Pompejus ist alles andere als ein Genie, sein Gesicht zeigt jene charakteristische Mischung von Hochmut und Verschlagenheit, die schon seinen Zeitgenossen auf die Nerven gegangen ist. So hat er es nie verstanden, sich die Sympathien der Senatsoligarchie zu erwerben. Die Nobiles haben ihm immer wieder die kalte Schulter gezeigt, da sie sich nicht für einen Mann erwärmen konnten, der auf Grund seiner bedeutenden Leistungen als Feldherr immer und überall mit dem Anspruch auftrat, der Erste der Bürger (princeps civium) zu sein. Womöglich noch schlimmer aber war es, daß Pompejus im Grunde über keine politische Konzeption verfügte, er vermied es, sich klar zu äußern, was ihm wiederum als Hinterhältigkeit verdacht wurde. Auch die Nobilität ist alles andere als schuldlos: sie fürchtete, sehr mit Unrecht, eine Alleinherrschaft des Pompejus; das gegenseitige Mißtrauen hat die Front gegen Caesar entscheidend geschwächt und diesem den Sieg wesentlich erleichtert.
Caesar hatte sich nach dem Siege bei Pharsalus zunächst nach der Provinz Asia begeben. Am 1. Oktober 48 erreichte er Alexandrien. Hier warf er sich zum Schiedsrichter der streitenden Ptolemäer auf. Er proklamierte eine Samtherrschaft des Ptolemaios XIII. und der Kleopatra VII. Der jüngere Bruder, Ptolemaios XIV., und seine Schwester Arsinoe wurden mit Cypern abgefunden. Mit gutem Grund hat Caesar dies im
Bellum civile
verschwiegen. Caesars Verbindung mit der
Der ausgedehnte Aufenthalt Caesars in Ägypten hatte den Pompejanern wieder Luft verschafft. Zwar waren Illyrien und Griechenland ihnen verlorengegangen, aber anstatt dessen hatte sich die Provinz Africa in eine Hochburg der Pompejaner verwandelt. Sie beherrschten damit ein Gebiet, von dem aus sie die Verbindungen Caesars mit Italien und Spanien empfindlich stören konnten. Trotzdem hat sich Caesar zunächst nach dem Osten, nach Kleinasien gewandt. Hier hatte sich der Sohn des großen Mithradates, Pharnakes, ein ausgedehntes Reich geschaffen. Außer dem bosporanischen Reich auf der Krim herrschte er über die Landschaften Pontos und Kleinarmenien, auch auf Bithynien und Kappadokien hatte er übergegriffen. Die Römer unter Cn. Domitius Calvinus hatten in Kleinarmenien, bei Nikopolis, von Pharnakes eine Niederlage hinnehmen müssen. In Palästina fand Caesar noch Zeit, die Verhältnisse des jüdischen Staates zu ordnen, und zwar bestätigte er Hyrkanos als
Ethnarchen und Hohenpriester, die eigentliche Regierung aber legte er in die Hände des Idumäers Antipatros, des Vaters des Herodes I. Gegen Pharnakes hatte Caesar ein leichtes Spiel, er siegte bei Zela im Pontos (am 2. August 47 = 21. Mai jul.), Pharnakes rettete sich zunächst nach Sinope, dann zu Schiff ins Bosporanische Reich, wo er durch seinen Rivalen Asandros den Untergang fand.
Für Rom und Italien war Caesars lange Abwesenheit ein Unglück. Infolge des Bürgerkrieges standen Handel und Wandel still, die Wirtschaft litt unter einer schweren Depression, zahlreiche Bürger waren tief verschuldet und erwarteten von Caesar durchgreifende Maßnahmen. Gegenüber den Unruhen waren die Magistrate in Rom machtlos, der Consul P. Servilius Isauricus, ein erprobter Freund Caesars, hatte einen harten Stand. Im Herbst des Jahres 48 wurde Caesar übrigens zum zweiten Mal Diktator, es war dies eine Jahresdiktatur, die bis zum Herbst 47 gedauert hat. Die Ernennung hatte P. Servilius Isauricus als Consul ausgesprochen. Im Jahre 47 hatte es in Rom keine Wahlen gegeben. Als einziger Obermagistrat fungierte M. Antonius in seiner Eigenschaft als magister equitum Caesars. In Rom herrschte die Straße, es gab erbitterte Kämpfe zwischen den Banden, die in P. Cornelius Dolabella, dem Schwiegersohn Ciceros, und in L. Trebellius, einem anderen Volkstribunen, ihre Anführer hatten. Erst im Oktober 47 traf Caesar auf dem Wege über Mytilene, Athen und Korinth wieder in der Hauptstadt ein. In der Nähe Brundisiums war er mit Cicero zusammengetroffen, der von Caesars Liebenswürdigkeit des Lobes voll war. M. Antonius wurde wegen Unfähigkeit auf zwei Jahre kaltgestellt, das Consulat übernahmen Fufius Calenus und P. Vatinius, während für das folgende Jahr (46) Caesar selbst, zusammen mit M. Aemilius Lepidus, zu Consuln gewählt wurden. Die Zahl der Prätoren erhöhte Caesar von acht auf zehn, den stark dezimierten Senat füllte er durch Angehörige des Ritterstandes wieder auf.
Der afrikanische Feldzug des Jahres 47/46 zeigt Caesar noch einmal auf der vollen Höhe seiner Feldherrnkunst. In Africa verfügten die Pompejaner über nicht weniger als zehn Legionen, in Utica hatte sich eine Art von Gegensenat gebildet. Fast alle namhaften Gegner Caesars hatten sich hier zusammengefunden: Metellus Scipio, der Oberbefehlshaber, M. Petrejus, T. Labienus, Cn. und Sex. Pompejus, die Söhne des Pompejus Magnus, auch M. Porcius Cato, der die Provinz Africa auf dem beschwerlichen Landwege über Kyrene erreicht hatte. Mit ihnen im Bunde war der König Juba von Numidien, während die Herrscher von Mauretanien, Bogud und Bocchus, es mit Caesar hielten, ebenso wie der römische Freibeuter P. Sittius, ein ehemaliger Catilinarier, der sich eine unabhängige
Stellung in Mauretanien errichtet hatte. Caesar landete am 28. Dezember 47 (= 12. Oktober 47 jul.), zunächst mit nur 3000 Mann, in Hadrumetum, er bemächtigte sich der Stadt Leptis Minor und wandte sich vom Plateau von Ruspina gegen die Seefestung Thapsus. Wenn er zunächst auch eine Niederlage von seinem ehemaligen Legaten T. Labienus hinnehmen mußte, so verfehlte doch seine Propaganda bei den Pompejanern ihre Wirkung nicht: zu Hunderten wechselten die Pompejaner auf seine Seite über. In der Entscheidungsschlacht bei Thapsus (6. April 46 = 7. Februar jul.) wurde auf beiden Seiten mit großer Erbitterung gekämpft, die Pompejaner wurden vernichtend geschlagen. Übrigens hatte sich der Zorn der cäsarischen Soldaten teilweise gegen die Offiziere in den eigenen Reihen gerichtet. Als Caesar vor Utica erschien, gab sich Cato in der Stadt selbst den Tod; er wollte, wie er sagte, nicht dem Tyrannen verpflichtet sein, der Menschen begnadige, über die ihm kein Recht zustehe. Mit seinem Tod hatte Cato vor aller Welt gezeigt, daß die Ideale der res publica libera nicht erloschen waren. Mag auch das Leben Catos manche weniger sympathischen Züge aufweisen - so haben schon die Zeitgenossen seinen mit Selbstgefälligkeit zur Schau getragenen
Doktrinarismus vielfach getadelt -, sein Tod versöhnt mit seinen Schwächen: er hat für seine Überzeugung sein Leben eingesetzt, und die Erinnerung an seinen Tod in Utica hat sein Erdenleben um viele Generationen überdauert. Auch die meisten führenden Pompejaner sind damals umgekommen, nur die beiden Söhne des Pompejus Magnus retteten sich nach Spanien, und mit ihnen T. Labienus und Attius Varus. Das Königreich Numidien, dessen Herrscher Juba gleichfalls unter den Toten war, wurde als eine neue Provinz unter dem Namen Africa Nova konstituiert, der erste Statthalter war C. Sallustius Crispus, er hat die Einwohner in einer geradezu schamlosen Weise ausgebeutet, so daß er sich in einem Repetundenprozeß dafür verantworten mußte. Die westlichen Bezirke Numidiens fielen an P. Sittius, ihr Mittelpunkt war Cirta, das als colonia Sittianorum neu begründet wurde.
In Rom feierte Caesar einen vierfachen Triumph, über Gallien, Ägypten, Pharnakes und Juba. Sein großer keltischer Gegner, Vercingetorix, wurde danach im Tullianum umgebracht, eine ganz unnötige Grausamkeit. Aus Ägypten kommend erschien Kleopatra mit ihrem Bruder Ptolemaios XIV. und mit ihrem Sohn von Caesar, Kaisarion, in Rom, sie bezog eine Villa jenseits des Tiber; ihre Anwesenheit in der Hauptstadt erregte viel böses Blut, und Cicero ließ so manche bissige Bemerkung in seine Korrespondenz über sie einfließen. Im übrigen gab sich der große Redner jetzt nach außen hin ganz als Caesarianer, wie dies etwa seine Dankrede für die Begnadigung des M. Marcellus (Pro Marcello) erkennen läßt. In ihr beschwor er den großen Mann, sich mehr um seine eigene Sicherheit zu kümmern, dazu bat er ihn in aller Form, dem Staat eine neue Verfassung zu verleihen, erst dann werde sein Werk vollendet sein und sein irdisches Leben überdauern. Auch sonst fand Caesar so manche Ratgeber; auch die unter dem Namen des Sallust überlieferten Briefe an Caesar (Epistulae ad Caesarem senem), für deren Echtheit vieles spricht, gehören in diese
Kategorie. Den Zeitgenossen war es klargeworden, daß der Staat und die Gesellschaft einer grundlegenden Reform bedurften, und sie setzten ihre Hoffnung auf Caesar. Daß ihm anderseits so manche seiner Mitbürger ganz ablehnend gegenüberstanden, wird niemanden verwundern, der ähnliche Zeiten einer entstehenden Diktatur selbst erlebt hat.
Bei der Beurteilung der cäsarischen Reformen ist nicht zu übersehen, daß vieles durch seinen unerwartet frühen Tod Stückwerk geblieben ist. Trotzdem aber verraten seine Maßnahmen, mögen sie nun ausgeführt oder nur geplant gewesen sein, die Kraft seines Genius, der hier teilweise ganz neue Wege beschritten hat. Am wenigsten durchgreifend waren die von ihm für die Versorgung der römischen Plebs getroffenen Anordnungen. Er hat die Zahl der Getreideempfänger von 320000 auf 150000 herabgesetzt, zahlreiche Proletarier, insgesamt 80000, in überseeischen Kolonien untergebracht. Damit aber war das Problem des großstädtischen Proletariats nicht aus der Welt geschafft. Auch die cäsarischen Luxusgesetze erwiesen sich als ein Schlag ins Wasser, zumal ihr Urheber, Caesar, selbst nicht mit dem besten Beispiel vorangegangen ist. Anders steht es mit den Reformen auf dem Gebiet des Rechtswesens und der Verwaltung: die Geschworenen wurden nunmehr allein von den Senatoren und Rittern gestellt, von den Ärartribunen verlautet nichts mehr. Die Statthalterschaften in den Provinzen wurden neu geregelt. Und zwar war für die Consuln nach dem Ablauf ihres stadtrömischen Amtsjahres ein zweijähriges, für die Prätoren ein einjähriges Imperium in den Provinzen vorgesehen. Verlängerungen wurden untersagt. Von größter Fernwirkung aber war die cäsarische Kalenderreform. An die Stelle des Mondjahres trat am 1. Januar 45 das Sonnenjahr von 365 1/4 Tagen. Zur Überleitung ließ Caesar im Jahre 46 im ganzen 67 Tage einschalten (intercalieren), so daß dieses Jahr nicht weniger als 445 Tage zählte (annus confusionis), da man nach dem 23. Februar bereits den üblichen
Schaltmonat von 23 Tagen eingeschaltet hatte. Das julianische Jahr war ein Ableger des ägyptischen Sonnenjahres, die notwendigen Berechnungen hatte ein Grieche namens Sosigenes angestellt. Übrigens wurde die Einschaltung eines zusätzlichen Tages alle vier Jahre zunächst nicht richtig gehandhabt, so daß Augustus das Jahr wieder in Ordnung bringen mußte.
Außer anderen Ehren erhielt Caesar nach dem Siege bei Thapsus auch die Jahresdiktatur auf zehn Jahre. Sie sollte unter Anrechnung der beiden früheren Diktaturen als III bis XII gezählt werden, und vom April 46 bis zum April 36 dauern. Aber auch dieses Mal wurde die altrömische Sitte der Abdikation am Ende einer jeden Jahresdiktatur beibehalten. Doch war es nunmehr klar ersichtlich, daß Caesar nicht die Absicht hatte, seine Macht wieder aus der Hand zu geben.
Am Ende des Jahres 46 begann der spanische Feldzug. Gestützt auf ihre vielfachen Verbindungen und Klientelen, hatten die Söhne des Pompejus Magnus die Oberhand über Caesars Statthalter, C. Trebonius, und über seine Legaten gewonnen. Der Sieg Caesars bei Munda (nördlich von Gibraltar) am 17. März 45 brachte die Entscheidung, sie fiel trotz beträchtlicher Überlegenheit der Pompejaner (13 Legionen gegenüber 8 cäsarischen) wieder zugunsten Caesars, und zwar vor allem durch eine Reiterattacke des Königs Bogud von Mauretanien. Von den Führern der Gegenpartei vermochte sich nur Sex. Pompejus in das nördliche Spanien zu retten. Er hat auch noch Caesars Erben so manche Schwierigkeiten bereitet. Der Sieg bei Munda zog gewissermaßen einen Schlußstrich: alle Gegner waren jetzt niedergeworfen, nur in Syrien, in Apamea, behauptete sich Q. Caecilius Bassus, er wurde aber von den Caesarianern Q. Marcius Crispus und L. Staius Murcus belagert und bedeutete keine Gefahr mehr.
Auf Caesar ging eine ganze Fülle von Ehrungen nieder, die ihm der Senat und das Volk beschlossen hatten (20. April 45): ihm wurde der Titel Imperator als vererbbarer Name verliehen, es wurde ihm gestattet, bei allen öffentlichen Anlässen im Triumphalgewand und mit dem Lorbeerkranz zu erscheinen. Wegen seines Sieges über Pompejus erhielt er den Ehrentitel «liberator», dazu wurde die Errichtung eines Tempels und eines Palastes für Caesar auf dem Quirinal beschlossen. Endlich verlieh man ihm zu der zehnjährigen Diktatur noch ein zehnjähriges Consulat! Nur wenige Wochen später, im Mai 45, kamen weitere Ehrenbeschlüsse hinzu; der wichtigste davon war, daß eine Statue mit der Inschrift Deo invicto im Tempel des Quirinus, eine andere im Kreise der Könige und des L. Brutus aufgestellt werden sollte. Gewiß hat sich Caesar selbst um diese Ehrungen nicht bemüht, er hat sie aber auch nicht zurückgewiesen. Insbesondere der Senat überschlug sich in Ergebenheit, Caesars Anhänger hatten längst jedes Augenmaß verloren, der Weg zur Monarchie war klar ersichtlich. Von der alten Republik hielt Caesar nicht viel, die republikanischen Ämter bedeuteten ihm wenig, nicht einmal das Consulat war ihm heilig. Im Jahre 44 waren Caesar und der wieder zu Gnaden angenommene Antonius Consuln. In diesem Jahre gab es eine beträchtliche Vermehrung der Magistrate: die Zahl der Quästoren wurde auf 40 heraufgesetzt, die der plebejischen Ädilen auf 4, Prätoren gab es jetzt 14, schließlich sogar 16 (anstatt bisher 10). Außerdem besaß Caesar seit dem Ende 45 das Recht, die Hälfte der Magistrate (mit Ausnahme der Consuln) zu ernennen, natürlich waren aber auch die anderen, nicht von ihm ernannten von ihm abhängig. Im übrigen verfügte Caesar über eine ganze Reihe treuer Helfer. Zu ihnen gehörten A. Hirtius, C. Oppius, die beiden Balbi aus Gades in Spanien und andere. Doch ist Caesar selbst niemals in Abhängigkeit von seinen Mitarbeitern geraten, anders als die späteren Principes Tiberius und Claudius.
Wer die Leistung Caesars unbefangen würdigen will, darf sich durch die überwiegend negativen Stimmen der cäsarischen Zeitgenossen ebensowenig beeindrucken lassen wie durch die modernen Lobredner. Caesars bedeutendste Leistung ist zweifellos der Aufbau und die Führung seines Heeres. Seine Soldaten gingen für ihn durchs Feuer, und Caesar selbst hat alles getan, um sich die Sympathien seiner Mitkämpfer zu erhalten. Überraschend groß war seine Fähigkeit, auch gerade die früheren Gegner, die Soldaten des Pompejus, an sich heranzuziehen. Das Heer zählte 38 oder 39 Legionen (insgesamt etwa 250000 Mann), dazu kamen noch die Auxilia, die Flotte und der Troß. Die Angehörigen der neun Veteranenlegionen des Gallischen Krieges schieden nach dem Bürgerkrieg aus dem aktiven Dienst, sie wurden in Italien angesiedelt. Viele von ihnen aber stellten sich später Caesar wieder zur Verfügung. Aus diesen Veteranen hat Octavian im Jahre 44 sein Heer gegen Antonius gebildet. Da Italien nicht imstande war, die notwendige Zahl von Soldaten für die Legionen aufzubringen, mußte bereits Caesar zahlreiche Nichtbürger in sein Heer einstellen; sie erhielten natürlich beim Eintritt in die Legionen das römische Bürgerrecht. Auch sonst verfuhr Caesar hiermit nicht kleinlich. Zahlreiche Männer der Wissenschaft, unter ihnen vor allem griechische Ärzte, haben es verliehen bekommen. In den Provinzen wurde die Romanisierung weitergeführt, insbesondere in Spanien und in Gallia Narbonensis. In Caesars Nachlaß fand sich ein Entwurf zu einem Gesetz, auf Grund dessen ganz Sizilien das latinische Recht erhalten sollte. Antonius hat dieses Geschenk sogar in die Bewilligung des vollen römischen Bürgerrechts umgewandelt. In Africa gab es sieben oder acht römische Kolonien, die ihren Ursprung auf Caesar zurückführten, auch die Neugründung Karthagos als römische Bürgerkolonie (Colonia Iulia Concordia) war von Caesar beabsichtigt, sie ist aber erst von Octavian ausgeführt worden. Der Osten des Reiches bietet allerdings ein ganz anderes Bild. In Hellas brachte es nur Korinth (laus Iulia Corinthiensis) zu größerer Blüte. Andere cäsarische Kolonien waren Dyme in Achaia, Buthrotum in
Epirus, auf kleinasiatischem Boden Lampsakos, Apameia (Myrleia) in Bithynien (Colonia Iulia Concordia), Herakleia Pontica und Sinope (Colonia Iulia Felix). Doch hat Caesar in nur zwei bis drei Jahren mehr Kolonien gegründet oder zum mindesten geplant als die gesamten Kaiser von Claudius bis Trajan zusammengenommen. Die Zeitgenossen haben dieses Werk in keiner Weise gewürdigt, auch Cicero hat ihm hierfür kein Wort der Anerkennung gezollt. In Italien ließ Caesar große Meliorationen in Angriff nehmen, so sollte nicht nur der lacus Fucinus, es sollten auch die pontinischen Sümpfe trockengelegt und in Kulturland umgewandelt werden. Diese Arbeiten waren bei seinem Tode in den ersten Anfängen, erst in moderner Zeit wurden sie wieder aufgenommen und auch zu Ende geführt. Rom aber schmückte Caesars Munifizenz mit zahlreichen Bauten. In dem Forum Iulium mit der Curia Iulia gab er der Hauptstadt einen neuen Mittelpunkt. Die Curia Iulia ist erst durch Augustus vollendet worden. Zu der Bebauung des Campus Martius kam die Errichtung einer großen öffentlichen Bibliothek, deren Leitung dem M. Terentius Varro anvertraut wurde.
Die ersten Monate des Jahres 44 sahen wiederum eine große Zahl von Ehrungen für den Diktator: seine Statue sollte in allen Tempeln Roms und des ganzen Reiches aufgestellt werden; Caesars Geburtsmonat, der Quinctilis, erhielt den Namen Julius (der ihm bis heute geblieben ist), in die staatliche Eidesformel sollte der Schwur beim Genius Caesars aufgenommen werden, den Ludi Romani sollte ein fünfter Tag zu Ehren Caesars eingefügt werden. Sehr wichtig war das ihm verliehene Recht, sein Porträt auf die Münzen setzen zu können. Der Kranz, den Caesar auf den Münzen trägt, ist als der goldene Kranz der etruskischen Könige erwiesen worden, es ist nicht der Lorbeerkranz des Triumphators. Die Ehrungen hatten letzten Endes das Ziel, das Gottkönigtum Caesars vorzubereiten. Die tribunizische Gewalt auf Lebenszeit hat Caesar dagegen nicht besessen, vielleicht ist ihm aber die Unverletzlichkeit (sacrosanctitas) zuteil geworden. Sehr wichtig aber war die Verleihung der lebenslänglichen Diktatur gegen Ende des Jahres 45, die Caesar aber erst wenige Wochen vor seinem Tode (im Frühjahr 44) angetreten hat. Mit diesem verhängnisvollen Griff nach der lebenslänglichen Diktatur hat Caesar die Abdikationspflicht ignoriert, der Monarch war fertig, es fehlte nur noch der Name. Nicht durch Zufall fallen in die ersten Monate des Jahres 44 immer wieder Versuche, Caesar zum Monarchen zu erheben: so schmückte man seine Statue an den Rostra mit dem Diadem, am Lupercalienfest hat Antonius seinem Herrn und Meister das Diadem angeboten. Als Caesar Widerstand verspürte, betonte er ostentativ seine Stellung als pater patriae, als imperator und pontifex maximus. Die Gerüchte jedoch, daß die Parther nur durch einen König besiegt werden könnten, hat Caesar mit Absicht genährt. Für den Aufbruch zum Partherkrieg war der 18. März 44 in Aussicht genommen. Dazu ist es jedoch nicht mehr gekommen. Vor Beginn der Senatssitzung, an den Iden des März, trafen ihn im Theater des Pompejus, zu Füßen der Statue seines großen Rivalen, die Dolche der Verschwörer und setzten seinem Leben ein Ende. Nicht weniger als 60 Senatoren waren eingeweiht, die Führer waren C. Cassius. Longinus und M. Junius Brutus. Die Verschworenen waren durch die verschiedensten Motive zusammengeführt worden; während manche den Untergang der republikanischen Freiheit nicht ertragen konnten, hatten sich andere durch persönlichen Haß gegen Caesar bestimmen lassen.
Die Tat hat sich als gänzlich sinnlos erwiesen, denn sie stieß, wie Caesar dies vorausgesagt hatte, das Reich in den Strudel der Bürgerkriege, und an ihrem Ende steht nicht die erneuerte res publica, sondern das Prinzipat des Augustus.
Das Urteil über Caesar hängt davon ab, was er erstrebt und was er erreicht hat. Es ist keine Frage: Caesar war nicht gewillt, die Macht, die er sich zugelegt hatte, freiwillig wieder aus der
Hand zu geben. Dies zeigt seine Bemerkung über das politische Analphabetentum Sullas. Ob Caesar das altrömische Königtum oder die Monarchie in der hellenistischen Form erstrebt hat, dieses Geheimnis hat Caesar mit ins Grab genommen. Das gleiche gilt von der Zwischenlösung, die ein außeritalisches Königtum über die Provinzen vorsah, wie es ihm in den letzten Monaten seines Lebens durch ein Orakel der sibyllinischen Bücher nahegelegt worden sein soll. Von ganz grundlegender Bedeutung aber waren die von Caesar eingeleiteten Reformen auf dem Gebiet des Städtewesens, besonders in Italien. Sie haben die Entwicklung des römischen Stadtstaats zu einem italischen Städtereich entscheidend beeinflußt. Nicht mehr der alte Gemeindestaat, sondern der Reichsstaat erscheint als das letzte Ziel der cäsarischen Pläne. Es ist zum mindesten wahrscheinlich, daß Caesar den Munizipien im ager populi Romani einen Teil der Gerichtsbarkeit übertragen und sie dadurch als eigenständige Gebilde anerkannt hat. Sollte diese Neuerung nur die erste Stufe bilden zu einer neuen umfassenden Organisation des Städtewesens im gesamten römischen Reich? Die Begründung zahlreicher Kolonien römischer Bürger und latinischen Rechts in den westlichen Provinzen des Imperiums erweist klar den Vorrang des Römertums. An eine Verschmelzung der römischen und der griechischen Kultur hat Caesar nicht im entferntesten gedacht. Ihre Wurzeln waren zu verschieden, für seine politischen Pläne bedurfte er der Griechen nicht. Anders verhält es sich mit Caesars Vorliebe für die Kelten und für keltisches Wesen; nicht durch Zufall hat er im Jahre 49 den Bewohnern der Transpadana das römische Bürgerrecht verliehen. Eduard Meyer zufolge wäre freilich Caesars Monarchie «ihrer Idee nach die Wiederaufnahme und volle Durchführung der Weltmonarchie Alexanders: die Welteroberung im vollsten Sinne des Wortes sei ihre Voraussetzung und ihre Rechtfertigung». Nicht allein die Gerüchte über eine von Caesar beabsichtigte Verlegung der
Hauptstadt von Rom nach Alexandrien oder Ilion, sondern auch die in ihrer Art ganz phantastischen Eroberungspläne, vor allem die Absicht, nach dem Abschluß des Partherkrieges durch die Pässe des Kaukasus längs des Kaspischen Meeres den Germanen in den Rücken zu fallen und durch Gallien nach Italien zurückzukehren, hat Eduard Meyer als authentische Zeugnisse gewertet, obwohl auch nicht der Schatten eines Beweises für ihre Echtheit zu erbringen ist.
