Daenerys

Das Land war rot und tot und ausgetrocknet, und gutes Holz war schwer zu finden. Ihre Leute kehrten mit knorrigem Pappelholz zurück, roten Büschen, Bündeln von braunem Gras. Sie nahmen die beiden geradesten Bäume, hackten Zweige und Äste ab, schälten die Rinde und spalteten das Holz, legten die Scheite zu einem Viereck. In dessen Mitte füllten sie Stroh, Gestrüpp, Borke und Bündel von trockenem Gras. Rakharo wählte einen Hengst aus der kleinen Herde, die ihnen geblieben war. Khal Drogos Rotem war er nicht ebenbürtig, doch waren das nur wenige. In der Mitte des Vierecks gab Aggo ihm einen welken Apfel zu fressen und streckte ihn dann mit einem einzigen Axthieb zwischen die Augen nieder.

An Händen und Füßen gefesselt stand Mirri Maz Duur im Staub und sah mit Sorge in den schwarzen Augen zu.»Es genügt nicht, ein Pferd zu töten«, erklärte sie Dany.»Für sich allein ist das Blut nichts. Ihr kennt die Worte für den Zauber nicht, und Euch fehlt das Wissen, sie zu finden. Glaubt Ihr, Blutzauber wäre ein Kinderspiel? Ihr nennt mich maegi, als wäre es ein Fluch, dabei bedeutet es nur weise. Ihr seid ein Kind mit der Unwissenheit eines Kindes. Was immer Ihr tun wollt, es wird Euch nicht gelingen. Befreit mich von diesen Fesseln, und ich helfe Euch.«

«Ich kann das Geschrei der maegi nicht mehr hören«, sagte Dany zu Jhogo. Er ging mit seiner Peitsche zu ihr, und danach schwieg das Götterweib.

Über dem Kadaver des Pferdes bauten sie eine Plattform aus gehauenen Scheiten. Stämme von kleineren Bäumen und Äste der größeren, und die dicksten, geradesten Zweige, die sie finden konnten. Sie legten das Holz von Ost nach West, von Sonnenaufgang nach Sonnenuntergang. Auf der Plattform stapelten sie Khal Drogos Schätze: sein großes Zelt, seine bemalten Westen, seine Sättel und das Geschirr, die Peitsche, die sein Vater ihm geschenkt hatte, als er zum Manne wurde, den arakh, mit dem er Khal Ogo und dessen Sohn getötet hatte, einen mächtigen Bogen aus Drachenknochen. Aggo hätte die Waffen dazugelegt, die Drogos Blutreiter Dany als Brautgeschenk gegeben hatten, doch sie verbot es.»Die gehören mir«, erklärte sie ihm,»und ich will sie behalten. «Eine weitere Schicht Büsche wurde auf die Schätze des khal gelegt und Bündel von getrocknetem Gras darauf verteilt.

Ser Jorah Mormont nahm sie beiseite, als die Sonne dem Zenit zustrebte.»Prinzessin…«, begann er.

«Warum nennt Ihr mich so?«fuhr Dany ihn an.»Mein Bruder Viserys war Euer König, oder nicht?«»Das war er, Mylady.«

«Viserys ist tot. Ich bin seine Erbin, das letzte Blut des Hauses Targaryen. Was auch immer sein war, ist jetzt mein.«

«Meine… Königin«, sagte Ser Jorah und sank auf ein Knie.»Mein Schwert, das ihm gehörte, ist nun das Eure, Daenerys. Und auch mein Herz, das Eurem Bruder nie gehört hat. Ich bin nur ein Ritter, und ich habe Euch nur die Verbannung zu bieten, aber ich bitte Euch, hört mich an. Laßt Khal Drogo gehen. Ihr werdet nicht allein sein. Ich verspreche Euch, niemand wird Euch nach Vaes Dothrak bringen, wenn Ihr es nicht wollt. Ihr müßt Euch den dosh khaleen nicht anschließen. Kommt mit mir gen Osten. Yi Ti, Quarth, das Jademeer, Asshai. Wir werden Wunder sehen, wie wir sie noch nie erschaut haben, und den Wein trinken, den die Götter uns bescheren. Bitte, Khaleesi. Ich weiß, was Ihr vorhabt. Tut es nicht. Tut es nicht.«

«Ich muß«, erklärte Dany ihm. Sie berührte sein Gesicht, zärtlich, traurig.»Ihr versteht nicht.«

