Afrika beschränkt, auf alle überseeischen Besitzungen mußte es verzichten. An seiner Westgrenze wurde Numidien als ein eigenes Reich unter Massinissa begründet, sein Herrscher übernahm das Amt des Wächters und wurde dafür von Rom in jeder Weise bevorzugt. Karthago hatte außerdem 10000 Talente Kriegsentschädigung zu zahlen, es mußte seine Elefanten und Kriegsschiffe (mit Ausnahme von 10 Einheiten) ausliefern. Es wurde den Karthagern untersagt, außerhalb Afrikas Kriege zu führen, innerhalb Afrikas durfte dies nur unter Zustimmung der Römer geschehen.

Mit dem Sieg über Karthago stieg Rom zur ersten Macht im Mittelmeergebiet empor. Es hatte seine Waffen siegreich von Spanien nach Afrika getragen, und es besaß in Scipio einen Feldherrn, wie ihn die Welt außer Hannibal noch nicht gesehen hatte. Der Sieg Roms mußte zurückstrahlen auf seine Stellung zu anderen Mittelmeermächten: mit dem Ptolemäerreich standen die Römer in besten Beziehungen, und auch zu den Seleukiden hatte man wegen Ilion Verbindungen angeknüpft. Offen war immer noch die makedonische Frage, sie war durch den Frieden von Phoinike (205) nur vertagt worden. Aber auch im Inneren Roms hatte der Krieg grundlegende Veränderungen hervorgerufen: der römische Senat hatte endgültig Abschied nehmen müssen von seiner vorsichtigen und bedächtigen Politik. Sie war einst in den italischen Auseinandersetzungen angebracht gewesen, jetzt aber zeigten sich am Horizont neue welthistorische Perspektiven, von denen man sich nichts hatte träumen lassen. Im Kriege war es offenbar geworden, daß man mit den alljährlich wechselnden Oberbeamten nicht durchkommen konnte. So mußte man dazu übergehen, einzelnen Persönlichkeiten mehrfach das Consulat zu übertragen. Q. Fabius Maximus ist denn auch während des Krieges dreimal (215, 214, 209), M. Claudius Marcellus sogar viermal (215, 214, 210, 208) Consul gewesen. Noch wichtiger aber war die steigende Bedeutung der Promagistraturen, so haben die beiden Scipionen Publius und Gnaeus von 218 bis 211 das Kommando geführt, während P. Cornelius Scipio zehn Jahre lang, von 210 bis 201, gewissermaßen der erste Feldherr Roms gewesen ist. Hatte vorher der Senat alle Entscheidungen von irgendwelchem politischen Gewicht gefällt, so fiel nun der Wille des einzelnen mit in die Waagschale; aus der großen Zahl der Nobiles traten einzelne Führergestalten (principes) heraus, die sich mit Hilfe ihrer Klientelen in Rom, in Italien und in den Provinzen einen ungeahnten Einfluß verschafften.

Die römischitalische Wehrgemeinschaft hatte die großen Belastungen des Krieges ohne größere Erschütterungen ertragen. Wohl waren einzelne Abfälle zu verzeichnen gewesen, aber wo Verbündete abgefallen waren, wie etwa in Campanien und Apulien, da hatten die Italiker zumeist keine andere Wahl gehabt. Viel schlimmer war es, daß weite Gebiete Süditaliens vom Kriege schwer betroffen waren und weithin unbebaut blieben. Dies gilt auch für die Gebiete der unteritalischen Griechenstädte, die ihre alte Geltung zumeist nicht zu behaupten vermochten. Auch ihre kulturelle Bedeutung hatten sie vielfach verloren. Womöglich noch schwerwiegender aber waren die strukturellen Veränderungen, die sich in Mittel- und Süditalien vollzogen hatten. Infolge der überlangen Dauer des Krieges waren zahlreiche mittlere und kleinere Bauernhöfe verödet, an die Stelle des Kleinbauerntums aber war der Großgrundbesitz, an die Stelle der intensiven Landwirtschaft die Weidewirtschaft getreten. Anderseits vermehrte sich die großstädtische Bevölkerung in Rom durch ständigen Zustrom vom Lande. Diesen durch den Krieg heraufbeschworenen Problemen war die römische Staatsführung in keiner Weise gewachsen. Wenn auch in den Jahren nach dem Kriege immer wieder neue Kolonien gegründet worden sind, so reichten diese Maßnahmen doch bei weitem nicht aus. Man versuchte, die Symptome zu heilen, ohne das Übel mit der Wurzel auszumerzen. Mit dem römischen Legionär aber war auch der römische und italische Händler in fremde Länder gekommen, das Heer und die Flotte hatten einen ungeheuren Bedarf an Nachschub, er mußte durch die Heereslieferanten gedeckt werden. Da den Senatoren Geldgeschäfte verboten waren, haben sich vor allem die römischen Ritter in die Kriegswirtschaft eingeschaltet und hierdurch riesige Vermögen erworben. Dies aber veränderte das Gleichgewicht der beiden obersten Stände, das Geld wurde eine Macht in der Politik, vor allem auch in Rom selbst, wo die Beamtenwahlen stattfanden. Auch im Heerwesen gab es grundlegende Veränderungen. Das Heer bestand nicht aus Berufssoldaten, sondern aus den ausgehobenen Bürgern (cives Romani), dabei stellten die Bauern die große Masse, außerdem gab es zahlreiche Aufgebote der Bundesgenossen (socii). Auch die Offiziere, selbst die in den höchsten Kommandostellen, waren keine Berufsoffiziere. Der jährliche Wechsel im Oberbefehl hatte in den Anfangsjahren des Krieges, vor allem im Kampf mit Hannibal, zu großen Schwierigkeiten geführt. Folgerichtigerweise schritt man zur Verlängerung (Prorogierung) der Heereskommanden. Damit war jedoch ein wichtiger Grundsatz des altrömischen Gewohnheitsrechts preisgegeben; die Bahn für große, machtvolle Persönlichkeiten, die sich auf dem Wege über das militärische Kommando die Macht im Staate erringen konnten, war vorgezeichnet, wenn er auch erst in viel späterer Zeit, von Marius, Sulla, Pompejus und Caesar, beschritten worden ist.

Wenn der große Scipio, dem nach dem Siege über Hannibal mit Recht der Beiname gegeben wurde, in seinem Leben als ein durch und durch religiöser Mensch erscheint, so teilt er diese Eigenschaft mit vielen, sehr vielen seiner Landsleute. Die große Not des hannibalischen Krieges führt eine Zeit der religiösen Besinnung herauf, eine Strömung, die von Staats wegen stark gefördert worden ist. Die Auffassung, die römischen Niederlagen gegen Hannibal seien auf die Nichtbeachtung der göttlichen Vorschriften zurückzuführen, war in Rom allgemein verbreitet. So gelobte der Senat im Jahre 217 einen Tempel der Mens (der «Vernunft»), da man glaubte, die Niederlage am Trasimenischen See sei durch die Unvernunft (dementia) verursacht worden. Ja sogar auf die alte Sitte des Ver sacrum wurde in dem gleichen Jahre zurückgegriffen: es wurde ein Ver sacrum gelobt, falls der Staat die nächsten fünf Jahre erhalten bliebe. Nicht wenige Tempel sind in der Kriegszeit den Göttern gelobt worden, und selbst die sibyllinischen Bücher hat Q. Fabius Maximus als Augur hervorgeholt, um aus ihnen den Willen der Götter zu erforschen. Neben die einheimischen Gottheiten traten die fremden: der gleiche Fabius Maximus hat im Jahre 217 der Venus Erycina einen Tempel auf dem Kapitol gelobt, im Jahre 215 wurde dieser dann eingeweiht, zu einer Zeit, als Hannibal auf dem Höhepunkt seiner Macht in Italien stand. Im Jahre 204 überführte man den heiligen Meteorstein der Magna Mater aus dem Megalesion bei Pergamon nach Rom.

Bezeichnenderweise ist der Stein zunächst im Tempel der Victoria in Rom untergebracht worden - was man von der Magna Mater erwartete, geht aus dieser Tatsache klar hervor. In der Not des Krieges hat man auch zu grausigen Riten seine Zuflucht genommen: im Jahre 216 wurden in Rom auf dem Forum Boarium ein Gallier und eine Gallierin, dazu ein Grieche und eine Griechin lebendig begraben. Die Gründe, weswegen die Römer gerade Gallier und Griechen wählten, sind dunkel, es mag sein, daß es sich hier um einen in seinem Ursprung nicht geklärten etruskischen Ritus handelt.

Welthistorisch gesehen bedeutet der römische Sieg über Karthago eine ganz folgenschwere Verschiebung des politischen Gleichgewichts im Mittelmeergebiet. Roms Herrschaft reicht nunmehr von Gades in Spanien bis Dyrrhachium in Epirus, von Mediolanum bis zum Numidischen Reich des Massinissa. Rom hält das Westbecken des Mittelmeeres wie mit eisernen Klammern fest, der karthagische Reststaat ist auf die Gnade Roms angewiesen. Daß Karthago in dieser schwierigen Lage versucht hat, seinem Handel neue Märkte zu erschließen, scheint eine Inschrift aus Istros (Histria) in der Dobrudscha zu zeigen, in der einem Karthager das Bürgerrecht verliehen wird. Aber die großen Zeiten der karthagischen Handelsmacht waren unwiederbringlich dahin; wo seine Kaufleute auch auftraten, da stießen sie auf die römische und italische Konkurrenz, insbesondere in Afrika, wo sich das Reich des Massinissa dem römischen Einfluß voll erschlossen hat. Auch in Kleinasien hatte Rom in dem pergamenischen Herrscher Attalos I. (241-197) einen Bundesgenossen, mit der Stadt Ilion war Rom befreundet, und in Griechenland besaß es zum mindesten bei jenen Staaten Sympathien, die als Gegner der Makedonen bekannt waren. Der Waffengang zwischen Rom und Makedonien im 1. Makedonischen Kriege hatte ohne Entscheidung geendet, und es war nicht wahrscheinlich, daß Rom mit dem Frieden von Phoinike (205) die makedonische Angelegenheit als erledigt betrachtete. Sollte Rom die Herrschaft auf der Adria mit Makedonien teilen, nachdem man Karthago im westlichen Mittelmeer praktisch zu einer Macht zweiten Grades degradiert hatte? Die Zeiten waren vorüber, in denen man sich von den illyrischen Seeräubern wiederholte Übergriffe gegen italische Kaufleute gefallen lassen mußte. Zu Ende war aber auch die Periode einer ausschließlich auf Italien gerichteten Politik. Selbst wenn es der Wille des römischen Senats gewesen wäre, so hätte man sich in Zukunft an der Entwicklung in Griechenland und im hellenistischen Osten nicht für uninteressiert erklären können. Mit dem Siege über Karthago ergaben sich zwangsläufig ganz neue Verpflichtungen, und die nächsten Jahre mußten erweisen, ob Rom imstande war, seiner Führungsrolle gerecht zu werden.


10. Rom im Kampf mit Philipp V. und Antiochos 111. (200-188 v. Chr.)

Das Eingreifen Roms in Griechenland im 2. Makedonischen Krieg (200-197) bezeichnet eine entscheidende Wende der römischen Außenpolitik. Hatten sich die Römer bisher nur sehr zurückhaltend in die Angelegenheiten Griechenlands und Makedoniens eingeschaltet, so verändert sich das Bild nunmehr grundlegend. Es ist keine Frage, daß hier der Sieg über Karthago auch zu einer Neuorientierung der römischen Politik gegenüber Griechenland und Makedonien geführt hat.

Begünstigt wurde die Einmischung Roms durch den Zustand der hellenistischen Staaten am Ende des 3. Jh. v. Chr. Während das Seleukidenreich dank der Tatkraft des Königs Antiochos III. einen neuen Aufstieg genommen hatte, war die Lage des Ptolemäerreiches alles andere als hoffnungsvoll. Der Tod des Ptolemaios IV. Philopator, wahrscheinlich im Jahre 204 v. Chr., bezeichnet den Beginn großer Schwierigkeiten, die Regierung ging in die Hände ehrgeiziger Höflinge, des Agathokles und des Sosibios, über, die mit den inneren Problemen nicht fertig werden konnten. Dazu tobte im Süden des Landes, in der Thebais, ein Eingeborenenaufstand, durch den die Landschaft nahezu ein volles Vierteljahrhundert dem Reich verloren gegangen ist (210-186). Viel schlimmer aber war es, daß die Nachbarn, Philipp V. von Makedonien (222/21-179) und Antiochos III. (223-187), die Schwäche des Ptolemäerreiches dadurch auszunutzen versuchten, daß sie einen Vertrag über die Aufteilung des führerlosen Reiches abschlossen, und zwar war offenbar zunächst an eine Aufteilung der Außenbesitzungen, später auch an eine Teilung des Kernlandes gedacht. Die modernen Zweifel an der Existenz dieses Teilungsvertrages (wahrscheinlich vom Jahre 203/02 v. Chr.) sind ganz unbegründet. Philipp V., der wohl als der intellektuelle Urheber des Raubvertrages anzusehen ist, eröffnete die Operationen durch einen Vorstoß an die Propontis, wo er sich der Städte Lysimacheia, Perinth, Kalchedon und Kios bemächtige (Frühjahr oder Frühsommer 202 v. Chr.). Wenige Monate später besetzte Philipp V. auch Thasos, und im Frühjahr 201 wurde die ptolemäische Besatzung aus Samos gewaltsam vertrieben. Die Regierung in Alexandrien mußte den Übergriffen des Makedonenkönigs hilflos zusehen. Auch gegenüber dem Einmarsch des Antiochos III. in das südliche Syrien (Koilesyrien) war sie mehr oder weniger machtlos. Da trat ein Ereignis ein, das Philipp V. nicht vorausgesehen hatte: die Rhodier sahen ihre Interessen an den Meerengen bedroht, sie verbündeten sich mit dem König Attalos I. von Pergamon und traten der Expansion Philipps entgegen, es kam zu einem regelrechten Kriege (Frühjahr 201), in dem mit wechselndem Erfolg auf beiden Seiten gekämpft wurde. Aber es war klar, daß sich Rhodos und das kleine Pergamon auf die Dauer nicht gegen das übermächtige Makedonien behaupten konnten. Im Herbst 201 erschien eine rhodischpergamenische Gesandtschaft in Rom, sie sollte die Römer um Hilfe gegen Philipp V. bitten, wobei sie wahrscheinlich auf den Raubvertrag zwischen Philipp V. und Antiochos III. hinwies. Wenn sich auch die Koalition der beiden Herrscher nicht gegen Rom, sondern gegen das Ptolemäerreich richtete, so war doch das Gleichgewicht im hellenistischen Osten schwer bedroht, eine Tatsache, die auch von Rom nicht auf die leichte Schulter genommen werden konnte. Zwar hatte der römische Senat im Jahre 202 ein Hilfegesuch der Ätoler, die am Hellespont untertänige Städte besaßen, abschlägig beschieden, aber damals stand Rom noch im Kriege mit Karthago, es wäre politisch verkehrt gewesen, eine Auseinandersetzung mit Makedonien vom Zaune zu brechen. Diese Hindernisse waren nun nicht mehr vorhanden, Rom hat den Gesandten aus dem Osten seine Hilfe in Aussicht gestellt. Dabei hatte man in Rom kein besonders gutes

Gewissen. Hat doch die jüngere Annalistik die ganz bodenlose Behauptung aufgestellt, Philipp habe dem Hannibal makedonische Truppen nach Afrika zu Hilfe geschickt, außerdem habe er römische Bundesgenossen angegriffen. Aber weder Rhodos noch Athen, das mit Philipp V. im Kriege lag, konnten als römische Bundesgenossen betrachtet werden, und auch Attalos I. von Pergamon, der unter den adscripti des Friedens von Phoinike erscheint - ob mit Recht, ist fraglich -, hatte zwar Beziehungen zu Rom, in den Krieg aber war er erst auf das Drängen der Rhodier eingetreten. Warum also war der römische Senat für eine Einmischung, die unabsehbare Folgen haben mußte? Das Volk in den Centuriatcomitien war darüber, daß ein neuer Krieg bevorstand, geradezu bestürzt, nur mit Mühe hat man hier die Zustimmung zur Kriegserklärung gegen König Philipp V. erlangen können. Damit waren die Würfel gefallen, die folgenden Verhandlungen mit dem Makedonen waren mehr oder weniger nur Formsache. Eine römische Gesandtschaft mit C. Claudius Nero, P. Sempronius Tuditanus und M. Aemilius Lepidus suchte Philipp auf. Vor dem von ihm belagerten Abydos am Hellespont übergab man dem König die Forderungen des Senats: Philipp sollte nicht nur den Krieg gegen Athen einstellen, er sollte auch alle seine Eroberungen in Kleinasien wieder herausgeben, der Streit mit Rhodos und Attalos I. aber einem Schiedsgericht unterbreitet werden. Als der stolze Makedone dies rundweg ablehnte, da überreichten ihm die Gesandten die Kriegserklärung (August 200 v. Chr.).

Gegen Überraschungen von seiten der anderen hellenistischen Großmächte wußte sich Rom zu sichern. Dem Seleukiden Antiochos III. wurde freie Hand in Südsyrien gegeben, seine Sache stand im übrigen gut, denn er hatte (im Sommer des gleichen Jahres) einen entscheidenden Sieg über die Truppen des Ptolemäers beim Panion an den Jordanquellen errungen. Die Gesandtschaft sah auch in Alexandrien nach dem Rechten. Daß M. Aemilius Lepidus bei dieser Gelegenheit die Vormundschaft über den jungen Ptolemaios V. Epiphanes übernommen habe, ist allerdings eine Legende, und zwar aus der Zeit der späten römischen Republik.

Die Römer hatten bei der Kriegserklärung an Philipp V. sorgfältig die Formen eingehalten, die ihnen das ius fetiale vorschrieb. Sie waren überzeugt davon, zur Verteidigung römischer Bundesgenossen das Schwert zu ziehen, der Fall des bellum iustum war für sie gegeben. Sie befanden sich nach ihrer Auffassung eindeutig im Recht, Philipp V. war im Unrecht. Aber so einfach liegen die Dinge nicht, und auch die These vom defensiven römischen Imperialismus, die auf Mommsen zurückgeht, kann für das römische Verhalten schwerlich eine befriedigende Erklärung bieten. Rom war bis an die Zähne gerüstet; von den Legionen, die man gegen Karthago aufgeboten hatte, war nur ein Bruchteil nach Hause entlassen, die Kriegsflotte hatte im Mittelmeer nicht ihresgleichen, so schien die Stunde günstig, auch mit Makedonien abzurechnen, das so unvorsichtig gewesen war, ein Jahrzehnt lang an der Seite Karthagos zu kämpfen. Die Senatoren waren äußerst kühle Rechner. Wenn man schon mit Makedonien die Klingen kreuzen mußte, so wollte man selbst den Zeitpunkt bestimmen. Man kann den Krieg einen Präventivkrieg nennen, das aber ändert nichts an der Tatsache, daß er von Rom entfacht und als typischer Angriffskrieg geführt worden ist.

