Italien, in früherer Zeit ein Land der Kleinbauern, hatte seit dem 2. Punischen Krieg sein Gesicht verändert: an die Stelle des intensiven Ackerbaus ist auf weite Strecken hin die Weidewirtschaft getreten, eine ständige Zunahme der Mittel- und Großbetriebe ist im ganzen unverkennbar. Aber diese Entwicklung hat sich keineswegs gleichförmig in ganz Italien vollzogen. Inschriften aus Benevent und aus Norditalien (Veleia und Placentia) zeigen beispielsweise, daß sich in der Umgebung dieser Städte der bäuerliche Kleinbesitz gut zu behaupten vermochte. Außerdem hat der römische Staat nach dem Ende des verlustreichen Hannibalischen Krieges versucht, die akute Landnot durch Gründung von Kolonien zu lindern. Jedoch waren die Versuche zu wenig umfassend, die Gesamtlage haben sie nicht geändert. Nur zwei Maßnahmen hätten hier einen grundlegenden Wandel herbeiführen können: die Aufteilung des Großgrundbesitzes und die Heranziehung des ager publicus. Was aber versteht man unter dem ager publicus? Wenn die Römer einen Gegner unterworfen hatten, so pflegten sie ihm in der Regel einen Teil seines Territoriums abzunehmen. Dieses Land aber war an und für sich Staatseigentum, doch waren im Laufe der Zeit große Stücke davon in privates Eigentum übergegangen. Die Pächter des ager publicus hatten eine Rente (vectigal) zu entrichten. Sie ist aber anscheinend nicht immer eingefordert worden, denn nur so konnte sich bei manchen Pächtern die Auffassung bilden, daß das Land gewissermaßen Privateigentum sei. Angeblich im Jahre 367 sei das Höchstmaß des okkupierten ager publicus durch die licinischsextischen Gesetze auf 500 iugera (125 ha) beschränkt worden. Diese Bestimmung gehört jedoch höchstwahrscheinlich erst einer späteren Zeit, vielleicht dem Ausgang des 3. Jh. v. Chr., an (s. S. 40). Ob man sich im 2. Jh. v. Chr. noch daran gehalten hat, ist zweifelhaft. Wahrscheinlich war das Gesetz, wie so viele andere, einfach in Vergessenheit geraten. Außerdem gab es Mittel und Wege genug, es zu umgehen, z. B. durch die Afterpacht.
Der erste Versuch, die Agrarfrage zu lösen, ist aus dem Scipionenkreise hervorgegangen. Es war C. Laelius, der Freund des Scipio Aemilianus, der in seinem Consulatsjahr (140) einschneidende Reformen in den Agrarverhältnissen durchführen wollte. Seine Freunde haben ihn jedoch von seinem Vorhaben abgebracht. Das Problem selbst, längst überreif, sollte aber von nun an nicht mehr zur Ruhe kommen. Auf der Reise nach dem spanischen Kriegsschauplatz (137) soll dem Ti. Sempronius Gracchus, dem Sohn des Consulars gleichen
Namens und der Cornelia, auf Grund der Agrarverhältnisse in Etrurien die Idee zu seinem Reformversuch gekommen sein. Es war vor allem die Sorge um die Wehrkraft der Römer, die Ti. Gracchus dazu bestimmt hat, seine Reformen einzuleiten. Und in der Tat beginnt mit seinem Volkstribunat am 10. Dezember 134 v. Chr. ein völlig neuer Abschnitt der römischen Geschichte. Als Volkstribun stellte Ti. Gracchus den Antrag, das alte Ackergesetz möge wieder in Kraft treten, wonach niemand mehr als 500 iugera des ager publicus in Nutznießung haben durfte. Dieser Antrag war zweifellos legal und ohne jede revolutionäre Tendenz, Ti. Gracchus schwächte ihn obendrein noch dadurch ab, daß er den Nutznießern gestattete, für erwachsene Söhne weitere 250 iugera zurückzubehalten, jedoch im ganzen nicht mehr als 1000 iugera (250 ha). Das freiwerdende Land sollte in kleinere Parzellen zerlegt und in Erbpacht, d. h. als unveräußerlicher Besitz, den landlosen römischen Bauern zugewiesen werden, die neuen Besitzer aber sollten zu minimalen Zahlungen (Rekognitionsgebühren) an die römische Staatskasse verpflichtet sein. Der in jeder Weise maßvolle Antrag des Volkstribunen hat jedoch die schärfste Opposition hervorgerufen. Verschiedene Motive kamen bei den Gegnern zusammen: ganz allgemein die Angst vor der Herrschaft der Masse, dann das Mißtrauen gegen die Aktivität des Volkstribunen und nicht zuletzt die begründete Furcht vor größeren Landund Vermögensverlusten. Im übrigen war vielfach der Privatbesitz von dem okkupierten ager publicus nicht mehr zu trennen, und wenn der Gesetzesantrag des Tiberius durchging, so wußte mancher Besitzer nicht mehr, was ihm von seinem Land erhalten blieb. Nicht zutreffend ist jedoch die in der Forschung wiederholt vertretene Auffassung, Ti. Gracchus habe auch den Bundesgenossen (socii) Land aus dem ager publicus zuteilen wollen. Auch die Frage, ob man aus den steigenden Zensuszahlen Rückschlüsse über den Umfang der Ackerzuteilungen ziehen darf, ist umstritten. Der Widerstand der
Gegner schlug sich in der Interzession des Volkstribunen M. Octavius nieder. Ti. Gracchus versuchte vergeblich, den Amtskollegen zu bewegen, den Einspruch wieder zurückzuziehen. Als alles nichts half, ließ er ihn durch das Volk seines Amtes entheben. An Octavius' Statt wurde ein anderer Volkstribun gewählt und das Ackergesetz angenommen. Die Absetzung des Volkstribunen M. Octavius ist der erste Fall einer abrogatio eines Magistrats im Alten Rom. Wenn Tiberius zu diesem Schritt seine Zuflucht genommen hat, so konnte er dies nur tun, weil er sich auf die Idee der Volkssouveränität stützte. Diese Idee ist aber alles andere als römisch, sie ist griechischem Denken entsprungen und zeigt den Einfluß des hellenischen Gedankenguts. Mit dem weiteren Antrag, das römische Volk möge über die Schätze des verstorbenen Königs Attalos III. von Pergamon verfügen, - die Gelder sollten zur Beschaffung des notwendigen Inventars der neuen Siedler verwandt werden - griff Gracchus auf die Befugnisse des Senats über. Schlechthin ungesetzlich aber war seine Bemühung, sich schon während seiner Amtszeit um das Volkstribunat des nächsten Jahres zu bewerben; zugleich stellte er eine Reihe neuer volksfreundlicher Gesetzesanträge. Sie bezogen sich unter anderem auf die Ausdehnung des Provokationsrechts, auf die Übertragung der Gerichte vom Senat auf die Ritter, vielleicht hat er sogar den Italikern das römische Bürgerrecht versprochen. Mit diesen Anträgen aber war Ti. Gracchus vom Reformator zum Sozialrevolutionär geworden, der an den Grundfesten der römischen Staatsordnung rüttelte. Gegen die Wiederwahl erhob sich in der Nobilität stärkster Widerstand, man bezichtigte Tiberius des Strebens nach der monarchischen Gewalt. Auf dem Forum kam es zu Tumulten, in ihnen ist Ti. Gracchus, noch nicht 30jährig, erschlagen worden (133).
Die Agrarfrage war zwar immer noch nicht gelöst, sie wurde aber nach dem Tode des Reformers weitergeführt. So rühmt sich der Consul P. Popillius Laenas, die Reform fortgeführt zu haben. Er war ein erbitterter Gegner des Ti. Gracchus und gehörte der Ackerkommission (III viri agris dandis adsignandis iudicandis) für das Jahr 132 an. Als die Ackerkommission des Jahres 131 die lex agraria auch auf das von den Bundesgenossen okkupierte Land ausdehnen wollte, ergaben sich neue Konflikte. Die Bundesgenossen fanden nun in Scipio Aemilianus einen Helfer. Scipio, im Jahre 132 aus Spanien zurückgekehrt, mißbilligte das Vorgehen des Ti. Gracchus, auch seine Ermordung soll er, wenn auch mit Vorbehalt, als gerechte Strafe bezeichnet haben. Ein von Scipio erwirkter Volksbeschluß entzog der Ackerkommission die richterlichen Vollmachten. Diese wurden vielmehr dem Consul des Jahres 129, C. Sempronius Tuditanus, übertragen. Das Jahr 129 ist zugleich das Todesjahr Scipios. Über sein Ableben waren die verschiedensten Gerüchte im Umlauf, die laudatio durch seinen besten Freund C. Laelius sprach jedoch von einem natürlichen Tode. Die Bewegung selbst war nun nicht mehr aufzuhalten. Fulvius Flaccus (Consul 125) machte den Vorschlag, Italikern, insbesondere den Latinern, das römische Bürgerrecht zu verleihen, er drang damit aber nicht durch. Bei den Italikern entstand zum ersten Male eine offene Rebellion und zwar in Asculum (Picenum) und in Fregellae, einer Latinerstadt. Fregellae wurde zerstört, an seiner Stelle die Stadt Fabrateria Nova gegründet.
Die Bewegung erhielt einen neuen Auftrieb, als im Jahre 124 der jüngere Bruder des Tiberius, Gaius Gracchus (* 154) zum Volkstribunen gewählt wurde. Gaius hatte als Quästor im Jahre 126 unter dem Consul L. Aurelius Orestes in Sardinien gedient, sich aber mit seinen Vorgesetzten überworfen und war vorzeitig nach Rom zurückgekehrt. Seine Tätigkeit als Volkstribun begann er mit zwei Anträgen (123). Sie hatten den Zweck, die Ehre seines älteren Bruders Tiberius wiederherzustellen. Bei dem ersten Antrag handelt es sich um eine Art von Garantiegesetz (E. v. Stern), in ihm wurden die vom Senat eingesetzten außerordentlichen Gerichtskommissionen als ungesetzlich bezeichnet, und zwar mit rückwirkender Kraft. Gerichtet war der Antrag vor allem gegen den Consular P. Popillius Laenas. Dieser Mann hatte nämlich im Jahre 132 die Anhänger des Tiberius ohne förmliches Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt. P. Popillius zog es vor, ins Exil zu gehen. Die lex Sempronia de provocatione ist auch noch später angewandt worden.
Der zweite Antrag des Gaius Gracchus bestimmte, daß ein vom Volk abgesetzter Magistrat (gemeint war der Volkstribun M. Octavius) auf immer des Rechts verlustig gehen sollte, wieder ein Amt zu bekleiden. Diesen Antrag soll Gaius jedoch auf Bitten seiner Mutter Cornelia zurückgezogen haben. Es folgt nun ein umfassendes Reformprogramm, über das er sich in seiner Rede «De legibus promulgatis» ausgesprochen hat. Im ganzen sind nicht weniger als 17 einzelne Gesetze bekannt, die sich aber wohl teilweise miteinander decken An der Spitze steht nach ihrer Bedeutung die lex agraria, wahrscheinlich eine Neuredaktion des entsprechenden Gesetzes des älteren Bruders vom Jahre 133. Die lex militaris untersagte die Aushebung vor dem 17. Lebensjahr, sie bestimmte, daß der Staat für die Equipierung aufzukommen habe, die Kosten durften nicht mehr vom Sold abgezogen werden. Während diese beiden Gesetze hauptsächlich der bäuerlichen Bevölkerung zugute kamen, war die lex frumentaria vornehmlich auf die großstädtische Plebs zugeschnitten. Ihr wurde nach griechischem Vorbild billiges Getreide zugeschanzt, der Preis betrug 6 1/3 As für den Modius, d. h. wahrscheinlich soviel wie der Schleuderpreis in den günstigsten Getreidejahren. Dem Ausbau der Verkehrswege und der Errichtung großer Staatsspeicher nach dem Vorbild der hellenistischen Monarchien diente die lex de viis muniendis. Ganz verhängnisvolle Folgen aber hatte die lex Sempronia de provincia Asiae. Auf Grund dieses Gesetzes wurde nämlich das Steuerpachtsystem auch auf die neue reiche Provinz ausgedehnt.
Es war ein furchtbarer Schlag für den Wohlstand ihrer Bewohner, die sich dadurch den Erpressungen der Publicani ausgeliefert sahen. Nicht einheitlich überliefert ist der Inhalt des Geschworenengesetzes (lex iudiciaria). Es drängte den Einfluß der Senatoren in den Geschworenengerichten zurück, die Einzelheiten sind jedoch umstritten. Die lex de provinciis consularibus nahm zwar nicht dem Senat das Verfügungsrecht, wohl aber bestimmte sie, daß schon vor den Consulwahlen festzulegen sei, welche Provinz den künftigen Consuln zufallen sollte. Dieses Gesetz hat im übrigen eine weite Fernwirkung gehabt; im großen und ganzen hat es sich als segensreich erwiesen.
Dem 2. Tribunat des Gaius Gracchus (122) gehört das Koloniegesetz (lex de coloniis deducendis) an, und zwar waren als nächste Koloniegründungen Capua und Tarent vorgesehen. Außerdem nahm Gaius den Antrag des Fulvius Flaccus wieder auf, der den Italikern und unter ihnen insbesondere den Latinern das römische Bürgerrecht verleihen wollte. Der Volkstribun Rubrius, ein Amtskollege des C. Gracchus, beantragte die Aussendung einer Kolonie nach Übersee; das Los bestimmte Gaius mit ihrer Installierung, er aber wählte ausgerechnet Karthago als den Ort ihrer Gründung aus; die Stätte galt jedoch seit dem Jahre 146 als verfemt. Die Kolonie erhielt den Namen Junonia. Der Senat hatte sich in dem Volkstribunen Livius Drusus ein Werkzeug gegen C. Gracchus geschmiedet, Drusus versuchte mit einer Reihe demagogischer Anträge den Gracchen zu übertrumpfen. Als C. Gracchus im Sommer 122 aus Karthago zurückkehrte, stand in Rom der Antrag, die Bundesgenossen ins römische Bürgerrecht aufzunehmen, zur Debatte. Eine Abstimmung konnte jedoch nicht stattfinden, da das Veto des Livius Drusus sie verhinderte. Auch ein anderes Gesetzesprojekt, das eine Reform der Comitia centuriata, und zwar im besonderen die Beseitigung der Vorrechte der ersten Stimmklasse zum Gegenstand hatte, konnte nicht verwirklicht werden. Das Ende des zweiten Tribunatsjahres des C. Gracchus wurde dadurch verdüstert, daß ein geschworener Gegner der Reformen, L. Opimius, zum Consul für das Jahr 121 gewählt wurde. Er hatte gerade sein Amt angetreten, als der Volkstribun Minucius den Antrag stellte, die Gründung der Kolonie Karthago (Junonia) wegen ungünstiger Vorzeichen (angeblich hatten Wölfe die Grenzsteine herausgerissen) rückgängig zu machen. Man wollte C. Gracchus um seine Magistratseigenschaft bringen, die er als Mitglied der Ackerkommission besaß. Da es in Rom zu Unruhen gekommen war, erteilte der Senat dem Consul L. Opimius durch das senatus consultum ultimum außerordentliche Vollmachten. Auch die Ritter, um deren Gunst sich Gaius immer wieder bemüht hatte, stellten sich dem Consul zur Verfügung. Die Gracchaner hatten den Aventinus besetzt, der Consul ließ den Berg erstürmen, dabei wurden auch kretische Bogenschützen gegen die Anhänger des C. Gracchus eingesetzt. Gaius entkam zunächst auf das andere Tiberufer, ließ sich aber im Hain der Göttin Furrina von einem treuen Sklaven den Todesstoß geben, um nicht in die Hände seiner Gegner zu fallen (Sommer 121). Auch Fulvius Flaccus fand den Tod, die vom Senat eingesetzten Sondergerichte sollen 3000 Anhänger der Gracchen zum Tode verurteilt haben.
Keiner der beiden Gracchen hat etwas Dauerndes erreicht. Der Versuch, die aus griechischer Umwelt stammende Idee von der Volkssouveränität nach Rom zu verpflanzen, ist gänzlich fehlgeschlagen. Der wesentliche Grund für das Scheitern der gracchischen Bewegung aber liegt in dem ganz unnatürlichen Bündnis zwischen dem großstädtischen Proletariat und dem Großkapital, das sich im Ritterstand verkörperte. Die gesellschaftlichen Beziehungen wiesen den Ritterstand nach oben, an die Seite der Senatoren, nicht nach unten. Dazu kam der unüberwindliche Widerstand des ersten Standes, der Senatoren; sie konnten in den Bestrebungen der Gracchen nichts anderes als eine Auflösung der alten Staatsordnung sehen, und von ihrem Standpunkt aus hatten sie nicht einmal unrecht. Wie sein Bruder Tiberius, so ist schließlich auch C. Gracchus zum Revolutionär geworden, er hat Tausende mit ins Verderben gerissen.
Die weitere Entwicklung der römischen Agrargeschichte ist allerdings ohne die gracchischen Reformen nicht denkbar. Die Gesetze blieben in Geltung, doch wurden sie beträchtlichen Änderungen unterworfen. Auch die Ackerkommissionen haben ihre Tätigkeit bis zum Jahre 119 fortgesetzt. Die Unveräußerlichkeit der neuen Bauernstellen wurde jedoch bald aufgehoben, und die Lex Thoria verbot weitere Landanweisungen, die possessores erhielten ihren Anteil am ager publicus als volles Eigentum gegen Entrichtung einer geringen Abgabe. Den Schlußstrich aber zog ein Gesetz (vom Jahre 111?), das sowohl das okkupierte wie das assignierte Land des ager publicus zum Privateigentum erklärte. Die Kolonie Junonia wurde jedoch bald wieder aufgehoben, an ihrer Statt in Südgallien die Kolonie Narbo Martius (Narbonne) gegründet (118 oder 117 v. Chr.). Der Kampf der Gracchen war also nicht ganz umsonst gewesen, eine große Zahl von capite censi hatte Landzuweisungen erhalten, und selbst der Senat hatte sich der Notwendigkeit agrarischer Reformen nicht ganz verschließen können. Aber das Agrarproblem ist weiterhin in der Schwebe geblieben, es hat immer wieder sein Haupt erhoben, es ist in Rom niemals gelöst worden.
Die Sklavenkriege: Im Zeitalter der Gracchen ist zum ersten Male auch das Sklavenproblem für den römischen Staat zu einer Gefahr geworden. Die römischen Feldzüge im Osten, vor allem die Kriege gegen Makedonien und das Seleukidenreich, hatten die Zahl der Sklaven in Italien beträchtlich vermehrt. Das flache Land hatte einen großen Bedarf an Arbeitskräften, zumal die Zahl der freien Bauern zurückging. Zum Einsatz gelangten die Sklaven vor allem auf den großen Latifundien. Im übrigen ist aber die Sklavenfrage keineswegs nur ein Kennzeichen Roms und Italiens, sie gehört vielmehr in den Rahmen einer Gesamtgeschichte des Mittelmeerraums, mag die soziale Lage der Sklaven im Osten und in Griechenland auch anders gewesen sein als in Italien. Es existierten jedoch unzählige Kanäle, durch welche die Sklaven des Ostens und des Westens miteinander in Verbindung treten konnten, und in der Tat sind die Sklavenaufstände ohne diese Kommunikation historisch kaum zu verstehen.
Ganz verfehlt wäre es jedoch, in den Aufständen der Sklaven, der unfreien Arbeiter, den Beginn eines regelrechten Klassenkampfes zu sehen. Die Sklaven haben sich nie und nirgends erhoben, um die Sklaverei als Institution abzuschaffen. Vielmehr wandten sie sich gegen die teilweise unmenschliche Behandlung, sie erstrebten eine Verbesserung ihrer Lage, zum mindesten aber Verständnis für ihre soziale Situation. Von der Idee der Weltrevolution kann keine Rede sein, daher sind die immer wieder gezogenen Parallelen zur modernen Entwicklung nicht nur schief, sondern sogar ganz unhaltbar. Richtig ist allerdings, daß vielfach die Nichtbesitzenden, und unter ihnen vor allem weite Kreise der kleinen Handwerker, mit den Sklaven sympathisierten. Der Gegensatz ist vielfach nicht Sklaven und Nichtsklaven, sondern Besitzende und Habenichtse. Doch kann von irgendeiner gemeinsamen Ideologie nirgends die Rede sein. Ist es ein reiner Zufall, wenn die Sklavenbewegungen in der antiken Welt etwa um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. einsetzen? Stehen die Sklavenaufstände in Zusammenhang mit den Erhebungen der einheimischen Völker in Palästina (Aufstand der Makkabäer, seit 166), in Ägypten, vielleicht sogar in Spanien (seit 154)? Haben sich Nationalismus und soziale Probleme miteinander verbunden? Auf jeden Fall treten die Sklaven gelegentlich in nationalen Gruppen auf. So haben sich auf Sizilien vor allem die syrischen Sklaven zusammengeschlossen.
Schon die Erhebung des Andriskos in Makedonien (149-147), aber auch die Umwälzungen im Achäischen Bund unmittelbar vor der letzten Auseinandersetzung mit den Römern zeigen gewisse Züge, die unverkennbare Ähnlichkeit mit Vorgängen der etwas späteren Sklavenaufstände aufweisen: das flache Land wird durch Banden von Abenteurern in Furcht und Schrecken versetzt, das Eigentum der Reichen wird geplündert, überall dringt der Bodensatz der Bevölkerung an die Oberfläche, die Besitzenden werden drangsaliert und von Haus und Hof vertrieben. Dazu sind im Achäischen Bunde unter der Führung des Strategen Kritolaos viele Tausende von Sklaven freigelassen worden (angeblich 12000).
Der erste Sklavenstaat, von dem die Geschichte kündet, hat sich im Jahre 135 in Sizilien gebildet. Ein syrischer Sklave namens Eunus stellte sich an die Spitze seiner Genossen; er bemächtigte sich der Stadt Henna im Zentrum der Insel, ließ sich zum König ausrufen und nannte sich Antiochos. Sein Volk aber bezeichnete er als «Syrer». Was Eunus-Antiochos hier zu errichten versuchte, war offensichtlich ein hellenistisches Königtum und ein hellenistischer Staat nach dem Vorbild der Seleukiden. Gegen die sizilischen Sklaven konnten sich die Römer erst nach mehreren Jahren durchsetzen. P. Rupilius (Consul 132) zog den Schlußstrich, er eroberte die Stadt Tauromenion zurück, die von den Sklaven besetzt worden war. Die Römer ließen den Sklavenkönig Eunus-Antiochos am Leben, auch sonst verlautet nichts von Hinrichtungen. Offenbar wollte man die Latifundien nicht ihrer besten Arbeitskräfte berauben. Die Gesamtzahl der am ersten sizilischen Sklavenaufstand Beteiligten soll nicht weniger als 70000 betragen haben. Die Unruhen hatten übrigens auch auf Italien übergegriffen. In Rom, Sinuessa und Minturnae kam es zu Erhebungen, in Minturnae sollen 450 Sklaven den Kreuzestod erlitten haben. Auch die Unruhen in Athen und auf Delos stehen wahrscheinlich mit den Ereignissen in Sizilien in
Zusammenhang.
Nahezu zur gleichen Zeit (133 v. Chr.) erhoben sich die Sklaven, zusammen mit dem freien Proletariat (duloi kai aporoi), im westlichen Kleinasien. Attalos III., der letzte Herrscher des pergamenischen Reiches (138-133), hatte sein Reich bei seinem Ableben durch Testament den Römern vermacht. Ein illegitimer Sohn des Herrschers, Aristonikos (auf den Münzen nannte er sich Eumenes), gewann die Sklaven und die untersten Schichten des Bürgertums für sich. Er nannte seine Untertanen die «Heliopoliten», wohl im Hinblick darauf, daß die Sonne (Helios) als die Schirmherrin der Gerechtigkeit betrachtet wurde. Die Erhebung blieb aber im wesentlichen auf das flache Land beschränkt, von den Griechenstädten des pergamenischen Reiches hat sich aus freien Stücken einzig und allein Phokaia dem Aristonikos angeschlossen. Die Römer waren zunächst gegenüber dem Aufstand vollständig machtlos, erst nachdem die benachbarten Herrscher von Bithynien, Paphlagonien, Pontos und Kappadokien als römische Bundesgenossen in den Krieg eingriffen, wandte sich allmählich das Blatt. Aber noch im Jahre 130 erlitt P. Licinius Crassus Mucianus eine schwere Niederlage (bei Leukai), der Römer wurde auf der Flucht ereilt und von thrakischen Söldnern des Aristonikos getötet. Die Kämpfe wurden noch in dem gleichen Jahre durch M. Perperna, den Nachfolger des Crassus, entschieden, Aristonikos, der sich nach Stratonikeia geflüchtet hatte, mußte sich den Römern ergeben, er wurde nach Rom geschafft und hier im Gefängnis erdrosselt (129). In dem gleichen Jahre wurde der Krieg in Kleinasien durch M'.Aquillius beendet.
Auch nach den Aufständen in Sizilien und Westkleinasien ist die Zahl der Sklaven weiterhin angestiegen. Es ist vor allem die Seeräuberei im Mittelmeer gewesen, die den Märkten immer neue Sklavenmassen zugeführt hat. Als Marius im Jahre 104 den König von Bithynien aufforderte, Hilfstruppen für den Kimbernkrieg zu stellen, da mußte der Römer hören, die meisten
Bithyner seien als Sklaven von den römischen Publicani verschleppt worden. Der Senat faßte darauf den Beschluß, die Statthalter sollten dafür sorgen, daß nicht die Angehörigen eines mit Rom verbündeten Staates in den Provinzen als Sklaven gehalten würden. In Sizilien sind daraufhin innerhalb weniger Tage 800 Sklaven in Freiheit gesetzt worden, mit dem Ergebnis, daß sich die Eigentümer beschwerten und die Aktion alsbald eingestellt wurde. Auch in Italien war man vor weiteren Erhebungen der Sklaven nicht sicher. Im Jahre 104, noch vor dem Ausbruch des zweiten großen sizilischen Sklavenaufstandes, zettelte ein römischer Ritter, T. Minucius Vettius, eine Erhebung von Sklaven in Nuceria und Capua an, 3000 Sklaven sollen daran teilgenommen haben. Zum Glück für die Römer konnte die Bewegung unterdrückt werden, bevor es in Sizilien wieder unruhig wurde.
An dem zweiten großen Sklavenaufstand in Sizilien (104-101 v. Chr.) sind viele Tausende von Unfreien beteiligt gewesen. Sie wählten aus ihrer Mitte Salvius zum König, andere dagegen scharten sich um einen kilikischen Sklaven namens Athenion. Beide Gruppen schlossen sich zusammen, Salvius nannte sich von nun an Tryphon, wahrscheinlich nach dem Vorbild des syrischen Usurpators aus den Jahren 142/41 v. Chr., Athenion figurierte als Tryphons Stratege. In Triokala schlug der Sklavenkönig seine Residenz auf. Im übrigen vereinigen sich in seinem Königtum hellenistische mit römischen Zügen. So hat Tryphon beispielsweise die Tracht des römischen Triumphators angenommen. Nach seinem Tode im Jahre 102 ging der Oberbefehl auf Athenion über. Er hat mit großer Tapferkeit gegen die Römer gekämpft. Erst als M'. Aquillius (Consul 101) das Kommando übernahm, ging es mit den Sklaven bergab, Athenion fiel im Zweikampf gegen den römischen Oberfeldherrn. Auch in Sizilien hatte die ärmere Bevölkerung (hoi äporoi) die Partei der Sklaven ergriffen.