«Ich verstehe, daß Ihr ihn geliebt habt«, sagte Ser Jorah mit einer Stimme, die vor Verzweiflung belegt war.»Ich habe meine Hohe Gattin einst geliebt, doch bin ich nicht mit ihr gestorben. Ihr seid meine Königin, mein Schwert gehört Euch, nur bittet mich nicht, dabeizustehen, wenn Ihr auf Drogos Scheiterhaufen steigt. Ich will nicht zusehen, wie Ihr brennt.«

«Das ist es, was Ihr fürchtet?«Dany küßte ihn sanft auf die breite Stirn.»Ich bin doch kein Kind, lieber Herr.«

«Ihr wollt nicht mit ihm sterben? Ihr schwört es, meine Königin?«

«Ich schwöre es«, sagte sie in der Gemeinen Zunge der Sieben Königslande, die rechtmäßig die ihren waren.

Die dritte Ebene der Plattform war aus Zweigen gewoben, die nicht dicker als Finger waren, und wurde mit trockenen Blättern und kleinen Zweigen bedeckt. Sie legten sie von Norden nach Süden, vom Eis zum Feuer, und stapelten darauf weiche Kissen und seidene Tücher. Schon sank die Sonne im Westen, als sie damit fertig waren. Dany versammelte die Dothraki um sich. Kaum noch hundert waren ihr geblieben. Mit wie vielen hatte Aegon angefangen? fragte sie sich. Es machte keinen Unterschied.

«Ihr werdet mein khalasar sein«, erklärte sie ihnen.»Ich sehe die Gesichter von Sklaven. Ich lasse euch frei. Nehmt eure Kragen ab. Geht, wenn ihr wollt, niemand wird euch daran hindern. Wenn ihr bleibt, dann als Brüder und Schwestern, als Männer und Frauen. «Die schwarzen Augen musterten sie, müde, ausdruckslos.»Ich sehe die Kinder, Frauen, die faltigen Gesichter der Alten. Gestern noch war ich ein Kind. Heute bin ich eine Frau. Morgen werde ich alt sein. Euch allen sage ich: Gebt mir eure Hände und eure Herzen, und immer wird hier Platz für euch sein. «Sie wandte sich den drei jungen Kriegern ihres khas zu.»Jhogo, dir gebe ich die Peitsche mit dem Silbergriff, die ich als Brautgeschenk bekommen habe, und ernenne dich zum ko und bitte dich um deinen Eid, daß du als

Blut von meinem Blut leben und sterben und an meiner Seite reiten willst, um allen Schaden von mir zu wenden.«

Jhogo nahm die Peitsche aus ihrer Hand, doch zeigte seine Miene Verwirrung.»Khaleesi«, sagte er zögernd,»so ist es nicht Brauch. Es würde Schande über mich bringen, Blutreiter einer Frau zu sein.«

«Aggo«, rief Dany, ohne Jhogos Worten Beachtung zu schenken. Wenn ich mich umsehe, bin ich verloren.»Dir gebe ich den Bogen aus Drachenknochen, den ich als Brautgeschenk bekommen habe. «Er war doppelt geschwungen, schwarzglänzend und vorzüglich, größer noch als sie.»Ich ernenne dich zum ko und bitte dich um deinen Eid, daß du als Blut von meinem Blut leben und sterben und an meiner Seite reiten willst, um allen Schaden von mir zu wenden.«

Aggo nahm den Bogen mit gesenktem Blick entgegen.»Ich kann diese Worte nicht sagen. Nur ein Mann kann ein khalasar führen oder einen ko ernennen.«

«Rakharo«, sagte Dany und wandte sich von der Zurückweisung ab,»du sollst das große arakh bekommen, das ich als Brautgeschenk erhielt, mit Heft und Klinge in Gold gefaßt. Und auch dich ernenne ich zu meinem ko und bitte dich darum, als Blut von meinem Blut zu leben und zu sterben und an meiner Seite zu reiten, um allen Schaden von mir zu wenden.«

«Ihr seid khaleesi«, sagte Rakharo, als er das arakh nahm.»Ich will an Eurer Seite nach Vaes Dothrak unter der Mutter aller Berge reiten und allen Schaden von Euch wenden, bis Ihr Euren Platz unter den Weibern der dosh khaleen eingenommen habt. Mehr kann ich nicht versprechen.«

Sie nickte so ruhig, als hätte sie seine Antwort nicht gehört, und wandte sich dem letzten ihrer Krieger zu.»Ser Jorah Mormont«, sagte sie,»erster und größter meiner Ritter, ich habe kein Brautgeschenk, das ich Euch geben könnte, doch schwöre ich Euch: Eines Tages sollt Ihr von mir ein Langschwert bekommen, wie keiner auf der Welt es je gesehen hat, drachengeschmiedet und aus valyrischem Stahl gefertigt. Und auch Euch bitte ich um Euren Eid.«

«Den will ich Euch leisten, meine Königin«, sagte Ser Jorah und kniete nieder, um ihr sein Schwert zu Füßen zu legen.