Mitte September 200 v. Chr. landete P. Sulpicius Galba mit zwei Legionen, alles in allem etwa 20000-25000 Mann, in Apollonia (südlich Fieri) in Illyrien. Der Krieg begann mit der Zerstörung der makedonischen Stadt Antipatreia, die männliche Bevölkerung wurde von den Römern niedergemacht. Philipp dagegen unternahm einen überraschenden Vorstoß gegen Athen, die Stadt selbst vermochte er nicht einzunehmen, anstatt dessen tobten sich die Makedonen in der Verwüstung des attischen Fruchtlandes aus. Die Römer erhielten bald weiteren Zuzug: Pleuratus von Scodra, Bato, der Herrscher der Dardaner, und

Amyntas, der König der Athamanen, schlossen sich ihnen an. Obwohl Philipp inzwischen eine beachtliche Armee (20000 Mann zu Fuß und 2000 Reiter) mobilisiert hatte, so fühlte er sich dennoch den Römern im Felde nicht gewachsen. Er beschränkte sich auf den Kleinkrieg. Erst im Mai 199 stießen die Römer das Tal des Genusus (Skumbi) aufwärts in die Lynkestis vor. Da Philipp jedoch auch hier einer entscheidenden Schlacht auswich, mußten die Römer wieder umkehren. Da veränderte der Übertritt der Ätoler auf die Seite der Römer die Lage beträchtlich. Es ist eine offene Frage, ob damals ein neuer Vertrag zwischen ihnen und den Römern abgeschlossen worden ist oder ob man sich damit begnügte, den alten Vertrag des Jahres 212 zu erneuern. Da Philipp den Ätolern bei Pharkadon eine Niederlage beibrachte, endete das Jahr 199 für die Römer wenig günstig. In Apollonia war es sogar zu einer Meuterei römischer Soldaten gekommen, sie konnte jedoch von P. Villius (Tappulus), dem Nachfolger des P. Sulpicius Galba, beigelegt werden. Im Frühjahr 198 besetzte Philipp eine starke Stellung im Aoos-Tal in der Nähe von Antigoneia, er wollte auf diese Weise die Römer daran hindern, nach Thessalien vorzustoßen. P. Villius blieb jedoch untätig, die Angabe der annalistischen Tradition, er habe einen Sieg im Paß von Antigoneia davongetragen, ist eine Fälschung. Im Mai 198 trat eine entscheidende Veränderung ein, an Stelle des P. Villius übernahm T. Quinctius Flamininus das griechische Kommando. Nachdem ein Zusammentreffen des neuen römischen Feldherrn mit König Philipp V. ergebnislos geblieben war, ging der Krieg weiter. In dem Verhalten des T. Quinctius Flamininus kommt deutlich zum Ausdruck, daß sich die Römer gegenüber dem Makedonenkönig als die Beschützer der griechischen Freiheit betrachteten, sie besaßen damit ein zündendes Schlagwort, dem die Makedonen nichts Vergleichbares entgegenzustellen hatten. Als Feldherr verfügte Flamininus über beachtliche Qualitäten. Was seinem Vorgänger P. Villius nicht gelungen war, das brachte Flamininus zustande: er verdrängte Philipp aus seiner Riegelstellung am Aoos und setzte sich sogar in den Besitz des makedonischen Lagers. Bei der Umgehung der makedonischen Stellung hatte der Epirote Charops den Römern wertvolle Dienste geleistet. Philipp ging auf Thessalien zurück. Hier ließ er eine Reihe von kleineren Orten, unter ihnen Palaipharsalos, in Flammen aufgehen, die Einwohner führte er mit sich fort. Auch zur See hatten die Römer Erfolge, sie eroberten die Stadt Eretria auf Euböa, auch Karystos kapitulierte, bis auf Chalkis war die Insel für Philipp verloren. In Thessalien entsprachen die Erfolge nicht ganz den römischen Erwartungen, Flamininus mußte schließlich wieder abziehen und in Phokis die Winterquartiere aufschlagen. Im Winter 198/97 entschloß sich der Achäische Bund, seine Neutralität aufzugeben und an der Seite der Römer, des Attalos I. und der Rhodier in den Krieg gegen Philipp V. einzutreten. Doch waren die ersten Unternehmungen, an denen die Truppen der Achäer Anteil hatten, wenig erfolgreich: ein Anschlag auf das makedonische Korinth mißlang, und in Argos gab es sogar einen Rückschlag, da sich der makedonische Stratege Philokles in den Besitz der Burg zu setzen vermochte. Nachdem die militärischen Operationen wegen des Winters zum Stillstand gekommen waren, traten die Gegner in Nikaia in Lokris zu einer Konferenz zusammen (Ende November 198). Auch die hellenischen Bundesgenossen der Römer waren hier durch Abgesandte vertreten. Philipp zeigte größtes Entgegenkommen, wollte er doch, wenn irgend möglich, aus dem Kriege herauskommen. Außerdem glaubte er, in Flamininus einen wohlwollenden Fürsprecher gefunden zu haben. So schlug der Makedonenkönig vor, man möge die Entscheidung des Senats anrufen, was von Flamininus gebilligt wurde. Außerdem wurde ein Waffenstillstand von zwei Monaten vereinbart. Als Preis hierfür mußte Philipp seine Truppen aus Phokis abziehen, womit ganz Mittelgriechenland den Römern überlassen wurde. Das Verhalten des T. Quinctius

Flamininus ist schwer zu durchschauen. Hatte er die Absicht, den Makedonenkönig zu täuschen? Oder wollte er ein ehrlicher Vermittler sein? Daß Flamininus vor allem die römischen Interessen im Auge hatte, versteht sich von selbst. Daß diese jedoch mit den makedonischen unvereinbar waren, muß er gewußt haben. Der Senat verlangte, Philipp solle auf die drei Griechenlands, die Festungen Korinth, Chalkis und Demetrias, verzichten. Als die makedonischen Gesandten hierauf keine klare Antwort erteilten, beschloß der Senat, den Krieg fortzuführen. Der Oberbefehl des Flamininus wurde im Frühjahr 197 verlängert, dazu wurden Verstärkungen nach Griechenland beordert, die beiden Vorgänger im Kommando wurden dem römischen Feldherrn für seinen Stab zur Verfügung gestellt. Auf weitere Gespräche mit Philipp V. ließ sich Flamininus nun nicht mehr ein, auf der Peloponnesos gewann er in Nabis von Sparta einen neuen Bundesgenossen, den makedonischen Kommandanten von Korinth konnte er jedoch nicht zur Übergabe bewegen. Die Festung hielt sich bis zum Ende des Krieges. Mehr Glück hatte der Römer in Theben, wo sich der Böotische Bund der Koalition gegen Philipp anschloß. Damit stand fast ganz Griechenland - mit Ausnahme der Akarnanen und der Thessaler - im Kriege gegen Philipp.

Aus den Winterquartieren um Elateia rückte das römische Heer, insgesamt etwa 27000 Mann, gegen die Thermopylen vor (die griechischen Kontingente machten nur etwa Vio des Heeres aus). Es war klar, daß Flamininus nunmehr die Entscheidung herbeiführen wollte. In der weiten thessalischen Ebene südlich von Pherai hatten die Spitzen der beiden Heere zum ersten Male Berührung miteinander, aber erst am vierten Tage danach und nach zwei weiteren Tagen, in denen die Heere parallel nach Westen gezogen waren, entwickelte sich die Entscheidungsschlacht. Sie wurde bei Kynoskephalai (Kara Dagh) Ende Mai/Anfang Juni 197 v. Chr. geschlagen, als das Getreide reif auf den Feldern stand.

Mit seinem rechten Flügel errang Flamininus schnell Vorteile, während der linke zurückgedrängt wurde, so daß die Schlacht wieder zum Stehen kam. Erst der Stoß von 20 Manipeln des rechten römischen Flügels in den Rücken der Makedone n brachte die Entscheidung. Von den Griechen hatten die Ätoler tapfer mitgekämpft, sie drangen auf der Verfolgung in das Lager Philipps vor und plünderten es aus. Der Makedonenkönig, der 8000 Tote und 5000 Gefangene verloren hatte, entkam mit dem Rest seines Heeres. Aber nur drei Tage später erschienen seine Gesandten vor Flamininus in Larisa, Philipp erhielt den erbetenen Waffenstillstand von 15 Tagen zugestanden, eine Entscheidung des römischen Oberfeldherrn, die von den griechischen Bundesgenossen, insbesondere von den Ätolern, sehr mißfällig aufgenommen wurde. Überhaupt hatte Flamininus mit den Hellenen alle möglichen Schwierigkeiten, und als Philipp selbst zu Verhandlungen eintraf, da mußte jener den Ätolern noch einmal mit groben Worten entgegentreten. Die Frage, ob Flamininus in der Angelegenheit der den Ätolern zu übergebenden Städte die Wahrheit oder die Unwahrheit gesagt hat, ist in der modernen Forschung umstritten. Die Überlieferung kann aber nur so gedeutet werden, daß sich Flamininus hier eines juristischen Kunstgriffs bediente, indem er den Vertrag zwischen Rom und Ätolien vom Jahre 212 nicht mehr anerkannte, da dieser durch den Sonderfrieden der Ätoler mit König Philipp V. im Jahre 206 gelöst worden sei. Die Ätoler aber waren ganz anderer Ansicht, sonst hätten sie sich ja nicht auf den ursprünglichen Vertrag von 212 berufen!

In Rom beschloß der Senat ein fünftägiges Dankfest (supplicatio). Senat und Volk stimmten dem Frieden mit Philipp V. zu, eine Zehnerkommission begab sich nach Griechenland, um die Ausführung des Senatsbeschlusses zu überwachen. Nach dem Willen der Römer sollten die Griechen in Kleinasien und Europa frei und autonom sein, die von Philipp besetzt gehaltenen Städte den Römern übergeben werden, und zwar noch vor dem Olympischen Fest. Mit Namen wurden Euromos, Pedasa, Bargylia und lasos aufgeführt, sie alle in Karien gelegen, dazu sollten Abydos, Thasos, Myrina und Perinth frei und ohne Besatzung sein, über den Status von Kios sollte Flamininus dem König Prusias von Bithynien schreiben, alle Kriegsgefangenen und Überläufer waren den Römern zu übergeben, ferner alle Kriegsschiffe mit Ausnahme von fünf kleineren Einheiten und einem großen Kriegsschiff. Dazu kam noch eine Kriegsentschädigung von 1000 Talenten, von der die Hälfte sofort, der Rest in zehn Jahresraten zu entrichten war.

Dem Frieden mit dem Makedonenkönig folgte ein sehr eindrucksvolles Nachspiel. Bei der Feier der Isthmien im Frühsommer 196 ließ T. Quinctius Flamininus in Gegenwart einer gewaltigen Volksmenge die berühmte Freiheitserklärung verlesen. Sie verlieh den Griechen, soweit sie bisher von den Makedonen abhängig gewesen waren, die Freiheit und Selbstregierung. Namentlich genannt wurden die Korinther, Phoker, Lokrer, Euböer, die phthiotischen Achäer, die Magneten, die Thessaler und die Perrhäber. Es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß die Freiheitserklärung in der äußeren Form, aber auch in der Sache wesentlich von dem römischen Feldherrn geprägt worden war. Die Proklamation wurde in Griechenland mit größter Begeisterung aufgenommen. Sie gewann den Römern viele neue Freunde, und auch außerhalb des griechischen Mutterlandes, vor allem in Kleinasien, tat sie ihre Wirkung. Die Griechen in aller Welt setzten ihre Hoffnungen auf die große domina Roma, im Jahre 195 errichtete man ihr in Smyrna den ersten Tempel auf kleinasiatischem Boden. Zu keinem Zeitpunkt aber besaß Rom größere Sympathien bei den Griechen als im Jahre 196. Dem Sieg über König Philipp und die Makedonen war damit ein zweiter, nicht minder wichtiger Sieg in der Diplomatie gefolgt. Für die Griechen aber waren die Römer von nun an die «gemeinsamen Wohltäter», T. Quinctius Flamininus wurde als »Retter» (soter) gefeiert, man stellte ihn den Göttern an die Seite, stiftete ihm Opfer und sang ihm Paiane, nie vorher war ein Römer in ähnlicher Weise von den Griechen gefeiert worden. Sogar Goldmünzen mit seinem Porträt und mit der Legende T. Quincti sind in Griechenland geschlagen worden. Nur ein einziger unter den Griechen machte Schwierigkeiten, Nabis, der König von Sparta. Er weigerte sich, die Stadt Argos freizugeben. Mit Ausnahme der Ätoler zogen alle Griechen zusammen mit den Römern in den peloponnesischen Völkerkrieg, auch die Pergamener und selbst die Makedonen hatten Hilfstruppen gestellt. Nabis ließ sich nicht einschüchtern, seine Söldner waren tapfere Soldaten, die Römer standen mehr als einmal am Rande einer Niederlage. Nachdem Nabis zunächst jedes Paktieren mit Flamininus abgelehnt hatte, gab er schließlich nach, er kam mit recht glimpflichen Bedingungen davon, da es im Interesse des Flamininus lag, den Krieg möglichst bald zu beenden. Nabis mußte auf Argos und die meisten lakonischen Seestädte verzichten, die sich nunmehr den Achäern anschlossen. Auf eine Rückführung der Verbannten und des rechtmäßigen Königs Agesipolis verzichtete Flamininus, ein Entschluß, der bei den Griechen lebhaften Unmut hervorrief. Mit der Befreiung von Argos und der Niederwerfung des Nabis war die Mission des Flamininus in Griechenland beendet. Im Frühjahr 194 verabschiedete er sich von den Griechen in Korinth, die Festungen Akrokorinth, Chalkis und Demetrias wurden von den römischen Besatzungen geräumt, das Heer zog ab, in Hellas blieb kein römischer Soldat zurück. Die Griechen aber hatten für ihre Freiheit einen hohen Preis zahlen müssen. Weite Strecken des Landes, insbesondere in Thessalien und in Lakonien, lagen wüste, die Römer hatten gewaltige Kontributionen herausgepreßt, im Triumph des Flamininus zeigte man ungeheure Mengen Goldes und Silbers, die von Griechenland nach Italien verbracht worden waren. Die Verluste trafen die Griechen um so härter, als der Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes längst überschritten war.

In Vorderasien hatten sich in der Zwischenzeit grundlegende Veränderungen vollzogen. Antiochos III. hatte in den Jahren von 212 bis 205/4 seine unternommen, die ihn durch das ganze Obere Asien bis zu den Grenzen Indiens geführt hatte. Nie zuvor hatte das Seleukidenreich ein so hohes Ansehen in der Welt besessen, vor allem die Griechen sahen in Antiochos einen neuen Alexander. Einer kurzen Periode der Aktivität des Königs in Kleinasien (204-203) folgte der 5. syrische Krieg. Er wurde im Herbst des Jahres 198 beendet, und zwar mit einem beachtlichen Erfolg des Seleukiden. Koilesyrien, seit hundert Jahren der Zankapfel zwischen den Ptolemäern und Seleukiden, war für das Reich des Antiochos III. gewonnen. Im Jahre 198 war der Seleukide in das pergamenische Territorium des Attalos I. eingefallen. Die Nachricht stammt zwar aus annalistischer Quelle, sie braucht aber keine Fälschung zu sein. Auch in den beiden darauf folgenden Jahren (197 und 196) war Antiochos III. in Kleinasien tätig. Es gelang ihm, weite Teile der anatolischen Küste von Kilikien bis zum Hellespont wieder seiner Herrschaft Untertan zu machen. Im Anschluß daran setzte er nach Thrakien über, zum ersten Male seit mehreren Jahrzehnten brachte er hier die Herrschaft der Seleukiden wieder zur Geltung. Auf der thrakischen Chersonesos ließ er die Stadt Lysimacheia, die alte verfallene Gründung des Lysimachos, wieder aufbauen, sie war als Residenz für seinen Sohn und Nachfolger bestimmt. Im Jahre 195 kehrte Antiochos III. noch einmal auf die Chersonesos zurück und begann damit, sich die griechischen Städte am Pontos Untertan zu machen. Die Römer hatten seine Fortschritte argwöhnisch beobachtet und sich durch Gesandtschaften auf dem laufenden gehalten. Im Jahre 195 fand eine Konferenz zwischen dem König und einer römischen Mission statt, an deren Spitze L. Cornelius Scipio stand. Da sich jedoch der stolze Seleukide auf das Siegerrecht berief und sich jede Einmischung der Römer verbat, verliefen die Verhandlungen völlig ergebnislos. In dem gleichen Jahre hatte Antiochos in Ephesos den flüchtigen Hannibal empfangen, der ihn zum Kriege gegen Rom zu überreden versuchte. In der Tat hatte sich das Verhältnis des Königs zu den Römern stark abgekühlt. Flamininus hatte schon im Jahre 196 das Ansinnen an Antiochos gestellt, nicht allein die neuen Eroberungen, sondern auch die autonomen Griechenstädte Kleinasiens freizugeben. Dies wäre freilich einer förmlichen Auflösung des Seleukidenreiches in seinen westlichen Teilen gleichgekommen. Doch wollten weder Rom noch der Seleukide den Krieg, die Römer aber glaubten, zu ihren Versprechungen, die sie den Griechen gegeben hatten, stehen zu müssen, der König Antiochos aber konnte es nicht zulassen, daß Rom subversive Kräfte in Kleinasien begünstigte. Die Entstehung des Syrischen Krieges (bellum Antiochicum) ist ein Beispiel für die Unvereinbarkeit der Interessen zweier Großmächte, die beide letzten Endes um die Anerkennung ihres Standpunktes in der griechischen Welt mit den Mitteln der politischen Propaganda gerungen haben. Sie tauschten Gesandtschaften aus, übermittelten diplomatische Noten und versuchten vor allem, den Gegner vor der Welt ins Unrecht zu setzen. Da sie den Rivalen nicht einzuschüchtern vermochten, rüsteten sie schließlich zum Kriege, Roms Verhalten ist zweifellos folgerichtig, wenn auch der Seleukidenkönig hierin nur eine höchst unangebrachte Einmischung in die Angelegenheiten seines Reiches sehen konnte, das er mit so großem Erfolg zu neuer Blüte und zu neuem Ansehen geführt hatte. Seit dem Jahre 193 stand Antiochos III. in Verbindung mit den Ätolern, die, durch die politische Entwicklung in Hellas enttäuscht, den König zum Kriege gegen Rom zu bewegen versuchten. Im Winter 192 setzte der Seleukide nach Griechenland über, er hatte das Schlagwort der Römer von der Befreiung der Griechen übernommen und hoffte, in den Hellenen willfährige

Bundesgenossen für seinen Krieg zu finden. Hierin sah er sich jedoch getäuscht; außer den Ätolern, die ihn zu ihrem bevollmächtigten Strategen (strategos autokrator) ernannten, traten nur die Euböer, Böoter und Eleer auf seine Seite. Noch schlimmer aber war es, daß Philipp V. sich dem Seleukiden versagte; der Antigonide hatte es ihm nicht vergessen, daß Antiochos III. ihn seinerzeit im Kriege gegen die Römer im Stich gelassen hatte. Dazu kam, daß beide Herrscher Interessen in Thrakien hatten, das Antiochos für sich beanspruchte. Die Römer dagegen haben sich die Hilfe Philipps V. etwas kosten lassen, sie verzichteten auf den Rest der makedonischen Kriegsentschädigung, gaben dem König die Geiseln zurück und versprachen ihm territoriale Vorteile.