Der letzte und größte italische Sklavenaufstand gehört erst der nachsullanischen Zeit an (73-71 v. Chr.). Er trägt seinen Namen nach dem thrakischen Sklaven Spartacus. Dieser war mit einer Anzahl Genossen aus einer Gladiatorenschule in Capua entflohen, er fand bald großen Anhang und vermochte sich gegen mehrere römische Heere durchzusetzen. An der Spitze von 7000 Sklaven gewann er die Städte Nola, Nuceria, Thurii und Metapont. Selbst gegenüber zwei consularischen Heeren von mindestens vier Legionen konnte er sich im Jahre 72 im Felde behaupten. Dies aber erhöhte sein Ansehen so sehr, daß er weiteren reißenden Zulauf fand; angeblich soll er 60000 Menschen um sich versammelt haben. Das Zentrum seiner Macht lag in Lukanien. Von dort aus trat er in Verbindung mit den kilikischen Seeräubern, sie ließen ihn aber im Stich, als er ihre Hilfe in Anspruch nehmen wollte, um mit seinen Anhängern nach Sizilien überzusetzen. Der Proconsul M'. Licinius Crassus, der spätere Triumvir, ließ in Bruttium von einem Meer zum andern einen Wall mit Graben errichten, von einer Länge von insgesamt 55 km (entweder bei Thurii oder in der Nähe von Scolacium). Aber Spartacus durchbrach das Befestigungswerk; in der Nähe der Silarusquelle, in Lukanien, wurde er jedoch gestellt, sein Heer geschlagen, er selbst fand den Soldatentod auf dem Schlachtfeld. 6000 gefangene Sklaven sollen an der Via Appia zwischen Rom und Capua gekreuzigt worden sein.
Unter den Sklavenführern ist Spartacus mit Abstand die bedeutendste Persönlichkeit. Er hat sich aus den bunt zusammengewürfelten Sklavenhäufen ein Machtinstrument geschmiedet, mit dem er selbst den kampfgeübten römischen Legionen die Spitze bieten konnte. Außerdem hielt er auf Ordnung, Ausschreitungen versuchte er zu verhindern. Wenn dennoch zahlreiche Greueltaten vorgekommen sind, so erklärt sich dies aus der Situation der Sklaven, die im Falle einer Niederlage nicht mit Pardon rechnen konnten. Übrigens hatte Spartacus seinen Untergebenen den Besitz von Gold und Silber verboten. Vom Privateigentum hielt er offenbar nichts. Der von ihm ins Leben gerufene Sklavenstaat, ein interessantes historisches Experiment, war auf Raub und Beute gegründet, mit den Schätzen erkaufte er sich die Dienste der kilikischen Seeräuber. Das Ziel seiner Bestrebungen war eine Besserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Sklaven, mit denen sich viele Entrechtete und Unterdrückte aus dem Bürgerstand und dem Bauerntum vereinigt hatten. Die Mehrzahl der Sklaven hatte allerdings keine andere Sehnsucht, als möglichst bald wieder in die Heimat zurückzukehren, von woher man sie zwangsweise nach Italien verschleppt hatte. Die Gründung eines eigenen Staates in Italien oder in Sizilien interessierte sie nicht.
Wenige Jahre nach dem Tode des Spartacus zog Pompejus in den Seeräuberkrieg (67). Der Krieg war geradezu eine erlösende Tat, sie wurde im gesamten Mittelmeerraum, nicht zuletzt auch in Italien, mit Freuden begrüßt. Der Sieg des Pompejus beseitigte die Voraussetzungen für weitere Sklavenerhebungen. Damit war ein gefährlicher Zündstoff aus der Welt geschafft, in Italien und in Sizilien, aber auch in Griechenland und Kleinasien, konnten die Bürger wieder ruhig schlafen, ohne den Ausbruch neuer Unruhen und Umwälzungen befürchten zu müssen. Nur noch ein einziges Mal hat Italien die Erschütterungen einer sozialen Revolution von ferne verspürt: es war die Verschwörung des L. Sergius Catilina (63). Aber eine mit Spartacus zu vergleichende Gefahr war Catilina nicht, mochte Cicero auch anderer Ansicht sein (s. S. 179).
Die Sklavenaufstände erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren, von 135 bis 71 v. Chr. In dieser Zeit ist die römische Republik durch zwei auswärtige Kriege, den Jugurthinischen Krieg und den Kimbernkrieg, auf eine harte Probe gestellt worden. Von ihnen gehört der Jugurthinische Krieg (111-105), genauso wie die spanischen Kriege der Römer (s. S. 124 ff.), in einen weiteren Zusammenhang. In Spanien und in Afrika handelt es sich um nationale Erhebungen, ähnlich wie bei dem Makkabäeraufstand des Jahres 166. Rom hat den Aufstand der Juden gegen die Seleukidenherrschaft mit Genugtuung verfolgt, ohne zu ahnen, daß auch im Westen ähnliche Bewegungen der einheimischen Völker vor der Tür standen. Für die Ideen des Nationalismus gibt es keine Grenzen. Dazu kommt, daß die griechische Sprache und der griechische Geist den Ideen Flügel verliehen hatten, die sie zum Fluge von Vorderasien nach Spanien und Afrika befähigten.
Auf die Befriedung der iberischen Halbinsel folgten zunächst kriegerische Aktionen der Römer in Südgallien. Hier ist endlich eine Landverbindung zwischen Italien und Spanien geschaffen worden. Da sich die römische Kriegskunst den Kelten als überlegen erwies, sind hier fast nur römische Siege zu verzeichnen: in den Jahren von 125-122 kämpften die Römer gegen die Alpenvölker der Salluvier und Vokontier, im Jahre 122 errichteten sie das Kastell Aquae Sextiae (Aixen-Provence). Auch die Allobroger mußten die Überlegenheit der römischen Waffen anerkennen. Aus ihrem Gebiet und dem der Volker bildete Cn. Domitius Ahenobarbus im Jahre 121 eine neue Provinz, ihr Mittelpunkt war Tolosa (Toulouse). Mit der Via Domitia schuf er außerdem eine längst notwendige Landverbindung zwischen der unteren Rhone und den Pyrenäen (Perthus). Mit den Häduern hatten die Römer Freundschaft geschlossen, zu Massilia standen sie seit langem in besten Beziehungen. Der Durchdringung Galliens durch die römische Kultur waren damit Tür und Tor geöffnet. Die erste Phase der römischen Expansion in Südgallien fand mit der Gründung der Kolonie Narbo Martius (Narbonne), im Jahre 118 oder 117, ihren Abschluß (s. S. 134).
Wenige Jahre zuvor (123-122) hatte Q. Caecilius Metellus die Inseln der Balearen in den römischen Herrschaftsbereich miteinbezogen. Hier entstanden die Kolonien Palma und Pollentia, in denen sich Italiker aus den spanischen Provinzen niederließen. Vorher waren die Balearen Stützpunkte der
Seeräuber im westlichen Mittelmeer gewesen. Von nun an dienten viele ihrer Einwohner als Schleuderer in den römischen Auxilien.
Der Jugurthinische Krieg (111-105) trägt seinen Namen nach dem Prinzen Jugurtha von Numidien. Neben dem Lusitanier Viriatus ist er einer der bedeutendsten Gegner Roms im 2. Jh. v. Chr. Infolge des Verlustes der Primärquellen ist der Jugurthinische Krieg in mancher Hinsicht schwer zu beurteilen. Dies gilt in erhöhtem Maße für die Motive der handelnden Personen, insbesondere für Jugurtha, an dem die römische Geschichtsschreibung kein gutes Haar gelassen hat. Für Sallust ist der Krieg das große Beispiel, an dem er den römischen Sittenverfall dargestellt hat. Die Strategie der römischen Nobiles, insbesondere das Verhalten des Q. Caecilius Metellus, hat Sallust nicht nur sehr einseitig, sondern vielfach geradezu ungerecht beurteilt. In Sallusts Werk hat zweifellos seine Abneigung gegen die Optimaten Spuren hinterlassen, es ist deswegen aber keineswegs wertlos, nur muß es mit Kritik benutzt werden. Auf die Chronologie Sallusts ist freilich nicht immer Verlaß. Nicht zu übersehen ist, daß Sallust Africa aus eigener Anschauung gekannt hat, er ist sogar Statthalter der Provinz Africa Nova gewesen.
Beim Tode des Massinissa (149/48) erstreckte sich das numidische Reich im Osten bis an die Arae Philaenorum, die alte Landgrenze zwischen der Cyrenaica und Karthago, im Westen bis an den Fluß Mulucha. Aus dem karthagischen Restgebiet hatten die Römer im Jahre 146 die Provinz Africa gebildet. Wie Massinissa so hatte sich auch sein Sohn Micipsa bemüht, Griechen und Italiker ins Land zu ziehen, Micipsa war selbst ein halber Gelehrter. Als er im Jahre 118 verstarb, erbten seine Söhne Adherbal und Hiempsal, dazu der von Micipsa adoptierte Neffe Jugurtha das Reich. An geistiger Bedeutung und Regsamkeit war Jugurtha seinen beiden Vettern weit überlegen, durch seinen Kriegsdienst vor Numantia verfügte er über zahlreiche Verbindungen zur römischen Nobilität. Das Ziel des Jugurtha war die Alleinherrschaft in dem numidischen Königreich. Zuerst mußte sein Vetter Hiempsal sterben, dann kam es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Adherbal. Eine römische Senatskommission verfügte die Teilung des Königreiches (117 oder 116), Jugurtha aber zog durch seine Beziehungen zu dem Haupt der Zehnerkommission, L. Opimius, das bessere Los, ihm wurde der Westen, Adherbal der Osten zugesprochen. Die Eintracht dauerte aber nicht lange, Jugurtha griff erneut zu den Waffen, Adherbal wurde in Cirta belagert und nach vollzogener Kapitulation getötet, obwohl ihm Jugurtha das Wort gegeben hatte, ihn zu verschonen. Bei der Einnahme Cirtas war auch eine Anzahl italischer negotiatores ums Leben gekommen, sie hatten sich an der Verteidigung der Mauern gegen Jugurtha beteiligt. Aber erst nachdem Jugurtha zwei römische Gesandtschaften mit leeren Redensarten abgespeist hatte, erklärte Rom ihm den Krieg (Frühjahr 111). Die militärischen Führer, der Consul L. Calpurnius Bestia und sein Legat M. Aemilius Scaurus, ließen sich durch den Numider bestechen und schlossen mit ihm einen Vertrag, ehe der Krieg richtig begonnen hatte. In Rom war die Empörung groß, der Senat zitierte Jugurtha, ein Verhör fand jedoch nicht statt, anstattdessen ergriff der schlaue Afrikaner die Gelegenheit, einen Enkel des Massinissa, mit Namen Massiva, in Rom umbringen zu lassen, worauf Jugurtha aus Rom ausgewiesen wurde. Auch die Jahre 110 und 109 waren Unglücksjahre für Rom. Der Consul Sp. Postumius Albinus und sein Bruder Aulus erlitten im Felde eine Niederlage, darauf räumten sie Numidien, nachdem sie zuvor ein Bündnis mit Jugurtha abgeschlossen hatten. Erst mit dem neuen Oberkommandierenden, dem Consul Q. Caecilius Metellus, kam ein frischer Wind in die römische Kriegführung, Jugurtha zog in einem Treffen am Muthul (Nebenfluß des Bagradas) den kürzeren, auch die Stadt Thala fiel in römische Hand. Im übrigen ging aber der Numider größeren Kampfhandlungen aus dem Wege, er führte einen für die Römer aufreibenden Wüstenkrieg. Die Römer gingen dagegen zu einer rücksichtslosen Kriegführung über, mit der sie sich viele Sympathien in Afrika verscherzten. Außerdem kam es wiederholt zu Mißhelligkeiten zwischen dem adelsstolzen Metellus und seinem Legaten C. Marius, der die Kriegführung seines Vorgesetzten offen zu kritisieren wagte. Erst im allerletzten Augenblick gewährte ihm Metellus den Urlaub, den Marius brauchte, um sich in Rom um das Consulat zu bewerben. Die Comitien wählten ihn zum Consul und übertrugen ihm den Oberbefehl im Kriege gegen Jugurtha. Wer aber war Marius? Als Sohn eines römischen Ritters in Arpinum geboren (im Jahre 157?), hatte er sich im Numantinischen Krieg die Sporen verdient, hier hatte er die Anerkennung des Scipio Aemilianus gefunden. Die Grundlage zu seinem Vermögen schuf er sich jedoch als Steuerpächter (publicanus), der Einsatz seines großen Reichtums verhalf ihm, schon in vorgerücktem Alter, im Jahre 115, zur Prätur, darauf verwaltete er das Jenseitige Spanien. Hatte er vorher als Schützling der Metelli gegolten, so fand er durch seine Vermählung mit Julia, der Schwester von Caesars Vater, Zugang zu einer anderen vornehmen Familie der Nobilität. Marius war ein Soldat durch und durch, an sich selbst und an seine Untergebenen pflegte er die höchsten Anforderungen zu stellen, Treue und Diensteifer wußte er großzügig zu belohnen, so daß sich sein Ruhm bald in ganz Italien verbreitete und ihm zahlreiche Freiwillige zuführte. Indem er bei den Aushebungen zu den Ärmsten, den capite censi, herabstieg, veränderte er die Struktur des römischen Heeres von Grund auf, er schuf sich eine ihm auf Tod und Leben verschworene Mannschaft, die für ihn durchs Feuer ging. Dieser Mann übernahm (im Sommer 107) das Heer des Metellus in Utica. Mit einem geglückten Überfall auf die Stadt Capsa nahmen die Operationen ihren Anfang. Im folgenden Jahre (106) drangen die Römer bis zur Westgrenze Numidiens vor, doch erst im Jahre 105 konnte der Krieg mit Hilfe des Bocchus, des Königs von Mauretanien, beendet werden, er lockte seinen Schwiegersohn Jugurtha an seinen Hof und lieferte ihn an die Römer aus. Die entscheidenden Verhandlungen mit Bocchus hatte L. Cornelius Sulla, der Quästor des Marius, geführt. Die westlichen Gebiete Numidiens wurden dem Bocchus gegeben, den Rest des Königreichs erhielt Gauda, der Sohn des Mastanabal, Tripolitanien fiel an die römische Provinz Africa. Am 1. Januar 104 trat Marius in Rom sein zweites Consulat an, an dem gleichen Tage gingen Jugurtha und seine beiden Söhne vor dem Triumphwagen des Marius, wenige Tage später wurde der Numiderkönig im römischen Staatsgefängnis, dem Tullianum, erdrosselt.
Die Kennzeichen des Jugurthinischen Krieges sind Brutalität und Grausamkeit, und zwar auf beiden Seiten, die Römer sind dem Jugurtha nichts schuldig geblieben. Aber Rom durfte nicht nachgeben, es standen nicht allein wichtige kommerzielle Interessen auf dem Spiel, Rom mußte vor allem befürchten, daß sich hier, Seite an Seite mit der römischen Provinz, ein Staat bildete, der eines Tages die Führerschaft in Afrika an sich reißen und so eine späte Rache an den Römern für die Zerstörung Karthagos nehmen könnte. Anderseits hat Jugurtha in einer vorher nicht gekannten Weise die Spannungen innerhalb der Nobilität für sich ausgenutzt, er besaß in Rom zahlreiche Vertrauensleute, die ihn über die geringsten Änderungen der öffentlichen Meinung sofort ins Benehmen setzten. Den Bestand des römischen Imperiums hatte der Krieg nicht berührt, er war aber je länger desto mehr zu einem Ärgernis geworden, das dem römischen Ansehen (maiestas populi Romani) in aller Welt großen Schaden zufügte. Der afrikanische Krieg hatte gezeigt, daß die Zeit des alten Volksheeres ex classibus vorüber war; siegreich zu Ende geführt wurde der Krieg vor allem durch Freiwillige unter den Fahnen des Marius. Diese Männer aber fühlten sich weniger der res publica als vielmehr dem Feldherrn
persönlich verbunden.
Seit der Niederlage von Arausio (105) stand Rom unter dem Schrecken vor den Kimbern und Teutonen. Es war das erste Mal, daß germanische Völker in den Kreis des Mittelmeerraumes eingetreten sind, wenn die Römer sie auch noch nicht als Germanen erkannt haben. Dies gilt übrigens auch für Poseidonios, der sehr eindrucksvolle Schilderungen der Kimbern gegeben hat. Die Heimat der Kimbern ist Jutland, hier erinnern die Namen Himmerland (andere Form: Himbersyssael) in der Nähe von Aalborg noch heute an die Kimbern. Auch die Teutonen stammen aus dem Norden, und zwar wahrscheinlich aus Westholstein. Ihnen hatten sich die Völker der Ambronen und der Haruden (in Jutland) angeschlossen. Nach Poseidonios wären es Sturmfluten gewesen, welche die Kimbern aus ihrer Heimat vertrieben hätten. Über den Weg, den die Kimbern von der Nordseeküste bis an die mittlere Donau zurückgelegt haben, besteht im einzelnen keine Sicherheit. Wahrscheinlich sind sie die Elbe aufwärts und über den Kulmer Stieg nach Böhmen gezogen, von den Bojern verdrängt nach Schlesien ausgewichen und von hier durch die Mährische Pforte an die Donau gelangt. Vor 113 sind sie jedenfalls im Land der keltischen Skordisker, in Bosnien, nachweisbar. Auch von diesen zurückgewiesen, wandten sie sich nach Noricum zu den Tauriskern. Damit waren sie in die Nähe der römischen Nordostgrenze gekommen. Die Römer entsandten ein Heer unter dem Consul Cn. Papirius Carbo mit dem Auftrag, die Alpenpässe gegen die Nordvölker zu sichern. Papirius Carbo griff die Kimbern bei Noreia an (August/September 113), wurde jedoch vollständig geschlagen. Der Ort der Schlacht ist wie die Lokalisation Noreias bis heute umstritten. In Betracht kommt wohl vor allem das obere Savetal bei Krainburg, das Klagenfurter Becken scheint zu weit entfernt. Die Kimbern wandten sich daraufhin nicht nach Italien, sondern nach Süddeutschland zu den Helvetiern, die damals im Raum zwischen dem unteren Main und der Nordschweiz wohnten. Im
Jahre 110 erschienen sie in Gallien; zwei helvetische Gaue, die Tougener und die Tiguriner, hatten sich ihnen angeschlossen. Sie erbaten von den Römern in Südgallien Land zur Ansiedlung. Die Römer ließen sich jedoch nicht auf Verhandlungen ein, der Consul M. Junius Silanus griff die Germanen an, wurde aber vollständig geschlagen (109). Auch in den folgenden Jahren setzten sich die römischen Niederlagen fort, und am 6. Oktober 105 kam es zu einer Katastrophe bei Arausio (Orange). Die Kimbern nahmen hier furchtbare Rache, Tausende von römischen Gefangenen wurden aufgehängt, die Rosse ertränkt, die Beutestücke zerstört oder ins Wasser geworfen. Die römische Niederlage war nicht zuletzt das Ergebnis der Uneinigkeit zwischen den römischen Befehlshabern, Q. Servilius Caepio und Cn. Mallius Maximus. Zum Glück für die Römer wandten sich die Kimbern nun nach Spanien, hier stießen sie jedoch auf harten Widerstand bei den wehrhaften keltiberischen Völkerschaften, so daß sie wieder umkehren mußten. Die Teutonen hatten sich vorher von den Kimbern getrennt und waren nach Nordgallien gezogen. Einer ihrer Stämme, die Atuatuker, siedelte sich im Räume von Tongern inmitten der Beiger an.
In Rom aber richteten sich alle Hoffnungen auf Marius. In den Jahren von 104 bis 101 wurde er nicht weniger als viermal zum Consul gewählt, ein Ereignis ohne Beispiel in der römischen Geschichte. Aber Mars regierte die Stunde in Rom, und seine Verkörperung war Marius. Er schuf sich aus den Veteranen des Afrika-Krieges und aus neuen begeisterten Freiwilligen ein schlagkräftiges Heer, das in ständiger Übung gehalten wurde. Unter seinen Offizieren waren auch die später so berühmten Sulla und Sertorius. In den Jahren zwischen 104 und 101 ließ Marius die Rhone durch einen Kanal mit dem Meere verbinden (fossa Mariana). Dieser umging die Sandbänke im Mündungsgebiet der Rhone, er hat sich für die Verproviantierung des Heeres als wichtig erwiesen. Die germanischen Völker aber zogen getrennt nach dem Süden, um in Italien einzufallen. So überschritten die Kimbern mit den Tigurinern im Frühjahr 102 den Rhein, mit dem Ziel, die Ostalpen zu übersteigen, während die Teutonen und Ambronen den Weg durch Südgallien über die Westalpen einschlagen wollten. Sie berannten sechs Tage lang vergeblich das Lager des Marius, dann zogen sie an ihm vorüber, sie wurden aber durch Marius eingeholt und geschlagen, zuerst die Ambronen, dann die Teutonen. Die Kämpfe spielten sich in der Nähe von Aquae Sextiae (Aixen-Provence) ab und dauerten drei oder vier Tage an (Oktober/November 102). Der König der Teutonen, Teutobod, geriet in Gefangenschaft, die germanischen Frauen, 300 an der Zahl, gaben sich selbst den Tod. Wie es heißt, erreichten Marius auf dem Schlachtfeld Boten aus Rom, die seine Wahl zum fünften Konsulat verkündeten. Die Kimbern hatten inzwischen die Alpen (wahrscheinlich durch das Pustertal) überschritten, in der Nähe von Verona, vielleicht auf dem Plateau von Rivoli, erwartete sie ein römisches Heer unter Q. Lutatius Catulus. Aber die Kimbern erzwangen mit großem Elan den Übergang über die Etsch, Catulus mußte seine Stellung räumen. Damit waren große Teile der Po-Ebene den Germanen preisgegeben. Im Frühjahr 101 vereinigte Marius sein Heer mit den Legionen des Catulus, in einer Zusammenkunft mit dem König Boiorix wurde der 30. Quinctilis (Juli) als Tag der Schlacht, die Campi Raudii (wohl am unteren Po, zwischen Rovigo und Ferrara) als Kampfplatz festgesetzt. Wiederum erwies sich die römische Taktik als überlegen, die Germanen standen gegen die Sonne und den Staub eines unendlich heißen Julitages. Der endgültigen Niederlage der Kimbern gingen Schreckensszenen in der Wagenburg voraus, die Todesverachtung der germanischen Frauen machte selbst auf die Römer einen tiefen Eindruck. Angeblich sollen 60000 Kimbern in Gefangenschaft geraten sein, insgesamt soll Marius nach seinen Siegen bei Aquae Sextiae und auf den Raudischen
Feldern 150000 Germanen in die Sklaverei abgeführt haben.
Der Untergang der germanischen Völker hatte verschiedene Gründe. Einmal waren sie der Strategie des Marius nicht gewachsen, außerdem nahmen sie zu wenig Rücksicht aufeinander, so daß ihre Operationen zu sehr auf den Zufall abgestellt waren. Wo sie auch immer auftraten, ließen sie die schlimmsten Verheerungen zurück, ganz besonders in Gallien. Nirgendwo ist es den Germanen gelungen, sich die Gunst der Wirtsvölker zu erringen, im Gegenteil, diese riefen ihrerseits wiederholt die Römer gegen die Eindringlinge zur Hilfe. Zweifellos waren sie auch für Rom eine große Gefahr, zumal die Kämpfe ungefähr mit dem Jugurthinischen Krieg und mit dem zweiten Sklavenkrieg (104-101) zusammenfielen. Es ist vor allem das Verdienst des Marius, wenn die Kimberngefahr gebannt werden konnte. Wahrscheinlich ist Marius auch der Schöpfer einer neuen Taktik, es ist die Kohortentaktik, die nun an die Stelle der Manipulartaktik getreten ist. Wie es scheint, hat Marius die Kohorte zur Gefechtseinheit gemacht; damit wurde eine beweglichere Kampfesführung angebahnt, auf den Schlachtfeldern der Provence und Oberitaliens hat sie zum ersten Male ihre Feuerprobe bestanden. In mancher Beziehung ist das Heer des Marius ein Vorläufer des Heeres der Kaiserzeit, auch darin, daß Marius den Legionen die Adler als Feldzeichen verliehen hat. Die kriegerischen Erfolge der Römer spiegelten sich in den Triumphen der Jahre 101 und 100 v. Chr. Während Marius einen Triumph über die Numider, die Ambronen, Teutonen und Kimbern feierte, triumphierte sein Rivale Q. Lutatius Catulus gleichfalls über die Kimbern (101 v. Chr.). Das folgende Jahr sah den Triumph des M. Antonius über die kilikischen Seeräuber, dazu den kleinen Triumph (ovatio) des M'. Aquillius über die sizilischen Sklaven und die entsprechende Siegesfeier des T. Didius über die Skordisker. Marius aber, der Rom vom Kimbernschrecken befreit hatte, überstrahlte alle anderen. Es war kein Wunder, wenn die Römer
ihn als den neuen Gründer der Stadt begrüßten.
16. Die Unruhen der marianischen Zeit und der Bundesgenossenkrieg (103-89
v. Chr.)