«Ich schwöre, daß ich Euch dienen will, daß ich Euch folgen will, daß ich gar für Euch sterben will, sollte es das Schicksal fordern.«

«Was immer auch geschehen mag?«.

«Was immer auch geschehen mag.«

«Ich werde Euch bei Eurem Eid nehmen. Ich bete darum, daß Ihr nie bereuen sollt, ihn mir geleistet zu haben. «Dany zog ihn auf die Beine. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um an seine Lippen heranzureichen, küßte den Ritter sanft und sagte:»Ihr seid der erste meiner Königinnengarde.«

Sie spürte die Blicke des khalasar, während sie auf ihr Zelt zuging. Die Dothraki murmelten und warfen ihr merkwürdige Seitenblicke aus den Augenwinkeln ihrer dunklen Mandelaugen zu. Sie hielten sie für irre, das fühlte Dany. Vielleicht war sie es. Bald genug schon würde sie es wissen. Wenn ich mich umsehe, bin ich verloren.

Das Bad war kochend heiß, als Irri ihr in die Wanne half, doch? Dany zuckte weder, noch schrie sie auf. Sie mochte die Hitze. Sie gab ihr das Gefühl, rein zu sein. Jhiqui hatte die Öle ins Wasser gegeben, die sie auf dem Markt von Vaes Dothrak gefunden hatte. Feucht und duftend stieg der Dampf auf. Doreah wusch ihr Haar und kämmte es aus, löste die Knoten und Hexen. Irri schrubbte ihr den Rücken. Dany schloß die Augen und ließ sich vom Duft und der Wärme umfangen. Sie spürte, wie die Hitze die Wunde zwischen ihren Schenkeln tränkte. Ein Schauer durchfuhr sie, als diese in sie drang, und Schmerz und Starre schienen sich aufzulösen. Sie schwamm.

Als sie sauber war, halfen ihr die Dienerinnen aus dem Wasser. Irri und Jhiqui wedelten sie trocken, während Doreah ihr Haar bürstete, bis es wie ein Sturzbach von flüssigem Silber über ihren Rücken fiel. Sie parfümierten sie mit Würzblumen und Zimt, ein Hauch an beide Handgelenke, hinter die Ohren, an die Spitzen ihrer milchschweren Brüste. Der letzte Tupfer galt ihrem Geschlecht. Irris Finger fühlte sich so leicht und kühl wie der Kuß eines Geliebten an, als er sanft zwischen ihre Lippen glitt.

Danach schickte Dany alle fort, damit sie Khal Drogo auf seinen letzten Ritt in die Länder der Nacht vorbereiten konnte. Sie wusch seinen Leib und bürstete und ölte sein Haar, fuhr zum letzten Mal mit ihren Fingern hindurch, spürte, wie schwer es war, erinnerte sich an das erste Mal, als sie es berührt hatte, in der Nacht ihres Hochzeitsritts. Sein Haar war nie geschnitten worden. Wie viele Männer starben, ohne daß ihr Haar jemals geschnitten worden war? Sie vergrub ihr Gesicht darin und atmete den dunklen Duft der Öle ein. Er roch nach Gras und warmer Erde, wie Rauch und Samen und Pferde. Er roch nach Drogo. Vergib mir, Sonne meines Lebens, dachte sie. Vergib mir für alles, was ich getan habe und was ich tun muß. Ich habe den Preis bezahlt, mein Stern, doch war er zu hoch, zu hoch…

Dany flocht sein Haar, schob die silbernen Ringe auf seinen Bart und hängte die Ringe einen nach dem anderen hinein. So viele Glöckchen, Gold und Silber und Bronze. Glöckchen, damit seine Feinde ihn kommen hörten und vor Angst zitterten. Sie zog ihm Hosen aus Pferdehaar und hohe Stiefel an, schnallte ihm einen schweren Gürtel voll goldener und silberner Medaillons um die Hüften. Um seine vernarbte Brust legte sie eine bemalte Weste, alt und verblaßt, die Drogo stets die liebste gewesen war. Für sich selbst wählte sie weite Hosen aus roher Seide, Sandalen, die das halbe Bein hinauf geschnürt wurden, und eine Weste wie Drogos.