Über den Kriegsplan des Antiochos war man sich in Rom nicht im klaren. Man schickte daher noch im Winter des Jahres 192 den Prätor M. Baebius mit einem kleinen Kontingent nach Apollonia, um die Maßnahmen des Antiochos in Griechenland zu beobachten. M. Baebius aber hat seine Aufgabe vortrefflich gelöst, er vereinigte sich mit Philipp V. in Thessalien und zeigte den Griechen, daß Rom sie nicht aufgegeben hatte. Antiochos III. dagegen, der sich, für alle Welt überraschend, im Winter 192 in Chalkis mit einer Bürgerstochter verheiratet hatte, unternahm zunächst (im Frühjahr 191) einen wenig erfolgreichen Feldzug nach Akarnanien. Inzwischen aber war ein größeres römisches Heer unter dem Consul M'. Acilius Glabrio in Apollonia gelandet, dieser wandte sich unverzüglich nach Thessalien und brachte die Landschaft ohne große Mühe zum Anschluß. Antiochos sah sich mit seinem kleinen Heere von 10000 Mann zu Fuß und 500 Reitern einer doppelt so großen Heeresmacht gegenüber. Und doch hatten die Römer nur ein einziges konsularisches Heer (etwa 20000 Mann zu Fuß, 2000 Reiter, dazu 15 Elefanten) eingesetzt. Die Entscheidung fiel an den Thermopylen. Hier hatte der Seleukide zusammen mit den Ätolern eine feste Stellung bezogen, er wurde jedoch von den

Römern vollständig geschlagen. Der Kriegstribun M. Porcius Cato hatte nämlich die Stellung des Gegners umgangen und die Ätoler von der Höhe des Kallidromos hinabgetrieben. Im Heere des Seleukiden entstand eine Panik, in ungeordneter Flucht eilten die geringen Reste des Heeres (angeblich nur 500 Mann) nach Elateia und von hier über den Euripos nach Chalkis (Mai 191). Griechenland war damit für Antiochos verloren, der Herrscher begab sich zu Schiff nach Ephesos. Die Ätoler, allein gelassen, wären zu einem vernünftigen Frieden bereit gewesen, hätte nicht der römische Oberfeldherr M'. Acilius Glabrio ihre völlige Unterwerfung verlangt. Dies aber lehnten die Ätoler ab, die Römer begannen mit der Belagerung von Naupaktos. Die Ätoler hatten jedoch das Glück, in T. Quinctius Flamininus einen Vermittler zu finden, auf dessen Anregung ein für beide Parteien erwünschter Waffenstillstand zustande kam. Der Krieg in Griechenland war damit zunächst beendet. Die Römer trafen nun Anstalten, Kleinasien anzugreifen. Die römische Flotte unter dem Befehl des C. Livius vereinigte sich mit den Schiffen des Attaliden Eumenes II., beide trugen bei Korykos an der kleinasiatischen Küste einen Sieg über den seleukidischen Admiral Polyxenidas davon. Die Römer überwinterten mit ihrer Flottenmannschaft zum ersten Mal auf pergamenischem Boden, Antiochos aber sah sich in Kleinasien selbst bedroht. Die Entscheidung konnte jedoch nur durch ein großes römisches Landheer herbeigeführt werden. Unter dem Befehl des Consuls L. Cornelius Scipio, des Bruders des Africanus, machte es sich auf den weiten, beschwerlichen Weg von Apollonia in Illyrien nach dem Hellespont. Im Consilium des Oberfeldherrn, der mehr durch seinen Namen als durch seine Fähigkeiten zu diesem verantwortungsvollen Posten aufgestiegen war, befand sich sein berühmter Bruder P. Cornelius Scipio Africanus, ohne übrigens irgendwie besonders bevollmächtigt zu sein. Es war indes jedermann klar, daß Publius die eigentliche Führung in den Händen hatte. Die Expedition der Scipionen war nicht ganz ungefährlich. Hatten doch in Griechenland die Ätoler, enttäuscht durch die harten Bedingungen der Römer, den Krieg wieder aufgenommen, sie ließen sich jedoch von M'. Acilius Glabrio zu einer erneuten Waffenruhe überreden. Der eigentliche Verlierer aber war nun Antiochos III., der sich der zusammengefaßten Kraft der Römer gegenübersah. Verschlechtert wurde seine Lage noch dadurch, daß eine syrische Flotte unter dem Befehl des Hannibal in der Nähe von Side eine Niederlage erlitt. Als die Römer schließlich auch noch bei Myonnesos, vor allem dank der Tapferkeit ihrer rhodischen Bundesgenossen unter Eudamidas, einen weiteren Sieg zur See davontrugen (September 190), da befanden sie sich in uneingeschränktem Besitz der Seeherrschaft auf der Ägäis, dem Vormarsch des römischen Landheeres stand kein Hindernis mehr im Wege. Die Festung Lysimacheia ergab sich ohne Schwertstreich, sie war von Antiochos vorsorglich geräumt worden. Der Übergang über die Meerenge des Hellesponts vollzog sich ohne jede Schwierigkeit. Alsbald zeigte sich eine syrische Gesandtschaft: Antiochos sei gewillt, den Römern große Zugeständnisse zu machen, falls sie ihm den Frieden gewährten. Der König war nicht nur bereit, auf seine Besitzungen in Europa, sondern auch auf eine Reihe von Städten in Kleinasien, darunter Smyrna und Lampsakos, zu verzichten. L. Cornelius Scipio aber forderte schon jetzt die Räumung von ganz Kleinasien bis zum Taurus! Da Antiochos hierzu nicht zu bewegen war, mußten die Waffen entscheiden. Das Heer der Scipionen, insgesamt etwa 30000 Mann stark, traf auf eine mehr als doppelt so große Übermacht. Der Seleukide hatte Zeit gehabt, die Kontingente seines Riesenreiches zu mobilisieren, alles in allem etwa 70000 Mann, jedoch von sehr unterschiedlichem Kampfwert und ganz verschiedener Bewaffnung. Mit den römischen Legionen und Auxilien hielten sie nicht im entferntesten einen Vergleich aus. Auf dem Kyrosfeld, nicht weit von Magnesia am Berge Sipylos, stellte sich Antiochos III. zur Schlacht (Ende Dezember 190 oder Anfang Januar 189). Die Entscheidung fiel durch eine Reiterattacke des Eumenes II., die ganz im Stil der Alexanderschlachten geführt wurde. Sie zertrümmerte nicht nur den linken Flügel des syrischen Heeres, sondern auch die im Zentrum stehende Phalanx der Makedonen, den Kern der seleukidischen Kampftruppen, die zu gleicher Zeit durch einen Frontalangriff der römischen Legionäre in größte Unordnung gestürzt worden waren. Das Lager des Königs wurde eine Beute der Römer, der Herrscher selbst floh über Sardes nach Apameia in Phrygien, er besaß kein Heer mehr, seine Länder in Kleinasien standen den Römern offen, Antiochos aber ließ um Frieden nachsuchen. Für die Römer war dies ein besonderer Glücksfall, denn nichts hätte den Römern weniger erwünscht sein können, als daß der Seleukide den Widerstand in den östlichen Satrapien seines Reiches fortgesetzt hätte.

Im Jahre 189 flammte der Krieg in Griechenland wieder auf. Schon ein Jahr vorher hatten die alten Gegensätze zwischen den Ätolern und dem Makedonenkönig Philipp V. die kriegerischen Auseinandersetzungen wieder aufleben lassen. Dieses Mal machte Rom ernst. Unter dem Consul M. Fulvius Nobilior wurde in Ätolien eine starke Armee eingesetzt, der Consul begann mit der Belagerung Ambrakias, doch ließen die Römer nach der Übergabe der alten Hauptstadt des Pyrrhos große Milde walten, die Ätoler erhielten ein foedus iniquum zugebilligt, das sie zur Waffenhilfe gegenüber den Römern verpflichtete. Die Landverluste der Ätoler waren allerdings beträchtlich, so gingen die ätolischen Besitzungen in Thessalien, Phokis und Malis verloren, aber sie behielten dennoch eine Reihe von griechischen Gebieten, darunter das Land der Änianen und der Ötäer, auch das westliche und östliche Lokris, Aperantien und Amphilochien, da die Römer sie auf Kosten des Makedonenkönigs begünstigten. Mit einer Flottenexpedition nach Kephallenia und einer erfolgreichen Belagerung der Stadt Same durch Fulvius Nobilior fand der griechische Krieg im

Frühjahr 188 sein Ende.

In Kleinasien hatte inzwischen der Consul Cn. Manlius Volso als Nachfolger des L. Scipio das Kommando übernommen (189). Manlius Volso trug zum ersten Male die Waffen der Römer in das Innere Anatoliens. Das Ziel seines Feldzugs war das Land der streitbaren Galater. Diese aber waren der römischen Kriegskunst in keiner Weise gewachsen, sie wurden in zwei Treffen, beim Berge Olymp (Ala Dagh) und bei Magabe (Karg Dagh?) geschlagen, allein von dem Stamm der Tektosagen sollen 40000 Menschen in römische Gefangenschaft geraten sein. Durch die Züchtigung der Kelten verdiente sich Manlius Volso den besonderen Dank der griechischen Städte Kleinasiens, die immer noch in der Furcht vor den Galatern gestanden hatten. Da es den Römern ganz fern gelegen hat, kleinasiatische Gebiete zu annektieren, fällt es schwer, die Expedition des Manlius Volso anders als einen Raubzug großen Stils zu bezeichnen. Er hat den Römern eine gewaltige Beute eingebracht.

Da sich Antiochos III. bereit erklärt hatte, die römischen Friedensbedingungen anzunehmen, war der Abschluß eines regelrechten Vertrages nur noch eine Formsache. Das Friedensinstrument wurde in Apameia (Phrygien) von der römischen Zehnerkommission unter dem Vorsitz des Manlius Volso aufgesetzt (Frühjahr 188). Der Seleukidenkönig mußte nicht nur auf alle seine Besitzungen diesseits des Taurus verzichten, er verpflichtete sich auch, eine enorme Kriegsentschädigung zu entrichten (15000 euböische Talente). Die Römer begünstigten vor allem ihren treuen Trabanten Eumenes II. von Pergamon. Er erhielt den Löwenanteil der ehemals seleukidischen Gebiete im mittleren und südlichen Anatolien, dazu als Brückenkopf die thrakische Chersonesos. Ebenso wertvoll war die Erwerbung von Telmessos in Lykien, womit Eumenes einen wichtigen Hafen in Südanatolien sein eigen nannte. Telmessos war ganz von rhodischem Gebiet umgeben, denn Lykien und Karien bis zum Mäander gingen in den Besitz der Rhodier über als Lohn für ihre Bundesgenossenschaft. Besondere Schwierigkeiten machte die Neuordnung der rechtlichen Stellung der kleinasiatischen Griechenstädte. Während eine besonders bevorzugte Gruppe unter ihnen zu civitates liberae et immunes erklärt wurde, d. h. die volle völkerrechtliche Freiheit erlangte, wurden andere an Eumenes gegeben, und zwar vor allem jene, die bisher Antiochos III. untertänig gewesen waren. Einige Griechenstädte erhielten durch die Gnade der Römer besondere Vergünstigungen wie Ilion, Smyrna und Milet. Im ganzen aber verfuhren die Römer keineswegs nach Willkür, sondern nach dem Verhalten der Gemeinden in dem vorangegangenen Konflikt mit König Antiochos. Im Herbst des Jahres 188 räumte das römische Heer Kleinasien, in Europa wurde es in heftige Kämpfe mit den unzivilisierten Völkern Thrakiens verwickelt, im Frühjahr 187 standen die Legionäre wieder auf italischem Boden.

Es ist nicht zu leugnen, daß sich die römische Politik - ähnlich wie ein Jahrzehnt früher in Griechenland - eine gewisse Zurückhaltung auferlegt hatte. In Griechenland wie in Kleinasien hatte man die Gegner zwar niedergeworfen, sie aber keineswegs völlig vernichtet. Dazu hatten sich die Römer bemüht, die Sympathien der griechischen Städte zu erwerben, soweit dies in Kleinasien die Rücksicht auf die Bundesgenossen Eumenes II. und Rhodos zuließ. Im ganzen eine maßvolle und kluge Politik, die Rom, gestützt auf seine überragende Stellung in der Mittelmeerwelt, im Osten an den Tag gelegt hatte. Rom war hier als Beschützer der griechischen Freiheit aufgetreten, seine Freunde, Eumenes II. und Rhodos, waren für ihre Treue reich belohnt worden. Außerdem hatte Rom seine Siege in Hellas und Kleinasien mit einem Minimum an Kräften erreicht; der Aufwand an Menschen und Mitteln stand in keinem Verhältnis zu den enormen Anstrengungen im 2. Punischen

Kriege. Jeweils ein einziges konsularisches Heer hatte genügt, um Philipp V. und Antiochos III. niederzuwerfen. Es war kein Wunder, wenn in Rom ein unerschütterliches Selbstbewußtsein im Entstehen war, dem die hellenistische Welt nichts Vergleichbares gegenüberzustellen hatte. Rom hatte das politische Gleichgewicht unter Aufbietung sehr sparsamer Mittel in folgenschwerer Weise verändert. Und dennoch ist die Politik des römischen Senats nicht in allem glücklich gewesen. Zuerst hatte man auf Drängen der Bundesgenossen, vielleicht auch aus dem Gefühl heraus, sich gegen eine aufsteigende Gefahr im Osten wenden zu müssen, zu den Waffen gegriffen, dann aber, nach dem Siege, hatten die Römer die Länder wieder geräumt, die sie eben erobert hatten. Dies aber war ein ganz verhängnisvoller Fehler, den die Römer teuer bezahlen mußten.

Während sich die Römer im Osten über Gebühr zurückhielten, vermochten sie in Spanien nach dem 2. Punischen Kriege größere Fortschritte zu erzielen. Überhaupt erscheint die Westpolitik Roms viel glücklicher und folgerichtiger. Im Anschluß an die Eroberung des Landes waren hier zwei Provinzen geschaffen worden (197), Hispania Citerior und Hispania Ulterior, die Grenze zwischen ihnen bildete der Saltus Castulonensis (Sierra Morena). In der Kolonie Italica (Santiponce) am Baetis erhielt die südliche Provinz ein neues Zentrum. Die Bewohner des Landes waren zu Abgaben an Rom verpflichtet. Im übrigen war Spanien durch seinen Reichtum an Bodenschätzen, vor allem an wertvollen Metallen, aber auch durch seine Getreidefelder und Weingärten, berühmt. Manche Städte wie Sagunt, Emporium und Ilerda prägten eigene Münzen mit iberischen Legenden, in der Form des Münzbildes ahmten sie die Prägungen des Königs Hieron II. von Syrakus nach. Die römische Administration hatte nicht überall eine glückliche Hand, sie mißachtete die Privilegien wie im Falle von Gades, das einem römischen Gouverneur unterstellt wurde. Die freiheitsliebenden Spanier waren nicht gewillt, dies hinzunehmen. Als sich im Jahre 197 ein Aufstand in Turdetanien erhob, da griff dieser auch auf Hispania Citerior über. In der Person des Consuls M. Porcius Cato hatte der römische Senat jedoch den rechten Mann gefunden. Er kam im Jahre 195 nach Spanien und schuf in kurzer Zeit im ganzen Lande wieder Ordnung. Doch lebten die Kämpfe bald wieder auf. Im Jahre 190 stand L. Aemilius Paullus, der spätere Sieger in der Schlacht bei Pydna (s. S. 105), in Spanien, und seit dem Jahre 181 befanden sich auf dem Hochland zwischen dem Ebro und Sucro die Völker der Lusoner, Beller und Tittier im Aufstand. Die Lusoner aber schlossen nach dem Verlust ihrer Hauptstadt einen Vertrag mit Ti. Sempronius Gracchus, dem Vater der Gracchen (179). Das noble und großzügige Vorgehen dieses Mannes bescherte Spanien eine 25jährige Ruhezeit, die erst im Jahre 154 durch den Aufstand der Keltiberer beendet worden ist.

Die Römer haben in Spanien in der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. trotz einzelner Fehlgriffe eine wertvolle Aufbauarbeit geleistet, und es waren nicht die schlechtesten römischen Feldherren, die sich hier in Krieg und Frieden bewährt haben. Anders als in Griechenland verbreiteten sich hier in steigendem Umfang römisches Wesen und römische Gesittung.

In Oberitalien (Gallia Cisalpina) hatten sich zahlreiche keltische Stämme Hannibal angeschlossen, sie mußten nach dem Ende des 2. Punischen Krieges von den Römern wieder unterworfen werden. Seit dem Jahre 197 sind Kämpfe mit den Insubrern, später auch mit den Boiern überliefert. Die Hauptarbeit leisteten die Römer seit dem Jahre 189 v. Chr. (s. S. 108).

Die römische Außenpolitik hatte seit dem Beginn des 2. Makedonischen Krieges im Jahre 200 v. Chr. Großes erreicht. Während man sich in Spanien für die direkte Form der Herrschaft entschieden hatte, wählte man in Afrika und Kleinasien das System der indirekten Beherrschung, wobei den römischen Freunden und Bundesgenossen, insbesondere dem Numiderkönig Massinissa und Eumenes II., dem König von Pergamon, besondere Bedeutung zukam. Der Senat konnte auf die Treue der beiden Herrscher bauen, trotzdem sah er ängstlich darauf, daß sie nicht zu mächtig wurden. Seit dem Sieg über den Seleukiden Antiochos III. hatte Rom in der gesamten Oikumene keinen ebenbürtigen Gegner mehr, es war kein Wunder, wenn sich die römischen Nobiles den hellenistischen Herrschern weit überlegen dünkten und dies auch wiederholt zum Ausdruck brachten. Im großen und ganzen hat der Senat bei der Auswahl der Feldherrn eine glückliche Hand bewiesen; dies läßt sich nur dadurch erklären, daß eine zahlenmäßig große Oberschicht vorhanden war, die durch den Aufstieg neuer Kräfte immer von neuem ergänzt wurde. Die Begründung der römischen Weltherrschaft ist ein Vorgang, der mit der Bildung einer Elite in Rom aufs engste verknüpft ist. Aber es gab auch Widerstände. Die Prozesse, die gegen P. Cornelius Scipio und seinen Bruder Lucius im Jahre 187 angestrengt worden sind, sind ein Symptom dafür, daß es in Rom Kreise gab, die sich mit der absoluten Führerstellung des Africanus nicht abfinden wollten. Der berühmte Feldherr, dem Rom wie keinem andern seinen Aufstieg verdankte, ist im Jahre 183 einsam und verbittert (sine desiderio urbis) auf seinem Landgut Liternum in Campanien gestorben.

In das Jahr 180 fällt die von dem Volkstribunen L. Villius beantragte Lex Villia annalis. Sie regelte von nun an die Ämterfolge der höheren Magistrate, indem sie, wie es scheint, für die Bekleidung der curulischen Ädilität 36 Jahre, für die Prätur 39 Jahre und für das Consulat 42 Jahre als Mindestalter festsetzte und dazwischen jeweils ein amtsfreies Intervall von zwei Jahren vorschrieb. Das Gesetz war ein Schlag gegen die Alleinherrschaft der Nobilität, es schloß die jungen Bewerber von vornherein aus, womit den Patriziern der Zugang zu den Magistraten erschwert wurde.

