Groß war die Begeisterung der Menge für die Künste des Theaters. Besonders zahlreich sind die Theaterbauten in Gallien, aber auch in Italien verfügten die meisten Kleinstädte über ein Theater, Pompeji hatte sogar deren zwei. Die Zeiten, in denen man die klassischen Tragödien und Komödien in ihnen aufgeführt hatte, waren freilich vorüber. Die Bühne wurde vom Mimus, dem volkstümlichen Schauspiel, beherrscht und noch mehr vom Pantomimus, dem Spiel ohne Worte, das von einem Orchester begleitet wurde. Beliebt waren mythologische und historische Stücke. Die Schauspieler genossen höchstes Ansehen und wurden durch zahlreiche Privilegien geehrt. Sowohl der Mimus wie vor allem der Pantomimus verzichtete auf jede erzieherische Wirkung, sie gingen zum Teil auf Sensation aus, um das Interesse der Zuschauer zu fesseln. Großer Beliebtheit erfreuten sich die Sänger und die musikalischen Virtuosen, Zitherspieler und Flötenbläser, für die man regelrechte Wettkämpfe ausschrieb. Die Popularität des Kaisers Nero erklärt sich vor allem aus seiner eifrigen Beteiligung an diesen Wettbewerben.

Die Agonistik und das Theaterwesen waren ebenso wie die Spiele und die Tierhetzen Angelegenheiten der Städte, das flache Land ging vollständig leer aus, seine Bewohner hatten weder an der Bildung noch am Vergnügen einen Anteil. Dieser Zustand führte zu einem sehr beträchtlichen Gefalle zwischen Stadt und Land. Außerdem war es der Landbevölkerung nicht möglich, am sozialen Aufstieg teilzunehmen. Wer vom Lande in die Stadt abwanderte, gehörte im allgemeinen zur untersten Schicht, dem Proletariat. Nur durch den Eintritt in das Heer war es auch den Einwohnern des flachen Landes möglich, zu einem bescheidenen Wohlstand, wenn auch erst nach einer langen beschwerlichen Dienstzeit, zu kommen. Gewiß haben einsichtsvolle Regierungen wie die des Kaisers Claudius versucht, für viele Tausende durch Koloniegründungen neuen Lebensraum zu schaffen, Bestrebungen, die später Trajan und Hadrian wieder aufgenommen haben; zu einer spürbaren Verbesserung der Lage der ländlichen Bevölkerung hat dies aber nicht geführt. Die Kultur des Reiches war und blieb eine städtische Kultur, auch die Wirtschaft arbeitete vorwiegend für den Bedarf der Städte, sie war auf Massenkonsum eingestellt, anderseits aber auch auf die Herstellung von Luxusgütern für die zahlenmäßig begrenzte Schicht der Oberen Zehntausend. Für die Entwicklung des Handels und des Warenaustausches ist der gesicherte Friede des Reichs die Voraussetzung. Die Luxuswaren ferner Länder, sogar Chinas und Indiens, und die Verbrauchsgüter aller Provinzen flossen in der Hauptstadt Rom zusammen. Getreide, Papyrus und Linnen aus Ägypten, Wolle und Holz von den Triften und Wäldern Kleinasiens, Mineralien aus Spanien, öl aus Syrien, Africa und Italien, Fischkonserven aus Spanien und Gallien - diese Waren und viele andere haben einen riesigen Absatz gefunden. Parallel zum Handelsverkehr vollzieht sich eine bedeutende Binnenwanderung von Menschen aller Provinzen des Reiches: Römer finden sich in der ganzen zivilisierten Welt, zahlreiche Syrer in den Provinzen des Westens, vor allem in Gallien, Griechen haben sich sogar in Britannien niedergelassen. Begünstigt wird der Handel durch die Existenz einer Reichswährung. Unter Julius Caesar hatte der Aureus den Charakter einer Reichsmünze angenommen, er galt 25 Denare oder 100 Sesterze. Bis in die neronische Zeit ist der Standard des Aureus stabil geblieben, im Gegensatz zum Silber, das inflationistische Tendenzen zeigt. (Der Feingehalt der Silbermünze ist in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. auf etwa 60 % abgesunken.) Für die Sicherheit der Reisewege hat das Imperium Vorbildliches geleistet. Räuber und Seeräuber sind selten geworden, die Reisezeiten hatten sich beträchtlich verkürzt: für die Seefahrt von Rom nach Alexandrien benötigte man 18 Tage, für eine Reise von Gades nach Ostia sieben Tage. Ganz besonders aktiv waren die römischen Kaiser in der Errichtung und Erneuerung der großen Reichsstraßen. Eine große Anzahl von Meilensteinen in Italien und in den Provinzen kündet von dem fortschreitenden Ausbau des Straßennetzes. Der Beförderung von Nachrichten und Personen in amtlichem Auftrag diente die Einrichtung des cursus publicus. Er war nach hellenistischpersischem Vorbild geschaffen worden und ist vor allem aus der späteren Kaiserzeit durch zahlreiche Quellenangaben bekannt. Wegen der Zölle hatte der Staat selbst das größte Interesse am Handel und Verkehr, er förderte ihn durch den Bau von Hafenanlagen, von Molen und Leuchttürmen. Die Wasserwege des Binnenlandes wurden durch den Ausbau von Kanälen verkürzt, manche auch erst wirklich schiffbar gemacht. Der größte Konsument im Reich aber war das Heer. Sein Bedarf war enorm, anderseits war das Heer auch ein bedeutender Produzent. Hierfür zeugen die Legionsstempel auf den Ziegelsteinen. Die Größe und Tragfähigkeit der Schiffe bewegten sich in aufsteigender Linie. Das Fahrzeug, das den Apostel Paulus nach Rom brachte, hatte nicht weniger als 276 Mann an Bord. Flavius Josephus ist, wenn man ihm Glauben schenken darf, mit einem noch viel größeren Schiff gefahren, es trug 600 Mann. Schwierige Transporte ließen sich auf dem Wasserwege besser durchführen als zu Lande: so hat der Prinzeps Caligula einen ägyptischen Obelisken zu Schiff nach Rom verfrachten lassen. Den Inhalt des Schiffes hat man auf mehr als 1000 Bruttoregistertonnen berechnet.

Will man sich von der wirtschaftlichen Verflechtung der verschiedenen Gebiete des Imperiums ein zutreffendes Bild machen, so muß man vor allem an den riesigen Güteraustausch denken, der im ganzen Reich geübt worden ist. Nur die wichtigsten Aspekte können hier in aller Kürze angedeutet werden. Ein unbestrittenes Monopol besaß das Bürgerland Italien nicht allein in der Ausfuhr von Wein, sondern zunächst auch im Export von Keramik. Ihre Fabrikationsstätten finden sich vor allem in Etrurien (Arretium) und in Campanien. Doch bildete sich schon in der ersten Kaiserzeit in Gallien eine ernsthafte Konkurrenz, vor allem in La Graufesenque im Süden und in Lezoux in Zentralgallien. Sie hat sich mit der Zeit weite Absatzgebiete in Germanien, insbesondere in den Ortschaften am Limes, aber auch in Österreich und schließlich sogar in Italien erschlossen. Anderseits sind Funde arretinischer Keramik in der frühen Kaiserzeit sogar bis nach Vorderindien (Arikamedu bei Pondicherry) nachgewiesen. Mit dem Fernhandel verbindet sich ein verstärkter Reiseverkehr. Es gab Gilden von Fuhrunternehmern (cisiarii), es gab auch Gasthäuser, zumeist sehr bescheidene; über Unrat, schlechtes Essen und betrügerische Wirte wurde vielfach Klage geführt. Wie schon zur Zeit des Solon und des Herodot reiste man auch in der Kaiserzeit nicht nur aus merkantilen, sondern auch aus persönlichen Motiven. Zahlreiche Römer besuchten Griechenland mit seinen hochberühmten Kunststätten Athen, Delphi und Olympia. Manche kamen sogar bis nach Ägypten und fuhren den Nil aufwärts bis nach Theben in Oberägypten. Germanicus und Hadrian haben das Memnoneion aufgesucht, und eine vornehme Dame im Gefolge Hadrians, Julia Balbilla, hat sogar ihre Gedichte dort verewigen lassen. Von einem modernen Naturgefühl findet sich freilich in der Kaiserzeit nur wenig, es war eine Ausnahme, wenn der Kaiser Hadrian nicht nur den Berg Ätna, sondern auch den Mons Casius in Syrien bestiegen hat, um auf freier Bergeshöhe den Sonnenaufgang zu erleben.

Der steigende Wohlstand brachte es mit sich, daß auch sehr viele Ungebildete zu großem Vermögen gelangten. In der Cena Trimalchionis hat Petronius Arbiter (in neronischer Zeit) die Gestalt eines solchen Neureichen in unübertrefflicher Weise gezeichnet. Vieles mag um der komischen Wirkung willen übertrieben sein, manche Züge aber wirken so originell, daß sie schwerlich frei erfunden sein können. Auch die Gesellschaft der Kaiserzeit konnte auf die Sklaven nicht verzichten, sie waren um einen Preis von 200 bis 500 Denaren leicht zu erwerben. Sie wurden nicht nur in der Industrie und Manufaktur, sondern vor allem auch als Haussklaven beschäftigt. Mehrere Dutzend Sklaven waren in einem Haushalt der römischen Kaiserzeit keine Seltenheit, die Angehörigen des Mittelstandes pflegten sich dagegen mit einem oder zwei Sklaven zu begnügen. Schon im 2. Jh. n. Chr. nahm aber die Zahl der Sklaven bedeutend ab, sie wurden daher viel teurer und waren für die Bürger kaum noch erschwinglich. Im Gegensatz zur römischen Republik spielte die Sklaverei in der Kaiserzeit wirtschaftlich keine große Rolle mehr; diese Epoche als die Zeit der < Sklavenhaltergesellschaft) zu bezeichnen, ist eine arge Übertreibung. Auch die gesellschaftliche Stellung der römischen

Frau hatte sich verändert. Die Mädchen aus vornehmer Familie wurden zumeist sehr früh verheiratet, vielfach schon im Alter von 14 oder 15 Jahren. Dabei war der Wille der Eltern ausschlaggebend. Ehescheidungen waren nicht selten, es gab Frauen, die nicht nur zweimal, sondern sogar vier- oder fünfmal verheiratet waren. Als Gattin nahm die Frau der höheren Stände an allen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, sogar den grausamen Gladiatorenspielen durfte sie zusehen, wenn auch in eigenen Zuschauerblocks. Die Kaiser Claudius und Nero hatten den Zeitgenossen alles andere als gute Beispiele gegeben, Claudius war viermal verheiratet gewesen, zuletzt mit seiner Nichte (Agrippina Minor), wofür er besonderen Dispens benötigt hatte. Nero hatte unter stillschweigender Duldung des Seneca und Burrus eine regelrechte Mätressenwirtschaft geführt. Ernsterer Natur war Neros Verbindung mit der jungen Schauspielerin Acte, einer Freigelassenen aus der Provinz Asia. Er überschüttete sie mit Geschenken, so daß sie schließlich an verschiedenen Orten Italiens (in Puteoli und Velitrae), aber auch in Sardinien über Besitzungen verfügte, auf der Insel sogar über Ziegeleien, die durch Stempel mit ihrem Namen nachgewiesen sind. Anders war die Haltung des Kaisers Hadrian. Dieser hat es grundsätzlich abgelehnt, sich scheiden zu lassen, obwohl seine Ehe mit Sabina unglücklich war. Er wollte aber an höchster Stelle im Reich kein schlechtes Beispiel geben. Zahlreiche Angehörige des Mittelstandes und des unteren Bürgertums lebten in eheähnlichen Verbindungen, juristisch als Concubinat bezeichnet. Das Zusammenleben mit Frauen aus dem Stande der Freigelassenen oder der Sklaven war weit verbreitet. Sogar der Kaiser Vespasian hat in vorgerücktem Alter mit einer Freigelassenen zusammengelebt, woran niemand Anstoß genommen hat. Außerdem gab es zahllose illegitime eheliche Verbindungen der Soldaten, denen es grundsätzlich verboten war, vor Ablauf der Dienstzeit eine gesetzliche Ehe (matrimonium iustum) einzugehen. Seit der Zeit des Kaisers

Claudius erscheinen die Militärdiplome, durch die den entlassenen Soldaten das ius conubii mit einer peregrinen Frau zugestanden wird. Im ganzen aber war die Gesellschaft der Kaiserzeit, was Ehe und Familie anbetrifft, vielfach labil. Dabei mag das extrem juristische Denken der Römer und das Fehlen fester religiöser Bindungen eine Rolle gespielt haben. Sehr scharf war die Trennungslinie zwischen Bürgern und Nichtbürgern (peregrini), ein Zustand, der letzten Endes erst durch das Edikt des Kaisers Caracalla (212 n. Chr.) beseitigt worden ist. Während die ersten Principes mit der Verleihung des Bürgerrechts an Peregrine sehr sparsam umgegangen sind, wurde dies seit Claudius anders. In den westlichen Provinzen des Reiches bildete gelegentlich die Verleihung des latinischen Rechts (ius Latii) eine Vorstufe für die Zuteilung des römischen Bürgerrechts. Auf Grund des latinischen Rechts erhielten die obersten Beamten der Munizipien (duoviri) automatisch das römische Bürgerrecht, später auch die Mitglieder des Gemeinderats (decuriones). Im Osten wurde das römische Bürgerrecht zumeist nur an Angehörige der obersten Schicht vergeben. In Ägypten konnte das römische Bürgerrecht nur erlangen, wer zuvor in den Besitz des Bürgerrechts von Alexandrien gelangt war. Mit dem Besitz der civitas Romana waren beträchtliche Vorteile juristischer und persönlicher Natur verbunden. Vor allem hatten die römischen Bürger das Recht, an den Kaiser zu appellieren, während die Nichtbürger dem ius gladii des Statthalters unterstanden. Die Untertanen mußten außerdem gewisse Tribute entrichten, vor allem die Kopfsteuer. Natürlich gab es oft Schwierigkeiten, da der Besitz des Bürgerrechts nicht immer mit Sicherheit bewiesen werden konnte.

Die Bevölkerung des Reiches hatte eine ausgesprochen ständische Gliederung. Für die beiden obersten Stände, den Senatoren- und den Ritterstand, war ein hoher Zensus vorgeschrieben, 250000 Denare für die Senatoren, 100000

Denare für die Ritter. In den Munizipien und Kolonien existierte gleichfalls eine sozial gehobene Schicht, der ordo decurionum, dessen Angehörige ebenfalls ein Vermögen nachzuweisen hatten. Senatoren, Ritter und Notabein der Munizipien und Kolonien bildeten die Schicht der honestiores. Viel tiefer als sie und die große Zahl der römischen Bürger standen die Kategorien der Peregrinen, der Freigelassenen und der Sklaven. Unter den Freigelassenen haben es manche zu beträchtlichem Vermögen gebracht, sie erscheinen vielfach als Gewerbetreibende, aber auch als Angestellte in privatem Dienst, selbst am Hofe des Prinzeps haben sie wichtige Stellungen inne. Mit ihrem ehemaligen Patronus fühlten sich die Freigelassenen durch Bande der Pietät verbunden, die auch in der Kaiserzeit sorgfältig beachtet wurden. Es war für einen Freigelassenen verpönt, gegen seinen ehemaligen Herrn einen Prozeß anzustrengen; er war vielmehr verpflichtet, dem Herrn beizuspringen, wenn dieser in Not geriet.

Jeder Stand hatte seine besonderen Verpflichtungen und seine eigene Laufbahn. Allein die Angehörigen des Senatorenstandes stellten die Anwärter auf die höhere Beamtenlaufbahn, sie bekleideten die Magistrate und die hohen, allein den Consularen und Prätoriern vorbehaltenen Positionen in der Reichsverwaltung. Zusammen mit den Rittern erscheinen die Senatoren in den Geschworenengerichten (quaestiones). Wurden sie selbst vor Gericht gestellt, so durften sie nur von ihren Standesgenossen gerichtet werden. Ihre militärische Laufbahn begannen sie in den turmae equitum, sie stiegen dann zum Militärtribunat auf und konnten es bis zum Legaten einer Legion bringen. Die Ritter sind dagegen erst unter Hadrian in größerer Zahl in die höhere Verwaltung eingedrungen. Sie waren hier eine wertvolle Ergänzung des Senatorenstandes, vor allem in den verschiedenen ritterlichen Prokuraturen. Auch die Angehörigen des Dekurionenstandes in den Munizipien und Kolonien hatten gute Aufstiegsmöglichkeiten. Wenn sie die collegia iuvenum durchlaufen hatten, stand ihnen die militia equestris offen, sie übernahmen die mittleren Offiziersstellen in den Legionen und Auxilien. Gegenüber ihren Gemeinden waren sie zu bestimmten persönlichen Leistungen verpflichtet, die in der späteren Kaiserzeit zu einer schweren Belastung geworden sind. Übrigens wurde auch die Plebs der Gemeinden zu Dienstleistungen (munera) herangezogen, vor allem zum Straßen- und Mauerbau, aber auch zu gewissen Leistungen bei der Beschaffung der Annona, bei der Versorgung des Militärs und bei anderen undankbaren Arbeiten.

In der Behandlung der beiden Klassen der Bevölkerung, der honestiores und der humiliores, gab es vor Gericht grundlegende Unterschiede. Die honestiores hatten keine Folter zu befürchten, sie konnten auch, anders als die humiliores, nicht zur Zwangsarbeit in Bergwerken oder zum Kampf in der Arena verurteilt werden. Auf die humiliores aber wartete im Fall der Verurteilung vielfach ein Gefängniselend, sie konnten sich nur retten, wenn sie mächtige Fürsprecher zu finden wußten. Im übrigen aber hatte die breite Masse an der Verwaltung der Gemeinden nicht das geringste Interesse. Was diese wünschte, waren Brot und Spiele (panem et circenses). Die tiefgreifenden sozialen Unterschiede sind in den Diatriben der Kyniker oft erörtert worden - geändert hat sich dadurch nichts, da niemand daran dachte, eine soziale Reform durchzuführen. Wenn man dazu bedenkt, daß die Philosophie immer wieder die Lehre vertreten hat, daß der Wert des Menschenlebens nicht in der Aneignung von Besitz und Geld, sondern in der Sammlung von Gütern bestehe, die weder Motten noch Rost fressen, wenn man ferner weiß, daß auch das Christentum keine soziale Reform gepredigt hat, so wird man es nicht erstaunlich finden, daß die soziale Ordnung der Kaiserzeit im wesentlichen durch mehrere Jahrhunderte stabil geblieben ist.

Für die Regierungen der Julier und Claudier, aber auch der Flavier ist der Widerstand konservativer Kreise gegen das

Prinzipat bezeichnend, auch unter den Philosophen hat es so manche Gegner des Prinzipats gegeben. Insbesondere die Anhänger der Stoa haben dem Kaisertum wenig freundlich gegenübergestanden. Unter Nero ist es zu Verbannungen und Hinrichtungen gekommen. Auch die Regierung der Flavier hat den geistigen Widerstand der Philosophen nicht aus der Welt schaffen können, unter Domitian hat sich die Opposition sogar noch einmal verstärkt. Im 2. Jh. hat sich dagegen das Verhältnis der Gebildeten zum Kaisertum grundlegend geändert. Aus dem Tyrannen auf dem Thron ist die Idealgestalt des Lenkers und Führers des Staates geworden, wie ihn vor allem die Reden des hochgebildeten Dion Chrysostomos von Prusa schildern. Die Schicht der Gebildeten hatte sich mit dem Prinzipat abgefunden, die Monarchie war in der Form des Adoptivkaisertums fest verankert, niemand wäre noch auf den Gedanken gekommen, an Stelle der festen Ordnung, welche das Kaisertum repräsentierte, wieder die vollendete Unsicherheit der untergegangenen res publica libera einzutauschen. Zur inneren Beruhigung hatte die Qualität der Administration nicht wenig beigetragen. In der Periode zwischen Tiberius und Mark Aurel hat die römische Verwaltung eine früher nie erreichte Höhe erklommen, Anklagen gegen Statthalter wegen Erpressungen waren Seltenheiten geworden. Während in der Republik die Statthalter vielfach tief verschuldet die Reise in ihre Provinz angetreten hatten, sorgte in der Kaiserzeit allein schon der hohe Senatorenzensus (250000 Denare) dafür, daß bankrotte Figuren von der Tätigkeit in der Administration von vornherein ausgeschlossen wurden. Dazu kam noch ein hohes Gehalt von 100000 oder 200000 Sesterzen; die Statthalter hatten es daher im allgemeinen nicht nötig, die Untertanen zu schinden. Segensreich war auch die Institution der Provinziallandtage. Sie übten eine gewisse Kontrolle über die Tätigkeit der Statthalter aus. Die vielumstrittenen societates publicanorum sind in der Hohen Kaiserzeit verschwunden, an ihre Stelle sind kaiserliche

Finanzprokuratoren getreten. Die Steuerschraube wurde dagegen fest angezogen, spätestens seit Trajan gibt es die Personenstandsaufnahme im ganzen Reich, sie ist an die Stelle der früheren sporadischen Volkszählungen getreten. Auch in sozialer Hinsicht sind in der Kaiserzeit Fortschritte zu verzeichnen: die Behandlung der Sklaven ist humaner geworden, es war untersagt, sie zwangsweise in die Arena oder unter die Gladiatoren zu schicken. Zahlreich sind auch die Alimentarstiftungen für arme Kinder. Die Zinsen wurden als Beihilfe für die Erziehung oder auch zur Begründung einer bescheidenen Existenz verwandt. Anderseits ist die Aussetzung von Neugeborenen weiterhin geübt worden. Grausame Strafen für Verbrechen und Vergehen waren gang und gäbe. Vestalinnen, welche das Keuschheitsgebot verletzt hatten, wurden lebendig eingemauert. Die öffentlichen Hinrichtungen hatten den Charakter von Volksfesten. Die Dekurionen mußten dafür Sorge tragen, möglichst viele verurteilte Verbrecher für die Arena ihrer Stadt herbeizuschaffen.

Charakteristisch für die Zivilisation des Imperiums ist die Existenz einer unendlich großen Zahl von Stadtgemeinden im Osten und im Westen des Reiches. Sie alle verfügen über eine eigene Verwaltung, die in den Händen der Oberschicht liegt. Die Zahl der städtischen Gemeinwesen nimmt außerdem ständig zu, vor allem Trajan und Hadrian sind es gewesen, die für die Urbanisierung des Reiches Großes geleistet haben, insbesondere in vorher städtearmen Gebieten wie Thrakien und Anato lien. Die Differenzierung der verschiedenen Städtetypen als municipia, coloniae civium Romanorum und coloniae Latinae im Westen beginnt sich allmählich zu verwischen, wenn auch die Kolonie immer noch als die vornehmste Form der Stadtgemeinden gegolten hat. Im Osten beherrscht dagegen die griechische Polis nahezu uneingeschränkt das Feld. Kolonien römischer Bürger sind hier selten. Dementsprechend ist die Amtssprache im Westen lateinisch, im Osten dagegen griechisch, wobei in Makedonien ein allmähliches Vordringen des Lateinischen auf Kosten des Griechischen zu beobachten ist. In Nordafrika lebt das Punische weiter, in Palmyra spricht man arabisch, in den syrischen Gemeinden ist dagegen ausnahmslos das Griechische im Gebrauch.

Neben den Städten gab es in Gallien, Britannien, Africa und anderen Provinzen lokale Verwaltungskörper (civitates), sie wurden von einheimischen Adligen geleitet. Überhaupt keine Selbstverwaltung hatte das Land Ägypten. Die Spitze der Administration bildete ein praefectus Aegypti et Alexandreae aus dem Ritterstand. Unter ihm standen drei Epistrategen, gleichfalls römische Ritter, und zwar je einer für das Delta, für die Heptanomia und Oberägypten. Die einzelnen Gaue wurden dagegen von Strategen verwaltet, in der Regel Griechen oder Makedonen. Die Institution der Gaustrategen hatten die Römer von den Ptolemäern übernommen, ebenso die große Schar der lokalen Funktionäre. Im übrigen aber war die Verwaltung des Nillandes einzigartig im ganzen Reich: die Spitze war römisch, die Zwischeninstanzen griechisch, die Dorfverwaltung überwiegend ägyptisch. Eine große Bedeutung für die Wirtschaft hatten die ausgedehnten kaiserlichen Domänen, die vor allem in Afrika, aber auch in Kleinasien (Galatien und Kappadokien) zu finden sind. Zur Verwaltung werden sie zu größeren Komplexen (tractus) zusammengeschlossen. Charakteristisch für die Domänen ist die große Zahl von Bauern, die als Kolonen an die Scholle gebunden sind. Während die kaiserlichen Besitzungen beträchtlichen Gewinn abwerfen, sind in den Stadtgemeinden des Westens und Ostens die Finanzen das Sorgenkind. Man hatte es immer noch nicht gelernt, einen Haushalt aufzustellen, vielmehr pflegte man so lange aus den verschiedenen Kassen zu wirtschaften, bis diese leer waren. Die Briefe des Jüngeren Plinius aus der Doppelprovinz Bithynia et Pontus sind voll von Klagen über Unregelmäßigkeiten in der städtischen Finanzverwaltung. Dazu kamen des öfteren noch unvorhergesehene Ereignisse wie das Eintreten einer Hungersnot. Hatte man zufällig Gelder für die Errichtung einer Wasserleitung zurückgelegt, so mußten diese jetzt zum Ankauf von Getreide für die ärmere Bevölkerung benutzt werden. Die Poleis des Ostens hatten das Recht, lokales Kupfergeld zu prägen, sie wachten mit Eifersucht über dieses Privileg, das ihrem Selbstbewußtsein zugute kam. Vielfach gab es auch Rangstreitigkeiten zwischen den einzelnen Gemeinden, die von den römischen Statthaltern geschlichtet werden mußten. Der kluge Grieche Plutarch hat sich in seinen Schriften, insbesondere in den Praecepta rei publicae gerendae, dafür eingesetzt, daß sich seine Landsleute mehr um die Verwaltung ihrer Heimatgemeinden kümmern sollten: das Interesse am Gemeinwohl war, wie es scheint, zu seiner Zeit nicht mehr bei allen hierfür in Betracht kommenden Bürgern vorhanden. Wie ein roter Faden zieht sich durch Plutarchs Schrift das Eingeständnis der eigenen Schwäche und Machtlosigkeit: die Zeiten, in denen die Griechen über Krieg und Frieden zu beschließen hatten, waren vorüber. Man dürfe nicht, schreibt Plutarch, in den unbedeutendsten Angelegenheiten die Entscheidung der römischen Statthalter anrufen, für die Gesandtschaften an die römischen Kaiser möge man besonders charaktervolle Männer auswählen. Wer ein guter Bürger sein wolle, dürfe nicht davor zurückschrecken, einem unwürdigen Prinzeps die Meinung zu sagen. Was Plutarch von seinen Landsleuten fordert, die offene, freie Rede, sie findet sich wieder in den von Adolf Bauer als «heidnische Märtyrerakten» bezeichneten Papyri. Sie erstrecken sich über die Zeit von Gaius (Caligula) bis Commodus. Die Urkunden schildern Gerichtsverhandlungen vor dem römischen Prinzeps. Angeklagt sind die Führer des alexandrinischen Griechentums, und zwar wegen Erregung antisemitischer Unruhen in der Weltstadt am Nil. Wieweit die Schilderung der Papyri der Wirklichkeit entspricht, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall gehören aber die

Urkunden zu einer Literaturgattung, die das hohe griechische Selbstbewußtsein lebhaft widerspiegelt, wenn auch vielleicht auf Kosten der historischen Wahrheit. Plutarchs Ideale aber sind der Friede (eirene), die Freiheit (eleutheria), gute Ernten (eueteria) und eine genügend große Zahl von Bewohnern in den Städten und deren Wohlverhalten (euandria) und insbesondere der innere Ausgleich (homönoia). All diese Begriffe sind aus den zeitgenössischen Inschriften und Münzlegenden wohlbekannt. Sie entsprechen den Idealen des gehobenen Mittelstandes und der Oberschicht des Bürgertums nicht nur im Osten des Reiches, sondern im ganzen Imperium.

