Tyrion

Auf einem Hügel entlang Kingsroad hatte man unter einer Ulme einen langen Tisch aus grob gehauener Kiefer aufgestellt und mit einem goldenen Tuch bedeckt. Dort, neben seinem Zelt, nahm Lord Tywin das Abendbrot mit seinen obersten Rittern und Bundesgenossen ein, während seine rotgoldene Standarte über ihnen an einem hoch aufragenden Langspieß flatterte.

Tyrion kam spät, wundgeritten und übellaunig, und war sich allzu lebhaft bewußt, wie er aussehen mußte, als er den Hang hinauf zu seinem Vater watschelte. Der Tagesmarsch war lang und anstrengend gewesen. An diesem Abend, dachte der Zwerg, wollte er sich gern betrinken. Es dämmerte, und die Luft war von summenden Glühwürmchen erfüllt.

Die Köche servierten das Fleisch: fünf Spanferkel, die Haut knusprig gebraten, in jedem Maul eine andere Frucht. Vom bloßen Geruch lief ihm das Wasser im Mund zusammen.»Ich bitte um Verzeihung«, begann er, als er neben seinem Onkel auf der Bank Platz nahm.

«Vielleicht sollte ich dir auftragen, unsere Toten zu begraben, Tyrion«, sagte Lord Tywin.»Wenn du zur Schlacht so spät kommst wie zu Tisch, wird alles vorüber sein, ehe du eintriffst.«

«Oh, sicher könntet Ihr mir den einen oder anderen Bauern aufheben, Vater«, erwiderte Tyrion.»Nicht zu viele, ich möchte nicht gierig erscheinen. «Er schenkte sich Wein in seinen Becher und sah, wie ein Diener das Schwein aufschnitt. Die knusprige Haut knackte unter seinem Messer, und heißer Saft lief aus dem Fleisch. Es war das Schönste, was Tyrion seit Jahren gesehen hatte.

«Ser Addams Vorreiter sagen, das Heer der Starks sei von den Twins gen Süden gezogen«, berichtete sein Vater, als sein Brett voller Schweinefleisch lag.»Lord Freys Truppen haben sich ihm angeschlossen. Wahrscheinlich stehen sie kaum mehr als einen Tagesmarsch nördlich von uns.«

«Bitte, Vater«, sagte Tyrion.»Ich möchte gleich essen.«

«Beraubt dich der Gedanke, diesem jungen Stark gegenüberzutreten, deiner Manneskraft, Tyrion? Dein Bruder Jaime wäre begierig darauf, ihm zu Leibe zu rücken.«

«Lieber möchte ich diesem Schwein zu Leibe rücken. Robb Stark ist nicht halb so zart, und nie hat er so gut gerochen.«

Lord Lefford, der sauertöpfische Vogel, der für Proviant und Nachschub Verantwortung trug, beugte sich vor.»Ich hoffe, Eure Wilden teilen Euren Widerwillen nicht, ansonsten härten wir unseren guten Stahl an sie vergeudet.«

«Meine Wilden werden für Euren Stahl ausgezeichnete Verwendung finden, Mylord«, erwiderte Tyrion. Nachdem er Lefford erklärt hatte, er brauchte Waffen und Rüstungen, um die dreihundert Mann auszurüsten, die Ulf aus dem Vorgebirge geholt hatte, mochte man glauben, er hätte den Mann gebeten, ihnen seine jungfräuliche Tochter zur freien Verfügung zu stellen.

Lord Lefford runzelte die Stirn.»Ich habe diesen großen Haarigen heute gesehen, der darauf bestand, er brauchte zwei Streitäxte, die schweren, schwarzen Stahldinger mit der doppelten Halbmondschneide.«

«Shagga tötet gern mit beiden Händen«, erklärte Tyrion, als ein Brett mit dampfendem Schweinefleisch vor ihm abgestellt wurde.

«Er hatte diese Holzaxt noch immer um seinen Rücken geschnallt«

«Shagga ist der Meinung, daß drei Äxte besser sind als zwei. «Tyrion griff mit Daumen und Zeigefinger in den

Salzteller und streute davon ordentlich über sein Fleisch.