Vor den großen Aufgaben der Außenpolitik hatte die Lösung der inneren Probleme zurückstehen müssen, insbesondere die Agrarfrage, aber auch das Verhältnis Roms zu seinen italischen Bundesgenossen bedurfte einer grundlegenden Revision. Rom hatte ihre Wehrkraft ohne weiteres in Anspruch genommen, ihnen aber entsprechende Rechte vorenthalten. Auch die Art der Beherrschung der Untertanen hatte sich nicht geändert: immer noch arbeitete man mit der Aussendung von Kolonien, deren Bevölkerung durch römische Bürger oder Latiner gestellt wurde. Sie wurden an strategisch wichtigen Punkten angelegt und sicherten das System der römischen Herrschaft, vor allem in Oberitalien. Für wirtschaftliche Probleme interessierte sich der römische Senat wenig, die Geldgeschäfte blieben den Rittern überlassen. Römische und italische Kaufleute ließen sich im Osten und im Westen nieder, sie waren in Spanien und Afrika ebenso zu finden wie im griechischen Raum, wo sie mit den Kaufleuten der großen östlichen Handelsmetropolen Rhodos, Tyros und Alexandrien in Wettbewerb traten. Der Ausbreitung der römischen Herrschaft, auch der indirekten, folgte die Expansion des römischitalischen Handels, so hatte er längst die Alpen überstiegen und Kontakte mit Gallien und den Donau Ländern aufgenommen. An Umfang hatte der italische Handel den karthagischen erreicht und sogar übertroffen, im Osten stellte er eine ernsthafte Konkurrenz für den hellenistischen Handel dar, vor allem seitdem sich das Ptolemäerreich im Niedergang befand (seit etwa 200 v. Chr.) und seitdem die Seleukiden aus Kleinasien verdrängt worden waren (188). In der Insel Kephallenia und in dem Hafen Apollonia in Illyrien besaß Rom zwei wichtige Stützpunkte, die für den Handel mit Griechenland und den nördlich angrenzenden Gebieten der Balkanhalbinsel außerordentlich günstig gelegen waren. Wie weit der Einfluß Roms reichte, zeigen die Beziehungen, die sich zwischen Rom und der Stadt Herakleia am fernen Pontos angesponnen hatten. Auch finanziell ging es in Rom aufwärts.

Die Kriegskosten wurden im wesentlichen durch die Kriegsentschädigungen und durch die Beute gedeckt; was übrig blieb, floß in den römischen Staatsschatz, der außerdem durch das tributum der Provinzen vermehrt wurde.

Eine wesentliche Veränderung und Bereicherung erfuhr das römische Leben durch die Kontakte mit Griechenland und seiner Kultur. Der Dichter Ennius aus Rudiae in Calabrien (239-169), der von sich behauptete, drei Herzen, ein römisches, ein griechisches und ein messapisches zu besitzen, hat in seiner Dichtung auch so manche hellenistischen Themen behandelt. Die Siege seines Gönners M. Fulvius Nobilior, den er auf seinem griechischen Feldzug begleitete, hat er in der fabula praetexta «Ambracia» gefeiert. Die Komödien des Plautus (gest. 184) sind nach griechischen Vorlagen gearbeitet, daneben steht ganz unvermittelt das Römische, das sich in der Umwelt und in den Charakteren widerspiegelt. Auch die Handlung erscheint vielfach verändert und dadurch dem römischen Geschmack besser angepaßt. Der große Erfolg seiner Dichtungen ist jedoch nur durch das Interesse seiner römischen Zeitgenossen für die Griechen und das griechische Wesen zu erklären, das die nüchternen Römer geradezu faszinierte. Die Behandlung rein menschlicher Probleme, wie sie für die Dichter der griechischen Neuen Komödie, vor allem für ihren größten, Menander, charakteristisch ist, kontrastierte seltsam mit der römischen Geisteshaltung, in welcher die Idee der res publica alles andere in den Schatten stellte. Dazu ist Plautus ein Meister der Sprache. Es ist das Latein seiner Zeit, das die Personen seiner Komödien sprechen, eine ungeschminkte und oft sehr derbe Sprache, jedoch nicht ohne eine gewisse Würde und Urbanität. Plautus hat ein neues Blatt des römischen Wesens aufgeschlagen, er zeichnet das Bild des römischen Menschen seiner Tage, wenn auch in griechischem Gewände. Wie die Redenfragmente des Älteren Cato, so sind die plautinischen Komödien die wertvollsten Quellen für das römische Menschentum in einer

Zeit, in der Rom seine Herrschaft über viele Völker und Staaten errichtet hat.


11. Rom und der hellenistische Osten (188-168 v. Chr.)

Die auf den Frieden von Apameia (188) folgenden Jahre sind in Rom eine wirkliche Zeitenwende. Die Generation, die den Hannibalischen Krieg in führenden Stellungen erlebt hatte, geht zur Rüste. Allein M. Porcius Cato (Consul 195) erlangte im Jahre 184 die Censur. Er war ein eifersüchtiger Hüter der altrömischen Traditionen, dabei hat er es zeitlebens verstanden, seine eigenen unbezweifelbaren Verdienste in das rechte Licht zu rücken. Im Jahre 183 starben nicht nur Hannibal und der achäische Stratege Philopoimen, sondern auch P. Cornelius Scipio (s. o. S. 98). Hannibal hatte seit 195 im Dienste des Antiochos III. gestanden, mit seinem Kriegsplan aber hatte er bei dem Seleukiden kein Gehör gefunden. Da die Römer seine Auslieferung verlangten, mußte er wieder fliehen. Er veröffentlichte eine Flugschrift über die Untaten des Cn. Manlius Volso, die er den Rhodiern widmete. Irgendwelchen Widerhall hat sie, wie es scheint, nicht gefunden. Rhodos war viel zu eng mit Rom verbündet, als daß die Schrift eines geschworenen Romfeindes hier Eindruck hätte machen können. Wahrscheinlich über Armenien und über Kreta kam Hannibal nach Bithynien zu dem König Prusias I. Dieser lag wegen der Landschaft Phrygia Epiktetos im Kriege mit seinem Nachbarn Eumenes II. von Pergamon. Der Krieg brach bereits im Jahre 188 (?) aus; erst 184/83 wurde er durch einen Frieden beendet, der auf römische Vermittlung zustande kam. Die römische Gesandtschaft mit T. Quinctius Flamininus an der Spitze verlangte von Prusias die Auslieferung Hannibals. In die Enge getrieben, nahm sich der Punier selbst das Leben. Wenn uns auch an seinem Wesen so manches rätselhaft bleibt, so besteht doch kein Zweifel, daß Hannibal als Feldherr zu den größten zu zählen ist, die das Altertum gekannt hat. Wenn er als Politiker seine Ziele nicht erreicht hat, so liegt dies einmal an der geringen Unterstützung, die ihm von seinen Landsleuten zuteil wurde, zum andern aber auch an der gewaltigen Übermacht Roms, der gegenüber der Kampf eines einzelnen, wenn auch noch so genialen Gegners von vornherein aussichtslos war. In Anatolien gab es auch sonst noch Schwierigkeiten. So lag Eumenes II. wegen Galatien im Streit mit dem König Pharnakes von Pontos, wobei der Attalide in dem Herrscher von Kappadokien, Ariarathes, einen Verbündeten fand. Der Krieg dauerte bis 179 v. Chr. Die Balkanisierung Kleinasiens, von den Römern durch den Frieden von Apameia entscheidend gefördert, erwies sich als ein großer Nachteil für den Frieden und den Wohlstand der verschiedenen Völker und Staaten Anatoliens. Rom hatte aus Kleinasien die seleukidische Großmacht verdrängt, an ihre Stelle war ein Konglomerat von Mittel- und Kleinstaaten getreten, die alle mehr oder weniger Befehlsempfänger der Römer waren. Die Servilität der hellenistischen Fürsten kannte vielfach keine Grenzen, sie alle buhlten geradezu um die Gunst der Römer und versuchten, sich gegenseitig bei diesen anzuschwärzen.

Nicht viel besser stand es mit dem ptolemäischen Ägypten. Das Reich sah sich durch den Ausbruch eines Eingeborenenaufstandes in der Thebais für ein volles Vierteljahrhundert (210-186) in eine schwere innere Krise gestürzt, die schwachen Herrscher waren nicht imstande, hiergegen ein wirksames Gegenmittel zu finden. Seit dem Tode des Ptolemaios IV. Philopator im Jahre 204 war es zunächst überhaupt mit einer geordneten Reichsverwaltung zu Ende, der Nachfolger, Ptolemaios V. Epiphanes (204-180), war bei der Thronbesteigung ein kleines Kind, die überragende Figur aber war die Königin Kleopatra I., die Tochter Antiochos' III., seit dem Jahre 194/93 v. Chr. die Gemahlin des 5. Ptolemäers, im Volk als die «Syrerin» bezeichnet. Von der früheren Großmachtstellung des Ptolemäerreiches war nicht viel übriggeblieben, insbesondere sahen sich die Ptolemäer aus der Ägäis vollständig verdrängt. Doch hat der 5. Ptolemäer wenigstens den Versuch gemacht, die von den Vätern ererbten freundschaftlichen Beziehungen zu den Griechen des Mutterlandes wieder aufleben zu lassen. Dies gilt insbesondere für seine Beziehungen zu dem Achäischen Bund. Noch schlimmer wurde es unter der Regierung des zunächst gleichfalls unmündigen Ptolemaios VI. Philometor (180-145). Als seine Mutter Kleopatra I. im Jahre 176 gestorben war, geriet die Regierung in die Hände eines nichtsnutzigen ehemaligen syrischen Sklaven Lenaios und seines würdigen Spießgesellen, des Eunuchen Eulaios. Die Vormundschaftsregierung beschwor sehr zur Unzeit einen Konflikt mit dem Seleukiden Antiochos IV. Epiphanes wegen Koilesyrien herauf (170?-168), einen Krieg, der wenigstens teilweise mit dem 3. Makedonischen Kriege zeitlich zusammenfällt.

Gegenüber Makedonien war die römische Politik in hohem Maße von der Zweckmäßigkeit bestimmt. Die Römer hatten in Philipp V. einen wertvollen Bundesgenossen gegen Antiochos III. besessen, sie hatten sich dafür erkenntlich gezeigt und dem Makedonenkönig beträchtliche Zugeständnisse, auch territorialer Art, gemacht. Natürlich waren diese Rückerstattungen, die vor allem auf Kosten der Ätoler gingen, kein Ersatz für die Verluste, die Makedonien nach Kynoskephalai hatte hinnehmen müssen. Die Römer wollten kein starkes Makedonien, so blieb z. B. die Peloponnesos hinfort jedem makedonischen Einfluß entzogen. Anstatt dessen aber hatte der Makedonenkönig nicht nur in Eumenes II., mit dem er wegen der Städte Ainos und Maroneia in Thrakien in Streit geraten war, sondern auch in Thessalien erbitterte Feinde, die um die Hilfe der Römer nachsuchten (186/85). Der Senat entsandte eine Dreimänner-Kommission, der auch Ti. Sempronius Gracchus angehörte, nach Griechenland, sie sollte an Ort und Stelle die Klagen gegen Philipp entgegennehmen und von ihm Rechenschaft verlangen. Diese Gesandtschaft ist es gewesen, der Philipp in Tempe in Thessalien, anknüpfend an einen Vers des Theokrit (I 102), die Worte zugerufen haben soll, daß noch nicht aller Tage Abend sei. Was sollten die Römer tun? Sie konnten nicht zu gleicher Zeit den Griechen und dem Makedonenkönig zu Willen sein, die Interessen der beiden Parteien waren unvereinbar, und die makedonische Herrschaft über griechische Untertanen, wie immer, durchaus unbeliebt. So nahmen die Römer die Partei der Griechen, indem sie sich der griechischen Freiheit erinnerten, die Flamininus an den Isthmien des Jahres 196 verkündet hatte. Als Philipp im Jahre 184 zum Feldzug nach Thrakien rüstete, ging in Rom das Gerücht, der König plane einen Einfall in Italien auf dem Landwege, eine Version, die übrigens sogar Polybios geglaubt hat. Doch trotz seiner Verbindungen zu den wehrhaften Balkanvölkern, vor allem zu den Odrysen, aber auch zu den germanischen Bastarnen, trotz der fortschreitenden Konsolidierung seines Reiches war Philipp alles andere als ein ebenbürtiger Gegner Roms. Im königlichen Hause herrschten Zwistigkeiten, außerdem hatte sich der jüngere Sohn Demetrios von den Römern, und zwar von T. Quinctius Flamininus, als Werkzeug gegen seinen eigenen Vater benutzen lassen, worauf ihn dieser kurzerhand aus dem Wege räumen ließ (180 v. Chr.). Ein Jahr später, im Sommer 179, starb Philipp V., 58 Jahre alt. Sein Nachfolger war der älteste Sohn Perseus. Er erneuerte die Freundschaft mit Rom, der Senat erkannte ihn als legitimen Herrscher in Makedonien an. Perseus stammte von einer griechischen Mutter (Polykrateia aus Argos). Es nimmt daher nicht wunder, wenn er bei den Hellenen von Anfang an über große Sympathien verfügte. Insbesondere in der delphischen Amphiktyonie spielten die makedonischen Repräsentanten eine hervorragende Rolle, der makedonische Einfluß in Griechenland nahm immer mehr zu. Außerdem knüpfte Perseus verwandtschaftliche Bande zu dem Herrscherhause Bithyniens und zur Familie der Seleukiden: Perseus' Schwester heiratete den König Prusias IL, während sich der Makedonenkönig mit Laodike, einer Tochter des Seleukos IV., vermählte. Dies alles mußte den Römern zu denken geben, und nicht weniger den römischen Vasallen im Osten, sie alle sahen sich durch den Wiederaufstieg Makedoniens bedroht. Dies gilt insbesondere für den König von Pergamon, Eumenes II.; ihm bereitete vor allem die Aufnahme makedonischrhodischer Beziehungen große Sorgen. Der Attalide reiste im Jahre 172 nach Rom, um hier seine Beschwerden dem Senat vorzutragen. Auf der Rückreise wäre er um ein Haar in Delphi das Opfer eines Attentats geworden, das im übrigen niemals aufgeklärt worden ist. Die Makedonenfeinde hielten Perseus für den Urheber. Schon in diesem Jahre zeichnete sich die kommende kriegerische Auseinandersetzung zwischen Rom und Makedonien klar am Horizont ab. Die Römer machten große Anstrengungen, die Griechen für sich zu gewinnen, römische Gesandtschaften führten die Schwankenden unter ihnen durch Drohungen und Versprechungen wieder in das römische Lager. Am Ende war das Übergewicht der Römer so groß, daß Perseus sich fast ganz isoliert sah, auch seine Verbindungen zu den anderen hellenistischen Herrscherhäusern nützten ihm nichts. Prusias II. war zu aktiver Hilfe nicht zu bewegen, und auch die Rhodier schreckten vor den letzten Konsequenzen zurück. Sie haben ihre vorübergehend makedonenfreundliche Politik nach dem Siege Roms teuer bezahlen müssen. So war das diplomatische Vorspiel des Krieges bereits für Perseus verloren, als der römische Sondergesandte Q. Marcius Philippus um eine Unterredung ersuchte (Herbst 172). Sie fand am Peneiosflusse statt und endete ergebnislos. Die Römer hatten um diese Konferenz gebeten, um Zeit zu gewinnen. Marcius Philippus erteilte dem König den Rat, eine Gesandtschaft nach Rom zu entsenden, obwohl ihm genau bekannt sein mußte, daß die Würfel längst gefallen waren. Die Mehrheit des Senats aber fand an dem Verhalten ihres Gesandten nichts auszusetzen. An dem Vorwurf des Machiavellismus, der den Römern in neuerer Zeit gemacht worden ist, ist zweifellos etwas Wahres. Der römische Senat hat seine Vorteile rücksichtslos ausgenützt, dabei ist ihm die Uneinigkeit der hellenistischen Staaten entschieden zustatten gekommen. Und was Perseus betraf, so sahen die Römer in ihm einen treulosen Verbündeten, der, den gegebenen Versprechungen zuwider, zum Kriege rüstete, um den Römern den Dolch in den Rücken zu stoßen. So entschieden sich die Comitien ohne weiteres für den Krieg, das römische Heer in Stärke von zwei Legionen war zu diesem Zeitpunkt bereits um Brindisi zusammengezogen, es waren insgesamt 28000 Mann zu Fuß. Zu ihnen stießen auf griechischem Boden noch Hilfstruppen, auch der König Massinissa von Numidien hatte ein Reiterkontingent gesandt. Das Oberkommando übernahm der Consul P. Licinius Crassus. Das makedonische Heer war dem römischen zahlenmäßig beträchtlich überlegen, es waren insgesamt 43000 Mann, davon 4000 Reiter, ein Heer mit einheitlicher Bewaffnung, größer als jenes, das Alexander einst über den Hellespont gegen den Perserkönig geführt hatte. Die Römer aber waren nichts weniger als kriegsgewohnt, ihre Führer kannten den Krieg nur noch vom Hörensagen, die Generation des Hannibalischen Krieges war nicht mehr am Leben oder nicht mehr dienstfähig.

Die Operationen des ersten Kriegsjahres (171) brachten keine Entscheidung. Perseus sah sich rings von Feinden umgeben, er mußte nicht nur gegen die von Apollonia heranrückenden Römer, sondern auch gegen ihren Trabanten Eumenes II. in Thrakien und gegen die Dardaner an der Nordgrenze kämpfen. Trotzdem versuchte Perseus den Krieg offensiv zu führen, er stieß nach Thessalien vor, um von hier aus Verbindungen mit seinen griechischen Parteigängern aufzunehmen. Die Haltung der Hellenen war nicht einheitlich, in vielen Städten spielten sich erbitterte Kämpfe zwischen den Freunden der Makedonen und den Anhängern der Römer ab. Das Erscheinen des römischen Heeres aber gab vielerorts den Ausschlag. Nicht nur die Ätoler, auch die Thessaler stellten sich den Römern zur Verfügung. Bereits nach dem ersten Zusammenstoß mit den Römern, bei Kallikinos in Thessalien, bot Perseus den Römern den Frieden an und dies, obwohl die Makedonen Sieger geblieben waren. Die Römer aber forderten schon jetzt die bedingungslose Kapitulation, worauf Perseus nicht eingehen konnte. Nur zur See waren die Römer zusammen mit ihren Bundesgenossen den Makedonen überlegen, ein römisches Geschwader legte sich vor Chalkis auf Euböa vor Anker, ihre Mannschaften wurden gegen die benachbarten böotischen Gemeinden eingesetzt. Haliartos fiel in römische Hand, die alten Leute und die Kinder wurden niedergemacht, die Waffenfähigen in die Sklaverei verkauft, nicht viel besser erging es den Einwohnern von Thisbe und Koroneia. In ähnlicher Weise hausten die römischen Parteigänger in Achaia und Epirus. Auch im Jahre 170 vermochten die Römer keine kriegsentscheidenden Vorteile zu erzielen. Zweimal versuchte der Consul A. Hostilius, den Zugang nach Makedonien zu erzwingen, beide Male mußte er wieder umkehren. Andererseits traten die epirotischen Molosser auf die Seite des Perseus über, mit dem Illyrerfürsten Genthios wurden Verhandlungen über ein Waffenbündnis eingeleitet. Die römische Flotte aber nahm mit der Hilfe eines Verräters die Stadt Abdera (170), gegen die Einwohner wurde das Kriegsrecht in seiner ganzen Härte angewandt, der Senat mißbilligte dies und versuchte den Schaden wieder gutzumachen. Erst nachdem der Consul Q. Marcius Philippus im Jahre 169 den Oberbefehl gegen Perseus übernommen hatte, kam ein frischer Wind in die römische Kriegsführung. Das Landheer stieß über das Massiv des Olymps nach Makedonien vor; an diesem Unternehmen, das in der ganzen Welt Aufsehen erregte, hat auch Polybios als Abgesandter des Achäerbundes teilgenommen. Doch verlief der Vorstoß ebenso im Sande wie die Unternehmungen der römischen Flotte gegen Kassandreia, Thessalonike und Demetrias. Perseus dagegen sicherte sich die Waffenhilfe des Genthios und trat in Unterhandlungen mit den Bastarnen jenseits der unteren Donau. Da er aber ihren Sold herunterzuhandeln versuchte, blieb ihre Hilfe aus. Livius nennt den König, nicht ganz mit Unrecht, pecuniae quam regni melior custos. Friedensvermittlungen, an denen sich der Seleukide Antiochos IV., die ptolemäische Regierung und vor allem die Rhodier beteiligten, führten wiederum nicht zum Ziel. Auch Eumenes II. soll versucht haben, durch direkte Verhandlungen mit Perseus zu einem Sonderfrieden zu gelangen. Im römischen Oberkommando trat nun ein Wechsel ein: L. Aemilius Paullus, der Sohn des bei Cannae gefallenen Consuls, rückte an die Stelle des Q. Marcius Philippus. Damit hatte der römische Senat den rechten Mann an den rechten Platz gestellt. Aemilius Paullus manövrierte die Makedonen aus ihrer festen Stellung am Elpeios (Mavrolongo) heraus, die Makedonen zogen sich nach Pydna zurück. Hier kam es am 21. Juni 168 zur Entscheidungsschlacht. In ihr zeigte sich die Überlegenheit der römischen Legionen über die makedonische Phalanx. Den Römern gelang es sehr schnell, die Schlacht in eine Reihe von Einzelgefechten aufzulösen, in denen die Makedonen, gewohnt in geschlossener Phalanx zu kämpfen, den kürzeren zogen. Wie es heißt, soll in einer einzigen Stunde alles entschieden gewesen sein. Die Verluste der Makedonen waren groß, sie beliefen sich auf 20000 Gefallene und 5000 Gefangene. Die Römer sollen dagegen nur 100 Mann verloren haben. Der König Perseus aber flüchtete über Pella und Amphipolis in den Tempel der Kabiren auf Samothrake, hier ergab er sich dem römischen Flottenführer Cn. Octavius. Auf den Herrscher wartete ein trauriges Schicksal. Nachdem er im Triumphzuge des Aemilius Paullus gezeigt worden war, internierten ihn die Römer in Alba Fucens. Seine Wächter sollen ihn durch Entziehung des Schlafes zu Tode gequält haben (wahrscheinlich im Jahre 165 v. Chr.).