Die Unruhen im Zeitalter des Marius stehen in Zusammenhang mit den Kämpfen der Optimaten und Populären in Rom. Bei diesen Gruppen handelt es sich nicht um Parteien irgendwelcher Art, sondern um politische Gefolgschaften, die mit ihren Führern auf Gedeih und Verderb verbunden sind. Die römische Aristokratie hat in diesem Zeitalter versucht, ihre Privilegien gegen den Ansturm einer volksfreundlichen Richtung zu verteidigen. Die Kräfte, die man in der gracchischen Revolution noch einmal, wenn auch mit großer Mühe, gebändigt hatte, strebten trotz allem nach oben. Mit der populären Bewegung verbindet sich das Bundesgenossenproblem. Die Gracchen hatten es zum ersten Mal als solches erkannt, sie hatten es aber wegen des Widerstands der Gegner nicht lösen können. Marius stand, wenigstens äußerlich, auf der Seite der Populären. Er verfügte über ein ihm treu ergebenes Heer. Die Gegner hatten daher einen äußerst schweren Stand, um so mehr, als zu ihnen die Feldherrn gehörten, deren Namen mit den Niederlagen im Jugurthinischen Krieg und in den Kimbernkriegen belastet waren. So war der Verlierer in der Schlacht bei Arausio, der Consular Q. Servilius Caepio, in Rom wegen des verschwundenen aurum Tolosanum vor Gericht gestellt worden, er mußte in die Verbannung gehen und verlor obendrein noch sein Vermögen (103). Nicht anders erging es dem Cn. Mallius Maximus. Beide Prozesse sind nur aus der Kimbernpsychose verständlich. Marius aber war, vor allem im Hinblick auf die Versorgung seiner Soldaten, auf die Hilfe der Volkstribunen geradezu angewiesen. Es waren dies insbesondere L. Appulejus Saturninus und C. Servilius Glaucia, die ihm dazu die Hand reichten. Der erste von ihnen, L. Appulejus, stammte aus dem Kreise der Nobilität, er hatte aber in seiner Laufbahn Schiffbruch erlitten und sich ganz den Populären zugewandt. C. Servilius war dagegen von unten aufgestiegen, er hatte die Ritter gegen die Senatoren ausgespielt, was ihm diese mit bitterem Haß vergolten haben. Seit dem Jahre 104 arbeiteten die beiden eng miteinander zusammen, im Jahre 103 setzten sie die Wahl des Marius zum vierten Consulat für das nächste Jahr durch. Saturninus' erstes Tribunat begann am 10. Dezember 104, sein zweites Tribunat drei Jahre später. Die Überlieferung läßt es nicht zu, seine verschiedenen Gesetzesanträge mit Sicherheit auf das eine oder das andere Tribunatsjahr zu verteilen. Es spricht jedoch manches dafür, daß die rogatiofrumentaria in das erste Tribunat des Saturninus gehört. Der Antrag bestimmte die Verteilung von Korn an die stadtrömische Plebs zu dem erstaunlich niedrigen Preis von 5/6 as für den Modius. Aber es gab heftigen Widerstand, ausgehend von dem Quästor Servilius Caepio. Dieser Mann verhinderte die Abstimmung, so daß die rogatio keine Gesetzeskraft erhielt. Auch die lex de maiestate gehört wohl in das gleiche Jahr (103). Mit ihrer Hilfe konnte jeder belangt werden, der sich einen Verstoß gegen die maiestas populi Romani zuschulden kommen ließ. Dieses Gesetz hat man wohl auch gegen den mutigen Quästor angewandt. Um die Veteranen des Marius in Afrika zu versorgen, wurde ein Ackergesetz erlassen; es bestimmte, daß jeder Soldat bei seiner Entlassung ein Landstück von 100 iugera erhalten sollte. Die Soldaten wurden südlich des Bagradas angesiedelt, die Städte aber nannten sich fortan mit Stolz coloniae Marianae.
Eine sehr viel umfangreichere Tätigkeit entfaltete Saturninus in seinem zweiten Tribunat (100 v. Chr.). In diesem Jahr war Marius zum sechsten Mal Consul, während Glaucia die Prätur bekleidete. Wieder stand die Frage der Veteranenversorgung im Vordergrund. In verschiedenen Provinzen des Imperiums wurden Kolonien geplant, in Gallien, Sizilien, Achaia und
Makedonien. Dazu erhielt Marius das Recht, für jede der neuen Kolonien eine Anzahl römischer Bürger zu ernennen. Saturninus hatte dem Gesetz eine Klausel angefügt, danach war jeder Senator gehalten, sich binnen fünf Tagen auf das neue Gesetz zu verpflichten, bei Strafe der Verbannung und des Verlustes des Vermögens. Allein Q. Caecilius Metellus Numidicus verweigerte den Eid, er wurde ins Exil getrieben. Auf eine rogatio des Saturninus zu Beginn des Jahres 100 geht wahrscheinlich das Piratengesetz (lex de piratis persequendis) zurück, von dem ein Teil in griechischer Abschrift in Delphi gefunden worden ist. Die lex sieht die Bildung eines großen Kommandos im Orient vor. Zur Unterstützung werden auch die Könige von Ägypten, Cypern, Cyrene und Syrien aufgerufen. Es ist doch wohl am wahrscheinlichsten, daß für dieses Orientkommando nur Marius in Betracht kommen konnte.
Bei den Wahlen am Ende des Jahres 100 herrschte der nackte Terror. Saturninus wurde wieder Volkstribun, Glaucia aber kandidierte gegen jedes Recht für das Consulat. In Rom ging alles drunter und drüber, ein Konkurrent des Glaucia, C. Memmius, wurde erschlagen. Der Senat verhängte auf Grund des senatus consultum ultimum den Belagerungszustand, Marius aber fiel die Aufgabe zu, den Senatsbeschluß gegen seine früheren Freunde auszuführen. Saturninus und Glaucia wurden auf dem Mons Capitolinus belagert; als man ihnen die Wasserzufuhr abgeschnitten hatte, mußten sie kapitulieren. Marius hätte sie gern vor dem Volkszorn gerettet, aber eine Schar junger Heißsporne deckte das Dach der Curie ab und tötete die Gefangenen mit wohlgezielten Steinwürfen. Aber auch der Sieger Marius hatte eine entscheidende Niederlage erlitten. Er hatte das Vertrauen seiner Parteigänger verspielt, der Senat traute ihm nicht über den Weg. So konnte ihm nichts erwünschter sein als eine legatio libera nach dem Osten zu übernehmen (99 v. Chr.). Er begab sich auf die Reise nach Galatien und Kappadokien, wo er auch mit Mithradates VI.
Eupator zusammentraf.
Bei dem Kampf gegen Saturninus und Glaucia hatten sich Senatoren und Ritter zusammengefunden, wenn auch die Interessen der beiden Stände keineswegs miteinander übereinstimmten. Die lex iudiciaria des C. Gracchus (s. S. 132) hatte die Gerichte den Rittern ausgeliefert, die publicani brauchten von ihren Standesgenossen nichts zu befürchten. Die Provinzialstatthalter aber waren zumeist ganz machtlos, doch gab es immerhin eine Reihe von Ehrenmännern, die den sodetates publicanorum die Stirn zu bieten wagten. Zu ihnen gehörte P. Rutilius Rufus, der Legat des Q. Mucius Scaevola, des Statthalters von Asia. Die Publikanen verwickelten jedoch Rutilius Rufus in einen skandalösen Prozeß - es war eine Repetundenklage -, sie setzten sogar seine Verurteilung durch, worauf sich Rutilius Rufus in die Verbannung begab. Die Klassenjustiz war zu einem Krebsschaden im Staate geworden, sie untergrub Recht und Gesetz und schanzte den Rittern, der Finanzaristokratie, das Gerichtsmonopol zu.
Gegen die Vorherrschaft der Ritter in den Gerichten erhob sich der Neffe des Rutilius Rufus, M. Livius Drusus, Volkstribun im Jahre 91 v. Chr. Leider gestattet es die Überlieferung nicht, die einzelnen Gesetzesanträge des Livius Drusus in ihrer zeitlichen Reihenfolge festzulegen. Zweifellos am wichtigsten war sein Antrag, die Gerichte an den Senat zurückzugeben. Der Volkstribun strebte hier nach einer Kompromißlösung: der Senat sollte durch die Aufnahme von 300 Rittern auf die Zahl von 600 Mitgliedern ergänzt werden. Über diesen Antrag kam es jedoch zu schweren Auseinandersetzungen, selbst die Ritter waren mit dem Vorschlag keineswegs einverstanden. Außerdem brachte Livius Drusus noch ein Getreidegesetz, ein Ackergesetz und ein Koloniegesetz ein. Zum Revolutionär aber wurde der Tribun, als er mit den italischen Bundesgenossen Verbindung aufnahm, mit dem Ziel, ihnen das römische Bürgerrecht zu verschaffen.
Livius Drusus und die Bundesgenossen verbanden sich in einer coniuratio, diese wurde durch einen feierlichen Eidschwur bekräftigt. Es liegt hier ein Gefolgschaftseid vor, wie er in den Auseinandersetzungen der späteren Republik, aber auch im Kaiserreich gelegentlich bezeugt ist. Im übrigen aber hatten die Bundesgenossen allen Grund, unzufrieden zu sein. Vier Jahre zuvor, 95 v. Chr., hatten die Consuln L. Licinius Crassus und Q. Mucius Scaevola ein Gesetz erlassen, das den Bundesgenossen große Schwierigkeiten bei der Aufnahme in das römische Bürgerrecht bereitete (lex Licinia Mucia de civibus regundis). Gegen die Anträge des Livius Drusus erhob sich härtester Widerstand, über seine Anträge wurde gesetzeswidrig en bloc (per saturam) abgestimmt, sie wurden verworfen, Livius selbst wurde ermordet.
Dem Scheitern des Livius Drusus folgt der Bundesgenossenkrieg. Die Gründe liegen offen zutage: die Bundesgenossen hatten es satt, von den römischen Magistraten als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden, sie verlangten die rechtliche Gleichstellung mit den römischen Bürgern, und zwar um so dringender, als sie zu allen Lasten, insbesondere zur Aushebung und Besteuerung, herangezogen wurden. Der Krieg nahm seinen Anfang in Asculum (Picenum). Hier wurden alle Römer ermordet (91), spätere Verhandlungen der Italiker mit dem Senat blieben erfolglos. Nicht weniger als acht italische Völkerschaften schlossen sich zu einem gegen Rom gerichteten Bund zusammen: die Pikenter, Vestiner, Marser, Päligner, Marruciner, Samniten, Frentaner und Hirpiner, die bedeutendsten aber waren zweifellos die Marser und Samniten im mittelitalischen Apenningebirge. Darüberhinaus gewannen die Aufständischen auch in Lukanien, Apulien und Campanien Freunde; Etrurien und Umbrien hielten dagegen zu den Römern. Mittelpunkt der Conföderation war die Stadt Corfinium im Pälignerlande, sie hieß fortan Italia. Hier bildete sich nicht nur ein Gegensenat von 500 Mitgliedern, es existierten auch zwei Consuln und zwölf Prätoren als Jahresbeamte. Ob die Verfassung der Italiker der römischen nachgebildet ist, erscheint zweifelhaft. Zu Oberbefehlshabern wählten die Conföderierten Pompaedius Silo (für die Marser) und Papius Mutilus (für die Samniten). Die Römer hatten militärisch zunächst einen schweren Stand, aber sie besaßen in den römischen und latinischen Kolonien eine große Zahl wichtiger Stützpunkte in Feindesland, außerdem erhielten sie Hilfe aus Norditalien (Gallia Cisalpina) und sogar von Übersee. Selbst aus Spanien und Numidien kamen Hilfstruppen. Das Kriegsgeschehen spielte sich auf zwei getrennten Schauplätzen ab: im Norden stand P. Rutilius Lupus (Consul 90) gegen Pompaedius Silo im Felde, der andere Consul, L. Julius Caesar, kämpfte im Süden gegen Papius Mutilus. Im übrigen haben fast alle Römer, die in späterer Zeit zu bedeutenden Feldherrn aufgestiegen sind, an diesem Kriege teilgenommen: Cn. Pompejus Strabo (der Vater des Pompejus Magnus), C. Perperna, Licinius Crassus, L. Cornelius Sulla. Trotzdem verliefen die ersten Kämpfe für die Römer wenig glücklich. Beide Consuln mußten Niederlagen hinnehmen, Rutilius Lupus fand am 11. Juni 90 in einem Treffen am Liris (oder am Tolenus) den Tod, wahrscheinlich in der Nähe von Carsioli. Glücklicher war allein C. Marius; er trieb, unterstützt von Sulla, die Marser zu Paaren. Cn. Pompejus Strabo schloß die Aufständischen in der Stadt Asculum in Picenum ein. Durchschlagende Erfolge blieben den Römern im Jahre 90 v. Chr. versagt, um so größer aber waren die Opfer gewesen, und wenn auch noch die Etrusker und Umbrer zu den Conföderierten übergingen, so war es um Rom geschehen. Es wurde höchste Zeit, den Aufständischen entgegenzukommen, um so mehr, als es sich um einen italischen Bruderkrieg handelte und die Folgen für das Imperium nicht abzusehen waren, wenn die Gegner die Oberhand behielten. Es ist das bleibende Verdienst des Consuls L. Julius Caesar, am Ende seiner Amtszeit die Lex Julia
beantragt und durchgesetzt zu haben.
Sie verlieh das römische Bürgerrecht an alle Latiner und Bundesgenossen, die den Römern treu geblieben waren. Das Werk wurde vollendet durch die lex Plautia Papiria, erlassen zu Beginn des Jahres 89. Sie gewährte allen Bundesgenossen südlich des Padus das römische Bürgerrecht, sofern sie sich binnen 60 Tagen in Rom meldeten (natürlich mußten sie vorher die Waffen niederlegen). Dazu kam noch ein Gesetz des Cn. Pompejus Strabo, das den Bewohnern der Gebiete jenseits des Padus das latinische Recht verlieh. Jedoch waren die Neubürger insofern schlechter gestellt als die alten cives Romani, als jene nur zur Einschreibung in acht der insgesamt 35 Tribus zugelassen wurden.
Im übrigen gingen die Kämpfe auch noch im Jahre 89 weiter, die Römer eroberten Asculum, in Campanien konnte Sulla Erfolge verzeichnen. Gegen Ende des Jahres 89 war der Aufstand in Mittelitalien erloschen, doch dauerten die Kämpfe in Samnium, Lukanien, Bruttium, auch vor Nola, weiter an. Die Conföderierten verlegten ihre Hauptstadt von Italia (Corfinium) nach Aesernia, außerdem nahmen sie Verbindung mit dem König Mithradates VI. von Pontos auf, er sagte ihnen (im Frühjahr 88) seine Hilfe zu. In diesem Jahr ging es mit den Italikern weiter abwärts. Pompejus Strabo warf die Marser zu Boden, bei den Kämpfen in Samnium fand Pompaedius Silo den Soldatentod, die Römer schritten zur Eroberung von Apulien, in Campanien lagerte Sulla mit einem Heere vor Nola. Das Ende des Bundesgenossenkrieges, das mit den Kämpfen zwischen den Marianern und Sullanern verflochten ist, ist an anderer Stelle erzählt (s. S. 158 f.).
In der politischen Entwicklung Roms und Italiens ist der Bundesgenossenkrieg ein tiefer Einschnitt. Zum ersten Mal hat es die römische Staatsführung gewagt, einen Schritt vom Stadtstaat hinweg zum Reichsstaat zu tun, und zwar dadurch, daß das römische Bürgerrecht allen Bewohnern Italiens (soweit sie sich den Römern unterworfen hatten) gegeben wurde. Allerdings vermochten viele der neuen Bürger ihr Stimmrecht in Rom, der Hauptstadt, in der Regel nicht auszuüben, denn die Reise nach Rom war weit und kostspielig. Dennoch ist der Fortschritt riesengroß. Italien, das Land von der Straße von Messina bis hin zum Arno und Aesis (später bis zum Rubico), ist nun ein Land der römischen Bürger (ager populi Romani); Latiner und socii gibt es hier nicht mehr. Die Verleihung des römischen Bürgerrechts an die Einwohner Italiens ist die wichtigste Voraussetzung für die Bildung eines italischen Gemeinschafts- und Nationalgefühls, das sich jedoch erst unter Augustus, von dem Prinzeps tatkräftig gefördert, voll ausgewirkt hat. Außerdem hatte Rom mit dem Ende des Bundesgenossenkrieges aufgehört, die einzige Stadt Italiens im staatsrechtlichen Sinne zu sein. Zu den coloniae civium Romanorum war eine fast unübersehbare Zahl von Munizipien, die Städte der ehemaligen Bundesgenossen, gekommen. Ihre Gemeindeverfassung wurde zwar von Rom aus geregelt, aber unter möglichster Schonung ihrer lokalen Eigenart. So hatte der Einwohner Italiens, der nicht in Rom zu Hause war, zwei Vaterländer (duae patriae): seine eigene Heimatstadt und die Stadt Rom, die nunmehr zur Patronin Gesamtitaliens emporgestiegen war. Freilich hat es Jahrzehnte gedauert, bis sich die Bewohner Italiens zu einer großen Gemeinschaft zusammenlebten, an der Munizipalordnung haben Generationen gebaut, erst unter Caesar scheint sie ihren Abschluß gefunden zu haben.
Auch die Verleihung des latinischen Rechts an die Bewohner der Transpadana ist in ihrer Auswirkung schwerlich zu überschätzen: die städtische Aristokratie, welche die Magistrate in ihren Gemeinden bekleidete, hatte damit die Möglichkeit, in den Besitz des römischen Bürgerrechts zu gelangen. So war auch hier, fern von Rom, der Boden für eine Verschmelzung der Landschaft und ihrer Bewohner mit dem übrigen Italien in sinnvoller Weise vorbereitet. Die römische Staatsführung aber hat sich, umgeben von den Schrecken des Bürgerkrieges, großzügig und vorausschauend gezeigt, jedenfalls unvergleichlich großzügiger als die Griechen, denen es niemals gelungen war, die engen Schranken der einzelnen Polis zu überspringen. Im Bundesgenossenkrieg stand Rom am Scheideweg. Seine Führung aber hat sich für die Verschmelzung der socii Italici mit den cives Romani entschieden. Die Urheber der neuen Bürgerrechtsgesetze haben die Grundlagen zu einer welthistorischen Entwicklung geschaffen: ohne die Errungenschaften des Bundesgenossenkrieges ist die spätere Expansion des Römertums unter Pompejus, Caesar und Augustus nicht denkbar.
17. Der 1. Mithradatische Krieg, der Bürgerkrieg und die Diktatur Sullas (89 79 v. Chr.)
Mit dem Aufstieg des pontischen Königs Mithradates VI. Eupator (geb. 132/31, Regierungszeit von 121 bis 63 v. Chr.) beginnt eine neue Epoche in der Geschichte des Mittelmeerraumes. Mithradates, aus iranischem Fürstengeschlecht entsprossen, ist einer der großen Gegner Roms, vergleichbar dem Punier Hannibal. Nicht weniger als 25 Jahre lang hat Mithradates die Römer in Atem gehalten. Im Kriege wie in der Diplomatie hat er sich den Römern als ebenbürtig erwiesen. Um ihn niederzuringen, mußten die Römer die hervorragendsten Feldherrn gegen ihn einsetzen: Sulla, Lucullus und Pompejus; drei verlus treiche Kriege mußten gegen Mithradates geführt werden, bis es endlich Pompejus gelungen ist, die große Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Osten siegreich für Rom zu beenden. Wie kaum ein anderer vor ihm hat sich der pontische König in souveräner Weise der Mittel der politischen Propaganda gegen Rom bedient, vor allem aber verstand er es, aus dem unwürdigen Regiment der Publikanen in der Provinz Asia Kapital für seine Pläne zu schlagen. Die Sympathien der Griechen flogen ihm zu, diesseits und jenseits der Adria verfügte er über zahlreiche Parteigänger und Agenten, die ihn über alle Vorgänge der inneren und äußeren Politik auf dem laufenden hielten. Seine Verbindungen reichten bis nach Italien. Hier unterhielt er Beziehungen zu den aufständischen Italikern; mit Sertorius in Spanien, dem hostis populi Romani, tauschte er Gesandtschaften aus. Unter den wohl vorbereiteten Schlägen des Mithradates brach Roms Herrschaft in Westkleinasien in den Jahren 89-88 v. Chr. wie ein Kartenhaus zusammen, und erst die Siege Sullas vermochten hier ein gewisses Gleichgewicht wiederherzustellen.
Das Haus des Mithradates hatte seit 302 v. Chr. in der Landschaft Pontos am Schwarzen Meer die Herrschaft inne. Die bedeutendsten Städte waren Amaseia, Gaziura und Komana. Jedoch erst nach der Vertreibung der Seleukiden aus Kleinasien konnte sich auch das pontische Reich wesentlich erweitern; Pharnakes I. (c. 185-c.170) gewann die Griechenstadt Sinope, die spätere Residenz der pontischen Könige. Polybios hat Pharnakes den treulosesten aller Könige genannt, die damals gelebt haben. Sein Nachfolger, Mithradates IV. Philopator Philadelphos (c. 170-c. 150), war bereits Freund und Bundesgenosse der Römer, und Mithradates V. Euergetes (c. 150-121) verfügte, wie seine Weihgeschenke in Delos zeigen, über gute Beziehungen zur griechischen Welt. Charakteristisch für das pontische Reich ist das Nebeneinander griechischer und iranischer Elemente in Bevölkerung und Zivilisation. Alle Herrscher fühlten sich der hellenischen Kultur verbunden, sie sprachen und schrieben griechisch, andererseits rühmten sie sich mit Stolz ihrer iranischen Abkunft. Lebendig war auch das Vorbild des großen Alexander. So hat sich Mithradates VI. Eupator als neuer Alexander, mit Diadem und flatternden Haaren, auf den Münzen porträtieren lassen. Das Reich erhält durch die Existenz griechischer Poleis, vor allem an der Küste des Schwarzen Meeres (Amastris, Sinope, Amisos und Trapezus), und des vorwiegend von Iraniern besiedelten flachen Landes sein Gepräge. Nach dem Tode des Mithradates V. regierte zunächst die Witwe des Verstorbenen für ihre zwei Söhne, Mithradates VI. Eupator aber ließ seine Mutter (um 115 v. Chr.) gefangensetzen, sein jüngerer Bruder mußte sterben, während er selbst sich mit seiner Schwester Laodike nach dem Vorbild der Achämeniden ehelich verband. Bereits in den ersten Jahren seiner Alleinregierung hat Mithradates VI. auf der Krim eingegriffen, der Herrscher ist hier als Beschützer des Griechentums gegen die Sarmaten aufgetreten. In einem anderen Feldzug eroberte der König das bosporanische Reich an der
Straße von Pantikapaion (Kertsch), einen Aufstand eines Einheimischen namens Saumakos warf er nieder. Mit der Unterwerfung von Kolchis, dem Hinterland der Griechenstädte Phasis und Dioskurias, und von Kleinarmenien hatte sich der Kreis seiner Länder um das Schwarze Meer im Süden, Osten und Norden geschlossen, der König gebot nunmehr über die gesamte Küste von Amastris bis Dioskurias, dazu über die Gegenküste auf der Halbinsel Krim. Es war zum ersten Male in der Geschichte des Altertums ein fast vollständiges dominium Ponti Euxini entstanden. Die neuerworbenen Gebiete, insbesondere das Vizekönigtum auf der Krim, brachten dem Mithradates reiche Einkünfte, dazu konnte er auf die Tribute abhängiger sarmatischer und skythischer Könige zählen. Fast noch wichtiger war es, daß der Herrscher die Kontrolle über die Ausfuhr des südrussischen Getreides in den Händen hatte, das für Kleinasien und mehr noch für Griechenland von größter Bedeutung war. In seinem Heere dienten Skythen, Sarmaten, Mäotier, Thraker und Kelten neben den Angehörigen zahlreicher anatolischer Völkerschaften.
Einer Expansion des pontischen Reiches in Kleinasien standen weniger die anatolischen Fürstentümer als die Römer im Wege. Die nominell selbständigen Staaten an den Grenzen des pontischen Reiches - Kappadokien, Galatien, Paphlagonien und Bithynien - bildeten für die Aspirationen des Mithradates keine großen Hindernisse. Am bedeutendsten war noch Bithynien, es war ein aufstrebender Staat mit reichen natürlichen Hilfsquellen, vor allem das Holz seiner Wälder war in aller Welt sehr begehrt. Mithradates war so klug, mit dem König von Bithynien, Nikomedes III. Euergetes, eine Übereinkunft zu schließen, und zwar auf Kosten Paphlagoniens, das zwischen den beiden Herrschern geteilt wurde. Die Römer, mit den Kimbern und Teutonen beschäftigt, begnügten sich mit einem lahmen Protest, der von niemandem ernst genommen wurde. Nachdem die beiden aggressiven Könige auch zur Teilung von Galatien geschritten waren, kam es jedoch zwischen ihnen wegen Kappadokien zu Zwistigkeiten, Mithradates aber setzte als der Rücksichtslosere mit Mord und Verrat seinen Willen durch. Einer seiner Söhne, ein Knabe von acht Jahren, der fortan den Namen Ariarathes führte, wurde als König in Kappadokien eingesetzt, er hat hier etwa fünf oder sechs Jahre lang regiert, und zwar unter der Vormundschaft eines Kappadokers, des Gordios, der das besondere Vertrauen des Königs Mithradates genoß. Seine Regierung fällt wahrscheinlich in die Zeit von 100 bis 95 oder 94 v. Chr. Der bithynische König Nikomedes III. aber appellierte an die Römer. Diese verfügten, daß beide Herrscher, Mithradates ebenso wie Nikomedes, ihre Eroberungen in Kleinasien wieder herausgeben sollten. Kappadokien erhielt in Ariobarzanes einen neuen König (95 oder 94).
Mithradates war nun an einem Wendepunkt seiner Politik angelangt. Hatte er sich bisher bemüht, mit Hilfe seines bithynischen Bundesgenossen ein Reich in Zentralanatolien aufzubauen, so wandte er jetzt seinen Blick nach dem Osten. Er brauchte Hilfe, denn es war ihm klar geworden, daß Rom einer weiteren Expansion nicht tatenlos zusehen würde. Wollte jedoch Mithradates den Römern mit einiger Aussicht auf Erfolg entgegentreten, so brauchte er Bundesgenossen, und hier bot sich ihm sein Schwiegersohn, der König Tigranes von Armenien, an. Das Land Armenien lag weit außerhalb der römischen Einflußsphäre, es war eng verbunden mit dem Partherreich. Mithradates und Tigranes waren, wenn sie zusammenstanden, allen anderen Mächten in Kleinasien überlegen. Der armenische Herrscher eröffnete die Offensive, er fiel in Kappadokien ein und vertrieb den König Ariobarzanes, worauf Gordios wiederum als Regent des Königreichs eingesetzt wurde. Ariobarzanes aber eilte schnurstracks nach Rom, sein Gold trug entscheidend dazu bei, daß sich die Römer endlich aus ihrer Lethargie aufrafften: sie beauftragten L. Cornelius Sulla, den Proprätor von Kilikien, Ariobarzanes in sein Reich zurückzuführen. Sulla hat diese Aufgabe vorzüglich gelöst, die Scharen der Kappadoker und Armenier wichen vor ihm bis an den Euphrat zurück. Hier empfing ihn ein Abgesandter des Partherkönigs mit Namen Orobazos. Er verkündete dem Römer, daß der Euphratstrom fortan die Westgrenze des Partherreiches sein solle. Bei der Zusammenkunft hat Sulla die Würde des römischen Imperiums in eindrucksvoller Weise zur Geltung gebracht. Auf hohem Thronsessel sitzend, erteilte er dem parthischen Bevollmächtigten Audienz; dem Orobazos und dem Kappadokerkönig Ariobarzanes waren niedrigere Sitze zugewiesen worden (92).