Die Sonne ging unter, als sie die anderen rief, damit sie seine Leiche zum Scheiterhaufen trugen. Die Dothraki sahen schweigend zu, wie Jhogo und Aggo ihn aus dem Zelt trugen. Dany ging hinter ihnen. Sie legten ihn auf seine Kissen und Tücher, sein Kopf der Mutter aller Berge weit drüben im Nordosten zugewandt.

«Öl«, befahl sie, und sie brachten die Krüge und gössen sie über dem Scheiterhaufen aus, tränkten die Tücher und Büsche und die Bündel von trockenem Gras, bis das Öl unter den Scheiten heraustropfte und die Luft von dessen Geruch erfüllt war.»Bringt mir die Eier«, befahl Dany ihren Dienerinnen. Ein Unterton in ihrer Stimme ließ sie laufen.

Ser Jorah nahm sie beim Arm.»Meine Königin, Drogo wird in den Ländern der Nacht keine Verwendung für Dracheneier haben. Verkauft sie lieber an die Asshai. Verkauft nur eines, und wir können ein Schiff erstehen, das uns in die Freien Städte bringt. Verkauft drei, und Ihr werdet Euer Leben lang eine wohlhabende Frau sein.«

«Ich habe sie nicht geschenkt bekommen, damit ich sie verkaufe«, erklärte ihm Dany.

Sie selbst erklomm den Scheiterhaufen und drapierte die Eier um ihre Sonne, ihre Sterne. Das Schwarze neben seinem Herzen, unter seinem Arm. Das Grüne neben seinem Kopf, sie schlang den Zopf darum. Das Cremefarben-Goldene unten zwischen seine Beine. Als sie ihn zum letzten Mal küßte, schmeckte Dany das süße Öl an seinen Lippen.

Sie stieg vom Scheiterhaufen und bemerkte, daß Mirri Maz Duur sie beobachtete.»Ihr seid wahnsinnig«, sagte das Götterweib mit rauher Stimme.

«Ist es denn so weit vom Wahnsinn bis zur Weisheit?«fragte Dany.»Ser Jorah, nehmt diese maegi und bindet sie an den Scheiterhaufen.«

«An den… meine Königin, nein, hört mich an…«

«Tut, was ich sage. «Er zögerte noch, bis ihr Zorn aufflammte.»Ihr habt geschworen, mir zu folgen, was immer auch komme möge. Rakharo, hilf ihm.«

Das Götterweib schrie nicht, als man sie zu Khal Drogos Haufen schleppte und inmitten seiner Schätze fesselte. Dany goß der Frau das Öl eigenhändig über den Kopf.»Ich danke dir, Mirri Maz Duur«, sagte sie,»für die Lektionen, die du mir erteilt hast.«

«Ihr werdet mich nicht schreien hören«, antwortete Mirri, während das Öl aus ihrem Haar tropfte und ihre Kleider tränkte.

«Doch«, sagte Dany,»aber es sind nicht deine Schreie, die ich will, nur dein Leben. Ich weiß noch, was du mir gesagt hast. Nun mit dem Tod kann man für das Leben bezahlen. «Mirri Maz Duun öffnete den Mund, doch kam nichts heraus. Indem sie zurücktrat sah Dany, daß die Verachtung aus den schwarzen Augen der maegi gewichen war. An deren Stelle trat nun etwas, das Angst sein mochte. Dann blieb nichts mehr zu tun, als die Sonne zu betrachten und nach dem ersten Stern zu suchen.

Wenn ein Reiterlord stirbt, wird sein Pferd mit ihm getötet, damit er stolz in die Länder der Nacht reiten kann. Beide werden unter offenem Himmel verbrannt, und der khal steigt mit seinem feurigen Roß auf, um seinen Platz unter den Sternen einzunehmen. Je wilder der Mann zu Lebzeiten gebrannt hat, desto heller wird sein Stern im Dunkel leuchten.

Jhogo entdeckte ihn zuerst.»Dort«, sagte er mit leiser Stimme. Dany blickte auf und sah ihn am östlichen Horizont. Der erste Stern war ein Komet, flammend rot. Blutrot. Feuerrot. Der Drachenschweif. Sie hätte sich kein deutlicheres Zeichen wünschen können.