Der Sturz Makedoniens ist zugleich das Ende der Monarchie der Antigoniden, die mehr als 100 Jahre, seit 276 v. Chr., über das Land geherrscht hatte. Mit der makedonischen Monarchie aber ging auch der monarchische Gedanke zugrunde. Die Römer erklärten die Makedonen für , sie teilten das Land in vier , zwischen denen jeglicher Verkehr verboten war - ein drastisches Beispiel für die Devise «Divide et impera». Außerdem verhängten sie eine Anzahl von wirtschaftlichen Sanktionen, die, wie z. B. die Stillegung der makedonischen Bergwerke, reine Willkür waren. Im übrigen aber begnügten sich die Römer mit der Hälfte des Tributs, den die Makedonen bisher an die königliche Kasse hatten entrichten müssen. Politisch und wirtschaftlich war Makedonien tot, die Römer überwachten es streng, überall kamen Römerfreunde ans Ruder.

Ähnliche Prinzipien der Befriedung wandten die Römer auch in Illyrien an. Wer sich vor der Kapitulation des Genthios (Frühjahr 168) den Römern angeschlossen hatte, erhielt die Freiheit, die anderen Stämme wurden in drei Gruppen zusammengefaßt; sie waren von nun an den Römern tributpflichtig.

Die lange Dauer des Krieges (171-168) war für das Ansehen der Römer im Osten alles andere als günstig gewesen. Außerdem behandelten die Römer die hellenistischen Fürsten mit einer Willkür, die ihresgleichen suchte. Als Eumenes II. von Pergamon im Jahre 167 in Brundisium an Land ging, untersagte ihm der Senat die Weiterreise nach Rom. Seine Verhandlungen mit Perseus hatten ihn den Römern verdächtig gemacht. Im Jahre 164 nahm ein römischer Gesandter, C. Sulpicius Galus, in Sardes, einer Stadt des pergamenischen Reiches, sogar Anklagen gegen den König entgegen! Eher noch schlimmer erging es den Rhodiern. Als ihre Gesandten in Rom erschienen, um die Glückwünsche zum Siege über Perseus darzubringen, mußten sie hören, daß der Senat beschlossen habe, Lykien und Karien die Freiheit zu geben. Der Prätor M'. Juventius Thalna beantragte in den Comitien, Rhodos den Krieg zu erklären, er scheiterte aber an dem tribunizischen Veto, und M. Porcius Cato nahm sich in einer Rede der Rhodier an. Trotzdem vergingen mehrere Jahre, bis Rhodos endlich (im Jahre 164) die Anerkennung als eine mit Rom verbündete und befreundete Stadt erreichte. Inzwischen hatten die Römer die Insel Delos zum Freihafen erklärt; dies aber war ein schwerer Schlag für den rhodischen Handel, dessen Blüte ein für allemal vernichtet war.

Nur wenige Wochen nach dem Siege bei Pydna hatte sich eine römische Gesandtschaft unter dem Consular C. Popillius Laenas nach Ägypten begeben. Hier hatte der Seleukide Antiochos IV. Epiphanes in dem Kriege, den er gegen die unfähige ägyptische Vormundschaftsregierung führte, einen entscheidenden Sieg bei Pelusium davongetragen. Nachdem Antiochos zunächst vorgegeben hatte, für seinen jungen Neffen Ptolemaios VI. Philometor die Regierung zu führen, hatte sich der Seleukide schließlich in der alten ägyptischen Hauptstadt Memphis die Doppelkrone aufs Haupt setzen lassen: das Seleukidenreich und das Ptolemäerreich waren unter einem Zepter vereinigt. Nun stand Antiochos IV. mit Heeresmacht vor den Toren Alexandriens, in Eleusis, als ihn der Römer Popillius Laenas aufforderte, die militärischen Operationen einzustellen und Ägypten unverzüglich zu räumen. Als Antiochos zögerte, da zog der Consular mit seinem Rebstock einen Kreis um den König im Sand und ersuchte ihn, sich zu entscheiden, bevor er den Kreis verlasse. Der König gab nach und versprach, den römischen Forderungen zu genügen. Rom hatte damit einen zweiten, unblutigen Sieg errungen, er fiel nicht weniger schwer in die Waagschale als der Sieg bei Pydna. Nichts anderes macht die überragende Stellung Roms deutlicher als diese Szene von Eleusis: sie zeigt Rom als die große Weltenschiedsrichterin, die nun auch dem Seleukiden ihren Willen aufzwingt. Hatte Rom überhaupt in Ägypten lebenswichtige Interessen zu verteidigen? Nein, Rom hatte sich viele Jahre nicht um Ägypten gekümmert, es griff erst ein, als sich die Gefahr einer politischen Verbindung der beiden östlichen hellenistischen Großmächte am Horizont abzeichnete. Diese Veränderung wollte der römische Senat nicht hinnehmen, Rom hatte nicht soeben den makedonischen Staat zu Boden geworfen, um dafür einer anderen hellenistischen Großmacht, dem Seleukidenreich, den Weg zum Aufstieg freizugeben. Zweifellos hat Rom, wie so oft, die Gefahr im Osten bei weitem überschätzt, es hat blitzschnell gehandelt, und einen in aller Welt bewunderten Erfolg errungen. Wo aber Macht ist, wird Macht hinzugetragen: als der König Prusias II. von Bithynien im Jahre 167 in Rom erschien, betrat er den Sitzungssaal des Senats mit dem Hut der römischen Freigelassenen, dem pilleus, auf dem Kopf und redete die Senatoren als die crettenden Götter> (theoi soteres) an! Die hellenistischen Könige erstarben geradezu in Ehrfurcht vor Rom, es war kein Wunder, wenn die römischen nobiles die hellenistischen Fürsten vielfach wie Menschen zweiter Klasse behandelten.

Der Sieg der Römer bedeutete für die Griechen den Beginn des endgültigen politischen Niedergangs. Hatten sich die Römer vor dem Siege über Perseus immer wieder darum bemüht, die Griechen von der Rechtmäßigkeit des römischen Vorgehens zu überzeugen, so ließ man jetzt alle Rücksichten fallen. Aemilius Paullus, der römische Feldherr, entschied im Verein mit einer Zehnerkommission des Senats über das Schicksal der einzelnen griechischen Staaten. Manche von ihnen hatten beträchtliche Gebietsverluste hinzunehmen, wie die Ätoler und die Akarnanen. Für die ehemaligen Gegner der Römer zogen schlimme Zeiten herauf: sie sahen sich in ihrem Besitz und Leben bedroht, überall gab es Denunzianten, besonders hart mußten die Epiroten, und unter ihnen die Molosser, für ihre Romfeindschaft büßen. Hier sollen nicht weniger als 70 Ortschaften zerstört, 150000 Menschen in die Sklaverei verkauft worden sein. Auch die Achäer mußten ihre unentschlossene

Haltung im Perseuskriege teuer bezahlen, 1000 der Vornehmsten, unter ihnen der spätere Geschichtsschreiber Polybios, damals Hipparch des Achäerbundes, wanderten als Geiseln nach Italien; nur ein Bruchteil von ihnen hat, 17 Jahre später, die Heimat wiedergesehen. Unter den Besten der Römer haben diese Methoden Kritik und gelegentlich auch Widerstand gefunden, aber diese Männer vermochten sich nicht durchzusetzen. Für die offizielle römische Politik ist vielmehr eine rücksichtslose Härte charakteristisch. Hier zeigen sich die Schattenseiten eines übertriebenen Sicherheitsbedürfnisses, das über die Interessen der unterworfenen und abhängigen Völker kühl hinwegschreitet. Wie groß die Furcht vor Rom geworden war, offenbart das traurige Schicksal des rhodischen Politikers Polyaratos: keine einzige kleinasiatische Griechenstadt, weder Phaseiis noch Kaunos noch Kibyra, wagte es, sich des Mannes anzunehmen, der bei Rom in Ungnade gefallen war! Auf Befehl des Aemilius Paullus wurde er schließlich nach Rom geschickt, wo er wahrscheinlich den Tod von Henkershand gefunden hat. Die schwere Kunst, im Glück maßzuhalten, hatten die Römer noch nicht gelernt: anstatt zu versöhnen, traten sie die einstigen Gegner in den Staub, weit entfernt davon, sich um ihr Vertrauen zu bemühen.

Sehr viel glücklicher aber war die römische Politik in Oberitalien. Um die römische Herrschaft auf feste Grundlagen zu stellen, kam es hier zur Gründung der latinischen Kolonie Bononia (189) und der Bürgerkolonien Parma und Mutina (183). Sie gaben von nun an der römischen Herrschaft in Oberitalien einen festen Rückhalt. Einen gewissen Abschluß aber stellt die Begründung der Kolonie Aquileja dar (181). Die Stadt blühte bald kräftig auf und zog einen bedeutenden Teil des Handels zwischen Italien und den Ländern bis zur mittleren Donau an sich. Im übrigen war Aquileja auch der Stützpunkt, von dem aus die Römer ihre militärischen Expeditionen gegen die Istrier richteten. Zwar mißglückte der erste Feldzug des Jahres 178, im folgenden Jahre aber konnte der Consul C. Claudius Pulcher die Stadt Nesactium (in der Nähe von Pola) und einige andere Orte erobern und eine überraschend große Beute einbringen.

Auch an der Küste des ligurischen Meeres wurde die römische Herrschaft fest verankert. Das kleine Bergvolk der Apuaner verlor seine Selbständigkeit, es wurde zum Teil nach Mittelitalien (Samnium) umgesiedelt. Mit der Begründung der Kolonien Luca (180) und Luna (177) wurde hier ein Abschluß erreicht.

Die großen, in aller Welt bewunderten Erfolge der Römer werden nur verständlich, wenn man eine zielbewußte zentrale Lenkung voraussetzt. Diese aber liegt in den Händen des Senats, dessen Mitglieder die ehemaligen kurulischen Magistrate sind. Neben den Häuptern der großen patrizischen Familien finden sich im Senat auch so manche neuen Männer (novi homines), die durch eigene Tüchtigkeit die Ämterlaufbahn emporgestiegen waren und der römischen Politik frisches Blut zuführten.

Zu ihnen gehörte M. Porcius Cato, Sohn eines römischen Ritters aus dem Municipium Tusculum. Es ist nicht verwunderlich, wenn Cato wegen seiner Herkunft immer ein Außenseiter der römischen Nobilität geblieben ist.

Die unendlich vielen Kreuz- und Querverbindungen zwischen den einzelnen Familien schufen ein für den Fernerstehenden schwer durchschaubares Netz von Freundschaften und Feindschaften (amicitiae inimicitiaeque), Konstellationen, die oft auch für politische Entscheidungen in die Waagschale fielen. Mit Stolz rühmen sich die einzelnen Familien der Oberämter, der Consulate, Präturen und Censuren, die ihre Mitglieder errungen haben. Die großen Taten der Vorfahren leben weiter in den Inschriften auf den Ahnenbildern, die man beim Tode eines Familienmitglieds dem Leichenzuge voranzutragen pflegt. Stolz auf die res publica und Ahnenstolz stehen im Mittelpunkt des Denkens der römischen Nobiles. Nicht wenige unter ihnen haben sich als hervorragende Politiker erwiesen. Ganz besonders gilt dies von den principes civitatis, die oft starke Gruppen des Senats um sich versammeln; diese Männer haben entscheidend zum Aufbau des römischen Weltreichs beigetragen.

Die neuere Forschung hat immer wieder versucht, die römische Politik im Großen als ein Spiegelbild der Familiengeschichte der bedeutendsten römischen gentes zu sehen. Sowenig es zu leugnen ist, daß die zwischen den einzelnen einflußreichen Familien hin- und herlaufenden Verbindungen auf dem Gebiet der großen Politik virulent geworden sind, so wenig ist es wahrscheinlich, daß die römische Außen- und Innenpolitik primär aus den Daten der Familiengeschichten und aus ihren gegenseitigen Verflechtungen zu erklären ist. Man muß dazu noch wissen, daß das erhaltene Material weithin auf reinem Zufall beruht. Die Ergebnisse der Prosopographie der römischen Republik, so erhellend sie in einzelnen Fällen auch sein mögen, dürfen eben nicht überfordert werden, sie haben nicht als Tummelplatz weitgespannter Kombinationen zu dienen, die oft nur auf reiner Vermutung beruhen. Da das urkundliche Material für die Zeit der römischen Republik bei aller scheinbaren Reichhaltigkeit relativ gering ist, müssen für das 3. Jh. und das erste Drittel des 2. Jh. v. Chr. vor allem Polybios und die Partien des Livius die Grundlage liefern, die, soweit sie auf der Annalistik beruhen, stets einer strengen Nachprüfung bedürfen.

Das Vermögen der führenden Schicht, der Nobilität, bestand vor allem im Grundbesitz, oft von recht beträchtlicher Ausdehnung. Der Grundbesitz verlieh den Nobiles, und insbesondere den Senatoren unter ihnen, die wirtschaftliche Unabhängigkeit, so daß sie sich, oft jahrelang, dem Staatsdienst widmen konnten. Da gelegentlich sämtliche männliche Mitglieder einer Familie im Dienst des Staates standen, mußten abhängige Pächter die Landgüter verwalten, dazu wurden in steigendem Umfang Sklaven notwendig, die seit dem 2.

Punischen Kriege überall für billiges Geld zu haben waren. Zu dem Senatorenstand aber kam der Ritterstand (ordo equester), seine Anfänge reichen in das 3. Jh. v. Chr. zurück. Die Ritter sind eine vermögende Mittelschicht, sie hatten sich durch Handelsgeschäfte und vor allem durch die lukrativen Kriegslieferungen großen Reichtum erworben. Bei den Rittern, insbesondere aber im Besitz der sodetates publicanorum, floß ein bedeutender Teil des privaten Kapitals zusammen, das in der Wirtschaft wie auch in der Steuerpacht eingesetzt wurde und wiederum hohen Gewinn abwarf. Die im Jahre 218 erlassene lex Claudia untersagte den Senatoren die Beteiligung an Handelsgeschäften. Wenn dieses Verbot auch nicht immer streng eingehalten worden ist, so konzentrierte sich dennoch das Vermögen und die Wirtschaftskraft von nun an immer stärker in den Händen des Ritterstandes. Da sich die Zahl der Senatoren nicht nur durch die verlustreichen Kriege, sondern auch durch das Aussterben so mancher Familie ständig verringerte, sind immer wieder einzelne Ritter zu den höchsten Ämtern des römischen Staates aufgestiegen; M'.Acilius Glabrio und M'. Porcius Cato sind hierfür zwei besonders bekannte Beispiele. Wie groß der Einfluß der Ritter schon vor der Mitte des 2. Jh. geworden war, zeigen die Vorgänge der Censur des Jahres 169. Die Censoren C. Claudius Pulcher und Ti. Sempronius Gracchus haben damals zahlreichen Rittern das Staatspferd genommen, sie wurden aus der Liste der equites equo publico gestrichen. Außerdem wurden durch ein censorisches Edikt gewisse Erschwerungen für die Versteigerung öffentlicher Einnahmen und Ausgaben angeordnet, eine Bestimmung, die natürlich gleichfalls vor allem die Ritter treffen mußte. Die Ritter aber gewannen den Volkstribunen P. Rutilius für sich, worauf der Censor C. Claudius Pulcher nur mit Mühe der Verurteilung durch das Volk entgangen sein soll. Das Geld war zu einer Großmacht im römischen Staate geworden, in der Verbindung von Rittern und Volkstribunat ist bereits die künftige

Entwicklung vorgezeichnet.

Auch auf geistigem Gebiet hat sich im beginnenden 2. Jh. eine bedeutende Umwälzung vollzogen, sie ist auf den steigenden Einfluß der griechischen Kultur und der hellenistischen Religiosität zurückzuführen. Bereits wenige Jahre nach dem Antiochoskriege mußte der römische Senat gegen die Ausbreitung des Dionysoskults in Italien einschreiten (186). Unter Androhung schärfster Strafen versuchte der Senat Kontrolle über den Dionysoskult zu erlangen - nicht wenigen Römern wird die Ausbreitung der orgiastischen Riten als ein Abfall von der Religion der Väter erschienen sein. Überhaupt waren alle Geheimlehren der römischen Staatsführung durchaus zuwider: so wurde im Jahre 181 die Verbrennung der pythagoräischen Schriften, der angeblichen Bücher des Numa, durch den Prätor Q. Petilius angeordnet.