In Italien waren die Jahre von 89 bis 85 eine Zeit schwerster innerer Kriege. Mit dem Bundesgenossenkrieg (s. S. 147 ff.) verquickte sich die blutige Auseinandersetzung zwischen den Optimaten und Populären. Hervorgegangen waren die Zwistigkeiten aus dem Streit zwischen dem Senat und den Rittern wegen der Besetzung der Gerichte. Und zwar hatte der Volkstribun M. Plautius Silvanus ein Gesetz eingebracht, wonach die Richter aus dem Volk, je 15 aus jeder Tribus, gewählt werden sollten. Außerdem gab es Unruhen zwischen Gläubigern und Schuldnern, bei denen der Prätor A. Sempronius Asellio sein Leben verlor. Rom machte eine wirtschaftliche Krise durch, die durch den Bürgerkrieg noch verschärft wurde. Am verderblichsten aber war der Antagonismus zwischen Sulla und Marius. Zuerst stritten sie sich um das Kommando im Kriege gegen Mithradates, der Senat übertrug es im Jahre 88 dem Sulla. Marius verband sich daraufhin mit dem Volkstribunen P. Sulpicius Rufus, einem begabten Redner, der von der Hocharistokratie zu den Populären übergewechselt war. Die beiden setzten nicht nur die Aufnahme der Bundesgenossen in alle Tribus durch, sie erreichten es auch, daß das lukrative Kommando im mithradatischen Kriege dem Marius zugesprochen wurde, und zwar auf Volksbeschluß. Sulla, der mit seinen Legionen vor Nola stand, ließ sich dies nicht bieten, er zog gegen Rom und überrumpelte die Stadt. Eine Anzahl von Gegnern Sullas wurde zu hostes publici erklärt. Sulpicius Rufus fand den Tod, seine Gesetze wurden wieder gestrichen. Marius konnte nach Afrika entkommen. Obwohl Sulla darauf brannte, den Krieg gegen Mithradates aufzunehmen, fand er doch noch die Zeit, eine Anzahl reaktionärer Maßnahmen in Rom durchzuführen. So beschnitt er die Rechte der Volkstribunen, die Beschlüsse der Comitien wurden von der Genehmigung des Senats (patrum auctoritas) abhängig gemacht. Außerdem ernannte er 300 neue Senatoren aus der Nobilität. Dies waren die ersten sullanischen Gesetze, ihre Dauer aber war nur sehr kurz, denn zu Beginn des Jahres 87 verließ Sulla Italien, seine Gegner haben die von ihm getroffenen Anordnungen bald wieder rückgängig gemacht.
Der 1. Mithradatische Krieg (89-85) hat sich an der Nachfolgefrage in Bithynien entzündet. Hier hatte Mithradates versucht, nach dem Ableben des Nikomedes III. Euergetes, eines grausamen und haltlosen Tyrannen, dessen Halbbruder Sokrates Chrestos auf den Thron zu bringen. Dieses Mal handelten die Römer; sie nahmen sich der beiden Fürsten, des Ariobarzanes von Kappadokien und des Nikomedes IV., an und ließen sie durch den Consular M'.Aquillius wieder in ihre angestammten Reiche zurückführen (90-89). Ihre Dienste wollten sie sich jedoch von den beiden Fürsten bezahlen lassen, sie verlangten von ihnen die Erstattung der Kosten, die ihnen durch die Bereitstellung von Ausrüstung und Bewaffnung entstanden waren. Da aber in den königlichen Kassen Ebbe herrschte, gaben die Römer den Königen den Rat, sich an Mithradates schadlos zu halten! Und wirklich ließ sich Nikomedes IV. zu einem Einfall in das Reich des pontischen Königs hinreißen, Mithradates hielt sich klugerweise zurück, verlangte aber von M'.Aquillius Genugtuung, die ihm jedoch verweigert wurde. Die Römer mußten ihr Intrigenspiel teuer bezahlen, Mithradates stand auf dem Höhepunkt seiner Macht, Heer und Flotte waren für den Kampf aufs beste gerüstet, mit einer Reihe von benachbarten Fürsten und Königen hatte er Verträge geschlossen; insbesondere mit dem Herrscher von Armenien und dem parthischen Großkönig war er eng verbunden, so daß er für seine Ostgrenze nichts zu befürchten hatte. In Italien aber brannte immer noch die Fackel des Bürgerkrieges. Die Schuld, Rom in einen Krieg mit ganz unabsehbaren Folgen gestürzt zu haben, fällt eindeutig dem M'.Aquillius und seinen Ratgebern zur Last. Gegenüber dem buntscheckigen Heere, bestehend aus Bithynern, den Kontingenten anderer kleinasiatischer Dynasten und wenigen römischen Soldaten, konnte sich denn auch Mithradates ohne große Mühe durchsetzen. In einem Blitzfeldzug unterwarf er fast das ganze westliche Kleinasien, nur wenige Griechenstädte leisteten erfolgreichen Widerstand, unter ihnen Stratonikeia und Tabai in Karien sowie Magnesia am Sipylosberge. Auch Rhodos und die lykischen Gemeinden hielten auf römischer Seite aus. Mithradates aber erließ im Jahre 88 von Ephesos den berüchtigten Blutbefehl, der die Ermordung sämtlicher Italiker (nicht nur der Römer unter ihnen) in der Provinz Asia anordnete. In dieser Provinz hatte sich in den 40 Jahren römischer Herrschaft ein ungeheurer Haß gegen die Römer, insbesondere gegen die Steuerpächter, die Publikanen, angesammelt, der sich in geradezu furchtbarer Weise Luft machte. Angeblich sind 80000 Menschen ums Leben gekommen. In vielen Städten, vor allem aber in den großen Heiligtümern der Provinz, spielten sich erschütternde Schreckensszenen ab, zahlreiche Römer, unter ihnen auch M'.Aquillius, wurden den Schergen des Mithradates überliefert. Wenn auch die Kämpfe in Italien zwischen den Römern und den Italikern sowie der Bürgerkrieg zwischen den Marianern und den Anhängern Sullas in der rücksichtslosesten Weise geführt worden sind, so ist doch ein derartiger Massenmord in der gesamten Geschichte des Altertums ohne
Beispiel. Mithradates zerschnitt damit das Band zwischen sich und den Römern, um des Terrors willen trat er das ungeschriebene Völkerrecht (ius gentium) mit Füßen und bedeckte seinen Namen mit einer ungeheuren Blutschuld.
In dem gleichen Jahre (88) erschien Archelaos, der Feldherr des pontischen Königs, mit einer Flotte in der Ägäis. Er nahm die Insel Delos, die dort wohnenden Italiker wurden gnadenlos niedergemetzelt. In Athen hatte Aristion, ein epikuräischer Philosoph, ein geschworener Römerfeind, die Zügel in der Hand. Obwohl sich Bruttius Sura, der Legat des römischen Statthalters von Makedonien, durch eine sehr besonnene Strategie auszeichnete, so gingen doch nicht nur Makedonien, sondern auch fast ganz Griechenland (mit Ausnahme Thessaliens und Ätoliens) für die Römer im Jahre 88 verloren. Mit der Landung Sullas in Epirus im Frühjahr 87 begann sich jedoch das Blatt wieder zu wenden. In Sullas Gefolge befanden sich zahlreiche Angehörige der Nobilität, die der Terror der in Rom herrschenden Marianer vertrieben hatte. Am 1. März 86 fiel Athen in die Hände Sullas, um den wichtigen Piräus aber mußte noch einige Zeit erbittert gekämpft werden. Bei den Kämpfen gingen zahlreiche historische Bauten in Flammen auf, auch die Langen Mauern wurden zerstört, besonders schwer waren die Verheerungen auf der athenischen Akropolis. Die Entscheidung in dem griechischen Feldzug brachten aber erst die Schlachten bei Chaironeia und Orchomenos (86 v. Chr.). Sullas Stellung war trotz seiner Siege außerordentlich schwierig, der Senat in Rom hatte ihn zum hostis erklärt, was natürlich von Sulla ignoriert worden ist. Er betrachtete sich vielmehr auch weiterhin als legitimer Proconsul, wobei er in der Regel den Titel imperator zu führen pflegte. Der Senat aber wollte ihn verdrängen, indem er dem L. Valerius Flaccus die Provinz Asia und das Kommando im Kriege gegen Mithradates übertrug. Doch scheint es der diplomatischen Gewandtheit Sullas gelungen zu sein, diesen Schlag zu parieren, indem er mit
Flaccus eine Vereinbarung zustande brachte. Auf jeden Fall zog der Rivale mit seinen Truppen nach Thessalien ab. Die Erfolge des neuen Feldherrn waren ganz beträchtlich: Flaccus eroberte nicht nur die Provinz Makedonien zurück, er besetzte auch die Städte Byzanz und Kalchedon, dies ein wichtiger Brückenkopf in Kleinasien. Es erhoben sich indes zwischen Flaccus und seinem Legaten (oder praefectus equitum) C. Flavius Fimbria ernste Streitigkeiten, in ihrem Verlauf fand Flaccus in Nikomedia den Tod durch Mörderhand. Fimbria setzte den Krieg energisch fort, er eroberte Pergamon und Ilion, dazu errangen die Römer auch zur See unter L. Licinius Lucullus, dem Proquästor Sullas, beachtliche Erfolge.
Bereits nach der Schlacht bei Orchomenos waren zwischen Sulla und Archelaos in Delion (oder in Aulis) Verhandlungen aufgenommen worden, sie wurden zwischen Sulla und dem König Mithradates in Dardanos auf kleinasiatischem Boden zu Ende geführt (85). Der König mußte sich verpflichten, alle Eroberungen in Vorderasien wieder herauszugeben, dazu mußte er eine hohe Kriegsentschädigung (2000 Talente nach Plutarch, 3000 nach Memnon) zahlen und dem Sulla Schiffe zur Rückführung seines Heeres nach Italien zur Verfügung stellen. Mithradates aber wurde als Freund und Bundesgenosse des römischen Volkes anerkannt. Sulla verpflichtete sich, allen Städten Amnestie zu gewähren, die sich auf die Seite des Mithradates gestellt hatten - ein Versprechen, das der Römer nicht gehalten hat. Dem Frieden von Dardanos folgte die Abrechnung Sullas mit Fimbria, sein Heer wechselte auf die Seite Sullas über, worauf sich Fimbria im Heiligtum des Asklepios zu Pergamon das Leben nahm. Sulla legte der Provinz Asia eine ungeheure Kontribution auf, sie mußte außerdem Steuernachzahlungen für fünf volle Jahre leisten, auch die großen Heiligtümer wurden von Sulla zur Ader gelassen. Überhaupt hat Sulla seinen Soldaten große Freiheit gewährt, unter seiner Ägide haben sie in Griechenland und in Kleinasien geraubt und geplündert, wie dies bisher undenkbar gewesen war. Irgendwelche Rücksicht auf die Gegner und auf die griechische Bevölkerung kannte Sulla nicht, er fühlte sich mit seinem Heere auf Tod und Leben verbunden und bekannte sich zu dem Grundsatz, daß der Krieg den Krieg ernährt.
Mithradates, der König von Pontos, hatte mit dem Frieden von Dardanos (85) einen erheblichen Rückschlag erlitten. Aber er verfügte immer noch über ein großes Reich, das größte und mächtigste, das neben dem Partherreich im hellenistischen Osten existierte. Seine Hofhaltung zeigte das Abbild eines hellenistischen Königshofes. Mithradates umgab sich mit «Freunden» (philoi, amici), die wohl eine Art von Staatsrat bildeten. In der Verwaltung bestand ein grundlegender Unterschied zwischen dem pontischen Reich in Anatolien und den Besitzungen jenseits des Schwarzen Meeres. Die letzteren, hauptsächlich aus der Halbinsel Krim, aber auch aus einigen angrenzenden Gebieten der Taman-Halbinsel bestehend, bildeten ein Vizekönigtum, das in der Regel einem Sohne des Mithradates unterstellt war. In den anatolischen Gebieten schalteten Satrapen, sicherlich nach dem Vorbild des Achämenidenreiches. An der Spitze der Städte standen vom Könige ernannte Statthalter. Mithradates verfügte immer über einen wohlgefüllten Staatsschatz, von dessen Mitteln er, auch zu politischen Zwecken wie z. B. für Bestechungen, freigebig Gebrauch machte. Die größten Erträge brachten, abgesehen von der enormen Kriegsbeute, die zahlreichen Staatsgüter und die Zolleinnahmen. Das pontische Kappadokien, das Strabo beschrieben hat, war ein blühendes Land, allerdings fehlte es unter Mithradates an einer genügenden Anzahl von städtischen Zentren, die erst durch Pompejus geschaffen worden sind. Die Einkünfte erlaubten es dem Mithradates, ein großes Heer zu unterhalten: nahezu alle Völker, die am Gestade des Schwarzen Meeres wohnten, finden sich im Heere des pontischen Königs wieder, Skythen und Sarmaten ebenso wie Bastarnen, Thraker und Kelten. Auch zahlreiche Römer, denen aus politischen Gründen die Rückkehr nach Italien verschlossen war, dienten unter seinen Fahnen; in späterer Zeit bildeten sie ein eigenes Elitekorps. Besonders gefürchtet waren die Geschwader der pontischen Sichelwagen, auch sie ein iranisches Erbteil. Die Heerführer waren zum Teil griechische Abenteurer aus den Küstenstädten des Reiches. Mithradates selbst aber war eine überragende Erscheinung in der vorderasiatischen Welt, er war von hoher Intelligenz und hatte es gelernt, alle Sprachen der Völker seines Reiches zu sprechen. Als Krieger und Feldherr in gleicher Weise bewährt, fand er noch die Zeit, sich Kunstsammlungen anzulegen und mit griechischen Freunden philosophische Gespräche zu führen. Die bekanntesten Griechen in seiner Umgebung waren der Philosoph Diodor von Adramyttion, ein Akademiker, und Metrodor von Skepsis. Dieser war Philosoph, Rhetor, Historiker und Geograph in einer Person, er genoß das volle Vertrauen des Königs und hat es bis zum höchsten Richter im pontischen Reich gebracht, auch er war ein geschworener Feind der Römer (misoromaios). An dem pontischen Hof in Sinope wimmelte es von Priestern, Sekretären, Ärzten, Traumdeutern und Eunuchen, dazu kamen noch, wie einst am Hofe des persischen Großkönigs, zahlreiche Frauen und Konkubinen des Herrschers, unter ihnen Monime, griechischer Abstammung aus Stratonikeia in Karien, die Mithradates zu seiner legitimen Gemahlin erhoben hatte. Mit ihrer Mischung von griechischer Zivilisation und orientalischer Barbarei war die Hofhaltung ein Spiegelbild des Herrschers und seines aus iranischen und hellenistischen Elementen zusammengesetzten Reiches, das durch die Person des Königs zu einer Einheit zusammengefaßt wurde.
Rom und Italien waren nach Sullas Fortgang den Populären preisgegeben. Von den beiden Consuln des Jahres 87, Cn. Octavius und L. Cornelius Cinna, war der letztere ein Anhänger des Marius, er erneuerte die Gesetze des Sulpicius, wurde dann aber gezwungen, Rom zu verlassen, an seiner Statt wurde L. Cornelius Merula zum Consul gewählt. Cinna aber rief Marius zurück; dieser ging in Etrurien an Land und gewann die Hilfe der immer noch aufständischen Samniten. Der Senat, der seinen führenden Mann, Cn. Pompejus Strabo, im Verlauf einer schweren Seuche (angeblich durch Blitzschlag) verloren hatte, war mehr oder weniger hilflos. Marius zog gegen Rom, die Stadt mußte kapitulieren, Cinna wurde als Consul wieder eingesetzt, die Gesetze des Sulla für ungültig erklärt. Die Marianer übten blutige Rache: zahlreiche führende Mitglieder der Optimaten wurden getötet, unter ihnen auch die beiden Consuln des Jahres 87, Cn. Octavius und L. Cornelius Merula. Auch der Kimbernsieger Q. Lutatius Catulus und der Redner M. Antonius fanden den Tod. Am 1. Januar 86 trat Marius sein siebentes Consulat an, er starb aber schon am 13. Januar. Zum Nachfolger bestellte Cinna den L. Valerius Flaccus, ihm wurde auch das Kommando gegen Mithradates übertragen. Im übrigen ist die Zeit vom Ausgang des Jahres 87 bis 84 gekennzeichnet durch die Herrschaft der Populären in Rom, in Italien und in den westlichen Provinzen. Der Senat war nicht Herr seiner Entschlüsse. Als Sulla nach dem Abschluß des Friedens von Dardanos (85) seine bevorstehende Rückkehr nach Italien ankündigte, war der Senat zu einem Übereinkommen mit ihm bereit, aber die eingefleischten Marianer waren dagegen, Cinna wollte sogar nach Griechenland übersetzen und dem Sulla das Kommando streitig machen, er wurde aber von meuternden Truppen erschlagen (84). Eine ernsthafte Opposition war, solange Cinna lebte, nicht vorhanden gewesen, und auch sein Tod ist auf ein ganz unpolitisches Ereignis zurückzuführen. Nach Cinnas Ende blieb Cn. Papirius Carbo allein Consul - Sulla hatte jedoch in Rom und in Italien zahlreiche Anhänger. So stellte der junge Cn. Pompejus in Picenum auf seine eigenen Kosten ein Heer von zwei Legionen auf, das er später dem Sulla zugeführt hat.
Mit der Rückkehr Sullas nach Italien (im Frühjahr 83) beginnt ein neuer Abschnitt der römischen Geschichte. Sulla landete mit 1600 Schiffen und mit 40000 Mann kampfgeübter Soldaten bei Brundisium. Er fand sogleich reißenden Zulauf, Q. Caecilius Metellus (der Jüngere) und Cn. Pompejus schlossen sich ihm unter den ersten an. Pompejus war ein Besitzer großer Latifundien in Picenum, erst 23 Jahre alt, von brennendem Ehrgeiz beflügelt; Metellus Pius war dagegen ein bereits bewährter Heerführer, der sich im Kampfe gegen die Marser ausgezeichnet hatte. Für Sulla war der Übergang der beiden Männer mit ihren Gefolgschaften in sein Lager ein großer Gewinn, seine Anhänger wagten sich nun wieder offen hervor. In politisch kluger Weise erkannte Sulla die Aufnahme der Bundesgenossen in das römische Bürgerrecht an und akzeptierte auch ihre Einschreibung in alle römischen Tribus, womit ein gefährlicher ZündStoff aus der Welt geschafft war. Den Gegnern fehlte es an einer einheitlichen Führung, die beiden Consuln des Jahres 83, L. Cornelius Scipio Asiaticus und C. Norbanus, waren dem Sulla als Feldherrn beträchtlich unterlegen. An nicht weniger als drei Kriegsschauplätzen mußte zu gleicher Zeit gekämpft werden: in Campanien (wo Sulla am Berge Tifata einen Sieg über C. Norbanus davontrug), in Norditalien und in den adriatischen Küstenlandschaften. Auch in Latium behielt Sulla die Oberhand, der Jüngere Marius wurde in Praeneste eingeschlossen und belagert. In Rom herrschte der nackte Terror, eine besonders unrühmliche Rolle spielte der Prätor urbanus Iunius Brutus Damasippus. Erst im Frühjahr 82, nach einem Siege bei Sacriportus, erzwang Sulla den Eintritt in die Stadt. Versuche der Marianer, Rom zurückzugewinnen, endeten mit ihrer Niederlage am Collinischen Tore (1. November 82), nachdem sie am Tage zuvor noch siegreich gewesen waren. An den Kämpfen vor Rom und bei Praeneste nahmen auf seiten der Marianer auch zahlreiche Samniten teil, die einen hohen Blutzoll entrichten mußten. Als letzte
Stützpunkte der Marianer hielten sich übrigens Nola bis in das Jahr 80, Volaterrae sogar bis 79 v. Chr. Der blutige Bürgerkrieg zwischen Sulla und den Anhängern des Marius war die hohe Schule der Kriegskunst für so manche jungen Römer. Während Sertorius auf seiten der Marianer in Campanien kämpfte und im Jahre 83 nach Spanien gesandt wurde, haben sich unter Sullas Feldzeichen Crassus und Pompejus ausgezeichnet, der erste in der Schlacht am Collinischen Tore. Den glänzendsten Aufstieg aber nahm der noch sehr jugendliche Cn. Pompejus (* 106), der Sohn des Pompejus Strabo. Er stammte aus einer Familie der plebejischen Nobilität, von den Altadligen wurde Pompejus immer als Emporkömmling betrachtet, was seine spätere Zusammenarbeit mit dem Senat erschwert und vielfach sogar belastet hat. Sulla hatte den jungen Mann als Imperator begrüßt. Wo er auch das Kommando führte, überall heftete sich der Sieg an seine Fahnen: er gewann Sizilien für Sulla, unterwarf in 40 Tagen die Provinz Africa, worauf ihn Sulla (im Jahre 81?) zum Triumph zuließ. Überhaupt ist es seine Begabung als Feldherr gewesen, die Pompejus nach oben geführt hat. Auf dem politischen Parkett hat er sich Zeit seines Lebens nicht besonders wohlgefühlt.
Mit dem Siege Sullas aber kamen die Proskriptionen. Die Namen der Geächteten wurden auf eine Liste gesetzt und diese öffentlich ausgehängt. Die erste Liste enthielt 80 Namen, darunter vier Consulare. Jeder Römer, der nach Mitte Mai 83 ein Amt unter den Marianern bekleidet hatte, wurde automatisch proskribiert. Im übrigen aber hatten die Proskriptionen keine gesetzliche Grundlage, sie waren reine Willkür, Sulla versuchte mit ihnen, seinen Rachedurst gegenüber seinen ehemaligen Gegnern zu befriedigen. Rund 40 Senatoren, 1600 Ritter und zahlreiche andere Bürger haben dabei den Tod gefunden. Nicht wenige unter ihnen sind wegen ihres großen Vermögens auf die Liste gekommen, sie waren das Opfer von Denunzianten und Henkern, die sich an dem Gut der Proskribierten bereicherten.
Manche Römer haben in dieser Zeit die Grundlage zu ihrem großen Vermögen gelegt, dies gilt insbesondere von M. Licinius Crassus, aber auch für einige Freigelassene Sullas. So hat Chrysogonus mit leichter Mühe Güter im Werte von sechs Millionen Sesterzen erworben, und zwar für den Spottpreis von nur 6000 Sesterzen! Insbesondere unter den Rittern, der Geldaristokratie, waren die Verluste an Menschenleben und Vermögen erschreckend. Empörend und in der ganzen römischen Geschichte ohne Vorbild war die von Sulla verordnete Sippenhaftung: selbst die Söhne und sogar die Enkel der Proskribierten sollten in Zukunft von allen Ämtern ausgeschlossen sein! Auch die Italiker, vor allem die Samniten und Etrusker, wurden dezimiert, sie hatten außerdem riesige Kontributionen zu entrichten.
Seine Macht verankerte Sulla vor allem durch die Ansiedlung von Veteranen. Sie wurden in verschiedenen Gegenden Italiens, in Campanien, Etrurien und Samnium, konzentriert. Mit den Veteranen kam ein starkes römisches und latinisches Element in diese Landschaften. So wurde in Campanien das Oskische zurückgedrängt, ein Vorgang, der sich in den Inschriften von Pompeji widerspiegelt. Dies ist vielleicht die wichtigste Folge der sullanischen Ansiedlungspolitik. Nicht gelöst wurde freilich die Agrarfrage, zumal da die ehemaligen Soldaten wenig Lust und Liebe für die Landwirtschaft mitbrachten. Aber Sulla wollte, anders als die Gracchen, gar nicht das Agrarproblem lösen, er wollte seine Herrschaft befestigen, und dies ist ihm auch gelungen. Als die Welle der Proskriptionen vorüber war, am Ende des Jahres 82, konnte er sich als der Herr im Staate fühlen. Rom hatte zu diesem Zeitpunkt keine Oberbeamten mehr, die beiden Consuln (Papirius Carbo und der Jüngere Marius) waren tot. L. Valerius Flaccus brachte als Interrex in den Comitien den Antrag ein, man möge alle bisherigen Verfügungen Sullas für rechtmäßig erklären. Außerdem wurde Sulla auf Grund der lex Valeria eine amtliche Eigenschaft für die Zukunft übertragen. Die Comitien aber ermächtigten den Interrex, Sulla zum dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae zu ernennen. Während Mommsen die sullanische Diktatur gänzlich von den altrömischen Diktaturen getrennt und zu den außerordentlichen konstituierenden Gewalten gestellt hat, welche, wie sich Mommsen ausdrückte, die Verfassung nicht handhaben, sondern umgestalten sollen, hat Wilcken dies mit dem Hinweis bestritten, daß die wesentlichen Züge der älteren Diktatur, wie z. B. die dictio und die abdicatio, auch bei Sulla zu erkennen seien. Was die Diktatur Sullas über die älteren ihrer Art heraushebt, ist der spezielle Auftrag für die Abfassung der Gesetze und die Neuordnung des Staates. Dieser Auftrag ist ein umfassendes Ermächtigungsgesetz, das ihm das Volk in die Hand gegeben hat. Im übrigen vereinigte der Diktator Sulla in seiner Person eine Machtfülle, wie sie vor ihm kein Römer jemals besessen hatte. Von seinen Veteranen wurde er geradezu vergöttert, dazu verfügte er über eine persönliche Leibgarde, die 10000 Cornelier, Freigelassene, die sich mit ihrem Patronus auf Tod und Leben verbunden fühlten. Seit dem Tode des Jüngeren Marius führte Sulla den Beinamen Felix (griech. Epaphroditos), er fühlte sich als Schützling der Göttin Fortuna-Aphrodite. In der Tat hatte er allen Grund dazu: er war im Jahre 82 der bei weitem mächtigste Mann nicht nur in Rom und in Italien, sondern in der ganzen Oikumene.
In das Jahr 81 fällt wahrscheinlich die Mehrzahl der sullanischen Gesetze (leges Corneliae). Aus reaktionärem Geiste geboren, sollten sie die Senatsherrschaft in Rom wiederherstellen und für alle Zukunft verankern, der Ritterstand wurde dagegen zur völligen Bedeutungslosigkeit verurteilt, die politischen Rechte der Volkstribunen stark beschnitten, und zwar mit vollem Recht, da die Volkstribunen längst nicht mehr die Anwälte der Plebs waren, sondern vielfach die populäre Politik in einseitiger Weise begünstigt hatten. Das ius intercedendi der Volkstribunen wurde eingeschränkt, der weitere Aufstieg in der Ämterlaufbahn untersagt. Die Gerichte aber wurden ganz in die Hände des Senatorenstandes gegeben. Die staatlichen Getreideverteilungen (frumentationes), eine große Belastung der Staatsfinanzen, wurden abgeschafft. Auf Grund einer lex de sacerdotiis sollten die Mitglieder der vier amplissima collegia der Priesterschaft fortan wieder kooptiert werden, die seit dem Jahre 103 bestehende Wahl durch das Volk wurde wieder abgeschafft. Auch der pontifex maximus wurde von nun an nicht mehr gewählt, sondern durch das Kollegium der Pontifices bestellt. Der Senat wurde durch 300 neue Mitglieder ergänzt, die den vornehmsten Familien des Ritterstandes, den equites illustres, zum Teil aber auch den Centurionen, entnommen wurden. Die Söhne der Senatoren figurierten in dieser ihrer Eigenschaft als Ritter mit Staatspferd (equites equo publico), es sei denn, daß sie bereits ein Staatsamt bekleidet hatten. Diese Maßnahme führte zu einer Annäherung und darüberhinaus zu einer gewissen Verschmelzung der beiden ersten Stände, doch behielten die Senatoren die uneingeschränkte Führerschaft. Die neuen Senatoren ließ Sulla durch Volkswahl bestellen, ein Vorgang ohne Beispiel in der römischen Geschichte, der nur verständlich wird, wenn man weiß, daß die Comitien in jeder Weise dem Diktator gefügig waren. Wer zum Quästor gewählt wurde, gehörte ohne weiteres dem Senat an. Auf eine Überprüfung seiner Mitglieder (lectio senatus) seitens des Censors verzichtete man; die Censur selbst verschwand in der Versenkung, erst im Jahre 70 ist sie neu erstanden.