Sein Werk hat Caesar bei seinem Tode unfertig zurücklassen müssen.
Der von ihm geschaffene Staat war nicht mehr die alte res publica, er war aber ebensowenig das Prinzipat, schließlich war er auch nicht die Monarchie, da der Gedanke an die Errichtung einer Dynastie und an die Vererbbarkeit seiner Ausnahmestellung nicht vorhanden war. Zwar hatte Caesar seinen Großneffen C. Octavius testamentarisch zum Haupterben seines Vermögens eingesetzt und ihn in einem Nachtrag desselben Testaments sogar adoptiert - irgendeine führende Stellung war dem jungen Mann jedoch nicht zugedacht gewesen.
Zweifellos hatte Caesar die positiven Kräfte der alten res publica libera unterschätzt, anderseits ist die von ihm in Angriff genommene Erneuerung des römischen Volkstums keineswegs bis in die Tiefe vorgedrungen. Wenn Caesar selbst Geld und Soldaten als die Grundlagen seiner Herrschaft bezeichnet hat, so tritt hierin der Mangel an einem tieferen Ethos klar zutage. Trotzdem ist die Fülle dessen, was er geschaffen und was er begonnen hat, überwältigend. Wenn man bedenkt, daß Caesar nur fünfeinhalb Jahre der Alleinherrschaft, d. h. nur halb soviel wie Alexander, beschieden gewesen sind, und daß er während dieser Zeit im ganzen nur 15 Monate in Rom geweilt hat, so wird man den richtigen Maßstab für eine Leistung gewinnen, die alles, was vorher von Römern geschaffen worden ist, weit in den Schatten stellt.
21. Das 2. Triumvirat und der Sieg Octavians (44-30 v. Chr.)
Caesars Ermordung war ein elementares Ereignis nicht allein für Rom, sondern für das ganze Imperium Romanum. Der große von Caesar geplante Krieg gegen die Parther und Daker wurde nicht durchgeführt, zahlreiche andere Probleme bekamen ein völlig verändertes Gesicht. Die Monarchie, die Caesar erstrebt hatte, war nicht errichtet worden, es blieb die Frage offen, ob der monarchische Gedanke wieder aus der Geschichte Roms verschwinden würde. Die Bürgerkriege, die sich am Scheiterhaufen Caesars entzündeten, werden nur verständlich, wenn man in Betracht zieht, daß das Imperium Romanum in den Jahren zwischen 44 und 30 v. Chr. von außen her nicht bedroht worden ist. Kleopatra, die in Rom Zeugin des Umschwungs geworden war, kehrte nach Ägypten zurück, bald nach ihrer Rückkehr starb ihr Mitregent Ptolemaios XIV., sie nahm nun Caesars Sohn, Kaisarion, der erst drei Jahre zählte, zum neuen Mitregenten an, indem sie die Sitte der Ägypter achtete, die eine Alleinregierung einer Frau nicht gestattete. Die Lage Ägyptens aber wurde durch Mißernten und Hungersnot in den nächsten Jahren sehr schwierig, dazu fehlte es Kleopatra zwar nicht an Begabung, aber am rechten Eifer für die Regierung des Landes. Die Parther und Daher aber hatten eine Schwächeperiode durchzumachen, das dakische Großreich fiel nach dem Tode des Königs Byrebistas (s. S. 191) wieder auseinander, es bedeutete von nun an keine Gefahr für Rom mehr. Viel größere Sorge aber bereiteten die Zustände in Italien selbst: etwa 100000 Veteranen Caesars warteten hier auf die versprochene Versorgung, dazu kam eine allgemeine Unsicherheit in den Besitzverhältnissen, da man von den Caesarmördern neue umstürzende Maßnahmen erwartete. Ein besonderes Problem war die Existenz des Sex. Pompejus, der nach Spanien entkommen war. Cicero und seine
Freunde träumten freilich von der Wiederherstellung der res publica libera - aber das war ein Trugbild, denn der Egoismus der ordines und das Machtstreben der großen Einzelpersönlichkeiten wiesen in eine ganz andere Richtung.
In Rom hatte die Ermordung Caesars am 15. März 44 die größten Erschütterungen zur Folge. Die Caesarmörder stoben nach der Tat zunächst in alle Winde auseinander. Nachdem sie sich wieder gefaßt hatten, verschanzten sie sich auf dem Capitol. In der Stadt aber herrschten die Soldaten des M. Aemilius Lepidus und des M. Antonius. Dieser aber brachte, zwei Tage nach Caesars Tod, in einer Senatssitzung einen Ausgleich zwischen den Caesarianern und den Caesarmördern zustande (17. März 44). Bei dem Leichenbegängnis Caesars kam es zum Ausbruch wilder Tumultszenen, die Überlieferung legt sie dem M. Antonius zu Last. Antonius hatte sich die hinterlassenen Papiere Caesars verschafft, seine Enttäuschung war riesengroß, als er sich nur unter den
heredes secundi
des Testaments verzeichnet fand, der eigentliche Erbe, war nämlich Caesars Großneffe, C. Octavius, der Sohn der Atia, der Nichte des Diktators (s. S. 203). Die Unruhen in Rom waren der Grund dafür, daß die hervorragendsten unter den Caesarmördern die Hauptstadt verließen; sie übernahmen die Statthalterschaften der ihnen anvertrauten Provinzen. So erhielt D. Brutus die Gallia Cisalpina, C. Trebonius die Provinz Asia. M. lunius Brutus und C. Cassius blieben dagegen in der Nähe Roms. Herr der Stadt war jetzt praktisch Antonius, er nahm Ciceros Schwiegersohn, P. Cornelius Dolabella, einen dunklen Ehrenmann, zum Mitkonsul an. Im übrigen betrieb Antonius einen schwungvollen Handel mit Privilegien, wozu ihm die
lex Antonia de actis
Am 2. September 44 eröffnete Cicero mit seiner 1. philippischen Rede den Angriff auf Antonius. Mitte November gingen zwei Legionen auf die Seite des jungen C. Octavius über, die legio Marita und die legio IV. Auf einer eiligen Senatssitzung am 28. November ließ Antonius die Provinzen unter seine Anhänger und Freunde verteilen, er selbst aber eilte nach Gallia Cisalpina, um diese Provinz dem D. Brutus zu entwinden. Dieser verschanzte sich in dem festen Mutina, noch vor dem Jahresende begann Antonius mit der Belagerung der Stadt. Damit war der Bürgerkrieg, den Caesar vorausgesagt hatte, offen ausgebrochen. Cicero forderte immer dringender das Einschreiten gegen Antonius, er fühlte sich wieder als der Führer und Lenker des Freistaats, mit allen bedeutenden Persönlichkeiten stand er in Verbindung, und für den jungen Caesar fand er nur Worte des Lobes: er habe durch eigene Initiative ein Heer zusammengestellt und Rom von der Tyrannei (dominatio) des Antonius befreit.
Am 1. Januar 43 traten die neuen Consuln, A. Hirtius und C. Vibius Pansa, ihr Amt an; wichtiger aber war die Tatsache, daß dem jungen Caesar ein proprätorisches Imperium übertragen ward, dazu erhielt er Sitz und Stimme im Senat, und zwar mit consularischem Rang, ferner den Auftrag, zusammen mit den beiden Consuln den Krieg gegen Antonius zu führen. Die Nachricht erreichte den jungen Caesar an der Via Flaminia bei Spoletium am 7. Januar 43. Seit diesem Tage hat der erst neunzehnjährige Caesar-Erbe (geb. am 23. September 63 v. Chr.) bis an sein Lebensende, d. h. nicht weniger als 56 Jahre lang, eine amtliche Stellung im Rahmen des römischen Staates bekleidet. Gegen Antonius erließ der Senat das senatus consultum ultimum. Am 15. April 43 wurde bei Forum Gallorum (Castel Franco) mit wechselndem Erfolg gekämpft, C. Vibius Pansa trug eine tödliche Verwundung davon und erlitt eine Niederlage durch Antonius, dieser aber unterlag dem Hirtius. Auch in einem Treffen bei Mutina zog Antonius wiederum den kürzeren, Hirtius aber starb den Soldatentod. Antonius, der sich in Oberitalien nicht mehr halten konnte, zog es vor, nach dem Jenseitigen Gallien auszuweichen; das Oberkommando in Italien erhielt jedoch nicht der junge Caesar, sondern D. Brutus. Den Caesarmördern M. Brutus und C. Cassius ward ein Imperium maius über alle Provinzen des Ostens übertragen. Außerdem rief der Senat Sex. Pompejus von Massilia nach Italien, hier wurde er zum praefectus classis et orae maritimae bestellt. Der Senat sollte sich seines Sieges nicht lange freuen. Schon am 29. Mai 43 vereinigten M. Antonius und M. Aemilius Lepidus ihre Heere bei Frejus, worauf der Senat über Lepidus die Acht aussprach. Mit der Herrschaft des Senats war es nun zu Ende, denn auch der junge Caesar hatte sich mit den beiden Generälen seines Adoptivvaters geeinigt. Durch einen Marsch auf Rom erzwang Caesar, noch nicht zwanzigjährig, das Consulat, sein Amtsgenosse war sein Oheim Q. Pedius. Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Consuln bestand in der Einsetzung eines Gerichtshofes zur Verfolgung der Caesarmörder (lex Pedia). Die Beschlüsse des Senats gegen Antonius und Lepidus wurden widerrufen. Die Senatsherrschaft und die res republica libera brachen im Westen zu gleicher Zeit zusammen. Caesar der Sohn aber verfügte über nicht weniger als elf Legionen, die stärkste Heeresmacht im ganzen Westen, anderseits vereinigten sich Asinius Pollio (mit zwei Legionen) und Munatius Plancus mit Antonius. D. Brutus konnte sich nicht behaupten, er wurde auf der Flucht von den Sequanern getötet. Während der Westen vollständig im Besitz der Caesarianer war, verfügten die Caesarmörder über den Osten des Reiches; C. Cassius hatte elf Legionen unter seinen Fahnen vereinigt, er war nach Syrien geeilt, belagerte Dolabella in Laodikeia und trieb ihn schließlich zum Selbstmord. Da Kleopatra den Caesarianer Dolabella unterstützt hatte, plante Cassius einen Feldzug gegen Ägypten, M. Brutus rief ihn aber nach Kleinasien. Brutus war zunächst in Athen an Land gegangen, die studierende Jugend, unter ihr auch Q. Horatius Flaccus, hatte ihn mit Begeisterung begrüßt. Illyrien und Makedonien hatten sich Brutus unterstellt, am Ende des Jahres 43 traf er mit Cassius in Smyrna zusammen. Etwa um die gleiche Zeit hatten sich die Caesarianer im Westen geeinigt, Antonius, Lepidus und der junge Caesar hatten sich zu Beginn des November 43 auf einer Flußinsel des Lavinius in der Nähe von Bononia (Bologna) getroffen und in Gegenwart ihrer Heere die Verhandlungen geführt. Es war eine gewaltige Heeresmacht, die in der Nähe Bononias zusammengezogen war: insgesamt 28 Legionen! Die Beschlüsse der Konferenz von Bononia aber waren von weitreichender Bedeutung: die drei Machthaber (tresviri rei publicae constituendae) sollten auf eine lange Zeit allen regulären Magistraten vorgesetzt sein, sie sollten bevollmächtigt sein, Gesetze zu geben, Magistrate und Statthalter zu ernennen. Jeder der drei Triumvirn erhielt eine Anzahl von Provinzen zugeteilt, und zwar Antonius die Provinzen Gallia Cisalpina und Comata, Lepidus Gallia Narbonensis und Spanien, der junge Caesar Afrika, Sizilien und Sardinien. Ohne Zweifel hatte es Antonius verstanden, sich die wichtigsten Positionen zu sichern, da er über Gallia Cisalpina verfügte, beherrschte er von dieser Bastion aus praktisch ganz
Italien. Sex. Pompejus ging nicht nur leer aus, man nahm ihm sogar noch das Flottenkommando, was Pompejus natürlich nicht anerkannt hat. Antonius und der junge Caesar sollten gemeinsam den Krieg gegen die Caesarmörder im Osten führen. Für die Rüstungen und vor allem auch zur Versorgung der Veteranen brauchte man viel Geld. 18 der reichsten Gemeinden Italiens wurden den Veteranen, jeder Legion je eine Stadt, ausgeliefert. Viel schlimmer aber waren die Proskriptionen, womit die Zeiten Sullas noch einmal zurückkehrten. Die Abmachungen der Triumvirn wurden durch ein Gesetz (lex Titia vom 27. November 43) bestätigt, das Triumvirat sollte bis zum 31. Dezember 38 v. Chr. dauern. Schon einen Tag später erschien die erste Liste mit 130 Namen von Proskribierten, im ganzen haben nicht weniger als 300 Senatoren und 2000 Ritter den Tod gefunden, unter ihnen auch Cicero, der am 7. Dezember 43 den Tod des stoischen Weisen gestorben ist. Zahlreiche Römer wurden übrigens durch die Schiffe des Sex. Pompejus vor dem Zugriff der Triumvirn gerettet, aber trotzdem haben die Proskriptionen die römische Führungsschicht empfindlich dezimiert. Die lex Titia bezeichnet das Ende der alten römischen Republik, diese ist niemals wiederhergestellt worden, auch nicht von Augustus.
Am 1. Januar 42 erklärte der Senat den toten Diktator Caesar zum Gott (divus lulius), sein Adoptivsohn nannte sich hinfort C. Julius divi filius Caesar. Italien war ein einziges Heerlager geworden, hier wurden die Legionen und Hilfstruppen für den Krieg im Osten zusammengezogen. Brutus und Cassius hatten inzwischen auf Grund ihres Imperium maius nicht allein Griechenland und die angrenzenden Provinzen, sondern auch nahezu den gesamten Orient ihrem Befehl unterstellt. Dabei war es zu zahlreichen Gewalttaten gekommen, das Wirken der Caesarmörder ist wie ein Brandmal den blühenden Landschaften des Ostens aufgeprägt (A. v. Domaszewski). Die reiche Inselstadt Rhodos wurde mit Gewalt eingenommen, ihre wirtschaftliche Blüte auf Jahre hinaus geknickt. Im Westen war der Seekönig Sex. Pompejus ein unbequemer Gegner für die Triumvirn geworden, er hatte sich in den Besitz der Inseln Sardinien und Sizilien gesetzt und unterband durch seine Flotte die Kornzufuhr aus Afrika nach Italien.
Nicht weniger als 43 Legionen standen sich in der großen Doppelschlacht bei Philippi an der Via Egnatia im Herbst 42 im Endkampf gegenüber. In der ersten Schlacht blieb Antonius Sieger über Cassius, dieser aber gab sich selbst den Tod. Caesar der Sohn hatte zwar gegen Brutus den kürzeren gezogen. Aber bereits drei Wochen später siegte Antonius auch über Brutus. Dieser flüchtete in die Berge und machte seinem Leben selbst ein Ende. Der Sieg über die Caesarmörder bei Philippi ist der unbestrittene Höhepunkt im Leben des Antonius, er war gerade 40 Jahre alt (geb. 82 v. Chr.) und hatte seine Feldherrnqualitäten vor aller Welt bewiesen. Fast 20 Jahre älter als der junge Caesar war er zum Abgott seiner Soldaten geworden, während Caesar der Sohn in seinem Leben niemals ein großer Heerführer gewesen ist. So stieg Antonius zur beherrschenden Figur in dem Dreimännerbund empor, er ließ sich die Provinzen Gallia Comata und Gallia Narbonensis übertragen. Auf Gallia Cisalpina mußte er dagegen verzichten, es wurde zu Italien geschlagen und damit römisches Bürgerland - dies war das Ende einer Entwicklung, die vor allem von Caesar vorgezeichnet gewesen war. Die undankbare Aufgabe, die Veteranen zu versorgen, wurde dem jungen Caesar aufgebürdet, Italien als ganzes wurde neutralisiert, Lepidus, der gar nicht erst gefragt worden war, mußte auf die spanischen Provinzen, die in den Besitz Caesars übergingen, und auf Gallia Narbonensis verzichten. Dafür erhielt er die beiden römischen Provinzen in Afrika, eine exponierte Stellung, um die er kaum zu beneiden war. Antonius hatte damit seine beiden Rivalen an den Rand des Imperiums abgedrängt, er selbst aber behielt sich die Ordnung der Angelegenheiten des Ostens vor. Der junge Caesar hatte das
Glück, für seine schwere Aufgabe in Italien treue Helfer zu finden, es waren dies vor allem M. Vipsanius Agrippa und C. Maecenas, dieser ein reicher und gebildeter Aristokrat aus Arretium in Etrurien. In Italien aber ging alles drunter und drüber, niemand war seines Besitzes mehr sicher, Zwangsenteignungen zugunsten der Veteranen (angeblich 100000 Mann) waren an der Tagesordnung. Auch die Anhänger und die Verwandten des Antonius machten dem jungen Caesar sehr zu schaffen. Es kam im Jahre 41 zu einem regelrechten Kriege. L. Antonius und Fulvia, der Bruder und die Gattin des Triumvirn, mußten in Perusia belagert und ausgehungert werden. Im Februar 40 kapitulierte die Stadt, Caesar ließ Milde walten, Fulvia wurde die Ausreise zu ihrem Gatten erlaubt, dem L. Antonius sogar eine spanische Provinz von Caesar anvertraut! L. Antonius scheint aber bald darauf gestorben zu sein. Im Westen begann sich das Blatt allmählich zugunsten des jungen Caesar zu wenden: der Sohn des Caesarianers Fufius Calenus übergab dem Caesar Gallien mit elf Legionen, ein gewaltiger Machtzuwachs, der Caesar zum mächtigsten Mann im ganzen Westen gemacht hat. Anderseits nahm Caesar Verbindung zu Sex. Pompejus auf, er übersandte der Ciodia, der Stieftochter des Antonius, den Scheidebrief und vermählte sich mit Scribonia, einer entfernten Verwandten des Sex. Pompejus.
Im Osten stand das Ansehen des Antonius, des Siegers von Philippi, im Jahre 41 auf dem Gipfelpunkt. Im Frühjahr 41 war er in Ephesos gelandet und hatte sich von den kleinasiatischen Griechen als der Neue Dionysos feiern lassen. In Ephesos hat sich der Rhetor Hybreas von Mylasa bei Antonius für seine Landsleute verwandt. In Tarsos empfing Antonius die Königin Kleopatra VII., sie sollte sich hier wegen der Hilfe rechtfertigen, die sie den Caesarmördern hatte zuteil werden lassen. Die Königin aber wußte den Römer völlig in ihren Bann zu schlagen, den Winter 41/40 verlebte Antonius an ihrer Seite in Alexandrien. Er gab sich ganz als Grieche und verleugnete in der Öffentlichkeit sein Römertum. Die Untätigkeit des Triumvirn machten sich die Parther zunutze, sie stießen mit ihren Reiterheeren über Syrien und Kilikien bis nach dem westlichen Kleinasien vor: es ist dies das weiteste Vordringen der Parther nach dem Westen, das die Geschichte ihres Reiches überhaupt verzeichnet. Antonius begab sich auf dem Seeweg über Tyrus, Cypern und Athen nach Italien: sein Heer bedurfte dringend der Ergänzung, dies war aber nur möglich, wenn es der junge Caesar in Italien gestattete. Obwohl sich die Soldaten der beiden Triumvirn eine Zeitlang gefechtsbereit gegenübergelegen hatten, kam es dennoch durch die Vermittlung des Maecenas, des Asinius Pollio und anderer Freunde zu einem Vertrag, dem foedus Brundisinum (Herbst 40). Das Übereinkommen sah eine Teilung des Orbis Romanus vor, der junge Caesar erhielt den Westen, Antonius den Osten des Imperiums, die Demarkationslinie verlief durch Illyrien über Scodra (Skutari), es ist ungefähr die spätere Grenze zwischen Ostrom und Westrom. Italien wurde neutralisiert, Lepidus im Besitz der afrikanischen Provinzen bestätigt. Antonius, dessen Gattin Fulvia kurz zuvor verstorben war, verlobte sich mit Octavia, der Schwester des jungen Caesar. Octavia war eine hochgebildete Frau, die an dem geistigen Leben der Zeit regen Anteil genommen hat. Sie verfügte außerdem über ein hohes Maß von Takt und Herzensgüte, wie es in dieser Zeit selten geworden war. Im ganzen Imperium aber wurde die Einigung von Brundisium mit größter Erleichterung zur Kenntnis genommen. Die vierte Ekloge Vergils (vom Jahre 41 oder 40) hat der tiefen Friedenssehnsucht einen beredten Ausdruck verliehen. Wer ist nun der Knabe, dessen Geburt der Dichter unter dem Consulat des Asinius Pollio erwartet? Wahrscheinlich hat Vergil gar nicht an ein irdisches Kind gedacht, messianische Erwartungen orientalischen Ursprungs verbinden sich hier mit der tiefen, echten Friedenssehnsucht der Bewohner Italiens und des gesamten Orbis Romanus. Im Sommer des folgenden Jahres (39) einigte sich der junge Caesar mit dem Seekönig Sex. Pompejus; seine Herrschaft über die See wurde in dem Vertrag von Misenum mehr oder weniger offen anerkannt, die Inseln Sizilien, Sardinien nebst Korsika blieben ihm überlassen, außerdem wurde ihm noch der Besitz Achaias in Aussicht gestellt. In der Umgebung des Pompejus befanden sich zahlreiche politische Flüchtlinge aus ganz Italien, dazu viele entflohene Sklaven und Seeräuber. Er selbst, ein Mann von starken autokratischen Neigungen, versuchte sich die volle Unabhängigkeit zwischen Antonius und dem jungen Caesar zu wahren. Doch sind die Kämpfe zwischen Pompejus und dem jungen Caesar schon im Jahre 38 wieder aufgeflammt. Da Antonius sich nicht einmischte, hatte Caesar nur wenige Erfolge zu verzeichnen. Durch Vermittlung der Octavia schlossen Antonius und der junge Caesar im Jahre 37 einen neuen Vertrag, diesmal in der Nähe von Tarent. Das Abkommen sah eine Verlängerung des Triumvirats um fünf Jahre vor, die, wie es scheint, durch Plebiszit bestätigt wurde. Der Endpunkt ist umstritten. Im übrigen aber warf die Auseinandersetzung der Triumvirn mit Sex. Pompejus ihre Schatten voraus, Antonius und Lepidus waren bereit, den jungen Caesar zu unterstützen. Die Entscheidung fiel in der großen Seeschlacht von Naulochos (an der Nordküste Siziliens), 36 v. Chr. Der Sieger war M. Vipsanius Agrippa, der überragende Feldherr des jungen Caesar. Die Flotte des Seekönigs versank im Meere, er selbst suchte zu Schiff, als Privatmann verkleidet, sein Heil in der Flucht, ohne sich noch um sein Landheer zu kümmern. In Kleinasien ist er schließlich in die Hände des Antonius gefallen, er starb unter dem Beil des Henkers in Milet (35). Noch wichtiger aber war die Tatsache, daß M. Aemilius Lepidus aus dem Triumvirat ausschied, er hatte sich gegen den jungen Caesar gestellt und wurde seines Amtes enthoben, nachdem seine Truppen ihn verlassen und auf die Seite seines Gegners übergegangen waren (36). Doch behielt Lepidus bis zu seinem Tode (12 v. Chr.) die
Würde des Pontifex maximus, politischen Einfluß hat er jedoch nicht mehr ausgeübt. Lepidus ist als typischer Revolutionsgeneral emporgekommen, doch ist er immer nur eine Figur im Schachspiel gewesen, die geopfert wurde, als die beiden anderen Triumvirn des Lepidus nicht mehr bedurften.