Cato war sicherlich nicht der einzige, der sich der Überfremdung Roms und Italiens durch die griechische Zivilisation entschlossen entgegenstellte. Von dem humanistischen Wert des Hellenentunis wollte Cato gar nichts wissen, bezeichnend is t sein geradezu vernichtendes Urteil über Sokrates. Die griechischen Fachwissenschaften hielt er dagegen für wertvoll. Dies zeigen vor allem seine Libri adfilium, eine Enzyklopädie, in die Cato so manches griechische Wissen eingearbeitet hat. Aber auch hier stand nicht die von den Griechen so hoch geschätzte Theorie, sondern die Praxis im Vordergrund. Ganz ablehnend hat sich Cato über die griechische Schulmedizin geäußert, vielleicht ist sein Urteil durch das wenig erfolgreiche Wirken des griechischen Arztes Archagathos in Rom (man gab ihm den Spitznamen carnifex, «Henker») mitbestimmt worden. Die historischen Schriften Catos sind dagegen, obwohl in lateinischer Sprache verfaßt, ohne die griechischen Vorbilder nicht denkbar. Dies gilt insbesondere von den «Origines», die schon in ihrem Titel (griechisch ktiseis) die Abhängigkeit von der entsprechenden griechischen

Literaturgattung offenbaren. Cato aber war ein origineller Kopf, er wußte, was Rom den Latinern und den anderen Italikern verdankte, daher sein Interesse für die italischen Völker und Städte. Auch in Spanien hat er sich im Lande und unter den Menschen umgesehen. Der zu seiner Zeit üblichen römischen Geschichtsschreibung hat Cato eine schroffe Absage erteilt: er habe kein Interesse daran, sagte er, zu schreiben, was alles auf der Tafel der Pontifices stände, wie oft eine Teuerung und wie oft eine Mond- oder Sonnenfinsternis stattgefunden habe. Ganz besonders verhaßt aber waren ihm, dem homo novus, die Lobreden auf die großen Männer, er konnte sie nicht mehr hören. In seinem Geschichtswerk stellte er die Kriege des römischen Volkes dar, ohne auch nur einen einzigen der Feldherrn, weder einen Römer noch einen Punier, mit Namen zu nennen. Der römische Staat sei das Ergebnis einer langen Reihe von Generationen, seine Größe verdanke er nicht der Einzelpersönlichkeit, sondern dem Heldengeist des römischen Volkes (ingenium populi Romani). Seine Reden zeigen Cato als einen Mann mit hoher Zivilcourage, der nirgends ein Blatt vor den Mund nimmt. Daß er seine eigenen Verdienste nicht unter den Scheffel stellt, wird niemand einem echten Römer verargen, seine Zeitgenossen haben allerdings sein Selbstlob vielfach getadelt. Übrigens zeigen auch seine Reden, daß er in der rhetorischen Kunst bei den Griechen in die Schule gegangen ist.

Der Einfluß des griechischen Vorbilds zeigt sich schon bei Q. Fabius Pictor. Dieser Mann, den der Senat nach der Niederlage bei Cannae nach Griechenland gesandt hat, um das delphische Orakel um Rat zu fragen, wie dem römischen Staat geholfen werden könne, hatte, wahrscheinlich bald nach 200 v. Chr., eine Römische Geschichte veröffentlicht, und zwar in griechischer Sprache. Fabius begann mit der Gründung der Stadt (von ihm ins Jahr 747 gesetzt) und führte die Darstellung bis in die eigene Zeit herab. Auch sein jüngerer Zeitgenosse, L. Cincius Alimentus (Prätor 210 v. Chr.), hat eine Römische Geschichte in

Griechisch verfaßt. Wer sich in der griechischen Welt Gehör verschaffen wollte, der mußte sich auch der Sprache der Griechen bedienen. Auch Roms Gegner trieben Propaganda: Cato sagte von Antiochos III., er führe Krieg mit Tinte und Feder (calamo et atramento milität). Und Hannibal hat eine Flugschrift an die Rhodier gerichtet (s. o. S. 100).

Wie die Griechen die Lehrer in der Literatur, so waren die Etrusker im Städtebau vorbildlich. Die alte Etruskerstadt Perusia (Perugia), die im Hannibalischen Kriege als Bundesgenosse treu zu Rom gestanden hatte, schmückte sich im 2. Jh. v. Chr. mit zwei prächtigen Stadttoren, von denen das Nordtor mit zwei gewaltigen Türmen bewehrt ist. Die Tore zeugen von dem Wohlstand des blühenden Municipiums. Die Römer selbst haben auf den Spuren der Etrusker als Baumeister Bedeutendes geleistet. So verdankt die kleine Kolonie Cosa in Südetrurien an der Küste des Tyrrhenischen Meeres ihre Ausgestaltung als maritimer Stützpunkt einer zielbewußten römischen Italienpolitik, die auch das Kleinste nicht vernachlässigte. Die Anlage von zwei voneinander unabhängigen Befestigungen im Süden und Südosten des Stadtgebiets zeigt, daß man auch die von der See her drohenden Gefahren richtig einzuschätzen wußte. Auch der Ausbau des italischen Straßennetzes machte bedeutende Fortschritte. Im Jahre 187 wurde die neuangelegte Kolonie Bononia durch eine Straße über den Apennin mit Arretium (Arezzo) verbunden, in das gleiche Jahr fällt der Bau der Via Aemilia von Ariminum über Bononia nach Placentia, auch der Außenposten Aquileja erhielt wenig später eine Straßenverbindung, die über Padua und Hostilia an den Po führte. Sie ist wahrscheinlich 175 v. Chr. unter dem Consul Aemilius Lepidus gebaut worden.

Auch die Stadt Rom begann sich mit neuen Bauten zu schmücken. So hat M. Porcius Cato in seiner Censur (184) die Basilica Porcia erbauen lassen, zu ihr kam bald auch die Basilica Aemilia (179), beide wohl nach griechischen

Vorbildern errichtet. Vieles, was in republikanischer Zeit in Rom gebaut worden ist, mußte unter Augustus und seinen Nachfolgern abgetragen werden, um neuen Gebäuden Platz zu machen.


12. Die Zerstörung Korinths und Karthagos

In Makedonien war nach Pydna das in der ganzen Welt geachtete Königreich in vier machtlose Republiken verwandelt worden, es waren Zufallsstaaten ohne jede Tradition. Außerdem war das makedonische Volk für die republikanische Freiheit nicht erzogen, so daß die neuen Staaten zu einem Schattendasein verurteilt waren. Die Römer hatten zwar die Lasten des makedonischen Volks vermindert, aber es lag keineswegs in ihrem Interesse, im Lande eine neue Staatsgesinnung wachsen zu lassen. Die Römer ließen sich als die Wohltäter (eüergetai) feiern, aber man liebte sie nicht. Vielerorts herrschte die Willkür. So ließ ein gewisser Damasippos in Phakos die Synhedroi einfach umbringen (163), er mußte daraufhin fliehen und gelangte nach Kyrene an den Hof Ptolemaios' des Jüngeren, des späteren Ptolemaios VIII. Euergetes II. Auch in den darauf folgenden Jahren gab es in Makedonien keine rechte Ruhe. Im Jahre 152 erbaten sich die Bürger des Landes den Sohn des Aemilius Paullus, Scipio Aemilianus, vom römischen Senat, damit dieser die Ordnung wiederherstelle. Hierzu ist es jedoch nicht gekommen, da Scipio es vorzog, sich auf den spanischen Kriegsschauplatz zu begeben. Im Jahre 151 tauchte ein Abenteurer namens Andriskos auf, er stammte aus Adramyttion in Mysien und soll der Sohn eines Färbers gewesen sein. Die Ähnlichkeit mit dem letzten König der Makedonen, Perseus, verschaffte ihm großen Zulauf, auch zu den hellenistischen Königen des Ostens nahm er Verbindungen auf. Der Seleukide Demetrios I. ließ Andriskos in Syrien festnehmen und an die Römer ausliefern. Andriskos aber konnte aus der Haft entkommen und erschien wieder in Makedonien, wo er die Unterstützung thrakischer Fürsten gewinnen konnte. Nach einem Sieg über das makedonische Aufgebot am Strymon fiel ihm fast das ganze Land zu, sogar die Zitadelle der alten Hauptstadt Pella geriet in seine Hand (149?). Als er auch die Truppen des römischen Prätors Juventius überwunden hatte, wurde seine Existenz zu einer Gefahr für die Sicherheit der römischen Herrschaft. Der Aufstand kam den Römern im übrigen sehr ungelegen, da sie nicht allein in Spanien, sondern vor allem auch in Afrika alle Hände voll zu tun hatten. Unter dem Befehl des Prätors Q. Caecilius Metellus stellten die Römer eine Legion gegen Andriskos ins Feld (er nannte sich Philipp, Sohn des Perseus), die Römer behielten die Oberhand, wobei auf Seiten des Pseudophilipp der Verrat des Telestes, eines Strategen, entscheidend in die Waagschale fiel. Der Prätendent geriet in römische Gefangenschaft, Metellus ließ ihn in seinem Triumphzug mitziehen, dann wurde er umgebracht.

Aus den ehemaligen vier Zonen Makedoniens bildeten die Römer zusammen mit Epirus und Illyrien eine neue Provinz, ihre Ära beginnt im Jahre 148 v. Chr. Jetzt wurde hier ganze Arbeit geleistet. Durch großzügige Straßenbauten verbanden die Römer das Land Makedonien mit der Ostküste der Adria; insbesondere die Via Egnatia, die von Dyrrhachium über Pella nach Thessalonike und von hier nach Kypsela am Hebros verlief, hat sich als eine Verkehrsader ersten Ranges erwiesen. Im übrigen aber waren die Unruhen noch nicht ganz zu Ende, noch zweimal traten Prätendenten auf, der letzte von ihnen, ebenfalls Philipp mit Namen, stand an der Spitze eines Sklavenheeres, das aber im Kampfe gegen die Truppen des römischen Quästors L. Tremellius zugrunde ging (143 v. Chr).

Auch in Griechenland hatten sich die Römer seit dem Sieg über Perseus wenig Sympathien erworben. Obwohl sich der römische Senat durch zahlreiche Gesandtschaften auf dem laufenden hielt, war das Verhältnis zwischen den römischen Siegern und den befreiten Griechen alles andere als harmonisch. Den Römern fehlte es an Verständnis für die Griechen, die sich im Schatten der römischen Herrschaft vielfach um winzige

Gebietsteile stritten. Die Römer verstanden es nicht, warum man die Griechen anders behandeln sollte als die übrigen Provinzialen, deren Schicksal von den Senatusconsulta und den Edikten der Magistrate abhing. In Hellas aber war nahezu jeder mit jedem verfeindet, dazu gerieten die Achäer immer mehr in ein romfeindliches Fahrwasser. Ihre leitenden Politiker Diaios und Kritolaos führten auf der Bundesversammlung zu Korinth den endgültigen Bruch mit Rom herbei (Frühjahr 146). Sie fanden in den untersten Schichten der griechischen Bevölkerung lebhaften Widerhall. Der Zeitpunkt war freilich nicht günstig gewählt, der Aufstand des Andriskos in Makedonien war längst niedergeschlagen, und in Afrika war es nur noch eine Frage der Zeit, wie lange Karthago noch der römischen Belagerung standhalten konnte. Es waren nicht sehr viele griechische Staaten, die mit den Achäern gemeinsame Sache machten: die wichtigsten waren die Phoker, Euböer und Thebaner. Die Römer, zunächst unter dem Kommando des Proprätors Q. Caecilius Metellus, gewannen rasch Vorteile, die Achäer unterlagen bei Skarpheia (Sommer 146). Die von Metellus angeregten Friedensverhandlungen zerschlugen sich, so daß der Krieg seinen Fortgang nahm. Da machten die Römer endlich ernst, sie setzten ein consularisches Heer von zwei Legionen unter L. Mummius ein, das mit leichter Mühe die Achäer bei Leukopetra (am Isthmos) zu Boden warf. Damit war der Krieg für die Achäer und ihre Bundesgenossen verloren, es folgte als trauriges Nachspiel die Plünderung und Zerstörung der reichen Handelsstadt Korinth. Mummius ließ Tausende von Kunstwerken auf Schiffe verladen und nach Italien schaffen, vieles war vorher von seinen Soldaten in sinnloser Weise zerstört worden, darunter wertvolle Gemälde. Bei der Zerstörung der Isthmosstadt konnte sich Mummius auf einen ausdrücklichen Befehl des Senats berufen, von einer völligen Vernichtung kann jedoch, nach den archäologischen Untersuchungen, keine Rede sein. Aber der Schaden war groß genug, die Tat des Mummius hinterließ in der gesamten griechischen Welt einen tiefen Eindruck. Nach Mommsen wäre es der Handelsneid der römischen Kapitalisten gewesen, der die Vernichtung Korinths gefordert habe. Wie dem nun auch sein mag - der einzige Grund kann dieses Motiv nicht gewesen sein: die Römer wollten in Hellas ein Exempel statuieren, ihre Geduld, die auch durch den Karthagischen Krieg auf eine harte Probe gestellt wurde, war am Ende. Der Achäische Bund wurde aufgelöst, die Feinde Roms verfolgt, ihr Vermögen eingezogen. Athen, Sparta und Delphi empfingen für ihre Treue aus der Hand der Römer ihren Lohn, sie galten als Freistädte (civitates liberae), während das übrige Griechenland dem römischen Statthalter von Makedonien unterstellt wurde. Unter dem Patronat der Römer übernahmen in den Städten die vermögenden Schichten die Regierung, an die Stelle politischer Auseinandersetzungen trat vielerorts die soziale Frage, Reiche und Arme standen sich vielfach in unversöhnlichem Haß gegenüber.

Im Frühjahr 146 war auch Karthago nach einer langen Belagerung in die Hände der Römer gefallen, auch diese Stadt ein Opfer des römischen Sicherheitsstrebens. Die Geschichte Karthagos in den letzten 55 Jahren vor seinem Untergang (201 146) ist, in politischer Hinsicht, eine Leidensgeschichte, jeder Ansatz zu einer Rekonvaleszenz ist durch Rom und seinen Trabanten, den König Massinissa von Numidien, verhindert worden. Auch nach dem Frieden von 201 v. Chr. verfügte Karthago immer noch über weitreichende Handelsverbindungen. Für den Verlust der spanischen Gebiete versuchten die Karthager, sich durch neue Handelsbeziehungen mit der griechischen Welt, sogar mit den Städten des Westpontos (Istros), schadlos zu halten. Sie gingen den Römern aus dem Wege und taten im übrigen alles, um die Bedingungen des Friedensvertrages zu erfüllen. Sie zahlten pünktlich die Raten der Kriegsentschädigung, schon nach zehn Jahren hatten sie ihre

Schulden restlos abgetragen (191). Dies war allerdings nur möglich gewesen, weil Hannibal, im Jahre 196 zum Sufeten gewählt, eine Reform des karthagischen Staates an Haupt und Gliedern in Angriff genommen hatte, die insbesondere den Rat der Einhundertvier betraf. Seine Mitglieder sollten nicht mehr eine lange Zeit oder gar lebenslänglich fungieren, sondern von nun an alljährlich neu gewählt werden, eine grundlegende Veränderung, die man mit dem Sturz des Areopags in Athen durch Ephialtes im Jahre 462 verglichen hat (U. Kahrstedt). Aber im Grunde genommen war es für Reformen längst zu spät. Was der karthagische Staat in der Zeit seiner Blüte versäumt hatte, das vermochte selbst ein Mann wie Hannibal nicht mehr einzuholen, und zwar um so weniger, als er auf das Drängen der Römer schon im Jahre 195 seine Heimat auf Nimmerwiedersehen verlassen mußte (s. S. 92).

Karthagos großer Gegenspieler in Afrika aber war der König der Numider, Massinissa. Am Ende des Hannibalischen Krieges stand er, 3 7j ährig, auf der Höhe seines Lebens, er sollte ein Alter von mehr als 90 Jahren erreichen. Der ungewöhnlich begabte und zielbewußte König hat aus Numidien einen wirklichen Kulturstaat gemacht; dabei hat er sich nicht nur der Hilfe der Römer, sondern auch der Griechen bedient, zu denen er die besten Beziehungen, auch auf dem Gebiet des Handels, unterhielt.

Unter seiner Fürsorge verwandelten sich weite Gebiete Numidiens in blühendes Gartenland. Der Reichtum des Landes an Getreide war ein wichtiger Aktivposten der königlichen Handelspolitik. Massinissa aber hatte seine Ziele hoch gesteckt: er strebte nach einem numidischen Großreich, das vom Gestade des Atlantischen Ozeans bis zu den Grenzen Ägyptens reichen sollte. Den Anfang dazu hatte er im Hannibalischen Kriege mit der Annexion des Reiches des Syphax (im Westen Numidiens, zwischen Siga und Cirta) gemacht. Jetzt aber richtete er seine Augen auf die karthagischen Besitzungen an der Großen Syrte, die Emporia in Libyen. Massinissa hat sie den Karthagern mitten im Frieden weggenommen (161). Immer wieder reisten römische Gesandtschaften nach Afrika, im Jahre 153 auch der hochbetagte Cato. Seit dieser Zeit hegte er einen unauslöschlichen Haß gegen alles Punische, er wurde im Senat der heftigste Befürworter der Zerstörung Karthagos. Doch war die Meinung der Römer nicht einhellig, Scipio Nasica und andere vertraten die Auffassung, Karthago müsse aus Vernunftsgründen erhalten bleiben, Rom brauche gewissermaßen einen Wetzstein, damit es sich nicht der Hybris hingebe. War Karthago wirklich noch eine Gefahr für Rom? Die antiken Quellen sind einmütig dieser Ansicht, nicht aber die moderne Forschung. So sah Mommsen in dem Motiv der merkantilen Eifersucht die treibende Kraft, aber auch hierfür gibt es keine antiken Belege, wie überhaupt die Handelsinteressen in der römischen Außenpolitik nur eine erstaunlich geringe Rolle gespielt haben. Daß Rom es nicht zulassen wollte, daß sich Massinissa in Karthago festsetzte (U. Kahrstedt), ist eine ganz bodenlose Hypothese, die nicht die geringste Wahrscheinlichkeit für sich hat. Nein, es gab eine Richtung in Rom, die Karthago immer noch als die ernste Gefahr betrachtete, man wollte sie durch einen Präventivkrieg beseitigen. Die römischen Politiker waren eiskalte Rechner, sie haben den Konflikt mit Karthago mit voller Absicht heraufgeführt, um die punische Frage ein für allemal aus der Welt zu schaffen.

Einen geeigneten Vorwand bot der Krieg zwischen Karthago und Massinissa; er war im Jahre 151/50 ausgebrochen und brachte den Puniern eine Niederlage. Rom mobilisierte vier Legionen: nach den Bestimmungen des Friedens von 201 war es den Karthagern untersagt, ohne Erlaubnis der Römer Krieg zu führen. Die Karthager waren zu jedem Entgegenkommen bereit. Als im Jahre 149 Utica von den Puniern abfiel, war der Zeitpunkt für Rom gekommen: Rom erklärte den Karthagern in aller Form den Krieg, die amtierenden Consuln, M'.Manilius und L. Marcius Censorinus, setzten mit dem Heere von Sizilien nach Utica über. Als bevollmächtigte Gesandte der Karthager nach Rom eilten, mußten sie hören, daß der Krieg bereits erklärt worden sei, die Römer forderten für die Zurücknahme der Kriegserklärung die bedingungslose Kapitulation, sie waren zwar bereit, den Karthagern einige Zugeständnisse über den Besitz des Territoriums und über das private und öffentliche Eigentum zu machen, sie verlangten aber die Gestellung von 300 Geiseln, und als sie diese in Utica in Empfang genommen hatten, zusätzlich die Übergabe des gesamten Kriegsmaterials. Erst als sich auch dieses in den Händen der Römer befand - angeblich hatten die Punier nicht weniger als 200000 Rüstungen und 2000 Katapulte abgeliefert -, sprachen die Römer das Todesurteil über die unglückliche Stadt: sie sollte zerstört werden, ihre Einwohner sollten sich zehn Meilen vom Meer entfernt wieder ansiedeln. Als die Karthager erkannten, daß die Römer geradezu die Vernichtung der Stadt beabsichtigten, da rüsteten sie sich zu einem Verzweiflungskampf, die Stadt verwandelte sich in ein einziges Arsenal, die Befestigungen wurden instandgesetzt, von außen her nahm Hasdrubal Verbindung mit den Einwohnern auf. Wie Tyros, die Mutterstadt Karthagos, seinerzeit nur durch äußerste Anstrengungen Alexanders hatte bezwungen werden können, so war auch die Belagerung Karthagos, selbst für einen überlegenen und vorzüglich ausgerüsteten Gegner, wie es die Römer waren, außerordentlich schwierig. Vom Lande her war die Stadt nur über den schmalen Isthmus zugänglich, dieser war jedoch für den vordringenden Gegner durch eine dreifache Mauer versperrt, und für eine Operation von der Seeseite her kamen nur die Häfen der Stadt als Landungsstellen in Betracht, sie waren aber in jeder Weise, auch durch ihre natürliche Lage, gesichert. Dementsprechend hielten sich die Erfolge der Römer im ersten Jahre der Belagerung (149) in bescheidenen Grenzen.