Neben einigen Schriften Plutarchs (etwa 46-127 n.Chr.) sind es vor allem die Reden des um einige Generationen jüngeren Sophisten Aelius Aristides (117-189 n. Chr.), gebürtig aus Hadrianutherai in Mysien, welche die Gesinnung der griechischen Oberschicht in der Hohen Kaiserzeit wiedergeben. Aelius Aristides war ein reicher unabhängiger Mann. Er ist im Imperium Romanum weit herumgekommen, auch Rom hat er besucht, zu Hause aber fühlte er sich in Smyrna, hier war er eine der Leuchten des Museions. In seiner berühmten , wahrscheinlich vom Jahre 143, hat er der Nachwelt ein ganz unschätzbares Dokument hinterlassen, einen Hymnus auf die Größe und Erhabenheit des römischen Weltreichs. Für Aelius Aristides ist das Imperium Romanum eine Föderation von unzähligen Gemeindestaaten (pöleis). Der gebildete Grieche hatte hiermit den wesentlichen Punkt getroffen, denn die Städte waren wirklich, im Osten wie im Westen, die tragenden Säulen der Kultur, sie waren voll von Gymnasien, von Brunnen, von Monumenten, Tempeln, Werkstätten und Schulen. Jede Zeile der Rede gibt das Gefühl der Sicherheit, der Sekurität, wieder, das in der Tat das vorwiegende Kennzeichen der Hohen Kaiserzeit gewesen ist. Wie Aelius Aristides dachte und schrieb, so empfanden auch seine Standesgenossen: sie waren beglückt von einer unvergleichlichen Friedenszeit, welche der britische

Historiker Edward Gibbon als die schönste Zeit des Menschengeschlechts gepriesen hat. Wenn man das Glück der Menschheit mit Freiheit von Krieg gleichsetzt, so ist dies in der Tat den Menschen der Kaiserzeit in hohem Maße zuteil geworden. Die Kriege des Vierkaiserjahres (68-69) waren zwar höchst blutige Auseinandersetzungen, auch unter der Zivilbevölkerung haben sie schwere Verluste an Gut und Blut gekostet, aber sie dauerten nur kurze Zeit. Der jüdische Aufstand (66-70), die Kriege des Kaisers Trajan gegen Daker und Parther haben den Kern des Reiches nicht berührt, sie haben dem Reich eine bedeutende und im ganzen höchst segensreiche Erweiterung seiner Grenzen gebracht. Erst mit den Markomannenkriegen beginnt eine neue kriegerische Epoche, in ihr ist das Reich einer schweren Belastungsprobe unterzogen worden. Der Ausbruch der großen Pest im Jahre 166 ist, im Grunde genommen, zugleich ein Wendepunkt: die ganze Menschheit, vom Vorderen Orient bis zum Atlantischen Ozean, steht nun unter dem Schrecken der furchtbaren Seuche, sie hat die Seelen der Menschen verändert und das Gefühl der Sekurität beseitigt, das bisher das eigentliche Kennzeichen der Hohen Kaiserzeit gewesen war.


5. Das Vierkaiserjahr (68-69 n. Chr.)

Die Vorgänge des Vierkaiserjahres 68-69 n. Chr. werden nur verständlich auf dem Hintergrund der Spannungen, die zwischen den einzelnen Heeren im Imperium Romanum bestanden haben. Der Sieg der Legionen aus dem Orient hat eine neue Dynastie, die flavische, und mit ihr eine neue Epoche der römischen Kaisergeschichte heraufgeführt. Nach der Mißwirtschaft Neros und seiner Günstlinge bedurfte das Reich eines neuen Lenkers, der die Tugenden des Augustus in seiner Person verkörperte. Konnte man aber den Statthalter des Diesseitigen Spanien, Galba, als den idealen neuen Prinzeps bezeichnen? Galba war immerhin ein Siebziger, ein Mann vornehmer Herkunft, aber ausgesprochen geizig. Im übrigen hatte der neue Prinzeps von Anfang an eine wenig glückliche Hand. Die Beseitigung des Statthalters von Africa, L. Clodius Macer, der ihn nicht anerkennen wollte, war noch allenfalls mit Gründen der Staatsraison zu rechtfertigen. Galbas Parteinahme jedoch für die Anhänger des Julius Vindex in Gallien (dieser war dem Verginius Rufus unterlegen und hatte sich selbst den Tod gegeben) stieß die siegreichen germanischen Legionen vor den Kopf. Die Niedermetzelungen zahlreicher Flottensoldaten in Rom war eine ganz unnötige Grausamkeit. Den Prätorianern verweigerte Galba das ihnen durch Nymphidius Sabinus versprochene Donativ, Nymphidius selbst, der Präfekt der Truppe, wurde hingerichtet, als er eine Verschwörung gegen den Prinzeps anzustiften versuchte. Überhaupt war das Verhalten Galbas voll von Widersprüchen, so ging beispielsweise der größte Verbrecher unter Nero, Ofonius Tigellinus, unter ihm straflos aus. Die Kassen waren leer, zumal Galba ganz unangebrachte Steuerermäßigungen durchgeführt hatte. Noch prekärer wurde seine Lage, als sich am 1.Januar 69 die obergermanischen Legionen von ihm lossagten, am 2. Januar folgten die niedergermanischen Legionen nach, sie riefen A.

Vitellius zum Kaiser aus. Damit befanden sich sieben Legionen im Aufstand. Galbas Lage war ohnehin militärisch sehr schwierig, denn die Prätorianer zürnten ihm, die germanische Leibwache war aufgelöst worden, die legio VII Galbiana, seine Haustruppe, hatte er aus verfassungsrechtlichen Bedenken von Italien nach Pannonien verlegt. Um seine wankende Herrschaft zu befestigen, schritt der kinderlose Galba zur Adoption: am 10. Januar 69 nahm er den 31jährigen L. Calpurnius Piso Frugi Licinianus an Sohnes Statt an und ernannte ihn unter dem Namen Ser. Sulpicius Galba Caesar zum Mitregenten. Gerade diese Adoption aber führte den Sturz des Galba herbei, denn auch M. Salvius Otho - er war einer der Spießgesellen Neros, im Gefolge Galbas war er von Spanien wieder nach Rom gekommen - hatte sich Hoffnungen auf die Nachfolge gemacht. Mit Hilfe der Prätorianer bahnte sich Otho den Weg zum Thron, die Legion der Flottensoldaten stellte sich ihm zur Verfügung. Am 15. Januar 69 hatte das Imperium vier Kaiser: Galba, Piso und Otho in Rom, Vitellius in Germanien. Von ihnen haben Galba und Piso den Tag nicht überlebt. Galba wurde auf dem Forum erschlagen, Piso ereilte das Geschick im Tempel der Vesta, wo er um Asyl gebeten hatte. Die nur sieben Monate dauernde Regierung des Galba war, im ganzen gesehen, eine einzige Kette von Mißgriffen gewesen. Bei Tacitus (Hist. I 49) erscheint Galba in einem gewissen Zwielicht: er hätte die Qualitäten eines Kaisers besessen, behauptet Tacitus, wenn er nicht zur Herrschaft gelangt wäre.

Otho versuchte zunächst, mit Vitellius zu verhandeln, ein sehr vernünftiger Entschluß, der, hätte er zum Ziel geführt, dem Reich einen blutigen Bürgerkrieg erspart hätte. Vitellius aber war ganz in der Hand seiner Soldaten, sie verachteten den verweichlichten Otho und wollten sich nicht um ihren Lohn prellen lassen. Im übrigen beherrschte Vitellius den Westen bald uneingeschränkt, es hatten sich nicht nur Gallien und Britannien für ihn erklärt, auch Spanien schwenkte in sein Lager über. Otho blieb nur die Hoffnung auf die Donauarmee, auch die Legionen des Orients hatten ihn anerkannt, sie waren aber zu weit entfernt, als daß sie den Anmarsch der Vitellianer gegen Italien noch hätten aufhalten können. Allein mit den Prätorianern und den Flottensoldaten war kein Krieg zu gewinnen, dazu fehlten Otho alle Eigenschaften eines Feldherrn, er verließ sich im wesentlichen auf den Prätorianerpräfekten Licinius Proculus, der aber niemals einen Feldzug geführt hatte.

Da die Alpenpässe nicht gesperrt worden waren, erschienen die Legionen des Rheinheeres im Frühjahr 69 in Oberitalien nördlich des Po. Ihre Führer waren A. Caecina Alienus und Fabius Valens, die Legaten des ober- und niedergermanischen Heeres. In Othos Kriegsrat herrschte Einmütigkeit darüber, den Kampf bis zum Eintreffen der Donauarmee aus der Defensive heraus zu führen; wenn man die Po-Ebene und dazu Friaul zu behaupten vermochte, so war man über den Berg. Der Anfang war für Otho recht verheißungsvoll: bei Bedriacum, an der Straße von Cremona nach Mantua, wurden die Vitellianer geschlagen. Doch Otho hatte nicht die Nerven zu warten, er befahl den Angriff auf die inzwischen vereinigten Kräfte der Rheinarmee. Die Schlacht unter den Mauern Cremonas ging für ihn verloren, obwohl Teile seines Heeres, insbesondere die ehemaligen Flottensoldaten, mit großer Auszeichnung gekämpft hatten. Otho gab sich zwei Tage später, am 16. April 69, selbst den Tod. Er handelte nicht nur übereilt, sondern auch treulos gegenüber seinen Soldaten, die er der Rache des Vitellius auslieferte. Mommsen hat sogar gemeint, es wäre für Otho ein leichtes gewesen, von Ravenna aus über die Adria in den Osten zu entkommen.

Bereits am 19. April 69 erkannte der Senat Vitellius als Prinzeps an, die Provinzen des Ostens folgten, am 16. Juni wird auf einem Ostrakon aus dem oberägyptischen Theben nach Vitellius datiert, der ägyptische Vizekönig Ti. Julius Alexander scheint ihm demnach gleichfalls die Treue geschworen zu haben, bis er sich, wenige Wochen später, für Vespasian entschied. Die italischen Städte erlebten schlimme Zeiten. Die Rheinarmee überflutete ganz Mittelitalien, Gewalttätigkeiten und Plünderungen bezeichneten ihren Weg. Vitellius selbst zeigte sich maßvoll. Er stellte die Hochverratsprozesse ab, überhaupt versuchte er, die Rechtssicherheit wiederherzustellen, indem er die Privilegien seiner Vorgänger bestätigte. Den Einzug der siegreichen Armee des Vitellius in Rom hat Tacitus in sehr eindrucksvoller Weise geschildert: der Kaiser war begleitet von vier Legionen mit ihren Adlern, dazu folgten ihm Vexillationen von vier weiteren Legionen, ferner 34 Kohorten und zwölf Alen. Rom war in dem heißen Sommer des Jahres 69 ein einziges Heerlager, die Soldaten kampierten in Tempeln und Säulenhallen, vor allem auf dem Forum. Die Prätorianerkohorten des Otho wurden aufgelöst, an ihre Stelle trat eine neue Prätorianergarde von insgesamt 16000 Mann aus den Angehörigen der Rheinarmee. Dazu kamen noch vier städtische Kohorten (urbanae cohortes). Von einer wirklichen Regierung des Vitellius kann indes kaum die Rede sein, er gab sich den Tafelfreuden hin, veranstaltete Zirkusspiele, dazu eine kostspielige Totenfeier für Nero auf dem Marsfeld, die Generäle bereicherten sich über die Maßen. In Mauretanien hatte sich Lucceius Albinus, der Statthalter der Caesariensis, zum Herrscher aufgeworfen und den dynastischen Namen Juba angenommen, nach seiner Ermordung war jedoch ganz Mauretanien (Caesariensis und Tingitana) dem Vitellius zugefallen.

Im Orient hatte man die Entwicklung im Westen genau beobachtet. Die Legionen des Ostens hatten zuerst Galba, dann Otho und schließlich auch Vitellius die Treue geschworen. Der Sieg der Rheinarmee hatte jedoch viel böses Blut erregt, und zwischen der Armee an der Donau und im Orient bestand eine Gemeinsamkeit der Interessen, denn beide fühlten sich durch Vitellius übervorteilt. Die Blicke der Soldaten richteten sich im im Orient zunächst auf C. Licinius Mucianus, den Legaten von Syrien. Mucianus war ein hervorragender Feldherr und ein noch besserer Diplomat, dem T. Flavius Vespasianus, der das Kommando im Jüdischen Kriege führte, war er in mancher Hinsicht überlegen. Aber Mucianus hatte keine Kinder und lehnte es deswegen ab, sich zum Kaiser ausrufen zu lassen. Die Offiziere und Soldaten der Legionen im Orient entschieden sich nun für Vespasian. Der Präfekt von Ägypten, Ti. Julius Alexander, rief Vespasian am 1. Juli in Alexandrien zum Kaiser aus, zwei Tage später folgten die Legionen in Palästina, am 15. Juli auch die Truppen in Syrien. Die Donauarmee erklärte sich gleichfalls für Vespasian.

Wer aber war der neue Kaiser? Er entstammte einer Familie, die weder dem stadtrömischen noch dem munizipalen Adel angehörte. Der Großvater Vespasians war gebürtig aus Reate im Sabinerlande, er hatte als Centurio im Heere des Pompejus gedient. Der Vater war Zollbeamter in Kleinasien gewesen, später hatte er als Geldverleiher in Aventicum in der Schweiz gelebt. Jedoch hatte der Oheim der Vespasia Polla, der Mutter Vespasians, es immerhin bis zum Senator prätorischen Ranges gebracht. Vespasian selbst war am 17. November 9 n. Chr. in Falacrinae bei Reate geboren; seine Erziehung hatte er in Etrurien erhalten. Über die Quästur und die Ädilität (38) war er im Jahre 39 zur Prätur gelangt. Unter Claudius war er Legat der legio II Augusta in Argentorate (Straßburg) gewesen. Mit dieser Truppe nahm er auch an der Eroberung Südbritanniens teil, dabei entfaltete er als militärischer Führer beachtliche Qualitäten, er eroberte 20 britannische Städte und die Insel Vectis (Wight), was ihm die Triumphalornamente einbrachte. Im Jahre 51 war er Consul suffectus, es folgte (vor dem Jahre 62) das Prokonsulat von Africa. Im Jahre 66 weilte er im Gefolge Neros in Griechenland. Obwohl er sich die Ungnade des Kaisers zugezogen hatte, entsandte ihn dieser nach Ausbruch des jüdischen Aufstandes nach Palästina, eine

vortreffliche Wahl, die den Beratern Neros alle Ehre macht.

Im Hochsommer 69 fand ein Kriegsrat in Anwesenheit des Vespasian und des Mucianus in Berytus statt: man beschloß, Vespasian solle in Ägypten bleiben, um dieses Land, die große Kornkammer des Reiches, fest in der Hand zu behalten. Die Führung der aus dem Orient in den Westen zu entsendenden Truppen sollte dagegen Mucianus übernehmen, es waren insgesamt etwa 20-25000 Mann. Mit dem Anschluß der Donauarmee konnte jedoch gerechnet werden. In Italien hatte Vitellius, sehr zur unrechten Zeit, eine Umgruppierung und Umformierung zahlreicher Truppenverbände vorgenommen. Zahlreiche Einheiten befanden sich auf dem Marsch, zum Teil in entlegene Provinzen, andere waren völlig disziplinlos geworden und terrorisierten die Einwohner der Stadt Rom und anderer Städte, die ihnen in Italien zugewiesen worden waren. Die Entscheidung fiel jedoch nicht durch Mucianus, sondern durch M. Antonius Primus, den Legaten der legio VII Galbiana in Pannonien. Antonius Primus fiel mit Vorausabteilungen der pannonischen Legionen, ohne Mucianus und dessen Truppen abzuwarten, über Aquileja in Norditalien ein, über Altinum gelangte er bis Vicenza. Die Wacht an der Donau hatten indessen die Jazygen, wahrscheinlich gegen Soldzahlung, übernommen. Auf der Seite des Vitellius spielte der Verrat. Die Flotte von Ravenna fiel von ihm ab, auch Caecina, einer seiner bedeutendsten Heerführer, versuchte die Truppen für Vespasian zu gewinnen, er wurde jedoch gefangengesetzt. Die Entscheidung fiel in einer zweiten Schlacht bei Bedriacum (Ende Oktober 69). Antonius blieb in einer ungemein blutigen Auseinandersetzung Sieger, Cremona wurde erstürmt und geplündert, wobei es zu entsetzlichen Schreckensszenen gekommen ist. Auf die Kunde von dieser Schlacht erklärte sich der Westen des Reiches für Vespasian, auch die Flotte von Misenum fiel von Vitellius ab. Antonius Primus aber zog, ohne große Eile an den Tag zu legen, über Fanum Fortunae nach

Carsulae. Hier wurde eine Konvention mit den ihm gegenüberstehenden Truppen des Vitellius abgeschlossen (17. Dezember 69). Vitellius, der Prinzeps, war zum Rücktritt bereit, aber er war nicht Herr der Lage in der Hauptstadt; hier brachen Straßenkämpfe aus, in denen sich die Anhänger des Vitellius und des Vespasian gegenüberstanden. Der Stadtpräfekt Flavius Sabinus, der Bruder Vespasians, hatte sich mit den Cohortes urbanae auf dem Kapitol verschanzt, die Burg wurde aber erstürmt, Flavius Sabinus fand dabei den Tod, das Kapitol ging in Flammen auf (19. Dezember 69). Bereits am folgenden Tag erschien Antonius Primus vor den Toren Roms, die Stadt wurde im Sturm genommen, wobei angeblich 50000 Menschen umgekommen sein sollen. Vitellius fand ein unrühmliches Ende, er hatte sich im Palatinspalast versteckt, wurde aber aufgestöbert. Auf dem Forum empfing er den tödlichen Streich, sein Leichnam wurde in den Tiber geworfen (20. Dezember 69).

Die Frage nach dem Nachfolger Neros war damit entschieden. Aus dem Streit der Prätendenten war Vespasian dank der Kampfkraft der pannonischen Legionen als Sieger hervorgegangen. Der neue Kaiser befand sich allerdings noch in Ägypten, erst im Herbst des Jahres 70 hat er italischen Boden betreten. Schon am 22. Dezember 69 hatte der Senat die üblichen Ehren (honores) für den neuen Prinzeps beschlossen, darunter das imperium proconsulare, die tribunicia potestas, den Namen Augustus und einige weitere Rechte, die auch die früheren Kaiser besessen hatten. Von dem Bestallungsgesetz Vespasians ist der letzte Teil erhalten, in ihm ist von einer Anzahl von Privilegien des Prinzeps die Rede, darunter von dem Recht, Bündnisse abzuschließen, dazu von seinem Verhältnis zum Senat, von der Empfehlung (commendatio) seiner Kandidaten, von dem Recht, das Pomerium zu erweitern, und von anderem. Endlich wurden alle Maßnahmen Vespasians seit dem dies imperii, dem Tage, an dem er in Alexandrien zum Kaiser ausgerufen worden war (1. Juli 69), für rechtsgültig erklärt. In Rom aber hatte Mucianus nach seinem Eintreffen (wohl noch am 22. Dezember 69) die Zügel in die Hand genommen, Antonius Primus mußte sich ihm unterordnen, begab sich aber bald zu Vespasian.


6. Die Zeit der flavischen Dynastie (70-96

n. Chr.)

Die Wirren und Kämpfe des Vierkaiserjahres waren an dem Imperium Romanum nicht spurlos vorübergegangen. Besonders in weit entlegenen Gebieten, aber auch an den Grenzen des Reiches machten sich Unruhen bemerkbar. In der Landschaft Pontos in Kleinasien erhob sich Anicetus, ein Freigelassener des letzten pontischen Königs, zugunsten des Vitellius, der Aufstand konnte aber unterdrückt werden. Schwere Zeiten hatte die Provinz Moesia an der unteren Donau durchzumachen, sie wurde von Sarmaten und Geten bedrängt (69-70). Sehr viel gefährlicher als diese lokalen Unruhen aber waren die Aufstände in Germanien und Judäa. In Palästina hatten die Römer eine große Streitmacht gegen die aufständischen Juden versammelt. Nicht weniger als sechs Legionen, 20 Kohorten und acht Alen standen hier unter dem Oberbefehl des Titus, dazu kamen noch die Kontingente orientalischer Vasallenfürsten. Die Stadt Jerusalem war längst vom Hinterland abgeschnitten, doch hatten die Kämpfe um das Kaisertum im römischen Reich den Juden noch einmal eine Gnadenfrist geschenkt, die von diesen vor allem durch Parteikämpfe ausgefüllt worden ist. Als die Unterstadt von den Römern erobert worden war, verteidigten sich die Juden mit Verbissenheit in der Oberstadt, sie wurde am 26. September 70, an einem Sabbat, von Titus mit stürmender Hand genommen. Titus, durch den hartnäckigen Widerstand aufgebracht, hatte die vollständige Zerstörung der Stadt befohlen, um den Herd des jüdischen Widerstandes für alle Zeiten auszutilgen. Wenn man dem Historiker Josephus Glauben schenken darf, so wären im Jüdischen Kriege 97000 Juden in römische Gefangenschaft geraten (sie wurden zumeist als Sklaven verkauft, oder man schickte sie in die Bergwerke, andere wurden für die Spiele aufgespart), mehr als eine Million wäre durch Hunger, Seuchen oder das Schwert umgekommen. Im Juni 71 feierte Titus, zusammen mit seinem Vater Vespasian, in Rom seinen Triumph. Der Bogen des Titus, der heute noch auf dem Forum Romanum steht, ist übrigens erst im Jahre 81, nach dem Tode des Titus, durch seinen Bruder und Nachfolger Domitian errichtet worden. Judäa wurde von Syrien abgetrennt, es wurde eine eigene kaiserliche Provinz, die Hauptstadt war Cäsarea. Den Juden wurde eine Sondersteuer auferlegt, und zwar pro Kopf zwei Drachmen (fiscus ludaicus), sie waren nunmehr an den Tempel des Juppiter Capitolinus in Rom zu entrichten. Im übrigen sind die Flammen des Aufstandes erst im Jahre 73 erloschen, als letzter Stützpunkt der Juden ist die Burg Masada am Toten Meer erst im April 73 gefallen. Sie war von den Sikariern verteidigt worden, einer besonders fanatischen Sekte. Es war kein Wunder, wenn sich bei den Juden ein ungeheurer Haß gegen die römischen Unterdrücker ansammelte. Was die Juden von Rom dachten, zeigt in christlicher Überarbeitung die Offenbarung Johannis, in der Rom als die Mutter der Dirnen und aller Greuel der Welt erscheint.

Womöglich noch gefährlicher als der jüdische Aufstand, der von den Römern lokalisiert werden konnte, war die Erhebung der Bataver und Canninefaten am Niederrhein. Als Grund hierfür werden die von Vitellius im Kriege gegen Vespasian angeordneten Aushebungen angegeben. Antonius Primus hatte den Bataver Julius Civilis aufgefordert, sich den Befehlen des Vitellius zu widersetzen, es sollten dadurch Kontingente der Rheinarmee gebunden werden. Der Aufstand aber loderte nach dem Siege Vespasians nicht nur weiter, er zog sogar noch größere Kreise, weil sich ihm nicht allein Truppen der Rheinarmee, sondern auch die Frisen und Stämme des benachbarten Galliens anschlossen. Zu den letzteren gehörten die Treverer und die Lingonen, ja sogar Stämme der Belgier wie die kampfkräftigen Nervier. Anführer waren der Treverer Classicus und der Lingone Sabinus. Bei den römischen

Truppenteilen am Rhein hatte sich jegliche Disziplin aufgelöst, sie meuterten und erschlugen den Legaten Hordeonius Flaccus nebst anderen Offizieren. Es war an die Errichtung eines gallischen Sonderreiches gedacht, eine Absicht, die vielleicht hätte verwirklicht werden können, wenn sich die Aufständischen einig gewesen wären. Auf jeden Fall aber war der Schaden für das Imperium groß genug, denn alle Legionslager am Rhein (mit der einzigen Ausnahme von Mainz) gingen in Flammen auf. Auf germanischer Seite spielte die Seherin Veleda eine Rolle. Von ihrer späteren Anwesenheit in Ardea in Latium zeugt eine merkwürdige griechische Inschrift. Von Vindonissa (Windisch) aus bereiteten die Römer ihre Gegenmaßnahmen vor, sie entsandten ein Heer unter dem Befehl des Q. Petillius Cerialis gegen die Aufrührer. Auf einem Kongreß zu Reims boten die Aufständischen dem Petillius die Königswürde über die Gallier an, was der römische Feldherr jedoch abgelehnt hat. Gegenüber Julius Civilis vermochte Petillius einige Erfolge zu erringen, so besiegte er ihn in der Nähe von Vetera (Xanten) und drang auf die Insel der Bataver vor. Die Kämpfe wurden, wie es scheint, durch ein Übereinkommen zwischen dem Römer und Julius Civilis beendet. Da die des Tacitus an dieser Stelle (V 26) abbrechen, ist über das Ergebnis der Verhandlungen - sie wurden auf einer Brücke über die Nahalia (Waal) geführt - nichts bekannt. Doch scheint die Aufstandsbewegung beendet gewesen zu sein. Petillius wurde nach England versetzt, wo ihm in den folgenden Jahren (71-74) die Eroberung weiter Gebiete in Nordengland gelungen ist.