Antonius hatte sich im Orient eine eigene Machtstellung aufgebaut, er war zum ungekrönten König des ganzen Ostens aufgestiegen, an seinem Hof antichambrierten zahlreiche Vasallenkönige. Auf der Rückreise von Tarent hatte er sich in Korkyra von seiner Gattin Octavia getrennt und sie nach Italien zurückkehren lassen. Er selbst begab sich nach Syrien, wohin er auch die Königin Kleopatra entbot. Zu Anfang des Jahres 36 hat er sich mit ihr in einer förmlichen Ehe verbunden. Dabei spielten politische Erwägungen eine wichtige Rolle: Antonius brauchte dringend die Machtmittel des Ptolemäerreiches, vor allem für den von ihm geplanten Partherkrieg, und zwar um so mehr, als er von dem jungen Caesar keine nennenswerte Hilfe erwarten konnte. Die Ptolemäerin hatte dem Antonius schon vier Jahre zuvor Zwillinge, Alexander Helios und Kleopatra Selene, geboren, dazu kam, im Jahre 36 oder 35, noch ein weiterer Sohn, der den Namen Ptolemaios Philadelphos erhalten hat. Als cterritoriale Morgengabe> brachte Antonius der Königin wichtige Gebiete in Syrien dar: das Königreich Chalkis am Libanon, die phönikische Küste vom Eleutheros-Fluß bis Sidon, dazu Besitzungen in Kilikien, auf Kreta und in Judäa, und zwar die Palmen- und Balsampflanzungen in der Nähe von Jericho. Kleopatra hat diese Schenkungen für so wichtig erachtet, daß sie seit dieser Zeit sich einer neuen Ära (Epoche: 1. September 37) bediente. Antonius aber erscheint von nun an als der große Patronus des Ptolemäerreiches, eine Stellung, die ihn unfehlbar in Konflikt mit den römischen Interessen bringen mußte, die er schon bei den Schenkungen an Kleopatra ignoriert hatte. Auch in Palästina gab es wichtige Veränderungen: seit dem Jahre 37 regierte hier der Idumäer Herodes, als Klientelfürst der Römer und Freund des Antonius. Der letzte Hasmonäer, Antigonos, war durch Antonius beseitigt worden. In Jerusalem erbaute man eine starke Feste, die Burg Antonia, in die eine römische Besatzung ihren Einzug hielt. Sein Werk im Osten wollte Antonius durch den Partherkrieg krönen. Der Krieg war mehr oder weniger ein Erbteil des toten Caesar, auf diesen ist möglicherweise auch noch der Feldzugsplan zurückzuführen. Im Jahre 38/37 hatte ein Thronwechsel im Partherreich stattgefunden, der Großkönig Orodes war gestorben, an seiner Statt bestieg Phraates IV. den Thron. In den westlichen Provinzen des parthischen Großreiches machten sich Selbständigkeitsbestrebungen der Statthalter bemerkbar, insbesondere der Gouverneur Mesopotamiens, Monaeses (auch Manesos genannt), trat mit den Römern in Verhandlungen ein, kehrte aber schließlich wieder auf die Seite der Parther zurück. Im Jahre 37 hatte Antonius als seinen Beauftragten P. Canidius Crassus nach Armenien gesandt, um den König des Landes, Artavasdes, in engere Abhängigkeit zu bringen, ein durchschlagender Erfolg blieb dem Römer zwar versagt, doch konnten die Völker des Kaukasus, die Iberer und Albaner, unterworfen werden. Antonius eröffnete im Jahre 36 den Partherkrieg, er hatte 16 Legionen aufgeboten, die jedoch keine vollen Gefechtsstärken aufwiesen, insgesamt 60000 Mann zu Fuß, 10000 keltische und germanische Reiter und 30000 Mann Hilfsvölker, endlich noch 16000 Armenier. Das Ziel des Feldzugs war die parthische Hauptstadt Ekbatana, die Antonius auf dem Wege über Phraaspa in Medien erreichen wollte. Es war ein gewaltiger Umweg, der eingeschlagen werden mußte, weil Antonius Armenien als Nachschubbasis nicht entbehren konnte. Mitte August 36 kam das römische Heer vor den Mauern von Phraaspa (Tachti-Suleiman) an; eine Belagerung der festen Stadt war aussichtslos, da Antonius das Belagerungsgerät bei seinem schnellen Vormarsch zurückgelassen hatte. Mitte Oktober traten die Römer den Rückzug an, in 27 Tagen erreichten sie wieder die armenische
Grenze. Obwohl Antonius sich als umsichtiger Heerführer erwies, waren doch die Verluste durch die verfolgenden Parther und noch mehr durch die Unbilden der Witterung äußerst schwer, angeblich ist mehr als ein Drittel des stolzen Heeres zugrunde gegangen, darunter 22000 Veteranen, die überhaupt nicht wieder ersetzt werden konnten. Dazu kam, daß sich der junge Caesar weigerte, dem Antonius die geliehenen vier Legionen zurückzugeben: der kühle Rechner hatte den Rivalen abgeschrieben. Es waren nur wenige Schiffe und insgesamt nicht mehr als 2000 Soldaten, die Octavia ihrem Gatten auf dem Seewege von Italien aus zuführen wollte - Antonius aber gab ihr den gemessenen Befehl, wieder umzukehren, auf die Hilfssendung verzichtete er. Damit hatte er sich endgültig für Kleopatra und für den Osten entschieden. Der Feldzug nach Armenien, den Antonius im Jahre 34 unternahm, und die Gefangennahme des Artavasdes war nichts anderes als ein Racheakt gegenüber dem Verbündeten, den Antonius als den Hauptschuldigen an dem Mißerfolg des Partherkrieges betrachtete. In Alexandrien feierte Antonius einen glänzenden Triumph, den ersten, der jemals außerhalb Roms begangen worden ist. Dazu verteilte er mit freigebiger Hand kleinasiatische, syrische und libysche Gebiete an die Ptolemäerprinzen, er ließ Kleopatra zur «Königin der Könige», ihren Sohn von Caesar, Kaisarion, zum «König der Könige» proklamieren. Antonius hatte sich mehr und mehr vom römischen Wesen entfernt, er träumte von einem ptolemäischiranischen Großreich, das Kleopatra und ihre Kinder unter seiner Ägide regieren sollten.
Die Jahre von 42 v. Chr. an sind im Westen des Imperiums von großer Bedeutung für die Herausbildung der italischen Nation geworden. Nicht allein die Eingliederung der bisherigen Provinz Gallia Cisalpina in das römische Bürgerland (42 v. Chr.), vor allem auch die Schaffung einer wirklichen römischen Literatursprache durch Cicero, Caesar und durch die Dichter, insbesondere Lucretius und Catull, die sich damals in Italien erst richtig ausgewirkt hat, bedeutete einen großen Schritt vorwärts zur Entstehung eines römischitalischen Gemeinschaftsgefühls. Es ist dies eine geistige Entwicklung, die im augusteischen Zeitalter ihren Höhepunkt erreicht hat. Von Rom und Italien aus hat sie mehr oder weniger das gesamte Imperium, insbesondere aber die westlichen Provinzen, in ihren Bann geschlagen. Mit dem Vordringen des Romanismus aber verbindet sich eine ständig zunehmende Friedenssehnsucht: die Welt war der ewigen Bürgerkriege müde geworden, sie sehnte sich nach Frieden, Sicherheit und Wohlstand. Im Jahre 36 hatte der junge Caesar zwar das Ende der Bürgerkriege verkündet und dies durch die Entlassung zahlreicher Veteranen unterstrichen, aber die Kämpfe waren noch keineswegs beendet, insbesondere die so lange vernachlässigte Sicherung der Nordostgrenze Italiens mußte endlich durch die Römer in Angriff genommen werden. Die Kriege des jungen Caesar in Illyricum, gegen die wehrhaften Völker der Japuden, Pannonier und Dalmater, in den Jahren von 35 bis 33 v. Chr., führten nicht nur zur Einnahme von Siscia (Sissek) am Zusammenfluß der Save und Kulpa, Caesar der Sohn stieß sogar selbst bis in die Gegend von Scodra (Skutari) vor. Mit der Befestigung Tergestes (Triest), dem Wiederaufbau Polas (Colonia Pietas lulia) wurde eine wertvolle Sicherung dieser lange vernachlässigten Grenze erreicht und einer künftigen Reichspolitik im Hinblick auf die Dreistromgrenze vorgearbeitet.
Der Briefwechsel zwischen den beiden Triumvirn hatte seit dem Ende des Jahres 34 eine schärfere Note angenommen, es entwickelte sich eine regelrechte Streitschriftenliteratur, an deren Abfassung sich die Freunde des Antonius und des jungen Caesar beteiligten. Antonius brauchte die italischen Rekruten, die ihm von dem jungen Caesar hartnäckig verweigert wurden. Verschärft wurde die Lage noch dadurch, daß das 2. Triumvirat, wie es scheint, am 31. Dezember 33 v. Chr. ablief. Antonius erklärte sich zum Rücktritt bereit, falls sein Gerosse im Triumvirat das gleiche tue. Darauf aber wollte sich der junge Caesar nicht einlassen. Die beiden Consuln des Jahres 32, C. Sosius und Cn. Domitius Ahenobarbus, waren Freunde des Antonius. Der junge Caesar wollte die Opposition im eigenen Haus nicht dulden, er vertrieb die beiden Consuln mitsamt 300 Senatoren aus Rom. Die meisten von ihnen wandten sich zu Antonius, sie begaben sich nach Ephesos und bildeten hier einen Gegensenat, wie seinerzeit die Pompejaner in Thessalonike (S. 192). Antonius war bereits dabei, die Flotte und die Vasallenfürsten des Ostens zu mobilisieren, im Mai oder Juni des Jahres 32 sandte er von Athen aus seiner Gattin Octavia den Scheidebrief. Der junge Caesar aber hatte durch Überläufer aus dem anderen Lager Kunde von dem Testament des Antonius erhalten, das dieser bei den Vestalinnen in Rom hinterlegt hatte. Gegen alles Recht erzwang Caesar die Herausgabe des Schriftstücks, es erwies sich propagandistisch von unschätzbarem Wert. Denn das Testament enthielt nicht nur die Erklärung, daß Kaisarion der rechtmäßige Sohn des Diktators Caesar sei, auch die Kinder des Antonius und der Kleopatra waren mit Legaten bedacht, und was das Wichtigste war: Antonius verfügte, daß er nach seinem Tode an der Seite der Kleopatra in Alexandrien beigesetzt werden sollte. Deutlicher konnte die Abkehr des Triumvirn von allem römischen Wesen der Mitwelt nicht dokumentiert werden! Der junge Caesar hielt nun alle Trümpfe in seiner Hand. Er verpflichtete die gesamte Bevölkerung Italiens und der westlichen Provinzen (Galliae, Hispaniae, Africa, Sicilia, Sardinia) durch einen besonderen Gefolgschaftseid. Dieser Treueid ist die Grundlage der Führerstellung des jungen Caesar im Kampf gegen seinen Rivalen Antonius. Der Eid war um so wichtiger, als die rechtliche Stellung des jungen Caesar im Jahre 32 umstritten war. Senat und Volk erklärten an Kleopatra (nicht an Antonius) den Krieg, der junge Caesar vollzog auf dem Marsfeld die alten feierlichen Riten der Kriegserklärung, wie sie das römische Fetialrecht vorschrieb. Dem Antonius aber wurden alle Ämter aberkannt, sein Name wurde aus den amtlichen Urkunden gestrichen. Zwischen ihm und seinem Gegner vollzog sich die Auseinandersetzung in der Form einer privaten Fehde (inimicitiae), Antonius antwortete darauf mit dem Treueid der Bevölkerung des Ostens. Außerdem verpflichtete er sich, zwei Monate nach errungenem Sieg die Gewalt in die Hände von Senat und Volk zurückzugeben. In der strategischen Vorbereitung und Durchführung des Krieges ließ er sich jedoch schwere Fehler zuschulden kommen. So verzichtete er von vornherein auf eine Offensive gegen Italien, er nahm vielmehr eine weit auseinandergezogene Defensivstellung ein, die sich von Korkyra über Ambrakia bis nach Kyrene erstreckte. Sie widersprach einem elementaren Grundsatz der Strategie. In der Bucht von Ambrakia versammelte Antonius den Hauptteil seiner Flotte, insgesamt 500 zumeist, schwere Kriegsschiffe, sie wurden von der Streitmacht Caesars unter dem Befehl des M. Vipsanius Agrippa blockiert. Als die Lebensmittel immer knapper wurden und die Zahl der Überläufer immer größer, sah sich Antonius gezwungen, den Durchbruch durch die Seeblockade zu versuchen, in der Absicht, später den Krieg von Ägypten aus weiterzuführen. In der Seeschlacht des ersten Tages (2. September 31 v. Chr.) behielt Agrippa die Oberhand. Kleopatra aber war es gelungen zu entkommen, und mit ihr entfloh Antonius, seine Flotte kehrte ohne den Führer in den Golf von Actium zurück. Flotte und Landheer des Antonius kapitulierten, nachdem der junge Caesar den Soldaten entsprechende Zugeständnisse, vor allem für ihre Versorgung, gemacht hatte. Der Krieg war damit entschieden. Antonius versuchte vergeblich, die Cyrenaica zu behaupten, seine Truppen gingen zu Cornelius Gallus, dem Feldherrn des jungen Caesar, über. Dieser selbst hatte zunächst nach Italien zurückkehren müssen, da dort Unruhen durch die Veteranen entstanden waren. Im Frühjahr 30 rückte er durch Syrien und Palästina gegen die Ostgrenze Ägyptens vor, am 1. August kam es zu einem letzten Reitertreffen vor den Toren Alexandriens. Auf die irrtümliche Nachricht von dem Selbstmord Kleopatras gab sich Antonius den Tod. Kleopatra fiel in die Hände des jungen Caesar, sie starb am 12. August 30 v. Chr. den Tod durch den Schlangenbiß, der ihr nach dem Glauben der Ägypter die Unsterblichkeit verlieh, neun Tage nach der Einnahme der Hauptstadt durch den jungen Caesar. Antyllus, der Sohn des Antonius von der Fulvia, mußte auf Befehl des Caesar ebenso sterben wie Kaisarion, weil der Erbe des toten Diktators in ihm einen unerwünschten Rivalen erblickte. Die Kinder des Antonius und der Kleopatra wurden in das Haus der Octavia in Rom aufgenommen. Kleopatra Selene heiratete später den König Juba II. von Mauretanien. Mit den Kindern aus dieser Ehe (Ptolemaios von Mauretanien und Drusilla) ist das Ptolemäergeschlecht auch in der weiblichen Linie ausgestorben.
Das Land Ägypten wurde einem römischen Ritter als Vizekönig unterstellt, der erste in der langen Reihe ist Cornelius Gallus, der sich auch als Dichter einen berühmten Namen gemacht hat. Der Statthalter führte den Titel praefectus Aegypti et Alexandreae, ihm unterstand eine Besatzung von drei römischen Legionen. Den Senatoren aber und den equites illustres war es untersagt, das Land ohne eine besondere Erlaubnis des Prinzeps zu betreten. Auch sonst wurden im Osten neue Verwaltungsmaßnahmen getroffen. So blieb Galatien, dessen wehrhafte Bevölkerung die Römer schätzen gelernt hatten, zunächst als Vasallenstaat bestehen, bis es im Jahre 25 in eine römische Provinz umgewandelt wurde.
Nach Rom zurückgekehrt, ordnete der junge Caesar an, den Janustempel zu schließen (Sommer 29 v. Chr.). Im August feierte er einen glänzenden dreifachen Triumph: über die Illyrer, wegen des Sieges bei Actium, über Kleopatra und Ägypten. Die Bürgerkriege waren zu Ende, aus dem Kampf um die
Führerschaft im Staate war der junge Caesar (Octavian) als alleiniger Sieger hervorgegangen. Er war nun an einem Wendepunkt seines Lebens angelangt. Was sollte weiter werden? Die Antwort auf diese Frage haben die nächsten Jahre, insbesondere die Neuordnungen der Jahre 27 und 23 v. Chr., gegeben. Der Weg führte innenpolitisch zur Monarchie, außenpolitisch aber führte er zum Verzicht. Damit war die große Linie vorgezeichnet, die auch für die Politik der Nachfolger des ersten Prinzeps bestimmend geblieben ist.
ZWEITER ABSCHNITT DIE KAISERZEIT
l. Entstehung und Wesen des Prinzipats
Das Prinzipat ist nicht an einem Tag erbaut worden. Es ist im wesentlichen die persönliche Schöpfung des Octavian-Augustus. Dieser geborene Staatsmann hat mit der Begründung des Prinzipats eine neue Staatsform in die Verfassungsgeschichte des Abendlandes eingefügt. Doch ist das Prinzipat unter Augustus nicht fertig geworden, durch die Vererbung ist aber praktisch das Kaisertum in Rom begründet worden, das bis zum Ausgang des Altertums die römische Geschichte bestimmt hat. Die übliche Gegenüberstellung des Prinzipats und des Dominats entbehrt der historischen Begründung. Dabei bleibt es einerlei, ob man das Dominat schon mit Diokletian oder erst mit Constantin I. beginnen läßt. Abgesehen davon, daß sich auch schon
vor
Diokletian Kaiser als
«domini»
bezeichnen ließen wie Domitian, ist der Übergang zum
Die mit Augustus beginnende Periode der römischen Geschichte bezeichnet man allgemein als die Kaiserzeit. Der Name
Prinzipats wird transparent auf dem Hintergrund der soziologischen Entwicklung der späteren römischen Republik. Schon in der
res publica libera
gab es die
principes,
eine Reihe von führenden Männern auf dem Gebiet der Politik, denen durch allgemeine Zustimmung die
auctoritas
zugebilligt wurde, eine Eigenschaft, die für die Herausbildung des Prinzipats von ganz grundlegender Bedeutung geworden ist. Die Principes der republikanischen Zeit, zumeist ehemalige Consules
(viri consulares),
verfügen über Gefolgschaften
(clientelae),
mit denen sie sich in einem gegenseitigen Treueverhältnis verbunden fühlen. In politisch bewegten Zeiten findet sich gelegentlich auch die feierliche Eidesleistung der Gefolgschaft für den
dux partium,
wie z. B. in dem Treueid der Italiker für Livius Drusus im Jahre 91 v. Chr. (s. S. 147). Auch der Treueid für den Diktator Caesar im Jahre 44 wäre in diesem Zusammenhang zu nennen. Hat doch Caesar damals den Versuch unternommen, das alte zersplitterte Gefolgschaftswesen zu einem Gesamtpatronat seiner Person über die ganze römische Bürgerschaft auszubauen, eine Absicht, die aber durch seinen jähen Tod vereitelt worden ist. Eine wichtige Vorstufe für die Entwicklung im Prinzipat ist der Gefolgschaftseid der Bevölkerung des Westens im Jahre 32 für den jungen Caesar (s. S. 213). Man hat diesen Eid als eine Art von
suffrage universel
für den Erben des großen Caesar bezeichnet. Sachlich war es, wie gesagt, ein Gefolgschaftseid, kein Fahneneid; wer ihn leistete, begab sich in das Patronat des Gefolgschaftsführers, er übernahm die Verpflichtung, mit der Waffe in der Hand für ihn einzutreten. Bei dem Regierungsantritt der späteren Principes hat die Reichsbevölkerung immer wieder diesen Treueid schwören müssen, was natürlich zu einer gewissen Abnutzung des Eides geführt hat.
Die Wurzeln des Gefolgschaftseides liegen in den Patrozinien der republikanischen Principes. Dabei wäre zu beachten, daß dieses Patrozinienwesen seit Marius, aber auch durch Sulla und
Pompejus, eine Veränderung, eine gewisse Militarisierung erfahren hatte. An die Stelle des bürgerlichen Patronus trat der Feldherr, der Imperator, an die Stelle der Klienten traten die Soldaten und Veteranen. Es ist die spezifische Leistung und Idee des jungen Caesar, mehr oder weniger alle Gefolgschaften unter seinen persönlichen Schutz vereinigt und dadurch eine neue breite Grundlage für seine überragende Stellung im römischen Staate geschaffen zu haben.
Von den drei Triumvirn des Jahres 43 v. Chr. war am Ende des Bürgerkrieges (30 v. Chr.) der 33jährige junge Caesar allein übriggeblieben. Allerdings hatte der Titel
Gesamtheit. Wenn wir auch nicht wissen, mit welchem besonderen Ereignis die Zustimmung der Gesamtheit
(consensus universorum)
zu verbinden ist, so sollte doch diese ganz formlose allgemeine Zustimmung die fehlende rechtliche Grundlage seiner Ausnahmestellung irgendwie ersetzen (Ernst Meyer).
Am 13. Januar 27 erklärte der junge Caesar vor dem versammelten Senat, er habe die Absicht, die ihm anvertraute außerordentliche Gewalt niederzulegen und sich, erst 35jährig, ins Privatleben zurückzuziehen. Der Senat aber bat ihn kniefällig, dies nicht zu tun; man befürchtete den Wiederausbruch der Bürgerkriege mit ihren Schrecken und ihrer allgemeinen Unsicherheit. So ließ sich der Machthaber dazu bewegen, einen Teil der Allgewalt aus der Hand des Senats zurückzunehmen. Es war dies vor allem ein zehnjähriges proconsularisches Imperium. Die Provinzen des Reiches aber wurden zwischen dem jungen Caesar und dem Senat in der Weise geteilt, daß Spanien, Gallien und Syrien dem Caesar, die anderen Provinzen dem Senat zugewiesen wurden. Vor allem aber erhielt Caesar den Oberbefehl über den größten und wichtigsten Teil der bewaffneten Macht. Damit war das Reich zwischen dem Prinzeps und dem Senat aufgeteilt, aber kraft seiner erhöhten
auctoritas
vermochte der Prinzeps seine Befehle auch in den Senatsprovinzen ohne Schwierigkeit zur Geltung zu bringen, wie dies eine aus der Provinz Asia (Kyme) stammende Inschrift des Museums zu Leiden gezeigt hat. Immerhin standen den sieben Provinzen Caesars zehn senatorische gegenüber, aber das Zahlenverhältnis ist geeignet, das echte Machtverhältnis zu verschleiern. Wer wie Caesar der Sohn Gallien, Spanien, Syrien, dazu noch Ägypten besaß, der war der bei weitem mächtigste Mann im ganzen Reich, auch der Senat war von ihm abhängig.
Die Krönung der neuen Machtstellung brachte die Senatssitzung vom 16. Januar 27 v. Chr. Auf Antrag des Munatius Plancus verlieh der Senat dem Caesar den Namen
Augustus. Dieser Name gehört der religiösen Sphäre an, das Wort
Augustus,
«der Erhabene», kommt von
augere,
es hat den gleichen Stamm wie
augurium.
Der offizielle Name des Prinzeps lautete fortan:
Imperator Caesar divi filius Augustus.
Den ImperatorTitel führte der Prinzeps in der Form des Pränomens schon seit dem Jahre 40 v. Chr. Das Cognomen seines Adoptivvaters verwandte er als Gentilnamen, auch die Form
«divi filius»
war ungewöhnlich. Der Augustus-Name aber war eine Neuschöpfung. Der Senat und das Volk priesen die Wiederherstellung der
res publica libera.
Bereits auf einer Münze, die Caesar der Sohn im Jahre 28 geprägt hatte, erscheint die Legende
libertatis populi Romani vindex.
Im Jahre 27 weihte der Senat dem Augustus einen Eichenkranz mit der Begründung:
quodpriscam illam et antiquam formam restituit,
und Vellejus Paterculus (II 89, 4) spricht von
prisca illa et antiqua rei publicae forma revocata.
Auch Augustus hat dies behauptet, und so manche Forscher von Rang haben es ihm nachgesprochen. Andere aber sahen, mit besserem Recht, in der Neuordnung die entstehende Monarchie. Der Historiker muß, wenn irgendwo, hier zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden versuchen. Äußerlich betrachtet, bedeutet das befristete
Imperium proconsulare
vom 13. Januar 27 über eine Anzahl wichtiger Provinzen nichts grundsätzlich Neues, wenn man sich der großen Kommanden des Pompejus erinnert (s. S. 171 ff.). Verändert aber war die Stellung des Augustus zu seinem jeweiligen Kollegen im Consulat. Kraft der erhöhten
auctoritas
des Augustus, mit der niemand im ganzen Reich, auch nicht die jeweiligen Mitconsuln, zu konkurrieren vermochte, gab es jetzt praktisch einen ersten Consul neben einem zweiten; die Stellung des Amtsgenossen des Augustus, formell gleichberechtigt, war in Wirklichkeit die eines
collega minor.