Ser Kevan beugte sich vor.»Uns ging der Gedanke durch den Kopf, Euch und Eure Wildlinge in vorderste Reihe zu stellen, wenn es zur Schlacht kommt.«

Ser Kevan ging nur selten ein» Gedanke «durch den Kopf, den Lord Tywin nicht vor ihm gehabt hatte. Tyrion spießte ein Stück Fleisch mit der Spitze seines Dolches auf und führte es an seinen Mund. Dann ließ er es sinken.»Die vorderste Reihe?«wiederholte er ungläubig. Entweder hatte sein Hoher Vater neuen Respekt für Tyrions Fähigkeiten entwickelt oder aber beschlossen, sich dieses peinlichen Nachkommens endgültig zu entledigen. Tyrion hatte das dumpfe Gefühl, er wußte, was von beiden der Wahrheit näher kam.

«Sie scheinen mir dafür wild genug«, fuhr Ser Kevan fort.

«Wild?«Tyrion merkte, daß er seinem Onkel wie ein Vogel alles nachplapperte. Sein Vater beobachtete ihn, schätzte ihn ein, wägte jedes seiner Worte ab.»Laßt mich Euch sagen, wie wild sie sind. Gestern abend hat ein Moon Brother einen Stone Crow wegen einer Wurst erdolcht. Als wir heute also unser Lager aufschlugen, haben drei Stone Crows den Mann ergriffen und ihm die Kehle durchgeschnitten. Vielleicht hatten sie gehofft, die Wurst wiederzubekommen, das kann ich nicht sagen. Bronn schaffte es gerade noch, Shagga davon abzuhalten, daß er dem toten Mann den Schwanz abschneidet, trotzdem fordert Ulf sein Blutgeld, was Conn und Shagga ihm nicht zahlen wollen.«

«Wenn es Soldaten an Disziplin mangelt, liegt der Fehler bei ihrem Kommandeur«, sagte sein Vater.

Sein Bruder Jaime hatte Männer stets dazu bringen können, daß sie ihm eifrig folgten und für ihn starben, wenn es nötig war. Tyrion fehlte diese Gabe. Er kaufte Treue mit Gold und erzwang Gehorsam mit seinem Namen.»Ein größerer Mann wäre in der Lage, ihnen angst zu machen. Das wolltet Ihr mir

mitteilen, Mylord?«

Lord Tywin Lannister wandte sich seinem Bruder zu.»Falls die Männer meines Sohnes seinen Befehlen nicht folgen wollen, ist die vorderste Reihe vielleicht nicht der rechte Ort für ihn. Zweifelsohne wäre es weiter hinten für ihn bequemer, wo er die Gepäckwagen bewachen kann.«

«Tut mir keinen Gefallen, Vater«, entgegnete er böse.»Wenn Ihr mir kein anderes Kommando anzubieten habt, gehe ich Eurem Heer voraus.«

Lord Tywin betrachtete seinen Zwergensohn.»Ich habe nichts von einem Kommando gesagt. Du wirst unter Ser Gregor dienen.«

Tyrion nahm einen Bissen Schweinefleisch, kaute einen Augenblick darauf herum und spuckte ihn wütend aus.»Ich merke, daß ich gar nicht hungrig bin«, sagte er, während er unbeholfen von der Bank kletterte.»Seid so gut, mich zu entschuldigen, Mylords.«

Lord Tywin neigte den Kopf, entließ ihn. Tyrion wandte sich um und ging. Er spürte ihre Blicke im Rücken, während er den Hügel hinunterwatschelte. Mächtiges Gelächter brach hinter ihm aus, doch blickte er sich nicht um. Er hoffte, sie würden allesamt an ihren Spanferkeln ersticken.

Es war Abend geworden, und alle Banner waren schwarz. Das Lager der Lannisters erstreckte sich meilenweit zwischen Fluß und Kingsroad. Unter den Männern und Pferden und Bäumen fiel es ihm leicht zu verschwinden, was Tyrion auch tat. Er kam an einem Dutzend großer Zelte und hundert Lagerfeuern vorüber. Glühwürmchen taumelten zwischen den Zelten wie wandernde Sterne. Er roch den Duft von Knoblauchsoße, dick und würzig, so verführerisch, daß ihm der leere Magen knurrte. Weit in der Ferne hörte er Stimmen, die ein unflätiges Lied sangen. Eine kichernde Frau lief an ihm vorüber, nackt unter dem dunklen Umhang, ihr trunkener

Verfolger stolperte über Baumwurzeln. Weiter hinten standen sich zwei Speerwerfer gegenüber, mit nackter Brust und schweißüberströmt, zwischen sich ein leise plätschernder Bach, und sie übten ihr Werfen-und-Parieren im vergehenden Licht.