Seit dem Spätherbst des Jahres 70 herrschte auch am Rhein wieder Ruhe. Vespasian fand nunmehr die Zeit, die Erneuerung des Reiches in Angriff zu nehmen. Über seine persönlichen Qualitäten kann es keinen Zweifel geben: Vespasian war ein nüchterner, allen Extravaganzen abholder Herrscher, der vor allem auch seine Soldaten im Zaum zu halten wußte. Der Bestand der Dynastie schien gesichert durch die Existenz von zwei tüchtigen Söhnen, von denen Titus damals 30 Jahre, Domitian 18 Jahre zählte. Vespasians Energie machte sich auf allen Gebieten fühlbar, dazu war er persönlich sehr anspruchslos, eher geizig als sparsam, hierin das völlige Gegenbild seiner Vorgänger Otho und Vitellius. Ungebildet war er nicht, obwohl er den größten Teil seines Lebens im Feldlager zugebracht hatte. Er konnte Homer und Menander zitieren, und die Vita des Sueton erzählt von seinen Spaßen, mit denen er sich oft aus prekären Situationen rettete. In Alexandrien hatte Vespasian einen Blinden und einen Lahmen geheilt. Der ganze Orient wußte seitdem, daß auf dem neuen Prinzeps der Segen des Allerhöchsten ruhte. Schon vor seinem Eintreffen in Rom (Herbst 70) hatte man mit der Erneuerung des Kapitols begonnen, am 21. Juni 70 war der Grundstein gelegt worden. Vespasian soll später in eigener Person bei der Enttrümmerung mitgewirkt haben. Eine seiner ersten Maßnahmen war die Verringerung der Zahl der Prätorianer von 16 auf neun Kohorten. Am Ende des Jahres 71 wurde der Janustempel wieder geschlossen, obwohl der jüdische Aufstand noch immer nicht ganz erloschen war. Um die Nachfolge seiner Söhne war Vespasian sehr besorgt. Nicht weniger als siebenmal bekleidete Titus zusammen mit dem Vater das Consulat. Titus, der den Titel Caesar führte, hatte außerdem nach seiner Rückkehr aus dem jüdischen Krieg das Imperium proconsulare und die tribunida potestas erhalten. Auch Domitian ist unter seinem Vater nicht weniger als sechsmal Consul gewesen, davon allerdings fünfmal Consul suffectus. Vespasian hat es ganz unumwunden ausgesprochen: «Entweder sollen meine Söhne meine Nachfolger sein - oder niemand» (Suet. Vesp. 25). Titus erhielt außerdem die Prätorianerpräfektur, ein völliges Novum in der Geschichte des römischen Prinzipats.

Die Aufgabe, vor die sich Vespasian gestellt sah, war unendlich schwierig. Die Finanzen waren erschöpft, in weiten Teilen des Reiches herrschte Unordnung, das Heer war verwildert und mußte erst wieder an Disziplin gewöhnt werden. Die wichtigste Aufgabe, von der geradezu der Bestand des Imperiums abhing, aber war die Neubildung einer Führungsschicht. Ein großer Teil der römischen Nobilität hatte sich durch sein Zusammenwirken mit Nero so stark kompromittiert, daß er für die hohen Stellungen in der Reichsverwaltung nicht mehr in Betracht kommen konnte. Durch den Aderlaß der Bürgerkriege des Vierkaiserjahres war der römische Senat dezimiert, dazu hatten viele Senatoren und Ritter durch Konfiskationen ihre Vermögen verloren. Unter Vespasian sind neue Männer an ihre Stelle getreten. Dies gilt nicht nur für den Senatorenstand, sondern auch für die Ritter. Bei den Senatoren erfolgte die Ergänzung entweder durch die Verleihung des latus clavus seitens des Prinzeps oder aber auf dem Wege über die adlectio, wobei den Neuaufgenommenen zugleich der Rang eines Tribuniziers, Ädiliziers oder Prätoriers, in späterer Zeit auch der Rang eines Consulars, zugeteilt wurde. Die Neuernannten waren zum Teil ehemalige Angehörige des zweiten Standes, des ordo equester. Dies gilt z. B. für Sex. Lucilius Bassus, der unter Vespasian Präfekt der beiden Flotten von Ravenna und Misenum gewesen ist und der später den Posten eines Legaten von Judaea übernommen hat. Im übrigen waren es vor allem Offiziere, die sich im Bürgerkriege auf seiten Vespasians ausgezeichnet hatten. Nicht durch Zufall ist die Zahl der homines novi unter den Consularen der Flavier sehr beträchtlich, wenn auch die meisten unter ihnen erst unter Domitian den Gipfel ihrer Laufbahn erreicht haben. Auch eine Anzahl von Patriziern hat Vespasian neu ernannt, indem er einen Brauch wieder aufnahm, für den Caesar und Augustus durch besondere Gesetze, der letztere durch die Lex Saenia, ermächtigt gewesen waren. Die Maßnahme war notwendig geworden, weil zahlreiche altberühmte Familien der Patrizier ausgestorben waren. Zu den neuen Patriziern gehören so bekannte Persönlichkeiten wie Cn. Julius Agricola, der

Schwiegervater des Historikers Tacitus, M. Ulpius Trajanus, der Vater des späteren Prinzeps, und M. Annius Verus, der Großvater des Kaisers Mark Aurel. Im ganzen hat Vespasian eine sehr glückliche Hand bewiesen, nicht wenige der neuen Männer haben es in späteren Jahrzehnten zu hohen Ehrenstellungen im Reich gebracht. Bemerkenswert ist ferner, daß manche der neuen Männer aus den Provinzen stammten, wo sie zumeist in römischen Kolonien aufgewachsen waren, Trajan in Italica, Annius Verus in Ucubis, Agricola in Forum Iulii (Frejus).

Wie unter Nero, so gab es auch unter den Flaviern eine Opposition, welche die Ideale der alten längst untergegangenen res publica libera auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Getragen wurde sie vor allem von Senatoren stoischer Einstellung. Das Haupt der Gegenströmung unter Vespasian war der Stoiker Helvidius Priscus. Er war der Schwiegersohn des Thrasea Paetus, der unter Nero hingerichtet worden war. Helvidius Priscus leistete dem Prinzeps, wo er nur konnte, entschlossenen Widerstand. Dabei schreckte er auch vor ausgesprochenen Taktlosigkeiten nicht zurück. Es war kein Wunder, wenn die Geduld Vespasians schließlich ein Ende hatte. Helvidius wurde zunächst verbannt, dann hingerichtet, er ist eines der ganz wenigen Opfer der Regierung des Vespasian gewesen. Schon im Jahre 71 hatte Vespasian die kynischen Bettelphilosophen und die Astrologen aus Rom ausgewiesen, im Jahre 74 kam es zu einer allgemeinen Philosophenvertreibung aus Rom und wohl aus ganz Italien; ausgenommen war nur Musonius Rufus, der jedoch wenig später in die Verbannung gehen mußte und erst unter Titus zurückkehren durfte. Sehr viel schärfer wurde der Kurs unter Domitian (81-96). Unter der Zahl seiner Opfer waren Herennius Senecio - seine Bücher wurden auf dem Forum verbrannt -, Helvidius Priscus der Jüngere, der an dem Privatleben Domitians literarische Kritik geübt hatte, und Q. Junius Rusticus Arulenus. Diese Männer wurden hingerichtet, während der Bruder des letztgenannten, Junius Mauricus, nur verbannt wurde. Das gleiche Schicksal wartete auf den gefeierten griechischen Redner Dion Chrysostomos von Prusa. Er mußte in die Fremde gehen und hat allenthalben den Haß gegen Domitian, den Unterdrücker, geschürt. Für die Stoiker war vor allem die Erbmonarchie ein Stein des Anstoßes, sie wurde ohne weiteres mit der Tyrannis gleichgesetzt. Bei allem persönlichen Mut der Stoiker ist nicht zu übersehen, daß sie vielfach für die Wirklichkeit keine n rechten Blick hatten und sich in Ideologien flüchteten. Unter der Herrschaft des Trajan ist die Opposition verstummt, Dion Chrysostomos ist einer der ersten gewesen, der, wiederum ganz im Sinne der stoischen Lehre, den neuen Prinzeps als den Lenker und Führer des Staates gepriesen hat.

Besonders groß sind die Verdienste Vespasians um die Finanzen des Reiches. Allein schon die Versorgung der entlassenen Legionäre erforderte gewaltige Mittel. Vespasian soll gesagt haben, er müsse, um den Staat wieder zahlungsfähig zu machen, nicht weniger als 40 Milliarden Sesterzen aufbringen. Diese horrende Summe ist gelegentlich in Zweifel gezogen worden, aber selbst wenn man nur mit vier Milliarden rechnet (Bude), so wäre dies immer noch eine riesige Summe. Vor allem hat Vespasian eine Reihe von Privilegien, die Nero verliehen hatte, rücksichtslos abgeschafft. Dies gilt etwa von der Steuerfreiheit der Provinz Achaia (Griechenland). Wenn ferner Gemeinden wie Rhodos, Byzanz und Samos ihrer Freiheit beraubt worden sind, so bedeutet dies gleichzeitig die Aufhebung der bisherigen Steuerfreiheit. Dies trifft auch für die lykischen Städte zu, die nun zu Pamphylien geschlagen worden sind (neue Doppelprovinz Lycia-Pamphylia). Außerdem wurden drei Spezialkassen eingerichtet, der fiscus ludaicus, der fiscus Alexandrinus und der fiscus Asiaticus. Auch in Italien hat Vespasian neue Steuerquellen zu erschließen versucht. Unter anderem hat er die subsiciva erfaßt, d. h. jenes Land, das bei

Koloniegründungen nicht berücksichtigt zu werden und in der Regel in den Besitz privater Okkupanten überzugehen pflegte. Im übrigen hat Vespasian zahlreiche Dichter und Gelehrte unterstützt, unter seiner Regierung hat Quintilian den ersten bezahlten Lehrstuhl für Rhetorik in Rom erhalten. Von Privilegien für die paideutai und die Mediziner zeugt die bekannte Inschrift von Pergamon. Groß ist die Zahl der Bauten, die Vespasian in Rom aufführen ließ. Außer dem neuen Tempel des Juppiter Capitolinus, vollendet im Jahre 71, erstanden das templum Pacis und insbesondere das riesige Kolosseum. Auch in den Provinzen wurden zahlreiche Straßen und Brücken gebaut.

Unter Vespasian hat das Imperium einen entscheidenden Schritt vorwärts zur Romanisierung getan, vor allem in den westlichen Provinzen. Ganz Spanien erhielt das ius Latii, die Vorstufe zum römischen Bürgerrecht, es rückte damit in eine Zwischenstellung zwischen dem Bürgerland Italien und den anderen Provinzen ein. Mit der Verleihung des latinischen Rechts war eine große Verwaltungsarbeit verbunden, die sich auch auf die Neuformulierung des Stadtrechts der spanischen Gemeinden erstreckte. Vespasians Großzügigkeit hatte ein rasches Aufblühen des munizipalen Lebens in Spanien zur Folge. Auch außerhalb Spaniens ist durch Vespasian eine Reihe von Kolonien gegründet worden, die bekanntesten sind Aventicum in der Schweiz, Sirmium und Siscia in Pannonien, Scupi in Mösien und Cäsarea in Palästina. In den folgenden Jahrzehnten erscheinen in steigender Zahl Angehörige des munizipalen Adels aus Spanien, aber auch aus Südgallien, nicht nur im römischen Senat, sondern auch in den Magistraturen; im Jahre 80 hat zum erstenmal ein Römer aus Africa, Q. Pactumeius Fronto, das Consulat bekleidet. Im ganzen war die zehnjährige Regierung des Vespasian (er starb am 24. Juni 79) ein Segen für das Reich, der Kaiser selbst hat durch sein Vorbild nicht wenig zur Konsolidierung beigetragen.

Vespasians Nachfolger, sein ältester Sohn Titus, war eine glänzende Erscheinung in der Reihe der römischen Kaiser. Er war nicht nur ein bewährter Feldherr, sondern auch ein vorzüglicher Regent. Einzig und allein das Verhältnis zu seinem Bruder Domitian gab zu Sorgen Anlaß. Denn dieser war der künftige Nachfolger, da Titus nur eine Tochter, Julia, besaß. Die sehr kurze Regierung des Titus (79-81) wird gekennzeichnet durch zwei Katastrophen, durch einen großen Brand in Rom, der ein umfangreiches Neubauprogramm erforderlich machte, und durch den Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79, bei dem die Städte Herculaneum und Pompeji zerstört worden sind. Auch der Ältere Plinius, Präfekt der Flotte von Misenum, hat bei dieser Katastrophe den Tod gefunden.

Titus starb am 13. September 81 in Reate. Noch am gleichen Tage ließ sich Domitian von den Prätorianern als Imperator salutieren, am folgenden Tage wurde er durch den Senat als Prinzeps anerkannt. Der 14. September galt fortan als der dies imperii des neuen Kaisers. Dem letzten Flavier ist die Überlieferung wenig günstig. Insbesondere Tacitus und der Jüngere Plinius haben in Schriften, die nach dem Tode des Domitian erschienen sind, aus ihrer Abneigung und Feindschaft kein Hehl gemacht. Anderseits sind die Aussprüche der Hofdichter voll von adulatorischen Übertreibungen, die inschriftliche Überlieferung ist dagegen sehr mager und praktisch ohne individuelle Züge.

Domitian war, wenn nicht alles trügt, kein glücklicher Mensch. Ihm fehlte vor allem die souveräne Sicherheit, die sein Vater und sein älterer Bruder in so hohem Maße besessen hatten. Er war ein ausgesprochener Einspänner, ohne wirkliche Freunde, dazu ein leidenschaftlicher Anhänger der Astrologie. Außerdem war ihm seine Herrscherwürde zu Kopf gestiegen, sein Ziel, dem er zustrebte, war der hoch über allen Untertanen thronende absolute Kaiser, der dominus et deus, wie er sich nennen ließ. Nicht weniger als 17mal bekleidete er das Consulat, im Jahre 85 übernahm er das Amt des Censors, ohne es jedoch wieder abzugeben. Als censor perpetuus übte er eine rigorose Kontrolle über den Senat und seine Mitglieder aus. Seit dem Jahre 83, in dem er einen Triumph über die Germanen gefeiert hatte, pflegte er im Triumphalgewand in der hohen Körperschaft zu erscheinen. Dazu ließ er sich von 24 Liktoren begleiten. Während Titus seine Geliebte, die Jüdin Berenice, der öffentlichen Meinung zum Opfer gebracht und aus Rom entfernt hatte, schreckte Domitian weder vor der Verbannung seiner Gattin (Domitia Longina, Tochter des Domitius Corbulo), die Gleiches mit Gleichem vergolten hatte, noch vor einem Liebesverhältnis mit seiner eigenen Nichte, Titus' Tochter Julia, zurück. Von Jugend auf hatte Domitian ein lebhaftes Interesse an den Schönen Künsten gezeigt, so hatte er beispielsweise den Jüdischen Krieg des Titus in Versen dargestellt. Im Jahre 86 stiftete er zu Ehren des Juppiter Capitolinus in Rom ein alle vier Jahre wiederkehrendes Fest, dem er selbst in griechischer Kleidung präsidierte. Das große Vorbild hierfür war das Olympische Hochfest; es fanden Wettbewerbe in Literatur, im Wagenrennen und in der Agonistik statt. Außerdem wurden alljährlich Spiele zu Ehren der Minerva, seiner besonderen Schutzpatronin, auf dem Mons Albanus abgehalten, doch konnte sich die römische Aristokratie für die griechischen Neigungen des Prinzeps nicht erwärmen, eher schon für sein Interesse an den Gladiatorenspielen: unter Domitian sind nicht weniger als vier neue Gladiatorenschulen (ludi) in Rom errichtet worden; in dem fernen Alexandrien wurde ein procurator familiae gladiatoriae bestellt.

Seit dem Jahre 87 stand Domitian unter der ständigen Furcht vor Verschwörungen. In jenem Jahr sind, wie die Arvalakten bezeugen, Opfer dargebracht worden ob detecta scelera nefariorum. Im Jahre 88 hatte man in Rom die Säkularspiele besonders festlich begangen, da kam die Kunde von der Erhebung des Legaten des exercitus superior in Germanien, L.

Antonius Saturninus. Infolge des tatkräftigen Eingreifens des Legaten des niederrheinischen Heeres, A. Bucius Lappius Maximus, war jedoch die Gefahr bereits vorüber, als Domitian im Winter 88/89 in Germanien eintraf. Im Jahre 89 wurden die Philosophen und Astrologen aus Rom ausgewiesen; hohe Verwaltungsbeamte wie der Proconsul von Asia, C. Vettulenus Civica Cerialis, und der Legat von Britannien, Sallustius Lucullus, mußten ebenso sterben wie der Philosoph Hermogenes von Tarsus, der den Prinzeps in einer Flugschrift angegriffen hatte. Weitere Verfolgungen richteten sich (im Jahre 93 und 94) gegen eine Reihe von Stoikern, unter ihnen Helvidius Priscus der Jüngere, Junius Rusticus Arulenus und Herennius Senecio. Im Jahre 95 verwies ein Senatsbeschluß alle Philosophen aus Italien. In dem gleichen Jahre wurde der Consul Flavius Clemens, ein Neffe Domitians, wegen Gottlosigkeit vor Gericht gestellt. Er wurde hingerichtet, seine Gattin Domitilla in die Verbannung geschickt, danach zum Selbstmord gezwungen. Die letzten Monate der domitianischen Regierung waren geradezu eine Schreckenszeit. Es bildete sich schließlich eine Verschwörung, an der beide Präfekten der Prätorianer beteiligt waren, auch Domitia Longina, die Gattin des Kaisers, gehörte zu den Eingeweihten. Am 18. September 96 fiel Domitian unter den Streichen des Freigelassenen Stephanus. Dieser wurde seinerseits von der Palastwache überwältigt, die anderen Verschwörer konnten entkommen. Sie riefen Cocceius Nerva, einen älteren Senator und angesehenen Juristen, zum Kaiser aus.

Für die römische Aristokratie war die Regierung Domitians zweifellos eine schwere Zeit. Ganz anders aber war das Verhältnis des Prinzeps zum römischen Volk. Durch wiederholte Geldspenden (congiaria), aber auch durch die Veranstaltung glänzender Spiele wußte er die Sympathien der römischen Plebs zu gewinnen. Auch für die Bauten in Rom hat Domitian riesige Summen ausgeworfen. So schuf er nicht nur eine Naumachie am Tiber, er errichtete außerdem ein Stadium und ein Odeum auf dem Marsfeld. Der Tempel des Juppiter auf dem Capitol wurde besonders kostbar ausgestattet, dabei wurde pentelischer Marmor verwandt, die Tore erhielten goldene Beschläge. All diese Werke kosteten teueres Geld, aber Domitian hat es verstanden, sich immer wieder neue Finanzquellen zu erschließen. Von dem zweischneidigen Mittel der Münzverschlechterung hat er keinen Gebrauch gemacht, anderseits hat er schwerlich einen gefüllten Staatsschatz hinterlassen, obwohl dies Ronald Syme angenommen hat. Für die Verwaltung des Reiches und die Rechtsprechung hat Domitian vortrefflich gesorgt, auch in der Auswahl seiner Statthalter bewies der Kaiser im allgemeinen eine recht glückliche Hand. In der christlichen Überlieferung gilt Domitian als der zweite der großen Christenverfolger. In der Tat spricht der Clemensbrief von der Bedrückung der Christen in der domitianischen Zeit, auch die Johannesapokalypse, die mit Wahrscheinlichkeit in die Zeit des Domitian gehört, zeugt von der Verfolgung. Einer der ältesten Begräbnisplätze der Christen in Rom heißt coemeterium Domitillae, wahrscheinlich nach der Gattin des Flavius Clemens.

Die Außenpolitik der flavischen Kaiser: Über der Außenpolitik der Flavier steht nach der Niederwerfung der Aufstände in Judäa und am Rhein als Devise die Sicherung der Grenzen des Imperiums. Mit der Errichtung der ersten Limites am Rhein und an der Donau geht das Reich nunmehr zu einer starren Verteidigung über. Zu einem schweren, auch für die Römer verlustreichen Kriege ist es allein an der unteren Donau in der Zeit des Domitian, zu einer wesentlichen Erweiterung der Reichsgrenzen ist es nur in Britannien gekommen.

In Britannien hatten die Römer bis zum Jahre 69 die Grenzen ungefähr bis auf die Linie zwischen Humber und Mersey vorgeschoben, das südlich davon liegende Gebiet konnte als befriedet gelten, mit Ausnahme der Landschaft Wales, die aber durch eine Reihe von Kastellen abgeriegelt war. Römische

Legionslager befanden sich in Glevum (Gloucester), Viroconium (Wroxeter) und Lindum (Lincoln). Unter der Regierung des Vespasian konnten die Römer unter der Führung des Petillius Cerialis (s. S. 277) und des Sex. Julius Frontinus gegen die Völker der Briganten und Silurer Erfolge erringen.

Aber erst mit der Entsendung des Cn. Julius Agricola (im Jahre 77) begann ein neuer Abschnitt der Eroberung Britanniens. Die Römer besetzten die Insel Mona (Anglesey) und verlegten nach schweren Kämpfen gegen die Kaledonier die Reichsgrenze bis an die Tava (Tay). Auf seinem 7. Feldzug (83) schlug Agricola die Gegner am Mons Graupius, nördlich von Clota und Bodotria (Firth of Clyde und Firth of Forth). Durch eine Flottenfahrt um die Nordspitze Schottlands herum stellten die Römer die Inselnatur Britanniens fest. Agricola aber wurde, spätestens im Jahre 84, abberufen. Domitian konnte sich nicht einseitig auf Britannien konze ntrieren, die militärischen Kräfte des Reiches wurden auch an anderen Fronten, insbesondere an der Donau, dringend benötigt. Im übrigen aber standen die Römer im Jahre 85 an den Toren der Highlands in Schottland, die Landschaft Wales war befriedet, in Caerleon (Isca), ehester (Deva), York (Eburacum) und Inchtuthill erhoben sich Legionslager.

Bemerkenswert waren auch die Veränderungen an der Rheingrenze. Der größte Teil der Rheinarmee (sieben Legionen) war nach Beendigung des Aufstands des Julius Civilis durch neue Einheiten ersetzt worden, vier Legionen hatte Vespasian kassiert, eine weitere war an die Donaugrenze verlegt worden. Die zum größten Teil aus Germanen bestehenden Auxilien wurden aufgelöst und durch neue ersetzt, die Hilfstruppen der germanischen Klientelvölker, der Frisen, Brukterer, Tenkterer und anderer, wurden von nun an von römischen Offizieren geführt und in ferne Länder geschickt. Die Legionslager Mainz, Bonn, Neuß und Vetera wurden erneuert, auch Argentorate (Straßburg) wurde neu besetzt. Im Jahre 77/78 führten die

Römer mit einem Aufgebot von insgesamt acht Legionen einen Krieg gegen die Brukterer: das Volk wurde fast ganz ausgerottet, die Seherin Veleda wanderte in römische Gefangenschaft (s. S. 277). Zahlreiche Orte am Mittelrhein erhielten als Besatzung römische Auxilien, unter ihnen Bingen, Boppard, Koblenz, Andernach, Remagen, Asberg und Altkalkar. Bereits im Jahre 73 hatten die Römer einen Vorstoß am Oberrhein geführt, mit dem Ziel, am Rheinknie, auf dem rechten Ufer gegenüber von Basel, ein Vorfeld zu schaffen. Das neugewonnene Gebiet umfaßte zunächst nur einen schmalen Streifen vom Zusammenfluß des Rheins und des Neckars bis etwa nach Kehl, von dort die Kinzig aufwärts zum Oberlauf des Neckars, alsdann über die Rauhe Alb bis hin nach Tuttlingen und von hier zum Ausfluß des Rheins aus dem Bodensee. Dadurch wurde eine unmittelbare Verbindung zwischen Argentorate (Straßburg) und dem westlichen Raetien hergestellt. Das neueroberte Territorium wurde durch eine Reihe von Kastellen gesichert. Zu ihnen gehörten Ladenburg (Lopodunum), Neueriheim, Hockenheim, Baden-Baden (Aquae), Offenburg, Rottweil (Arae Flaviae) und Zurzach. Tacitus (Germania c. 29) nennt dieses Gebiet die decumates agri, der Name ist bis heute noch nicht mit Sicherheit etymologisch geklärt.

Domitian hat die Rheinpolitik seines Vaters fortgesetzt. Größere Erfolge sind ihm jedoch versagt geblieben. Im Jahre 83 siegte er über die Chatten, der Krieg dauerte vielleicht bis zum Jahre 85. Ein weiterer Feldzug des Kaisers steht in Verbindung mit der Erhebung des Antonius Saturninus im Jahre 88. Im Anschluß daran (wahrscheinlich im Jahre 89) wurden die bisherigen Militärdistrikte des exercitus superior und des exercitus inferior in regelrechte Provinzen (Germania Superior et Inferior) umgewandelt. Außerdem wurde die Reichsgrenze im Vorfeld von Mainz und südlich davon beträchtlich vorgeschoben (bis zum Remstal), dazu eine Verbindung mit den decumates agri des Vespasian hergestellt. Im Chattenkrieg waren das Taunus-Gebiet und die Wetterau erobert worden, gegen 90 n. Chr. wurde auch das Odenwaldgebiet in das römische Imperium einbezogen und durch eine vom unteren Main bis zum Remstal verlaufende befestigte Linie gesichert. Auch die Rauhe Alb erhielt einige Kastelle, dazu wurde eine Verbindung mit der Donau (über Faimingen) geschaffen. Weil der Donaustrom keine gute Verteidigungslinie bildete, wurde die Grenze ein Stück nach Norden, auf die Linie Remstal Weißenburg in Franken-Eining, vorverlegt (limes Raeticus). Alle diese Maßnahmen der Flavier - sie sind später durch Hadrian und die Antonine ausgebaut worden - bezeichnen eine neue Phase in der Germanenpolitik der römischen Kaiser. Da man auf die große Lösung, die Unterwerfung der Gebiete zwischen Rhein und Elbe, verzichtet hatte, entschloß man sich zu einer kleinen Lösung. Dadurch ist das Territorium des heutigen Baden-Württemberg und das südliche Bayern in das Imperium Romanum einbezogen worden.

An der unteren Donau waren schon seit Neros Zeit Völkerbewegungen im Gange. Im Prinzipat Neros hatte der Legat von Mösien, Ti. Plautius Silvanus Aelianus (Statthalter von etwa 60-67), einen Aufstand der Sarmaten niedergeworfen und 100000 jenseits der Donau lebende Menschen in seiner Provinz angesiedelt. Auch der Stadt Chersonesus auf der fernen Halbinsel Krim war er bei einer Belagerung durch die Skythen zur Hilfe gekommen. Viel bedeutender als diese Völkerbewegungen aber war die Tatsache, daß sich jenseits der unteren Donau das große Dakerreich des Decebalus gebildet hatte, das den Römern jahrzehntelang schwer zu schaffen machen sollte. Bei einem Einfall der Daker in Mösien (im Jahre 85 oder 86) erlitten die Römer eine Niederlage. Daraufhin erschien Domitian, begleitet von dem Prätorianerpräfekten Cornelius Fuscus, selbst auf dem Kriegsschauplatz (Frühjahr 86). Es gelang zwar, die Daker aus Mösien zu vertreiben,

Cornelius Fuscus aber wurde bei einem Vorstoß ins Dakerland besiegt und fand selbst den Soldatentod. Die Römer suchten sich durch die Anlage einer befestigten Linie vor weiteren Einfallen von jenseits der Donau zu schützen; sie erstreckte sich von einem Punkt nördlich von Cernavoda (Axiopolis) bis hin nach Constantza (Tomi) am Schwarzen Meer. Die entscheidende Kampagne fand im Jahre 88 statt: Decebalus erlitt bei Tapae (in der Nähe von Varhely) eine Niederlage, Sieger war der Römer Tettius Julianus. Doch stellte der Kaiser Domitian den Kampf ein, und zwar, wie es heißt, wegen eines gegen die Quaden und Markomannen erlittenen Mißerfolgs. Mit Decebalus wurde Friede geschlossen, der Dakerkönig mußte zwar die römischen Gefangenen zurückgeben, erhielt aber dafür zahlreiche römische Techniker und Ingenieure zum Wiederaufbau seines Landes. Im Jahre 89 feierte Domitian einen glanzvollen Triumph über Daker und Chatten.