Was aber sagt Augustus hierzu? «Seit dieser Zeit (13. Januar 27) habe ich an
auctoritas
alle überragt, an Amtsgewalt
(potestas)
aber habe ich um kein Gran mehr besessen als die anderen, die auch ich im Amt zu Kollegen gehabt habe»
(Res gestae
c. 34, 3). Wenn sich Augustus auch mit diesem Satz zu dem Grundprinzip des republikanischen Staatsrechts, dem Prinzip der Kollegialität, bekannte, so hatten sich dennoch die Gewichte sehr zu seinen Gunsten verschoben. Wer vermochte nun noch etwas gegen den allmächtigen
duxpartium,
Augustus? In der Häufung der verschiedenen Ämter und Würden kündet sich eine neue Zeit und eine neue Staatsform an, das Prinzipat. Von größter Bedeutung ist bei dem allmählichen Aufbau des Prinzipats die
auctoritas
des Augustus geworden, allerdings nicht in dem Sinne, daß man in ihr eine staatsrechtlich feststehende Befugnis zu sehen hätte. Der Begriff war auch der republikanischen Gesellschaft nicht unbekannt, er wurde von Augustus aufgegriffen und als Grundlage seiner Prinzipatsstellung verwandt.
Ende Juni 23 v. Chr. legte Augustus das von ihm Jahr um Jahr bekleidete Consulat nieder. Dafür wurde ihm die
tribunicia potestas,
und zwar in ihrem vollen Umfange, übertragen. Sie wurde auf das ganze Reich ausgedehnt und als Reichsdatierung eingeführt, eine Neuerung, die ganz besonders sinnfällig den Bruch mit dem Althergebrachten erkennen läßt. Mit der Datierung nach den Jahren der tribunizischen Gewalt wird ein neues, und zwar ein monarchisches Element in den Staatsneubau eingefügt. Das Vorbild hierfür war die Datierung hellenistischer Könige, der Ptolemäer und der Attaliden. Die tribunizische Gewalt aber ist eine der großen tragenden Säulen des römischen Kaisertums, erst Gratian (gest. 383) hat auf sie verzichtet. Wichtig ist auch noch die Tatsache, daß im Jahre 23 das dem Augustus verliehene
Imperium proconsulare
durch zwei zusätzliche Bestimmungen ergänzt worden ist: das Imperium soll von nun an auch beim Überschreiten des stadtrömischen Pomeriums nicht mehr unterbrochen werden, außerdem soll es den Imperien der in den Provinzen amtierenden Statthalter übergeordnet sein. Mit anderen Worten: von nun an ist Augustus allen Statthaltern, auch jenen der senatorischen Provinzen, vorgesetzt, er ist Oberbefehlshaber der gesamten Wehrmacht des Reiches.
Eine weitere Etappe auf dem Wege zum Prinzipat war das Jahr 19 v. Chr. Damals hat Augustus ein lebenslängliches
Imperium consulare
übernommen. Zwar wurde er damit nicht Consul, er führte jedoch stets zwölf Fasces und nahm im Senat zwischen den amtierenden Consuln auf einer
sella curulis
seinen Platz ein. In das gleiche Jahr fällt auch die Übernahme der
cura legum et morum
durch Augustus, zweifellos nach dem Vorbild des Adoptivvaters, der gleichfalls
praefectus moribus,
wenn auch ohne viel Erfolg, gewesen war. Als im Jahre 12 v. Chr. M. Aemilius Lepidus, der ehemalige Genosse im Triumvirat, starb, war das Oberpontifikat frei geworden. Auf Grund eines Plebiszits von ganz Italien wurde Augustus zum neuen Pontifex Maximus gewählt, er war damit auch das geistliche Oberhaupt Roms geworden. Mit der Annahme des Titels
pater patriae,
verliehen durch Akklamation des Senats, der Ritterschaft und des Volkes, wurde Augustus zum «Landesvater» (2 v. Chr.). Der neue Titel betonte das patriarchalische Gepräge seiner Führerstellung. Doch ist
pater patriae
nur ein Ehrenname, mit dem keine neuen Befugnisse verbunden waren, aber der Titel unterstreicht sinnfällig das Pietäts- und Verpflichtungsverhältnis, das zwischen dem Prinzeps und den Untertanen bestanden hat.
Welche geistigen Kräfte und Strömungen haben dem Prinzipat des Augustus vorgearbeitet? Die Entstehung und Entwicklung der neuen Staatsform ist schwerlich denkbar ohne die Verbindung mit der Ideenwelt der ausgehenden römischen Republik und mit der Welt des Griechentums. Die Verbindung mit griechischem Ideengut wäre ohne Zweifel noch viel deutlicher, wäre nicht das wichtigste Zwischenglied, die Literatur über das hellenistische Herrscherideal, bis auf geringe Reste verloren. Dies gilt insbesondere für die Schriften «Über das Königtum»
(Perl basileias).
Schon Isokrates hatte im hohen 4. Jh. in seiner Schrift mit dem Titel
Von weittragender Bedeutung für die Vorgeschichte des Prinzipats ist endlich der Name
Cicero.
Er war selbst einer der letzten großen Principes der ausgehenden Republik, wenn er auch als
homo novus
emporgekommen war. In seiner bewundernswerten publizistischen Tätigkeit wird die Idee des Prinzeps als des idealen Lenkers des Staates immer wieder herausgestellt. Dabei mag Cicero an seine eigene Person gedacht haben, doch kommt es hierauf nicht an. Durch seine eingehende Beschäftigung mit der griechischen Philosophie, vor allem mit der Gedankenwelt der Stoa, hat Cicero zahlreiche hellenistische Züge in sein ideales Herrscherbild eingefügt. Wie er sich den idealen Staatsmann vorstellte, zeigt insbesondere seine Schrift
«De re publica»,
veröffentlicht im Jahre 51, zu einer Zeit, in der sich die römische Republik bereits in höchster Gefahr befand. In den erhaltenen Teilen der Broschüre sucht man allerdings nach dem Begriff des
princeps civitatis
vergebens, doch mag dies auf den Zustand der Überlieferung zurückzuführen sein. Die moderne Forschung geht in ihrem Urteil, wieweit Augustus durch Gedanken Ciceros beeinflußt worden ist, sehr weit auseinander. Nach H. Strasburger habe Cicero mit seiner Schrift
«De re publica»
die Prinzipatsverfassung vorweggenommen, er habe als Idealbild die bewährte republikanische Staatsordnung, verbunden mit der Herrschaft des einzelnen, des Prinzeps, entworfen. Nach R. Syme habe dagegen das augusteische Prinzipat seinen Ausgang nicht von Theorien, sondern von Fakten genommen. Das Prinzipat sei durch Politiker, Diplomaten und Generäle, nicht durch lebensferne Theoretiker geschaffen worden. Die Wahrheit aber scheint hier, wie so oft, in der Mitte zu liegen. Dabei ist nicht zu übersehen, daß die ausgehende römische Republik in ihren Ideen und Symbolen eine Entwicklung zeigt, die im Prinzipat aufgegriffen und fortgeführt worden ist. In die Ideologie des Prinzipats haben ganz besonders zahlreiche stoische Gedanken Eingang gefunden, Vorbild der Herrscher ist die Gestalt des Herakles, er wird als einer der großen Kulturschöpfer der Menschheit gepriesen. Aber auch manche Götter wie der griechische Apollon und der römische Mercurius spielen im frühen Prinzipat eine Rolle. In ihrer Gestalt ist der junge Caesar verehrt worden, seine Schutzpatrone waren gewissermaßen die Gegenbilder des Dionysos, den sich Antonius als Helfer und Begleiter auserwählt hatte. Die Entstehungsgeschichte des Prinzipats hat es mit sich gebracht, daß gerade auch Begriffe einer ursprünglich militärischen Sphäre in seine Gedankenwelt eingegangen sind: hierzu gehört die Idee der
statio principis,
der
Bei dem Prinzeps werden im übrigen fast alle für den Herrscher vorteilhaften Tugenden vorausgesetzt: auf dem Ehrenschild, der dem Augustus im Jahre 27 v. Chr. verliehen worden ist, sind die
virtus, clementia, iustitia
und
pietas
aufgeführt. Von ihnen gilt die
clementia
(griechisch
epieikeia,
auch
praötes
und
philanthropia)
als die wichtigste Tugend des Regenten, und nicht durch Zufall hat Seneca in seiner dem jungen Nero bei seiner Thronbesteigung gewidmeten Schrift gerade diese Kardinaltugend gepriesen. Die
clementia
hatte eine Vorgeschichte in der ausgehenden Republik: sowohl für Pompejus wie besonders für Caesar ist sie bezeugt, an dem letzteren ist sie von den Zeitgenossen immer wieder mit hoher Bewunderung anerkannt worden. Der junge Caesar, der spätere Augustus, ist dagegen in seinen Jugendjahren alles andere als gnädig gewesen, sein Name und sein Gewissen waren mit den furchtbaren Proskriptionen des Jahres 43 v. Chr. belastet, mit dem zunehmenden Alter aber hat er auch die Kunst des Verstehens und Verzeihens gelernt.
Eine der wesentlichen Ideen des Prinzipats ist die Freiheit
(libertas).
Während in der Zeit der Republik die Freiheit für den Bürger darin bestanden hatte, sich innerhalb gewisser von Sitte und Herkommen
(mos maiorum)
gezogener Grenzen frei zu bewegen und sich politisch zu betätigen, hat sich dies während des Prinzipats entscheidend geändert. Zwar hat Augustus selbst behauptet, er habe den von der Tyrannei einer Gruppe unterdrückten Staat in die Freiheit zurückgeführt, aber von der alten republikanischen Freiheit war diejenige, welche das Prinzipat gewährte, doch sehr weit entfernt. Was aber ist die
libertas
im Prinzipat? Sie ist ein Zustand, der durch die Rechtssicherheit des einzelnen charakterisiert wird, mit anderen Worten: die Begriffe
libertas
und
securitas
sind einander nahe benachbart. Die offizielle Auffassung ist allerdings eine andere: danach hatte der Prinzeps gerade die republikanische Freiheit wiederhergestellt. Das Problem ist in der frühen Kaiserzeit immer wieder erörtert worden, auch Tacitus hat sich mit ihm beschäftigt. Nach seiner Auffassung hat bekanntlich erst Nerva den Prinzipat und die Freiheit, zwei in früherer Zeit unvereinbare Dinge, miteinander verschmolzen. Wie aber dachten die Zeitgenossen des Augustus? Alexandrinische Seeleute riefen dem Augustus im Hafen von Puteoli zu: «Durch dich leben wir, durch dich fahren wir zur See, durch dich genießen wir Freiheit und Wohlstand»
(Suet. Aug. 98, 2).
Der Segen des Prinzipats, vor allem die Aufrichtung und die Erhaltung des Friedens, ist von den Zeitgenossen mit tiefer Dankbarkeit vermerkt und anerkannt worden. Das Ideal der politischen Freiheit und der aktiven politischen Betätigung aber verflüchtigte sich immer mehr, an seine Stelle trat der öffentliche und private Wohlstand. Der Prinzeps selbst war mit seiner Person der Garant des Friedens und der Sicherheit:
l'empire c'est la paix.
Die rechtliche Grundlage der umfassenden Befugnisse des Prinzeps in der Rechtsprechung und auf dem Gebiet der allgemeinen Verwaltung ist letzten Endes das
Imperium proconsulare maius,
im Jahre 23 dem Augustus verliehen (S. 221). Es erstreckt sich auf das gesamte Reich, auch den Imperien der Statthalter der senatorischen Provinzen war es übergeordnet. Das Imperium gründete sich auf der erhöhten
auctoritas
des Augustus, diese ist zwar staatsrechtlich nicht faßbar, aber doch allgemein, gewissermaßen
per consensum universorum,
anerkannt. Neben der
auctoritas
des Senats gibt es jetzt die des Prinzeps, die aber, jener anderen überlegen, sie immer mehr zurückdrängt. Gewiß hat der Senat unter Augustus und Tiberius noch wichtige Funktionen wahrgenommen, aber der Umfang seiner Beteiligung an der Reichsregierung hing mehr oder weniger von dem Willen des Prinzeps ab. Die Ehrenrechte blieben der hohen Körperschaft erhalten, aber schon unter Augustus war der Senat nur noch ein Schatten seiner einstigen Größe, vor allem hatte der erste Prinzeps aus der Körperschaft zahlreiche Mitglieder ausgestoßen, die ihm nicht genehm waren. Neben die Senatsbeschlüsse
(senatus consulta)
treten, diese in ihrer allgemeinen Bedeutung bald überflügelnd, die Verfügungen des Prinzeps, seine
constitutiones,
gegliedert in Edikte, Dekrete, Episteln (Reskripte) und Mandate. Der Befehl des Prinzeps wird zwar in der Regel als Ratschlag
(consilium)
formuliert (es finden sich Ausdrücke wie
placet, arbitror, censeo),
in ganz bewußter Anknüpfung an die Senatsbeschlüsse der Republik. Die Gültigkeit der Constitutionen des Prinzeps aber ist unbeschränkt, auch über das irdische Leben des Prinzeps hinaus. Außerdem kann der Prinzeps, im Gegensatz zu den Magistraten, seine Verfügungen jederzeit wieder aufheben. Die Juristen, soweit sie
ex auctoritate principis
respondieren, schaffen
ius civile.
Die Verfügungen des Prinzeps aber rücken damit auf die Stufe der
senatus consulta,
der
leges
und der
plebiscita,
sie sind eine neue Quelle des öffentlichen und zivilen Rechts
(fons iuris publici et civilis).
An der Seite des ordentlichen Rechts
(ius ordinarium),
niedergelegt in den Gesetzen und den magistratischen Verfügungen, bildet sich das außerordentliche Recht
(ius extraordinarium),
ausgehend vom Prinzeps, und zwar vor allem auf dem Gebiet des Strafrechts. Hier arbeiteten die Quaestionen in der Regel zu langsam, was immer wieder zu Klagen über Prozeßverschleppungen geführt hat. Berühmt ist die Rede des Kaisers Claudius über dieses Thema; sie hat sich auf einem Papyrusblatt wiedergefunden. Die Frage, wieweit die Gerichtsbarkeit des Prinzeps und die des Senats in der frühen Kaiserzeit miteinander konkurrierten, ist in der Forschung noch umstritten. Es ist aber das
Wahrscheinlichste, daß es in der ersten Prinzipatszeit, unter Augustus und seinen nächsten Nachfolgern, ein Kaisergericht mit allgemeiner Zuständigkeit nicht gegeben hat. Doch spricht einiges dafür, daß Augustus gelegentlich richterliche Entscheidungen getroffen hat, und zwar vor allem im Bereich der ihm unterstellten Provinzen. Außerdem scheint er das Recht besessen zu haben, gewisse Prozesse an sich zu ziehen, falls eine Prozeßpartei zustimmte. Eine wichtige Rolle fällt bei den richterlichen Entscheidungen dem
Consilium
des Prinzeps zu, seine Zusammensetzung ist jedoch im einzelnen noch umstritten. Doch gehörten ihm mit Sicherheit die hervorragendsten unter den Consularen an. Mit einem regulären Senatsgericht wird man dagegen unter Augustus schwerlich rechnen können; nur ein paar vereinzelte Fälle, in denen man aus guten Gründen keinen Quaestionenprozeß durchführen konnte oder wollte, sind vor dem Senat verhandelt worden. So geringfügig diese Anfänge auch sein mögen - sie sind dennoch die Grundlage der Senatsgerichtsbarkeit, wie sie sich unter den Nachfolgern des Augustus, vor allem unter Tiberius, herausgebildet hat. Repetunden- und Majestätsprozesse, beide von Tacitus oft geschildert, bildeten unter Tiberius die Hauptgegenstände der senatorischen Gerichtsbarkeit, mit welchem traurigen Erfolg, ist allgemein bekannt. Der Prinzeps dagegen vermochte einen ganz entscheidenden Einfluß auf die Gerichtsverfahren und auch auf die Urteilsbildung auszuüben. Der Besitz der tribunizischen Gewalt, seine Stellung als Consul und als Mitglied des Senats ermöglichten es ihm, die Verhandlung entweder zu leiten oder doch wenigstens an ihr teilzunehmen; dazu gab ihm die tribunizische Interzession eine Waffe in die Hand, die in jedem Fall durchschlagend war. Bereits unter Augustus, der in seinen späteren Jahren nur noch selten zu den Sitzungen des Senats erschienen ist, kam es so weit, daß der Prinzeps seinen Willen dem Senat schriftlich zur Kenntnis gab, seine Entscheidung wurde natürlich in jeder
Weise respektiert.
Die Befugnisse des Prinzeps in der allgemeinen Verwaltung:
Auch in der Verwaltung des Reiches bezeichnet die Entstehung des Prinzipats einen tiefen Einschnitt. Dem alten Schlendrian der senatorischen Provinzialverwaltung wurde ein Ende gesetzt. Die Übernahme der Administration durch Beauftragte (Legaten) des Prinzeps in den kaiserlichen Provinzen hat sich im allgemeinen als sehr segensreich erwiesen, dies zeigt allein schon der zahlenmäßige Rückgang der Repetundenprozesse; Verurteilungen wegen Erpressungen der Provinzialen wurden mehr und mehr zu einer Seltenheit. Die republikanischen Magistrate in der Verwaltung wurden, im ganzen gesehen, zurückgedrängt, an ihrer Statt stiegen immer mehr kaiserliche Hilfsbeamte aus dem zweiten Stand, dem
ordo equester,
empor, sie sind ihren Aufgaben vorzüglich gerecht geworden. Nero hat einmal damit gedroht, er werde den Senat überhaupt abschaffen und die Verwaltung den Freigelassenen und den Rittern übertragen, diese Welle aber ging bald wieder vorüber. In Wirklichkeit beginnt die Zurückdrängung der Senatoren in der Reichsverwaltung erst unter dem Kaiser Hadrian (117-138), den Gipfel der Feindseligkeit gegenüber dem Senat bezeichnet die Regierung des Soldatenkaisers Septimius Severus (193-211), vollendet wurde die Entwicklung unter Gallienus (260-268). Wohl der erste Mann aus dem Ritterstand, der es zu hohen Ehren brachte, war der aus Afrika stammende Q. Marcius Turbo, der General Trajans; erst mit M. Opellius Macrinus (217 218) hat ein römischer Ritter den Kaiserthron bestiegen. Die Senatorenschicht hat also, trotz schmerzlicher Verluste durch die Proskriptionen des 2. Triumvirats sowie durch die Verfolgungen unter Tiberius, Nero und Domitian, ihre Stellung über ein Jahrhundert im römischen Staate voll zu behaupten gewußt.
Die Grundlage der Oberaufsicht des Prinzeps über die Gesamtverwaltung des Reiches bildete das
Imperium proconsulare maius
vom Juni 23 v. Chr. (s. S. 221). Der Prinzeps war damit allen Magistraten, auch den Consuln in Rom und den Proconsuln in den Provinzen, vorgesetzt, selbstverständlich erst recht seinen eigenen Beauftragten, insbesondere den
legati Augusti pro praetore,
welche die kaiserlichen Provinzen verwalteten. Unterstellt waren ihm auch die in Rom eingesetzten Sonderbeauftragten, die
curatores
und vor allem auch der Stadtpräfekt
(praefectus urbi).
In dem letzteren hat man geradezu den Vertreter des Prinzeps in der Hauptstadt zu sehen. Das Amt war offenbar nach dem Vorbild hellenistischer Institutionen geschaffen worden. Es erscheint in Rom zum ersten Male im Jahre 26 v. Chr., nach der Abreise des Augustus auf den spanischen Kriegsschauplatz. Messalla Corvinus dankte aber bereits nach fünf Tagen wieder ab, mit der Begründung, der Magistrat vertrage sich nicht mit den bürgerlichen Grundrechten. In der Tat ist das Amt des Stadtpräfekten 10 Jahre lang nicht wieder besetzt worden, erst im Jahre 16 v. Chr. übernahm es Statilius Taurus; unter Tiberius, der ja die meiste Zeit von Rom abwesend war, bekleidete es L. Calpurnius Piso. Das Wesen der Stadtpräfektur bestand ursprünglich in der Vertretung des vorübergehend abwesenden Prinzeps, aus dieser Funktion ist ein ständiges Amt erwachsen. Die wichtigste Befugnis des Stadtpräfekten war die Kriminalgerichtsbarkeit, hierfür besaß er das
Ius gladii.
Im 2. Jh. n. Chr. sind hierzu noch Befugnisse zivilrechtlicher Art hinzugetreten. Schon unter Augustus erstreckte sich sein Amtsbereich nicht allein auf Rom, sondern auf ganz Italien. Seinem Befehl gehorchten die drei
cohortes urbanae,
die Sicherheitspolizei der Reichshauptstadt. Seit dem Jahre 6 n. Chr. wurden ihm auch die
cohortes vigilum
unterstellt. Im übrigen erscheint der Magistrat in zivilem Gewand, in der Toga, was nicht ohne Bedeutung ist. Die Einsetzung des Stadtpräfekten aber ist eine Neuerung des ersten Prinzeps. Mommsens Versuch, das Amt mit republikanischen Magistraten in Verbindung zu bringen, im besonderen mit dem von den Consuln bei ihrer Abwesenheit in Rom zurückgelassenen Präfekten, überzeugt nicht. Auf jeden Fall aber ist die Institution von Augustus umgebildet und mit neuem Leben erfüllt worden.
Im übrigen hat der Prinzeps eine Anzahl von Spezialaufgaben selbst übernommen wie die
cura annonae
im Jahre 22 v. Chr. anläßlich einer Hungersnot, die
cura viarum
in ganz Italien im Jahre 20 v. Chr., die
cura operum locorumque publicorum
im Jahre 11 v. Chr. und andere. Von diesen Sonderaufgaben war die Getreidebeschaffung besonders wichtig, für sie fungierte ein vom Prinzeps bestellter
praefectus annonae
aus dem Ritterstand.
Die wichtigste Neuerung in der Verwaltung Italiens war die Einteilung des Landes in elf Regionen, ihre Beschreibung liegt im 3. Buch der
Einen großen Anteil an dem entstehenden Wohlstand hatten die
Provinzen.