Niemand sah ihn an. Niemand sprach mit ihm. Niemand schenkte ihm Beachtung. Er war von Männern umgeben, die auf das Haus Lannister vereidigt waren, ein riesenhaftes Heer von zwanzigtausend Mann, und doch war er allein.

Als er hörte, wie das tiefe Knurren von Shaggas Gelächter durch das Dunkel dröhnte, folgte er diesem zu den Stone Crows in ihrer kleinen Ecke der Nacht. Conn, Sohn des Coratt, winkte mit einem Humpen Bier.»Tyrion Halbmensch! Komm, setz dich zu uns ans Feuer, iß dein Fleisch mit den Stone Crows. Wir haben einen Ochsen.«

«Das kann ich sehen, Conn, Sohn des Coratt. «Der mächtige, rote Kadaver steckte auf einem Spieß von der Größe eines kleinen Baumes und hing über einem prasselnden Feuer. Ohne Zweifel war es ein kleiner Baum. Blut und Fett tropften in die Flammen, während zwei Stone Crows den Spieß drehten.»Ich danke euch. Schickt nach mir, wenn der Ochse gebraten ist. «Wie es aussah, mochte das sogar noch vor der Schlacht soweit sein. Er ging weiter.

Jeder Clan hatte sein eigenes Lagerfeuer. Black Ears aßen nicht mit Stone Crows, Stone Crows aßen nicht mit Moon Brothers, und niemand aß mit den Burned Men. Das bescheidene Zelt, das er sich mit einigen Mühen aus Lord Leffords Vorräten beschafft hatte, war genau zwischen den vier Feuern errichtet worden. Tyrion traf Bronn dabei an, wie er einen Weinschlauch mit den neuen Dienern teilte. Lord Tywin hatte ihm einen Pferdepfleger und einen Leibdiener geschickt, der sich um seine Bedürfnisse kümmern sollte, und er hatte sogar darauf bestanden, daß er sich einen Knappen wählte. Sie saßen um die Glut eines kleinen Feuers herum. Ein Mädchen hockte bei ihnen, schlank, dunkelhaarig, nicht älter als achtzehn, wie es schien. Tyrion betrachtete einen Augenblick lang ihr Gesicht, bevor er Fischgräten in der Asche sah.»Was habt ihr gegessen?«

«Forelle, M'lord«, sagte sein Bursche.»Bronn hat sie gefangen.«

Forelle, dachte er. Spanferkel. Verdammt soll mein Vater sein! Traurig starrte er mit knurrendem Magen die Gräten an.

Sein Knappe mit dem unseligen Namen Podrick Payne schluckte herunter, was immer er gerade sagen wollte. Der Knabe war ein entfernter Vetter von Ser Ilyn Payne, dem Henker des Königs… und fast ebenso schweigsam, wenn auch nicht mangels einer Zunge. Einmal hatte Tyrion ihn diese ausstrecken lassen, nur um sicherzugehen.»Zweifelsohne eine Zunge«, hatte er gesagt.»Eines Tages mußt du lernen, sie zu benutzen.«

Im Moment fehlte ihm die Geduld, ein Wort aus diesem Knaben herauszulocken, der ihm, wie er vermutete, nur aus bösem Scherz anvertraut worden war. Tyrion wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Mädchen zu.»Ist sie das?«fragte er Bronn.

Anmutig erhob sie sich und sah aus luftiger Höhe von fünf Fuß oder mehr auf ihn herab.»Sie ist es, M'lord, und sie kann für sich selbst sprechen, wenn es Euch beliebt.«

Er neigte seinen Kopf zur Seite.»Ich bin Tyrion aus dem Hause Lannister. Die Leute rufen mich den >Gnom<.«

«Meine Mutter hat mich Shae genannt. Die Leute rufen mich… oft.«

Bronn lachte, und Tyrion mußte lächeln.»Ins Zelt mit dir, Shae, wenn du so freundlich wärst. «Er hob die Klappe an und hielt sie für sie offen. Drinnen kniete er nieder, um eine Kerze anzustecken.