Auch an der mittleren Donau herrschte Unruhe. Die Jazygen vernichteten eine ganze Legion der Römer (XXI Rapax), Domitian selbst weilte in den Jahren 92 und 93 auf dem Kriegsschauplatz. Den Siegerbeinamen Sarmaticus hat er jedoch nicht angenommen; die Urkunden bezeugen jedoch seit 84 den Beinamen Germanicus.

Schon einige Jahre zuvor (86?) war die Provinz Mösien geteilt worden (Moesia Superior et Inferior). In Viminacium begann man mit der Errichtung eines neuen Legionslagers. Am wichtigsten aber war der Bau des Donaulimes, einer gewaltigen Festungslinie, die sich von Turnu Severin (Drobeta) am Südfuß der Transsylvanischen Alpen über Craiova und Plojescht bis in die Gegend von Braila am Donaudelta erstreckte. Hinter dem Donaulimes erhob sich noch eine zweite befestigte Linie, von Kalafat bis in den Raum nördlich von Giurgiu. Das Problem der offenen Donaugrenze war aber damit keineswegs gelöst; auch die Grenzwälle der Römer waren nicht geeignet, den Ansturm der Völker von jenseits der Donau auf die Dauer aufzuhalten. Zu einer Offensive großen Stils aber war Domitian nicht imstande, da die Kräfte des Reiches auch an anderen Stellen benötigt wurden.

Für den Orient war die Zeit der flavischen Dynastie - sieht man von dem jüdischen Aufstand ab - eine Ruhepause. Sie wurde genützt durch den Ausbau der römischen Position im Osten. Seitdem Vespasian im Jahre 75 dem Partherkönig Vologaeses I. seine Hilfe gegen die Alanen verweigert hatte, waren die Beziehungen zwischen Rom und Parthien gespannt. Für Rom war es ein Glück, daß das Partherreich nach dem Tode des Vologaeses I. (um 79 n. Chr.) wieder einmal inneren Wirren anheimfiel. Eine regelrechte Achillesferse des römischen Imperiums war die Ostgrenze Kleinasiens. In ganz Anatolien stand nämlich keine einzige Legion; die gesamte Grenze von Zeugma am Euphrat bis hin zum Schwarzen Meer war der Überwachung durch römische Klientelfürsten anheimgegeben, von denen die Könige von Kommagene und Kleinarmenien die wichtigsten waren. Vespasian hat hier einen neuen Anfang gemacht: beide Klientelstaaten, Kommagene ebenso wie Kleinarmenien, wurden im Jahre 72 annektiert, nach Samosata wurde eine neuformierte Legion (XVI Flavia Firma) gelegt. Kleinarmenien und Galatien wurden zur Provinz Kappadokien geschlagen, in Melitene hielt eine Legion (XII Fulminata) ihren Einzug. Kilikien einerseits und Lykien nebst Pamphylien anderseits wurden eigene kaiserliche Provinzen, Kommagene wurde in Syrien inkorporiert. Der römische Einfluß erstreckte sich unter Vespasian und seinen Nachfolgern bis weit hinein ins Kaukasusgebiet; in Harmozika (Mtzcheth bei Tiflis) lag eine römische Besatzung, und ganz in der Nähe von Baku (in Beiuk- Dagh) ist eine Inschrift eines Centurio der legio XII Fulminata gefunden worden, die in die Zeit des Domitian, genauer zwischen 84 und 96 n. Chr., gehört. Schon vor vielen Jahren hat F. Cumont das Werk der flavischen Kaiser im Osten hoch gepriesen. Mit vollem Recht: was hier von den früheren Kaisern versäumt worden war, das haben die Flavier nachgeholt. Sie haben vor allem auch zahlreiche Straßen und Wege gebaut, die nicht nur für die Truppenbewegungen, sondern auch für den Fernhandel von großer Bedeutung gewesen sind.


7. Das Imperium Romanum unter Nerva und Trajan (96-117 n. Chr.)

M. Cocceius Nerva, der Nachfolger des Domitian, ein Angehöriger der Senatsaristokratie, war bereits 65 Jahre alt, als man ihn zum Kaiser ausrief. Jedermann in Rom wußte, daß sein Prinzipat nur ein Übergang sein konnte. Unter den Flaviern hatte Nerva zweimal das Consulat bekleidet, unter Vespasian im Jahre 71 und unter Domitian im Jahre 90. Sein Regierungsprogramm illustrieren seine Münzen: sie zeigen Nerva im Bürgerkleid, in der Toga, wie er gemeinsam mit dem Genius senatus den Globus hält, die Legende lautet Providentia senatus. Der Groll, der sich gegen das autokratische Regiment des letzten Flaviers angestaut hatte, entlud sich nun in Schmähungen gegen den toten Löwen. Der Senat beschloß die damnatio memoriae Domitians, sein Name wurde in allen öffentlichen Urkunden getilgt, seine Standbilder wurden umgestürzt. Das Volk verhielt sich teilnahmslos oder zum mindesten ruhig, die Prätorianer aber und die Truppen der Donauarmee wurden schwierig, doch stellte ein Donativum des neuen Prinzeps die Lage in Rom wieder her. Im Standlager von Viminacium soll der gefeierte Philosoph Dion Chrysostomos von Prusa für den neuen Prinzeps eingetreten sein. Überhaupt spielte das Militär die erste Rolle, die Prätorianer setzten es sogar durch, daß die an der Ermordung Domitians Beteiligten der Strafe zugeführt wurden, was Nerva nicht zu verhindern vermochte. Auf den Rat seiner Freunde ernannte der Prinzeps den aus Spanien stammenden M. Ulpius Traianus, den Legaten von Germania Superior, zu seinem Nachfolger. Ihm wurde der Titel Caesar, dazu die tribunicia potestas und das imperium proconsulare übertragen; er war von nun an Mitregent und der künftige Nachfolger (Oktober 97). Auch sonst hatte Nerva in seiner kurzen Regierung - sie dauerte nur 16 Monate vielfach eine glückliche Hand. So ist es ihm gelungen, den Staatshaushalt wieder in Ordnung zu bringen, die Requisitionen für den cursus publicus in Italien wurden untersagt, den Juden die drückende Steuer des fiscus ludaicus für den Tempel des Juppiter Capitolinus in Rom erlassen. Von Nerva stammt ferner die Begründung der Alimentationen. Es handelt sich hierbei um Stiftungen für den Unterhalt bedürftiger Kinder, eine Idee, die Nervas Nachfolger, Trajan, in größerem Umfang weitergeführt hat. In Rom wurde das von Domitian begonnene Forum vollendet (Forum Nervae), außerdem die Zufuhr von Wasser in die Hauptstadt verbessert, dabei stand dem Herrscher der Consular Sex. Julius Frontinus zur Seite. Nerva starb am 27. Januar 98.

In der Person des M. Ulpius Traianus bestieg der erste Römer aus Spanien den Thron der Cäsaren. Er stammte aus Italica in der Provinz Baetica. Als er das Prinzipat übernahm, war er 45 Jahre alt. Schon sein Vater gleichen Namens hatte unter Nero und Vespasian eine glänzende Laufbahn zurückgelegt, er war nicht nur Legat von Syrien, sondern auch Proconsul von Asia gewesen. Trajan aber war vor allem Offizier, seiner militärischen Tüchtigkeit verdankte er seinen Aufstieg, der ihn unter Domitian (im Jahre 91) bis zum Consulat geführt hatte. Schon Montesquieu hat Trajan außerordentlich günstig beurteilt, mit vollem Recht. Trajan ist zweifellos eine der glänzendsten Kaisergestalten des ganzen römischen Prinzipats: er war nicht nur ein furchtloser und umsichtiger Feldherr, sondern auch ein Administrator hoher Qualität, wie dies seine in lapidarem Imperatorenstil verfaßten Antwortschreiben an den Jüngeren Plinius beweisen. Der Senat verlieh ihm den Titel Optimus. In Erinnerung an sein Vorbild wurden die Kaiser in späteren Jahrhunderten mit «felicior Augusto, melior Traiano» akklamiert. In seiner Frau Plotina stand ihm eine würdige Kaiserin zur Seite. Zunächst wurde Trajan noch an der Rheingrenze festgehalten, die Botschaft vom Ableben des Nerva, seines Adoptivvaters, hatte er in Köln entgegengenommen. Sie war ihm von Hadrian, seinem späteren Nachfolger, überbracht worden. Von Trajans Wirken am Rhein sind so manche Spuren zurückgeblieben. Trajan hatte den von Domitian errichteten Limes verstärken lassen, zur Verbesserung der strategischen Verbindungen hatten Neubauten von Straßen beigetragen. Die von Mainz über Baden-Baden und Offenburg zur Donau führende Straße war unter ihm fertiggestellt worden, ebenso die Verbindung zwischen Mainz-Köln-Vetera- Nymwegen. Außerdem hatte er die Kolonien Ulpia Traiana (Xanten) und Ulpia Noviomagus (Nymwegen) gegründet. Überhaupt hat sich Trajan von Anfang an um die kulturelle Hebung, insbesondere aber um die Urbanisierung der neugewonnenen Gebiete, und hier vor allem der Landschaft am rechten Ufer des Oberrheins, bemüht. Die Lage an der Rheingrenze war seitdem vollständig konsolidiert, das Rheinheer konnte auf vier Legionen reduziert, das Legions lager von Neuß (Novaesium) sehr bald aufgelassen werden (105 n. Chr.). Nach einem kürzeren Aufenthalt an der oberen Donau und in Raetien im Winter 98/99 traf der Prinzeps Anfang 99 in Rom ein, das ihm einen triumphalen Empfang bereitete.

Während seiner ganzen Regierung hat sich Trajan zum Vorrang der Außenpolitik bekannt. Diese Einstellung entsprach ebenso seinem Temperament wie seinen großen Fähigkeiten. Trajan ist der erste große Eroberer seit den Tagen des Julius Caesar, als erster ist er über die von Augustus geschaffenen künstlichen Stromgrenzen des Imperiums hinweggeschritten. Seine Aufmerksamkeit war vor allem auf zwei Probleme gerichtet: auf das Problem der Donaugrenze und auf die Frage der Ostgrenze des Reiches in Syrien. Trajan hatte sich entschlossen, zur Offensive überzugehen. Dieser Idee sind die Kriege gegen die Daker (101-106) und gegen die Parther (113 117) entsprungen. Um die Kriegspläne durchzuführen, benötigte Trajan nicht nur eine schlagkräftige Armee, sondern auch einen fähigen Generalstab, der imstande war, die großen neuen

Aufgaben zu meistern. Trajan hatte das Glück, eine Reihe von bedeutenden militärischen Helfern zu finden. Zu ihnen gehörte L. Licinius Sura, der ebenso wie der Prinzeps aus Spanien (Hispania Tarraconensis) stammte, Sura hat sich auf den dakischen Feldzügen wiederholt ausgezeichnet, der Senat hat ihm sogar die ornamenta triumphalia verliehen. Er war mit Hadrian befreundet und hat diesem den Weg auf den Kaiserthron geebnet. Auf den dakischen Feldzügen diente er als comes des Kaisers, an der Paraphierung des endgültigen Friedens mit Decebalus war er beteiligt. Neben Licinius Sura standen vier ausgezeichnete Truppenführer: Lusius Quietus, Cornelius Palma, Marcius Turbo und Hadrian. Lusius Quietus war ein brillanter Reiterführer, in gleicher Weise bewährt im Kampf gegen Daker und Parther. Später erhielt er den Auftrag, den Aufstand der Juden niederzuwerfen, schließlich bekleidete er das Amt eines Statthalters der Provinz Judäa. A. Cornelius Palma hat das arabische Nabatäerland in eine römische Provinz (Arabia) umgewandelt (106). Ebenso wie dem Licinius Sura ist auch ihm eine Statue auf dem Forum Traiani in Rom zuerkannt worden. Q. Marcius Turbo, ein römischer Ritter, war ein enger Freund des Prinzeps. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine Tätigkeit in Ägypten, wo er den Judenaufstand niedergeworfen hat. P. Aelius Hadrianus hat als comes des Trajan im Dakerkriege gedient, unter ihm ist er bis zum Legaten von Syrien aufgestiegen, d. h. zu einer der wichtigsten Stellungen, die der Prinzeps überhaupt zu vergeben hatte.

Das Heer hat Trajan beträchtlich vergrößert, zwei Legionen (II Traiana, XXX Ulpia) sind bald nach dem Beginn des Dakerkrieges neu geschaffen worden, außerdem zahlreiche Kohorten und Alen, auch die Prätorianertruppe wurde um eine Kohorte vermehrt, endlich hat sich Trajan mit einer Leibwache, den equites singulares, umgeben; es waren dies hauptsächlich Germanen (Bataver u. a.).

Im Jahre 101 war alles zum Kriege gegen die Daker bereit.

Das Ziel der Operation war die Besetzung der natürlichen Bastion von Transsylvanien. Wer diese in der Hand hatte, der besaß gegen die Angriffe der Barbaren von außen her einen festen Rückhalt, eine Position, die auf jeden Fall viel leichter zu verteidigen war als die Donaulinie, die sich mehrfach als eine Grenze von höchst zweifelhaftem Wert erwiesen hatte. Nicht weniger als 11 Legionen, dazu noch Vexillationen und eine Anzahl von selbständigen Kohorten und Alen, hatte der Kaiser für den Feldzug zusammengezogen, im ganzen etwa 100000 Mann. Es war das größte militärische Unternehmen seit den Schlachten der Bürgerkriege.

Die Daker, ein thrakischer, mit den Geten verwandter Stamm, hatten früher ihre Wohnsitze in dem weiten Raum zwischen dem Donauknie und dem Schwarzen Meer innegehabt, sie waren aber durch die Jazygen über die Theiß nach dem Osten zurückgedrängt worden. Das Zentrum der Daker war Siebenbürgen, doch beherrschten sie auch die angrenzenden Landschaften, das Banat, die Walachei und die Moldau. Für die Ansiedlungen der Daker sind die Namen auf ava charakteristisch. Durch die Vermittlung Makedoniens hatten die Daker schon in hellenistischer Zeit den Anschluß an die griechische Kultur gefunden, dies zeigt insbesondere ihre Münzprägung, die makedonische Vorbilder nachahmt. Wie bei den Kelten, so stand auch bei den Dakern die Priesterschaft in hohen Ehren. Die Stände waren scharf voneinander geschieden, auf der einen Seite der Adel (pilleati), auf der anderen Seite die niedere Bevölkerung (capillati). Es ist der Reichtum des Dakerlandes an Gold, Erz und Salz gewesen, der die Römer zur Eroberung veranlaßt hat. Die Daker betrieben vor allem im siebenbürgischen Erzgebirge einen ertragreichen Bergbau, schon Herodot (IV 104) erwähnt die goldbringenden Agathyrsen. Im ganzen hatte das Land eine feudale Struktur, die großen Grundherrn wohnten in festen Burgen inmitten eines ausgedehnten Landbesitzes. Im übrigen aber war die

Herrenschicht alles andere als völkisch einheitlich, sie war vielmehr vermischt mit Skythen und Kelten. Von der königlichen Gewalt versuchten sich die Feudalherren, auch reguli genannt, möglichst unabhängig zu machen. Das Volk lebte in Hütten aus Lehm und Holz. Charakteristisch ist der um die Häuser errichtete Palisadenzaun. Die Dörfer waren offene Siedlungen. Das dakische Reich war eine Gründung des Decebalus. Dieser Herrscher und sein Vorgänger Diurpaneus hatten die auseinanderstrebenden Teile seit den Zeiten des Byrebistas wieder zusammengezwungen. Seit dem Frieden mit Domitian (89) war Decebalus ein römischer Klientelfürst, mit Hilfe römischer Techniker hatte er nicht nur die Hilfsquellen des Landes erschlossen, sondern sich auch auf eine neue kriegerische Auseinandersetzung vorbereitet.

Welchen besonderen Kriegsgrund Trajan geltend gemacht hat, ist unbekannt. Der Krieg begann jedenfalls im Frühsommer 101 (am 25. März des Jahres war der Kaiser in Rom feierlich verabschiedet worden). Der erste Stoß der Römer erfolgte auf der Einfallsstraße durch das Banat, vorbei an den westlichen Ausläufern der transsylvanischen Alpen, in das Tal der Temesch und der Bistra. Ausgangspunkt war offenbar Lederata an der Donau. Das Ziel aber war die Eroberung der dakischen Hauptstadt Sarmizegetusa (bei Varhely). Die Daker stellten sich zunächst nicht zum Kampf, der Bilderfries der Trajanssäule zeigt verlassene Burgen und vernichtete Saaten auf den Feldern. In einem Treffen bei Tapae (westlich des Eiserntorpasses im Tal der Bistra) erlitten die Römer schwere Verluste, für den Rest des Jahres 101 hat sich Trajan mit der Eroberung des Banats begnügen müssen. Bereits im Winter (101/02) konnte Decebalus zum Gegenschlag ausholen: im Bunde mit den Roxolanen fiel er von der Moldauebene aus in die Provinz Moesia Inferior ein. Die Römer antworteten im Jahre 102 mit einem Vorstoß, der die Aluta aufwärts durch den Roten Turmpaß gegen Rimnicu- Hermannstadt gerichtet war. Zwischen Hermannstadt und

Apulum (Karlsberg) aber liegen die Mühlbach-Berge mit vielen dakischen Burgen, von denen die Römer eine Anzahl zu erobern vermochten. Von dem Angriff der Römer zeugt wahrscheinlich der große Münzfund von Muncel Cetata, dessen Hauptmasse aus domitianischer Zeit stammt. Möglicherweise hatten die Römer durch einen Angriff vom Banat aus Decebalus in die Zange genommen, genug, der König hatte zweimal versucht, mit den Römern Friedensverhandlungen aufzunehmen, schließlich blieb ihm nur noch die Kapitulation übrig. Sie fand nördlich von Sarmizegetusa, in Kis Kalan, statt, die Szene ist auf der Trajanssäule dargestellt. Die Bedingungen waren verhältnismäßig milde: Decebalus mußte sich verpflichten, die Befestigungen zu schleifen, die Gefangenen und Überläufer auszuliefern. Die römischen Eroberungen im Banat wurden zur Provinz Moesia Superior geschlagen. Gegen Ende des Jahres 102 nahm Trajan den Beinamen Dacicus an.

Am 4. Juni 105 begab sich der Kaiser Trajan zum zweitenmal an die Donaufront. Angeblich hatte sich Decebalus Vertragsverletzungen zuschulden kommen lassen, die Lager der römischen Besatzungen in Dakien waren zerstört worden, die Soldaten in die Gefangenschaft gewandert. Die Kämpfe des Jahres 105 fanden in Moesien statt, dies zeigt, daß die Daker die Angreifer waren, vielleicht war das Ziel ihrer Operationen die Eroberung der Griechenstädte am Schwarzen Meer. Erst im Jahre 106 begann der römische Angriffskrieg großen Stils. Die Römer überschritten die Donaubrücke, die der Baumeister Apollodor von Damaskus bei Drobeta (Turnu Severin) in den Jahren von 102 bis 105 errichtet hatte. Wiederum sah sich Decebalus vom Westen und vom Osten her bedroht, die Römer erzwangen den Durchgang durch den Eiserntorpaß und durch den Surdukpaß, Sarmizegetusa fiel in römische Hand (Sommer 106), Decebalus gab sich selbst den Tod.

Die Römer machten dieses Mal in Dakien ganze Arbeit. Große Teile der Bevölkerung wurden umgesiedelt, zahlreiche

Daker als Gefangene nach Italien verschleppt, wo sie die Zahl der Sklaven und Gladiatoren vermehrten. In das Land strömten viele Fremde, vor allem Dalmater (Pirusten), die im Bergbau ihr Unterkommen fanden. Auch zahlreiche Kaufleute aus den griechischen Ländern und aus dem Orient ließen sich in Dakien nieder, sie brachten eine große Zahl fremder Göttergestalten mit in die neue Provinz. Der alte Hauptort wurde, wenn auch nicht an genau der gleichen Stelle, unter dem Namen Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica Sarmizegetusa metropolis neugegründet. Die Ostgrenze der dakischen Provinz bildete die Aluta (Olt), die östliche Walachei und die südliche Moldau wurden der Provinz Moesia Inferior attribuiert. Im Jahre 109 weihte man dem Mars Ultor in der Dobrudscha das große Monument von Adamklissi. Nicht weit von dieser Stätte erhob sich die neue Gründung Tropaeum Traiani. Dakien selbst erhielt Besatzungstruppen, im Jahre 120 sind hier sogar palmyrenische Bogenschützen (Palmyreni sagittarii ex Syria) bezeugt. An der Donau zwischen Vindobona (Wien) und der Mündung in das Schwarze Meer erhoben sich nun neun Legionslager, in Pannonia Superior: Vindobona, Carnuntum, Brigetio, in Pannonia Inferior: Aquincum, in Moesia Superior: Singidunum (Belgrad) und Viminacium (Kostolatz), in Moesia Inferior: Novae (Steklen bei Swistow), Durostorum (Silistria) und Troesmis (Iglitza). Damit war das Donauheer zum stärksten im ganzen Imperium geworden, Trajan aber hatte die von seiten der Barbaren drohende Gefahr erkannt, er suchte ihr durch Grenzbefestigungen und durch die Aufreihung von starken Truppenverbänden an der Donaugrenze zu begegnen.

Die Annexion des Nabatäerlandes und der Partherkrieg des Trajan: Im Jahre 106 hatte A. Cornelius Palma, der Legat von Syrien, das Nabatäerland in eine römische Provinz mit Namen Arabia umgewandelt. Die römischen Münzen feiern das Ereignis durch die Legende Arabia adquisita. Sowohl aus militärischen wie besonders auch aus handelspolitischen

Gründen war die Erwerbung vom römischen Standpunkt aus zu rechtfertigen. Die Römer hatten damit nicht nur den Großteil der Halbinsel Sinai annektiert, sie hielten jetzt auch den Golf von Akaba unter Kontrolle, der für den Handel mit Indien eine gewisse Rolle spielte. Im übrigen hatten die Nabatäer längst Anschluß an die hellenistische Weltkultur gefunden, die Verwaltung des Nabatäerreiches zeigt typisch hellenistische Züge, vor allem auch in der Institution der Strategie. Hauptstadt blieb das alte Petra, berühmt durch seine Felsenbauten mit einer eigenartigen, aus arabischen und hellenistischen Elementen zusammengesetzten Architektur. Im äußersten Norden der neuen Provinz, in Bostra, wurde ein Legionslager errichtet. Von größter Bedeutung aber war die Kunststraße, erbaut bald nach der Annexion des Nabatäerlandes durch die Römer. Sie verband Damaskus mit der Stadt Ailana am Golf von Akaba. Durch die Anlage eines Limes wurde sie vor dem Eindringen der Araber aus Mesopotamien geschützt. In Ailana stationierten die Römer eine Flottenabteilung, nicht durch Zufall erscheint bereits im Jahre 107 eine indische Gesandtschaft in Rom.

Zwischen Rom und dem Partherreich hatten sich während der dakischen Kriege Spannungen ergeben, die Parther waren - wahrscheinlich über Südrußland - in Verbindung mit Decebalus getreten. Der Krieg zwischen Rom und Parthien (113-117) entzündete sich an der armenischen Frage. In Armenien war der römische Vasallenkönig Tiridates auf Anstiften des parthischen Großkönigs Chosroes (oder Osroes) vertrieben worden (um 110), an seiner Stelle hatte Exedares, der Sohn des eben verstorbenen parthischen Großkönigs Pacorus, den Thron bestiegen. Rom hatte damit die Kontrolle über den wichtigen armenischen Pufferstaat verloren, seit 113 herrschte zwischen Rom und Parthien Kriegszustand. Die Überlieferung über die große Auseinandersetzung zwischen Rom und Parthien ist jedoch außerordentlich dürftig, nicht einmal die Chronologie ist in den Grundzügen gesichert.

Trajan verließ im Herbst 113 die Hauptstadt. Der Partherkönig Chosroes versuchte, das Unheil abzuwenden, doch ließ sich Trajan auf die parthischen Vorschläge nicht ein. In seinem Hauptquartier Antiocheia in Syrien traf der Prinzeps die letzten Vorbereitungen für den Krieg, im Frühjahr 114 wurde er eröffnet, und zwar durch einen römischen Angriff im Gebiet des oberen Euphrats. Trajan hatte zahlreiche Bundesgenossen im Orient gefunden; so hatten sich ihm die Herrscher von Iberien und Kolchis, dazu die Könige der Bosporaner und Sauromaten zur Verfügung gestellt. Mit dem König von Armenien Parthamasiris traf der Prinzeps selbst zusammen, der Herrscher, Sohn des Pacorus, aber fand den Tod unter den Streichen des römischen Begleitkommandos. Armenien wurde, zusammen mit Kleinarmenien und Kappadokien, als römische Provinz organisiert, sie erhielt L. Catilius Severus als Statthalter (Sommer 114). Die Eroberung des nordwestlichen Zweistromlandes (entweder noch im Jahre 114 oder erst 115) war der nächste Erfolg der Römer. Im Winter 115/16 prägte man in Rom Münzen mit der Aufschrift Armenia et Mesopotamia in potestatem p. R. redactae. Die römischen Fortschritte werden verständlich, wenn man weiß, daß das Partherreich nicht nur durch Aufstände in den westlichen Grenzprovinzen, sondern auch durch Unruhen in der Persis und Elymais erschüttert wurde.