Eine unendliche Fülle von Inschriften, Papyri und Münzen steht als Zeugnis für das kulturelle und wirtschaftliche Leben im Imperium Romanum der Kaiserzeit zur Verfügung. Dazu kommen, freilich aus späterer Zeit, die Briefe des Jüngeren Plinius, insbesondere das 10. Buch seiner Korrespondenz, die er als Statthalter der Provinz
Bithynia et Pontus
mit dem Kaiser Trajan geführt hat (110-112 oder 111 113 n. Chr.). Auch die Schriften des gebildeten Griechen Plutarch und die Reden des Dion Chrysostomos von Prusa sind sehr wertvolle Quellen für den Geist der römischen Administration der frühen Kaiserzeit. Das große Triebrad in der Verwaltung aber war der Prinzeps selbst. Schon im Jahre 27 v. Chr. waren die Länder Spanien, Gallien und Syrien in seine unmittelbare Verwaltung gekommen, das Imperium des Prinzeps über diese Provinzen wurde später alle fünf oder zehn Jahre verlängert. Das südliche Spanien (die Provinz Baetica) und das südliche Gallien (Gallia Narbonensis) übergab Augustus dem Senat, dafür erhielt er Illyricum, eine besonders gefährdete Provinz, die übrigens schon sein Adoptivvater Caesar besessen hatte. Beim Tode des ersten Prinzeps waren alle wichtigen Außenprovinzen in seiner persönlichen Verwaltung. Der Senat aber verfügte im Jahre 14 n. Chr. über folgende Provinzen: Baetica, Gallia Narbonensis, Sicilia, Macedonia, Achaia, Creta et Cyrene, Bithynia et Pontus, Asia, Cyprus, Africa (später Africa Proconsularis genannt). Gebiete, die während der Kaiserzeit neu erworben worden sind, kamen grundsätzlich unter die Administration des Prinzeps. An der Spitze der Verwaltung der senatorischen Provinzen standen Promagistrate, Consulare oder Praetorier, und zwar war ein Intervall von mindestens fünf Jahren zwischen Magistratur und Promagistratur vorgesehen, für die consularischen Provinzen betrug es sogar zehn Jahre. Alle Statthalter hießen offiziell
proconsules,
doch führten allein die Verwalter von Asia und
Africa zwölf Fasces, die übrigen nur sechs. Den Statthaltern unterstellt waren die Legaten, sie waren für die Rechtsprechung in den Gerichtssprengeln
(conventus iuridici)
zuständig. Dem erpresserischen System der republikanischen Verwaltung schob Augustus dadurch einen Riegel vor, daß er für die Statthalter erstmals ein festes Gehalt, und zwar ein sehr hohes, festsetzte. Die consularischen Statthalter erhielten l Million Sesterzen. Im ganzen war die Verwaltung des Augustus und seiner ersten Nachfolger sicherlich viel gesünder und auch wirkungsvoller als jene der ausgehenden Republik. Die Provinzen, früher vielfach die Ausbeutungsobjekte der römischen Nobiles, erfreuten sich der kaiserlichen Fürsorge, Mißwirtschaft wurde nicht geduldet. Im übrigen dauerte die Amtszeit der Statthalter der Senatsprovinzen grundsätzlich nur ein einziges Jahr, doch sind zahlreiche Verlängerungen vorgekommen. Im übrigen hatte auch die Tätigkeit der
legati Augusti pro praetore
in den kaiserlichen Provinzen gewisse republikanische Vorbilder; hatte doch z. B. Pompejus im Jahre 55 für Spanien Legaten bestellt, er selbst war in Rom geblieben. Unter dem ersten Prinzeps waren die Legaten Consulare oder Praetorier, sie führten ohne Rücksicht auf ihren persönlichen Rang 5 Fasces. Die Amtsdauer der Legaten war an und für sich unbegrenzt, sie dauerte in der Regel mehrere Jahre. Wer
legatus Augusti pro praetore
wurde, betrachtete dies als den Höhepunkt seiner senatorischen Laufbahn, doch galt auch das Proconsulat von Asia und von Africa als eine sehr hohe Ehrenstellung. Von der Verwaltung der Statthalter ausgenommen waren die freien Städte
(civitates liberae),
aber die finanzielle Misere der Städte, vor allem auch im griechischen Osten, zwang die kaiserliche Verwaltung schon im Verlauf des 1. Jh. n. Chr. zu wiederholten Eingriffen, die sich im 2. Jh. n. Chr. noch vermehrten. Theoretisch beruhte das Verhältnis dieser Gemeinden zum Reich auf einem Vertrag
(foedus),
dieser hatte jedoch in den meisten Fällen kaum noch irgendeine praktische Bedeutung. Im allgemeinen haben sich die
Kaiser bemüht, die Sonderstellung der freien Städte zu respektieren, aber der allgemeine wirtschaftliche Niedergang, der gegen Ende des 2. Jh. n. Chr. einsetzte, war nicht aufzuhalten, eine Entwicklung, die weder dem bösen Willen der Bürokratie des Reiches noch dem Versagen des städtischen Bürgertums zur Last gelegt werden kann.
Das Rückgrat der Reichsverwaltung unter dem Prinzipat bildeten die
Finanzen.
Man kann sich unschwer vorstellen, wie groß die finanziellen Lasten waren, die durch den Prinzeps getragen werden mußten: die Kosten der Verwaltung, der Sold für das Heer und die Flotte, die Lasten für die Getreideversorgung der Hauptstadt, für die Spiele und für zahlreiche öffentliche Bauten in Rom, in Italien und in den Provinzen. Allerdings haben es die Kaiser verstanden, sich entsprechende Einkünfte durch Steuern zu sichern. An erster Stelle sind die Tribute der Provinzen zu nennen, sie bestanden aus der Grundsteuer, der Kopfsteuer und aus so manchen indirekten Steuern und Zöllen. Für die Erhebung der Zölle war das Reich in eine Anzahl von Zollbezirken eingeteilt, die in der Regel mehrere Provinzen umfaßten. Auch die römischen Bürger wurden zu indirekten Steuern herangezogen, die wichtigste und für die öffentliche Hand ertragreichste war die Erbschaftssteuer. Natürlich flossen dem Prinzeps aus seinen Besitzungen, den Bergwerken, Weiden, Domänen, große Einnahmen zu, und nicht zuletzt brachte das Finanzsystem, das in Ägypten nach dem Vorbild der Ptolemäer funktionierte, enorme Beträge.
Auf dem Gebiet der zentralen Verwaltung der Finanzen hat Augustus eine epochemachende Neuerung durchgeführt. Bis zum Jahre
6
n. Chr. war das
aerarium populi Romani
die einzige Hauptkasse gewesen. In diesem Jahr aber gründete Augustus das
aerarium militare,
seine Gelder waren zur Versorgung der Veteranen bestimmt. Gespeist wurde die neue Kasse durch die Erbschafts- und Auktionssteuer, daneben aber auch durch kaiserliche Zuwendungen, die
impensae
(vgl.
Res gest. c.
17).
Außerdem gab es eine ganze Reihe von Spezialkassen in Rom und in den Provinzen, die
fisci.
Der Kaiser Claudius ist es gewesen, der die
fisci
in Rom zu einer neuen zentralen Kasse zusammengefaßt hat
(fiscus Caesaris).
Seit Claudius gewöhnten sich die Kaiser daran, den Fiscus als ihr Privatvermögen zu betrachten. Der Vorsteher dieser Kasse führte den Titel
«a rationibus»,
unter Claudius war es Pallas. Am Ende des 1. Jh. n. Chr. ist aus diesem Amt so etwas wie ein
Eine andere Säule des Prinzipats war das
Heer,
und zwar war es ein stehendes Heer, im Gegensatz zum Milizheer der römischen Republik. Eine der wichtigsten Aufgaben des Augustus war es gewesen, die riesigen Heeresmassen der Triumviratszeit zu ordnen und zu versorgen. Augustus ist dieser nicht einfachen Aufgabe, nimmt man alles in allem, in hervorragender Weise gerecht geworden. Er hat das Heer so organisiert, daß der Staat es zu tragen vermochte und daß die Reichsgrenzen gesichert waren. Das Heer bildete vorwiegend (nicht ausschließlich) den Grenzschutz nach dem Grundsatz der augusteischen Politik:
coercere intra terminos imperium.
Im übrigen hat Augustus das Heer zahlenmäßig beträchtlich vermindert: während er nach Actium 50 Legionen unter seinen Fahnen hatte, wurde die Zahl später auf 25 herabgesetzt. Die Verteilung (Dislokation) des Heeres ist sehr aufschlußreich. Der Schwerpunkt lag in Germanien, hier standen insgesamt acht Legionen, davon die Hälfte im Oberen, die andere Hälfte im Unteren Germanien. Das Zentrum der römischen Macht im Orient, die Provinz Syrien, hatte vier Legionen, Pannonien und Spanien je drei, Mösien, Dalmatien, Ägypten je zwei und Africa (als einzige senatorische Provinz) eine Legion. Die Aufreihung des Heeres an den überlangen Flußgrenzen tritt in dieser Aufstellung klar zutage. In den Legionen dienten grundsätzlich nur römische Bürger. Wer als Nichtbürger in eine Legion eintrat, erhielt das römische Bürgerrecht. Der Masse der Nichtbürger aber waren die sog. Hilfstruppen
(auxilia)
vorbehalten. Eine Sonderstellung besaßen die Prätorianer, zunächst neun Kohorten, später, seit Caligula oder Claudius, zwölf. Zu den Sondereinheiten gehören außerdem die
speculatores
und die
equites singulares imperatoris.
Der
numerus frumentariorum
ist dagegen erst unter Hadrian geschaffen worden. Als Sicherheitstruppen für die Reichshauptstadt dienten die
cohortes urbanae
und die
cohortes vigilum,
die letzteren sieben an der Zahl.
Bei den Prätorianern war die Dienstzeit 12 Jahre, für die übrigen römischen Bürger 16 Jahre. Die entlassenen Legionäre aber blieben noch weitere vier Jahre dienstpflichtig als eine Art von Reserve; jede Legion verfügte über ein
vexillum veteranorum.
Am Ende der Regierungszeit des Augustus betrug die Dienstzeit allgemein 20 Jahre, eine Tatsache, die zu Unruhen und sogar zu Aufständen des Militärs geführt hat. Tiberius hat daher die alte Dienstzeit wiederhergestellt, sah sich jedoch bald dazu gezwungen, sie abermals zu verlängern. Im übrigen haben Augustus und Tiberius aus guten Gründen alles getan, die militärische Grundlage ihrer Machtstellung nach Möglichkeit zu verschleiern. Anders wurde dies unter Caligula, der durch die Bevorzugung des Militärs die Stände vor den Kopf stieß. Das Heer aber ist im frühen Prinzipat zu einer imponierenden Macht im Staat geworden. Durch die Stationierung in den Standlagern verwuchsen manche Truppenteile mit den Provinzen und der Provinzialbevölkerung. Hier liegen die Wurzeln eines gewissen Regionalismus, der sich vor allem bei den Ereignissen des Vierkaiserjahres 68/69 n. Chr. bemerkbar gemacht hat. Im übrigen ist die Frage der Rekrutierung, insbesondere der
alae
und
cohortes
der Hilfstruppen
(auxilia),
immer noch zu wenig geklärt, da das Material hierfür noch nicht ausreicht.
Die große einmalige Leistung des augusteischen Prinzipats aber besteht darin, daß der Kaiser dem Orbis Romanus nach einer langen Zeit der Bürgerkriege eine Periode der Ruhe und des inneren und äußeren Friedens geschenkt hat. Dieser Friede dauerte, sieht man von den Ereignissen nach dem Tode Neros ab, bis in die Zeit des Kaisers Mark Aurel, also nahezu zwei Jahrhunderte. Die Segnungen der Pax Augusta sind von den Zeitgenossen mit tiefer Dankbarkeit gepriesen worden. Allerdings folgt dem Aufschwung des geistigen Lebens in der Zeit des Augustus allmählich ein Stillstand und, schon im 1. Jh. n. Chr., ein Niedergang, insbesondere in den Ländern lateinischer Zunge, während das griechische Geistesleben auch noch weiterhin bedeutende Leistungen hervorgebracht hat. Während Augustus das Glück hatte, eine ganze Reihe bedeutender Dichter zu finden, die sein Werk hoch gefeiert haben, unter ihnen Horaz und Vergil, ist dieser Glanz unter seinen Nachfolgern verblichen, allein die Figur des Seneca macht hier eine bemerkenswerte Ausnahme.
Wenn aber das Prinzipat als Herrschaftsform in Rom £ste Wurzeln schlagen konnte, so ist dies das Verdienst des Augustus gewesen: er hat mit sicherer Hand die wesentlichen Grundlagen gelegt, auf denen seine Nachfolger weiterbauen konnten.
2. Das Imperium Romanum unter Augustus (27 v.-14 n. Chr.)
Das Werk des Augustus ist im wesentlichen ein Werk des Friedens. Wenn er trotzdem Kriege geführt hat, so dienten diese der Abrundung des Reiches und der Befriedung von Grenzvölkern. Nicht mit Unrecht hat ihn Horaz als den Sohn der Maia, den Friedensbringer Merkur auf Erden, gefeiert, und eine Inschrift aus der Provinz Asia vom Jahre 9 v. Chr. nennt Augustus geradezu das
Der Verzicht auf kriegerische Taten großen Stils war letzten Endes durch harte militärische Notwendigkeiten bedingt. Nicht einmal die unausgeführten Pläne Caesars, die Eroberung Britanniens und der Partherfeldzug, sind von Augustus vollendet worden. Schuld daran ist zweifellos das Fehlen ausreichender Reserven, das Heer war sozusagen in seiner Gesamtheit in vorderster Linie eingesetzt. Auch das Ziel, das Reich abzurunden, ist nicht erreicht worden. Gelegentlich sind es handelspolitische Gründe gewesen, die Augustus zu kriegerischen Unternehmungen veranlaßt haben. Dies gilt für die Expedition des Aelius Gallus, des Präfekten von Ägypten und Nachfolgers des gestürzten Cornelius Gallus. Sie richtete sich gegen
Arabia felix,
das Gebiet des heutigen Aden am Roten Meer, das für die Kontrolle des Indienhandels wichtig war (25 24 v. Chr.). Doch wurde hier nichts Dauerndes erreicht. Das gleiche gilt für den Vorstoß des C. Petronius nach Napata in Nubien (24-22 v. Chr.). Weit größere Bedeutung hatte jedoch der Ausgleich zwischen Rom und Parthien im Jahre 20 v. Chr. Damals hat Augustus auf dem Wege der Diplomatie die Rückgabe der in der Schlacht bei Carrhae (S. 188) verlorengegangenen römischen Feldzeichen und der Gefangenen erreicht, die immerhin 33 Jahre lang in parthischem Gewahrsam gewesen waren, eine Tat, die von den römischen Dichtern und Künstlern hoch gefeiert worden ist. Politisch viel wichtiger aber war die Errichtung eines römischen Protektorats über Armenien in dem gleichen Jahr (20 v Chr.). Es ist Tiberius, der Stiefsohn des Prinzeps, gewesen, der einen armenischen Prinzen namens Tigranes (II.) zum König des Landes eingesetzt hat. Die armenische Frage hat übrigens auch weiterhin den Römern zu schaffen gemacht. So haben die Römer im Jahre 3/2 v. Chr. von dem neuen parthischen Großkönig Phraates V. - er war der Sohn des Phraates IV. und der Musa, einer Sklavin, die Augustus dem König geschenkt hatte - den förmlichen Verzicht auf Armenien verlangt. Dies ist jedoch erst im Jahre l v. Chr. durch den Enkel und Adoptivsohn des Augustus, C. Caesar, erreicht worden. Seit dieser Zeit bildete der Euphrat die Reichsgrenze im Osten, das Partherreich aber war von den Römern als gleichberechtigter Partner anerkannt. Armenien sollte von Augustus noch ein schweres persönliches Opfer fordern: C. Caesar, der im Jahre 2 n. Chr. dem armenischen König Ariobarzanes zur Hilfe geeilt war, wurde bei der Belagerung der Feste Artageira von einem Attentäter verwundet, er starb nach längerem Siechtum im Jahre 4 n. Chr. in dem lykischen Limyra. Ihm war sein jüngerer Bruder, L. Caesar, erst achtzehnjährig, im Tode vorangegangen (2 n. Chr.).
Die Kämpfe im Westen und Norden des Reiches:
Bis zum Jahre 12 v. Chr. stehen die militärischen Aktionen an der Rheingrenze und in Gallien unter dem Zeichen des M. Vipsanius Agrippa. Sie dienen im wesentlichen der Befriedung der westlichen Provinzen, Galliens und auch Spaniens. In den Jahren von 27 bis 25 v. Chr. ist Augustus selbst in Spanien gewesen, in diese Zeit fällt eine schwere Erkrankung, die er in Tarraco durchzumachen hatte. Es gelang ihm jedoch nicht, die wilden Bergvölker im Nordwesten der iberischen Halbinsel, die
Cantabrer und Asturer, vollständig niederzuwerfen, vielmehr hat Agrippa in den Jahren von 20 bis 19 v. Chr. nochmals Krieg gegen sie führen müssen. Ihren Abschluß fanden die Eroberungen durch die Gründung von Kolonien, von denen Bracara Augusta (Braga), Lucus Asturum (Lugo) und Asturica Augusta (Astorga) die wichtigsten waren. Zu den bisherigen Provinzen
Tarraconensis und Baetica
kam zwischen 16 und 13 v. Chr. als dritte
Lusitania.
In
Gallien
hat Augustus selbst im Jahre 27 v. Chr. die Organisation, verbunden mit einem Census, durchgeführt. Das Land galt, abgesehen von den Einbrüchen der Germanen an der Rheingrenze, als vollständig befriedet. Während die Narbonensis im Jahre 22 v. Chr. in die Verwaltung des Senats überging, wurde die Verwaltung des übrigen Galliens
(Gallia Comata)
in den Jahren von 16 bis 13 v. Chr. neu geregelt. Von nun an gab es drei Distrikte,
Aquitania, Lugdunensis
und
Belgica,
der Mittelpunkt des Herrscherkults von ganz Gallien aber war Lugdunum (Lyon). Hier errichtete im Jahre 12 v. Chr. Drusus, der Stiefsohn des Prinzeps, einen Altar der Roma und des Augustus.
Entscheidende Fortschritte sind unter der Regierung des Augustus an der
Nordgrenze Italiens
zu verzeichnen. Bisher waren die Römer im Hinblick auf die Verbindungen zwischen Oberitalien und Gallien mehr oder weniger von dem guten Willen der Alpenvölker abhängig gewesen, ein Zustand, den zwar Caesar noch geduldet hatte, der aber, je länger desto mehr, für ein großes Reich mit geordneter Verwaltung unhaltbar geworden war. Im Gebiet des Kl. St. Bernhard wohnte das streitbare Alpenvolk der Salasser. Auf Befehl des Augustus wurden die Salasser m Jahre 26 v. Chr. zum Teil verpflanzt, zum Teil ausgerottet, auf ihrem Gebiet wurde die Kolonie Augusta Praetoria (Aosta) angelegt (25 v. Chr.). Im östlichen Vorland Italiens wurde das Königreich Noricum (Oberösterreich, Kärnten, Krain) in der Form eines Klientelstaats in den Bereich des Imperium Romanum einbezogen. Im Gebiet der heutigen Schweiz und der Länder zwischen den Alpen und der oberen Donau wurde dagegen im Jahre 15 v. Chr. ein weitausgreifendes Angriffsunternehmen ins Werk gesetzt. Von Westen, von Gallien her vordringend, unterwarf Tiberius das Wallis
(Vallis Poenina)
und die Ostschweiz. Sein Bruder Drusus überquerte die Zentralalpen, wahrscheinlich über den Brennerpaß und den Seefelder Sattel, und stieß bis zur Donau vor. Tiberius besiegte die Vindeliker in einem Gefecht auf dem Bodensee; am 1. August 15 v. Chr. schlug er den gleichen Gegner entscheidend, angeblich in der Nähe der damals erst entdeckten Donauquelle. Härtere Kämpfe hatte Drusus in Raetien zu bestehen. Ob die Zerstörung des keltischen Oppidum Manching (bei Ingolstadt) mit der Expedition des Drusus in Verbindung zu bringen ist, ist bisher nicht mit Sicherheit zu sagen. Die Römer scheinen hier im Alpenvorland keineswegs die Donau-Grenze erstrebt zu haben. In Oberhausen bei Augsburg wurde ein römisches Legionslager errichtet. Als Vorort der neuen raetischen Provinz wurde Augsburg
(Augusta Vindelicum
oder
Vindelicorum)
gegründet, es wuchs bald zu einem blühenden Handelsplatz empor, der auch von den germanischen Nachbarvölkern, insbesondere den Hermunduren, gern besucht wurde. Mit der Errichtung eines antiken
Weniger von Glück begünstigt war die
germanische Politik
des ersten Prinzeps. Seit Caesars Tagen war der Rheinstrom die Grenze zwischen Gallien und dem freien Germanien. Doch wohnten auch westlich des Stroms germanische Stämme. So waren die Ubier auf ihren eigenen Wunsch von Agrippa im Jahre 38 v. Chr. auf das Westufer verpflanzt worden, und die Pfalz und das Elsaß hatten von Norden nach Süden die Stämme der Vangionen, Nemeter und Triboker inne. Größere Gefahren für das Imperium gab es an der Rheingrenze nicht, wohl aber suchten immer wieder germanische Stämme durch Raubzüge die angrenzenden Landschaften heim. Im Jahre 16 v. Chr. erlitten die Römer unter Lollius eine schwere Niederlage durch die germanischen Stämme der Usipeter, Tenkterer und Sugambrer
(clades Lolliana).
Nach der Neuorganisation Galliens (16-13 v. Chr.) begannen im Jahre 12 v. Chr. die germanischen Feldzüge der Römer, die Leitung lag in den Händen des Drusus, des Stiefsohns des Prinzeps. Schon im ersten Jahre konnte er die Unterwerfung der Stämme der Frisen, Brukterer und Chauken entgegennehmen, damit befand sich das Mündungsgebiet der Ems und der Weser in römischen Händen. Vom Alten Rhein wurde ein Kanal in die Zuidersee
(lacus Flevo)
gezogen, man benötigte ihn für die Heranschaffung des Nachschubs. Bereits im Jahre 11 v. Chr. stießen die römischen Legionen bis zur Weser vor, und zwei Jahre später, 9 v. Chr., erreichten sie sogar die mittlere Elbe. Es war ein schwerer Verlust für das Imperium, daß Drusus infolge eines unglücklichen Sturzes vom Pferde im Sommerlager zwischen Saale und Rhein seinen Verletzungen erlag. Im germanischen Kommando erhielt er in seinem Bruder Tiberius einen Nachfolger. Dieser hat die von Drusus errungenen Erfolge vor allem mit den Mitteln der Diplomatie gesichert. Freilich war Germanien, das Land zwischen Rhein und Elbe, noch weit entfernt davon, eine römische Provinz zu sein, wenn dies auch die Schmeichler des Tiberius behauptet haben. Die Römer hatten bisher nur einige Sommerfeldzüge in dem freien Germanien durchgeführt, im Winter aber war kein römischer Soldat auf germanischer Erde verblieben. Auch von Süden her haben die Römer den Hebel angesetzt. Hier hat sich L. Domitius Ahenobarbus (der Großvater des Kaisers Nero) nicht nur um die Neuansiedlung der Hermunduren im Bereich der mittleren Donau verdient gemacht, er hat auch einen Vorstoß nach Germanien unternommen und die Elbe (wohl im Bereich des ehemaligen Königreichs Sachsen) überschritten. In der Zeit um Christi Geburt war der römische Einfluß in Germanien immerhin so groß geworden, daß an dem neu errichteten Altar der Roma und des Augustus in der
Civitas Ubiorum
(Köln) die Söhne von germanischen Edlen als Priester schalteten. Frischer Wind kam in die Germanenpolitik, als Tiberius aus der selbstgewählten Verbannung in Rhodos zurückgekehrt war. Im Winter des Jahres 4-5 n. Chr. ist zum erstenmal ein römisches Heer auf germanischem Boden verblieben, es überwinterte im Gebiet der Lippe, und im Sommer des Jahres 5 n. Chr. wurde zu Lande die Elbe-Linie erreicht, während die Flotte sogar bis in die Gewässer von Jütland vorstieß. Die Römer hatten freilich in dem König der Markomannen und Sueben, Marbod
(Maroboduus),
einen hartnäckigen Widersacher. Von Böhmen und Mähren, dem Zentrum seines Reiches, griff er nach Norden aus und machte sich insbesondere die germanischen Stämme östlich der Elbe Untertan. Die Römer aber hatten die Absicht, Marbod durch eine doppelte Offensive, vom Rhein und von der mittleren Donau her, in die Zange zu nehmen. Doch wurde der Markomannenkönig durch den Ausbruch des
pannonischen Aufstands (6-9
n. Chr.) gerettet. Das Zentrum dieser Bewegung, die, wie es scheint, auf die Aushebungen der Römer zurückzuführen ist, war Bosnien, der Führer der Pannonier war ein gewisser Bato. Die Römer beeilten sich, mit Marbod Frieden zu schließen; gegen die aufständischen Stämme aber mußten nicht weniger als 15 Legionen nebst zahlreichen Hilfstruppen eingesetzt werden. Es war vor allem das Verdienst des Tiberius, in methodischem Vorgehen den Aufstand niedergeworfen zu haben (Schlacht am Bathinus-Flusse = Bosna im Jahre 8 n. Chr.). Tiberius hat auch dem Gebiet an der mittleren Donau eine neue Organisation gegeben.
Nicht so erfolgreich waren die römischen Waffen zur gleichen Zeit auf germanischem Boden. Hier hatte im Jahre 7 n. Chr. P. Quinctilius Varus den Oberbefehl übernommen. Er entstammte einer der vornehmsten römischen Familien, die ihren Ursprung auf die Könige von Alba Longa zurückführte, außerdem war Varus der Gatte einer Enkelin der Octavia, der Schwester des Prinzeps. Die gegen Varus gerichteten Vorwürfe, insbesondere derjenige, er habe es an Verständnis für die Germanen fehlen lassen, und zwar vor allem durch die Einführung der römischen Rechtsprechung und Steuerordnung, fallen übrigens nicht ihm persönlich, sondern dem römischen System überhaupt zur Last, für das er nicht verantwortlich war. Im Sommer des Jahres 9 n. Chr. stand Varus mit drei Legionen (XVII, XVIII, XIX) in einem Sommerlager am linken Weserufer, vielleicht in der Nähe der
Porta Westfalica.
Gegen Ende des Herbstes machte er sich auf den Rückmarsch an den Rhein, um hier die festen Legionslager zu beziehen. Auf dem Rückweg wurden die Römer überfallen und in dreitägigen ununterbrochenen Kämpfen von den Germanen zum größten Teil niedergemacht. Angesichts der Niederlage hatte sich Varus selbst den Tod gegeben. Die örtlichkeit der Varusschlacht - nach Tacitus (Annalen I 60) hat sie nicht weit vom
Eine viel glücklichere Hand hatte der erste Prinzeps in der
Innenpolitik.