Womöglich noch einschneidender waren die sullanischen Reformen auf dem Gebiete des Gerichtswesens. Die Volksgerichte, denen der Diktator nicht traute, wurden ausgeschaltet, an ihrer Stelle die Quästionen zu ständigen Gerichtshöfen umgebildet (quaestiones perpetuae). Zu der schon seit dem Jahre 149 bestehenden quaestio repetundarum kamen noch die Gerichtshöfe über Amtserschieichung,
Unterschleif im Amt und Majestätsbeleidigung (quaestiones ambitus, peculatus, maiestatis). Neu eingerichtet wurde zur Ahndung von Verbrechen ein Gerichtshof für Mörder und Giftmischer (quaestio inter sicarios et veneficii), dazu ein anderer, der insbesondere für Testamentsfälschungen (quaestio de falsis) zuständig war. Nimmt man noch den Gerichtshof gegen Ehrverletzungen (quaestio iniuriarum) hinzu, so steht man hier vor einer grundlegenden Neuordnung des römischen Gerichtswesens, der eine bedeutende Fernwirkung bis tief hinein in die römische Kaiserzeit beschieden gewesen ist. Gewisse Ansätze der früheren Zeit hat Sulla in genialer Weise benutzt, um einen völligen Neubau zu errichten.
Nicht weniger grundlegend aber waren die sullanischen Reformen auf dem Gebiete der allgemeinen Staatsverwaltung. Durch die Vermehrung der Stellen der hohen Beamten wurde einem dringenden Bedürfnis der Staatsverwaltung abgeholfen. So wurde die Zahl der Prätoren von sechs auf acht, die Zahl der Quästoren von zehn auf zwanzig heraufgesetzt. Von den Prätoren übten zwei, der praetor urbanus und der praetor peregrinus, die Zivilgerichtsbarkeit aus, die übrigen leiteten die quaestiones perpetuae. Nach dem Ablauf ihres Amtsjahrs gingen sie als Statthalter in die Provinzen, deren Zahl sich durch die Einbeziehung der Gallia Cisalpina auf zehn erhöht hatte. Während ihres Amtsjahres blieben die Oberbeamten (die Consuln und Prätoren) in Rom. Sulla trennte damit die Magistraturen von den Promagistraturen, eine folgenschwere Neuerung, sie ist in der gesamten Zeit der späteren Republik ebenso wie in der Kaiserzeit in Geltung geblieben. Für die Bekleidung der Prätur hat Sulla anscheinend das 40. Lebensjahr, für das Konsulat das 43. festgesetzt. Iteration des Konsulats war erst nach Ablauf von zehn Jahren gestattet.
Niemand wird die Größe und die Konsequenz der sullanischen Gesetzgebung verkennen. Der Diktator hat den ihm verliehenen Auftrag, neue Gesetze zu geben, in umfassender
Weise erfüllt. Aber die Neuordnung als Ganzes war zu sehr auf die Herrschaft des Senatorenstandes zugeschnitten. Dieser war nämlich längst nicht mehr intakt, er wies im Gegenteil bedenkliche Zersetzungserscheinungen auf, die keinem Zeitgenossen verborgen geblieben sein können. Sulla selbst hatte durch seine rücksichtslosen Proskriptionen hierzu wesentlich beigetragen. Unter Sulla aber ist der Senat noch einmal der eigentliche Träger der Reichsregierung geworden. Für das Volk dagegen legte der Diktator eine souveräne Mißachtung an den Tag, die Comitien waren zu leeren Abstimmungskörpern geworden, in denen sich niemand dem Gebot des allmächtigen Herrschers zu widersetzen wagte. Die Neuordnung des Staates, vor allem aber die Ansiedlung der vielen Veteranen, kostete teueres Geld. Da hierfür selbst die Raubgelder der Proskriptionen nicht ausreichten, wurden die befreundeten Könige zu den Kosten mitherangezogen. Es gab einen Thronwechsel in Alexandrien im Jahre 80: in diesem Jahre starb Ptolemaios IX. Soter II.; nach einer kurzen Zwischenregierung von wenigen Tagen des Ptolemaios XI. Alexander II. bestieg der zwölfte Ptolemäer (Neos Dionysos, im Volksmund Auletes, der
Im Jahre 79 legte Sulla die Diktatur freiwillig nieder. Er kam damit der Abdikationspflicht nach. Dies ist ihm von Späteren oft verdacht worden; so hat ihn Caesar geradezu als einen politischen Analphabeten bezeichnet. Das Rätsel, das dieser Vorgang aufgibt, liegt in Sullas Persönlichkeit: einmal im Vollbesitz der Macht, und zwar in einer Fülle, wie sie vor ihm kein Römer je besessen hatte, hat sie ihn nicht mehr interessiert. Für seinen persönlichen Schutz brauchte er sie nicht, dafür hatte er seine Veteranen und die Cornelier. Schon ein Jahr später (78. v. Chr.) starb er an einem Blutsturz. Am Ausgang seines Lebens hatte er sich, wie so mancher Staatsmann vor und nach ihm, mit der Niederschrift seiner Memoiren (Res gestae) beschäftigt, ihre Rekonstruktion ist noch heute eine wichtige, wenn auch schwer lösbare Aufgabe der Wissenschaft. Zweifellos war Sulla ein genialer Einspänner unter seinen Zeitgenossen. In seiner Brust verband sich kühle Berechnung mit ganz unergründlichen emotionellen Regungen; wie in der Liebe, so war er auch im Haß ein Übermensch. War er aber wirklich ein entwurzelter Nobilis vom Schlage eines Cinna oder eines Catilina (Piganiol)? Oder war er ein übersteigertes Abbild eines echten Aristokraten (Berve)? Seine hohe Intelligenz ist ganz unverkennbar, sie zeigt sich nicht nur in seiner Diplomatie, sondern auch in seiner Kriegführung. Zu einem großen Staatsmann aber fehlte ihm vieles: so sehr man die Größe seines Reformwerkes anerkennen muß, so entbehrten seine Bemühungen doch einer in die Zukunft weisenden Linie. Und was am schwersten ins Gewicht fällt: er kannte in der Politik keine Versöhnung. Dadurch hat Sulla den Tod vieler Tausende seiner Gegner verursacht, die allein das Unglück hatten, im Dienst für eine verlorene Sache gestanden zu haben.
In den letzten Jahren seines Lebens war Sulla in Sertorius, einem Anhänger Cinnas und der Populären, ein Gegner erstanden. Als Prätor im Jahre 83 nach Hispania Citerior gesandt, hatte Sertorius sich hier zunächst nicht behaupten können, er mußte in Mauretanien Zuflucht suchen, erst im Jahre 80 war er nach Spanien zurückgekehrt. Sullas Beauftragte in Spanien und Südgallien vermochten gegen ihn militärisch wenig auszurichten, Sertorius beherrschte einen großen Teil der diesseitigen Provinz bis zum Fuß der Pyrenäen. Sein Hauptquartier wurde zur Zufluchtsstätte zahlreicher alter
Freunde des Marius. Aus ihnen bildete Sertorius einen regelrechten Gegensenat. Mit den Einheimischen wußte sich Sertorius aufs beste zu stellen, in Osca (heute Huesca) gründete er für die vornehmen jungen Spanier eine Ritterakademie, hier wurden sie ganz wie die Söhne der Römer erzogen. Sertorius überlebte zwar den Tod des Diktators, aber schon im Jahre 77/76 begann der Endkampf gegen Pompejus, dem Sertorius nicht gewachsen war (s. S. 166 f.). Wenn die Herrschaft des Sertorius in Spanien auch nur von kurzer Dauer war, so hat sie dennoch eine gewisse geschichtliche Bedeutung: war doch hier auf dem Boden einer Provinz, fern von Rom, zum ersten Male ein Gegenbild der Hauptstadt im Werden. So steht Sertorius ganz am Anfang einer Entwicklung, die in der Kaiserzeit in den Erhebungen des Galba, Vitellius und Vespasian in den Provinzen ihr Ziel findet.
Den Ereignissen im Osten hat Sulla nach seiner Rückkehr nach Italien kaum noch Beachtung geschenkt. Hier hatte der Statthalter (propraetor) der Provinz Asia, L. Licinius Murena, den 2. Mithradatischen Krieg (83-82) vom Zaun gebrochen. Die Römer waren in das pontische Reich eingefallen, ein Zeichen dafür, daß die Kriege immer mehr den Charakter von organisierten Raubzügen anzunehmen begannen. Für seine Erfolge war Murena sogar als Imperator ausgerufen worden, auch einen Triumph hatte man ihm bewilligt - ein charakteristisches Zeichen für die zunehmende Entwertung alter hoher Ruhmestitel. Mithradates hatte sich militärisch sehr zurückgehalten, er hatte sich aber über den Bruch des Friedens von Dardanos förmlich beschwert und es schließlich auch erreicht, daß Murena den Krieg auf einen Machtspruch Sullas hin einstellen mußte.
Bei Sullas Tod war der einzige ernsthafte Gegner Roms der pontische König Mithradates VI. Eupator. Die Uhr der hellenistischen Staaten zeigte die letzten Stunden an. Das Ptolemäerreich war von Rom abhängig, es gab zwei Könige, einen in Alexandrien und einen in Cypern; die Cyrenaica war dagegen schon im Jahre 96 v. Chr. durch das Testament des Ptolemaios Apion, eines illegitimen Sohnes des 8. Ptolemäers, an Rom gefallen, aber erst im Jahre 74 haben die Römer die Landschaft in eine Provinz umgewandelt, die später zusammen mit Kreta verwaltet worden ist. Das Seleukidenreich hatte seine Großmachtstellung im Jahre 129 v. Chr. infolge der Niederlage des Antiochos VII. Sidetes gegen die Parther für alle Zeiten verloren. Die folgenden Jahrzehnte seiner Geschichte sind angefüllt mit nahezu unaufhörlichen Prätendentenkämpfen, in die auch die Ptolemäer eingegriffen haben. In der Zeit zwischen 83 und 69 v. Chr. war der Rest, Syrien und Kilikien, eine Provinz des Königreiches Armenien unter Tigranes L, dem Schwiegersohn des Mithradates.
Die Römer haben diese Veränderungen geduldet, da sie die vitalen Interessen des Imperiums nicht berührten. Die geringe Aufmerksamkeit, die Sulla in den letzten Jahren seiner Herrschaft den Provinzen zugewandt hat, führte in ihnen zu wenig erfreulichen Zuständen: es war kein Wunder, wenn sich die römischen Statthalter als die Herren der Welt fühlten und dies auch die Untertanen verspüren ließen! Die Provinzen und die Länder der verbündeten und befreundeten Könige waren für die herrschende Klasse unter den Römern nur praedia populi Romani, die Untertanen nur Lastenträger im Dienste einer Gesellschaft, die sich skrupellos am Vermögen der Untertanen bereicherte, ohne sich auch nur im geringsten ihrer Pflichten gegenüber den unterworfenen Völkern bewußt zu werden. Die römische Provinzialverwaltung war, wenn es auch an Gegenbeispielen nicht fehlt, im großen und ganzen ein öffentliches Ärgernis. Insbesondere die Bewohner des römischen Kleinasien hatten allen Grund, sich nach der patriarchalischen Administration der hellenistischen Könige zurückzusehnen, unter denen es ihnen unvergleichlich besser ergangen war. Die Zeit eines systematischen Aufbaus durch die neuen Herren, die Römer, war noch nicht gekommen, es fehlte hierzu weniger an Mitteln als an der rechten Gesinnung; denn trotz vielfacher Berührung mit dem Griechentum, mit griechischer Philosophie und Literatur, war es zu einer entscheidenden Umprägung des Römertums durch den griechischen Geist noch nicht gekommen. Dagegen schuf die Verleihung des römischen Bürgerrechts an die Italiker eine sehr viel breitere Grundlage für die Romanisierung weiter Bezirke des Westens. So wurde nicht nur die Durchdringung Oberitaliens (Gallia Cisalpina), sondern auch Südgalliens (Gallia Narbonensis) und des diesseitigen Spaniens (Hispania Citerior), das letztere vor allem durch das Werk des Sertorius, stark gefördert. Der kriegerischen Expansion Roms im Osten trat die friedliche Romanisierung des Westens gleichwertig an die Seite, ein Vorgang, der für die Entwicklung der Zivilisation Westeuropas von unabsehbarer Bedeutung gewesen ist.
18. Das Zeitalter des Gnaeus Pompejus (78-60 v. Chr.)
Die überragende Persönlichkeit in dem Zeitalter zwischen dem Tode Sullas und dem 1. Consulat Caesars (59 v. Chr.) ist ohne Zweifel Cn. Pompejus (* 106, gest. 48 v. Chr.). Schon seine Zeitgenossen haben ihn Pompejus Magnus genannt. Pompejus ist der erste Römer, dem diese außergewöhnliche Ehrung zuteil geworden ist. Der Beiname Magnus stellte ihn an die Seite des Makedonen Alexander. In der Tat hat Pompejus wie kaum ein anderer Römer zur Mehrung des römischen Ansehens in aller Welt beigetragen. Er hat die großen Feinde des römischen Volkes niedergeworfen: Sertorius, die Seeräuber, Mithradates VI. Eupator. Pompejus hat das Mittelmeer befriedet und von den Piraten gesäubert. Er hat die Grenzen des Imperiums weit nach dem Osten vorgetragen und nach Errichtung der Provinz Syria den Euphrat zur Grenze zwischen Rom und dem Partherreich gemacht. Wie einst Cornelius Scipio Africanus, so ist auch Pompejus einer der großen Baumeister des Imperium Romanum gewesen. Seine Leistung ist um so beachtlicher, weil sie gegen den offenen und geheimen Widerstand eines großen Teils seiner Standesgenossen errungen werden mußte.
Innenpolitisch stehen die ersten Jahre nach Sullas Tod im Zeichen eines erneuten Ringens um die Verfassung des res publica. Außenpolitisch werden sie bestimmt durch den Krieg gegen Sertorius in Spanien. An beiden Ereignissen ist Pompejus maßgebend beteiligt. Als M. Aemilius Lepidus (Consul 78 v. Chr.), ein alter Anhänger des Marius, den Versuch unternahm, nicht nur ein neues Getreidegesetz durchzubringen, sondern auch die Verbannten zurückzurufen und die durch die sullanischen Veteranen um ihr Land gebrachten Italiker zu restituieren, da erklärte ihn der Senat zum hostis publicus, Q.
Lutatius Catulus und Pompejus aber wurden auf Grund des senatus consultum ultimum mit der Kriegführung gegen Lepidus beauftragt (77 v. Chr.). Die Bewegung konnte mit leichter Mühe niedergeworfen werden, Lepidus entwich nach Sardinien und starb hier. Seine Soldaten aber übernahm M. Perperna und führte sie dem Sertorius zu.
In Spanien stand Sertorius im Jahre 77 auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er hatte das gesamte diesseitige Spanien (Hispania Citerior) seiner Herrschaft unterworfen, sein Machtbereich erstreckte sich vom Guadiana bis an den Fuß der Pyrenäen, er verfügte über ein schlagkräftiges Heer, das sich dem Q. Caecilius Metellus Pius, dem Beauftragten Sullas und des Senates, durchaus gewachsen, wenn nicht überlegen gezeigt hatte. Aber das Bild veränderte sich, als Pompejus in Katalonien erschien (Ende 77 oder Anfang 76). Nach einem mühevollen Marsch über die Alpen, durch Südgallien und über die Pyrenäen hatte er, wahrscheinlich bei Emporiae, den Boden der iberischen Halbinsel betreten. Pompejus war im Besitz eines Imperium proconsulare, für einen noch nicht Dreißigjährigen eine hohe Auszeichnung. Aber auch Pompejus mußte Lehrgeld zahlen, er unterlag dem Sertorius bei Lauro (südlich von Sagunt) und sah sich gezwungen, sein Heer wieder bis an die Pyrenäen zurückzunehmen. Im Jahre 75 aber begann sich das Blatt zu wenden, Metellus und Pompejus gewannen mehr und mehr die Oberhand, in einer zweiten Schlacht bei Lauro siegte Metellus über Perperna, während Pompejus noch einmal gegen Sertorius den kürzeren zog. Die Schwierigkeiten, denen sich Pompejus gegenübergestellt sah, schildert ein Brief, den Pompejus an den römischen Senat gerichtet hat. Im gleichen Jahre hatte Sertorius Verbandlungen mit Mithradates aufgenommen, der pontische König hatte zwei römische Offiziere (L. Magius und L. Fannius) mit einem Bündnisangebot nach Spanien gesandt. Das Ergebnis war ein Abkommen, Mithradates verpflichtete sich, 40 Schiffe zu stellen und 3000 Talente zu zahlen. Sertorius aber versprach seinerseits, gewisse Gebiete Kleinasiens abzutreten und eine Militärmission an den Hof des Mithradates zu entsenden. Bei den kleinasiatischen Ländern handelt es sich um Bithynien, Kappadokien, Paphlagonien und Galatien - sämtlich Klientelfürstentümer, die sich nicht in unmittelbarem römischen Besitz befanden. Die Frage, ob Sertorius auch die römische Provinz Asia abgetreten hat, bleibt weiter umstritten. Die Konzessionen aber werfen dunkle Schatten auf den Charakter des Sertorius. Läßt sich sein Verhalten damit erklären, daß er, um sich selbst zu erhalten, sich dazu gezwungen glaubte? Oder hielt Sertorius einen wirklichen Ausgleich zwischen Rom und dem pontischen König für möglich? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall ging es mit Sertorius im Jahre 74 bergab. Seine Gegner, Metellus und Pompejus, die in den früheren Jahren vorwiegend an der Küste operiert hatten, wagten sich jetzt in das Binnenland vor; das von Sertorius kontrollierte Gebiet schrumpfte auf einige wenige Stützpunkte bei den Keltiberern und an der Ostküste (Tarraco, Valentia, Dianium) zusammen. Es bildete sich unter seinen Anhängern eine Opposition unter M. Perperna. Als ihr Opfer ist Sertorius gefallen (72 v. Chr.). Pompejus aber ließ nach seiner Rückkehr nach Italien auf der Höhe des Pyrenäenpasses des Col Perthus ein Siegesdenkmal errichten. Die Inschrift verkündete, er habe im Krieg gegen Sertorius von den Alpen bis an die Grenze der Hispania Ulterior nicht weniger als 876 Städte erobert. In Rom aber gab es Stimmen, welche die Ruhmsucht des Pompejus heftig kritisierten. Auf der Rückkehr nach Italien, im Frühjahr 71, konnte Pompejus eine Schar von 5000 Sklaven vernichten, sie waren durch die Einschließungslinien des Crassus hindurchgebrochen und hatten Oberitalien unsicher gemacht. Pompejus galt nun als der eigentliche Sieger des Sklavenkrieges, sein Ruhm verdunkelte den des Crassus, obwohl dies den historischen Tatsachen nicht gerecht wurde.
Am 1. Januar 70 v. Chr. trat Pompejus sein erstes Consulat an,
zusammen mit M. Licinius Crassus. Bei der Person des Pompejus setzte man sich über die sullanische Ämterordnung hinweg, denn er war noch nicht einmal 36 Jahre alt. Das Consulat war das Ergebnis einer Absprache mit seinem Kollegen, der Senat war durch die Heere der beiden Machthaber eingeschüchtert worden. Zu den Gefolgschaften der beiden Consuln gehörten zahlreiche ehemalige Marianer, die Stunden der sullanischen Reaktion waren gezählt. In der Tat hat das Jahr 70 v. Chr. eine Reihe wichtiger Reformen gesehen, insbesondere wurden alle Beschränkungen, welche die Volkstribunen in ihrer weiteren Ämterlaufbahn behinderten, wieder aufgehoben. Außerdem erhielten sie die Initiative zu den Gesetzesantragen zurück, eine Befugnis, die im Zeitalter der Bürgerkriege zwischen Cäsar und Pompejus eine wichtige Rolle gespielt hat. Auch die lex iudiciaria des Sulla kam zu Fall. Von nun an setzten sich die Gerichtshöfe zu je einem Drittel aus Senatoren, Rittern und Ärartribunen zusammen (lex Aurelia). Den Rittern wurde außerdem die Provinz Asia wieder überantwortet, damit hatten die Steuerpächtergesellschaften (societates publicanorum) ein neues einträgliches Betätigungsfeld gefunden. Mit der Erneuerung der Censur verband sich eine lectio senatus, sie kostete 64 Mitgliedern des Senats, zumeist Kreaturen Sullas, den Senatssessel und die senatorischen Standesabzeichen. In das gleiche Jahr (70) fällt der Prozeß des Verres, des ehemaligen Proprätors von Sizilien, wegen Repetunden. Ankläger war Cicero, Altersgenosse des Pompejus, Verteidiger war der berühmte Redner Q. Hortensius. Da seine Verurteilung so gut wie sicher war, entzog sich Verres dem Urteil und ging freiwillig in die Verbannung. Es war das erste Mal, daß in Rom die Sache griechischer Provinzialen mit durchschlagendem Erfolg vertreten worden war.
Der 3. Mithradatische Krieg (74-67): Nicht zuletzt durch die Schuld Sullas, der auf eine schriftliche Ausfertigung des Friedens von Dardanos (85) verzichtet hatte, war die Lage in
Kleinasien auch in den darauf folgenden Jahren weithin ungeklärt geblieben. Der 2. Mithradatische Krieg des L. Licinius Murena (s. S. 164) hatte daran nichts geändert. Eine bemerkenswerte Verlagerung des östlichen Gleichgewichts aber brachte der Aufstieg des Königreichs Armenien unter Tigranes I., der sich in Tigranokerta (Maijafariqin in Nordmesopotamien) eine neue Hauptstadt errichtet hatte. In ihr hatten zahlreiche Griechen, die aus Kilikien und Kappadokien zwangsweise umgesiedelt worden waren, unter dem Patronat des Tigranes, des «Königs der Könige», eine neue Heimat gefunden. Sehr viel näher aber lag den Römern das westkleinasiatische Königreich Bithynien. In ihm gab es im Jahre 75 oder 74 v. Chr. eine wichtige Veränderung: der König Nkomedes IV. Philopator, ein treuer Vasall der Römer, starb und vermachte sein Reich den Römern. Diese aber hatten in Mithradates VI. einen entschlossenen Rivalen; er war nicht gewillt, den Römern Bithynien zu überlassen, und zwar um so weniger, als er einen Rechtstitel auf das Königreich zu besitzen glaubte, den ihm Sertorius in die Hand gegeben hatte (s. S. 167). Mithradates war vorzüglich gerüstet, er konnte sich dazu auf die Hilfe der Seeräuber verlassen, auch aus Thrakien kam ihm Zuzug. In Rom entschied man sich für den Krieg, den Consuln des Jahres 74 wurde das Kommando gegen Mithradates anvertraut, und zwar erhielt L. Licinius Lucullus die Provinzen Kilikien und Asien, dazu den Oberbefehl gegen den pontischen König, M. Aurelius Cotta dagegen Bithynien und den Oberbefehl über die Flotte, eine wenig glückliche Anordnung, die in der Tat zu Schwierigkeiten geführt hat. Dem Lucullus stellte man fünf Legionen zur Verfügung, darunter allerdings zwei ehemalige des Fimbria, mit deren Disziplin es nicht zum besten stand. Lucullus war ein Feldherr und Diplomat von hohem Rang, aber er vermochte es nicht, die Herzen seiner Soldaten zu gewinnen, dazu stand er mit den mächtigen Publikanen auf gespanntem Fuß, ein Umstand, der zu seinem späteren Sturz entscheidend beigetragen hat. Mithradates machte sich an die Belagerung der reichen Stadt Kyzikos, mußte sie jedoch, von Lucullus bedrängt, wieder aufgeben (Winter 74/73 v. Chr.). Im Jahre 73 betrat zum ersten Mal ein römisches Heer das Königreich Pontos. Mithradates, in einem Treffen bei Kabeira am Lykos geschlagen, wich nach Armenien aus (72). Die Römer machten sich an die Belagerung der festen Städte Kabeira, Amisos, Herakleia, Amastris und Tios. Es war dies keine leichte Aufgabe, die Städte waren stark befestigt, außerdem erhielten sie, durch die Piraten, Hilfe von außen und widerstanden den Römern zum Teil viele Monate. Sinope, die Residenz des Königs, fiel erst im Jahre 70, als letzte Gemeinde Amaseia, die Heimat des Geographen und Historikers Strabon. Der Vizekönig des bosporanischen Reiches, Mithradates' Sohn Machares, aber schloß sich den Römern an. Zum Ruhm des Lucullus muß es gesagt werden, daß er sich in nachdrücklicher Weise für die unglücklichen Bewohner der Provinz Asia eingesetzt hat, die von der Schuldenlast des ersten Mithradatischen Krieges geradezu erdrückt wurden. Auf Befehl des Lucullus wurden die Zinsen, die eine schwindelnde Höhe erreicht hatten, auf 12 1/2 % herabgesetzt, diejenigen Zinsen aber, welche die ursprünglich geliehenen Kapitalien überstiegen, wurden überhaupt gestrichen - eine wohltätige Anordnung, die ihm die Zuneigung der Provinzialen, aber auch den Haß der römischen Kapitalisten eingetragen hat.