Der römische Feldzug des Jahres 116 richtete sich gegen die Kernlandschaften des Partherreiches: Trajan zog als Sieger in die parthische Hauptstadt Ktesiphon ein, der goldene Thronsessel der Arsakiden fiel in seine Hand, unter den Gefangenen war auch eine der Töchter des Großkönigs. In Rom herrschte größter Jubel, man wähnte die Macht der Parther vernichtet. Trajan aber bildete aus den parthischen Landschaften des oberen Zweistromlandes die Provinz Assyria. Gegen Ende des Jahres 116 fuhr der Sieger den Tigrisstrom hinab bis zu seiner Mündung. In die Fußtapfen Alexanders zu treten fühlte sich Trajan nicht mehr jung genug (er war schon ein Sechziger): «Wäre ich jung, so wäre ich auch nach Indien gezogen», soll er gesagt haben. Der König Attambelus von Charakene wurde unter die Zahl der römischen Vasallenkönige aufgenommen. Charakene aber war eine wichtige Zwischenstation für den Überseehandel mit Indien. Damit war der Höhepunkt des Krieges erreicht. Als Trajan nach Babylon zurückkehrte, erhielt er Nachrichten über den Ausbruch einer Revolte in Osrhoene. Auch die Parther erschienen wieder im Felde, sie ergriffen die Offensive gegen Mesopotamien und Armenien. Bei den Kämpfen im nördlichen Zweistromland hat sich auf römischer Seite vor allem Lusius Quietus ausgezeichnet. Die Römer konnten offenbar einen Teil Mesopotamiens behaupten, in Ktesiphon erhob Trajan einen abtrünnigen Sohn des Partherkönigs mit Namen Parthamaspates zum König der Parther von Roms Gnaden. In Rom wurde das Ereignis durch die Prägung von Münzen mit der Legende rex Parthis datus gefeiert. Jedoch brach die Herrschaft des Schattenkönigs nach dem Abzug der Römer wieder zusammen. Auch die Belagerung der Wüstenfestung Hatra durch Trajan führte nicht zum Ziel. Doch hat Trajan die Eroberungen im Zweistromland wahrscheinlich behauptet, vielleicht mit Ausnahme der Gebiete um Ktesiphon und Seleukeia am Tigris. Die Gesundheit des Kaisers aber war erschüttert, im Juli 117 verließ Trajan das Hauptquartier Antiocheia mit der Absicht, nach Rom zurückzukehren, in dem kleinen kilikischen Ort Selinus ereilte ihn jedoch der Tod (9. August 117).

Schon vorher aber war im Vorderen Orient der große Judenaufstand ausgebrochen (115 oder 116), zuerst in Kyrene, wo ein Mann namens Andreas (oder Lukuas) der Anführer war. Die Bewegung aber fand nicht nur in Syrien und vor allem auf der Insel Cypern reiche Nahrung. Die Frage, ob der Aufstand der Juden mit dem Wiederaufleben des parthischen Widerstandes gegen die Römer in Verbindung zu bringen ist, läßt sich noch nicht beantworten. In Ägypten ergriffen die Römer unter Q. Marcius Turbo scharfe Gegenmaßnahmen, sogar die Einwohnerwehr wurde gegen die Juden mobilisiert, die Papyri berichten von Waffenkäufen des Gaustrategen von Koptos. Auch in Mesopotamien und in Judäa rührten sich die Juden, sie fanden aber in Lusius Quietus einen entschlossenen Gegner, er hat die Revolte mit eiserner Faust niedergeschlagen. Beim Tode Trajans war die Lage im Osten einigermaßen wiederhergestellt.

Trajan war nicht nur ein großer Feldherr, der größte, den Rom seit Julius Caesar hervorgebracht hatte -, auch für den inneren Ausbau des Reiches hat er Vorbildliches geleistet. Sein Name findet sich auf zahlreichen Meilensteinen, sie bezeugen, daß sich Trajan nach Kräften um den Ausbau und die Erhaltung des römischen Straßennetzes bemüht hat. In Italien hat er nicht nur an der Via Appia (zwischen Forum Appii und Terracina), sondern auch an der Via Salaria und an der Via Latina gebaut. Erst der Ausbau der Straße zwischen Benevent und Brindisi schuf eine leistungsfähige Verkehrsader zwischen der Hauptstadt und der wichtigsten unteritalischen Hafenstadt (Via Traiana). An das Werk des Kaisers Claudius knüpfte Trajan in Ostia an, in der Nähe der Stadt entstand der (Portus Traiani), vor allem zur Versorgung Roms. Auch in Centumcellae (Civitavecchia) und in Ancona hat Trajan Bauten errichtet. Ein Prachtstück der trajanischen Baukunst aber ist die Brücke über den Tajo in Alcantara (105), das Gegenstück zu der großen Donaubrücke des Apollodor von Turnu Severin (s. S. 291). In Ägypten hat Trajan den alten Kanal zwischen dem Nil und dem Roten Meer wiederherstellen lassen, er führte von nun an den Namen fossa Traiana.

Zahlreich sind die Beispiele privater Stiftungen, die aus der Zeit Trajans überliefert sind. So schenkte Plinius der Jüngere seiner Heimatstadt Como eine Bibliothek. In Caere wurde eine schola (phetrium) für die Augustales errichtet, der Spender war

ein Freigelassener des Kaisers namens M. Ulpius Vesbinus.

Die ungeheure Kriegsbeute hat den Prinzeps in den Stand gesetzt, die stadtrömische Plebs mit reichen Spenden (congiaria) zu überschütten. Jeder empfangsberechtigte Bürger hat insgesamt 650 Denare erhalten. Dies aber war eine nicht ungefährliche Entwicklung, sie hat alles andere als wirklichen Nutzen gestiftet. Die Zahl der Gladiatoren wuchs unter dem Kaiser ins Gewaltige: bei den Spielen des Jahres 107 sollen ihrer nicht weniger als 10000 aufgetreten sein. Die Beutezahlen der dakischen Kriege sind geradezu überwältigend. So soll Trajan aus Dakien nicht weniger als 5 Millionen Pfund Gold und 10 Millionen Pfund Silber, dazu mehr als eine halbe Million Kriegsgefangene eingebracht haben.

Vorbildlich waren die Leistungen des Kaisers auf dem Gebiet der Provinzialverwaltung. In dem 10. Buch der Briefsammlung des Jüngeren Plinius ist eine wertvolle authentische Quellensammlung erhalten; die Antwortschreiben Trajans, gehalten in vorbildlich präziser Diktion, zeigen einen zielbewußten, wohlwollenden Herrscher, der nicht müde wird, sich auch mit ganz nebensächlichen Angelegenheiten der Verwaltung zu beschäftigen. Plinius der Jüngere war (entweder im Jahre 110 oder 111) als legatus pro praetore in die Provinz Bithynia et Pontus gesandt worden, die damit zeitweise aus der Verwaltung des Senats in die des Prinzeps überging. Der Grund für die Entsendung des Jüngeren Plinius aber war die finanzielle Misere der Gemeinden. In der Korrespondenz des Plinius findet sich die Antwort Trajans über die Behandlung der Christen, sie ist geradezu von welthistorischer Bedeutung. Der Brief des Plinius (ep. X 96) zeigt, daß mehrfach Christen beim Statthalter angezeigt worden waren, daß Plinius aber keine Instruktionen besessen hatte, wie gegen die Christen zu verfahren sei. Insbesondere war es zweifelhaft, ob allein schon die Zugehörigkeit zum Christentum (nomen Christianum) strafwürdig sei oder die Verbrechen, die den Christen angedichtet wurden. Plinius hatte die Praxis befolgt, daß er diejenigen, welche das Opfer für den Kaiser verweigerten, (mit dem Tode) bestrafte, während er die übrigen straflos ausgehen ließ. In seinem Antwortschreiben (ep. X 97) hat Trajan dieses Verfahren im wesentlichen gebilligt, allerdings mit der Einschränkung, daß anonyme Anzeigen in keiner Weise berücksichtigt werden sollten: nam pessimi exempli nec nostri saeculi est. Die Christen sollten nicht aufgespürt werden (conquirendi non sunt); wer aber des Christentums überführt sei, solle (mit dem Tode) bestraft werden. Wer dagegen opfere, sei zu begnadigen. Natürlich war Trajans Anordnung auch für die Statthalter der anderen Provinzen verbindlich. War sie glücklich? Für die Christen bedeutete sie - wegen des Verbots anonymer Anzeigen zunächst eine gewisse Verbesserung ihrer Lage, zumal jedes präventive Verfahren des Staates in Fortfall kam. Aber Trajans Reskript hatte auch seine Schattenseiten: es belohnte die Schwachen und Feigen, während die Standhaften die volle Härte des römischen Strafrechts zu spüren bekamen. Die christlichen Apologeten, unter ihnen vor allem Tertullian, haben später, von ihrem Standpunkt aus mit vollem Recht, an dem Vorgehen Trajans Kritik geübt. Der Staat schlug jeglicher Toleranz, die er bisher gegenüber den fremden Religionen in so hohem Maße bewiesen hatte, ins Gesicht. Und was hatte es für einen Sinn, die römischen Staatsgötter durch erzwungene Opferhandlungen verehren zu lassen? Trajan war ein weitsichtiger Herrscher, einen wirklich gangbaren Ausweg aus dem Dilemma hatte er jedoch nicht gefunden. Das Christentum und der christliche Glaube lagen ihm so fern wie eine andere Welt. Die Christen und der römische Staat lebten auf verschiedener Ebene: die Worte Christi «Mein Reich ist nicht von dieser Welt» und die Visionen der Offenbarung des Johannes zeigen, wie man im jungen Christentum vom römischen Staate dachte. Von Ignatius von Antiochien sind Briefe erhalten, in denen er sich nach dem Märtyrertod sehnt.

Unter Trajan ist er den Tod des Märtyrers gestorben. - Unter Trajan zeigen sich die ersten Anzeichen für einen Aufstieg des Ritterstandes in der Reichsverwaltung. Die Neuschaffung zahlreicher Prokuratorenstellen ist hierfür charakteristisch. In drei Rangstufen, als ducenarii, centenarii und sexagenarii eingeteilt, gemäß dem Gehalt von 200000, 100000 und 60000 Sesterzen, erscheinen die Ritter vor allem in der Stellung des a rationibus, des procurator patrimonii und des procurator monetae, um nur einige der wichtigsten Ämter zu nennen. Auch der Historiker und Biograph C. Suetonius Tranquillus gehörte zu den Prokuratoren, er führte den Titel a studiis und a bybliothecis. Die Beförderung Suetons, ohne daß er die hierfür vorgeschriebene militia equestris durchlaufen hatte, ist wohl als Anerkennung seiner schriftstellerischen Leistung anzusehen.

Die humanitären Züge der trajanischen Regierung zeigen sich vor allem auf dem Gebiet der Innenpolitik, und hier insbesondere in den alimentationes. Sie wurden durch Beauftragte des Prinzeps aus dem Ritterstand überwacht (praefecti alimentorum). Zu den Empfängern der alimentationes gehörten die Besitzer landwirtschaftlicher Anwesen, sie waren verpflichtet, Zinsen für das ihnen zur Verfügung gestellte Kapital zu entrichten, die Zinsen aber pflegten als Erziehungsbeihilfen für Kinder verwandt zu werden. Die reiche Kriegsbeute, insbesondere aus Dakien, aber auch die Reorganisation des Zollwesens hat dem Reich beträchtliche Einnahmen zugeführt, ein Zustand, der die Freigebigkeit des Prinzeps in der Verleihung von Privilegien und Immunitäten verständlich macht. Bei Trajans Tod war das Reich im Inneren gefestigt, die orientalische Frage aber war nicht gelöst.


8. Kaiser Hadrian und die griechische Renaissance (117-138 n. Chr.)

P. Aelius Hadrianus, geboren am 24. Januar 76, stammte ebenso wie sein Vorgänger auf dem Kaiserthron aus der Stadt Italica bei Sevilla. Seine Familie war seit Generationen hoch angesehen, bereits der fünfte Vorfahr war Senator gewesen. Die Familien Hadrians und Trajans waren miteinander verwandt und befreundet. Hadrians Vater war ein Vetter Trajans, dieser hatte bei Hadrian nach dem Tode seines Vaters die Stelle des Vormundes vertreten. Die Laufbahn führte Hadrian durch zahlreiche Provinzen des Reiches, durch Pannonien, Moesien und Germanien. An den Dakerkriegen hatte er mit Auszeichnung teilgenommen, im ersten Dakerkriege als comes, im zweiten als legatus legionis I Minerviae. Über die Prätur (106) stieg er im übernächsten Jahr zum kaiserlichen Statthalter der Provinz Pannonia Inferior auf, im gleichen Jahr (108) erlangte er das Consulat. Seine Vorliebe für das Griechentum und die griechische Kultur muß Hadrian schon früh an den Tag gelegt haben, denn bereits im Jahre 112 wählten ihn die Athener zum Archon:man konnte bei ihm, dem Verwandten des Prinzeps, nicht nur ein wohlwollendes Interesse, sondern auch eine tätige Förderung der Stadt Athen erwarten. Als Trajan den Krieg gegen die Parther einstellen mußte, übertrug er dem Hadrian den wichtigsten Posten, den er damals zu vergeben hatte: die Statthalterschaft der Provinz Syrien und das Kommando über die im Osten stehenden Legionen. Auf seinem letzten Lager in Selinus in Kilikien soll der Prinzeps seinen Schützling Hadrian adoptiert und damit zum Nachfolger bestimmt haben. Ob die Adoption historisch ist, ist seit dem Altertum umstritten. Da Hadrian in den Personen der Plotina, der Gattin des Trajan, und in dem praefectus praetorio Acilius Attianus wichtige Fürsprecher in der engsten Umgebung des

Prinzeps besaß, ist die Adoption an sich nicht unwahrscheinlich. Hadrian erhielt die wichtige Nachricht am 9. August in Antiocheia, am 11. August folgte die Kunde vom Tode Trajans. Dieser Tag ist der dies imperii Hadrians. Das erste Ereignis des neuen Prinzipats war die Verschwörung der Consulare. Es waren dies vier hoch angesehene Generäle, A. Cornelius Palma, Lusius Quietus, L. Publilius Celsus und C. Avidius Nigrinus. Ohne, wie es heißt, die Instruktionen Hadrians abzuwarten, ließ der Senat diese vier hinrichten. Die Verschwörung als solche ist übrigens sehr zweifelhaft; es sieht vielmehr so aus, als ob sich Hadrian seiner Konkurrenten entledigt hätte. Als Prinzeps zeigte sich Hadrian außerordentlich gemäßigt, zu allem Anfang entschuldigte er sich, daß er die Herrschaft auf Drängen des Heeres übernommen habe, ohne die Entscheidung des Senats hierüber abzuwarten. Der Senat war entzückt über den konstitutionellen Kaiser und verlieh ihm den Ehrentitel pater patriae; Hadrian hat diesen Titel allerdings erst seit dem Jahre 128 offiziell geführt. Vor dem Senat leistete er den feierlichen Eid, er werde niemals einen Senator bestrafen, es sei denn auf Verlangen der hohen Körperschaft selbst.

Hadrian war eine problematische Persönlichkeit. Ausgestattet mit reichen geistigen Gaben, verfügte er über ein weites enzyklopädisches Wissen, vor allem in der Literatur und in den verschiedensten Künsten. Dazu pflegte er seine philosophischen Interessen, wobei seine stoischen Neigungen unverkennbar waren. Sein literarischer Geschmack war jedoch nicht sicher, sondern seltsam verbildet, ebenso wie sein Zeitgenosse Fronto war Hadrian ein ausgesprochener Archaist, so stellte er Cato über Cicero, Ennius über Vergil. Der Prinzeps ist nicht nur als Verfasser von lateinischen und griechischen Gedichten hervorgetreten, er hatte auch bemerkenswerte Kenntnisse auf dem Gebiet der Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Medizin, dazu dilettierte er als Maler, Architekt, Bildhauer und Musiker. Doch fehlte ihm der eigentliche Mittelpunkt seines

Schaffens, auf manchen Gebieten blieben seine Kenntnisse oberflächlich, wirklich Großes hat er in Kunst und Wissenschaft nicht erreicht. Ein ganz besonders reges Interesse zeigte er für die geschichtliche Vergangenheit: auf seinen Reisen ließ er keine Gelegenheit vorübergehen, historische Stätten und die Gräber großer Persönlichkeiten aufzusuchen. Besonders ausgeprägt war auch sein Naturgefühl. So hat er beispielsweise den Aetna und den Mons Casius (in Syrien) bestiegen, um den Sonnenaufgang zu erleben. Er hörte den Koloß des Memnon (in Wirklichkeit das Sitzbild des Amenophis III. aus der XVIII. Dynastie) bei Theben ertönen. Auch die Mysterien von Eleusis haben ihn wiederholt beschäftigt. Mit einer spröden und wenig liebenswürdigen Frau (Vibia Sabina) verheiratet, wandte er seine Liebe dem bithynischen Knaben Antinoos zu. Als dieser mit 20 Jahren vor seinen Augen im Nil ertrank (130 n. Chr.), gründete der Prinzeps zu seinem Gedächtnis die Stadt Antinoopolis. Mit dem Andenken des Toten hat Hadrian einen unvorstellbaren Kult getrieben; Antinoos wurde, in Übereinstimmung mit den henotheistischen Bestrebungen der Zeit, mit zahlreichen Göttergestalten gleichgesetzt, es wurden ihm Tempel und Bildsäulen errichtet, seine Gestalt wurde immer wieder in Erz und Stein nachgebildet.

Hadrians Regierung erhält ihre Prägung durch die ausgedehnten Reisen des Prinzeps. Es sind vor allem zwei größere Reisen, die eine in den Jahren von 121 bis 125, die andere von 128 bis 132 (oder 133). Dazwischen liegt ein kürzerer Abstecher des Kaisers nach Afrika (128). Von den 21 Jahren seiner Regierung hat er nahezu die Hälfte, zehn Jahre, auf Reisen, fern von Rom, verbracht. Die Vorgänger auf dem Kaiserthron waren in der Regel nur gereist, wenn sie sich durch kriegerische Ereignisse dazu gezwungen sahen, Hadrian aber reiste aus Passion. Die erste große Reise begann der Kaiser in Gallien, von dort begab er sich an die Rheingrenze. Hier hat er den von Domitian begonnenen und von Trajan fortgeführten

Limes vollendet. In Britannien wurde im Jahre 122 unter seinen Augen mit der Errichtung des Hadrianswalles (vallum Hadriani) begonnen. Er verlief vom Solway Firth bis in die Gegend der Tyne-Mündung nordöstlich von Newcastle. Der Wall sollte die Nordgrenze Britanniens gegen die Einfalle der Kaledonier sichern. Nach Gallien zurückgekehrt, nahm Hadrian Aufenthalt in Nemausus (Nimes), hier stiftete er eine Basilika zu Ehren Plotinas, der Witwe Trajans. Über Spanien (Aufenthalt in Tarraco im Winter 122/23) begab sich Hadrian nach Marokko (Mauretanien). Auf die Kunde, daß ein Partherkrieg bevorstehe, reiste der Prinzeps von hier nach dem Orient (123). Der Krieg konnte abgewandt werden, Hadrian aber durchzog zwei Jahre lang Kleinasien, von seinem Aufenthalt zeugen unter anderem die hadrianischen Jagdreliefs. Auch die Donaulandschaften (Thrakien, Mösien, Dakien) und Makedonien empfingen den Besuch des Prinzeps. Den Winter 124/25 verlebte Hadrian in Athen. Er ließ sich in die eleusinischen Mysterien einweihen, dazu wurde unter seiner Leitung mit einer Anzahl von Bauten in Athen begonnen. Nachdem er die Peloponnesos kennengelernt hatte (vielleicht ist er auch mit Epiktet in Nikopolis zusammengetroffen), kehrte er über Sizilien nach Rom zurück (125). Im Frühjahr 128 brach er zu einer neuen Reise, diesmal nach Afrika, auf. Am 1. Juli 128 besichtigte er die legio III Augusta und die Auxilien, in Lambaesis und Zara hielt er Ansprachen an die Truppen; sie sind, inschriftlich aufgezeichnet, unter dem Namen der Hadrians berühmt geworden.

Wenige Monate nach seiner Rückkehr aus Afrika ging Hadrian auf die zweite große Reise seines Lebens, sie hat ihn länger als fünf Jahre von der Hauptstadt ferngehalten. Der Weg führte ihn in den Osten des Reiches, zunächst wieder nach Athen. Hier verlebte er den Winter 128/29. Der Aufenthalt war, wie immer, von rastloser Tätigkeit ausgefüllt. So erneuerte er den Bund der Griechen, das Panhellenion. Ihm gehörten nach dem Willen des Prinzeps zahlreiche griechische Gemeinden, von Ionien bis Cyrene, an, der Mittelpunkt aber war Athen, das auf diese Weise von neuem Glanz umgeben wurde. Eine Reihe von prachtvollen Bauten gingen ihrer Vollendung in Athen entgegen: das Olympieion, der Tempel der Hera, die Bibliothek und das Gymnasium, zu der alten Stadt des Theseus gesellte sich die neue Hadriansstadt. Im Frühjahr 129 ging es nach Kleinasien weiter, in Kappadokien (vielleicht in Samosata) hielt der Kaiser eine große Fürstenversammlung ab. Nach einem Abstecher in die Karawanenstadt Palmyra verlebte er den folgenden Winter (129/30) in Antiocheia am Orontes, wo er einst die Kunde von seiner Adoption empfangen hatte. Durch Syrien und die Provinz Arabia begab er sich nach Ägypten, er fuhr den Nil aufwärts bis Theben, hier ist seine Anwesenheit für den 21. November 130 bezeugt. Nach Alexandria zurückgekehrt, besuchte er Cyrene. Die Stadt war immer noch durch den großen Judenaufstand hart mitgenommen. Über Syrien, Kleinasien und Griechenland (dritter Aufenthalt in Athen im Winter 131/32) kehrte er endlich (im Jahre 132 oder 133) nach Rom zurück. Er lebte von nun an vor allem in Tibur, wo er eine großartige Villenanlage errichten ließ.

Unter Hadrian ging das Reich zur Defensive über. Als das Ideal der hadrianischen Regierung erscheint der Friede. Auf drei verschiedenen Wegen hat Hadrian diesen Zustand zu erreichen und zu sichern versucht: mit diplomatischen Mitteln, durch eine Reorganisation der Armee und durch den Ausbau der Grenzbefestigungen (limites). Mit den Parthern hatte Hadrian nach seinem Regierungsantritt einen förmlichen Frieden geschlossen. Parthamaspates, den von Trajan eingesetzten Schattenkönig der Parther, hatte Hadrian als solchen fallenlassen, er hatte ihn jedoch zunächst zum König in Osrhoene eingesetzt, aber dieser Versuch war gescheitert, das Königreich war der einheimischen Dynastie zurückgegeben worden.

Um die Euphratgrenze zu sichern, wurde in Satala ein neues Legionslager erbaut (für die legio XV Apollinaris). Auch an einen Verzicht auf die Provinz Dacia hat Hadrian allen Ernstes gedacht, aber mit Rücksicht auf die große wirtschaftliche Bedeutung des Landes entschloß er sich, sie zu behaupten. Dakien wurde in zwei Provinzen (Dacia Superior et Inferior) geteilt, die Zahl der Truppen vermindert. Während das Obere Dakien mit der Hauptstadt Apulum (Karlsburg) durch eine Legion (XIII gemina) gesichert wurde, standen im Unteren Dakien lediglich Auxilien.

Den Befehl über sie führte zuerst ein Präfekt, dann ein Prokurator, der aber der Dienstaufsicht des ranghöheren Statthalters der Nordprovinz, eines legatus pro praetore, unterstellt war. Diese Ordnung stammt schon aus dem Jahre 119. Seit dem Jahre 133 gibt es noch eine dritte dakische Provinz, mit Namen Dacia Porolissensis, sie umfaßt den nördlichsten Teil des Landes.

Charakteristisch für Hadrian ist der Ausbau des Systems der Vasallenstaaten am Rhein, an der Donau und am Euphrat. Die Vasallenstaaten standen in engen wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Beziehungen zum Imperium Romanum. Doch erstreckt sich der politische und wirtschaftliche Einfluß des römischen Kaiserreiches noch beträchtlich über diese Vasallenstaaten hinaus. Einige der Vasallenfürsten bezogen von den Römern jährliche Subsidien. Wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkamen, wurden sie abgesetzt. So ist es beispielsweise dem König der Roxolanen an der unteren Donau mit Namen Rasparaganus ergangen. Auf Hadrians Befehl wurde er in Pola interniert, Inschriften nennen ihn und seinen Sohn Peregrinus.

Um die Grenzen des Reiches zu schützen, bedurfte es vor allem einer schlagkräftigen Armee. Da eine Vermehrung des Heeres, allein schon aus finanziellen Gründen, nicht in Betracht kommen konnte, hat Hadrian wichtige innere Reformen durchgeführt und insbesondere die Qualität der Truppenkörper zu heben versucht. Von den insgesamt 30 Legionen Trajans sind zwei verschwunden (die legio IXHispana in Britannien und die XXII Deiotariana in Ägypten). Einen neuen Akzent erhielt das Heerwesen durch die Errichtung zahlreicher Numeri, Abteilungen von Infanterie und Kavallerie, die gelegentlich auch miteinander verbunden wurden. Wenn nicht alles täuscht, so haben gerade die Numeri die Überfremdung des römischen Heeres noch beschleunigt. Bemerkenswert ist ferner der Übergang zur regionalen Rekrutierung, die übrigens schon seit der flavischen Zeit im Kommen war. Hadrian hat sich bemüht, die alte militärische Disziplin wieder zu Ehren zu bringen, in den Legionslagern wurden der Disciplina Altäre errichtet. Nach dem Vorbild der parthischen Panzerreiterei, der Kataphrakten, wurde eine schwere »römische Reiterei gebildet. Die Heeresreformen Hadrians waren für die nächsten Jahrhunderte richtungweisend, mag ihre Bedeutung auch gelegentlich übertrieben worden sein.

Mit voller Absicht hat der Prinzeps das Reich mit Grenzwällen und Mauern umgeben. Auf den Spuren des Agricola, der im Jahre 79 in Nordengland eine strategische Straße, gesichert durch Kastelle, erbaut hatte, ließ Hadrian hier einen geschlossenen Limes errichten, der sich vom Solway Firth bis zur Tyne-Mündung erstreckte (s. S. 299). Der Limes war ein ganzes Befestigungssystem. Von Norden nach Süden folgten einander ein tiefer Graben, eine etwa 5-6 in hohe Steinmauer, wieder ein Graben, sodann ein vallum. An dem Hadrianswall erhoben sich befestigte Lager und Wachttürme (insgesamt 17 Kastelle und zahlreiche burgi). Nördlich des Hadrianswalles lagen weitere drei Kastelle, als Vorposten mitten in Feindesland. Das Bauwerk war in den Jahren 126-127 vollendet.

In der Streckenführung des obergermanischen Limes ist unter Hadrian nur eine geringfügige Änderung eingetreten. Am unteren Main wurde der Limes von der Linie Oberflorstadt-

Kesselstadt um wenige Kilometer nach Osten vorverlegt (auf die Linie Oberflorstadt-Großkrotzenburg), wobei man auf die geographischen Gegebenheiten wenig Rücksicht genommen hat. Vor den Befestigungen wurde ein durchlaufender Graben mit einem Palisadenzaun gezogen. Auch der rätische Limes erhielt einen durchgehenden Palisadenzaun: die Welt der Barbaren wurde auf diese Weise buchstäblich mit Brettern vernagelt. In die Zeit Hadrians gehören auch die Kastellbauten von Theilenhofen (südöstlich von Gunzenhausen) und von Böhming (an der Altmühl).