In sorgfältiger Auswahl hat er die Senatsliste neu zusammengestellt und die Zahl der Senatoren auf 600 festgesetzt. Für die Zugehörigkeit zum Senatorenstand war ein Zensus von 1 Million Sesterzen erforderlich, während für die Ritter der Zensus auf 400000 Sesterzen festgesetzt wurde. Im großen und ganzen sind die beiden Stände den vielfachen Aufgaben durchaus gerecht geworden, allerdings waren die Zeiten, in denen der Senat die Reichsregierung führte, für immer vorüber. Wie sein Adoptivvater Caesar so hat auch Augustus versucht, das Leben der Bürger durch Gesetze und Verordnungen zu regeln. Sie waren von unterschiedlicher Bedeutung. Dies gilt insbesondere von den Ehegesetzen des Augustus. Es sind dies die
lex lulia de maritandis ordinibus,
die
lex lulia de adulteriis,
beide wahrscheinlich im Jahre 18 v. Chr. erlassen, und die viel spätere
lex Papia Poppaea (9
n. Chr.), diese eingebracht von zwei alten Hagestolzen. Die Gesetze ergriffen gegen Ehelose ganz rigorose Maßnahmen, sie erklärten diese für unfähig, Legate und Erbschaften Fernerstehender anzunehmen, während Kinderlose nur die Hälfte erben durften. Der Erfolg der Gesetze war übrigens mehr als fraglich. Das gleiche gilt auch für die
lex sumptuaria,
die der Prinzeps als Inhaber der
cura legum et morum
erlassen hat. Sie wurde zuerst umgangen, später geriet sie in Vergessenheit.
Sehr bedeutend sind die Leistungen des Augustus auf dem Gebiet des öffentlichen Bauwesens. Mit Recht konnte er von sich sagen, er habe eine Stadt aus Ziegeln
(urbs latericia)
übernommen und diese in eine Stadt aus Marmor verwandelt. Mit dem Prinzeps wetteiferten seine Freunde und Helfer, insbesondere M. Vipsanius Agrippa. Auf dem Palatin wurde die Residenz des Augustus errichtet
(domus Augustana),
zu Füßen des Capitols neben dem Forum Caesaris erhob sich ein neues Forum Augusti. Das monumentale
Mausoleum Augusti
war ein altitalischer Rundbau
(tumulus),
er wurde von einer Kolossalstatue des Augustus gekrönt. Vor dem Mausoleum wurde nach dem Tode des Prinzeps auf zwei ehernen Säulen sein
Ein besonders schwieriges Problem des augusteischen Prinzipats war die Frage der
Nachfolge.
Augustus hat mit seinen Anordnungen keinen Zweifel darüber gelassen, daß ihn dieses Problem, je länger desto mehr, beschäftigt hat. Als Haupt der julischen Familie war er nicht gerade vom Glück begünstigt.
Seine beiden ersten Ehen, diejenige mit Ciodia, einer Stieftochter des Antonius, und die mit Scribonia, einer Verwandten des Sex. Pompejus, waren nur von kurzer Dauer, aus der zweiten Ehe stammte seine Tochter Julia. Seine dritte Gattin, Livia Drusilla, vorher die Frau des Ti. Claudius Nero, brachte ihre beiden Söhne aus der ersten Ehe, Tiberius und Drusus, mit ins Haus des Prinzeps. Mit seinen Schwiegersöhnen hatte Augustus wenig Glück. Die erste Ehe der Erbtochter Julia mit M. Marcellus, dem Neffen des Prinzeps, blieb kinderlos. Julia wurde nach Marcellus' Tode dem mehr als doppelt so alten M. Vipsanius Agrippa in die Ehe gegeben. Fünf Kinder gingen aus dieser Verbindung hervor, die beiden ältesten Söhne, C. Caesar und L. Caesar, wurden von Augustus sogleich adoptiert, sie starben aber früh, L. Caesar im Jahre 2 n. Chr., C. Caesar zwei Jahre später. Erst jetzt rückte Tiberius, der Stiefsohn des Augustus, in die erste Linie (sein Bruder Drusus war im Jahre 9 v. Chr. gestorben), er hatte sich nach Agrippas Tod (12 v. Chr.) von dessen Tochter Vipsania trennen und Julia heiraten müssen. Die Zwangsehe wurde durch die Schuld der Julia, aber auch des Augustus, der sie erzwungen hatte, unglücklich, Tiberius entwich nach Rhodos, wo er in selbstgewählter Verbannung lebte (6 v.-2 n. Chr.). Nach seiner Rückkehr wurde er von Augustus am 26. Juni 4 n. Chr. adoptiert, aber nicht er allein, sondern auch Agrippa Postumus, der jüngste Sohn des Agrippa und der Julia. Damit waren die beiden Prinzen als die künftigen Nachfolger designiert. Tiberius aber mußte seinerseits Germanicus, den Sohn seines verstorbenen Bruders Drusus, adoptieren. Die Fortdauer des Hauses des Augustus schien damit für zwei weitere Generationen gesichert. Gegenüber dem sittenlosen Treiben der Julia hatte der Prinzeps zunächst große Langmut walten lassen. Erst als sich die Tochter im Jahre 2 v. Chr. mit Julius Antonius, dem Sohne des Triumvirn, einließ, war die Geduld des Augustus erschöpft. Julia wurde auf die Insel Pandateria an der campanischen Küste verbannt, sie überlebte ihren Vater nur kurze Zeit und hat Rom nie wieder gesehen. Die Härte des Augustus gegen sein eigenes Fleisch und Blut wird verständlich, wenn man weiß, daß seit dem Jahre 31 v. Chr. nicht weniger als vier Verschwörungen gegen sein Leben angezettelt worden waren, diejenige des Julius Antonius war die letzte. In der Regel waren persönliche Motive die Triebfedern gewesen, aber es gab in Rom auch so manche Männer, die sich mit der neuen Ordnung, dem Prinzipat, nicht abfinden konnten. Es war ein Glück, nicht nur für Augustus, sondern auch für das Imperium, daß diese Anschläge nicht zum Ziel gelangten. Augustus aber starb, 75jährig, auf einer Reise im väterlichen Bett zu Nola in Campanien (19. August 14 n. Chr.). Er ist den Tod des stoischen Weisen gestorben. Wenn er seine Freunde aufgefordert haben soll, ihm Beifall zu spenden, falls er das Schauspiel des Lebens
(mimus vitae)
gut zu Ende gespielt habe, so ist Augustus auch in dieser letzten Szene ein Stoiker, dem die Vorsehung die Rolle zugeteilt hatte, die er im Leben spielen mußte. Im übrigen weist der Charakter des Augustus vor allem eine Reihe von derbitalischen Zügen auf, er war eben ein ganzer Römer und Italiker, in keiner Weise angekränkelt von der verfeinerten Zivilisation des Hellenismus. In seiner Lebensführung äußerst einfach, dem Volk nahestehend durch seine Freude am Theater und an den Zirkusspielen, begabt mit einem handfesten italischen Aberglauben, aber entfernt von jeder Art von Mystik, war Augustus alles andere als ein blasser Theoretiker, vielmehr ganz dem praktischen Leben zugewandt. Das, was er geschaffen hat, in langsamem zähen Ringen mit mancherlei Widerständen, wird man einen autoritären Staat nennen dürfen. Aber dieser Staat war keineswegs fertig, als Augustus starb, die Richtung war jedoch vorgezeichnet und für die Kontinuität war gesorgt, soweit dies in der Macht des ersten Prinzeps gestanden hatte.
3. Die Nachfolger des Augustus aus dem julischclaudischen Hause (14-68 n. Chr.)
Die Zeit der Kaiser aus dem julischclaudischen Hause war für das Imperium Romanum im allgemeinen eine Friedenszeit. Die Nachfolger des Augustus haben sich im wesentlichen seinen Grundsatz zu eigen gemacht, der in der Bewahrung des Erworbenen bestanden hatte. Die einzige Ausnahme ist die Eroberung des südlichen Britannien durch Claudius. Für die innere Entwicklung ist die Kontinuierung des Prinzipats das Entscheidende. Dazu zeigen sich jedoch seit Caligula eine Reihe von hellenistischen Zügen, die dem frühen Prinzipat, den Regierungen des Augustus und Tiberius, durchaus fremd gewesen sind.
Augustus hatte die Nachfolge dadurch vorbereitet, daß er dem Tiberius im Jahre 13 n. Chr. ein i
mperium proconsulare maius,
d. h. die Verfügung über das Heer und die Provinzen, übertragen ließ. Auch die
tribunicia potestas
des Tiberius wurde damals erneuert. Als der erste Prinzeps am 19. August 14 n. Chr. abberufen wurde, zeigte es sich, daß er sein Haus wohl bestellt hatte. Außer dem eigentlichen Testament, dessen letzte Niederschrift Augustus am 3.April 13 n.Chr. vorgenommen hatte, existierten noch drei weitere Schriftstücke: Angaben über sein Begräbnis
(mandata de funere),
der Leistungsbericht
(res gestae)
und eine umfassende Übersicht über die Machtmittel des Reiches
(brevianum totius imperii).
Als Erben waren Tiberius zu 2/3, Livia, die Gattin des Augustus, zu 1/3 eingesetzt. Dennoch ergab sich ein eigenartiger Schwebezustand. Er ist auf die schwankende und zaudernde Natur des Tiberius zurückzuführen. Nahezu einen vollen Monat, vom 19. August bis zum 17. September 14 n. Chr., ließ Tiberius Senat und Volk im Ungewissen. Es kam sogar soweit, daß Tiberius im Senat darüber debattieren ließ, ob man nicht vielleicht das Prinzipat teilen solle - dies übrigens ein Zeichen dafür, daß das Prinzipat noch keineswegs seine endgültige Form gefunden hatte. Vorher aber war Agrippa Postumus, wohl auf einen hinterlassenen Geheimbefehl des Augustus, beseitigt worden. Die Tat fällt weder dem Tiberius noch der Livia zur Last. Tiberius, damals 54jährig, war eine sehr problematische Natur. So manches an seinem Wesen wird wohl für immer rätselhaft bleiben. Der Grundzug seines Charakters ist zweifellos eine altrömische
gravitas,
sie war jedoch ebensowenig zeitgemäß wie die Ablehnung alles griechischen Wesens, eine Eigenschaft, die Tiberius in eine Linie mit dem Älteren Cato stellt. Ganz besonders mißlich aber war es, daß Tiberius je länger desto mehr seine Gedanken vor der Außenwelt zu verbergen suchte, was der Anlaß für so manche schwerwiegenden Mißverständnisse geworden ist. Für die Annahme pathologischer Züge liegt aber kein Grund vor.
Tiberius, der neue Prinzeps, sah sich vor schwerwiegende Probleme gestellt. Um die Zeit seines Regierungsantritts brach eine Meuterei der Truppen in Pannonien und Germanien aus. Die germanischen Legionen versuchten, Germanicus, den Neffen und Adoptivsohn des Tiberius, zur Annahme des Prinzipats zu bewegen. Als Gründe für die Meuterei werden die Verlängerung der Dienstpflicht und zu geringer Sold angegeben. Dank der Besonnenheit des Germanicus und dank der geschickten Politik des nach Pannonien entsandten Drusus, des leiblichen Sohnes des Tiberius, konnten die Aufstände unterdrückt werden, nur die Rädelsführer wurden bestraft. Um das Heer am Rhein zu beschäftigen, befahl Tiberius die Wiederaufnahme des Angriffskriegs gegen die Germanen, jedoch mit begrenztem Ziel. Die Römer drangen im Jahre 14 entlang der Lippe in das freie Germanien ein, der Einfall wurde im folgenden Jahre wiederholt, während die Hauptmacht unter dem Befehl des Germanicus von Mainz aus gegen die Chatten operierte. Bei einem Streifzug in das Gebiet der Cherusker führten die Römer die Familie des Segestes, des Schwiegervaters des Arminius, und mit der Familie auch Thusnelda, die Gattin des Arminius, außer Landes. Der Hauptangriff aber wurde im Jahre 15 an der Ems vorgetragen. Von der Lippe aus besuchte Germanicus den Schauplatz der Varusschlacht; hier sorgte er für ein ehrenvolles Begräbnis der Gebeine der gefallenen Römer. Mit Arminius wurden die Waffen in einem unentschiedenen Treffen gekreuzt. Bei dem Feldzug des Jahres 16 wirkte eine römische Transportflotte mit, sie beförderte einen großen Teil des römischen Heeres (es bestand aus insgesamt acht Legionen und zahlreichen Auxilien) durch den Drususkanal und die damals nahezu geschlossene Zuidersee an der Nordseeküste entlang bis zur Emsmündung.
Von der Ems ging der Vormarsch zur mittleren Weser. Die Schlacht bei Idistaviso blieb unentschieden, auch in einem Treffen am Angrivarierwall errangen die Römer keinen Sieg, obwohl sich ihre Legionen (nicht aber die Reiterei) den Germanen überlegen gezeigt hatten (16 n. Chr.). Zwei weitere Feldzüge, gegen die Chatten unter der Leitung des Silius und gegen die Marser unter dem Befehl des Germanicus, waren nur Strafexpeditionen. Da schaltete sich der Prinzeps Tiberius ein: er berief Germanicus unter großen Ehren vom Kriegsschauplatz ab; man möge, so meinte er, die Germanen ihrer eigenen Zwietracht überlassen. Germanicus feierte am 26. Mai 17 n. Chr. einen glanzvollen Triumph über die «Cherusker, Chatten, Angrivarier und was sonst noch für Stämme bis zur Elbe hin wohnen». Arminius aber, im Felde unbesiegt, fiel, wahrscheinlich im Jahre 21, der Tücke seiner eigenen Verwandten zum Opfer, die ihn des Strebens nach der Königswürde bezichtigten.
Für die gallischen Provinzen war die Abberufung des Germanicus ein tiefer Einschnitt. Gallien war von nun an in drei Provinzen eingeteilt
(Tres Galliae),
mit je einem
legatus Augusti pro praetore
an der Spitze. Am Rhein aber wurden zwei große militärische Kommandos gebildet
(exercitus superior et inferior).
Die Grenze zwischen ihnen bildete der Vinxtbach
(ad fines)
bei Andernach.
Im Partherreich war der von den Römern begünstigte Vonones I. vertrieben worden, seinen Thron nahm Artabanos III. ein, der sich auch in Armenien durchzusetzen wußte. Diese Thronstreitigkeiten zwangen Tiberius, im Osten ein Machtwort zu sprechen. Er entsandte Germanicus mit einem
imperium maius
in den Orient (18 n. Chr.). Der Prinz bewies zunächst eine glückliche Hand; er setzte Zenon, den Sohn des pontischen Königs Polemon, unter dem Namen Artaxias auf den armenischen Thron. Die Wahl war vorzüglich, denn Artaxias hat sich immerhin 17 Jahre, bis zum Jahre 35, in Armenien behaupten können. Außerdem wurden die bisherigen Vasallenstaaten Kappadokien und Kommagene in römische Provinzen umgewandelt, womit eine Lücke im Osten geschlossen wurde. Weniger glücklich aber war Germanicus bei seinem Abstecher nach Ägypten. Er hatte hierfür nicht den notwendigen Dispens des Prinzeps eingeholt. Seine Edikte zeigen, daß ihm seine überragende Stellung zu Kopf gestiegen war. Trotzdem war es ein schwerer Verlust für die Dynastie und das Reich, daß Germanicus am 10. Oktober des Jahres 19 n. Chr. in Daphne, einer Vorstadt von Antiocheia, nach kurzer Krankheit verstarb. Der Senat beschloß für den toten Prinzen hohe Ehren, ein Teil von ihnen ist auf der Tafel von Magliano aufgezeichnet.
Als Germanicus im Orient weilte, war in Afrika ein Aufstand unter der Führung des Numiders Tacfarinas ausgebrochen (17 24 n. Chr.). Die Römer hatten größte Mühe, in dem Gebiet zwischen der Großen Syrte und Algier die Ordnung wiederherzustellen. Der Ruhm, den schwierigen Kolonialkrieg beendet zu haben, gebührt dem Proconsul Q. Lucius Blaesus, dem Oheim des Sejan. Zur Belohnung wurde dem Blaesus die imperatorische Akklamation zuteil, es ist die letzte, die ein
Feldherr erhalten hat, der nicht dem kaiserlichen Hause angehörte. Sein Nachfolger Cornelius Dolabella, der den Endkampf gegen Tacfarinas geführt hatte, ging dagegen leer aus. Sehr viel weniger Schwierigkeiten bereiteten dem Tiberius die Aufstandsbewegungen in Gallien, der Treverer unter Iulius Florus und der Gallier unter Iulius Sacrovir in Augustodunum (Autun) im Jahre 21.
Eine ganz entscheidende Rolle im Leben des zweiten Prinzeps hat
L. Aelius Sejanus
gespielt, der Sproß einer etruskischen Ritterfamilie aus Volsinii. Er war zunächst, gemeinsam mit seinem Vater L. Seius Strabo, Befehlshaber der Prätorianer in Rom. Sejan ist es gewesen, der diese Truppe aus den kleinen Städten der Albanerberge nach Rom in das neue Prätorianerlager am Viminal verlegt hat. Die Herrschaft über die Hauptstadt lag damit praktisch in seinen Händen. Seine Stellung wurde noch dadurch verstärkt, daß Tiberius, zunächst vorübergehend ein Jahr lang (21-22), dann aber, von 26 an, dauernd auf Capri residierte (Nesiarchie des Tiberius). In dem Kampf um die Macht zwischen Sejan und Drusus, dem Sohn des Tiberius, erwies sich der Prätorianerpräfekt als der Stärkere. Drusus starb am 14. September 23, ob durch Gift, ist nicht zu entscheiden. Der rücksichtslose Streber Sejan gelangte schließlich sogar zum Consulat (31). Durch seine Verlobung mit Julia, der Enkelin des Tiberius, fand er Eingang in die Familie des Prinzeps. Bereits im Besitz des
imperium proconsulare
entbehrte Sejan nur noch der
tribuniciapotestas,
und er wäre offizieller Mitregent des Tiberius gewesen! Durch Antonia Minor und durch Männer aus dem Kreise des Sejan gewarnt, hat Tiberius noch einmal eine bemerkenswerte Energie an den Tag gelegt, Sejan wurde in einer Senatssitzung vom 18. Oktober 31 zum Tode verurteilt und alsbald hingerichtet. Durch die Regierung des Tiberius zieht sich wie ein roter Faden eine ganze Kette von
Majestätsprozessen.
Sie belasten den Prinzeps schwer, und es bleibt für immer der Vorwurf, daß Tiberius dem
Eifer der Delatoren in keiner Weise entgegengetreten ist. Tiberius hat hier die Pflichten seines Herrschertums in folgenschwerer Weise versäumt, er hat dadurch das Prinzipat mit einer Hypothek belastet, an der auch seine Nachfolger schwer zu tragen hatten. Die Tragik des Tiberius besteht darin, daß er zwar vom besten Willen beseelt war, ein gerechter Herrscher zu sein, daß aber gerade der Ausgang seiner Regierung eine Zeit schwerer Verfolgungen für den Senatorenstand gewesen ist. Gerade Tiberius hatte sich bemüht, dem Senat einen Anteil an der Regierung zu geben. Die Mühe war umsonst gewesen, denn die hohe Körperschaft war nicht mehr imstande, die ihr zugedachte Rolle zu übernehmen, sie überschlug sich, je länger desto mehr, in vollendeter Servilität. Auch die lange Abwesenheit des Prinzeps von der Hauptstadt war einer geordneten Regierung sehr hinderlich. Gegen Ende seines Lebens aber hatte Tiberius nahezu alles Interesse an der Regierung verloren, er pflegte keine Offiziere mehr zu ernennen, auch die Ergänzung des Ritterstandes war ihm gleichgültig geworden. Beim Tode des Prinzeps Tiberius (er starb am 16. März 37 in der ehemaligen Villa des Lucullus in Misenum) machte sich in Rom das Gefühl der Befreiung von einem wahren Alpdruck in spontaner Weise Luft, ähnlich wie in Preußen beim Tode Friedrichs d. Gr. im Jahre 1786. Das Imperium aber stand wohlgeordnet, nach außen gesichert gegen jeden Angriff. Im ganzen hatte das Prinzipat seine Belastungsprobe bestanden, das Volk hatte sich mit ihm abgefunden, Senat und Ritterschaft hatten sich ihm untergeordnet.
Als Nachfolger des Tiberius kam zunächst nur der einzige noch lebende Sohn des Germanicus in Betracht, Gaius Caesar, im Volksmund
Caligula
(
Gutes versehen. Daß dieses Gefühl nicht getrogen hatte, sollte sich nur zu bald erweisen. Caligula zeigte sich zunächst sehr großzügig, das Geld des Staatsschatzes warf er mit vollen Händen hinaus, es gab zahlreiche Begnadigungen und Steuernachlässe verschiedenster Art. Der entscheidende Fehler des neuen Prinzeps aber war, daß er gar nicht daran dachte, sein Herrschertum als Verpflichtung aufzufassen, er war vielmehr ein Autokrat reinsten Wassers. Dabei muß offenbleiben, ob nicht gewisse schizophrene Züge seines Charakters für sein Verhalten maßgebend gewesen sind. Sein übersteigertes Selbstgefühl veranlaßte ihn dazu, nicht nur die göttliche Verehrung seiner eigenen Person, sondern auch die seiner Schwestern, vor allem der von ihm abgöttisch geliebten Drusilla, zu verlangen. Dazu enthüllte er in taktloser Weise die militärischen Grundlagen des Prinzipats. Er ließ sich
filius castrorum
und sogar
pater exercituum
nennen, er prägte Münzen mit den vier Adlern der Prätorianerkohorten und der Legende
adlocutio cohortium.
In den höheren Ständen wuchs die Unsicherheit, Senatoren und Ritter sahen sich von Verhaftungen, Konfiskationen und Hinrichtungen bedroht, so daß Verschwörungen gegen das Leben des Prinzeps nicht ausblieben. Das Komplott des Legaten von Obergermanien
(exercitus superior)
Cornelius Lentulus Gaetulicus wurde entdeckt, die Verschwörer mußten sterben, zwei Schwestern des Caligula, Julia Agrippina und Julia Livilla, wurden als Mitwisserinnen verbannt. Am 24. Januar 41 fiel Caligula als das Opfer einer anderen Verschwörung in Rom, deren Haupt L. Annius Vinicianus gewesen war.
Die Regierung des Caligula (37-41) hatte gezeigt, daß der Senat völlig hilflos einem Autokraten ausgeliefert war, solange dieser auf das Heer und insbesondere auf die Prätorianer zählen konnte. Außerdem hatte sich der Senat in sehr würdelosen Szenen vor dem Prinzeps gedemütigt. Das Ergebnis der knapp vierjährigen Regierung des Caligula war geradezu niederschmetternd. Der Staatsschatz des Tiberius war leer, die Bevölkerung Roms nagte am Hungertuch, und auch im Reich hatte der junge Prinzeps so manches Unheil angerichtet. Sehr zum Schaden des Imperiums hatte er verschiedene Provinzen in Klientelfürstentümer zurückverwandelt. Den Kindern des thrakischen Fürsten Kotys hatte er die Länder Thrakien, Pontos, das bosporanische Reich und Kleinarmenien gegeben, in Judäa hatte er Agrippa, einen Enkel des Herodes, zum König eingesetzt. Mit den Juden aber hatte er sich völlig überworfen; wir wundern uns nicht, wenn der jüdische Historiker Flavius Josephus die Ermordung des Caligula geradezu als Strafe Gottes an einem Verfolger der Juden bezeichnet hat. Den König Ptolemaios von Mauretanien hatte Caligula umbringen lassen, um sich in den Besitz seines Reiches zu setzen.