Das Leben eines Soldaten war nicht ohne gewisse

Vergütungen. Wenn es irgendwo ein Lager gibt, findet sich ganz sicher auch Lagervolk. Am Ende des langen Tagesmarsches hatte Tyrion Bronn ausgesandt, ihm eine passende Hure zu beschaffen.»Ich hätte gern eine, die einigermaßen jung ist, mit dem hübschesten Gesicht, das du auftreiben kannst«, hatte er gesagt.»Wenn sie sich irgendwann in diesem Jahr gewaschen hat, wäre ich froh. Wenn nicht, wasch sie. Denk daran, ihr zu sagen, wer ich bin, und warne sie davor, wie ich bin. «Jyck hatte sich nicht immer die Mühe gemacht, daran zu denken. Es gab so einen Blick, den diese Mädchen manchmal bekamen, wenn sie den kleinen Lord, dem sie Freude bereiten sollten, zum ersten Mal sahen… einen Blick, den Tyrion Lannister, so es sich denn verhindern ließ, nie wieder sehen wollte.

Er hob die Kerze an und musterte sie. Bronn hatte seine Arbeit gut gemacht. Sie war rehäugig und schlank, mit kleinen, festen Brüsten und einem Lächeln, das abwechselnd scheu, frech und böse war. Das gefiel ihm.»Soll ich mein Kleid ausziehen, M'lord?«fragte sie.

«Bald schon. Bist du Jungfrau, Shae?«

«Wenn es Euch gefällt, M'lord«, sagte sie geziert.

«Was mir gefallen würde, wäre die Wahrheit, Mädchen.«

«Aye, aber die kostet Euch das Doppelte.«

Tyrion kam zu dem Schluß, daß er glänzend mit ihr auskommen würde.»Ich bin ein Lannister. Gold besitze ich reichlich, und du wirst merken, daß ich großzügig bin.. aber ich will mehr von dir als das, was du zwischen deinen Beinen hast, obwohl ich auch das will. Du teilst mit mir mein Zelt, schenkst mir Wein nach, lachst über meine Scherze, reibst mir nach einem langen Tagesritt den Schmerz aus meinen Beinen… und ob ich dich einen Tag oder ein Jahr behalte, solange wir zusammen sind, wirst du keine anderen Männer in dein Bett lassen.«

«Abgemacht. «Sie griff zum Saum ihres dünnen, grobgewebten Kleides, zog es sich mit einer einzigen, fließenden Bewegung über ihren Kopf und warf es beiseite. Darunter war nichts anderes als Shae.»Wenn M'lord nicht diese Kerze abstellt, wird er sich daran die Finger verbrennen.«

Tyrion setzte die Kerze ab, nahm ihre Hand in seine und zog sie sanft an sich. Sie beugte sich herab, um ihn zu küssen. Ihr Mund schmeckte nach Honig und Nelken, und flink und geschickt knöpften ihre Hände seine Kleider auf.

Als er in sie eindrang, hieß sie ihn mit zärtlich geflüsterten Worten und leisem, bebendem Stöhnen willkommen. Tyrion vermutete, daß ihr Vergnügen gespielt war, doch machte sie es so gut, daß es ihn nicht störte. So groß war sein Bedürfnis nach Wahrheit nun nicht.

Er hatte sie gebraucht, das wurde Tyrion nachher klar, indes sie still in seinen Armen lag. Sie oder eine andere wie sie. Es war fast schon ein Jahr her, daß er bei einer Frau gewesen war, noch bevor sie sich in Gesellschaft seines Bruders und König Roberts auf die Reise nach Winterfell gemacht hatten. Er mochte sehr wohl morgen oder am Tag darauf sterben, und wenn er es tat, wollte er auf seinem Weg ins Grab lieber an Shae als an seinen Hohen Vater, Lysa Arryn oder Lady Catelyn Stark denken. Er fühlte, wie sich ihre weichen Brüste an seinen Arm drückten.

Das war ein gutes Gefühl. Ein Lied kam ihm in den Sinn. Still und leise fing er an zu pfeifen.

«Was ist das, M'lord?«murmelte Shae neben ihm.

«Nichts«, gab er zurück.»Ein Lied, das ich als Junge gelernt habe, mehr nicht. Schlaf nur weiter, süßes Kind.«

Als sie die Augen geschlossen hatte und tief und gleichmäßig atmete, zog sich Tyrion von ihr zurück, ganz sanft, um sie nicht im Schlaf zu stören. Nackt schlich er hinaus, stolperte über seinen Knappen und trat hinter sein Zelt, um

Wasser abzuschlagen.