Dany nahm Aggo die Fackel aus der Hand und warf sie zwischen die Scheite. Augenblicklich fing das Öl Feuer, die

Büsche und das trockene Gras nur einen Herzschlag später. Winzige Flammen schössen wie flinke, rote Mäuse am Holz hinauf, glitten über das Öl und sprangen von Borke zu Zweig zu Blatt. Glühende Hitze schlug ihr ins Gesicht, weich und plötzlich wie der Atem eines Geliebten, Sekunden später nur wurde es jedoch zu heiß, sie zu ertragen. Dany trat zurück. Das Holz knackte und knisterte lauter und immer lauter. Mirri Maz Duur fing mit schriller, klagender Stimme an zu singen. Die Flammen wirbelten und wanden sich, scheuchten sich gegenseitig die Plattform hinauf. Die Dämmerung erglühte, als die Luft selbst in der Hitze flüssig zu werden schien. Dany hörte die Scheite zischen und bersten. Die Flammen umfingen Mirri Maz Duur. Ihr Lied wurde lauter, schriller… dann stöhnte sie, wieder und wieder, und ihr Lied wurde zu bebendem Wehklagen, dünn und hoch und voller Pein. Und dann erreichten die Flammen ihren Drogo, und schon waren sie überall um ihn. Seine Kleider fingen Feuer, und für einen Augenblick war der khal in Fetzen von fließender, gelbroter Seide und Ranken von sich kräuselndem Rauch gehüllt, grau und ölig. Danys Lippen öffneten sich, und sie merkte, daß sie die Luft anhielt. Etwas in ihr wollte zu ihm, wie Ser Jorah schon befürchtet hatte, wollte in die Flammen eilen, um ihn um Vergebung zu bitten und ihn ein letztes Mal nur in sich aufnehmen, während das Feuer ihnen das Fleisch von den Knochen schmolz, bis sie eins waren auf ewig.

Sie konnte den Geruch von brennendem Fleisch riechen, nicht anders als Pferdefleisch, das über einer Feuerstelle brät. Der Scheiterhaufen brüllte in der dunkelnden Dämmerung wie ein großes Tier, erstickte alles, was leiser war, auch Mirri Maz Duurs Schreie, und sandte lange Flammenzungen auf, die am Bauch der Nacht leckten. Als der Qualm dichter wurde, wichen die Dothraki hustend zurück. Mächtige, hellrote Flammen entrollten ihre Banner in jenem Höllenwind, die Scheite zischten und knackten, glühende Aschefunken stiegen im

Rauch auf und trieben wie unzählige, eben erst geborene Leuchtkäfer in die Dunkelheit. Die Hitze schlug mit großen, roten Schwingen nach der Luft, trieb die Dothraki, ja selbst Mormont zurück, doch Dany hielt dem stand. Sie war das Blut des Drachen und trug das Feuer in sich.

Schon vor langer Zeit hatte sie die Wahrheit geahnt, so dachte Dany, als sie dem Brand einen Schritt näher trat: die Kohlenpfanne war nicht heiß genug gewesen. Die Flammen wanden sich vor ihr wie die Frauen, die auf ihrem Hochzeitsfest getanzt hatten, drehten sich und sangen und warfen ihre gelben und orangenen und dunkelroten Schleier, fürchterlich anzusehen, und dennoch wunderschön, so wunderschön, lebende Hitze. Dany breitete die Arme für sie aus, die Haut glühend und gerötet. Auch das ist eine Hochzeit, dachte sie. Mirri Maz Duur war still. Das Götterweib hatte sie für ein Kind gehalten, doch Kinder wachsen, und Kinder lernen.

Noch ein Schritt, und Dany konnte die Hitze im Sand an den Sohlen ihrer Füße fühlen, durch die Sandalen. Schweiß lief an ihren Schenkeln herab und zwischen ihren Brüsten und in Strömen über ihre Wangen, wo einst Tränen rannen. Hinter ihr rief Ser Jorah, doch war er nicht mehr von Bedeutung, nur noch das Feuer vor ihr galt. Die Flammen waren so schön, das lieblichste, was sie je gesehen hatte, jede einzelne ein Zauberer, in Gelb und Orange und Rot gewandet, wirbelnde, lange, rauchige Umhänge. Sie sah dunkelrote Feuerlöwen und große, gelbe Schlangen und

Einhörner aus hellblauen Flammen. Sie sah Fische und Füchse und Ungeheuer, Wölfe und helle Vögel und blühende Bäume, jeder noch schöner als der vorherige. Sie sah ein Pferd, einen großen, grauen Hengst, mit Rauch gezeichnet, seine wehende Mähne ein Strahlenkranz von blauen Flammen. Ja, mein Liebster, meine Sonne, meine Sterne, ja, jetzt steig auf und reite.