Die Ermordung Caligulas war eine Schicksalsstunde des römischen Prinzipats. Die amtierenden Consuln, Cn. Sentius Saturninus und Q. Pomponius Secundus, waren für die Wiederherstellung der
res publica libera,
andere Senatoren, und zwar die Mehrzahl, waren für die Einsetzung eines Prinzeps aus einem anderen Hause als dem julischen. Doch die Prätorianer hatten als Kaisermacher ihre Wahl bereits getroffen: sie war auf den nahezu fünfzigjährigen Oheim des Caligula mit Namen
Claudius
gefallen. Claudius galt als Sonderling, er hatte eine ganz untergeordnete Rolle am Hofe gespielt. Nachdem ihn die Prätorianer als Imperator begrüßt hatten, wurde er am 25. Januar 41 vom Senat als Prinzeps anerkannt. Den Prätorianern spendete er ein reiches Geldgeschenk
(donativum),
es war das erste, das ein Kaiser bei seiner Thronbesteigung in Rom gegeben hat. Claudius war ein Sohn des Drusus, des Stiefsohns des Augustus, und ein Bruder des Germanicus. Er nannte sich Ti. Claudius Caesar Augustus Germanicus. Seine 13jährige Regierung (41 54) war im ganzen ein Segen für das Reich. Eine besondere Neigung hatte der neue Prinzeps für die Rechtsprechung, auch für die Verwaltung des Imperiums zeigte er ein hohes Interesse, doch ist es unbekannt, wieweit die Entscheidungen im einzelnen auf ihn selbst oder aber auf seine Ratgeber zurückzuführen sind. Nach hellenistischen Vorbildern errichtete Claudius eine Art von Kabinettsregierung, die Geschäfte überließ er Freigelassenen, von denen der Kabinettssekretär
(ab epistulis)
Narcissus und der Finanzbeauftragte
(a rationibus)
Pallas die bedeutendsten waren. Ganz verhängnisvoll aber war die Abhängigkeit des Claudius von seinen Frauen; er war viermal verheiratet, die schlimmste war Valeria Messalina. Sie wurde von Narcissus aus dem Wege geräumt, als sie durch ihre Verbindung mit C. Silius eine Gefahr für das Leben des Prinzeps und für den Staat zu werden drohte (48 n. Chr.). Ihre Nachfolgerin wurde Julia Agrippina, die Tochter des Germanicus, die Nichte, des.Prinzeps. Sie beherrschte ihren Gatten vollständig und trat bald als Mitregentin auch nach außen hin in Erscheinung. Das Ziel der ehrgeizigen Agrippina war es, ihrem eigenen Sohn aus erster Ehe, Nero, die Nachfolge auf den Thron zu sichern. Während der Sohn des Claudius und der Messalina, Tiberius Claudius Germanicus (später Britannicus genannt), in den Hintergrund gedrängt wurde, häufte man alle möglichen Ehren auf Nero: er wurde, erst 13jährig, zum Consul designiert (51 n. Chr.), dazu erhielt er das
imperium proconsulare
und fand Eingang in die vier höchsten Priesterkollegien. Einen wertvollen Helfer ihrer Pläne hatte die Kaiserin in dem Prätorianerpräfekten Afranius Burrus; der Kampf des Narcissus für den Sohn des Claudius und der Messalina blieb ohne Erfolg. Um ganz sicher zu gehen, ließ Agrippina ihren Gatten, den Prinzeps, durch Gift aus dem Wege räumen. Sie bediente sich dabei der Hilfe eines griechischen Arztes, des Stertinius Xenophon aus Kos. Claudius starb am 13. Oktober 54 n. Chr. im Alter von 63 Jahren.
Auch in der
Außenpolitik
war für Claudius der erste Prinzeps, Augustus, das leuchtende Vorbild. Wie dieser so hat auch Claudius eine im wesentlichen defensive Politik verfolgt. Nur in
einem
Punkt ist er über das von Augustus Erreichte hinausgegangen: es ist die Eroberung des südlichen Britannien, die im Jahre 43 beginnt. Nicht weniger als vier Legionen nebst den entsprechenden Hilfstruppen wurden jenseits des Kanals eingesetzt. Schon im ersten Jahre fiel Camulodunum (Colchester), worauf der Prinzeps dem Lande einen sehr kurzen Besuch abstattete und in Rom einen feierlichen Triumph beging (44). Im übrigen sind die römischen Heere nicht weit über die Themse nach Norden vorgedrungen, erst unter Nero wurde die Grenze der römischen Provinz etwa auf die Linie Deva (Chester) - Lindum (Lincoln) in Mittelengland vorgeschoben. Auf seine Eroberung war Claudius sehr stolz, Inschriften sprechen davon, daß er nicht weniger als 11 britannische Könige bezwungen habe. Auch in Mauretanien, am anderen Ende der römischen Welt, mußte Claudius, hier ganz gegen seinen Willen, einen Krieg führen, der bereits unter Caligula begonnen hatte.
Zum erstenmal hat ein römisches Heer (unter der Führung des C. Suetonius Paulinus) das Atlasgebirge überschritten und ist bis zum Flusse Gir vorgedrungen (41). In den Jahren 44 und 45 kämpften die Römer hier unter dem Kommando des späteren Kaisers Galba. Größere Veränderungen gab es auch an der
Donaugrenze.
Hier hat Claudius den Klientelstaat Noricum in eine Provinz umgewandelt. Die Städte der neuen Provinz zeigen eine fortschreitende Romanisierung. Für den italischen Handel, insbesondere von Aquileja aus, bot die Provinz Noricum ein weites Hinterland. Italische Kaufleute fanden den Weg über die mittlere Donau bis tief hinein in das freie Germanien. Auch an der unteren Donau wurde reiner Tisch gemacht. Nach der Umwandlung des Vasallenstaates Thrakien in eine römische Provinz (44) gehörte alles Land südlich der Donau unmittelbar zum Imperium. Die Provinzen Achaia und Macedonia kamen in die Verwaltung des Senats, während Mösien eine kaiserliche Provinz wurde. Die Ruhe an der unteren Donau war jedoch nur eine vorübergehende Erscheinung; in dem weiten Gebiet zwischen den Karpaten und dem Don waren lebhafte Völkerbewegungen im Gange, die bald auch das Imperium in Mitleidenschaft ziehen sollten. In Germanien erscheint seit Claudius als Zentrum der Reichsverteidigung die Stadt Mainz
(Mogontiacum).
Hier hatte schon Caligula ein Vorfeld am Taunus geschaffen (Kastell Hofheim). In der Zeit des Claudius kam es zu Kämpfen mit den Chatten, sie überrannten die römischen Außenposten und mußten von Pomponius Secundus zurückgewiesen werden (50).
Auf dem Gebiet der inneren Politik hat die Regierung des Claudius beachtenswerte Erfolge aufzuweisen. Die Majestätsprozesse wurden nicht wieder aufgenommen, in der Verwaltung wurde eine schärfere Trennung zwischen dem Prinzeps und dem Senat angestrebt. Mit der Verleihung des römischen Bürgerrechts war der Prinzeps nicht kleinlich; so erhielten die Gallier, zuerst die Häduer, im Jahre 48 sogar das
ius honorum.
Die Rede des Prinzeps ist auf einer Bronzetafel von Lyon erhalten, sie ist ein hervorragendes Zeugnis für den Stil und die gelegentlich etwas verschrobenen Gedankengänge des Claudius. Auch im Sakralwesen fühlte sich Claudius als Nachfolger des Augustus. Er begründete das Kollegium der 60 Haruspices. Am 21. April 47 beging er in feierlicher Form den 800. Gründungstag der Stadt Rom. Gegenüber den fremden Kulten war er sehr mißtrauisch. So ließ er die Juden aus Rom ausweisen, in Gallien untersagte er den Druidenkult mit seinen grausigen Menschenopfern. Auch die Chaldäer mußten aus Rom verschwinden. Im ganzen war seine Regierung für die Hauptstadt und für das Imperium eine der besten, die es im frühen Prinzipat überhaupt gegeben hat. Daß er an der Regierung einen Anteil hatte, zeigt der Stil von nicht wenigen seiner Edikte und Reskripte. So trägt das Schreiben an die Alexandriner, die er wegen der Judenunruhen zur Ordnung ruft, einen ausgesprochen persönlichen Charakter. Claudius war ein wohlwollender Prinzeps, er kannte aber auch die Grenzen, die dem Wohlwollen eines jeden Herrschers gesetzt sind. Das in den antiken Quellen, vor allem von Sueton und erst recht das von Seneca in der
Mit dem Regierungsantritt des Nero (13. Oktober 54) beginnt eine neue Zeit. Der noch nicht ganz 17jährige Sohn des Cn. Domitius Ahenobarbus und der Julia Agrippina, der Tochter des Germanicus, war dank der geschickten Regie seiner Mutter ohne Schwierigkeit von den Prätoxiajiern als Imperator und vom Senat als Prinzeps anerkannt worden. In Seneca und Afranius Burrus verfügte er über zwei hervorragende Ratgeber. Sie haben aus den ersten fünf Jahren seiner Regierung ein ausgesprochen glückliches Zeitalter gemacht. Der Ehrgeiz seiner Mutter Agrippina erwies sich als höchst unheilvoll, der Kampf um die Macht zwischen Mutter und Sohn führte im Jahre 59 zu einer der schaurigsten Untaten der ganzen römischen Kaisergeschichte: nachdem ein vorgetäuschter Schiffsunfall nicht zum Ziel geführt hatte, ließ Nero seine Mutter ermorden. Drei Jahre später (62) folgte der Sturz der Kaiserin Octavia, der Tochter des Claudius und der Messalina. Ihr Leidensweg führte über die Scheidung von Nero zur Verbannung und Hinrichtung, weil sie der Geliebten des Prinzeps, Poppaea Sabina, im Wege gestanden hatte. Auch diese Frau ist ihres Sieges nicht froh geworden, denn sie starb schon im Jahre 65, ihre Ehe mit dem Prinzeps war kinderlos geblieben (eine Tochter war in frühester Jugend verstorben). Seinen Rivalen Britannicus, den Sohn des Claudius, hatte Nero bereits zu Beginn des Jahres 55 vergiften lassen.
Im Jahre 62 war Afranius Burrus an einer qualvollen Krankheit gestorben, der Einfluß des Seneca auf Nero wurde immer schwächer. Nero geriet in das Fahrwasser des Ofonius Tigellinus, des neuen Präfekten der Prätorianer, der den wenig vornehmen Passionen des Prinzeps in jeder Weise Vorschub leistete, um den jungen Herrscher um so besser lenken zu können. Nero warf das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus, die städtische Plebs wurde mit Zirkusspielen bei guter Laune gehalten. In der Staatskasse herrschte Ebbe; bald mußte man zu dem zweischneidigen Mittel der Münzverschlechterung Zuflucht nehmen, der Gehalt an Edelmetall wurde herabgesetzt, anstatt 40 Goldstücken wurden jetzt 45, anstatt 84 Denaren jetzt 96 pro Pfund geprägt.
In der Nacht vom 18. zum 19. Juli 64 brach in Rom ein verheerender Brand aus, er wütete sechs Tage und, nach kurzer Pause, noch weitere drei Tage. Von den 14 Regionen der Urbs waren sieben vollständig zerstört, drei weitere teilweise in Asche gelegt. Daß Nero selbst den Brand angestiftet hätte, ist eine Legende. Sie wird nicht zuletzt auch dadurch widerlegt, daß die Nacht vom 18. auf den 19. Juli eine Vollmondnacht gewesen ist. Doch kam die Feuersbrunst dem Prinzeps nicht ungelegen, da er nun Raum hatte, um seine gigantischen Baupläne in der Stadt ausführen zu können. Dies gilt insbesondere für die
Domus aurea,
einen riesigen Gebäudekomplex in der Senke zwischen dem Caelius und dem Esquilin. Da man dem Prinzeps seit seinem Muttermord alles zutraute, bezichtigte Nero, um den Verdacht von sich abzulenken, die Christen, den Brand angelegt zu haben. Der Name der Christen erscheint hier zum erstenmal in der antiken Überlieferung. Die Menge warf ihnen vor allem
Inzwischen hatte sich in Rom eine Opposition unter der Nobilität und unter den Offizieren der Prätorianer zusammengefunden. Das Haupt der Verschwörung war C. Calpurnius Piso, die Verschwörer hatten die Absicht, den Prinzeps bei den Spielen zu Ehren der Göttin Ceres im April 65 umzubringen. Nero wurde aber gewarnt, die ersten unter den Verhafteten verrieten unter der Folter eine Anzahl von Mitwissern, auch die Namen des Seneca und Piso. Während einige der Verschwörer unter dem Beil des Henkers sterben mußten, wurden andere, auch Seneca, zum Selbstmord gezwungen. Piso hatte sich selbst den Tod gegeben. Andere Beteiligte wurden nur mit Verbannung bestraft. Trotz der geringen Zahl der Opfer war die pisonische Verschwörung ein tiefer Einschnitt in dem Prinzipat Neros. Der Zorn des Kaisers richtete sich auch gegen die Stoikeropposition. Musonius Rufus wurde auf die öde Insel Gyaros verbannt, Thrasea Paetus in den Tod getrieben, ebenso der ehemalige Prokonsul von Asia, Barea Soranus, und seine Frau; diese hatte angeblich die Astrologen nach dem Schicksal des Prinzeps befragt, eine Tat, die als ein todeswürdiges Verbrechen galt. Im Jahre
66
wurde in Benevent eine andere Verschwörung, die des Annius Vinicianus
(coniuratio Viniciana),
aufgedeckt. Vinicianus war der Schwiegersohn des gefeierten Feldherrn Cn. Domitius Corbulo. Von nun an lebte Nero in ständiger Angst, auch vor seiner Generalität. So ließ er die beiden Oberkommandierenden der Heere an der Rheingrenze, Scribonius Rufus und Scribonius Proculus, nach Griechenland zu sich kommen. Hier wurden sie zum Selbstmord gezwungen. Das gleiche Schicksal ereilte auch Domitius Corbulo (67). Im Volk erfreute sich Nero dagegen nach wie vor größter Beliebtheit. Inschriften aus dem Osten feiern ihn als den «Retter des Erdkreises»
(soter tes oikümenes),
er wurde mit Herakles und vor allem mit Apollo, dem Schutzpatron der Musen, gleichgesetzt. Die von Nero getragene Strahlenkrone e"innert an die Identifizierung des Prinzeps mit dem Gott Helios. Es war der Gipfel der Apotheose des lebenden Herrschers, als der Prinz Tiridates im Jahre 66 die Krone Armeniens aus der Hand Neros entgegennahm. Er erwies dem Kaiser die Proskynese und nannte ihn Mithras. Eine Huldigung für den Prinzeps ist auch die große Nerosäule von Mainz, die man geradezu als einen
Im September 66 begab sich Nero auf eine Kunstreise nach Griechenland, begleitet von einer großen Schar von
Augustiani,
jungen Männern, die von seiner Kunst begeistert waren, und von den Prätorianern unter Tigellinus. An verschiedenen Orten trat Nero als Kitharöde auf wie z. B. bei den aktischen Spielen zu Ehren des Augustus. Am 28. November des Jahres 67 erklärte Nero die Griechen für frei und ledig aller Abgaben. Seine Rede verewigt eine Inschrift von Akraiphia in Böotien. Der Senat, der auf die Provinz Achaia verzichten mußte, wurde mit Sardinien abgefunden. Im Herbst des Jahres 67 hatte Nero die Arbeiten an der Durchstechung der Landenge von Korinth mit dem ersten Spatenstich eröffnet. (Das Unternehmen ist dann durch die Ereignisse des Jahres 68 ins Stocken geraten und schließlich eingestellt worden.) Auf das Ersuchen seines Freigelassenen Heliokles mußte sich der Prinzeps zu Beginn des Jahres 68 zur Rückreise nach Rom bequemen, über Neapel kehrte er in die Hauptstadt zurück. Mehr als 1800 Siegeskränze hat Nero hier dem palatinischen Apollo, dem Beschützer der Musen, dargebracht. Als der Prinzeps im März 68 wieder in Neapel weilte, erreichte ihn die Nachricht, daß C. Iulius Vindex, der Statthalter der Gallia Lugdunensis, sich von ihm losgesagt habe. Servius Sulpicius Galba, der Legat des Diesseitigen Spanien, sowie die Statthalter von Lusitanien und Africa folgten seinem Beispiel. Zu einem rettenden Entschluß vermochte sich Nero nicht durchzuringen, überhaupt macht er in jenen Tagen den Eindruck eines völlig gebrochenen Mannes. Die Bevölkerung Roms wurde wegen des Ausbleibens der Getreideschiffe rebellisch, der Prinzeps sah sich von allen verlassen, auch von den Prätorianern. Der Präfekt Nymphidius Sabinus nahm sie durch ein Geldgeschenk
(donativum)
für Galba in Sold. Als der Senat den Prinzeps zum
hostis
erklärt hatte, blieb Nero nur noch der Selbstmord übrig (9. Juni 68). Im römischen Volk war Nero jedoch unvergessen, er galt als der große Freund der Plebs, die er mit der Devise
«Panem et circenses»
für sich gewonnen hatte. Noch auf den Contorniaten-Münzen des 4. Jh. n. Chr. erscheint der Kopf Neros.
So ruinös sich Neros Herrschaft in Rom ausgewirkt hat - in seiner Außenpolitik ist ein großzügiger Plan unverkennbar. Dabei muß es jedoch in der Schwebe bleiben, ob die außenpolitischen Pläne auf seine engsten Ratgeber, insbesondere auf Seneca und Burrus, zurückzuführen sind. Wieder war Armenien der neuralgische Punkt, hier kreuzte sich der Einfluß des Imperiums mit dem des Partherreiches. In der Person des Cn. Domitius Corbulo verfügte Rom über einen hervorragenden Feldherrn, dem die Neuordnung der Angelegenheiten des Orients zu verdanken ist. Nachdem die Römer zunächst den Prinzen Tigranes, einen Urenkel des Herodes von Judäa, zum armenischen König eingesetzt hatten (59), gewannen die Parther wieder die Oberhand (61), Tigranes mußte dem Tiridates, dem Bruder des Partherkönigs Vologaeses L, in Armenien weichen. Im Jahre 63 waren beide Großmächte zu einem Kompromiß bereit: Armenien wurde ein römischer Vasallenstaat unter einer parthischen Dynastie, Tiridates kam nach Rom und wurde hier von Nero in feierlicher Form mit dem Diadem gekrönt (66).
Bereits im Jahre 64 war auch das Königreich Pontos am Schwarzen Meer eine römische Provinz geworden. Mit den Hyrkanern am Kaspischen Meer schlossen die Römer ein Bündnis, ein Feldzug gegen die Albaner im Kaukasus war geplant. Es ist durchaus möglich, daß hierbei handelspolitische Erwägungen im Hintergrund gestanden haben, vielleicht haben die Römer versucht, Anschluß an die vom Südende des
Kaspischen Meeres nach Baktrien an den Oxus verlaufende Seidenstraße zu gewinnen. Auch eine Expedition nach Äthiopien hat Nero beabsichtigt. Ein Kommando von Prätorianern begab sich nilaufwärts, es sollte den Weg von Syene an der Südgrenze Ägyptens nach Meroe feststellen. Ob dieses Unternehmen mit der Förderung des Indienhandels durch Nero in Verbindung zu bringen ist, bleibt jedoch zweifelhaft.
Weit mehr als nur lokale Bedeutung hatte der im Jahre 66 in Palästina ausgebrochene jüdische Aufstand. Er entstand in Cäsarea, wo die Juden mit den Syrern und Griechen in Konflikt lagen. Von Cäsarea aus verbreitete sich die Bewegung im ganzen jüdischen Lande, der römische Statthalter von Syrien, C. Cestius Gallus, mußte von den Aufständischen eine Niederlage hinnehmen. Nero wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er T. Flavius Vespasianus ein außerordentliches Kommando übertrug und ihn nach Palästina sandte. Drei Legionen und zahlreiche Auxilien kamen hier zum Einsatz. An die Stelle des Cestius Gallus trat C. Licinius Mucianus, ein hervorragender Diplomat, mit Vespasian eng befreundet. Die Befriedung des Landes machte nun schnelle Fortschritte, im Sommer 68 war Jerusalem eingekreist, die Belagerung der Stadt stand bevor, da traf die Nachricht vom Tode Neros ein.
Mit dem Tode des Kaisers Nero endet die julischclaudische Dynastie, von den Nachkommen des Augustus lebte niemand mehr. Auch noch in anderer Hinsicht ist Neros Tod ein tiefer Einschnitt: die alte aristokratische Führerschicht, die Trägerin des Staates und der Verwaltung seit den Tagen des Augustus, hatte abgewirtschaftet. Zu viele hatten sich durch ihre Servilität vor Nero kompromittiert, andere, und gerade die besten, hatten ihren Widerstand mit Hinrichtung und Verbannung büßen müssen. Es erhob sich die Frage, ob die römische Führungsschicht noch imstande war, jene Kräfte zur Verfügung zu stellen, die das Reich zu seiner Regierung bedurfte. Für das Volk und die Provinzen war das Zeitalter der Kaiser aus dem julischclaudischen Hause eine Zeit des Wohlstands und der Ruhe. Ganz besonders gilt dies von den Regierungen des Tiberius, des Claudius und von den ersten Jahren Neros. Die Idee des Prinzipats hatte die notwendige Zeit gefunden, im Denken der Zeitgenossen Wurzeln zu schlagen, selbst ein Autokrat wie Caligula und eine nicht weniger pathologische Figur wie Nero hatten die Idee des Prinzipats nicht zugrunde richten können, zu sehr war noch immer die Erinnerung an die schaurige Zeit der Bürgerkriege mit ihrem Blutvergießen lebendig. Bedenklich war freilich das Fehlen einer eigenen Initiative bei der höchsten Körperschaft des Reiches, dem römischen Senat. Der Senat hatte die Verbindung mit dem Heer, insbesondere auch mit den Prätorianern, verloren. Gerade das Militär aber war zu einer eigenen Größe im Imperium herangewachsen, sein Gewicht fiel bei allen Entscheidungen, insbesondere bei solchen hochpolitischer Natur, schwer in die Waagschale. Ein neuer Aspekt war die fortschreitende Provinzialisierung der Legionen und Auxilien, ein Vorgang, der das Eigengewicht der Provinzen, vor allem der Länder an der Rhein- und Donaugrenze, aber auch der Gebiete im Orient, beträchtlich erhöht hat. Zwischen Rom und den Provinzen ergaben sich mancherlei Spannungen, sie treten in den Vorgängen nach Neros Tod klar zutage. Im übrigen aber hat das Imperium kaum jemals so viele weit über dem Durchschnitt stehende militärische Führer gesehen wie in den Jahren nach Neros Tod. Es ist dies eine Erscheinung, die zum Vorrang des Militärs entscheidend beigetragen hat. Schließlich sind die Kämpfe um die Nachfolge des letzten Claudiers nur verständlich, wenn man weiß, daß die Sicherheit des Reiches von außen niemals bedroht gewesen ist. Das Imperium Romanum war zu einem Weltreich geworden, dessen Grenzen mit den Enden der zivilisierten Welt nahezu zusammenfielen. Und weit über die Stromgrenzen hinaus erstreckte sich der Einfluß des Reiches auf die benachbarten Völker: jenseits dieser
Völker liegen die «unsichtbaren Grenzen des römischen Kaiserreiches», von denen Ernst Kornemann gesprochen hat. Die Handelsverbindungen aber reichten noch weit darüber hinaus: bis hin nach Indien, wo Arikamedu (in der Nähe von Pondicherry) zahlreiche Funde aus der ersten Kaiserzeit aufzuweisen hat, bis tief hinein nach Äthiopien und bis zu den Nilsümpfen in der Nähe des Äquators. Im Norden fanden römische Händler den Weg zum fernen Samlande an der Ostseeküste. Ausgangspunkt war Carnuntum an der Donau (zwischen Wien und Preßburg), von hier führte die Fernhandelsstraße durch die Mährische Pforte nach Oberschlesien, durch Polen (Kaiisch) zum Goplosee und von dort zur Weichsel bis zu ihrer Mündung. Das Reich hatte einen riesigen Bedarf an Gütern aus aller Welt, der Friede der ersten Kaiserzeit war ein Segen für den Handel mit fernen Ländern, die den Römern in früherer Zeit nur in der Phantasie erreichbar gewesen waren.
4. Grundzüge der Kultur der Hohen römischen Kaiserzeit
Wer die Kultur der Hohen römischen Kaiserzeit, von Tiberius bis zu den Antoninen, verstehen und würdigen will, muß versuchen, die Maßstäbe in dieser Periode selbst zu finden. Es wäre nicht angemessen, die geistigen Leistungen dieser Zeit nach der überragenden Erscheinung Ciceros zu beurteilen, die ein neues Zeitalter der römischen Literatur eröffnet hat. Ebensowenig würde man der Kaiserzeit gerecht, wenn man das augusteische Zeitalter als Maßstab setzte, das mit seinen Leistungen auf dem Gebiet der Literatur, der Wissenschaft, der Kunst und Technik einen ganz unbestrittenen Höhepunkt des römischen Kulturschaffens darstellt. Diesem Zeitalter gegenüber muß natürlich alles Spätere mit Notwendigkeit als Abstieg oder geradezu als Verfall erscheinen. Dennoch hat das 1. Jh. n. Chr. zum mindesten
eine
überragende Gestalt des geistigen Lebens hervorgebracht. Es ist der Philosoph L.