Mit der Offensive des Lucullus gegen Armenien im Frühjahr 69 trat der Krieg im Osten in eine neue Phase. Der römische Oberfeldherr hatte von Tigranes, dem armenischen König, die Auslieferung des Mithradates, seines Schwiegervaters, verlangt, ein Ansinnen, das jener jedoch verweigert hatte. Mit einem Heere von etwa 20000 Mann überschritt Lucullus bei Melitene den Euphrat und wandte sich gegen die neue Hauptstadt des Reiches, Tigranokerta. Im übrigen lag der entscheidende Grund zum Feldzug in der gesteigerten Beutegier der Römer. In der
Schlacht bei Tigranokerta (6. Oktober 69) triumphierte die römische Kriegskunst über ein an Zahl weit überlegenes Heer des Tigranes. Die Hauptstadt aber öffnete dem römischen Feldherrn ihre Tore. Die Beute der Römer war unermeßlich, Lucullus zog die in der Stadt weilenden Dionysischen Techniten zu seinen Siegesfeiern heran, um sich als Protektor der Hellenen feiern zu lassen. Die Einnahme Tigranokertas machte in der ganzen Welt einen tiefen Eindruck. Die Armenier aber räumten die von ihnen besetzten Gebiete des ehemaligen Seleukidenreiches, worauf in Syrien Antiochos XIII. Asiatikos mit Zustimmung des Lucullus auf den Thron gelangte (69 v. Chr.). Der römische Oberfeldherr hatte damit den Höhepunkt seiner Erfolge im Osten erreicht, von nun an begannen die Schwierigkeiten. Die im Pontos als Besatzung zurückgelassenen Truppen verweigerten seinen Befehlen den Gehorsam, auch die in der Gordyene stehenden Legionen wurden unbotmäßig (Frühjahr 68). Lucullus hatte sich mit den Kapitalisten in Rom überworfen, er mußte es jetzt büßen, daß er ihnen in Vorderasien das Geschäft verdorben hatte. Zwar konnte er im Sommer 68 noch einmal eine großangelegte Offensive gegen die Stadt Artaxata in Hocharmenien einleiten, es war aber die letzte, denn die Soldaten waren überfordert und zwangen Lucullus, wieder umzukehren. Das Heer bezog im Raum von Nisibis in Nordmesopotamien (Mygdonien) Winterquartiere, Lucullus aber ging die Kontrolle über seine Soldaten immer mehr verloren. Vor allem gehorchten ihm die ehemaligen Truppen des Fimbria nicht mehr; sie wurden von P. Clodius, dem Schwager des Lucullus, aufgehetzt. Sie standen übrigens teilweise schon an die 20 Jahre unter den Waffen und glaubten, endlich ein Recht auf Entlassung zu haben (67). Im übrigen taten Lucullus' Gegner in Rom alles, um seine Tätigkeit zu erschweren. Nachdem er die Provinz Asia bereits im Jahre 69 verloren hatte, wurde ihm im folgenden Jahre auch Kilikien genommen, im Jahre 67 endlich bestellte der Senat den Consul M'.Acilius
Glabrio zu seinem Nachfolger. Ihm wurden als Provinzen Bithynien und Pontus zugewiesen. Es war dies das Werk des Volkstribunen A. Gabinius, der in Rom die Comitien gegen Lucullus unter Verwendung primitiver psychologischer Mittel einzunehmen wußte. Die Katastrophe des Lucullus brachte das Jahr 67. Mithradates war nach dem Pontos zurückgekehrt, der Legat des Lucullus, Triarius, mußte eine schwere Niederlage hinnehmen (bei Zela), die Soldaten des Lucullus verweigerten ihrem Feldherrn den Gehorsam, die Reste des Heeres hat Pompejus im Jahre 66 übernommen.
Unter den Nobiles der ausgehenden römischen Republik ist Lucullus eine einzigartige Erscheinung. Er war nicht nur ein talentierter Feldherr, sondern auch ein Mann von regen geistigen Interessen. So hat er beispielsweise eine Geschichte des Bundesgenossenkrieges in griechischer Sprache verfaßt, angeblich mit vielen Latinismen durchsetzt. Er war befreundet mit Antiochos von Askalon, dem Haupt der athenischen Akademie, und mit Cicero, dem er wiederholt seinen politischen Rat, wenn auch zumeist vergeblich, geliehen hat. Sein großes Vermögen gestattete es ihm, ganz seinen privaten Neigungen in Rom zu leben, die horti Luculliani auf dem Monte Pincio sind sein Werk. Seine vielen Villen schmückte er mit großartigen Kunstgegenständen, die er sogar bezahlt haben soll, und wenn auch ein anderer nach ihm den Gewinn des Mithradatischen Krieges eingeheimst hat, so bleibt doch dem Lucullus der Ruhm, die Kirsche von Kerasus am Pontos nach Rom gebracht zu haben. Inmitten einer Welt, in der allein das Geld und die politische Berechnung regierten, war Lucullus ein Mann mit Verstand und mit Herz, jedoch fehlte es ihm an der notwendigen Härte, auf die weder der Politiker noch der Feldherr verzichten kann.
Mit dem 3. Mithradatischen Krieg verbindet sich teilweise der Seeräuberkrieg (74-67 v. Chr.). Die Piraten waren, begünstigt durch den Niedergang der hellenistischen Oststaaten, insbesondere des Seleukidenreiches, schon seit dem Ende des 2. Jh. v. Chr. eine kriegführende Macht geworden, ihre Hauptstützpunkte bildeten die unübersichtlichen Küsten Kilikiens und die zentral gelegene Insel Kreta, von wo aus sie auch den Westen des Mittelmeeres, die Küsten Siziliens und Italiens, in Schrecken setzten. Seereisen wurden, zumal im Orient, zu einem gefährlichen Wagnis; bekanntlich ist Caesar in seiner Jugend in die Hände der Seeräuber gefallen. Die Piraten verfügten über weitreichende Verbindungen, sie verhandelten nicht nur mit Sertorius, sondern auch mit Spartacus und mit Mithradates. Die ersten Versuche der Römer, dem Seeräuberunwesen entgegenzutreten, verliefen enttäuschend. Dies gilt für den Zug des M. Antonius, des bekannten Redners, gegen die kilikischen Piraten im Jahre 102, obwohl eine rühmende lateinische Inschrift aus Korinth das Gegenteil versichert. Auch der Versuch, ein großes umfassendes Ostkommando zu errichten und mit Hilfe der hellenistischen Könige die Seeräuber in die Enge zu treiben, hat offenbar nicht zum Ziel geführt. Im Jahre 74 wußte sich der römische Senat nicht mehr anders zu helfen, als daß er dem M. Antonius (dem Sohn des Älteren M. Antonius und Vater des Triumvirn, später bekannt unter dem Beinamen Creticus) ein infinitum imperium übertrug. Im ersten Jahre seines außerordentlichen Kommandos operierte er im Westen, an den Küsten Liguriens, Spaniens und Siziliens, danach wandte er sich gegen Kreta, mußte aber eine Niederlage gegen die Piraten hinnehmen und mit ihnen einen ungünstigen Frieden schließen, der vom Senat verworfen worden ist. Mehr Erfolg war im Jahre 68 dem Q. Caecilius Metellus beschieden: er blieb in den Gewässern bei Kydonia siegreich und eroberte mehrere kretische Seestädte. Aber das Unwesen der Piraten war damit keineswegs gebannt, sie drangen sogar in die Gewässer vor Ostia ein und behinderten die Getreidezufuhr nach der Hauptstadt.
Im Januar des Jahres 67 stellte der Volkstribun A. Gabinius
den Antrag, das Kommando gegen die Seeräuber einem einzelnen auf eine Zeit von drei Jahren zu übertragen (lex Gabinia); jedermann in Rom wußte, daß hiermit niemand anders als Pompejus gemeint sein konnte, er war seit seinem Consulat (70) in Rom geblieben und hatte auf eine Provinz verzichtet. Es sollte ein unbegrenztes Imperium über das gesamte Mittelmeer und die Küsten bis zum 50. Meilenstein (75 km) landeinwärts sein. Im Senat erhob sich Widerstand, daß aus einem so umfassenden Kommando die Diktatur hervorgehen könne, aber die Parteigänger des Pompejus, unter ihnen auch Caesar, traten mit großer Wärme für ihn ein. Dem Pompejus wurde ein riesiges Aufgebot bewilligt, es waren nicht weniger als 20 Legionen und 500 Schiffe. In dem Kriege gegen die Seeräuber hat Pompejus ein strategisches Meisterstück vollbracht. Er teilte das gesamte Mittelmeer in 13 Bezirke ein und bestellte für jeden einen verantwortlichen Legaten. Unter ihnen finden sich Männer wie Q. Caecilius Metellus Nepos (Consul 57) und L. Cornelius Sisenna. Pompejus veranstaltete ein gigantisches Kesseltreiben vorn Westen nach dem Osten, in 40 Tagen war das Mittelmeer von den Piraten reingefegt, sie sahen sich an der Küste Kilikiens zusammengedrängt und unterlagen in der Seeschlacht bei Korakesion. Pompejus aber ließ nach gewonnenem Siege Milde walten. Die ehemaligen Piraten wurden in Soloi (Pompejopolis), in Dyme in Achaia und an einigen anderen Orten neu angesiedelt. Im übrigen hatte der Krieg noch ein wenig rühmliches Nachspiel. Pompejus versuchte, sich in die kretischen Verhältnisse einzumischen, obwohl die Insel dem Kommando des Q. Caecilius Metellus unterstellt war. Es hätte wenig gefehlt, und es wäre zu einem regelrechten Krieg zwischen beiden römischen Imperiumsträgern gekommen. Kreta aber wurde im Jahre 66 in eine römische Provinz umgewandelt, sie wurde zusammen mit der Cyrenaica verwaltet (s. S. 164).
Zu Anfang des Jahres 66 beantragte der Volkstribun C. Manilius, die Führung des Krieges gegen Mithradates und
Tigranes, dazu die Provinzen Bithynien, Pontus und Kilikien dem Pompejus zu übertragen. Dem Treuhänder des römischen Volks sollten alle östlich von Italien stehenden Truppen unterstellt werden, außerdem wurde ihm ein imperium maius gegenüber den Statthaltern der Provinzen zuerkannt. Endlich wurde es dem Pompejus anheimgestellt, nach seinem eigenen Ermessen Krieg zu führen und Frieden zu schließen. Die Vollmachten des Pompejus waren um so größer, wenn man in Betracht zieht, daß die ihm auf eine Zeit von drei Jahren verliehenen Befugnisse auf Grund der lex Gabinia noch keineswegs erloschen waren! So ist das Jahr 66 der ganz unbestreitbare Gipfelpunkt im Leben des Cn. Pompejus, er war noch nicht ganz 40 Jahre alt und konnte sich mit Recht als der erste Feldherr des Staates betrachten. Übrigens hat sich gerade Cicero in seiner Rede «De imperio Cn. Pompei» für die lex Manilia eingesetzt, Gegner aber waren Catulus und Q. Hortensius.
Mit der Verleihung der großen Imperien an Pompejus ist der römische Freistaat an einer Zeitenwende angelangt. Da es nicht mehr möglich schien, die großen Probleme des Reiches mit den üblichen Prorogationen der Obermagistrate in ihrem Amt zu bewältigen, beschritt man den gefährlichen Weg, befristete außerordentliche Imperien zu bilden und sie dem führenden Feldherrn zu übertragen. Der Senat entäußerte sich damit eines wichtigen Teils seiner Vollmachten, er gab bedeutende Befugnisse der Reichsverwaltung aus der Hand und veränderte hierdurch in sehr folgenschwerer Weise das innere Gleichgewicht des Staates. Im Grunde waren die Anträge des A. Gabinius und des C. Manilius, ebenso aber auch ihre Unterstützung durch Cicero, eine öffentliche Bankrotterklärung des bisherigen Systems: an die Spitze des römischen Heeres trat, ein Jahrzehnt nach dem Tode des Tyrannen, Pompejus, der als Parteigänger Sullas emporgekommen war. Das Volk aber War von dem Antrag des C. Manilius geradezu fasziniert - alle 35
Tribus stimmten ihm geschlossen zu. Die Übertragung des Imperiums geschah auf Kosten des Lucullus, der seit Jahren ohne Unterstützung gelassen worden war. Pompejus traf mit ihm in Galatien zusammen, dabei kam es zwischen beiden zu einem völligen Bruch. Jedoch blieb auch für Pompejus noch so manches zu tun übrig. Mithradates war wieder zurückgekehrt und hatte sich in den Besitz seines Reiches gesetzt. In diplomatischer Weise knüpfte Pompejus sowohl mit Mithradates wie mit dem neuen Partherkönig Phraates Verhandlungen an, die auch zu dem gewünschten Ziel führten. Der König von Pontos konnte sich auf die von ihm geforderte bedingungslose Kapitulation nicht einlassen, der parthische Großkönig aber schloß mit Pompejus ein Bündnis ab, er versprach, die Kräfte des Tigranes I. in Armenien zu binden. Im übrigen war Pompejus seinem Gegner an Truppen weit überlegen. Mithradates hat nur Rückzugsgefechte führen können. In der Nähe des Euphrats, bei Nikopolis, wurde sein Heer vollständig zersprengt, der König mußte in Kolchis Zuflucht suchen, später begab er sich auf den kimmerischen Bosporus. Der Krieg war entschieden, die Gebiete des Königreichs Pontos lagen dem Pompejus zu Füßen. In Armenien setzte er Tigranes I. wieder zum Herrscher ein mit der Auflage, seinem Sohn gleichen Namens die Landschaften Sophene und Gordyene (südlich des Vansees) als Sonderkönigtum zu überlassen. Die westlichen Provinzen seines Reiches von Syrien bis Galatien und Kappadokien mußte er definitiv an Rom abtreten (66 v. Chr). Später erlangte der ältere Tigranes den Rang eines Freundes und Bundesgenossen des römischen Volkes. Armenien aber war ein römischer Klientelstaat geworden, gewissermaßen ein Vorposten gegenüber der wachsenden Macht des Partherreiches. Den Rest des Jahres 66 und das folgende Jahr verwandte Pompejus auf einen Vorstoß in das Massiv des Kaukasus. Gegen den Widerstand der Iberer und Albaner gelangten die Römer bis in die Gegend des Kaspischen Meeres. Von hier aus soll
Pompejus Erkundigungen über den Weg nach Indien eingezogen haben, er fühlte sich als ein neuer Alexander. Im übrigen ist es kein Zufall gewesen, wenn später, im Jahre 62, eine indische Gesandtschaft in Italien erschienen ist. Im Winter des Jahres 65/64 versammelte sich auf Befehl des Pompejus in Amisos ein glanzvoller Fürstenkongreß, auf dem neben zahlreichen anderen Potentaten des Ostens auch zwölf Könige anwesend waren. Von Amisos aus befahl Pompejus, ohne die Ankunft der üblichen Senatskommission abzuwarten, die Konstituierung der Doppelprovinz Bithynia et Pontus (64). Schon vorher hatte er mit dem Partherkönig abgerechnet. Dieser hatte sich nämlich in den Besitz der Landschaft Gordyene gesetzt, war aber von Afranius, dem Legaten des Pompejus, gezwungen worden, sie wieder zu räumen. Gordyene kam nun endgültig an den Jüngeren Tigranes. Die parthischen Vasallenkönige in Medien und in der Elymais begrüßten Pompejus und erhielten von ihm Dankesschreiben, während er dem Partherkönig den ihm zustehenden Titel «König der Könige» verweigerte. Es blieb noch die Ordnung Syriens übrig. Schon im Jahre 66 hatte Pompejus einen seiner Vertrauten, den Freigelassenen Demetrios aus Gadara, nach Syrien gesandt. Hier herrschte ein großes Durcheinander. Der letzte Seleukide, der von Lucullus eingesetzte Antiochos XIII. Asiatikos, hatte niemals die Autorität über die gesamte Landschaft erringen können, zahlreiche Städte waren selbständig, die Bewohner des flachen Landes aber litten unter den unaufhörlichen Einfallen der Beduinen. Pompejus hatte Damaskus durch eine Vorausabteilung besetzen lassen, dann erschien er selbst, schob die Erbansprüche des Seleukiden kurzerhand beiseite und erklärte Syrien zu einer römischen Provinz (64). Doch ließ er eine Anzahl einheimischer Fürstentümer bestehen, sie dienten der neuen Provinz als Vorfeld, ebenso wie das Königreich Osrhoene unter Abgaros. Gegenüber den makedonischen Gründungen Seleukeia und Antiocheia am Orontes zeigte sich
Pompejus sehr großzügig, wie er sich überhaupt um die Gunst der Griechen und Makedonen bemühte. Ganz gegen seine Absicht aber wurde er in den Streit der beiden Hasmonäer, Hyrkanos II. und Aristobul II., der Söhne des Alexander Jannaios (103-76), hineingezogen. Es ging um die Herrschaft in Judäa und in Jerusalem. In den Streit mischten sich auch andere Fürsten ein wie der Idumäer Antipatros, der Vater des späteren Königs Herodes, und die Nabatäer. Da Aristobul die Römer mehrfach herausgefordert hatte, mußte er auf dem Tempelberg von Jerusalem belagert werden. Der Berg aber wurde unter Ausnutzung der Sabbatruhe der Juden nach einer Belagerung von drei Monaten von den Römern erstürmt. Faustus Sulla, der Sohn des Diktators, war der erste, der in den Tempel Salomos eingedrungen ist. Auch Pompejus betrat mit seinem Gefolge das Allerheiligste, dies ist ihm von den gesetzestreuen Juden sehr verdacht worden, sie waren es, die am lautesten jubelten, als Pompejus im Jahre 48 den Tod durch Mörderhand gefunden hatte. Das Reich Juda wurde beträchtlich verkleinert, zehn griechische Städte mit ihrem Landgebiet wurden aus seinem Verband herausgenommen. Pompejus knüpfte damit an die Städtepolitik der Seleukiden an; eine Reihe anderer Gemeinden wurde auf seinen Befehl wieder aufgebaut, unter ihnen Gaza, Joppe, Dora, Stratonsturm (später Cäsarea genannt) und Gadara. Als Herrscher über Judäa wurde der Hohepriester Hyrkanos bestätigt, der Königstitel wurde ihm jedoch vorenthalten. Aristobul und seine Kinder aber wanderten in römische Gefangenschaft. Es ist der Ruhm des Pompejus, hier wie auch sonst in Vorderasien als Protektor des Hellenismus gegen die einheimischen Völker, Araber, Ituräer, Juden und die anderen, aufgetreten zu sein, eine Einstellung, die für die hellenistische Zivilisation im Osten von weiter Fernwirkung gewesen ist. Auf dem Wege nach Jerusalem hatte Pompejus die Nachricht vom Tode des Mithradates empfangen (63). Mithradates hatte im bosporanischen Reich nicht recht Fuß fassen können, da sich ihm die Städte und auch sein eigener Sohn Pharnakes versagten. In seiner Verzweiflung hatte er sich den Tod durch einen keltischen Offizier geben lassen. Das bosporanische Reich aber blieb als römischer Vasallenstaat bestehen, die Nachkommen des Pharnakes herrschten hier bis in das 4. Jh. n. Chr. Die Stadt Phanagoreia wurde durch die Gnade des Pompejus als frei und autonom anerkannt. Den Winter des Jahres 63/62 widmete sich Pompejus der Ordnung der Provinz Bithynia et Pontus. Ihr Statut bildete eine lex Pompeia, sie ist bis tief in die Kaiserzeit hinein in Geltung geblieben. Auch hier wurde eine weitgehende Urbanisierung durchgeführt: die Provinz wurde in elf Städtegebiete eingeteilt, denen nach römischem Vorbild das übrige Land attribuiert wurde, eine Neuordnung, die dem alten Kulturlande eine hohe Blüte gesichert hat. Zu den Helfern des Pompejus zählte der Grieche Theophanes von Mytilene, ein Gelehrter und Historiker. Durch die Gnade des Pompejus erhielt er das römische Bürgerrecht, worauf er sich Cn. Pompejus Theophanes nannte. Der Philhellenismus des Pompejus brauchte freilich nicht erst von Theophanes geweckt zu werden, Pompejus' Liebe zum Griechentum war echt und ehrlich. Mit den zahlreichen Städtegründungen aber eiferte Pompejus dem Makedonen Alexander nach, mit dem er sich gern vergleichen ließ. Gegenüber seinen Mitkämpfern, Offizieren und Soldaten, zeigte sich Pompejus bemerkenswert großzügig, sie haben aus seiner Hand geradezu fürstliche Belohnungen erhalten, die ihnen in Ephesos ausgehändigt worden sind. Die Rückreise ging über Lesbos und Rhodos vonstatten, in Rhodos versäumte es Pompejus nicht, dem Poseidonios einen sehr ehrenvollen Besuch abzustatten. Im übrigen war der ruhmgekrönte römische Feldherr geradezu entzückt, als der große Universalgelehrte versprach, ein Kapitel aus der Geschichte seiner Taten zu schreiben. Das Hauptwerk hat jedoch Theophanes, nicht Poseidonios, verfaßt, es muß in großer Eile niedergeschrieben worden sein, denn es lag schon im Jahre 62 fertig vor. Den
Athenern machte Pompejus ein Geschenk von 50 Talenten, es sollte zur Wiederherstellung der im Mithradatischen Kriege zerstörten Monumente dienen. Im Dezember 62 landete Pompejus mit seinem Heere in Brundisium. Sechs Jahre lang war er von Italien ferngeblieben, die Welt aber hatte, nicht zuletzt dank seiner Siege im Osten, ein neues Gesicht erhalten, Mithradates, der große und furchtbare Feind der Römer, lebte nicht mehr, die römischen Waffen waren siegreich bis nach Armenien und Mesopotamien getragen worden, neue Provinzen waren geschaffen, zahlreiche Klientelstaaten mit dem römischen Imperium verbunden worden. Pompejus selbst aber verfügte über eine riesige Gefolgschaft, die sich von Spanien über Südgallien und Italien bis in die fernen Gebiete jenseits des Euphrats erstreckte. Mit der Entlassung seines Heeres in Brundisium zeigte er vor aller Welt, daß er, anders als Sulla, sein großer Protektor, keinen Zwang auf seine innenpolitischen Gegner in Rom ausüben wollte. Waren aber die Hoffnungen seiner Anhänger berechtigt, die von ihm eine Lösung der verwickelten inneren Probleme Roms erwarteten?
Die catilinarische Verschwörung und das sog. 1. Triumvirat des Pompejus, Crassus und Caesar.
Über die Verschwörung des Catilina hat sich vor allem Cicero, der Consul des Jahres 63, immer wieder geäußert, allerdings sind Briefe Ciceros aus diesem Jahre (durch Zufall?) nicht erhalten. Aber Cicero hat selbst eine Darstellung seines Consulats in griechischer Sprache gegeben, eine Broschüre, die später wohl auch ins Lateinische übersetzt worden ist
(commentariolus consulatus).
Wenig Vertrauen verdienen im übrigen die ciceronischen Reden aus diesem Krisenjahr, 13 an der Zahl, von denen die vier catilinarischen Reden tendenziöse Umarbeitungen darstellen. Sehr viel wertvoller sind dagegen die Fragmente der Rede
Chronologie der Verschwörung in das Jahr 64 verschoben! Überhaupt ist Sallusts Schrift durch und durch parteiisch, sie sollte vor allem Caesar von dem Vorwurf, an der Verschwörung teilgenommen zu haben, reinwaschen. Angesichts des weithin trümmerhaften Zustands der antiken Überlieferung ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Meinungen der modernen Forscher beträchtlich auseinandergehen. Aber die Äußerungen Ciceros müssen kritisch betrachtet werden, haben doch beispielsweise seine catilinarischen Reden erst im Jahre 60 jene Form gefunden, unter der sie in die Welt hinausgegangen sind.
Das Jahrzehnt vom 1. Consulat des Pompejus (70) bis zur Bildung des ersten Triumvirats im Jahre 60 v. Chr. ist erfüllt von zahlreichen inneren Kämpfen in Rom, von denen aber nur für die catilinarische Verschwörung ein umfangreiches Material vorhanden ist. Wichtiger als Catilina und seine Umtriebe ist jedoch der Aufstieg Caesars, den Pompejus weithin begünstigt hat. Caesar, geboren am 13. Quinctilis des Jahres 100 v. Chr., entstammte einer alten, aber nicht sehr begüterten Familie, die ihren Ursprung auf den mythischen Ahnherrn Julus, den Sohn des Aeneas und den Enkel der Venus, zurückführte. Caesars Vater (f 85) hatte es zwar zur Prätur, nicht aber zum Consulat gebracht. Als Neffe des Marius verfiel Caesar der Proskription, wurde aber schließlich begnadigt. Schon früh wandte er s.ch dem aufgehenden Gestirn des Pompejus zu. Im Jahre 65 ist er als kurulischer Aedil mit der Abhaltung großartiger Spiele in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses getreten, vorher, im Jahre 69, war er Quästor in Hispania Ulterior gewesen. Seine Schulden zwangen ihn dazu, sich auf die Seite des Kapitalisten Crassus zu schlagen, der ihm wiederholt seine finanzielle Hilfe geliehen hat.
In Rom herrschte in den sechziger Jahren Krisenstimmung, es gab immer wieder wirtschaftliche Schwierigkeiten, die zum Teil durch außenpolitische Einflüsse verstärkt wurden. Insbesondere das Seeräuberunwesen verursachte eine allgemeine Unsicherheit und ließ die Preise hochschnellen, was zu Unruhen unter der städtischen Plebs geführt hat. Auf diesem Hintergrund ist die sog. 1. catilinarische Verschwörung zu sehen (66/65 v. Chr.). Für das Jahr 65 waren P. Autronius Paetus und P. Cornelius Sulla zu Consuln gewählt worden, sie durften jedoch das Amt nicht antreten, da sie des Wahlbetrugs überführt wurden. An ihrer Statt gelangten L. Manlius Torquatus und L. Aurelius Cotta zum Consulat. Die Abgewiesenen aber verbanden sich mit Cn. Calpurnius Piso und L. Sergius Catilina, mit dem Ziel, die Consuln zu ermorden. Beweise gibt es allerdings für diese sog. 1. catilinarische Verschwörung nicht, sie beruht weithin auf Gerüchten, auch wurde gegen die angeblichen Verschwörer nicht eingeschritten; Cn. Calpurnius Piso wurde sogar als Quästor nach dem diesseitigen Spanien geschickt, wobei er in Crassus einen Helfer fand. Vermutlich ist es Cicero gewesen, der zum erstenmal in seiner Geheimschrift
L. Sergius Catilina war ein Parteigänger Sullas, er hatte sich, wie so viele andere, bei den Proskriptionen in schamloser Weise bereichert. In Rom verfügte er über zahlreiche Verbindungen, im Jahre 68 war er Prätor, in dem darauffolgenden Jahr Statthalter in Africa gewesen. Da gab es für ihn im Jahre 64 einen ärgerlichen Zwischenfall: Catilina wurde in einen Repetundenprozeß verwickelt, entging aber der Verurteilung. Zusammen mit C. Antonius bewarb sich Catilina im gleichen Jahre um das Konsulat, Crassus und Caesar unterstützten ihn in einem Wahlkartell. Auch Cicero, der gleichfalls das Consulat erstrebte, hätte sich gern mit der mächtigen Gruppe arrangiert, Catilina aber hatte ihm die kalte Schulter gezeigt. Das jedoch war Ciceros Glück, denn die maßgebenden Männer der Nobilität setzten sich nun für den homo novus Cicero ein, mit dem Erfolg, daß dieser und C. Antonius als Sieger aus den Wahlen hervorgingen, Catilina aber und vier andere Bewerber waren durchgefallen. Dem gewiegten Taktiker Cicero gelang es bald, seinen Kollegen C. Antonius auf seine Seite herüberzuziehen, und zwar dadurch, daß er ihm nach Ablauf der Amtszeit die Provinz Makedonien zu überlassen versprach; an dem zu erwartenden finanziellen Gewinn ließ er sich jedoch beteiligen.