An der unteren Donau ließ Hadrian die Aluta-Linie (Olt) befestigen, damit wurde dem Vordringen der Barbaren von Osten gegen die Provinz Dakien ein Riegel vorgeschoben. Auch im Orient, in Syrien, und vor allem in Afrika wurde an den Grenzbefestigungen gearbeitet. In Afrika wurde durch das fossatum Africae, einen 800 km langen Graben, der durch moderne Luftaufnahmen wiedergefunden worden ist, der Süden Numidiens gegen die Wüste abgeriegelt, auch hier hat man durch die Errichtung von Kastellen, Wachttürmen und Verbindungsstraßen ganze Arbeit geleistet. Im Schütze des neuen Grenzwalls hat man in Afrika ein großartiges Bewässerungssystem mit zahlreichen Kanälen angelegt, das vor allem den Olivenkulturen zugute gekommen ist. Die Befestigungsarbeiten sind hier durch Inschriften für die Jahre 125/26 und 131/32 bezeugt.

Trotz seiner defensiven Einstellung sind Hadrian Kriege nicht ganz erspart geblieben. In eigener Person hat der Friedenskaiser einen Einfall der Roxolanen an der unteren Donau zurückgewiesen (117). Auch in Britannien mußte, teilweise unter den Augen des Kaisers (122), gegen die Brittonen (Briganten) gekämpft werden. Der bedeutendste Krieg seiner Regierung aber war der Aufstand der Juden unter Bar Kochba (in den zeitgenössischen Dokumenten heißt er Bar Koseba), in den Jahren von 132 bis 135. Mit leichter Mühe hatten sich die

Aufständischen in den Besitz der Stadt Jerusalem gesetzt, das von den Römern unter dem Namen Aelia Capitolina - nach der Zerstörung im Jahre 70 - wieder aufgebaut worden war. Die römische Rückeroberung endete im Jahre 134 mit einer völligen Vernichtung der jüdischen Hauptstadt. Doch erst im Jahre 135 fiel mit Bether, etwa 15 km von Jerusalem entfernt, die letzte Burg der Aufständischen. Das Land war vollständig ruiniert, Tausende von Juden waren tot oder in die Gefangenschaft gewandert, zwischen Siegern und Besiegten aber gab es keine Gemeinschaft: unter Androhung der Todesstrafe wurde es den Juden verboten, Aelia Capitolina auch nur zu betreten. Unter dem Namen «Syria Palaestina» wurde Judaea als Provinz reorganisiert und mit zwei Legionen belegt.

Einen bedeutenden Einschnitt bezeichnet die Regierung Hadrians auf dem Gebiet der Innenpolitik. Durch seine eigene Initiative hat der Prinzeps zahlreiche Mißstände in der Verwaltung und im Rechtswesen abgestellt. Er bediente sich dabei der Hilfe des consilium principis, das unter seiner Regierung regelmäßige Sitzungen abhielt. Die Mitglieder des consilium, unter ihnen sehr bedeutende Juristen, erhielten ein festes Gehalt. Dem Senat gegenüber erwies der Prinzeps immer von neuem sein Entgegenkommen. Doch ist es dem Kaiser nicht verborgen geblieben, daß der Senatorenstand längst nicht mehr über die für die Verwaltung und Rechtsprechung notwendige Zahl von qualifizierten Kräften verfügte. Den Senatoren zur Seite traten, noch mehr als schon unter Trajan, zahlreiche Ritter als Prokuratoren und Praefekten. Auch das Kabinett des Prinzeps erhielt eine neue Organisation: an die Spitze der Ämter «ab epistulis», «a libellis», «a cognitionibus» und «a studiis» traten gleichfalls römische Ritter, während das Amt des «a memoria» (wahrscheinlich das Archiv des Prinzeps) nach wie vor Freigelassenen offenstand. Hadrian hat sich außerdem bemüht, zwischen dem Hofgesinde des Prinzeps und den Beamten des Staates die schon längst notwendige Trennung zu vollziehen. Die Beamten erhielten, nach Klassen abgestuft, beträchtliche Gehälter, auch Rangtitel (egregius, perfectissimus, eminentissimus) wurden für sie eingeführt, der Titel clarissimus blieb allein den Senatoren vorbehalten. Die Einteilung Italiens in vier Gerichtsbezirke unter der Leitung von Consularen blieb freilich eine vorübergehende Erscheinung, von säkularer Bedeutung aber war die Kodifikation des prätorischen Edikts, die unter dem Namen des edictum perpetuum Weltruhm erlangt hat. Das Werk stammte von P. Salvius Julianus, einem hervorragenden Rechtsgelehrten, dessen Schriften, insbesondere die Digesten, große Beachtung gefunden haben.

Bei seinem Regierungsantritt sah sich Hadrian einer schwierigen finanziellen Situation gegenüber. Der Partherlkrieg hatte enorme Summen verschlungen, in Italien und in zahlreichen Provinzen gab es große Steuerrückstände. Hadrian aber soll diese Steuerschulden einfach gestrichen haben. Ferner verzichtete er auf das aurum coronarium und die bona damnatorum, auch weigerte er sich, Erbschaften von Personen anzutreten, die ihm persönlich unbekannt waren. Aus der Steuerverwaltung wurden die societates publicanorum ausgeschaltet, eine für die Provinzialen sehr heilsame Maßnahme, wenn sie auch der Entfaltung der privaten Initiative auf dem Gebiet der Wirtschaft abträglich war. Richtunggebend für die Agrarwirtschaft wurde die lex Hadriani. Sie gestattete unter gewissen Voraussetzungen nach Art der griechischen Emphyteuse die Okkupation unbebauten Landes. Zur besseren Bewirtschaftung verpachtete der Prinzeps, der größte und reichste Domanialherr, das Land an conductores, diese zerlegten es in Parzellen und übergaben es an coloni, deren Rechte und Pflichten im Pachtvertrag genau umschrieben waren.

Wie sein Vorgänger Trajan so hat auch Hadrian die Urbanisierung des Reiches nach Kräften gefördert. Zahlreiche Gemeinden in Kleinasien und Thrakien verehrten in der Folgezeit Hadrian als ihren Gründer (ktistes), und in manchen

Griechenstädten wie in Athen erscheint als neue Phyle die Hadrianis. Die bedeutendste Gründung Hadrianopolis in Thrakien zeugt noch heute mit ihrem Namen von dem erfolgreichen Wirken des Prinzeps.

Die Zahl der Bauten, die in Rom und im Reiche auf Hadrian zurückzuführen sind, ist sehr groß. In Rom, an der Via Sacra, ließ der Kaiser den Tempel der Venus und der Roma errichten, und zwar auf dem Gelände der domus aurea des Nero, im Jahre 135 wurde das Heiligtum eingeweiht. Das Pantheon, von M. Vipsanius Agrippa erbaut, hatte schon unter Domitian restauriert werden müssen, unter Trajan wurde das wuchtige Bauwerk durch einen Blitzschlag beschädigt. In den Jahren von 122 bis 124 ließ Hadrian das Pantheon neu errichten, die Kuppel mit einem Durchmesser von 55 in und einer Höhe von 43 in. Es ist dies eine der glänzendsten Leistungen der römischen Baukunst in der Kaiserzeit. In den letzten Jahren seines Lebens, bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, schritt Hadrian zur Errichtung eines eigenen Mausoleums (moles Hadriani). Der festungsartige Bau jenseits des Tiber wurde durch eine eigene Brücke (pons Aelius) mit der Stadt verbunden. Der von Hadrian als Nachfolger in Aussicht genommene Aelius Caesar und die Gattin des Kaisers, Vibia Sabina, haben in diesem großartigen Grabmal, noch vor dem Prinzeps, ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Gleichfalls echt hadrianischem Geist entsprungen ist die Villenanlage, die der Prinzeps in Tibur (Tivoli) in langjähriger Arbeit errichten ließ. Hier, an den Wasserfällen des lieblichen Anio, gedachte er von seinen Reisen und Mühen auszuruhen. In den Bauten der Villa wollte er die schönsten Stätten seines Reiches, die er selbst mit eigenen Augen gesehen hatte, wiederfinden. Es scheint so gut wie sicher, daß der Kaiser selbst wiederholt in den Bauplan eingegriffen und Änderungen veranlaßt hat, die zum Teil geradezu als Fehlkonstruktionen zu bezeichnen sind. Nicht weniger als 16 Jahre lang, von 118 bis 134, ist an dieser Anlage gebaut worden, das Ergebnis war ein architektonisches Phantasiegebilde, das Produkt eines Geistes, der eigenwillig, bizarr, ja geradezu verbildet zu nennen ist.

Mit dem Namen des Kaisers Hadrian verbindet sich die erste Renaissance des Hellenentums, Der Kaiser war nicht nur von Jugend auf ein begeisterter Anhänger der griechischen Kultur, er hatte fast alle griechischen Landschaften auch aus eigener Anschauung kennengelernt, nicht weniger als dreimal (124/25, 128/29, 131/32) hat er längeren Aufenthalt in Athen genommen. Die Griechen haben die Sympathie des Kaisers für ihre Kultur mit höchster Freude begrüßt - eine unendlich große Zahl von Inschriften aus allen Ländern griechischer Zunge rühmt den Kaiser als den großen Wohltäter der griechischen Nation. So hat beispielsweise die Stadt Thyateira beschlossen, die Wohltaten Hadrians auf einer in Athen, dem Vorort der Hellenen, zu errichtenden Weihinschrift zu verewigen. Hadrian hatte sich durch Getreidespenden, durch den Bau einer Wasserleitung und durch die Gewährung von Abgabenfreiheit große Verdienste um die kleinasiatische Griechenstadt erworben. In Beroia (Makedonien) hat er selbst einen namhaften Beitrag zur Errichtung eines Tempels beigesteuert. Das Koinon der Achäer ehrte den Prinzeps durch eine rühmende Inschrift, doch scheint sich Hadrian die Zuerkennung göttlicher Ehren verbeten zu haben, nicht anders als Tiberius und Claudius.

Hadrians Liebe zur griechischen Kultur und zum griechischen Wesen war echt und ehrlich. Er trug nicht nur griechische Tracht, er hat auch den griechischen Philosophenbart hoffähig gemacht. In Rom gründete er nach dem Vorbild des alexandrinischen Museions das Athenaeum (135), an dem Lehrstühle der griechischen Grammatik und Literatur errichtet wurden.

Irgendwelche politischen Folgen hat die hellenische Renaissance nicht gezeitigt. Griechenland und das griechische Volk spielten in der Weltpolitik seit Jahrhunderten keine Rolle mehr. Einsichtige Griechen wie Plutarch von Chäronea haben sich bemüht, ihre Landsleute aus ihrer politischen Lethargie aufzuwecken und sie insbesondere für die kommunalen Angelegenheiten der griechischen Poleis zu interessieren. Doch ist die griechische Wiedergeburt unter Hadrian im wesentlichen eine literarische und künstlerische Angelegenheit geblieben, auf dem Felde der Politik hat sie sich nicht ausgewirkt. Doch hat sie zu einem besseren Verständnis des Hellenentums und seiner geschichtlichen Leistung beigetragen. Außerdem haben es nicht wenige der Hellenen unter Hadrian und seinem Nachfolger zu hohen Würden im Reiche gebracht wie Flavius Arrianus aus Nikomedien in Bithynien. Er ist unter Hadrian bis zum legatus pro praetore Cappadociae aufgestiegen, dabei hat er sich um die Reichsverteidigung Verdienste erworben, indem er einen Einfall der Alanen, eines iranischen Reitervolks, abgewehrt hat.

Hadrian war ein tiefveranlagter religiöser Mensch. Er war ein Suchender, der in den gewohnten Formen der römischen Staatsreligion kein Genügen fand. Es sind insbesondere griechische, aber auch ägyptische Ideen, die seine Religiosität geprägt haben. Ebenso wie seinem Vorgänger Trajan, so lag auch ihm die Welt des Christentums ganz fern: Bei seinem zweiten Aufenthalt in Athen erschienen vor ihm der christliche Bischof der Stadt und ein Priester, sie übergaben dem Prinzeps eine Schrift zur Verteidigung des christlichen Glaubens. Sie hat, wie es scheint, auf Hadrian keinen Eindruck hinterlassen. Der beherrschende Zug der Religiosität jener Tage war vielmehr der Henotheismus: in den unendlich vielen verschiedenen Göttergestalten sahen die Gebildeten letzten Endes doch nur die Erscheinungsformen einer einzigen, allumfassenden Gottheit. Es ist dies eine echt synkretistische Auffassung, die allerdings stark philosophisch, im besonderen stoisch gefärbt ist. Einen hervorragenden Platz in dem Pantheon aber nahm die Sonne ein, ihr hat Hadrian auf Bergeshöhen seine Verehrung dargebracht.

Die Frage der Nachfolge: Da Hadrian über keine leiblichen

Erben verfügte, wurde die Frage seiner Nachfolge mit fortschreitender Zeit, vor allem aber seit seiner Erkrankung im Jahre 135, immer brennender. Hadrians Wahl fiel schließlich auf L. Ceionius Commodus, der unter dem Namen L. Aelius adoptiert und durch den Titel Caesar als Nachfolger designiert wurde. Außerdem wurden dem Thronfolger hohe Auszeichnungen zuteil. L. Aelius war aber als Nachfolger denkbar ungeeignet, er verstarb bereits am 1. Januar 138. Wenige Wochen später, am 25. Februar 138, trat Arrius Antoninus (unter dem Namen T. Aelius Caesar Antoninus) an seine Stelle, der Sohn des Aurelius Fulvus und der Arria Fadilla. Der neue Caesar - es ist der spätere Kaiser Antoninus Pius hatte, ebenso wie sein Adoptivvater, keine Söhne. Aus diesem Grunde mußte er den Sohn des L. Ceionius Commodus gleichen Namens (den späteren Kaiser Lucius Verus) und Marcus Annius Verus (den späteren Kaiser Mark Aurel) adoptieren. Mit dieser Adoption schien die Nachfolge auf eine längere Zeit hinaus gesichert, in der zweiten Generation sogar durch vier Augen. Hadrian aber starb am 10. Juli 138 zu Baiae. Die letzten Jahre waren eine Leidenszeit für ihn gewesen, sein Charakter hatte sich verdüstert, durch unnötige Grausamkeit hatte er sich manche Feinde geschaffen.

Dennoch gehört seine Regierung als Ganzes zu den hellen Lichtpunkten der römischen Kaiserzeit. Hadrian hatte es als eine hohe Verpflichtung angesehen, für die wirtschaftlich Schwächeren, die humiliores, gegenüber den Stärkeren und Höhergestellten, den honestiores, einzutreten, ein Grundsatz, der auch in der Gesetzgebung seinen Niederschlag gefunden hat. Unter Hadrians Regierung aber verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches allmählich von Rom in die romanisierten Provinzen des Westens und in die Lande hellenischer Kultur im Osten. Es ist eine Weltkultur im Entstehen, ihr Kennzeichen ist die geistige Verbindung aller Gebildeten über alle Schranken von Völkern und Nationen hinweg. Der Kaiser hatte sich zwar bemüht, auch die Lage des flachen Landes und seiner Bewohner zu verbessern, doch ließ sich das starke Gefalle zwischen Stadt und Land nicht aus der Welt schaffen. In diesem ungesunden Zustand lagen die Keime zu späteren Konflikten, die in der Zeit der Severer und ihrer Nachfolger zum Ausbruch gekommen sind.


9. Die Antoninenzeit (138-180 n.Chr.)

Edward Gibbon hat in seinem unvergänglichen Werk «The decline and fall of the Roman empire» die Antoninenzeit als das glücklichste Zeitalter des Menschengeschlechts gepriesen, weil den damals Lebenden das köstlichste Gut, der Friede, in so reichem Maße zuteil geworden sei, und so manche Historiker haben es Gibbon nachgesprochen. In Wirklichkeit aber war die Antoninenzeit, die Zeit des Kaisers Antoninus Pius (138-161) und die Regierung seines Nachfolgers, des Mark Aurel (161 180), keineswegs ein Zeitalter ohne Kriege, wenn diese auch den Kern des Reiches zunächst nicht berührt haben. Entscheidend ist es jedoch, daß unter Antoninus Pius die aufsteigende Linie der politischen Entwicklung des Imperiums zum Stillstand kommt. In der Antoninenzeit liegen die Keime des künftigen Niedergangs, und zwar vor allem infolge der schwächlichen Außenpolitik, die nichts anderes als eine ununterbrochene Kette schwerer Versäumnisse gewesen ist. Hadrians Nachfolger, Antoninus, war nicht die Persönlichkeit, die das Reich nötig gehabt hätte. Der neue Kaiser stammte aus einer begüterten Familie aus Nemausus (Nimes) in der Gallia Narbonensis, sie war aber schon seit einigen Generationen in Italien ansässig und hatte es hier zu großem Vermögen und zu umfangreichem Grundbesitz gebracht. Antoninus hielt sich am liebsten auf seinen Gütern in Italien auf, als Kaiser hat er das Land überhaupt nicht mehr verlassen. Anders als Trajan und Hadrian hatte er niemals eine wichtige kaiserliche Provinz wie Syrien oder Germanien verwaltet, er war vielmehr (im Jahre 135/36?) Proconsul von Asia gewesen. In den Augen Hadrians sollte er nichts anderes als der Platzhalter für den jungen Annius Verus (Verissimus Caesar) sein, dessen Qualitäten Hadrian nicht verborgen geblieben waren. Mit 52 Jahren Prinzeps, setzte Antoninus gegen den Widerstand des Senats die Konsekration seines Vorgängers durch und verdiente sich den Ehrennamen

Pius. In der Administration des Imperiums hat Antoninus Pius, eine durch und durch konservative Natur, die Linie seiner Vorgänger fortgeführt. So erließ er nach dem Vorbild Hadrians den Bewohnern Italiens das gesamte aurum coronarium, den Provinzialen die Hälfte. In vielen Städten Italiens und der Provinzen hat er Bauten errichtet, in Rhodos und Kos heilte er die durch ein Erdbeben entstandenen Schäden. Auch die Institution der alimentationes hat er, im Sinne des Trajan und Hadrian, weitergeführt, ganz besonders großzügig aber zeigte er sich in seinen Spenden an die stadtrömische Bevölkerung.

Wie die Gebildeten unter den Griechen die Lage des Reiches gesehen haben, zeigt die Preisrede des Aelius Aristides auf Rom, wahrscheinlich vom Jahre 143. Von den Städten des Imperiums entwirft der griechische Rhetor ein glänzendes Bild, er preist den Frieden und die Ordnung des Reiches unter dem machtvollen Schutz der römischen Waffen. Ganz besonders aber wird die Errichtung der Mauern an den Grenzen des Imperiums und die Rolle des Heeres hervorgehoben: «Wie ein Graben, so umschließt das Heer im Kreis die ganze Oikumene, von dem einen Ende der Erde zum anderen, von Nubien bis an den Phasis, vom Euphrat bis nach Britannien.» Das Ansehen des Reiches stand hoch im Kurs: aus den fernsten Ländern, aus Hyrkanien und Baktrien, ja sogar aus Indien, erschienen Gesandtschaften in Rom, die Völker an den Rändern des Reiches, die Lazen in Kolchis, die Armenier und die Quaden an der mittleren Donau, erhielten ihre Könige durch den römischen Prinzeps, auch die Parther beugten sich der Autorität des römischen Kaisers.

Antoninus Pius wollte ein Friedenskaiser sein. Dennoch sind ihm Kriege nicht erspart geblieben. Wegen der Einfalle der Briganten in Nordengland mußten die Römer wiederholt zu den Waffen greifen (139-142). Die Annalen des Reichs verzeichnen einen Sieg des kaiserlichen Legaten von Britannien, Q. Lollius Urbicus, sowie die Annahme der zweiten imperatorischen

Akklamation durch den Prinzeps. Das bei weitem wichtigste Ereignis in Britannien aber ist die Errichtung des Vallum Antonini an der engsten Stelle der Insel, zwischen dem Firth of Forth und dem Firth of Clyde (142). Der Wall war knapp 60 km lang, er erhob sich etwa 120 km nördlich des Hadrianswalles, der übrigens als Befestigungslinie erhalten geblieben ist. Das Vallum Antonini mußte jedoch bald wieder aufgegeben werden, wahrscheinlich schon unter Mark Aurel, um 166/67 n. Chr., großen Nutzen hat die Anlage nicht gestiftet.

Auch am obergermanischen Limes trat eine wichtige Veränderung ein. Die Strecke des Limes zwischen dem unteren Main und dem rätischen Limes bei Lorch im Remstal wurde auf eine neue Linie nach dem Osten vorverlegt. Dabei wurden durchschnittlich etwa 10-35 km an Boden gewonnen, die neue Linie wurde durch die Kastelle Miltenberg, Walldürn, Osterburken, Jagsthausen, Westernbach, Öhringen (vicus Aurel...), Mainhardt, Murrhardt und Welzheim gesichert. Bezeichnend für den neuen Limes ist die nahezu schnurgrade Streckenführung zwischen Walldürn und dem Haghof bei Lorch (etwa 80km). Die militärischstrategische Bedeutung des neuen Limes war gering, der Wall diente vor allem zur Abgrenzung des Reichsgebiets. Die Linie des alten Limes zwischen Obernburg am Untermain und Wimpfen am Neckar blieb bestehen, so daß die Reichsgrenze in Germanien wie in Britannien nunmehr durch ein doppeltes Limessystem gesichert wurde. Vornehmlich am inneren germanischen Limes siedelte man Brittonen aus Nordengland an, sie taten, nach numeri gegliedert, hier ihren militärischen Dienst. Nimmt man noch die Fortführung der Arbeiten an der Aluta-Linie in der Walachei, die Errichtung von Befestigungswerken in Thrakien, Mauretanien und Africa hinzu, so ergibt sich überall das gleiche Bild: die Befestigungen bezeugen ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis: die Mauern, nicht mehr die Männer sind der Schutz des Imperiums.

Die Münzprägung zeigt seit dem Jahre 145 immer wieder kriegerische Motive. Es vergeht kaum ein einziges Jahr, ohne daß an irgendeiner Stelle des Reiches gekämpft wird: von 145 bis 152 in Mauretanien, darauf folgen Unruhen in Judaea und in Griechenland, schließlich eine Erhebung der ägyptischen Fellachen (152-153). Dieser Aufstand hat die Kornzufuhr aus Ägypten nach Rom in Mitleidenschaft gezogen. Seit dem Jahr 153/54 verkünden aber die Münzen die Eintracht (homönoia) von Tiber und Nil, die Unruhen in Ägypten sind beigelegt. Die literarische Überlieferung weiß außerdem von Kämpfen der Römer mit den Tauroskythen am Borysthenes (Dnjepr) zu berichten. Als man im Jahre 159 - mit Verspätung - die Vizennalien des Kaisers feierte, herrschte Friede, nicht aber im Jahre 160/61, denn in diesem Jahr zeigen die Münzen neben Roma und Juppiter auch das Abbild des Kriegsgottes Mars, dessen Hilfe man offenbar nötig hatte. Den Zusammenbruch des römischen Grenzverteidigungssystems brauchte der Kaiser Antoninus Pius nicht mehr zu erleben, er verschied im Alter von 74 Jahren am 7. März 161 in seiner Villa in Lorium bei Rom. Kurz vor seinem Ableben hatte er noch einmal seinen Adoptivsohn Mark Aurel ausdrücklich zum Nachfolger bestimmt, indem er ihm die Statue der Victoria überbringen ließ. Der Senat beschloß die Apotheose des Verstorbenen, ein neues Priesterkollegium, die sodales Antoniniani, wurde ihm zu Ehren gegründet. Auf dem Marsfeld errichtete man eine Säule zu seinem Gedächtnis.

Der neue Prinzeps, bei der Thronbesteigung nahezu 40 Jahre alt, nannte sich Imperator Caesar M. Aurelius Antoninus Augustus. Er hatte eine sehr sorgfältige Erziehung genossen, von der sein Briefwechsel mit M. Corne lius Fronto, seinem Lehrer in der Rhetorik, aber auch seine Selbstbetrachtungen Zeugnis ablegen. Mark Aurel war zwar in Rom geboren, aber seine Familie stammte aus Ucubis in der Baetica. Sein Großvater M. Annius Verus war dreimal Consul, außerdem praefectus urbi gewesen, sein Vater war während der Prätur plötzlich gestorben, auch mütterlicherseits hatte er Verwandte consularischen Ranges aufzuweisen. Mit zwölf Jahren vollzog der junge Annius Verus die entscheidende Hinwendung von der Rhetorik zur Philosophie, die ihm sein Lehrer Fronto nie verziehen hat. Cinna Catulus gewann ihn für die Lehre der Stoa, ihr ist der Kaiser ein Leben lang treu geblieben. Adoptivsohn und Schwiegersohn des Kaisers Antoninus Pius - er war mit dessen Tochter Annia Galeria Faustina (II) verheiratet -, bekleidete er sein drittes Consulat, als Antoninus Pius abberufen wurde. So sorgfältig und vielseitig die Erziehung des jungen Mannes auch gewesen war - als er den Thron bestieg, fehlte ihm jedwede Praxis in der Heerführung und Administration des Reiches. Seine Regierung begann Mark Aurel damit, daß er seinen jüngeren Adoptivbruder, L. Aelius Aurelius Commodus, zum Augustus, d. h. zum gleichberechtigten Prinzeps, bestellte. Dieser aber nannte sich fortan L. Aurelius Verus. Nur das Oberpontifikat bekleidete Mark Aurel allein, da es als unteilbar angesehen wurde. Lucius Verus aber wurde mit Annia Lucilla, der Tochter des Mark Aurel, verlobt. Wie konnte Mark Aurel zur Einsetzung des Mitkaisers kommen? Sie entsprach weder den Absichten Hadrians noch denen des Antoninus Pius. Auch konnten Mark Aurel die charakterlichen Schwächen seines Mitkaisers schwerlich verborgen geblieben sein. Lucius Verus war alles andere als ein Pflichtmensch, an den Staatsgeschäften war er nur wenig interessiert. Der Entschluß des Mark Aurel ist wohl nur aus dynastischen Gründen zu erklären: Mark Aurel wollte die Herrschaft seines Hauses fest verankern und insbesondere die höchste Stelle im Staat doppelt besetzen, womit auch das Problem der Nachfolge besser gelöst werden konnte. Irgendwelche Schwierigkeiten waren von Lucius Verus nicht zu erwarten, er hat sich bis zu seinem Tode im Jahre 169 mit der Stelle des Zweiten im Reich begnügt, ohne irgendwie besonderen Ehrgeiz zu entfalten.

Die Regierung des Philosophenkaisers Mark Aurel erhält ihr Gepräge durch die Kriege. Von den 19 Jahren seiner Regierung sind nicht weniger als 17 Kriegsjahre gewesen: von 161 bis 166 kämpfte man im Orient gegen die Parther, von 166 bis 180 (mit einer zweijährigen Unterbrechung) mußte der Ansturm der germanischsarmatischen Völker abgewehrt werden.