Ihre Weste fing zu schwelen an, so daß Dany sie von ihren Schultern gleiten und zu Boden fallen ließ. Das bemalte Leder brach urplötzlich in Flammen aus, als sie dem Feuer näher kam, ihre Brüste nackt den Flammen ausgeliefert: Ströme von Milch traten aus ihren roten, geschwollenen Brüsten. Jetzt, dachte sie, jetzt, und einen Augenblick lang sah sie Khal Drogo vor sich, hoch auf seinem qualmenden Hengst, eine flammende Peitschenschnur in der Hand. Er lächelte, und die Peitsche schlug nach dem Scheiterhaufen, zischte.

Sie hörte ein Bersten, das Geräusch von brechendem Stein. Die Plattform aus Holz und Büschen und Gras neigte sich und brach in sich zusammen. Stücke von brennendem Holz glitten zu ihr hinab, und Dany stand in einem Regen aus Asche und Funken. Und noch etwas stürzte herab, sprang und rollte, landete vor ihren Füßen, ein Stück von rundem Stein, hell und goldgeädert, geborsten und qualmend. Das Tosen erfüllte die Welt, doch hörte Dany durch die Feuersbrunst, daß Frauen kreischten und Kinder vor Erstaunen schrien.

Nur mit dem Tod kann man für das Leben bezahlen.

Und dann hörte man ein zweites Bersten, laut und scharf wie Donner, und der Qualm rührte sich und wirbelte um sie, und der Scheiterhaufen bewegte sich, die Scheite explodierten, als das Feuer ihre geheimen Herzen berührte. Sie hörte das Schreien verängstigter Pferde und die Stimmen der Dothraki, die von Angst und Entsetzen kündeten, und Ser Jorah rief ihren Namen und fluchte. Nein, wollte sie ihm zurufen, nein, mein guter Ritter, fürchtet nicht um mich. Das Feuer ist mein. Ich bin Daenerys Stormborn, Tochter der Drachen, Braut der Drachen, Mutter von Drachen, versteht Ihr denn nicht? SEHT Ihr denn nicht? Mit einem Stoß von Rauch und Flammen, der dreißig Meter in den Himmel reichte, fiel der Scheiterhaufen zusammen und stürzte um sie. Furchtlos trat Dany in den Feuersturm, rief nach ihren Kindern.

Das dritte Bersten war laut und scharf, als sollte die Welt

zerbrechen.

Nachdem das Feuer endlich erstorben war und der Boden kühl genug, um darauf zu gehen, fand Ser Jorah sie inmitten der Asche, umgeben von schwarzen Scheiten, Resten glühender Ulme und verbrannter Knochen von Mann und Frau und Hengst. Sie war nackt, rußbedeckt, ihre Kleider zu Asche verfallen, ihr hübsches Haar gänzlich versengt — doch war sie unverletzt.

Der cremefarbengoldene Drache nuckelte an ihrer linken Brust, der grünbronzefarbene an ihrer rechten. Mit ihren Armen hielt sie die beiden. Das schwarzrote Tier lag auf ihren Schultern, der lange, gekrümmte Hals unter ihrem Kinn eingerollt. Als es Jorah sah, hob es den Kopf und sah ihn mit Augen an, die rot wie Kohlen glühten.

Wortlos fiel der Ritter auf die Knie. Die Männer ihres khas traten hinter ihr heran. Jhogo war der erste, der sein arakh ihr zu Füßen legte.»Blut von meinem Blut«, murmelte er und drückte sein Gesicht an die qualmende Erde.»Blut von meinem Blut«, hörte sie auch Aggo sagen.»Blut von meinem Blut«, rief Rakharo.

Und nach ihnen kamen ihre Dienerinnen und dann die anderen, sämtliche Dothraki, Männer und Frauen und Kinder, und Dany mußte nur in ihre Augen blicken, um sicher sein zu können, daß sie zu ihr gehörten, heute und morgen und für alle Zeit, so wie sie zu Drogo nie gehört hatten.

Als Daenerys Stormborn aufstand, zischte ihr Schwarzer, und fahler Rauch drang ihm aus Maul und Nüstern. Die anderen beiden lösten sich von ihrer Brust und stimmten in den Ruf mit ein, entfalteten durchscheinende Flügel und wühlten die Luft auf, und zum ersten Mal seit hundert Jahren erbebte die Nacht von der Musik der Drachen.

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