Bronn saß mit gekreuzten Beinen unter einem Kastanienbaum, nahe der Stelle, wo sie die Pferde angebunden hatten. Er schärfte die Schneide seines Schwerts und war hellwach. Der Söldner schien nicht wie andere Menschen zu schlafen.»Wo hast du sie gefunden?«fragte Tyrion, während er pißte.

«Ich habe sie von einem Ritter. Der Mann wollte sie nur widerwillig abgeben, aber als Euer Name fiel, hat er es sich noch einmal überlegt… und als ich ihm meinen Dolch an die Kehle hielt.«

«Großartig«, sagte Tyrion trocken, derweil er die letzten Tropfen abschüttelte.»Ich meine mich zu erinnern, daß ich gesagt habe: such mir eine Hure, nicht mach mir einen Feind.«

«Die Hübschen sind alle belegt«, verteidigte sich Bronn.»Ich bringe sie gern wieder zurück, wenn Ihr eine zahnlose Vettel bevorzugt.«

Tyrion hinkte näher zu ihm heran.»Mein Hoher Vater würde so etwas als Frechheit bezeichnen und dich wegen Unverschämtheit in die Minen schicken.«

«Gut für mich, daß Ihr nicht Euer Vater seid«, erwiderte Bronn.»Ich habe eine mit Furunkeln an der Nase gesehen. Soll ich sie Euch holen?«

«Damit es dir das Herz bricht?«gab Tyrion zurück.»Ich werde Shae behalten. Hast du dir vielleicht den Namen des Ritters gemerkt, dem du sie genommen hast? Den möchte ich in der Schlacht lieber nicht neben mir haben.«

Bronn erhob sich, katzengleich und katzenschnell, drehte sein Schwert in der Hand.»Ihr werdet mich in der Schlacht neben Euch haben, Zwerg.«

Tyrion nickte. Er spürte die warme Nachtluft auf seiner Haut.»Sorg dafür, daß ich diese Schlacht überlebe, und du

kannst dir die Belohnung wählen.«

Bronn warf das Langschwert von der Rechten in die Linke und versuchte einen Hieb.»Wer würde schon einen wie Euch erschlagen wollen?«

«Mein Hoher Vater zum Beispiel. Er hat mich in die vorderste Reihe bestellt.«

«Das würde ich ebenso machen. Ein kleiner Mann mit einem großen Schild. Die Bogenschützen werden bei Euch einen Anfall bekommen.«

«Ich sehe dich seltsam frohen Mutes«, sagte Tyrion.»Ich muß verrückt sein.«

Bronn steckte das Schwert in die Scheide.»Ohne jeden Zweifel.«

Als Tyrion wieder in sein Zelt kam, rollte Shae auf ihren Ellenbogen und murmelte schläfrig:»Ich bin aufgewacht, und M'lord war fort.«

«M' lord ist wieder da. «Er legte sich ganz nah zu ihr.

Ihre Hand glitt zwischen seine verkümmerten Beine und fühlte, daß er hart war.»Ja, das ist er«, flüsterte sie und streichelte ihn.

Er fragte sie nach dem Mann, dem Bronn sie fortgenommen hatte, und sie nannte den kleinen Gefolgsmann eines unbedeutenden Lords.»Seinesgleichen habt Ihr nicht zu fürchten, M'lord«, sagte das Mädchen und rieb dabei eifrig seinen Schwanz.»Er ist ein kleiner Mann.«

«Und was bitte bin ich?«fragte Tyrion.»Ein Riese?«

«O ja«, schnurrte sie,»mein Riese von Lannister. «Dann stieg sie auf ihn, und für eine Weile war er fast bereit, ihr zu glauben. Tyrion schlief lächelnd ein…

… und erwachte vom Gellen der Trompeten. Shae rüttelte ihn an der Schulter.»M'lord«, flüsterte sie.»Wacht auf, M'lord. Ich fürchte mich.«

Benommen setzte er sich auf und warf die Decke zurück. Der Ruf von Hörnern ging durch die Nacht, wild und drängend, ein Rufen, das verkündete: schnell, schnell, schnell. Er hörte Schreie, das Klappern von Speeren, das Wiehern von Pferden, wenn auch noch nichts, das in seinen Ohren nach Kampf klang.»Die Trompeten meines Vaters«, sagte er.»Sammeln zur Schlacht. Ich dachte, der Stark wäre noch einen Tagesmarsch entfernt.«

Shae schüttelte den Kopf, verwirrt. Ihre Augen waren groß und weiß.