Der Krieg zwischen Rom und Parthien entzündete sich wieder an der armenischen Frage. Pacorus, ein arsakidischer Prinz, hatte sich des armenischen Throns bemächtigt, der römische Statthalter von Kappadokien, M. Sedatius Severianus, verlor bei Elegeia Schlacht und Leben. Zusammen mit Armenien gingen auch die römischen Vasallen von Adiabene, Edessa und Nisibis auf die parthische Seite über, parthische Reiterheere überfluteten Syrien, der römische Statthalter, Attidius Cornelianus, wurde in die Flucht geschlagen (161). Mark Aurel übergab das Oberkommando im Orient dem Lucius Verus, in seinem Stab befanden sich die hervorragendsten Generäle, die Rom damals aufzuweisen hatte: M. Statius Priscus (Consul 159), P. Martius Verus, Legat der legio V Macedonica, ebenso bewährt als Truppenführer wie als Diplomat, endlich der aus Kyrrhos stammende Syrer Avidius Cassius. Diesen Generälen, insbesondere aber dem Avidius Cassius, ist es zu verdanken, wenn die expeditio orientalis mit einem durchschlagenden römischen Erfolg geendet hat. Die Hauptmacht der Parther erlitt bei Europos in der Kyrrhestike und bei Sura Niederlagen, Edessa und Nisibis kehrten unter die römische Herrschaft zurück (165). Mit der Einnahme und Verwüstung der parthischen Residenzen Seleukeia und Ktesiphon (166) erhielt der Feldzug seine siegreiche Krönung, die Römer setzten ihren Vormarsch sogar nach Medien hinein fort. Hier aber trat ihnen ein Gegner gegenüber, mit dem niemand gerechnet hatte: es war die Pest, die seit dem Beginn des Jahres 166 schwere Opfer forderte. Das römische Heer kehrte nach Syrien zurück, von hier aus verbreitete sich die Seuche im ganzen Römerreich. Mark

Aurel aber schloß im Jahre 166 mit den Parthern Frieden, Armenien, nunmehr unter dem König Sohaemus von Emesa, wurde wieder römischer Vasallenstaat, das gleiche gilt für die Gebiete im westlichen Mesopotamien, insbesondere für Osrhoene. Zweifellos war im Osten Bedeutendes erreicht worden, der Triumph, den die beiden Kaiser am 23. August 166 in Rom feierten, war wohlverdient.

Die Donaukriege Mark Aurels (166-175, 177-180): Um die Mitte des 2. Jh. bewegten sich die Goten von der unteren Weichsel durch Polen zum Schwarzen Meer. Über die Burgunder, Semnonen und Lygier (in Oberschlesien) pflanzte sich die Unruhe bis in die germanischsarmatische Völkerwelt an der mittleren und unteren Donau fort. Zahlreiche Völker brandeten gegen die unzulänglichen Grenzen des Imperiums an der Donau: die bedeutendsten Gegner der Römer waren die Markomannen; sie haben dem Krieg ihren Namen gegeben. Neben ihnen aber stürmten auch die Quaden, Naristen, Viktofalen, Hermunduren, Buren, Vandalen und Jazygen über die Donaugrenze. Es war eine riesige Völkerlawine, die sich von jenseits der Donau in Bewegung setzte. Die Völkerschaften verlangten Aufnahme in das römische Reichsgebiet. Das Imperium befand sich in höchster Bedrängnis: zahlreiche Truppenteile waren zum Partherkrieg in den Orient verlegt worden. Verhandlungen mit den germanischen Völkern führten nicht zum Ziel, im Gegenteil, im Jahre 166 überfluteten germanische und sarmatische Stämme die Donaugrenze von Raetien bis nach Moesien, die Schrecken der Kimbernkriege schienen zurückzukehren, die Dörfer gingen in Flammen auf, die Reichsbevölkerung wurde fortgeführt. Die Markomannen und Quaden überstiegen die Alpen, Aquileja wurde von ihnen belagert, Opitergium zerstört. Rom aber stand unter dem doppelten Schrecken der Pest und der Germanennot. Nachdem er feierliche religiöse Zeremonien in Rom vorgenommen hatte, reiste Mark Aurel zusammen mit Lucius Verus nach Oberitalien, um persönlich den Befehl gegen die Germanen zu übernehmen (wahrscheinlich im Herbst 167). Die Markomannen gaben die Belagerung Aquilejas auf, der Kaiser drängte die Germanen über die Donaugrenze zurück, gegen Ende des Jahres 168 konnte die Lage als wiederhergestellt gelten. Auf der Heimreise nach Rom starb der Mitkaiser Lucius Verus in Altinum (zu Beginn des Jahres 169).

Die zweite Phase des Krieges währte von 169 bis 174 (bzw. 175, denn erst in diesem Jahre gelangte man auch mit den Jazygen zum Frieden). Der zweite Abschnitt des Krieges wird gekennzeichnet durch eine großangelegte römische Offensive. Viele Schwierigkeiten waren vorher zu überwinden gewesen: es hatte nicht nur an Geld, sondern auch an Soldaten gefehlt, so daß man auf Sklaven und Gladiatoren, auch auf griechische Stadtpolizisten (diogmitae) zurückgreifen mußte. Auch die wehrhafte Bevölkerung Dalmatiens und Dardaniens wurde miteingereiht. Für die Kriegsereignisse steht als Quelle der Bilderfries der Mark-Aurel-Säule in Rom zur Verfügung; die Darstellung umfaßt mit großer Wahrscheinlichkeit die Ereignisse der Jahre von 172 bis 175. Dazu kommt eine Inschrift, die in Zana (Diana Veteranorum in der Provinz Africa) gefunden worden ist. Sie ist zu Ehren des M. Valerius Maximianus gesetzt, eines römischen Ritters, gebürtig aus Poetovio in Pannonien, der es unter Mark Aurel zu hohen Ehren gebracht hat. Nach dieser Inschrift haben sich nicht nur Vexillationen der Flotten von Misenum und Ravenna, sondern auch solche der britannischen Flotte am Donaufeldzug beteiligt, dazu ist maurische und afrikanische Kavallerie zur Aufklärung des Kriegsschauplatzes eingesetzt worden. M. Valerius Maximianus hat schließlich den Häuptling der Naristen Valao mit eigener Hand im Kampf erschlagen. Es war ein erbarmungsloser Krieg, die Reliefs der Mark-Aurel-Säule zeigen, wie die Dörfer und Weiler in Flammen aufgingen und wie man sogar die Gefangenen tötete. Berühmt ist das

Regenwunder: als die Römer in Gefahr waren zu verdursten, wurden sie durch ein überraschend einsetzendes Gewitter mit starken Regengüssen gerettet. Bereits die Münzen des Jahres 173 tragen die Legende Germania subacta, doch gingen die Kämpfe noch weiter (bis 174), und die sarmatischen Jazygen konnten sogar erst im Jahre 175 unterworfen werden. Ebenso wie die Quaden und Markomannen mußten auch die Jazygen die Gefangenen zurückgeben und die römische Oberherrschaft anerkennen. Nördlich der Donau mußten die Markomannen eine Zone, 7 km breit, die Quaden und Jazygen einen Streifen von 14 km den Römern überlassen, außerdem wurden römische Garnisonen in ihre Länder gelegt. So entstand im Quadenland an der oberen Waag bei Trentschin ein römisches Lager, wie schon früher an der March bei Stillfried, beide mitten im Barbarenland.

Trotz der Friedensschlüsse war eine wirkliche Lösung des Grenzproblems an der Donau nicht erreicht. Der Kaiser Mark Aurel beabsichtigte daher, die Reichsgrenze weit nach dem Norden, bis an den Wall der Sudeten und Karpaten, vorzuverlegen. Aus dem noch zu erobernden Gebiet sollten zwei neue Provinzen, Marcomannia im Westen und Sarmatia im Osten, gebildet werden. Da trat im Orient ein Ereignis ein, das die Pläne des Kaisers zunichte machte: es war der Aufstand des Avidius Cassius.

Nach dem Abschluß des Partherkrieges hatte der Kaiser Mark Aurel dem Syrer Avidius Cassius ein Imperium maius über den gesamten römischen Orient übertragen, als Belohnung für seine großen Verdienste im Partherkrieg. Auf das Gerücht vom Ableben des Mark Aurel griff der ehrgeizige General zur Krone, er ließ sich (in der zweiten Aprilwoche 175) zum Kaiser ausrufen. Ägypten und Vorderasien fielen ihm zu, den Mittelpunkt seines Reiches bildete die alte Diadochenresidenz Antiocheia am Orontes. Der Senat in Rom erklärte Avidius Cassius zum hostis, seine Güter wurden eingezogen. Zum Glück für Mark Aurel war der Legat von Kappadokien, P. Martius

Verus, treu geblieben. Mark Aurel reiste nun von der Donaufront in den Orient. Dort angekommen, mußte er erfahren, daß die Herrschaft des Avidius Cassius nach drei Monaten und sechs Tagen durch den gewaltsamen Tod des Usurpators ihr Ende gefunden hatte. Gegenüber den Anhängern, auch gegenüber der Familie des Avidius Cassius, verfuhr Mark Aurel mit größter Milde. Nach einem Abstecher nach Ägypten reiste er über Syrien nach Kleinasien zurück. Am Fuße des Taurus, in der kleinen kappadokischen Ortschaft Halala, verlor er durch Krankheit seine Gattin, die Kaiserin Faustina (II.), die Tochter des Antoninus Pius. Ihr zu Ehren erhob er den Ort zu einer Kolonie und gab ihr den Namen Faustinopolis. Das Andenken der Verstorbenen wurde außerdem durch Alimentarstiftungen (puellae novae Faustinianae) wachgehalten.

Weder die Markomannen noch die Quaden waren mit den Friedensbedingungen zufrieden. Im Jahre 177 kam es erneut zum Kriege, es ist dies die expeditio Germanica secunda (177 180). Von den Germanen wanderten viele Tausend nach dem Norden aus, Mark Aurel aber ließ die Straßen sperren, um insbesondere die Abwanderung der Quaden zu den Semnonen (an der mittleren Elbe) zu unterbinden. Den Oberbefehl bei den Römern führten zunächst die beiden Brüder Sex. Quintilius Condianus und Sex. Quintilius Valerius Maximus, aber die Operationen verliefen für die Römer wenig glücklich, so daß im Jahre 178 der Kaiser selbst, zusammen mit seinem Sohn Commodus, auf dem Kriegsschauplatz erscheinen mußte. Nach dem Grundsatz des «Divide et impera» behandelte er die Gegner: während er gegenüber den Jazygen Milde walten ließ, führte er gegen die Markomannen und Quaden einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Beide Völker mußten sich bedingungslos unterwerfen, doch war der Krieg noch nicht erloschen, als Mark Aurel am 17. März 180 zu Vindobona von der Pest hinweggerafft wurde.

Für das Imperium Romanum waren die Germanen- und

Sarmatenkriege eine ausgesprochene Krisenzeit. Zum erstenmal war die Völkerwelt der zweiten Zone, zwischen der Ostsee und den Karpaten, in Bewegung geraten, die römische Grenzverteidigung, die in jahrzehntelanger Arbeit errichtet worden war, erwies sich als völlig unbrauchbar, die Zeit der unbedingten Überlegenheit der römischen Waffen über die Barbaren Völker gehörte der Vergangenheit an. Wieder hatte man die Donau zur Reichsgrenze gemacht, obwohl sich ihre Unzulänglichkeit nur zu deutlich erwiesen hatte. Das Römerreich aber brauchte die fremden Völker: Mark Aurel hatte 10000 Jazygen in den Dienst genommen, unter Commodus erscheinen die Germanen und Sarmaten als coloni oder foederati. Die bisher prokuratorischen Provinzen Raetia und Noricum hat Mark Aurel zu praetorischen erhoben, sie erhielten die beiden neuaufgestellten Legionen zugewiesen, und zwar lag die legio III Italica in Regina Castra (Regensburg), die legio II Italica in Lauriacum (Enns an der Donau) in Garnison. Unzweifelhaft kommt dem Kaiser Mark Aurel das Verdienst zu, die drohende Überflutung des Reiches durch Germanen und Sarmaten verhindert und dadurch dem Imperium ein weiteres Jahrhundert seines Eigenlebens gesichert zu haben.

Die anderen Kriege, die Mark Aurel zu führen hatte, waren von geringerer Bedeutung: es sind dies die Kämpfe gegen die in das Reichsgebiet eingefallenen Chatten in den Jahren 162 und 174, die Auseinandersetzung mit den Mauren in Mauretanien (172) und auf der Pyrenäenhalbinsel, besonders in Lusitanien (175/76), die Niederwerfung des Aufstandes der wehrhaften Bukolen in Unterägypten, die dem Avidius Cassius im Jahre 172 gelungen war.

Das eigentliche Feld für die Begabung des Philosophen auf dem Thron der Caesaren aber war nicht der Krieg, sondern die innere Politik und die Administration des Imperiums. Als überzeugter Stoiker wußte er sich für seine Untertanen verantwortlich, auf die Zusammenarbeit mit dem Senat hat er stets großen Wert gelegt. Im Gegensatz zu seinem sparsamen Vorgänger war er in finanziellen Dingen großzügig, beträchtliche Summen hat er für die Congiarien und Zirkusspiele ausgeworfen. Doch sollte es ihm nicht vergessen sein, daß er in Athen vier philosophische Lehrstühle geschaffen hat, deren Inhaber ihre Besoldung aus der Staatskasse erhielten. Im Jahre 178 ließ er alle Summen, die dem Fiskus geschuldet wurden, einfach streichen. Endlich verlieh er einer Anzahl von Städten, unter ihnen Smyrna, Ephesos, Nikomedien und Karthago, die Abgabenfreiheit. Überhaupt hat sich Mark Aurel den Städten des Reichs gegenüber sehr wohlwollend gezeigt. Berühmt ist der Senatsbeschluß, der die Herabsetzung der hohen Kosten für die Gladiatorenspiele in den Städten zum Gegenstand hat. Von ihm haben sich Abschriften in Italica in Südspanien und in dem kleinasiatischen Sardes gefunden. Segensreich war auch seine Tätigkeit auf dem Gebiet der Rechtsprechung. So hat der Kaiser das Unwesen der Denunzianten (delatores) unterdrückt und nach dem Vorgang Hadrians Italien wieder in vier Gerichtsbezirke eingeteilt. An ihrer Spitze standen vier iuridici, Prätorier mit weitgehenden jurisdiktionellen und administrativen Befugnissen.

Mark Aurel kannte die Christen, aber er liebte sie nicht. Sie waren in seinen Augen illoyale Bürger, die ihr eigenes Interesse über das des Staates stellten. So war der Konflikt unausweichbar, obwohl die stoische Weltanschauung des Prinzeps so manche Berührungspunkte mit der Lehre des Christentums aufzuweisen hatte. Von größeren Verfolgungen ist in der Überlieferung nicht die Rede, allein in Lugdunum (Lyon) ist eine Anzahl von Christen, unter ihnen der 90jährige Bischof Potheinos, unter schrecklichen Martern getötet worden (177). Hier war es die Bevölkerung der Stadt, die sich gegen die Christen aufhetzen ließ, die Zahl der Opfer dürfte jedoch 30 nicht wesentlich überstiegen haben. Aber auch an anderen Orten des Reiches, wie z. B. in Rom und in Pergamon, vielleicht auch in Smyrna, wenn anders das Polykarpmartyrium in diese Zeit gehört, erlitten Christen den Märtyrertod. Und es besteht kaum ein Zweifel, daß sich in diesen Verfolgungen der Geist des Zeitalters offenbart, für den letzten Endes der Kaiser mitverantwortlich gewesen ist.

Auch in der Regelung der Nachfolge hatte Mark Aurel keine glückliche Hand. Aus der Ehe mit der jüngeren Faustina hatte der Kaiser zwölf Kinder (vielleicht sogar noch mehr). Von den Söhnen aber war nur ein einziger am Leben geblieben, Commodus. Obwohl ihm die Schwächen des Sohnes nicht verborgen geblieben waren, hat Mark Aurel ihn im Jahre 177 zum Mitregenten proklamieren lassen, Commodus führte von nun an nicht nur den Augustustitel, sondern auch den Ehrennamen pater patriae. Auf dem Totenbett hat ihn Mark Aurel noch einmal ausdrücklich zu seinem Nachfolger designiert. Es sollte sich dies als ein Fehler erweisen - aber das Dilemma bestand darin, daß eine in jeder Weise geeignete Persönlichkeit in der Umgebung des Kaisers nicht vorhanden war, vielleicht mit Ausnahme des Schwiegersohnes Ti. Claudius Pompejanus, den Mark Aurel zum Ratgeber des Commodus bestimmt hatte. Die Zukunft des Reiches aber ruhte nach dem Ableben des Mark Aurel auf den Schultern eines Neunzehnjährigen, der weder über das Pflichtgefühl noch über die Fähigkeiten verfügte, die das Reich in seiner Krise nötig gehabt hätte.


10. Die Regierung des Commodus und die Kämpfe um die Nachfolge (180-193 n.

Chr.)

Commodus (er regierte von 180 bis 192) verdankte den Thron vor allem seinem Vater, der sich der Zustimmung des Heeres sicher gewesen war. Der Senat war gar nicht erst gefragt worden, dies erklärt teilweise den scharfen Gegensatz, der in der Folgezeit zwischen dem Kaiser und der hohen Körperschaft bestanden hat. Die Überlieferung (vor allem Cassius Dio, ein Zeitgenosse, aber auch die Historia Augusta) zeichnet Commodus als einen ausgesprochenen Tyrannen, ein Urteil, das die moderne Forschung im wesentlichen übernommen hat. Dabei wird jedoch die tiefgreifende Umwandlung übersehen, die sich im Imperium Romanum im Verlauf des 2. Jh. n. Chr. vollzogen hatte: Commodus ist zweifellos für die Krisenerscheinungen, vor allem auf dem Gebiet der Wirtschaft, aber auch im Heerwesen, nur zu einem geringen Teil verantwortlich. Allerdings hat Commodus die Regierung seinen Günstlingen überlassen, zuerst dem praefectus praetorio Tigidius Perennis, nach dessen gewaltsamem Tode im Jahre 185 dem M. Aurelius Cleander, einem Freigelassenen. Da der Kaiser sich von Verschwörungen umgeben wähnte, befand er sich ganz in den Händen seiner Ratgeber. Zahlreiche Senatoren wurden mit dem Tode bestraft, da man sie der Konspiration gegen das Leben des Prinzeps bezichtigt hatte. Die Verwaltung geriet in Unordnung, im Jahre 190 soll es nicht weniger als 25 Consules gegeben haben. Besonders drückend aber war die Geldnot; sie ist auf die schleichende wirtschaftliche Krise zurückzuführen, für die weder der Kaiser noch seine Ratgeber verantwortlich waren. In den Provinzen sah es besser als in Rom und in Italien aus: gerade in der Zeit des Commodus verfügte das Reich über eine beachtliche Zahl von hervorragenden Statthaltern, von denen es einige in der Folgezeit sogar zum Kaisertum gebracht haben, unter ihnen der bedeutendste, Septimius Severus, zuletzt Legat von Oberpannonien. Es war ferner ein Glück für das Reich, daß sich die Völker an seinen Grenzen an Rhein und Donau ruhig verhielten. So konnte Commodus auf die Besatzungen in den Barbarenländern verzichten, er gestattete den Klientelvölkern, Versammlungen abzuhalten, allerdings in Gegenwart eines römischen Offiziers. In Germania Superior und in Raetia wurde die Befestigungspolitik fortgeführt, in Nordbritannien hatten die Römer vor dem Druck der Briganten den Rückzug vom Antoninswall auf den Hadrianswall angetreten, und zwar wahrscheinlich schon unter Mark Aurel (s. S. 308). Im übrigen herrschte an den Grenzen und im Inneren des Reiches Ruhe. In Rom aber wuchs die Mißstimmung gegen den Prinzeps, der auf die Sympathie der Gebildeten keinen Wert legte und am liebsten in der Arena als Gladiator aufgetreten wäre. Sein Idol war Hercules, der Patron der Athleten, mit dem er sich selbst identifizierte. In der Überlieferung ist mehrfach von Verschwörungen gegen das Leben des Commodus die Rede. Im Jahre 182 wurde die Kaiserin Bruttia Crispina nach Capri verbannt, später wurde sie getötet, das gleiche Schicksal erlitt die leibliche Schwester des Commodus, Annia Lucilla beide wegen angeblicher Beteiligung an Verschwörungen. Aber erst die Konspiration des Jahres 192 erreichte ihr Ziel: Commodus wurde im Bade erdrosselt (31. Dezember 192), die Verschworenen, der praefectus praetorio Q. Aemilius Laetus und Eclectus, der Kämmerer (a cubiculis) des Kaisers, trugen dem P. Helvius Pertinax die Nachfolge an, dieser aber ließ sich nicht lange bitten. So hatte Rom am 1. Januar 193 einen neuen Kaiser. Er versprach den Prätorianern ein reiches Donativum, dem Senat blieb nichts anderes übrig, als Helvius Pertinax zu bestätigen.

In der Regierung des Commodus überwiegen die negativen Züge, und mit vollem Recht hat der Brite Edward Gibbon mit diesem Prinzeps die Geschichte des Niedergangs des römischen Reiches eingeleitet. Doch nicht alles war die Schuld des Commodus, es waren vielfach die Schäden seiner Zeit, die sich nicht mehr verbergen ließen. Am schlimmsten war es, daß die schöpferischen Kräfte der Bevölkerung, insbesondere der einstmals führenden Schichten, am Versiegen waren. Der Senatorenstand befand sich in einer tiefen Stagnation, aus der kein Weg zu einer Regenerierung herausführen sollte. Dazu bot die hohe Körperschaft des Senats in ihrer grenzenlosen Servilität gegenüber dem Kaiser ein geradezu widerwärtiges Bild. Irgendwelche in die Zukunft weisenden Ideale waren im Senat nicht vorhanden, das Bild der res publica libera war längst verblaßt, ja praktisch erloschen. Auch die Verschlechterung der finanziellen Lage des Staates fällt dem Commodus nicht zur Last: die Kriege seines Vaters hatten enorme Mittel verschlungen, eine Münzverschlechterung hatte natürlich nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt. Im Gegenteil, das Vertrauen zur Währung wurde ernstlich erschüttert, schon unter Marcus war es zu beträchtlichen Preissteigerungen gekommen, in denen sich die große wirtschaftliche Krisenzeit des 3. Jh. ankündigte. Auch das römische Heerwesen, eine der großen Säulen des Imperiums, war nicht mehr auf alter Höhe. Die Qualität der Offiziere und Soldaten ließ zu wünschen übrig, eine Erscheinung, die, zum mindesten teilweise, auf die lokale Konskription zurückzuführen ist. Die Provinzialisierung der Legionen und Auxilien war im Vormarsch, die Barbarisierung stand vor der Tür. In der Verwaltung des Reiches ist eine Tendenz zu einer stärkeren Dezentralisierung zu bemerken, eine Reihe von Funktionären wird mit Sonderaufgaben betraut, vor allem für die Verwaltung der Finanzen und der Annona. Außerdem gibt es zahlreiche curatores civitatium. Die Historia Augusta behauptet von Antoninus Pius, er habe den Grundsatz aufgestellt, daß jeder römische Bürger zu Leistungen für den Staat verpflichtet sei. Mag dies nun auf Wahrheit beruhen oder nicht - für die zweite Hälfte des 2. Jh. ist die Wiederbelebung der altrömischen munera nach dem Vorbild der ägyptischen Leiturgien charakteristisch. Dieser Vorgang aber hatte einschneidende Rückwirkungen auf die freie Wirtschaft zur Folge. Aus den Collegien der Handwerker und Gewerbetreibenden begannen allmählich regelrechte Zwangsgenossenschaften zu werden, welche die Entfaltung des einzelnen und des ganzen Berufsstandes in Fesseln schlugen. Auf religiösem Gebiet ist die Zeit der Antonine gekennzeichnet durch das Vordringen des orientalischen Glaubensgutes nach dem Westen. Die alten Götter, mochte man ihnen auch immer noch durch Weihungen und Opferhandlungen Verehrung zollen, verloren zusehends an Kraft und Einfluß, den Menschen genügte die altrömische Frömmigkeit nicht mehr, sie wandten sich den Erlösungsreligionen, den eleusinischen Mysterien, der Religion der ägyptischen Isis, des persischen Mithras und dem Christentum zu. Insbesondere durch die Begründung der christlichen Katechetenschule in Alexandrien unter Pantainos (um 180 n. Chr.) hat die christliche Lehre eine wissenschaftliche Fundierung erfahren, die für die Auseinandersetzung mit dem Griechentum von größter Bedeutung gewesen ist. Aus dieser Schule ist der große Kirchenlehrer Clemens von Alexandrien hervorgegangen, der den griechischen Geist in den Dienst der christlichen Kirche gestellt hat. Die Kirche selbst aber hat trotz mancherlei Verfolgungen in einer Periode zäher und geduldiger Arbeit die Grundlagen zu ihrer weltumspannenden Organisation geschaffen, die sich auch in den folgenden Jahrzehnten als tragfähig erweisen sollten.

Der Nachfolger des Commodus, den das Heer bestimmt hatte, war der praefectus urbi P. Helvius Pertinax, ein Mann bürgerlicher Herkunft, der durch seine militärischen Qualitäten den Weg in den Senat gefunden hatte. Bei seiner Thronbesteigung war er bereits 66 Jahre alt. Im übrigen glichen die Zustände nach dem Tode des Commodus fast auf ein Haar denen nach dem Tode Neros, und Pertinax führte eine Regierung, die in manchem derjenigen des Galba sehr ähnlich war. Pertinax erstrebte vor allem ein gutes Verhältnis zum Senat, was in dem von ihm angenommenen Titel princeps senatus zum Ausdruck kommt. Als Herrscher war er von bestem Willen beseelt, so ist die von ihm durchgeführte Trennung zwischen seinem Privatvermögen und dem Krongut richtungweisend gewesen, im übrigen war er sehr sparsam, die Tributzahlungen an die Barbarenvölker wurden eingestellt. Nach Herodian soll er auch die Okkupation des unbebauten Staatslandes gestattet und den neuen Besitzern eine zehnjährige Steuerfreiheit gewährt haben, eine Nachricht, die jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Kopfzerbrechen machte ihm das hohe Donativ, das er den Prätorianern in Aussicht gestellt hatte: jeder von ihnen sollte 12000 Sesterzen erhalten, doch konnte davon nur die Hälfte gezahlt werden, weil der Staatskasse das Geld ausging. Die Prätorianer waren mit dem neuen Kaiser alles andere als zufrieden, sie wurden überdies durch den praefectus praetorio Laetus, den Kaisermacher, aufgehetzt. So wurde Helvius Pertinax nach einer Regierung von knapp drei Monaten am 28. März 193 durch eine Meuterei der Prätorianer gestürzt, er fand den Tod; ein Barbar, der Tungrer Tausius, soll den ersten Stoß mit seiner Lanze gegen ihn geführt haben, eine Nachricht, die jedoch kaum der Wahrheit entspricht.