Annaeus Seneca
(geboren um Chr. Geb., gestorben 65 n. Chr.). Senecas Familie stammte aus Spanien (Corduba), sein Vater war der Rhetor Seneca. Seine wissenschaftliche Ausbildung hatte der junge Seneca in Rom erhalten. Nach einem Aufenthalt in Ägypten entschied er sich für die Beamtenlaufbahn, beginnend mit der Quästur. Mit Caligula geriet er in Konflikt, unter Claudius mußte er in die Verbannung gehen, und zwar auf Veranlassung der Messalina (41). Acht trostlose Jahre verbrachte er auf der Insel Korsika. Nach seiner Rückkehr nach Rom stieg er zur Prätur auf (49), Agrippina vertraute ihm sogar die Erziehung ihres Sohnes Nero an. Als dieser den Thron bestieg, waren Seneca und Burrus die eigentlichen Regenten des Reiches, doch gelang es dem Philosophen nicht, den jungen Kaiser auf die Dauer nach seinem Willen zu lenken. Nach dem Tode des Afranius Burrus (62) schied auch Seneca vom Kaiserhof, drei
Jahre später starb er als Opfer der pisonischen Verschwörung.
Es ist ein imponierendes literarisches Werk, das dieser Mann der Nachwelt hinterlassen hat. Neben Dichtungen, auch Tragödien, steht eine große Zahl von Prosaschriften. Von ihnen sind die zwölf Dialoge wohl die bedeutendsten. Dazu kommen noch die 20 Bücher der
Epistulae morales ad Lucilium.
Charakteristisch für Seneca - wie überhaupt für seine Generation - ist die Hinwendung zur praktischen Philosophie: die Ethik ist alles, Logik und Dialektik interessieren nur noch wenig. Von der Philosophie erwarteten die Gebildeten jener Tage die entscheidenden Hinweise für das praktische Handeln. Seneca hat versucht, einem großen Publikum diese Direktiven durch seine Dialoge und Briefe einzuschärfen, und zwar mit einer nicht zu übertreffenden Stilkunst, in glänzender Anschaulichkeit und mit hinreißenden Pointen, für die man im römischen Schrifttum vergebens nach Parallelen suchen wird. Ein hervorragendes Beispiel ist die Schrift
Gleich Cicero war auch Seneca, obwohl den Stoikern nahestehend, ein Eklektiker. Neben stoischen Ideen finden sich bei ihm platonische, peripatetische, kynische Entlehnungen. Die Philosophie des Seneca dient der Antwort auf die Frage, wie der Mensch sein Leben glücklich gestalten könne. Die Antwort: nur derjenige vermag die Glückseligkeit zu erreichen, der sich von den äußeren Wechselfällen des Lebens unabhängig macht und den Schwerpunkt in sich selbst findet. Die innere Festigkeit wird freilich nicht ohne Kampf erworben, aber die Tugend ist mit Hilfe der Philosophie dem Verständigen erreichbar. In seinen Schriften hat Seneca zahlreiche Aussprüche hinterlassen, die als Zeugnisse reinster Humanität und als Ausdruck selbstloser Wohltätigkeit, sogar den Feinden und den Sklaven gegenüber, höchste Anerkennung verdienen. In mancher Hinsicht ist seine Gesinnung der christlichen Ethik verwandt, und nicht durch Zufall hat die spätere Zeit einen Briefwechsel zwischen Seneca und dem Apostel Paulus erfunden, den seinerzeit der Hl. Hieronymus für echt gehalten hat. Allerdings fehlen auch bei Seneca die Schattenseiten nicht. So hat sich der große Philosoph nicht nur zu ganz würdelosen Schmeicheleien gegenüber Claudius, Messalina und ihren Günstlingen herbeigelassen. Noch viel schlimmer ist seine Schmähschrift auf den Prinzeps Claudius, die
Der breiten Wirkung Senecas auf die Kreise der Gebildeten unter den Römern steht der Einfluß der kynischen Bettelphilosophen auf die unteren Schichten der Bevölkerung im Osten und im Westen des Reiches gegenüber. Diese Philosophen waren überall zu finden, sie haben auf die Ethik weitester Kreise einen tiefgehenden Einfluß ausgeübt. Einzigartig ist jedoch die Gestalt und die Wirkung des
Epiktet,
eines aus Hierapolis in Phrygien stammenden ehemaligen Sklaven (etwa 50gegen 138). Sein Lehrer war der Stoiker Musonius Rufus, derselbe, den Nero in die Verbannung getrieben hat. Das gleiche Los traf Epiktet unter Domitian. Er begab sich von Rom nach Nikopolis bei Actium. Hier hat er bis an sein Lebensende eine tiefgreifende Wirksamkeit entfaltet. Auch der Kaiser Hadrian hat zu seinen Füßen gesessen, zu seinen engeren Schülern hat auch Arrian von Nikomedien, der Alexanderhistoriker, gehört, der sich für seinen eigenen Gebrauch die Reden des Epiktet aufgezeichnet hat. Gegen seine Absicht sind diese später in die Öffentlichkeit gekommen. Anders als Seneca war Epiktet dadurch ein Vorbild, daß sich sein Leben und seine Lehre in vollkommener Übereinstimmung befunden haben. Seine Schriften, das «Handbuch»
(encheiridion)
und die Diatriben, durchweht eine tiefe Religiosität. Sein Leben ist getragen von einem unbedingten Vertrauen zur Gottheit, der sich der Mensch in allen Dingen zu unterwerfen hat. Was der Mensch auch erwirbt und besitzt, das muß er als Geschenk der Gottheit betrachten; er darf sich nic ht beklagen, wenn er es der Gottheit zurückgeben muß.
Die Rückwendung zur Religion ist in der Hohen Kaiserzeit eine allgemeine Erscheinung. In dem gleichen Maß, wie sich die Gestalten der alten römischitalischen und griechischen Götterwelt verflüchtigen, zeigt sich ein breiter Strom einer ganz persönlichen Frömmigkeit, der die Gebildeten und Ungebildeten in gleicher Weise in seinen Bann schlägt. Die Grabinschriften sind Zeugen dafür, daß man ein Wiedersehen nach dem Tode, dazu ein glückliches Leben im Elysium erhofft. Viele Tausende haben sich mit Inbrunst den vom Osten her vordringenden Geheimlehren der Isis, der Kybele
(Magna Mater)
und des Mithras verschrieben. Mysterien und Orakel erleben eine neue Blütezeit, wie etwa das Orakel von Klaros bei Kolophon, das Germanicus konsultiert hat. Seine Ausgrabung unter Louis Robert ist seit geraumer Zeit im Gange. Zahlreiche Kaiser haben sich in die eleusinischen Mysterien einweihen lassen. (Eine bemerkenswerte Ausnahme ist Nero.) Charakteristisch für den Volksglauben ist das Auftreten von zahlreichen Wundermännern. So hat der Scharlatan Alexander von Abonuteichos überall den größten Anklang gefunden (s. S. 257), und nicht anders steht es mit seinem Konkurrenten, Peregrinus Proteus, der sich in Olympia öffentlich verbrennen ließ. Der Glaube an ein Jenseits war ganz allgemein, daneben aber auch die Vorstellung von der Hölle und von Höllenstrafen für Bösewichter. Weit verbreitet war auch die Furcht vor den Dämonen, sie wird bezeugt durch die Fluchtafeln, zumeist aus Blei, mit ihren oft recht derben Verwünschungen. Auch der Glaube an Zeichen und Wunder war Gemeingut. Es war üblich, sich von den Astrologen
(mathematici, Chaldaei)
das Horoskop stellen zu lassen. Auch der Glaube an Träume war weit verbreitet. Dies zeigt das Traumbuch des Artemidor aus dem 2. Jh., in ihm sind alle erdenklichen, dem Verfasser bekannt gewordenen Träume aufgezeichnet. Der gefeierte Sophist Aelius
Aristides hat sich in seinen Schriften ausführlich über seine Träume ausgelassen, er erhielt im Traum Anweisungen über Diät und Lebensweise, die er pünktlich zu befolgen pflegte, da er um seine Gesundheit sehr besorgt war. Unter dem niederen Volk herrschte ein oft ganz abstruser Aberglaube; er wird bezeugt durch die Zauberpapyri aus Ägypten mit ihrem vielfach ganz unverständlichen Inhalt.
An der Seite des Volksglaubens existiert die offizielle Staatsreligion. Augustus hatte sich bemüht, sie mit neuem Leben zu erfüllen, seine Nachfolger haben diese Bestrebungen fortgesetzt. Zahlreiche Tempel sind neu errichtet, viele andere wiederhergestellt worden. Wie der Prinzeps das Amt des Pontifex Maximus bekleidet, so stellen sich nach seinem Vorbild die Mitglieder der Nobilität für die hohen Priesterämter zur Verfügung. Auch die etruskischen Riten sind eifrig gepflegt worden. Nicht durch Zufall hat der Kaiser Claudius ein voluminöses Werk über dieses Rätselvolk geschrieben. Zu den offiziellen Göttern des altrömischen Pantheons treten so manche neuen hinzu, zum Teil abstrakte Gottheiten wie die
Annona
und die
Disciplina,
die letztere unter Hadrian. Anders als die italischen und hellenischen Götter erfüllen die Göttergestalten des Orients das ganze Imperium mit ihrer Propaganda, sie haben eine große Macht über die Seelen der Römer und der anderen Einwohner des Westens gewonnen. Der Erfolg dieser Religionen liegt in der Stimmung der Zeit begründet: es ist die Sehnsucht nach Mystik und nach Offenbarung, diese Sehnsucht hat nun im Umgang mit den orientalischen Religionen ihr Genüge gefunden. Eine starke Ausstrahlung hatten die Religionen aus dem Orient auf die Frauen, dies gilt auch für die Lehren des Christentums. Unter Domitian sind vornehme Damen des kaiserlichen Hofes wegen ihrer Zugehörigkeit zu verbotenen Kulten
(superstitiones)
verbannt worden. Der Radius der Ausbreitung der orientalischen Religionen ist beträchtlich. Kultstätten der Isis finden sich nicht nur an vielen Orten Italiens, sondern auch im Norden, im römischen Germanien und sogar in England. Vor allem sind es die großen Hafenstädte, in denen sich die ägyptischen Gottheiten (Isis, Sarapis, Osiris, Anubis) niedergelassen haben. So haben auch die Isishymnen, Dokumente der Verehrung der
Isis regina,
eine geradezu weltweite Verbreitung gefunden. In ihnen wird Isis als die Göttin mit den unzähligen Namen
(myriönymos)
gepriesen, sie wird mit einer Vielzahl anderer Göttinnen gleichgesetzt. Insbesondere die Flavier hatten ein enges Verhältnis zu Isis. Als Domitian im Jahre 69 aus Rom fliehen mußte, da verkleidete er sich als Isispriester. Unter Hadrian zeigt sich eine gewisse Reaktion gegen die Überfremdung der römischen Religion durch die Götter des Orients, aber auch dieser Kaiser hat sich dem Einfluß des Ägyptischen nicht entziehen können. Dies zeigt zum Beispiel seine riesige Villenanlage in Tibur (Tivoli). Überhaupt ist Ägyptisch in der Kaiserzeit sehr in Mode. Im ganzen Reich finden sich die ägyptischen Uschebtis, kleine Figuren, die man in Ägypten den Toten mit ins Grab zu geben pflegte. Sie wurden in der Kaiserzeit durch Händler im ganzen Reich vertrieben. Auch Kleinasien hat zur Götterwelt des Imperiums Wesentliches beigesteuert. Während die Kybele
(Magna Mater)
schon seit 204 v. Chr. Heimatrecht in Rom besessen hat, wurde in der Kaiserzeit auch ihr Sohn Attis im Westen vielfach verehrt. Auf den Grabsteinen ist sein Bild das Symbol der Auferstehung. Zur Erinnerung an den Tod und an die Auferstehung des Attis pflegte man am 24. März ein großes Fest zu feiern.
Kleinasien entsandte außerdem den großen Wundertäter und Religionsstifter Apollonios von Tyana, dessen Taten, mit vielen legendären Zügen verquickt, Philostrat im 3. Jh. n. Chr. aufgezeichnet hat. Gelebt hat Apollonios im 1. Jh., er ist weit im römischen Reich herumgekommen, dabei hat er viele Wunder getan, vielleicht hat er auch die Gabe des zweiten Gesichts besessen. Was man in jener Zeit von den Wundermännern dachte, zeigt die Erzählung der Apostelgeschichte von der Heilung eines Kranken durch Paulus und Barnabas in Lystra in Lykaonien: die Einwohner der Stadt waren so begeistert, daß sie die beiden Apostel zu Göttern erheben wollten! Aus Kleinasien stammt auch der seltsame Religionsstifter Alexander von Abonuteichos. Der sehr geschäftstüchtige Mann hatte einen Schlangengott Glykon erfunden, der imstande war, Orakel zu geben. Zu den Gläubigen gehörten neben zahlreichen Griechen und Kleinasiaten auch so manche einflußreichen Römer. Weihungen an Glykon sind nicht nur in Makedonien (Skopje), sondern auch in dem fernen Dakien (Apulum) gefunden worden. Später als die ägyptischen und kleinasiatischen sind auch die syrischen Götter, Juppiter Dolichenus, die Dea Syria von Hierapolis und der Sonnengott von Emesa, nach dem Westen gewandert. Das gleiche gilt auch von dem persischen Mithras, der sich durch seine Lehre und seinen Kult vor allem den Soldaten empfohlen hat. Nicht durch Zufall finden sich in der späteren Kaiserzeit zahlreiche Kultstätten des Mithras an den Limites am Rhein und an der Donau. So existierten in Carnuntum nicht weniger als sieben Mithräen, in Aquincum deren fünf, auch in den Kastellen der Wetterau waren sie häufig. Doch ist über dem Siegeszug der orientalischen Gottheiten nicht zu übersehen, daß, wenn man von der Zahl ausgeht, die alten Religionen nach wie vor bei weitem das Feld beherrschen: in Italien sind es immer noch Hercules und Silvanus, die in den Weihungen dominieren, und in den Provinzen, wie z. B. im Rheinland, ist das Bild nicht anders.
Das Vordringen orientalischer Religiosität ist nicht nur ein Ereignis der antiken Religionsgeschichte, auch für die antike Bildung ist der Vorgang von großer Bedeutung. Allerdings läßt sich dieses Phänomen erst in den späteren Perioden der Kaisergeschichte mit Sicherheit nachweisen. Kennzeichen der frühen Kaiserzeit ist vielmehr der Siegeszug der lateinischen Sprache, die sich auf Kosten der einheimischen Idiome, vor allem des Keltischen, Punischen und Libyschen, immer weitere Räume erschlossen hat. Der Aufstieg des Lateinischen ist zweifellos das Ergebnis der Elementarschule. Sie ist zwar nicht obligatorisch, sie wird aber dennoch von ungezählten Tausenden besucht. Im übrigen sind auch für das Schulwesen der Kaiserzeit private Schulstiftungen und private Wanderlehrer charakteristisch. Die Kinder der vornehmen Familien erhalten ihren Unterricht in der Regel zu Hause durch Sklaven. Der höheren Bildung dienen die
Rhetorenschulen,
für die Masse kommen sie allerdings nicht in Betracht. In den Rhetorenschulen wird Unterricht in Grammatik, Literatur, Mathematik, Musik und Gymnastik erteilt, und zwar nur an Knaben. Das Problem der Mädchenbildung ist jedoch hin und wieder diskutiert worden. Dies zeigt eine durch Zufall erhaltene Diatribe des Musonius Rufus. Der Inhalt der Bildung ist rein klassizistisch; in den rhetorischen Übungen beschäftigte man sich ganz ausschließlich mit Beispielen aus einer fernen Vergangenheit, mit Gestalten wie Alexander und Hannibal. Auch die Tyrannen und der Tyrannenmord sind Themen, die unendlich oft behandelt worden sind. In seiner «Naturgeschichte» (n. h. XIV, praef. 2) hat sich der Ältere Plinius (gest. 79 n. Chr.) mit großer Bitterkeit über den Rückgang der Wissenschaften in seiner eigenen Epoche ausgesprochen. Den Verfall der Bildung führt Plinius auf veränderte Lebensbedingungen und auf eine neue Lebensanschauung zurück: an die Stelle der freien Betätigung im Reich der Wissenschaft sei der Tanz um das Goldene Kalb getreten. Die Klagen des Plinius lassen immerhin soviel erkennen, daß die Sekurität der Kaiserzeit nicht nur ein Segen gewesen ist. Doch hat es immer wieder Kaiser gegeben, die sich tatkräftig um die Bildung ihrer Untertanen bemüht haben. Von grundlegender Bedeutung ist der Freibrief des Kaisers Vespasian vom Jahre 74, dessen griechische Fassung auf einem Stein in Pergamon zum Vorschein gekommen ist. In dieser Urkunde verleiht Vespasian den
paideutai,
d. h. den
Grammatikern und Rhetoren, sowie den Ärzten wichtige Privilegien, insbesondere die Befreiung von Einquartierung, von Steuern, dazu Schutz vor rechtswidriger Verletzung der Person und vor Verhaftung. Außerdem erhalten sie das Recht, Kultgenossenschaften zu bilden. Die pergamenische Inschrift enthält außerdem einen Erlaß des Domitian, der sich in scharfer Form gegen die Erteilung von Unterricht an Sklaven wendet. Als erster Prinzeps hat Vespasian aus dem Fiskus ein Gehalt von 100000 Sesterzen für die lateinischen Rhetoren ausgesetzt; Quintilian ist als erster Rhetor durch den Prinzeps mit festem Gehalt in Rom angestellt worden. Vorbilder für diese Privilegien finden sich in der Organisation des alexandrinischen Museions. Vespasian hatte diese weltberühmte Stätte der Forschung und Lehre bei seinem Aufenthalt in Ägypten kennengelernt, dabei hatte er die Mediziner um ein Fachgutachten ersucht, weil man den neuen Prinzeps gebeten hatte, Kranke zu heilen. Bezeichnenderweise kommen die Philosophen in dem Freibrief Vespasians nicht vor: sie waren durch ihre Opposition beim Kaiser in Ungnade gefallen, erst Hadrian hat sie in die Gruppe der Privilegierten aufgenommen. Trotz der beachtlichen Ansätze zu einem Hochschulwesen unter Vespasian und Hadrian stehen aber die Leistungen der Kaiserzeit tief unter der Blüte der hellenistischen Wissenschaft im 3. und 2. Jh. v. Chr. Was man in der Kaiserzeit für Wissenschaft hielt, zeigen etwa die
Naturales quaestiones
des Seneca und die
Naturalis historia
des Älteren Plinius. Trotz des sehr wertvollen in ihr aufgespeicherten Materials ist die letztere nicht mehr als eine große Kuriositätensammlung. Für die reine Wissenschaft interessierte sich niemand, und der Spott Senecas über die Leute, die sich mit der Geschichte vergangener Zeiten befassen, ist hierfür sehr bezeichnend. Weder in der Mathematik noch in der Astronomie noch auch in der Geographie ist man über das im Hellenismus Erreichte hinausgekommen. Immer noch wurden geographische Irrtümer weiter verbreitet, wie etwa die irrige Vorstellung, daß das Kaspische Meer ein Busen des nördlichen Okeanos sei. Doch es gibt auch einige Lichtblicke. Zu ihnen gehört der
Periplus Maris Erythraei.
Er ist das Segelhandbuch eines griechischen Kaufmanns mit wichtigen Beobachtungen über den Indischen Ozean und über Vorderasien, ein Werk, das übrigens auch für die Kunde von Südarabien von großer Bedeutung gewesen ist. Die Datierung der inhaltsreichen Schrift ist bis zum heutigen Tage umstritten, doch wird man sie wahrscheinlich gegen 50 n. Chr. ansetzen dürfen. Überhaupt hatte der Indienhandel in der römischen Kaiserzeit einen kräftigen Aufschwung genommen, erst die Römer haben die Entdeckung von dem regelmäßigen Wehen der Monsunwinde, die wahrscheinlich im Jahre 117 v. Chr. unter dem 8. Ptolemäer (Ptolemaios VIII. Euergetes II.) gemacht worden war, richtig auszunützen verstanden.
In den Friedensjahren der ersten Kaiserzeit hatte sich in Rom, in Italien und in den Provinzen ein breites besitzendes Bürgertum, eine Bourgeoisie, gebildet, die über ein recht ansehnliches Vermögen verfügte. Man muß dem Besitzbürgertum des 1. und 2. Jh. n. Chr. nachrühmen, daß es sich seiner Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit bewußt gewesen ist. Kaum ein anderes Zeitalter hat nämlich eine derartig große Fülle von gemeinnützigen Stiftungen und Bauten gesehen wie die erste römische Kaiserzeit. Die Gemeinden, die Munizipien, Kolonien und Poleis, haben die Stifter durch Ehrendekrete und mit Statuen aus Erz und Stein reich belohnt. Es gab sogar Familien, die sich im Dienste der Allgemeinheit geradezu ruiniert haben. Rathäuser, Schulen, Brücken und Wasserleitungen sind wenigstens zum Teil mit privaten Geldern errichtet worden, Lehrer, Grammatiker und Rhetoren, wurden auf Grund privater Stiftungen angestellt, es gab auch Ärzte, welche die Patienten ganz unentgeltlich behandelten. Wohltätigkeit und Armenpflege hatten ihren Platz im sozialen Leben, wenn auch die Motive der Wohltäter andere waren als die des Christentums. Die gemeinnützige Einstellung der sozialen Oberschicht, der
honestiores,
ist zweifellos ein Ruhmesblatt der römischen Kaisergeschichte.
Die kleinen Leute findet man in zahlreichen Berufsgenossenschaften
(corporationes)
organisiert. Die Genossenschaften übernehmen die Lieferungsaufträge des Staates, insbesondere auch für das Heer. Organisiert war nahezu jeder einzelne, von den Schiffsreedern angefangen bis zum letzten ägyptischen Eselstreiber. Groß ist auch die Zahl der verschiedenen Vereine, unter ihnen viele landsmannschaftlichen Charakters. Gerade in der Fremde schließen sich die römischen Bürger eng zusammen, das gleiche gilt auch von den Griechen, sofern sie sich völkisch in der Minderheit befinden wie z. B. in Ägypten. Es gibt Vereine für die Frauen und besonders zahlreiche für die Jugend
(collegia iuvenum),
die letzteren dienen vielfach der vormilitärischen Ausbildung. Weit verbreitet sind auch Sterbekassen
(collegia funeratica).
Die Beiträge der Mitglieder werden nicht allein für die Begräbnisse, sondern auch gelegentlich für ein Festessen verwandt, damit die Lebenden nicht zu kurz kommen.
Das größte Interesse aber brachten die Massen, wie in unserer Zeit, den sportlichen Veranstaltungen entgegen. Fast jede Stadt im Westen des Reiches hatte ihre Arena, viele besaßen Gladiatorenschulen. Über die Kolonien römischer Bürger ist das Gladiatorenwesen auch in den griechischen Osten eingedrungen, mochten sich auch einsichtige Griechen wie Plutarch dagegen wenden. Bei den Rennen bildeten sich regelrechte Parteien im Zirkus, die Begeisterung und mehr noch die Enttäuschung der Massen aber führte immer wieder zu Krawallen, die mit Polizeigewalt unterdrückt werden mußten. In Rom war es der Prinzeps, der die Spiele auszurichten hatte, die Magistrate der Hauptstadt hatten sich nach Maßgabe ihres Vermögens daran zu beteiligen. In den Munizipien und Kolonien aber waren die Spiele eine schwere Belastung für die
duoviri.
Besonders abstoßend waren die Gladiatorenkämpfe; sie waren aus den etruskischen Leichenspielen hervorgegangen, auf das Publikum wirkten sie geradezu faszinierend. In der Kaiserzeit traten gelegentlich ganze Kompanien von Gladiatoren auf, um historische Schlachten darzustellen. Ebenso unmenschlich wie die Gladiatorenspiele waren die Tierhetzen
(venationes).
In ihnen wurden wilde Bestien, Löwen, Leoparden, Bären, auf Verbrecher und Kriegsgefangene gehetzt, diese mußten ihnen gelegentlich sogar waffenlos gegenübertreten. Zur Einweihung des Kolosseums in Rom soll der Kaiser Titus nicht weniger als 9000 wilde Tiere aufgeboten haben.
Sehr viel harmloser war die griechische Agonistik. Sie lebte an den alten Kultstätten Griechenlands, vor allem in Olympia und Delphi, weiter, aber auch in den griechischen Städten Unteritaliens und Siziliens. Die Sieger wurden hoch geehrt, mit Immunitäten und dem Bürgerrecht vieler Städte ausgezeichnet. Doch wurden die Spiele fast ausschließlich von Berufsathleten beherrscht. Es existiert eine große Zahl von Ehreninschriften, deren Inhalt mit den rohen Gesichtern der auf den Steinen abgebildeten Athleten, der Boxer und Ringer, seltsam kontrastiert. Im übrigen hat aber die griechische Agonistik im Westen keinen großen Anklang gefunden.