Cicero
hatte den Gipfel seiner Laufbahn erklommen, und zwar
suo anno,
43 Jahre alt (* 106 in Arpinum). Er stammte aus dem Munizipaladel und konnte auf eine erfolgreiche Laufbahn als Redner und Anwalt zurückblicken. Über die Quästur (75), die ihn nach Sizilien geführt hatte, und die kurulische Ädilität (69) war er im Jahre 66 zur Prätur gelangt, und zwar, wie es für einen
homo novus
das gegebene war, als Anhänger der
Der doppelte Mißerfolg führte Catilina auf den Weg der Revolution. Zu seinen Mitverschworenen zählten neben anderen P. Cornelius Lentulus Sura und C. Cornelius Cethegus. Im übrigen war Catilina alles andere als ein Vorkämpfer des römischen Proletariats oder der arbeitenden Schichten des Volkes, er war vielmehr ein vornehmer Nichtstuer, ebenso wie seine Spießgesellen. Er war tief verschuldet, eine Schuldentilgung (tabellae novae) wäre für ihn und die anderen verkrachten Existenzen ein Erfolg gewesen. Als im Oktober 63 aus verschiedenen Gegenden Italiens, aus Apulien, Umbrien und Etrurien, Zusammenrottungen unzufriedener Elemente gemeldet wurden, erließ der Senat am 21. Oktober das senatus consultum ultimum. Am 7. oder am 8. November berichtete Cicero vor dem Senat, es war die erste catilinarische Rede, in der darauf.folgenden Nacht verließ Catilina die Hauptstadt, er ging nach Etrurien, nachdem er sich die consularischen Insignien angelegt hatte - dies war der erste ungesetzliche Akt, den er sich zuschulden kommen ließ. Der Zufall spielte Cicero weiteres Material in die Hand, es kam von Gesandten der gallischen Allobroger, die von den Catilinariern in ihre Absichten eingeweiht worden waren. Jetzt griff Cicero zu: er ließ einige Parteigänger Catilinas verhaften, sie wurden im Senat verhört (3. Dezember 63) und. schon zwei Tage später nach einer heftigen, wechselvollen Senatsdebatte zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde alsbald vollstreckt. Cicero war nicht wohl dabei, das senatus consultum ultimum hätte ihn ohne weiteres berechtigt, ohne Befragen des Senats die Todesstrafe vollziehen zu lassen. Er wollte sich jedoch eine Rückversicherung schaffen und befragte, was nicht korrekt war, noch ausdrücklich den
Senat. Dieser aber ließ sich zu einer ungesetzlichen Handlung fortreißen, indem er das Provokationsrecht der Angeklagten einfach unter den Tisch fallen ließ. Bereits am 10. Dezember 63 sprach sich der Volkstribun Metellus Nepos gegen Cicero aus: er habe römische Bürger ohne Hinzuziehung eines ordentlichen Gerichts zum Tode verurteilen lassen. Als Cicero seine Schlußrede halten wollte, interzedierte der gleiche Metellus Nepos. Das war ein trüber Abschluß eines mit so vielen Hoffnungen begonnenen Consulats!
Die ersten Wochen des neuen Jahres (62) sahen den Untergang Catilinas. Tapfer kämpfend fiel er bei Pistoria, die Bewegung hatte ihren Führer verloren, das Problem aber, insbesondere die Schuldentilgung, war nicht gelöst. Im übrigen ist die catilinarische Verschwörung kein Ereignis ersten Ranges in der römischen Geschichte, erst Cicero hat sie durch seine Reden und Schriften dazu gemacht, und nicht ganz zu Unrecht spottete man in Rom über den übereifrigen Consul, dessen zweites Wort das ominöse «Omnia comperi» («Ich bin über alles im Bilde») gewesen war.
Im übrigen wurde das Jahr 62 überschattet von der bevorstehenden Rückkehr des Pompejus. Der Feldherr hatte sich durch seine Vertrauensmänner über die Vorgänge in Rom auf dem laufenden halten lassen. In Rom angelangt (Januar 61), hielt er sich zurück, am 28. und 29. September (der zweite Tag war sein 45. Geburtstag) feierte er seinen Triumph über Mithradates und die anderen Könige des Ostens. Die Soldaten nahmen daran nicht teil, Pompejus aber trug den angeblich von Alexander stammenden Mantel, den man unter den Schätzen des Mithradates gefunden hatte, ein Symbol für den Übergang der Weltherrschaft von den Makedonen auf die Römer. Vor seinem Triumphwagen schritten die vornehmen Gefangenen, wie es heißt, 324 an der Zahl, sie wurden bis auf einige wenige (Tigranes der Jüngere, Aristobul) wieder entlassen, nicht, wie es in Rom üblich war, getötet. Die Schwierigkeiten aber waren nach wie vor ungelöst; der Senat hatte immer noch nicht die Neuordnung Vorderasiens durch Pompejus bestätigt, ebensowenig war die Frage der Unterbringung und Versorgung der Veteranen beantwortet. Pompejus hatte in Rom eine Anzahl entschlossener Gegner, zu ihnen gehörten nicht allein der Jüngere Cato und Metellus Celer, sondern auch Lucullus und Metellus Creticus, die er sich beide zu persönlichen Feinden gemacht hatte. Mit Cicero hatte er dagegen eine amicitia geschlossen (Sommer 61). Die erste Kraftprobe, ein von dem Volkstribunen L. Flavius beantragtes Ackergesetz, scheiterte am Widerstand des Senats (60). Es kam zu einem peinlichen Auftritt zwischen dem Tribunen Flavius und dem Consul Metellus Celer, der sich in keiner Weise einschüchtern ließ und den Senat sogar in das Gefängnis berief, in das ihn der Volkstribun hatte einliefern lassen. Wie sollte es weitergehen? Im Juli des Jahres 60 kehrte Caesar aus Spanien zurück, er war seine Schulden los und strebte nach dem Consulat für das nächste Jahr. Mit Unterstützung des Crassus und Pompejus wurde er auch gewählt, aber die Optimaten hatten gleichfalls einen der Ihren, M. Calpurnius Bibulus, bei den Consulwahlen durchgedrückt. Das Bündnis zwischen den drei Machthabern Roms, abgeschlossen etwa in der Mitte des Jahres 60 (eine coitio), hat M. Porcius Cato (der Jüngere) als das Ende der res publica libera bezeichnet. In der Tat waren die drei Männer, zusammen mit ihren Klientelen in aller Welt, imstande, den Staat aus den Angeln zu heben. Der Leidtragende war zunächst der Senat, der von nun an, insbesondere durch gekaufte Volkstribunen, terrorisiert wurde. An dieser verhängnisvollen Entwicklung waren die maßgebenden Männer unter den Optimaten, auch Cicero, nicht schuldlos. Sie hatten alles getan, um Pompejus in das Lager der Gegner zu treiben, wenn er nicht völlig isoliert sein wollte.
19. Caesars Consulat (59 v. Chr.) und die Eroberung Galliens (58-51 v. Chr.)
Mit dem l. Januar 59 v. Chr., dem Beginn von Caesars Consulat, nimmt in Rom ein neues Zeitalter seinen Anfang, und zwar nicht nur, weil der neue Consul eine Tätigkeit entfaltete, die sein Amtsjahr weit über das Maß des Üblichen hinausgehoben hat, sondern vor allem, weil sich der Senat mehr und mehr zur Kapitulation gezwungen sah. Gewiß gab es immer noch aufrechte Männer, welche die Idee des Freistaats mit allen Mitteln zu verteidigen versuchten wie der Jüngere Cato, aber zahlreiche Senatoren begannen zu resignieren, und die plebs urbana war sogar von Caesar begeistert, und zwar um so mehr, als der Ruhm des Feldherrn Pompejus allmählich verblaßte. Von allem Anfang an hat sich Caesar um die Sitte der Vorfahren mos maiorum) nur wenig gekümmert, er hat autoritär regiert, soweit ihm dies bei dem Widerstand des Senats möglich war. Wer sich ihm in den Weg stellte, wurde durch Terror gefügig gemacht. Etwa im März 59 ging die rogatio seines ersten Ackergesetzes durch, der Senat hatte zwar seine Zustimmung verweigert, die Comitien aber nahmen das Gesetz an. Sehr viel wichtiger aber war eine zweite lex agraria, welche die Aufteilung der campanischen Domänen vorsah, hat dieses Gesetz doch dem Consul eine bedeutende Gefolgschaft gesichert (Mai 59). Auch die Anordnungen des Pompejus in Vorderasien fanden endlich die Billigung des Senats. Dem Pompejus war Caesar auch sonst zu Willen: er schaffte ihm nicht nur den Vettius vom Halse, der angeblich einen Mordplan gegen Pompejus geschmiedet hatte, er vermählte ihm auch seine einzige Tochter Iulia. Eine Leistung ersten Ranges aber war die lex Iulia de repetundis, ein Gesetz, das die römische Provinzialverwaltung auf eine neue Grundlage gestellt hat. Die lex trat an die Stelle des sullanischen Gesetzes, noch in der Kaiserzeit war sie die Magna Charta der römischen
Administration. Caesar sorgte dafür, daß die Protokolle des Senats und der Comitien veröffentlicht wurden (acta senatus et populi Romani). Von weittragender Bedeutung aber war der Antrag des Volkstribunen P. Vatinius (Juni 59?), der Caesar nach Ablauf seines Amtsjahres das Diesseitige Gallien und Illyricum mit drei Legionen verlieh, und zwar auf die Zeit von fünf Jahren, was ungewöhnlich war. Der Senat aber fügte sogar noch das Jenseitige Gallien (Gallia Ulterior) mit einer weiteren Legion hinzu. Consuln für das Jahr 58 wurden A. Gabinius, der Günstling des Pompejus, und L. Calpurnius Piso, der Schwiegervater Caesars. Nach Ablauf seines Consulats blieb Caesar zunächst noch drei Monate, und zwar mit einem Heer, in der Nähe der Hauptstadt. Es galt, zwei Gegner des Triumvirats unschädlich zu machen: Cicero und M. Porcius Cato. Auf Cicero wurde der Volkstribun P. Clodius, ein skrupelloser Demagoge, losgelassen, der im übrigen mit dem Redner bitter verfeindet war. Clodius stellte den Antrag, daß diejenigen geächtet werden sollten, die römische Bürger in einem ungesetzlichen Verfahren hätten hinrichten lassen. Das aber ging auf Cicero. Als dieser bei Pompejus keine Hilfe fand, begab er sich freiwillig in die Verbannung, sein Vermögen wurde konfisziert. Der Jüngere Cato aber erhielt den Auftrag, das Königreich Cypern in eine römische Provinz umzuwandeln, eine Aufgabe, die Cato mit dem ihm eigenen rigorosen Pflichtgefühl erfüllt hat. Der letzte König von Cypern, Ptolemaios, wollte jedoch das Ende seiner Herrschaft nicht überleben und gab sich selbst den Tod (58).
Wie sah es im freien Gallien aus, als Caesar sich zur Intervention entschlossen hat? Hier hatten sich in der spätrepublikanischen Zeit wichtige politische Wandlungen vollzogen, am folgenreichsten war die Zerstörung des großen Arvernerreichs, woran die Römer, insbesondere aber Cn. Domitius Ahenobarbus (Consul 122), entscheidenden Anteil gehabt hatten. Anderseits waren nach der Episode des Kimbern- und Teutoneneinfalls die Germanen, insbesondere die große Völkergemeinschaft der Sueben, bis an den Rhein vorgedrungen. Abgesehen von der germanischen Gefahr wurden die Gallier auch noch durch die Iberer und Ligurer bedrängt. Von einer zentralen Lenkung im Lande selbst konnte nach dem Untergang der Königsherrschaft keine Rede mehr sein, überall dominierte der gallische Adel, dem die große Masse des Volks in der Eigenschaft von hörigen Bauern Untertan war. Die Gallier standen im übrigen auf beachtlicher Kulturstufe (Spätla-Tene- Zeit), sie hatten willig die Einflüsse der Zivilisation der Mittelmeerländer aufgenommen, in der Münzprägung und im Städtebau waren sie hellenistischen Anregungen gefolgt. Das Land wies eine dichte Besiedlung auf und war vorzüglich kultiviert. Um die politische Herrschaft im Lande stritten sich die mächtigen Stammesverbände der Haeduer (zwischen Loire und Saone) und der Sequaner (zwischen der Saone und dem Schweizer Jura). Das Land nördlich der Seine und Marne aber war die Heimat der Beiger. Sie hatten germanische Volkselemente bei sich aufgenommen und galten als die Tapfersten der Gallier. Im Jahre 71(?) waren suebische Scharen unter ihrem Heerkönig Ariovist den Sequanern zur Hilfe gekommen, sie hatten gemeinsam die Haeduer bei Admagetobriga besiegt (61 v. Chr.) und sich danach im Elsaß niedergelassen. Die Haeduer wandten sich nun an Rom, das ihnen aber keine direkte Hilfe gewährte. Ariovist dagegen wurde als «König und als Freund des römischen Volkes» (rex atque amicus) anerkannt und in das Verzeichnis der befreundeten Könige (formula amicorum) aufgenommen. Neue Unruhe erregten die Helvetier, die im Raum der heutigen Schweiz ihre Wohnsitze hatten. Sie wollten ihre Heimat aufgeben und sich fernab in Gallien, an der Küste des Atlantischen Ozeans, im Lande der Santonen (nördlich der Garonne), wieder ansiedeln. Vielleicht steht die Absicht der Helvetier im Zusammenhang mit der Katastrophe der Bojer in Böhmen und Mähren und der
Taurisker. Es sind dies keltische Völker, die in den Sog der Expansion des Dakerreiches des Königs Byrebistas gekommen waren. Zu einem Teil wurden sie vernichtet, Teile der Bojer aber hatten sich bis zu den Helvetiern durchgeschlagen. Diese Völkerbewegungen waren auch für die römische Provinz in Südgallien nicht ohne Rückwirkungen, die Erinnerung an die Raubzüge der Kimbern und Teutonen mag die Gefahr noch vergrößert haben. Seitdem der Senat auch die Provinz Gallia Ulterior (Narbonensis) an Caesar gegeben hatte, war die Entscheidung für eine römische Intervention praktisch gefallen, fraglich war nur noch, in welcher Weise und in welchem Umfang das Vorhaben vonstatten gehen sollte. Caesar war kein Imperialist um jeden Preis, wie dies noch Mommsen und Ferrero behauptet haben. Er brannte aber darauf, sich als Feldherr neben Pompejus einen Namen zu machen, außerdem war ihm als Statthalter der Schutz der römischen Provinz anvertraut. Dazu haben die Nachbarn der Helvetier, die Ambarrer, Allobroger und Haeduer, sich mit offiziellen Hilfegesuchen an Caesar gewandt. Die Anfangserfolge über die Helvetier haben Caesar dann auf der Bahn der Eroberung fortgerissen. Dies bestätigt ein Blick auf die ständig steigende Zahl seiner Legionen: mit vier Legionen ist er in Gallien einmarschiert, im Jahre 58 erhöhte sich die Zahl auf sechs, im Jahre 51 aber standen schließlich elf Legionen unter seinem Kommando. Die Helvetier baten Caesar, den Weg durch die Provinz in Südgallien nehmen zu dürfen, was Caesar jedoch abgelehnt hat. Als sich die Helvetier in Bewegung setzten, um durch das Gebiet der Sequaner und Haeduer zu ziehen, war dies für Caesar das Signal zum Einmarsch in das freie Gallien. Ob er damit seine Befugnisse als Statthalter überschritten hat, ist schwer zu entscheiden. Mit den Helvetiern wurde Caesar mit leichter Mühe fertig. Der helvetische Gau der Tiguriner wurde beim Übergang über den Arar (Saone) von T. Labienus, dem Legaten Caesars, eingeholt und geschlagen, die Hauptmasse der
Helvetier aber erlitt in der weiteren Umgebung von Bibracte (Mt. Beuvray bei Autun) durch Caesar eine Niederlage, sie mußten in ihre alten Wohnsitze zurückkehren. Sehr viel gefährlicher als die Bewegung der Helvetier war jedoch die Gefahr, die Gallien von den Germanen unter ihrem Heerkönig Ariovist drohte. In dem Sueben Ariovist mußte Caesar einen gefährlichen Rivalen im Kampf um die Vorherrschaft in Gallien erblicken, und dies um so mehr, als sich die Germanen den Kelten an kriegerischer Kraft überlegen gezeigt hatten. Angeblich auf die Bitte des Haeduers Diviciacus hat sich Caesar zur Abwehr der germanischen Gefahr entschlossen. Im Oberelsaß (wahrscheinlich in der Nähe von Rappoltsweiler) trug Caesar einen entscheidenden Sieg über Ariovist davon, die Sueben wurden zersprengt, ein Teil von ihnen konnte sich, ebenso wie ihr Heerkönig, auf das rechte Rheinufer in Sicherheit bringen (September 58). Von den germanischen Stämmen blieben nur die Triboker, Nemeter und Vangionen in den Räumen um Straßburg, Worms und Mainz am linken Rheinufer wohnen, sie haben den germanischen Charakter des Gebiets auch für die Folgezeit festgelegt.
Seit dem Sieg über Ariovist beanspruchte Caesar die Hegemonie über das ganze mittlere Gallien, die Stämme zwischen der Seine und der Mosel waren bereits mit ihm verbündet. Zu den härtesten Gegnern der Römer gehörten die im Norden wohnenden Beiger, doch hatte Caesar bereits die Unterwerfung eines ihrer Teilstämme, der Remer (Reims), entgegengenommen (57). Die riesige Streitmacht der anderen Beiger aber löste sich nach einem mißlungenen Angriff auf die römischen Stellungen an der Axona (Aisne) wieder auf, da sie in Schwierigkeiten mit ihrer Verpflegung geraten waren. Caesar konnte nun einen Stamm nach dem anderen unterwerfen: die Suessionen (Soissons), die Ambianer (Amiens) und, nach einer Schlacht an der Sambre, auch die Nervier, die im Hennegau und in Brabant wohnten. Auch die Hauptstadt der Atuatuker (Huy an der Maas?) konnte von den Römern genommen werden. Anderseits wurden die Küstengebiete am Atlantischen Ozean, insbesondere das Land der
Aremoriker in der Bretagne, aber auch Teile Aquitaniens, vom Kriege erfaßt, das Kommando führte hier Caesars Legat P. Crassus, der Sohn des Triumvim. Das Jahr 56 sah die erste Seeschlacht zwischen Römern und Kelten auf dem Ozean in der Nähe der Loire-Mündung. Dabei ging die gesamte Flotte der Veneter verloren, das Volk selbst wurde vollständig ausgerottet. Nach einem nicht sehr erfolgreichen Vorstoß Caesars gegen die Moriner und Menapier (im Gebiet der Scheide und am Niederrhein) gingen die römischen Legionen im Raum zwischen Seine und Loire in die Winterquartiere. Großes hatte Caesar erreicht: die Unterwerfung von fast ganz Gallien, von der Maas bis zur Garonne, schien so gut wie beendet. In Rom bestimmte man bereits die Mitglieder der Zehnmännerkommission des Senats, die Gallien in eine römische Provinz umwandeln sollten! Caesar selbst hatte sich, wie jeden Winter, nach Oberitalien begeben, um den Ereignissen in Rom näher zu sein. Nach einer Vorbesprechung zwischen Caesar und Crassus in Ravenna traf sich Caesar mit Pompejus in Luca, sie erneuerten ihren Bund (April 56) und beschlossen, daß Crassus und Pompejus im Jahre 55 Consuln sein sollten. Nach Ablauf ihres Amtsjahres aber war ihnen ein großes Kommando zugedacht, das bis zum 1. März 50 dauern sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt wollte man im Senat nicht über ihre Nachfolge beraten. Diese Bestimmung galt übrigens auf Grund einer Klausel auch für Caesar. Er konnte nun damit rechnen, daß ihm die beiden gallischen Provinzen (Gallia Cisalpina und Ulterior) auch noch in den Jahren 50 und 49 erhalten blieben. Für das Jahr 48 aber war ein zweites Consulat Caesars vorgesehen. Ging alles nach Wunsch, so war Caesar auf eine Zeit von mehr als acht Jahren gesichert und für seine Feinde in Rom unangreifbar!
In Rom war im Jahre 57 Cicero, nicht zuletzt dank den
Bemühungen seiner Freunde und des Pompejus, aus der Verbannung zurückgekehrt (4. September). Seine Versuche, den großen Feldherrn auf die Seite der Optimaten herüberzuführen, verliefen jedoch im Sande. In Rom spielte immer noch P. Clodius eine führende Rolle, mit seinen bewaffneten Banden terrorisierte er Senat und Comitien; mit Pompejus hatte er sich zu Luca versöhnt, selbst die drei Machthaber konnten den skrupellosen Demagogen nicht entbehren. Erst zu Beginn des Jahres 55 konnten die längst fälligen Wahlen wieder abgehalten werden, Pompejus und Crassus wurden Consuln, ihren Mitbewerber L. Domitius Ahenobarbus schlug man durch Terror aus dem Felde. Auf Antrag des Volkstribunen C. Trebonius übertrug man den beiden Consuln die spanischen Provinzen (Hispania Citerior und Ulterior) und Syrien, dazu das Recht, nach eigenem Ermessen Krieg zu beginnen und Frieden zu schließen! Der Jüngere Cato bekämpfte den Antrag, drang aber mit seinem Widerspruch nicht durch, die Unruhen forderten mehrere Todesopfer. Caesars Kommando in Gallien wurde um fünf Jahre verlängert (lex Licinia Pompeia). Während Pompejus in der Nähe Roms blieb und seine beiden spanischen Provinzen durch Legaten verwalten ließ, womit er eine Institution der römischen Kaiserzeit vorwegnahm, begab sich Crassus Mitte November 55 nach Syrien, um den Partherkrieg aufzunehmen.
Die große Fülle der Vollmachten, welche die drei Machthaber im Jahre 55 in ihren Händen hatten, ließ sich mit den Grundsätzen des römischen Freistaats nicht mehr vereinbaren. Die Comitien hatten den Triumvirn gewissermaßen einen Blankoscheck überreicht und sie außerhalb der Kontrolle durch Senat und Volk gestellt; dies aber war nicht mehr und nicht weniger als ein Ermächtigungsgesetz, von einer republikanischen Verfassung konnte beim besten Willen nicht mehr die Rede sein. Rom war auf dem Wege, ein autoritär regierter Staat zu werden, wobei die Spitze nicht durch einen, sondern durch drei Machthaber gebildet wurde. Das war ein
Zustand, der einen gewaltigen Zündstoff in sich barg, da Frieden, Freiheit und Sicherheit allein von der Einigkeit der drei Machthaber abhingen.
Im Winter des Jahres 56 auf 55 war wieder eine germanische Völkerwoge über den Rhein nach Gallien geflutet. Gedrängt von den Sueben, erschienen die Völker der Usipeter und Tenkterer in den Gebieten westlich des unteren Rheins. Caesar nahm durch treulose Hinterlist die Häuptlinge der beiden Völker gefangen und besiegte die führerlosen Germanen in der Nähe von Koblenz. In Rom aber stellte Cato im Senat den Antrag, man möge Caesar für seinen Verrat den Germanen ausliefern (Herbst 55). Caesar hatte nördlich von Koblenz (bei Neuwied) zum ersten Male den Rhein überschritten, der Rheinübergang war eine militärische Demonstration gegenüber den Sugambrern, welche die Reste der geschlagenen germanischen Völkerschaften in ihre Mitte aufgenommen hatten. Nur 18 Tage dauerte der erste Aufenthalt Caesars auf dem Boden des freien Germanien. Auch dem Übergang auf die britannische Insel im gleichen Jahr lag noch keine Eroberungsabsicht zugrunde. Ganz anders jedoch der zweite Britannien-Feldzug im folgenden Jahre (54): fünf Legionen führte Caesar über den Kanal und stieß in das Gebiet nördlich der Themse vor, jedoch hatte Caesar in dem britannischen König Cassiovellaunus einen unverächtlichen Gegner, so daß die Römer, dieses Mal ohne große Beute gemacht zu haben, nach Gallien zurückkehren mußten.
Noch vor dem Ende des Jahres 54 hatte sich in Gallien ein Umschwung angebahnt. Von den Treverern an der Mosel sprang der Funke der Empörung zu den Stämmen des zentralen Gallien über, während die römischen Legionen, über fast ganz Gallien verstreut, in den Winterquartieren lagen. Die größten Verluste erlitten die Römer durch die Eburonen (im Gebiet der Maas nördlich von Lüttich), hier wurden nicht weniger als 15 Kohorten vollständig aufgerieben. Auch Q. Tullius Cicero, der Bruder des großen Redners, geriet als Legat Caesars durch die
Nervier (zwischen Scheide und Sambre) in höchste Bedrängnis, konnte aber von Caesar gerettet werden. Das Jahr 53 war von Vorbereitungen auf beiden Seiten angefüllt. Caesar verstärkte sein Heer durch drei Legionen - eine davon hatte er sich von Pompejus ausgeliehen -, Labienus warf die Nervier nieder und Caesar selbst überschritt, zum zweiten Male, den Rhein (zwischen Weißenturm und Urmitz?); am jenseitigen Ufer errichtete er einen befestigten Brückenkopf, der von einer römischen Besatzung gehalten wurde. Die Eburonen fielen der römischen Rache anheim und wurden vollständig ausgetilgt.
Der große Aufstand der gallischen Stämme begann im Jahre 52, das führende Volk waren die Arverner (Auvergne) unter Vercingetorix, dem Sohn des Celtillus. Vercingetorix ist eine Persönlichkeit von weltgeschichtlicher Bedeutung, er ist der allererste gewesen, der den Gedanken einer keltischen Nation, vereinigt in einem großen keltischen Reich in Gallien, propagiert hat. Auch als Feldherr hatte er neue Ideen: sein Kriegsplan bestand darin, den Römern jede Schlacht zu verweigern und das Land vor ihnen zu einer Wüste zu machen. Außerdem versuchte Vercingetorix, die Römer von ihrer Basis, Oberitalien und Südgallien, abzuschneiden. Die ersten Operationen verliefen für die Gallier nicht ungünstig. Caesar, der vom Plateau von Langres nach dem Westen vorstieß, konnte zwar Cenabum (Orleans) erobern und schließlich, nach einer längeren Belagerung, auch Avaricum (Bourges) im Lande der Biturigen - vor Gergovia jedoch (hart nördlich von Clermont- Ferrand) holte er sich von Vercingetorix eine regelrechte Niederlage. Die Folge davon war der Abfall zahlreicher gallischer Stämme, ihre Beauftragten traten in Bibracte zu einem Nationalkongreß zusammen, auch die Haeduer hatten sich den Aufständischen angeschlossen. Vercingetorix ging jetzt seinerseits zur Offensive über, mußte aber (in der Nähe von Dijon?) eine Niederlage von Caesar hinnehmen, als er diesem den Rückzug abzuschneiden versuchte. Vercingetorix verschanzte sich daraufhin in Alesia (Alise Ste. Reine im Departement Cote d'Or), wo er von Caesar eingeschlossen und belagert wurde. Caesar ließ den Ort durch zwei riesige Zirkumvallationslinien von der Außenwelt abschließen, wehrte den Ansturm des gallischen Entsatzheeres ab und zwang Vercingetorix schließlich durch Hunger zur Übergabe (52). Der keltische Nationalheld blieb sechs Jahre in römischer Haft, wurde dann im Jahre 46 in Caesars Triumphzug aufgeführt und danach erdrosselt. In den Sommer des Jahres 51 fällt endlich die Belagerung von Uxellodunum (Puy d'Issolu). Nach dem Fall der Stadt hielt Caesar im Gebiet der Treverer eine große Truppenschau ab. Gallien aber wurde als neue römische Provinz organisiert, die Stammesverfassung blieb bestehen, die Gallier waren zu Abgaben (stipendia) an Rom verpflichtet, jedoch war die Summe verhältnismäßig niedrig (40 Millionen Sesterzen), dies aber findet durch die Verwüstung und Ausplünderung des Landes eine hinreichende Erklärung. Die Verluste der Gallier waren enorm, die Bevölkerung war geradezu dezimiert, ungezählte Tausende waren in die Sklaverei gewandert. Caesar selbst und seine Günstlinge hatten, ebenso wie einst Pompejus im Osten, ungeheure Reichtümer zusammengerafft, Caesar hat sie für seine Bauten in Rom (Forum Iulium), aber auch zu politischen Zwecken, und hier in ganz skrupelloser Weise, eingesetzt.