Der Favorit der Prätorianer war der Senator M. Didius Julianus, der noch am gleichen Tage zum Kaiser erhoben wurde. Er hatte den Prätorianern ein riesiges Donativ versprochen (angeblich 6250 Denare oder 25000 Sesterzen). Didius Julianus stammte aus Mailand, er war hier im Jahre 133 geboren. Seine Erziehung hatte er im Hause der Domitia Lucilla, der Mutter des Mark Aurel, erhalten. Im übrigen konnte er auf eine erfolgreiche Ämterlaufbahn zurückblicken, in der wichtige militärische Stellungen (Legat der legio XXII Primigenia in Germanien) mit Statthalterschaften abwechselten; zuletzt war er

Proconsul von Africa gewesen. Im Grunde war er als Prinzeps weder dem Senat noch dem Volk willkommen, das Heer in den Provinzen aber fühlte sich durch die Prätorianer übervorteilt. Die syrischen Legionen riefen den Legaten der Provinz, C. Pescennius Niger, zum Kaiser aus (wahrscheinlich Mitte April 193), aber schon am 9. April war in Carnuntum der Legat von Oberpannonien, L. Septimius Severus, zum Kaiser proklamiert worden. Ganz davon abgesehen, daß die Lage in Rom nicht sicher war, stand Didius Julianus gegen zwei Rivalen, die über die stärksten Heere in den Provinzen verfügten: Pescennius Niger hatte neun Legionen unter seinen Fahnen; die Donauarmee, die stärkste des Reiches, zählte zwölf Legionen, mit ihr stand die Rheinarmee (vier Legionen) in enger Verbindung, auf ihre Mitwirkung konnte gerechnet werden. Septimius Severus, gebürtig aus Leptis Magna in Africa, fühlte sich als Rächer des Pertinax, der bei den Truppen der Donauarmee große Sympathien besessen hatte. Didius Julianus versuchte, Rom in den Verteidigungszustand zu setzen, außerdem sandte er Mörder gegen die beiden anderen Prätendenten aus, der Senat erklärte Septimius Severus zum hostis, doch war dies nur Theaterdonner. Didius Julianus, dem der Boden unter den Füßen zu wanken begann, bot dem Septimius Severus die Mitregentenschaft an; aber es war bereits zu spät, die gegen den heranrückenden Prätendenten ausgesandten Truppen gingen in Umbrien zu diesem über, das Spiel war für Didius Julianus verloren, der Senat erklärte ihn für abgesetzt und rief Septimius Severus zum Prinzeps aus, dazu beschloß er die Apotheose des Pertinax. Didius Julianus, von allen verlassen, wurde im Palatium von einem Soldaten getötet (2. Juni 193), er hatte im ganzen nur 66 Tage regiert. Eine Abordnung von 100 Senatoren machte sich auf den Weg, um Septimius Severus entgegenzuziehen, sie traf ihn in Interamna an der Via Flaminia, Septimius Severus aber zeigte sich wider Erwarten gnädig und beschenkte jeden einzelnen der Senatoren mit einem Donativ von 100000 Sesterzen. Bevor er den Boden Roms betrat, forderte er die Prätorianer zur Übergabe auf: sie erschienen waffenlos und wurden cum ignominia entlassen, als Strafe für ihre Parteinahme für Didius Julianus. Die bisherige Prätorianertruppe wurde aufgelöst, an ihrer Stelle wurde eine neue Prätorianergarde aufgestellt. Sie bestand aus 15000 ausgesuchten Soldaten der Donauarmee. Der Kaiser selbst hielt am 9. Juni 193 seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt, und zwar in der Toga, nicht im Kriegsgewand, während das Heer natürlich im Schmuck der Waffen paradierte. Am folgenden Tage verkündete Septimius Severus vor dem Senat sein Regierungsprogramm, ganz besonders war ihm das Andenken des Pertinax teuer. Diesem zu Ehren wurde das Kollegium der sodales Marciani in ein solches der sodales Helviani umbenannt; dem unter die Staatsgötter erhobenen Vorgänger hielt Septimius Severus selbst die Lobrede. Die Anhänger des Didius Julianus aber wurden streng verfolgt. Rom hatte einen neuen Kaiser, doch stand die entscheidende Auseinandersetzung mit dem Rivalen Pescennius Niger noch bevor. Da dieser über das Kornland Ägypten verfügte, konnte er der Stadt Rom den Brotkorb höher hängen. Schon zu Beginn des Juli 193 verließ Septimius Severus die Hauptstadt wieder, um in den Endkampf gegen Pescennius Niger einzutreten. Es spricht für die Klugheit des neuen Prinzeps, daß er bereits vor seinem Aufbruch aus Pannonien sich den Rücken durch ein Abkommen mit dem Legaten von Britannien, Clodius Albinus, zu decken gewußt hatte, und zwar dadurch, daß er jenem den Caesartitel und damit die Mitregentschaft zugestanden hatte. Außerdem war Clodius Albinus von Septimius Severus adoptiert worden.


11. Die Zeit des severischen Kaiserhauses (193-235 n. Chr.)

Zu Beginn des Monats Juli 193 begab sich Septimius Severus von Rom aus in den Orient, um den Rivalen Pescennius Niger niederzuwerfen. Der Proconsul von Asia, Aemilianus, hatte inzwischen die Meerengen für Pescennius Niger in Besitz genommen, er wurde aber von den Voraustruppen des Septimius Severus von Perinth auf Byzanz zurückgeworfen. Pescennius Niger sah sich bald aus Kleinasien herausgedrängt, die Entscheidung fiel im April 194 in der Nähe von Issos. Die Tapferkeit der illyrischen Legionen gab den Ausschlag zugunsten des Septimius Severus, Pescennius versuchte sich zu den Parthern zu retten, ward aber ereilt und getötet. Sein Haupt ließ der Sieger in das Feldlager vor Byzanz bringen und den Einwohnern der belagerten Stadt zeigen, zum Zeichen dafür, daß jeder weitere Widerstand sinnlos geworden sei. Byzanz aber hat sich noch längere Zeit gehalten, erst gegen Ende des Jahres 195 mußte die feste Stadt kapitulieren. Die Einwohner wurden hart bestraft, die Mauern niedergelegt. Byzanz büßte seine Thermen und Theater ein, es wurde als Dorf (kome) zu Perinth geschlagen. Aber schon im Jahre 197 erhielt die Stadt ihre Rechte zurück, ihre frühere Bedeutung hat sie jedoch nicht wiedererlangt.

Mit dem Kriege gegen Pescennius Niger verquickte sich im Orient ein neuer Partherkrieg. Die Parther hatten nicht nur dem Pescennius ihre Hilfe in Aussicht gestellt, sie hatten auch mit einer Offensive im nördlichen Zweistromland beachtliche Erfolge zu verzeichnen. So war der bisherige römische Vasallenstaat Osrhoene auf parthische Seite übergetreten, Edessa wurde von einem Partherheer belagert. Septimius Severus konnte dieser Entwicklung nicht tatenlos zuschauen, er überschritt (wahrscheinlich im September 194) den Euphrat, die

Parther wichen vor ihm zurück; bereits im Sommer 195 schmückte sich der Kaiser mit den Siegesbeinamen Adiabenicus und Arabicus. Osrhoene wurde zunächst als römische Provinz organisiert, später aber dem einheimischen Fürsten zurückgegeben. Der Grund hierfür waren ungünstige Nachrichten aus dem Westen des Reiches: hier hatte sich Clodius Albinus, gleichfalls afrikanischer Herkunft, immer selbständiger gemacht, dazu verfügte er unter den Senatoren in Rom über einen bedeutenden Anhang. Anfang Dezember 195 ließ Septimius Severus seinen Rivalen und Mitregenten durch das Heer zum hostis erklären, die Truppen setzten sich aus den Winterquartieren Mesopotamiens nach dem Westen in Marsch. Im April 196, in Viminacium, wurde Bassianus, der älteste Sohn des Septimius Severus, im Alter von acht Jahren, unter dem Namen Antoninus zum Caesar proklamiert. Es ist der spätere Caracalla. Die britannischen Legionen aber hatten inzwischen Clodius Albinus zum Kaiser (imperator Augustus) ausgerufen, Gallien trat auf seine Seite über, Clodius Albinus verlegte sein Hauptquartier nach Lyon (Lugdunum). Auch der Statthalter (Legat) der Hispania Tarraconensis, L. Novius Rufus, schloß sich dem Clodius Albinus an und mit ihm die legio VII Gemina. Verhängnisvoll für den Gegenkaiser war es jedoch, daß die Heere Germaniens dem Septimius Severus die Treue hielten. Die kampferprobten Donaulegionen erzwangen sich auf dem Wege von Pontarlier nach Besanoon den Eintritt in Gallien, in der Schlacht bei Lyon (19. Februar 197) entschieden die Waffen zugunsten des Septimius Severus, nachdem das Schicksal lange auf des Messers Schneide gestanden hatte. Clodius Albinus kam auf der Flucht ums Leben, Lyon wurde von den siegreichen Truppen in Brand gesteckt und wie eine eroberte Stadt in Feindesland geplündert. Die Anhänger des Clodius Albinus wurden von Septimius Severus mit bitterem Haß verfolgt, die Tage Sullas schienen zurückzukehren. Allein in Rom sollen mehr als 50 Senatoren den Tod gefunden haben. Septimius

Severus aber erzwang die Konsekration des Commodus, er selbst bezeichnete sich als «Sohn des Marcus», und zwar auf Grund einer fiktiven Adoption durch den Kaiser Mark Aurel (bereits seit dem Jahre 195). Es gab auch einen flamen Commodianus; der Athlet Narcissus, der Commodus umgebracht hatte, mußte sterben.

Wenige Monate nach seinem Sieg, im Mai 197, eilte Septimius Severus ein zweites Mal in den Orient, dieses Mal in Begleitung seiner Gattin Julia Domna. Es begann ein neuer Partherkrieg (197-199). Rasch errangen die Römer bedeutende Erfolge. Schon im ersten Kriegsjahr fielen die Städte Babylon, Seleukeia und Ktesiphon in römische Hand, auf eine Verfolgung des Partherheeres nach Medien hinein wurde jedoch verziehtet, wiederholte Versuche, die Wüstenfestung Hatra einzunehmen, schlugen fehl. Trotzdem hatte der Kaiser Großes erreicht: er hatte dem Reich eine neue Provinz, Mesopotamien, gewonnen, sie wurde mit zwei Legionen belegt. Mittelpunkt der römischen Herrschaft jenseits des Euphrats war die Stadt Nisibis. Der frühere Pufferstaat Osrhoene aber hatte seine Bedeutung verloren, das Land galt von nun an als unmittelbares römisches Reichsgebiet.

Im Anschluß an den Partherfeldzug begab sich Septimius Severus nach Ägypten (199-200). Aus dieser Zeit stammt eine Anzahl von Verfügungen, die der Kaiser in Ägypten erlassen hat, es sind die sogenannten Apocrimata. Die Sympathie der Alexandriner wußte Septimius Severus dadurch zu gewinnen, daß er der Stadt die Bule, den Rat, zurückgab, den sie wahrscheinlich schon unter den Ptolemäern verloren hatte. Auf dem Landwege, über Antiocheia und durch Kleinasien, kehrte der Kaiser nach Rom zurück. Dabei besuchte er auch die Legionslager in Mösien und Pannonien. Die Jahre von 202 bis 205 waren zum erstenmal Friedensjahre, sie waren für den inneren Ausbau des Reichs sehr notwendig. Nach der Rückkehr des Kaisers von einem Aufenthalt in Afrika (203-204) wurden im Jahre 204 in Rom die Säkularspiele gefeiert. Am Ende seines Lebens, bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, mußte Septimius Severus noch einmal zu den Waffen greifen. In Britannien störten die Völker der Pikten und Maeten den Frieden der römischen Provinz (seit 206), im Frühjahr 208 machte sich der Kaiser mit seiner Familie auf den Weg nach Britannien. Durch umfangreiche Wege- und Brückenbauten wurde der Feldzug vorbereitet, das Ergebnis stand jedoch zu dem Aufwand in keinem Verhältnis, die feindlichen Völkerschaften verlegten sich auf den Kleinkrieg, der den Römern schwer zu schaffen machte. Septimius Severus ließ den Hadrianswall wieder instandsetzen. Mehr als eine Sicherung der Reichsgrenze wurde jedoch nicht erreicht. Mitten unter neuen Rüstungen gegen die Caledonier verstarb der Kaiser am 4. Februar 211 in Eburacum (York) im Alter von 64 Jahren.

Septimius Severus war nach einer glänzenden, allerdings mehr administrativen als militärischen Laufbahn mit 47 Jahren, auf der Höhe des Lebens, zum Kaisertum gelangt. Die pannonischen Legionen hatten keine schlechte Wahl getroffen. Zwar ist Septimius Severus kein großer Feldherr gewesen, die meisten seiner Siege haben seine Legaten für ihn erfochten, aber er wußte, wem er seine Krone zu verdanken hatte, und hat dies den Soldaten niemals vergessen. Geboren in Leptis Magna in Africa am 11. April 146, aus einer Ritterfamilie stammend, schuldete er seinen Aufstieg, ähnlich wie Vespasian, vor allem seinem Oheim. Sehr große Bedeutung hatte seine zweite Heirat mit Julia Domna, der Tochter des Julius Bassianus, der das Erzpriesteramt des Baal von Emesa innehatte. Angeblich soll sich Septimius Severus zu dieser Ehe entschlossen haben, weil das Orakel verkündet hatte, der Tochter des Bassianus sei es bestimmt, die Frau eines Königs zu werden. Julia Domna hat eine bedeutende Rolle in der Politik gespielt, die mit dem Tode ihres Gatten keineswegs beendet gewesen ist. In den Inschriften heißt sie nicht nur Pia, Felix, Augusta, sondern auch mater

Augustorum (wie einst Faustina II.) und mater castrorum, senatus et patriae. Mit vielen Göttinnen wurde sie gleichgesetzt, mit Demeter, Hera und Athene Polias in Griechenland, unter dem Namen Caelestis mit der punischen Tanit. Zahlreiche Syrer, Angehörige ihrer Familie, folgten ihr nach Rom, insbesondere ihre Schwester Julia Maesa und ihre Nichten, Julia Soemias, die Mutter des Elagabal, und Julia Mamaea, die Mutter des Severus Alexander. Zu den Freunden des Kaisers gehörte dagegen der Afrikaner C. Fulvius Plautianus. Er ist zum allmächtigen Praefectus praetorio emporgestiegen, seine Tochter Plautilla, Inhaberin einer riesigen Mitgift, wurde mit dem ältesten Sohn des Kaisers, M. Aurelius Antoninus (Caracalla), vermählt (202). Plautian aber stieg noch höher in der Gunst seines kaiserlichen Freundes: die Inschriften nennen ihn necessanus et adfinis Augustorum. Aber sein riesiges Vermögen erregte den Neid vieler Nebenbuhler, schließlich hat ihn sein Schwiegersohn kurzerhand durch einen Liktor umbringen lassen (205). Das ist das Ende eines der mächtigsten Männer, die das Reich seit Sejan und Perennis gesehen hatte.

Septimius Severus ist der erste in der langen Reihe der Soldatenkaiser, die das Imperium im 3. Jh. regiert haben. Während der Senat nur noch ein Schattendasein führte, rückten zahlreiche Repräsentanten des Ritterstandes in wichtige Stellungen der Reichsverwaltung ein. Sie finden sich insbesondere in den Prokuratorenstellen, die für die Finanzverwaltung und für gewisse Spezialkompetenzen stark vermehrt worden sind. Nach neueren Berechnungen hätte Septimius Severus nicht weniger als 46 Prokuratorenstellen neu geschaffen, während nur zehn fortgefallen sind. Um die Ergänzung des Ritterstandes war der Kaiser nicht verlegen. Den Centurionen stand der Aufstieg zum Ritterstand offen. Die Namen der Legionen vom Rhein und von der Donau verewigte der Kaiser auf Münzen, die Soldaten erhielten wichtige Privilegien. So wurden sie von allen persönlichen Lasten in den

Gemeinden befreit, es wurde ihnen erlaubt, eine rechtmäßige Ehe zu schließen, womit ein stillschweigend geduldeter Zustand endlich seine rechtliche Sanktionierung erhielt. Die Zahl der Legionen wurde um drei vermehrt (legio Parthica I-III), von diesen wurde die zweite nach Albano bei Rom ins Quartier gelegt. Sie diente als Verstärkung der Prätorianer und wurde wie diese dem Praefectus praetorio unterstellt. Bei den Prätorianern wurden immer mehr Soldaten aus den Provinzen eingestellt, vor allem Illyrer. Durch bittere Erfahrungen belehrt, hat Septimius Severus einige größere Provinzen zerschlagen, um die Machtfülle der kaiserlichen Legaten einzuschränken. So ist Britannia in zwei Provinzen (Superior und Inferior, mit den Hauptstädten Deva und Eburacum) zerlegt worden, ebenso auch Syria, das nunmehr in Syria Coele und Syria Phoenice geteilt erscheint. Außerdem wurde Numidien von Africa abgetrennt, das Amt des Statthalters übernahm der Befehlshaber der legio HI Augusta. Für die Provinzstatthalter, soweit sie nicht Proconsuln waren, kam jetzt der Titel praeses in Anwendung. In der Verleihung von Privilegien an Stadtgemeinden mit berühmten Namen war der Kaiser nicht kleinlich. So erhielten die Städte Tyrus, Karthago, Leptis Magna und Utica das ius Italicum, das höchste Bodenrecht einer römischen Kolonie, sie erlangten dadurch die Befreiung von der Bodenund Kopfsteuer (tributum soli et capitis). Nach dem Vorbild, das Helvius Pertinax gegeben hatte (s. S. 318), wurde aus der resprivata des Prinzeps ein eigenes Ressort gebildet, man unterschied von nun an zwischen dem Krongut und dem Erbgut, das letztere wurde durch zahlreiche Vermögenseinziehungen wesentlich bereichert und schließlich einem eigenen procurator rationis privatae unterstellt. Auch in der Verwaltung des Fiscus gab es Veränderungen, der oberste Beamte hieß von nun an Rationalis, die Stellen der advocati fisci wurden vermehrt. Von weitreichender Bedeutung war schließlich die Tatsache, daß der Kaiser die Designation der hohen Magistrate, der Consuln und

Prätoren, selbst in die Hand nahm. Die Provinzen wurden ihnen durch das Los zugewiesen. Über die Gemeindefinanzen übten kaiserliche Kommissare eine strenge Aufsicht aus. Sehr segensreich aber war die Tätigkeit und das Werk der großen Juristen, vor allem des Papinian, Paulus, Callistratus und Ulpian.

Trotz des sich immer mehr verschärfenden staatlichen Zwanges steht das kulturelle Leben der Städte noch auf voller Höhe. Die Inschriften verzeichnen im Westen und im Osten des Reiches eine Fülle von Stiftungen wohlhabender Privatleute, sie nennen eine große Zahl von öffentlichen Bauten. Insbesondere die Kaiserin Julia Domna hat sich der Literaten angenommen, der Sophist Flavius Philostrat war der Erzieher ihrer Söhne, wahrscheinlich derselbe, der die Lebensbeschreibung des großen Wundertäters Apollonios von Tyana (1. Jh. n. Chr.) verfaßt hat. Auch die Agonistik der Hellenen ist eifrig gepflegt worden. Dies zeigt die Schrift des Philostrat über die Gymnastik, während die griechischen Papyri aus Ägypten das Weiterleben der Institution der Ephebie bezeugen. Die afrikanische Herkunft des Septimius Severus hat vielfach zu der Annahme geführt, daß der Kaiser seine Heimatprovinz besonders bevorzugt habe. Doch gibt es hierfür keinen wirklich zwingenden Beweis, im Gegenteil, auch der Afrikaner Septimius Severus hat sich, wie seine Vorgänger auf dem Kaiserthron, nach Rom hin orientiert. Immer noch bilden die Italiker die Mehrzahl unter den Senatoren, nicht anders bleiben die hohen militärischen Führerstellen in erster Linie den Italikern, daneben auch Römern aus Spanien, vorbehalten. Aber die Zeiten der unbedingten Vorherrschaft Roms waren vorüber, insbesondere war die Allmacht des Heeres ein warnendes Menetekel für die kommenden Zeiten. Der Soldat, nicht mehr der Bürger, war der erste Mann im Staat, und während die Bürger Roms und der Munizipien durch Spenden und Spiele bei guter Laune gehalten wurden, führten die Heere die Kriege, die Soldaten wurden fürstlich belohnt, sie haben ihre Herrschaft nicht mehr aus der Hand gegeben.

Nach dem Tode des Septimius Severus (211) regierten zunächst seine beiden Söhne, M. Aurelius Antoninus (Caracalla) und sein jüngerer Bruder P. Septimius Geta. Die eigentliche Leitung des Staates aber lag in den Händen der Mutter Julia Domna. Sie hat die von den Brüdern geplante Teilung des Reiches verhindert. Am 19. Februar 212, also nach gerade einjähriger gemeinsamer Regierung, ließ der Ältere den Jüngeren in den Armen der Mutter umbringen, Heer und Senat sanktionierten die grausige Mordtat, der Senat soll in seiner Würdelosigkeit die alten Beispiele des Romulus und des Nero beschworen haben. Es wurde eine allgemeine Amnestie verkündet, verbunden mit einer im ganzen Reich zu feiernden Öffentlichen Freudenkundgebung (laetitia publica). Doch hielt sich Caracalla nicht an das Gesetz, es folgte vielmehr eine große Zahl politischer Morde, angeblich sollen 20000 Menschen umgebracht worden sein. Unter den Ermordeten befand sich auch der große Jurist Papinian. Er hatte den Zorn des Caracalla erregt, weil er sich geweigert hatte, eine Apologie des Brudermordes zu schreiben. Der Name des unglücklichen Geta wurde auf den Inschriftensteinen ausgemeißelt, man tat dies mit so geringer Umsicht, daß auch andere Träger des Geta-Namens in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Aus dem Jahre 212 stammt das berühmte Edikt des Caracalla, das seinen Namen verewigt hat, die Constitutio Antoniniana. Sie verlieh allen Reichsangehörigen das römische Bürgerrecht, mit der alleinigen Ausnahme der dediticii, einer Gruppe, die eindeutig zu definieren bis heute nicht gelungen ist. E. Bickermann hat seinerzeit die Hypothese vertreten, der Papyrus Gießen I 40 sei gar kein Bruchstück dieser Constitutio, sondern ein ergänzendes Edikt (eine Novelle), das im übrigen nicht die Peregrinen, sondern die Barbaren betreffe, die erst kürzlich in den Reichsverband aufgenommen worden seien. Diese Annahme hat aber in der Forschung mit Recht wenig Anklang gefunden. Die berühmte Constitutio, die wahrscheinlich auf die Kaiserin Julia

Domna und die großen Juristen zurückzuführen ist, war im übrigen nicht völlig revolutionär. Cassius Dio wird recht haben, wenn er sagt, sie habe den Zweck gehabt, dem Staat mehr Steuereinnahmen zu bringen. Dies gilt insbesondere für die Erbschaftssteuer. Von diesem finanziellen Gesichtspunkt verlautet aber im Papyrus nichts, die Urkunde führt vielmehr juristische und religiöse Gründe an: der Kaiser will den römischen Göttern neue Verehrer zuführen. Die Auswirkungen der Constitutio waren sicherlich bedeutend, die Zahl der neuen römischen Bürger ging in die Hunderttausende, in dem überaus häufigen Vorkommen des Gentiliziums Aurelius ist die weltweite Auswirkung des Gesetzes zu erkennen. Die Constitutio Antoniniana ist zweifellos ein Hebel der Romanisierung geworden, mögen auch immer noch ganze Bevölkerungsschichten vom Besitz des römischen Bürgerrechts ausgeschlossen gewesen sein.

Im übrigen aber war Caracalla ein Kaiser so recht nach dem Herzen seiner Soldaten, eine Tatsache, die wenigstens zum Teil die negative Beurteilung erklärt, die sich bei den zeitgenössischen Historikern findet. In den offiziellen Erlassen erscheint jedoch ein ganz anderer Kaiser aber für die Gesetzgebung und die Administration des Reiches sind vor allem die großen Juristen verantwortlich gewesen. Caracalla fühlte sich als neuer Alexander, die Nachahmung ging so weit, daß er die makedonische Phalanx wiedererstehen ließ und am Grabe des Achilles Opfer darbrachte. Im Jahre 213 sind Kämpfe in Rätien bezeugt, und zwar gegen die Alamannen, deren Name hier zum erstenmal in der Überlieferung erscheint. Die Arvalakten verzeichnen unter dem 20. Mai 213 für Caracalla den Siegesbeinamen Germanicus Maximus, am 6. Oktober dagegen ein Opfer wegen eines Sieges, den der Kaiser errungen hatte (am unteren Main?). Im übrigen hatte Caracalla eine ausgesprochene Vorliebe für die Germanen; er umgab sich mit einer germanischen Leibwache, den «Löwen», und legte selbst

gelegentlich germanische Tracht an.

Gegen Ende des Jahres 213 nach Rom zurückgekehrt, brach Caracalla im Frühjahr 214 zum Krieg in den Orient auf, in seiner Begleitung befanden sich Julia Domna und der Praefectus praetorio M. Opellius Macrinus. Als Caracalla in Antiocheia angelangt war, zeigte es sich, daß der neue Partherkönig Vologaeses V. keinen Krieg wollte. Unruhen riefen den römischen Kaiser nach Ägypten. Die Bevölkerung Alexandriens wurde streng bestraft, die Stadt durch eine hohe Mauer in zwei Teile geteilt, außerdem wurden Kastelle zur Überwachung errichtet. Auch im Partherreich war es zu Unruhen gekommen. Artabanos, ein jüngerer Bruder des Großkönigs, hatte sich eines Teils des Reiches bemächtigt, er galt als ein geschworener Feind der Römer. Caracalla, aus Ägypten nach Syrien zurückgekehrt, traf Vorbereitungen für den Partherkrieg. Die Könige von Osrhoene und Armenien nahm er durch treulosen Verrat in Gewahrsam. Wie es heißt, soll Caracalla um die Tochter des neuen parthischen Großkönigs Artabanos V. geworben haben, er wurde aber abgewiesen und nahm die Gelegenheit wahr, einen Einfall in das Partherreich zu unternehmen. Er gelangte bis Arbela, wo er die Königsgräber plündern und verwüsten ließ (Sommer 216). Doch schon am 8. April 217 wurde Caracalla auf der Straße nach Carrhae durch einen Offizier seiner Leibwache niedergestreckt. Hinter dem Attentat stand der Praefectus praetorio M. Opellius Macrinus, der sich von dem Kaiser bedroht gefühlt hatte. Caracalla ist 31 Jahre alt geworden, er hatte nur sechs Jahre und vier Monate regiert.

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