Im Winter 149/48 starb Massinissa, der Freund und Bundesgenosse der Römer. Die Nachfolge des Numiderkönigs wurde durch eine römische Kommission, der auch der Jüngere Scipio angehörte, in der Weise geregelt, daß Numidien unter seine drei Söhne, Micipsa, Gulussa und Mastanabal, geteilt wurde. Von ihnen nahm jedoch nur Gulussa auf römischer Seite am Kriege gegen Karthago teil. Die Römer erhielten aber Zuzug durch Phameas, den Führer der libyschen Reiterei des Hasdrubal. Auch der neue Consul L. Calpurnius Piso und sein Legat L. Hostilius Mancinus (148) vermochten außer der Einnahme der Stadt Neapolis (in der Nähe von Clupea) nur wenig Fortschritte zu erzielen, doch auch den Karthagern machten innere Zwistigkeiten zu schaffen. Sie nahmen aber Verbindungen mit den Mauri in Afrika und mit dem makedonischen Prätendenten Andriskos (s. S. 113) auf. In Rom richteten sich aller Augen auf P. Cornelius Scipio Aemilianus, den Sohn des Aemilius Paullus; die Comitien wählten ihn zum Consul, obwohl er erst 38 Jahre alt war und nur für das Amt des kurulischen Aedilen kandidiert hatte. Ein besonderer Volksbeschluß übertrug ihm dazu das Oberkommando in Afrika. Schon seine ersten Taten waren vom Glück begünstigt. Unmittelbar nach seiner Ankunft auf afrikanischem Boden befreite er L. Hostilius Mancinus aus einer prekären Lage, in die er durch einen Handstreich auf Karthago gekommen war. Im Frühjahr 147 begann der Endkampf. Die Römer brachen in die Vorstadt Megara ein, kamen aber wegen Geländeschwierigkeiten nicht vorwärts. Es zeigte sich, daß eine planmäßige Belagerung der Stadt vonnöten war. Der Isthmus wurde durch ein riesiges System von Befestigungswerken gesperrt, außerdem wurde quer zur Hafenmündung eine Mole errichtet. Ein Versuch der Belagerten, mittels einer Flotte die Zernierung zu durchbrechen, wurde von den Römern vereitelt. Im Winter 147/46 unterwarfen sich die libyschen Stämme den Römern, Karthago war von nun an vollständig isoliert. Als die

Römer (im Frühjahr 146) in zwei Kolonnen unter Scipio und Laelius zum Angriff antraten, kämpften die Karthager einen letzten Verzweiflungskampf, besonders erbittert wurde um die Byrsa, die Burg, gerungen, erst am siebenten Tage ergab sich die Zitadelle, 900 römische Überläufer kamen in den Flammen des Eschmun-Tempels ums Leben, Hasdrubal aber wurde verschont. 50000 Einwohner, Männer, Frauen und Kinder, gerieten in römische Gefangenschaft, sie wurden als Sklaven verkauft. Die erbeuteten karthagischen Waffen ließ Scipio verbrennen, die Mauern der Stadt wurden geschleift, über die tote Stadt sprach man einen Fluch aus: sie sollte für alle Zukunft unbewohnt bleiben. Das ehemals karthagische Gebiet wurde als Provinz Africa einem römischen Prätor unterstellt, er nahm seinen Amtssitz in der Stadt Utica.

Der Untergang Karthagos ist ein Ereignis von ungeheurer Tragweite in der Geschichte des Mittelmeerraumes. Die Stadt war auf dem Altar des römischen Sicherheitsbedürfnisses geopfert worden. Dennoch war mit der Vernichtung Karthagos keine eigentliche Lücke entstanden. Ist doch der Beitrag der Punier zur Geschichte der menschlichen Zivilisation mehr als bescheiden, die punische Kunst ist sogar von einer abstoßenden Häßlichkeit, für die es im Altertum schwerlich Parallelen gibt. Den karthagischen Künstlern mangelt es nicht nur an Originalität, sondern auch an jeglicher Grazie. Und die punischen Inschriften, mehrere Tausend an der Zahl, sind zumeist Grabinschriften oder Weihungen von ermüdender Einförmigkeit. Allerdings hat es so etwas wie eine karthagische Literatur gegeben, Juba von Mauretanien erwähnt libri Punici, auch eine Punica historia, erwähnt von Servius in seinem Vergilkommentar (I 343), hat existiert, jedoch ist ihr Inhalt unbekannt, und von einer Schönen Literatur fehlt, sicher nicht durch Zufall, jede Spur. Es gab aber einen Traktat über die Landwirtschaft, ein Fachbuch, das einem Karthager namens Mago zugeschrieben wurde, und ein anderer Punier,

Kleitomachos, hat es als Schulhaupt der Neuen Akademie zu Athen, als Nachfolger des Karneades, zu hohem Ansehen und zu literarischer Berühmtheit gebracht, er soll über 400 Bände geschrieben haben. Im ganzen ist jedoch die Hinwendung der Punier zu ausschließlich kommerziellen Interessen für die karthagische Zivilisation kein Segen gewesen. Besonders abstoßend waren die Menschenopfer, die in Karthago dem Baal und der Tanit, der Himmelsgöttin, dargebracht wurden, eine grausige Sitte, die durch Funde von Tausenden von Urnen mit Kinderknochen in einem Heiligtum unweit vom Kothon, dem Handelshafen, bestätigt wird. In der Welt des Mittelmeeres waren die Karthager Fremdlinge, sie hatten sich nicht den anderen Völkern angeglichen, sondern ihre Eigenart bewahrt, ein Volk mit einer höchst einseitigen Begabung, das in seinem Todeskampf wenig Sympathien und keine Bundesgenossen gefunden hat.


13. Die römische Gesellschaft in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr.

Im 2. Jh. v. Chr. hat sich eine weitgehende Umschichtung der römischen und italischen Gesellschaft vollzogen, sie ist eine Folge der großen Kriege in Ost und West. Mit dem Niedergang des freien Bauerntums verbindet sich eine umfassende Kommerzialisierung: das Geld wird zu einer Großmacht, es hat auch auf die Politik maßgebenden Einfluß gewonnen. Doch nicht das Geld und das Streben nach Gewinn allein hat die Menschen in Italien geprägt, viel wesentlicher ist die Annäherung zwischen der römischen und der hellenistischen Kultur, insbesondere die Rezeption der griechischen Philosophie, die von größter Bedeutung für die Entwicklung des römischen Geisteslebens geworden ist. Es ist der Grieche Panaitios von Rhodos (etwa 180-100 v. Chr.) gewesen, der den Römern den Zugang zu einer Philosophie mit neuen Perspektiven, auch für das politische Leben, erschlossen hat. Panaitios, aus vornehmer rhodischer Familie stammend, ist in Verbindung mit dem Jüngeren Scipio getreten. Auf der Gesandtschaft, die den Römer, wahrscheinlich im Jahre 140/39, in den Vorderen Orient führte, war Panaitios sein Begleiter. Später nach dem Tode Scipios, war er das Haupt der Mittleren Stoa in Athen. Vor allem durch seine im Scipionenkreis entstandene Schrift «Vom Staat» hat Panaitios das Denken der führenden römischen Männer entscheidend beeinflußt. Zwar ist diese wichtige Schrift als solche verloren - wir besitzen im übrigen kein einziges Fragment des Panaitios in griechischer Sprache -, aber sie läßt sich mit Hilfe einiger Schriften Ciceros, vor allem der Bücher De re publica und De officiis, in den Umrissen wiederherstellen. In diesem Werk hat der Grieche zwei Grundsätze propagiert: die Idee der «gemischten Verfassung» (res publica mixta), einen Gedanken, für den sich auch Polybios (Buch VI) erwärmt hat, dazu den Grundsatz, daß es die vornehmste Pflicht eines jeden Staates sei, seine Bürger zur Sittlichkeit zu erziehen. Hinzukommt noch die Idee vom antiken Führertum. Der Führer müsse von allen geachtet und verehrt werden, seine Kardinaltugend sei die Gerechtigkeit. Doch hat sich der Rhodier vor Übertreibungen wohl in acht genommen: auch die größten Feldherrn, meinte er, hätten ohne die Masse nichts erreichen können. Ganz besonders wertvoll und fruchtbar aber waren die Gedanken des Panaitios zum antiken Völkerrecht. Nach den Grundsätzen des griechischen Philosophen hätten allerhöchstens die Verteidigungskriege eine gewisse Berechtigung; vor allem aber seien nach errungenem Siege die Feinde zu schonen, soweit sich diese keine Verbrechen zuschulden kommen ließen: «Wenn aber der Sieg errungen ist, dann sind diejenigen Feinde zu schonen, die sich im Kriege nicht grausam, nicht wie wilde Tiere benommen haben ... Ich halte dafür, daß man stets nach einem Friedensvertrag streben muß, der keinerlei Tücken in sich birgt ... Auch für diejenigen, die man durch Gewalt niedergeworfen hat, muß man sorgen. Und insbesondere sind die, die erst nach der Niederlegung der Waffen sich dem Schütze des feindlichen Feldherrn anvertraut haben, auch wenn schon die Sturmböcke die Mauern erschüttert haben, zu schonen.» Hatten die Römer diese Pflichten gegenüber den unglücklichen Bewohnern von Karthago, Korinth und Numantia erfüllt? - Von Panaitios stammt die theoretische Rechtfertigung des römischen Imperialismus. Hierin hat er die Herrschaft der Römer als vereinbar mit der Gerechtigkeit erklärt. Die römische Herrschaft beruhe nicht auf dem Recht des Stärkeren, sondern des sittlich Besseren, das Endziel, dem sie zustrebe, sei die Wohlfahrt aller Untertanen. Panaitios war zutiefst davon durchdrungen, daß das römische Volk nicht nur zur Herrschaft berufen sei, sondern daß es diese auch im besten Sinne auszuüben imstande sei. Um die große von der Stoa den Römern gestellte Aufgabe, die unterworfenen Völker zu wahrer Humanität zu erziehen, haben sich vor allem die Besten unter den Römern bemüht, und es ist wahrlich kein Zufall, wenn sich gerade die sittlich am höchsten stehenden Männer der späteren römischen Republik zur Lehre der Stoa bekannt haben. Sie hatten ihre Prägung durch die Pflichtenlehre des rhodischen Philosophen empfangen, und dieser selbst sah das Ideal des stoischen Weisen, ausgezeichnet durch die Kardinaltugend der Megalopsychia (magnitudo animi), der Großherzigkeit, in Scipio Aemilianus verkörpert. Den inneren Halt aber fanden Scipio und seine Gesinnungsgenossen in der stoischen Idee der pronoia, der Vorsehung, die über das Schicksal des Weltganzen und der einzelnen Menschen wacht. Doch kannte Panaitios auch die Schattenseiten der menschlichen Natur zur Genüge. Es gäbe kein Verbrechen, was so verabscheuenswert wäre, daß es nicht dem Menschen vom Menschen angetan werde.

Bereits die athenische Philosophengesandtschaft des Jahres 155 hatte das Interesse für philosophische Fragen unter der gebildeten Jugend der Römer geweckt. Auch ein Mann wie der Arkader Polybios hat durch seine Freundschaft mit dem Jüngeren Scipio den Boden für die griechische Wissenschaft in Rom bereitet. Panaitios, der wahrscheinlich kurz nach dem Ende des 3. Punischen Krieges nach Rom gekommen ist, fand hier Zugang zum Herzen des Scipio Aemilianus, mit dem er eine lange Zeit, bis gegen 130, eng verbunden blieb. Die Symbiose griechischer Ethik und römischen Staatsdenkens ist ein neues Element in der abendländischen Geistesgeschichte. In Scipio Aemilianus glaubte Panaitios das Vorbild für seine Führergestalt gefunden zu haben. Für beide, für den Griechen wie für den Römer, war der Gedanke selbstverständlich, daß sich der Bürger dem Dienst am Staate zu widmen habe, und ferner, daß dieser Staat durch das aristokratische Lebensideal geprägt werden müsse. Nicht wenige Römer, die in der Politik der späteren Republik eine hervorragende Rolle spielen, haben dem scipionischen Kreise angehört. Unter ihnen finden sich Männer wie Q. Aelius Tubero, der auch ein astronomischmeteorologisches Werk verfaßte, im übrigen ein Jurist und Politiker, Enkel des Aemilius Paullus, ferner C. Laelius mit seinen Schwiegersöhnen C. Fannius (cos 122) und Q. Mucius Scaevola, der Letztgenannte ein vortrefflicher Redner und ein ebenso vorzüglicher Jurist, dazu vor allem aber eine Figur wie die des Rutilius Rufus, ein Mann, der später als Legat in Asia sein Amt ganz nach den strengen Grundsätzen der stoischen Ethik geführt hat, einer der wenigen, der dem erpresserischen Treiben der Publicani ohne Rücksicht auf seine eigene Person entschlossen entgegengetreten ist. Dazu kommen noch Sp. Mummius, der Bruder des L. Mummius, des Zerstörers von Korinth, ein hochgebildeter Mann, dessen Reisebriefe aus Griechenland noch von Cicero gelesen worden sind, endlich L. Furius Philus, der es bis zum Consulat und bis zum Proconsul in Spanien gebracht hat, ein treuer politischer Gesinnungsgenosse des Scipio Aemilianus. Die Wirkung des Scipionenkreises aber erstreckt sich bis tief hinein in die Geschichte der späteren Republik, Cicero, dem einzelne Männer noch persönlich bekannt waren, hat vor allem in seiner Schrift De re publica dem Jüngeren Scipio und seinen Freunden ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Und durch Cicero ist das Gedankengut der Mittleren Stoa in die Ideologie des Prinzipats eingegangen. Polybios, der Freund des Scipio Aemilianus, hat in dem 6. Buch seiner Historien das Lob der römischen Verfassung damit begründet, daß sie Elemente der Monarchie, der Aristokratie und der Demokratie in sich vereinige und dadurch das Ideal der Gemischten Verfassung verwirkliche. Der griechische Historiker hat diese Kapitel wohl um 150 v. Chr. niedergeschrieben. Gewisse pessimistische Betrachtungen dürften gleichfalls schon aus dieser Zeit stammen, wenn es auch nicht unmöglich ist, daß sie erst unter dem Eindruck der gracchischen Revolution Eingang in das Geschichtswerk gefunden haben. Da Polybios viele Jahre hindurch Augenzeuge des politischen Lebens und Treibens in Rom gewesen ist, so wird es ihm nicht verborgen geblieben sein, daß sich die eigentliche Regierung in den Händen einer zahlenmäßig begrenzten Oberschicht befunden hat. Es war dies die Nobilität, der Amtsadel, der sich in jenen Familien verkörperte, von denen es ein Vorfahre zum höchsten Amt der Republik, zum Consulat, gebracht hatte. Theoretisch war allerdings der populus Romanus in den Comitien souverän, hier wurde über Krieg und Frieden abgestimmt, ebenso auch über die vom Senat vorgelegten Gesetze. Aber das Volk war zu einem beträchtlichen Teil mit den großen Adelsfamilien durch Bande der Klientel verbunden, es besaß ferner keine eigene Initiative, denn die Zeit der großen Demagogen sollte erst noch kommen. In Wahrheit war allein der Senat dominierend, er führte, um nur einige Einzelheiten zu nennen, die Aufsicht über die Staatsfinanzen, er bestellte aus seiner Mitte die Richterkommissionen, er wählte die Zehnmänner, denen die Ausführung der Friedensverträge übertragen ward. Von «Parteien» im modernen Sinne kann weder im Senat noch in den Comitien die Rede sein, wohl aber waren die nobiles in zahlreiche factiones mit stark wechselndem Charakter gespalten, die vielfach gegeneinander, gelegentlich aber auch miteinander den politischen Kurs bestimmten. Wer im Senat etwas erreichen wollte, tat gut daran, sich der Unterstützung Gleichgesinnter, insbesondere aber der Hilfe der Häupter der großen Familien, der principes civitatis, zu versichern. Hatte eine Familie eine überragende Führergestalt hervorgebracht wie die Cornelier den Älteren Scipio, so konnte dieser seine politischen und strategischen Ideen mit Hilfe seiner Freunde nicht nur im Senat, sondern auch in den Comitien durchsetzen. Ein im ganzen sicherlich zutreffendes Bild der herrschenden römischen Oligarchie enthalten die Consularfasten: von den 108 Consuln der Jahre von 200 bis 146 gehören nur acht solchen Familien an, die vorher dem Staat noch keine Consuln gestellt hatten, d. h. die novi homines sind an Zahl verschwindend gering. Zu den führenden Familien im 2. Jh. v. Chr. zählen außer den Corneliern noch die Valerier, Claudier, Servilier, Aemilier und Fabier, aber auch noch einige andere Familien haben kürzere Zeit in der römischen Nobilität dominiert wie etwa die Fulvier und die Postumier. Alles in allem sind es etwa 30 bis 40 Familien, denen das Schicksal des ganzen römischen Volks anvertraut ist. Trotz mancher Schwächen im einzelnen haben diese Männer die schwierigen Aufgaben vortrefflich gemeistert, im ganzen werden die politischen Entscheidungen des Senats der Wirklichkeit durchaus gerecht, wenn auch eine übertrieben konservative Haltung ganz unverkennbar ist.

Um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. haben, soweit wir wissen, zum ersten Male auch Frauen eine Rolle in der römischen Politik gespielt, es sind dies Aemilia, die Gattin des Älteren Scipio, über deren Prachtentfaltung Polybios so manches zu berichten weiß, und vor allem Cornelia, ihre Tochter, die Gattin des Älteren Ti. Sempronius Gracchus, durch den sie die Mutter der beiden Gracchen, des Ti. und des C. Gracchus, geworden ist. Als sie verwitwet war, soll Cornelia die Hand des Ptolemaios VIII. Euergetes II. ausgeschlagen haben. Im übrigen führte sie ein großes Haus, sie war befreundet mit griechischen Gelehrten, ihre Söhne ließ sie durch Diophanes von Mytilene und Blossius von Cumae unterrichten. Ihre Tochter Sempronia wurde die Gemahlin des Scipio Aemilianus, während ihr ältester Sohn Tiberius eine Tochter des Ap. Claudius Pulcher heimführte. Ap. Claudius aber, der Schwiegervater, war ein geschworener Feind des Scipio Aemilianus. Auch der jüngere Sohn, C. Gracchus, der in die Familie der Sulpicier einheiratete, fand dadurch Anschluß an eine gens, die mit den Corneliern verfeindet war.