Die Eroberung des freien Galliens (Gallia Comata) ist eine Tat von weltgeschichtlicher Bedeutung. Sie ist ganz das Werk Caesars, der im Gallischen Krieg eine glänzende Probe seines politischen und strategischen Könnens abgelegt hat, die ihn ohne weiteres an die Seite des Pompejus stellte. In seinen Mitteln war Caesar freilich alles andere als wählerisch, die Liste der von ihm und seinen Soldaten unter seiner stillschweigenden Duldung verübten Grausamkeiten würde manche Seiten füllen, mit militärischen Gründen waren sie weder zu entschuldigen noch gar zu rechtfertigen. Das gallische Volk ist jedoch trotz aller bitteren Verluste nicht untergegangen, unter dem Schutz der römischen Waffen hat es in der Kaiserzeit eine neue große zivilisatorische Renaissance erlebt. An der römischen Herrschaft haben die Kelten in der Folgezeit nur noch selten gerüttelt, die wenigen Aufstände, wie die Erhebung der Bellovaker im Jahre 46 v. Chr., hatten zumeist nur lokale Bedeutung. Als zu Beginn des 5. Jh. n. Chr. die Westgoten und später die Franken in Gallien einfielen, da war das Land längst eine Hochburg der römischen Kultur geworden, und seinen römischen Charakter hat es auch unter den Franken bewahrt.
Im Jahre 50 v. Chr. hatte sich die Weltlage grundlegend verändert. Von den drei großen Machthabern Roms waren nur noch zwei übriggeblieben, Caesar und Pompejus. Der dritte, Crassus, war drei Jahre zuvor in dem fernen Mesopotamien auf dem Partherfeldzug umgekommen. Und dabei hatte Crassus für seine Intervention im Partherreich sich nicht einmal einen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht. Im Jahre 57 war nämlich der Partherkönig Phraates III. ermordet worden. Von den Verschwörern hatte sich Mithradates nach Syrien zu A. Gabinius geflüchtet, dieser aber hatte sich anerboten, ihn nach Parthien zurückzuführen. Crassus selbst aber handelte wie so manche Machthaber in alter und neuerer Zeit: er begann den Krieg gegen die Parther ohne Kriegserklärung (54 v. Chr.). Dabei existierten zwischen Rom und Parthien kaum irgendwelche Differenzen, Crassus' Beweggründe waren rein persönlicher Natur: er wollte auf den Spuren Alexanders d. Gr. die Macht der Römer möglichst weit nach dem Osten vorschieben und sich hier eine Hausmacht gründen nach dem Vorbild seiner Genossen im Triumvirat. Mit den Königen von Armenien, Artavasdes, und von Osrhoene, Abgaros, hatte sich Crassus verbündet. Nach einem ersten Einfall in parthisches Gebiet zog er sich noch im gleichen Jahr (54) wieder in die syrische Provinz zurück. Im Jahre 53 aber machte er Ernst, sein Ziel war die große Stadt Seleukeia am Tigris. Der
Kampfestaktik der schwerbewaffneten parthischen Panzerreiterei aber waren die Römer nicht gewachsen, dazu hatte Crassus in dem Reichsfeldherrn der Parther, dem Surenas, einen überlegenen Gegenspieler. Die Römer unterlagen bei dem alten Carrhae (Harran) im nordwestlichen Zweistromland, Crassus hatte als Feldherr vollkommen versagt; er wurde von den Parthern, als er Verhandlungen mit ihnen aufgenommen hatte, niedergemacht, nur der vierte Teil seines großen Heeres (es hatte 40000 Mann gezählt) konnte sich nach Syrien über den Euphrat in Sicherheit bringen. Crassus' Untergang rief in Rom einen tiefen Eindruck hervor. Von seiner Persönlichkeit ist wenig Gutes zu berichten: Crassus war ein Kapitalist und Ausbeuter reinsten Wassers, eine brutale Wolfsfigur und insofern ein echter Repräsentant dieser an Idealen so armen, an Machtgier aber so reichen Epoche der späteren Republik.
In Rom aber waren die Jahre von 54 bis 50 v. Chr. eine Periode der schlimmsten Anarchie, ein Zustand, für den nicht zum wenigsten Pompejus die Verantwortung trägt. Im Jahre 54 war Julia, Caesars Tochter und Pompejus' Gattin, im Kindbett gestorben, von beiden zutiefst betrauert. Damit war das Band zwischen Caesar und Pompejus zerrissen, denn Julia hatte den beiden Männern immer wieder zum Guten geraten. In den Jahren 54 und 53 hatte es in Rom keine regulären Beamtenwahlen mehr gegeben, in der Hauptstadt herrschte der Terror, der sich in den Banden des P. Clodius und Milo verkörperte. Ihnen mußte sich mehrfach sogar Pompejus beugen. Am 18. Januar 52 fand Clodius in einem Tumult auf der Via Appia den Tod, man verbrannte seine Leiche in der Curia Hostilia, wobei das Gebäude in Flammen aufging. Jetzt endlich raffte sich der Senat zum Handeln auf: er bestellte (im Schaltmonat des Jahres 52) Pompejus zum consul sine coilega Das war ein staatsrechtliches Novum, Pompejus hatte sich jedoch geweigert, die Diktatur zu übernehmen. Der Bruch zwischen dem Senat und dem neuen Consul war damit zwar geheilt, das Interregnum des Pompejus aber wurde dadurch beendet, daß dieser seinen neuen Schwiegervater, Q. Caecilius Metellus Scipio, zu seinem Kollegen im Consulat wählen ließ (August 52). Gerade Metellus Scipio hat zur Verschärfung des Gegensatzes zwischen Pompejus und Caesar wesentlich beigetragen. Eine lex Pompeia vom Jahre 52 bestimmte, daß die Magistrate nicht mehr unmittelbar nach Ablauf der Amtszeit, sondern erst nach einem Intervall von fünf Jahren in die Provinzen hinausgesandt werden sollten, eine Anordnung, die für Caesar deswegen bedrohlichen Charakter hatte, weil ihm nunmehr aus der Zahl der Consulare ohne weiteres ein Nachfolger bestellt werden konnte. Noch schlimmer aber war eine neue Wahlordnung. Sie untersagte die Bewerbung um das Consulat in Abwesenheit. Wenn Pompejus sich herbeiließ, auf dringende Vorstellungen Caesars dem Gesetz nachträglich eine Klausei beizufügen, wonach Caesar von der neuen Vorschrift ausgenommen werden sollte, so war dies rechtlich ohne Bedeutung. Pompejus hat sich im übrigen sehr schwankend gezeigt, auf einen vollen Bruch mit Caesar wollte er es jedoch nicht ankommen lassen. Sechsmal konnte im Jahre 51 das Zustandekommen eines Beschlusses über Gallien im Senat verhindert werden, aber Caesars Schicksal hing an einem seidenen Faden, er mußte damit rechnen, im Jahre 49 einen Nachfolger in Gallien zu erhalten. Es war klar, daß seine Feinde in Rom ihn dann zur Rechenschaft ziehen würden. Wie lange konnte er das alte Spiel fortsetzen, durch gekaufte Volkstribunen die Beschlüsse des Senats zu verhindern? Im Jahre 50 hatten sich die Gegensätze bis aufs äußerste zugespitzt, als Caesars Trabant, der Volkstribun Scribonius Curio im Senat beantragte, Caesar und Pompejus sollten beide ihre Heere entlassen und auf ihre Provinzen verzichten. Die Abstimmung am 1. Dezember 50 brachte einen überwältigenden Sieg für Curio: sein Antrag wurde mit 370 Stimmen bei nur 22 Gegenstimmen angenommen. Die Mehrheit des Senats war für den Frieden und gegen den Bürgerkrieg, der sich bereits am Horizont abzeichnete - es existierte jedoch eine kleine, aber sehr tatkräftige Gruppe von Feinden Caesars, die ihn um jeden Preis demütigen und sogar vernichten wollte. Zu diesen Unversöhnlichen gehörten M. Porcius Cato, C. Claudius Marcellus (einer der Consuln des Jahres 50), Metellus Scipio und auch Pompejus, der ganz in das Fahrwasser dieser Ultras geraten war. Es war eine ganz und gar ungesetzliche Handlung, wenn der Consul Marcellus wenige Tage später den Staatsnotstand erklärte und Pompejus ein Schwert überreichte, damit dieser das Vaterland beschütze. Mit Recht hat Caesar diese Handlung später als den Beginn des Bürgerkrieges (initium tumultus) bezeichnet. Die Versuche moderner Historiker, den Consul Claudius Marcellus in Schutz zu nehmen, gehen ganz in die Irre. Pompejus begab sich zu seinen Legionen nach Campanien, Curio versuchte den Aushebungsbefehl der Consuln zu sabotieren, jedoch ohne Erfolg. Caesar war immer noch bereit, das Imperium niederzulegen, wenn auch Pompejus dazu bereit sei. Er wollte sich mit dem unbedeutenden Illyricum und einer einzigen Legion, die offenbar für seinen persönlichen Schutz gedacht war, begnügen. Darauf ließ sich aber der Senat nicht ein. In der Senatssitzung vom 7. Januar 49 wurde beschlossen, Caesar in aller Form abzuberufen und L. Domitius Ahenobarbus zu seinem Nachfolger im Jenseitigen Gallien zu bestellen. Wenn Caesar sich um das Consulat bewerben wolle, so möge er sich in Rom einfinden. Als die tribunizische Interzession ausgesprochen wurde, faßte der Senat das senatus consultum ultimum. Pompejus gab sich sehr zuversichtlich, während Caesars Position durch den Übergang seines Legaten T. Labienus zu den Optimaten (jedenfalls noch vor Mitte Januar) geschwächt erschien. Der Bürgerkrieg, den eigentlich niemand gewollt hatte, stand vor der Tür, er ist in der Nacht vom 10. zum 11. Januar 49 ausgebrochen, nachdem Caesar den Befehl zum Übergang über den Rubico, den Grenzfluß zwischen der Provinz Gallia
Cisalpina und dem römischen Bürgerland, erteilt hatte.
Es erscheint wenig sinnvoll, nach dem Schuldigen für den Ausbruch des Bürgerkrieges zu suchen. Es handelt sich hier nicht in erster Linie um eine Rechtsfrage, sondern um eine Machtfrage. Zwischen Pompejus und seinen Gesinnungsgenossen im Senat einerseits und Caesar anderseits bestand ein unüberbrückbarer Gegensatz. Nachdem Crassus den Tod gefunden hatte, mußte sich der Kampf um die Führung im Staat mit Notwendigkeit zu einem Duell zwischen den beiden Übriggebliebenen entwickeln, beide, Pompejus ebenso wie Caesar, haben sich hierbei von machtpolitischen Erwägungen leiten lassen, die sie allerdings, und zwar Pompejus mehr als sein Gegner, da jenem der Senat zur Verfügung stand, mit dem Mantel der Legitimität zu verhüllen versuchten. Für denjenigen, der die Zusammenhänge durchschaute, waren aber die politischen Schachzüge der beiden Gegner nichts anderes als Hilfsmittel, die öffentliche Meinung zu beeindrucken. Caesar, das ist wahr, hat jedoch den Gordischen Knoten zerhauen, aber er mußte vor der Öffentlichkeit das Odium des Rechtsbrechers auf sich nehmen, eine Tatsache, welche die Handlungen seiner nächsten Jahre schwer belastet hat.
Wie aber sah es in der Welt bei Beginn des Bürgerkrieges aus? Trotz seines Erfolgs bei Carrhae (53 v. Chr.) hatte das Partherreich eine Schwächeperiode durchzumachen, in Italien hatte man im Jahre 51 zwei Legionen für den Partherkrieg bereitgestellt, die jedoch nicht zum Einsatz gekommen sind. Im übrigen war es das Verdienst des C. Cassius, als Proquästor den Einfall der parthischen Reiterheere abgewehrt zu haben (51). Nachfolger des M. Licinius Crassus als Statthalter von Syrien war M. Calpurnius Bibulus, Caesars einstiger Amtsgenosse im Consulat. Bibulus verstand es, Pacorus, den Sohn des Partherkönigs Orodes (57-37), gegen den Vater auszuspielen und damit der Provinz eine Ruhepause zu verschaffen. Von den großen hellenistischen Staaten existierte nur noch das ptolemäische Ägypten. Aber der König Ptolemaios XII. Neos Dionysos, im Volksmund Auletes genannt, hatte vor den Alexandrinern fliehen müssen (58 v.Chr.); über Cypern, wo er mit Cato zusammengetroffen war, hatte er sich nach Rom begeben. Erst im Jahre 55 war er nach einem ausgedehnten Intrigenspiel durch A. Gabinius, den Trabanten des Pompejus, in sein angestammtes Reich zurückgeführt worden. Seit dieser Zeit lag in Ägypten eine römische Besatzung, die Administration der Finanzen stand unter römischer Kontrolle, sie wurde von dem römischen Ritter C. Rabirius Postumus überwacht, der die Gelegenheit wahrgenommen hat, sich enorm zu bereichern. Ihm wurde im Jahre 54/53 in Rom der Prozeß gemacht, dabei hielt es Cicero nicht unter seiner Würde, den dunklen Ehrenmann zu verteidigen.
Im Raum zwischen der unteren Donau und den Karpaten hatte sich um das Jahr 60 v. Chr. das Dakerreich unter dem König Byrebistas gebildet. Die Griechenstädte am Pontos von Apollonia bis Olbia waren ebenso in seinen Machtbereich gekommen wie die Völkerschaften in Rumänien, in Siebenbürgen, im östlichen und im zentralen Ungarn. Die Hauptstadt des Reiches war Argidava, im Banat östlich von Werschetz (?) gelegen. Dieses Reich war ein gefährlicher Nachbar der römischen Provinzen Illyricum und Macedonia. Der dakische König hat im Jahre 48 Verbindungen mit Pompejus aufgenommen, und zwar durch einen Griechen namens Akornion, der von dem römischen Feldherrn in der Nähe von Monastir empfangen worden ist. In den Bürgerkrieg hat sich Byrebistas jedoch nicht eingemischt, sein Leben endete im Jahre 45 oder 44 v. Chr. Das dakische Großreich ist danach in eine Anzahl von Teilreichen zerfallen.
20. Der Bürgerkrieg und Caesars Diktatur (49-44 v. Chr.)
Mit dem Übergang Caesars über den Rubico in der Nacht vom 10 auf den 11. Januar 45 v.Chr. beginnt der Bürgerkrieg. Caesar handelte mit großer Kühnheit, hatte er doch zunächst nur eine einzige Legion zu seiner Verfügung. Dadurch hat er seinen Gegnern das Gesetz des Handelns aufgezwungen. Im übrigen ist Caesars Wort «Hoch fliege der Würfel!» das er zu den Offizieren seines Stabes, und zwar in griechischer Sprache, geäußert hat, aller Wahrscheinlichkeit nach historisch. In einem Zuge brachte Caesar die Städte an der Ostküste von Ariminum bis Ancona in seine Gewalt, dazu besetzte er Arretium in dem angrenzenden Etrurien. Über die Schnelligkeit Caesars herrschte in Rom Furcht und Entsetzen, niemand dachte an eine ernsthafte Verteidigung, bereits am 17./18. Januar verließen Pompejus und die Magistrate die Hauptstadt, in der allgemeinen Kopflosigkeit wurde sogar versäumt, die Staatskasse mitzunehmen. Cicero, zu Anfang des Jahres 49 aus dem fernen Kilikien zurückgekehrt, sah sich mitten in einen atemberaubenden Trubel versetzt, er hatte zunächst versucht, zwischen den Gegnern zu vermitteln, sich aber schließlich für Pompejus entschieden.
In Italien verfügte Pompejus nicht über genügend Truppen, daher mußte er sich, nicht eben leichten Herzens, dazu entschließen, die Apenninhalbinsel zu räumen, in der Hoffnung, sie später durch einen konzentrischen Angriff vom Westen und Osten her zurückerobern zu können. Das aber war keineswegs nach dem Sinn der meisten Senatoren, die sich weder von Rom noch von ihren Besitzungen trennen wollten. Während die Gegenseite zauderte, handelte Caesar. Nach der Besetzung Umbriens und Picenums fand er den ersten Widerstand in Corfinium, etwa 100 km östlich von der Hauptstadt, in Samnium. Aber die Truppen des dort kommandierenden L.
Domitius Ahenobarbus gingen zu ihm über. Caesar legte eine bemerkenswerte Milde an den Tag; von allem Anfang an propagierte er seine clementia, die ihm zahlreiche neue Anhänger zuführte. Pompejus aber hielt nur noch Brundisium, mit dem letzten Truppentransport nach Illyrien verließ er am 17. März 49 den Boden Italiens. In der Zwischenzeit hatte es an Vermittlungsversuchen nicht gefehlt, sie waren aber sämtlich gescheitert, da sie kaum ernst gemeint gewesen waren. Cicero hat übrigens erst zu Beginn des Juni 49 Italien verlassen, er begab sich nach Thessalonike, wo sich ein Gegensenat gebildet hatte. Die Standesgenossen bereiteten ihm einen kühlen Empfang, man hielt in diesen Kreisen Cicero für einen Opportunisten. Caesar hatte inzwischen weitere Erfolge zu verzeichnen: die Inseln Sardinien und Sizilien waren ihm zugefallen, in Sizilien hatte sich sein Gegner M. Porcius Cato nicht behaupten können. In Rom verweilte Caesar nur wenige Tage, er hatte Schwierigkeiten mit dem Volkstribunen L. Metellus. Dieser versperrte ihm den Zugang zum Aerarium, worauf ihn Caesar mit Gewalt entfernen ließ. Die einzige Senatssitzung, die in seiner Gegenwart abgehalten wurde (am 1. April 49), verlief für Caesar offenbar gleichfalls enttäuschend.
Die größere Gefahr für Caesar drohte vom Westen her. Die spanischen Provinzen und Africa waren fest in den Händen der Pompejaner, in Spanien standen nicht weniger als sieben Legionen unter den Befehlen des Afranius, Petrejus und des M. Terentius Varro. Und dennoch setzte Caesars Entschluß, zuerst die Pompejaner auf der iberischen Halbinsel niederzuringen, wie so oft in seinem Leben, alles auf eine Karte. Wenn diese nicht stach, war das ganze Spiel verloren. Mit dem spanischen Feldzug des Jahres 49 verbindet sich der Konflikt Caesars mit der alten Griechenstadt Massilia. Die Stadt versuchte sich aus der machtpolitischen Auseinandersetzung zwischen Caesar und Pompejus herauszuhalten, Caesar aber wollte sich mit Massilias Neutralität nicht zufriedengeben, drei Legionen wurden für die
Belagerung eingesetzt, doch Massilia hielt stand, so daß Caesar, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, den Befehl über das Belagerungsheer seinem Legaten C. Trebonius übergeben mußte. Auch in Spanien ging nicht alles nach Caesars Wunsch. In der Nähe von Ilerda geriet er am Flusse Sicoris (Segre) vorübergehend in eine verzweifelte Lage, doch vermochte er durch seine überlegene Strategie das Blatt wieder zu wenden und das Heer der Gegner, insgesamt fünf Legionen, zur Kapitulation zu zwingen (2. August 49 = 10. Juli jul.). Leichteres Spiel hatte Caesar in Hispania Ulterior. In dieser Provinz, in der Caesar große Sympathien besaß, ergab sich M. Terentius Varro mit zwei Legionen in Corduba. In nur 40 Tagen war der spanische Feldzug beendet, ein bedeutender Erfolg, den Caesar nicht nur seiner Feldherrnkunst, sondern auch seiner überlegenen Menschenführung verdankte. Auf dem Rückmarsch nach Italien konnte Caesar die Kapitulation Massilias entgegennehmen, die Belagerung hatte sechs Monate gedauert. Die Stadt verlor ihre Freiheit und Autonomie, es ist dies der Endpunkt der 550jährigen ruhmvollen Geschichte eines freien Massilia; die Stadt ist aber auch weiterhin ein Hort der griechischen Kultur in Südgallien geblieben.
In der Provinz Africa waren die Caesarianer weniger glücklich. C. Scribonius Curio unterlag im August 49 den Pompejanern unter der Führung des P. Attius Varus und dem König Juba von Numidien in einer Schlacht am Bagradas. Die Niederlage kostete Curio das Leben, nur wenige seiner Begleiter, darunter C. Asinius Pollio, der spätere Geschichtsschreiber, hatten sich retten können. Auch in Illyrien gab es für Caesar Mißerfolge. Die Seeherrschaft auf der Adria lag ganz eindeutig in den Händen des Pompejus. Gegen die Übermacht kamen Caesars Legaten, P. Cornelius Dolabella und C. Antonius, nicht auf, der letztere wurde auf der Insel Schwarzkorkyra (Korcula) eingeschlossen und zur Kapitulation gezwungen. Damit hatte Caesar nicht nur 1 1/2 Legionen, sondern auch einen der letzten Stützpunkte jenseits der Adria verloren.
Noch in Massilia erreichte Caesar die Nachricht, daß er in Rom zum Diktator ernannt worden sei. Der Praetor M. Aemilius Lepidus hatte sich auf Grund eines Volksbeschlusses dazu ermächtigen lassen, die Ernennung vorzunehmen. Angetreten hat Caesar die Diktatur erst gegen Ende des Jahres 49, nach nur elftägiger Amtsführung hat er sie wieder niedergelegt. Als dictator comitiorum habendorum causa hielt er Wahlen in Rom ab, dabei wurde Caesar selbst, zusammen mit P. Servilius Isauricus, für das Jahr 48 zum Consul (zum zweiten Mal) gewählt. Auch das Latinerfest auf dem Mons Albanus hat er als Diktator geleitet, der Gedanke an eine Monarchie aber hat Caesar damals noch ganz fern gelegen. Wenn er, und zwar schon am 1. April 49, zu den Senatoren gesagt hat, sie möchten mit ihm zusammen den Staat verwalten; falls sie sich aber dieser Aufgabe durch die Flucht entzögen, so werde er die Verwaltung allein in die Hand nehmen, so wird man diese Worte schwerlich als einen Ausdruck monarchischen Strebens auffassen können.
Gegen Ende des Jahres 49 hatte Caesar im ganzen zwölf Legionen, die jedoch keine vollen Gefechtsstärken aufwiesen, um Brundisium versammelt. Am 5. Januar 48 (im November 49 jul.) landete er mit sieben Legionen (20000 Mann) an dem jenseitigen Ufer der Adria bei Palaiste, südlich von Valona. Den Übergang und die Landung hatte ihm der sträfliche Leichtsinn des dort kommandierenden M. Calpurnius Bibulus ermöglicht. Mit der Besetzung von Apollonia (in der Nähe des heutigen Fieri, nordöstlich der Aoos-Mündung) und von Orikon schuf er sich den notwendigen Brückenkopf, konnte aber nicht verhindern, daß ihm Pompejus in der Okkupation des viel wichtigeren Dyrrhachium (Durazzo) zuvorkam. Im übrigen war ihm Pompejus, dem die Hilfstruppen des gesamten römischen Orients zur Verfügung standen, zahlenmäßig ganz beträchtlich überlegen. Pompejus, übrigens erst gegen Ende des Jahres 49 zum Oberbefehlshaber bestellt, sah sich durch die Anwesenheit zahlreicher Senatoren in seinem Hauptquartier behindert. Erst gegen Ende März konnte M. Antonius vier weitere Legionen aus Italien nach Epirus herüberbringen, sie landeten im Raum von Nymphaion und vereinigten sich wenige Tage später (3. April 48) bei Belik an der Via Egnatia mit Caesar. Von April bis Juli 48 lagen sich die Heere der beiden großen Führer südlich von Dyrrhachium in einem hartnäckigen Stellungskampf gegenüber, Caesar hatte Pompejus zu Lande eingeschlossen, aber ein erfolgreicher Durchbruchsversuch der Pompejaner kostete Caesar den Verlust von 32 Feldzeichen und 1000 Mann. Daraufhin zog Caesar mit seinem Heere nach Thessalien, der Widerstand der kleinen Stadt Gomphoi wurde mit nackter Gewalt gebrochen. Auf dem Schlachtfelde bei Pharsalos (9. August = 7. Juni 48 jul.) stand Caesar mit 22000 Mann und einer geringen Zahl von Reitern (angeblich nur 1000) dem doppelt so starken Heere des Pompejus gegenüber. Gegen die überlegene Kavallerie des Pompejus (7000 Mann) hatte Caesar eine Speziaireserve bereitgehalten, an ihrer Standhaftigkeit sind die Attacken der Reitergeschwader des Pompejus zerschellt. Pompejus selbst hatte in der Schlacht versagt, er floh zu Schiff nach Mytilene auf Lesbos. Seine Parteigänger hielten Kriegsrat auf Korkyra ab, sie bestellten den Consular Metellus Scipio, Pompejus' Schwiegervater, zum Oberfeldherrn, Cicero hatte abgelehnt, er gab die Sache des Pompejus bereits verloren und schiffte sich nach Italien ein. Auch eine Reihe von Verbündeten verließen das Lager der Pompejaner, insbesondere die Flotten der Rhodier und der Ägypter, den Rest der Schiffe führte M. Porcius Cato nach Africa. Auf seiner Flucht mußte Pompejus die ganze Bitterkeit der Niederlage auskosten, manche Städte wie Rhodos und Antiocheia verschlossen ihm die Tore, so daß er den unheilvollen Entschluß faßte, sich nach Ägypten zu wenden. Dem früheren König des Landes, Ptolemaios XII. Neos Dionysos (Auletes), hatte er so manche Gefälligkeit erwiesen, so daß er auf die Dankbarkeit seiner Kinder, der Kleopatra VII. und ihres Bruders, des Ptolemaios XIII., Anspruch zu besitzen vermeinte. Aber die Geschwister waren miteinander verfeindet, Ptolemaios, ein Knabe von 13 Jahren, stand gegen seine ältere Schwester. In den Händen der Ratgeber des jungen Königs, des Eunuchen Potheinos, des Strategen Achillas und des aus Chios gebürtigen Rhetors Theodotos, lag das Schicksal des geschlagenen römischen Feldherrn. Theodotos riet dazu, Pompejus aus Gründen der Staatsraison zu beseitigen, man dürfe es mit Caesar nicht verderben. Als Pompejus ägyptischen Boden betrat, wurde er durch einen Römer namens L. Septimius niedergemacht. Der Todestag war der 28. September 48; am folgenden Tage wäre Pompejus 58 Jahre alt geworden.