Um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. beginnt in Rom die Macht des Kapitals zu wachsen. Es befindet sich in den Händen der Ritter (equites), die sich vor allem auf dem Gebiet der Staatspacht betätigen. Für die Ausführung der öffentlichen Bauten haben sie die Voraussetzungen geschaffen, denn sie allein sind imstande, die für die Baukontrakte notwendigen Kapitalien vorzustrecken. Ob es sich um die Pflasterung von Straßen, um den Bau von Tempeln, Säulenhallen, Brücken und Aquädukten handelt - überall ist das Geld der Ritter mit im Spiel. Außerdem pachten sie die Hafenzölle (portoria) und die allgemeinen Abgaben (vectigalia), dabei schließen sich die Pächter in der Regel zu Gesellschaften (societates) zusammen. Die zumeist recht zufälligen Angaben der Überlieferung zeigen zum mindesten soviel, daß das ritterliche Kapital bei vielen Gelegenheiten gewinnbringend eingesetzt wurde, insbesondere bei der Ausbeutung der Bergwerke. So waren beispielsweise die Goldminen von Victumulae (bei Placentia) ebenso in den Händen der Publikanen wie die berühmten Silberbergwerke von Neukarthago, die 40000 Arbeiter beschäftigt haben sollen. Dem römischen Volk brachten sie alljährlich 9 Millionen Drachmen. Die Finanzgesellschaften haben zum Aufbau einer rationellen Wirtschaft zweifellos das ihre beigetragen, doch waren sie rücksichtslos auf ihren Profit bedacht, von sozialem Empfinden ist bei ihnen ebensowenig zu verspüren wie etwa in der Schrift des Älteren Cato über die Landwirtschaft. Der Senat aber hat diese Entwicklung sogar noch gefördert.

Der mittlere und kleinere Bauernstand hatte in Italien durch den 2. Punischen Krieg schwere Schläge erlitten, von denen er sich niemals mehr erholen sollte. Die Bauern litten insbesondere unter der Konkurrenz der Großbetriebe, die ganze Scharen von Sklaven beschäftigten. Die Latifundien ließen sich rationeller bearbeiten, und das aus Übersee eingeführte Getreide gelangte billiger auf den Markt. Allein in den gebirgigen Zentrallandschaften Mittelitaliens hielt sich das Kleinbauerntum, hier war kein Raum für größere Landgüter. Weite Strecken Süditaliens dagegen wurden zu ausgesprochenem Weideland. Noch bedenklicher aber war die

Abwanderung der ländlichen Bevölkerung nach Rom, hier begann sich ein umfangreiches Proletariat zu bilden. Da man ihre Stimmen in den Comitien nicht entbehren konnte, mußte man sie durch Spenden und Getreidezuteilungen bei guter Laune halten. Das älteste Beispiel für ein congiarium stammt übrigens vom Älteren Scipio (213 v. Chr.). Besondere Berühmtheit aber erlangten die Spenden des M'.Acilius Glabrio, als er sich m Jahre 189 um die Zensur bewarb. Im ganzen wird die erste Hälfte des 2. Jh. v. Chr. in Rom und weithin in Italien durch den Rückgang eines leistungsfähigen Mittelstandes, in den Städten wie auf dem Lande, gekennzeichnet. Auch die zahlreichen, oft sehr blutigen Kriege haben die Zahlen der römischen Bürger verringert, an die Stelle der freien Arbeit ist die Arbeit der Sklaven getreten, der Substanzverlust der Mittelklassen hat schwerwiegende soziale Verwicklungen hervorgerufen: der Zusammenballung großer Kapitalien in den Händen der Reichen steht ein Absinken weiter Schichten in die bitterste Armut gegenüber. Es ist das geschichtliche Versäumnis der führenden Kreise in Rom, diese Entwicklung nicht nur geduldet, sondern vielfach noch begünstigt zu haben, bis die Revolution an die Tore klopfte.


14. Die spanischen Kriege der Römer (154-133 v. Chr.)

Die Geschichte der spanischen Kriege, beginnend mit dem Aufstand der Beller, gipfelnd in der Erhebung des Viriatus und endend mit der Zerstörung von Numantia, ist kein Ruhmesblatt der römischen Geschichte. Ganz davon abgesehen, daß hier zum erstenmal mehr römische Niederlagen als Siege zu verzeichnen sind, haben die spanischen Kriege auch die innere Schwäche des römischen Heerwesens in schonungsloser Weise vor aller Welt bloßgestellt. Dazu kommen sehr bedenkliche Erscheinungen in Rom, insbesondere bei der Aushebung; die römischen Magistrate vermögen sich nicht mehr durchzusetzen, da ihnen von den Volkstribunen Schwierigkeiten bereitet werden. In ihrem Verhalten gegenüber den Spaniern sind die Römer weder vor Hinterlist noch vor Treulosigkeit, ja nicht einmal vor Meuchelmord zurückgeschreckt. Viele römische Heerführer erscheinen als absolut unfähig, um so leuchtender steht ihnen die Heldenfigur des Lusitaniers Viriatus gegenüber, ein Mann, der seiner historischen Bedeutung nach in die Reihe der großen Feinde Roms, des Mithradates VI. Eupator, des Vercingetorix und des Arminius, gehört. Im übrigen aber ist der über 20 Jahre andauernde spanische Krieg das außenpolitische Vorspiel der gracchischen Revolution; die Mißstände in Rom, in Italien und auf dem spanischen Kriegsschauplatz haben die Tätigkeit der Gracchen geradezu herausgefordert, die Vorgänge der Innenpolitik sind ohne die außenpolitischen Ereignisse nicht zu verstehen - Unter der Statthalterschaft des Ti. Sempronius Gracchus, des Vaters der beiden Gracchen, war im diesseitigen Spanien im Jahre 179/78 v. Chr. wieder Ruhe eingetreten, die trotz aller Wechselfälle im einzelnen über ein Vierteljahrhundert Bestand gehabt haben. Für beide Teile, für die Römer ebenso wie für die Spanier, war es ein Verhängnis, daß Gracchus keine ebenbürtigen Nachfolger finden sollte. Schon im Jahre 174 berichten die Quellen von ernsten Unruhen, die angeblich auf die Tätigkeit des Proconsuls Ap. Claudius zurückzuführen sind. Der Statthalter hat im übrigen dem römischen Staatsschatz eine gewaltige Summe Gold und Silber eingebracht. Die Lage in Spanien im Jahre 171 beleuchtet ein Senatsbeschluß, der die Hauptbeschwerden der Provinzialen, insbesondere die Bedrückungen bei der Besteuerung des Getreides, zu lindern versuchte. Mit dem Jahre 167 bricht der erhaltene Teil des livianischen Geschichtswerks ab, so daß die Entwicklung der nächsten 13 Jahre im Dunkel liegt.

Als im Jahre 154 gleichzeitig bei den Lusitaniern und bei den keltiberischen Stämmen der Beller und Arevaker ein Aufstand losbrach, da war man in Rom in keiner Weise auf die Ereignisse vorbereitet. Die Lusitanier fielen in die römische Provinz ein, ihr Führer mit dem bezeichnenden Namen Punicus brachte den beiden Prätoren eine empfindliche Niederlage bei. In dem gleichen Jahre 154 hatte der Stamm der Beller die Stadt Segida (10 km südöstlich von Calatayud im Tal des Perejil) durch einen großen Synoikismos erweitert und mit einem riesigen, 8 km langen Mauerring umgeben. Wahrscheinlich verdankt die Volksburg Segida ihre Entstehung hellenistischen Anregungen, die über die Griechenstadt Massilia nach Spanien gelangt sind. Der Wortführer der Beller war ein Mann namens Karos. Die Römer überreichten eine regelrechte Kriegserklärung, sie entsandten den Consul Q. Fulvius Nobilior nach Spanien. Bei dieser Gelegenheit wurde der Termin des Amtsantritts vom 15. März auf den 1. Januar vorverlegt. Fulvius Nobilior aber wurde im Spätsommer des Jahres 153 v. Chr. in der Nähe von Numantia überfallen, die Römer verloren eine ganze Legion, bevor die Reiterei die Lage einigermaßen wiederherstellen konnte. Dieser Tag - es war das Fest der Vulcanalien am 23. August - galt in Rom von da an als Unglückstag (dies ater). Adolf Schulten hat das Lager des Fulvius Nobilior vor Numantia wiedergefunden, es ist das Lager III, auf dem Hügel Gran Atalaja. Die Überraschung bestand darin, daß in diesem Lager die römischen socii die gefährlicheren Plätze innehatten, dies beweist, daß man im Heere einen wesentlichen Unterschied zwischen den Bürgern und den Bundesgenossen machte. Die Römer, die sogar Elefanten zum Einsatz brachten, kämpften unter den Mauern von Numantia ziemlich unglücklich, auch hier waren ihre Verluste beträchtlich. Überhaupt war das Jahr 153 ein Unglücksjahr für die Römer, Niederlage folgte auf Niederlage. Es war kein Wunder, wenn die Mißerfolge des spanischen Krieges auch in Rom ernste Folgen zeitigten. So gab es im Jahre 151 zum erstenmal Schwierigkeiten bei den Aushebungen in Rom, die Volkstribunen mischten sich ein und ließen die Consuln kurzerhand ins Gefängnis führen, ein Ereignis, das mit Recht das größte Aufsehen erregt hat. Da hat Scipio Aemilianus der römischen Jugend ein leuchtendes Beispiel gegeben, indem er sich für den von allen gefürchteten spanischen Kriegsschauplatz zur Verfügung stellte. Der Consul L. Licinius führte einen eigenmächtigen Krieg gegen die Vakkäer, er besetzte die Stadt Kauka und ließ die wehrfähigen Männer einfach abschlachten. Selbst in Rom war die Empörung darüber groß, und dennoch scheint L. Licinius einer Anklage entgangen zu sein, anders als der Prätor Ser. Sulpicius Galba; dieser hatte sich immerhin gegen den Volkstribunen L. Scribonius Libo und gegen Cato zu wehren, nur mit Mühe und Not entging er der Verurteilung (149).

Noch größere Ausmaße nahm der spanische Krieg im Jahre 147 an. In diesem Jahr trat Viriatus an die Spitze der Lusitanier, ein Mann einfacher Herkunft, der sich aber in hervorragender Weise nicht nur auf die Kunst der Strategie, sondern auch auf die Menschenführung verstand. Acht volle Jahre hat Viriatus das Feld gegen die Römer behauptet, diese waren gezwungen, immer größere Heere auf die iberische Halbinsel zu werfen. Seit dem Jahre 143 erhielt regelmäßig einer der beiden Consuln das spanische Kommando, und im Jahre 140 sahen sich die Römer unter dem Proconsul Q. Fabius Maximus Servilianus so in die Enge getrieben, daß dieser froh war, einen für ihn annehmbaren Vertrag mit Viriatus schließen zu können, den später das römische Volk bestätigt hat. Doch der Bruder und Nachfolger des Servilianus, Q. Servilius Caepio, setzte sich über den Vertrag hinweg, dieser Mann ist es gewesen, der im Jahre 139 unter den Lusitaniern die Mörder gedungen hat, die Viriatus in seinem eigenen Feldherrnzelt bei Nacht und Nebel umbrachten. Die Unterwerfung der Lusitanier führte der Consul D. Iunius Brutus, Statthalter von Hispania Ulterior, in den Jahren von 138 bis 136 zu Ende. Brutus betrat als erster römischer Feldherr den Boden Galiciens, befestigte die Stadt Olysipo (heute Lissabon) und gründete die Kolonie Valentia, in der ehemalige Krieger des Viriatus angesiedelt wurden. In Hispania Citerior dagegen hielten sich immer noch die beiden festen Städte Termantia und Numantia. Vor Numantia aber vollzog sich die Katastrophe des Consuls C. Hostilius Mancinus. Er wurde in dem alten Lager des Fulvius Nobilior (s. S. 125) eingeschlossen und gezwungen, eine Kapitulation abzuschließen. Dadurch wurden übrigens 20000 römische Bürger gerettet. Im römischen Senat aber herrschte helle Empörung, den Vertrag bezeichnete man als foedus turpissimum. Es kam soweit, daß ein vom Volk bestätigter Senatsbeschluß die Auslieferung des Mancinus an die Numantiner vorsah. Einen ganzen Tag lang stand Mancinus, die Hände auf dem Rücken gebunden, vor dem Stadttor von Numantia, die Numantiner aber weigerten sich, ihn anzunehmen und damit die Römer aus dem Vertrag zu entlassen (136). Dieser wohl kläglichsten Szene der römischen Geschichte folgten weitere römische Niederlagen. Sie kamen auf das Konto des Proconsuls M. Aemilius Lepidus Porcina. Er wurde bei der Belagerung von Palantia geschlagen und zum Rückzug genötigt. Seit der Katastrophe des Mancinus waren zwei Jahre verstrichen, in Rom richteten sich die Augen auf Scipio

Aemilianus, den Sieger über die Karthager. Mit überwältigender Mehrheit wählten die Comitien ihn zum Consul (die an sich verbotene Iteration wurde durch eine lex specialis gestattet, diese aber nach vollzogener Wahl wieder aufgehoben). Da weigerte sich der Senat, die notwendigen Aushebungen zu gestatten. Doch es meldeten sich viele Freiwillige, angeblich nicht weniger als 40000 Mann, zumeist wohl Veteranen des 3. Punischen Krieges. Aus den Freiwilligen bildete Scipio eine «Schar der Freunde» (cohors amicorum), sie ist gelegentlich als die Urzelle der Prätorianergarde der Kaiserzeit bezeichnet worden. Auch Kontingente befreundeter Fürsten machten sich auf den weiten Weg nach Spanien. So entsandte Micipsa von Numidien eine Truppe von Reitern, Bogenschützen und Schleuderern unter dem Kommando des Prinzen Jugurtha, auch Attalos III. von Pergamon und sogar Antiochos VII. Sidetes stellten Mannschaften und Geschenke zur Verfügung. In Scipios Gefolge befanden sich einige Männer, die nachmals als Feldherrn berühmt geworden sind: C. Marius und C. Memmius, die späteren Gegner des numidischen Königs Jugurtha. Auch der römische Dichter Lucilius und der griechische Historiker Polybios haben im Stabe Scipios den spanischen Feldzug mitgemacht. Anders als seine Vorgänger hatte Scipio erkannt, daß nur eine konsequente Belagerung Numantias zum Ziele führen konnte. In höchst mühseliger Arbeit wurde eine 9 km lange Zirkumvallationslinie mit Mauer, Graben und Türmen angelegt, dazu wurden sieben Lager (zwei Hauptlager und fünf Kastelle) geschaffen, sie sind sämtlich durch die Bodenforschungen Adolf Schultens wiedergefunden worden. An Truppen war Scipio den Numantinern um ein Vielfaches überlegen, der Belagerungsarmee von 60000 Mann (davon allerdings nur 10000 Mann italische Truppen) standen nur 4000 Numantiner gegenüber! Die Römer gingen mit größter Planmäßigkeit zu Werk, sie bedienten sich vor allem auch der Abschreckung. So hat Scipio nach einem Ausfall der

Numantiner, der bis zur Stadt Lutia (heute Cantalucia, 55 km westlich von Numantia) führte, nicht weniger als 400 jungen wehrfähigen Männern des Ortes die Hände abhauen lassen, weil sie mit den Numantinern gemeinsame Sache gemacht hatten. In Numantia selbst aber stieg die Not auf den Gipfel, in der Stadt spielten sich furchtbare Szenen von Kannibalismus ab, bis die Numantiner endlich, nach einer Belagerung von neun Monaten, auf Gnade und Ungnade kapitulierten (Hochsommer 133). Die Römer verkauften die Überlebenden in die Sklaverei, einige wenige wurden für den Triumphzug Scipios aufgespart. Die Stadt selbst wurde auf Befehl Scipios dem Erdboden gleichgemacht. Damit war der letzte Herd der Unruhe ausgelöscht. Für die iberische Halbinsel aber brach ein neues Zeitalter an, das durch eine ständig fortschreitende Romanisierung gekennzeichnet wird.

Für Rom aber waren die mehr als 20 Jahre andauernden spanischen Kriege ein harter Prüfstein. Sowohl die römische Verwaltung wie auch das römische Heerwesen hatten schwerwiegende Unzulänglichkeiten an den Tag gelegt, wie sie niemand in Rom vermutet gehabt hätte. Dazu kamen immer wieder Eigenmächtigkeiten der römischen Statthalter, die vielfach, ohne Auftrag des Senats, Kriege gegen spanische Stämme vom Zaun brachen, allein in der Absicht, Beute zu machen und diese in die eigene Tasche zu stecken. Dies gilt etwa für L. Licinius Lucullus (Consul 151) ebenso wie für M. Aemilius Lepidus Porcina (Consul 137). Dabei hatte der letztere sogar die Warnungen der Senatsboten in den Wind geschlagen. Auch die Tatsache, daß die Römer wiederholt Treue und Glauben mit den Füßen getreten hatten, - ein berüchtigtes Beispiel ist Ser. Sulpicius Galba in seinem Verhalten gegenüber den Lusitaniern im Jahre 151 spricht Bände. Anderseits hatten die Römer geradezu unvorstellbare Menschenverluste zu beklagen, so verloren sie in den ersten Jahren des spanischen Krieges, von 153-151, nahezu vier Legionen der in Italien ausgehobenen Jungmannschaft, Verluste, die in Rom und Italien Furcht und Entsetzen hervorriefen. Der Senat hatte dazu schreiten müssen, die Kriegsschauplätze den Ausgehobenen durch das Los zuzuteilen, schließlich hatte er den Zensus für die Dienstpflichtigen in den Legionen von 11000 auf nur 4000 herabgesetzt. Dadurch konnten sehr viel mehr Rekruten erfaßt werden, vor allem auch solche, die dem Bodensatz des städtischen Proletariats in Rom angehörten. Die Qualität der Truppen sank auf einen vorher nie dagewesenen Tiefpunkt. Fahnenflucht, Ungehorsam und sogar Meuterei waren bekannte Erscheinungen. Dies aber mußte vielen Römern zu denken geben. So hat Ti. Sempronius Gracchus als Quaestor des Mancinus (137 v. Chr.) in Spanien unauslöschliche Eindrücke empfangen, von denen er sich nie wieder lösen konnte. In Italien aber sind Tausende von Bauernstellen verwaist, ihre Besitzer sind in Spanien vor dem Feind gefallen oder durch Hunger und Seuchen umgekommen. Die Opfer, welche die spanischen Feldzüge kosteten, haben die Kräfte der römischen Republik in furchtbarster Weise dezimiert. «Die Kämpfe der Jahre 154-133 haben dem römischen Staat viel mehr Not gemacht und sind für ihn viel verhängnisvoller gewesen als die Jahre 200-168» (Ed. Meyer).

15. Die soziale Frage, die Gracchen und die Sklavenkriege. Der Jugurthinische Krieg. Die Züge der Kimbern und Teutonen

Die Vorgänge der gracchischen Revolution sind nur zu verstehen auf dem Hintergrund der äußeren und inneren Politik in Rom und Italien um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. Einerseits ist die Bewegung eine Folge der spanischen Kriege, anderseits steht sie in Zusammenhang mit dem Agrarproblem, das letzten Endes durch die strukturellen Veränderungen im 2. Punischen Krieg ausgelöst worden ist. Mit der Agrarfrage verbindet sich das Sklavenproblem, das zuerst auf den sizilianischen Latifundien zutage getreten ist. Es ist die Tragik der römischen Republik, daß sie keines der beiden lebenswichtigen Probleme einer wirklichen Lösung zuzuführen vermochte. Die Agrarfrage ist auch nach dem Untergang der beiden Gracchen immer wieder in Angriff genommen worden, durch Caesar, durch die Triumvirn und auch durch Augustus. Das Sklavenproblem begleitet die römische Geschichte sogar bis zum Ausgang des Altertums. Beide Probleme stehen miteinander in engstem Zusammenhang, denn die Sklaven stellen die Hauptmasse der Arbeitskräfte für die in Italien immer weiter um sich greifenden Latifundien.

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