Ächzend kam Tyrion auf die Beine und bahnte sich einen Weg nach draußen und rief nach seinem Knappen. Fetzen von fahlem Nebel wehten durch die Nacht, lange, weiße Finger, die vom Fluß her kamen. Männer und Pferde stolperten in der vormorgendlichen Kälte herum. Sättel wurden festgezurrt, Wagen beladen, Feuer gelöscht. Wieder gellten die Trompeten: schnell, schnell, schnell. Ritter sprangen auf schnaubende Pferde, während Soldaten im Laufen ihre Schwertgurte anlegten. Als er Pod fand, schnarchte der Junge friedlich. Tyrion versetzte ihm einen harten Tritt in die Rippen.»Meine Rüstung«, verlangte er,»und beeil er sich damit. «Bronn trat aus dem Nebel hervor, bereits gepanzert und zu Pferd, trug seinen verbeulten Halbhelm.»Weißt du, was passiert ist?«

«Der junge Stark ist uns einen Marsch voraus«, sagte Bronn.»Er ist bei Nacht die Kingsroad herabgeschlichen, und jetzt ist sein Heer kaum eine Meile nördlich von hier und nimmt Aufstellung zur Schlacht.«

Schnell, riefen die Trompeten, schnell, schnell, schnell

«Sorg dafür, daß die Stammesbrüder sich zum Ritt bereitmachen. «Tyrion duckte sich ins Zelt zurück.»Wo sind meine Kleider?«bellte er Shae an.»Da. Nein, das Lederne, verdammt! Ja. Bring mir meine Stiefel.«

Als er fertig angezogen war, hatte sein Knappe die Rüstung ausgebreitet, soweit er eine bei sich hatte. Tyrion besaß eine hübsche Rüstung aus schwerem Stahl, die seinem verkrüppelten Leib vorzüglich paßte. Leider lag sie warm und trocken auf Casterly Rock. Er mußte sich mit Resten begnügen, die er von Lord Leffords Wagen gesammelt hatte: Hemd und Kappe aus Ketten, die Halsberge eines toten Ritters, bewegliche Beinschienen und Handschuhe und spitze, stählerne Stiefel. Einiges davon war verziert, anderes schlicht. Kein Teil war wie das andere oder paßte, wie es sollte. Sein Brustpanzer war für einen größeren Mann gedacht. Für seinen übergroßen Kopf fanden sie einen riesigen, eimerförmigen Großhelm, auf dem ein dreieckiger Spieß steckte, lang wie ein Fuß.

Shae half Pod mit den Schnallen und Haken.»Falls ich sterbe, weine um mich«, erklärte Tyrion der Hure.

«Wie wollt Ihr das erfahren? Ihr werdet tot sein.«

«Ich werde es schon erfahren.«

«Das will ich glauben. «Sie ließ den Großhelm auf seinen Kopf herab, und Pod befestigte ihn an der Halsberge. Tyrion schnallte seinen Gürtel um, schwer vom Gewicht des Kurzschwerts und des Dolches. Inzwischen hatte der Bursche sein Pferd gebracht, einen prächtigen, braunen Renner, so schwer gepanzert wie er selbst. Der Gnom brauchte Hilfe, um aufzusteigen. Er fühlte sich, als wöge er soviel wie tausend Steine. Pod reichte ihm den Schild, eine massive Platte aus Eisenholz, von Stahl eingefaßt. Zuletzt gaben sie ihm seine Streitaxt. Shae trat zurück und betrachtete ihn von oben bis unten.»M'lord sehen furchterregend aus.«

«M'lord sieht aus wie ein Zwerg in zu großer Rüstung«, antwortete Tyrion säuerlich,»aber ich danke dir für deine Freundlichkeit. Podrick, sollte sich die Schlacht gegen uns wenden, bring die Dame unversehrt nach Hause. «Er salutierte ihr mit seiner Axt, riß sein Pferd herum und trabte davon. In seinem Magen war ein harter Knoten, so fest, daß er schmerzte. Hinter ihm beeilten sich seine Diener, das Zelt abzubauen. Hellrote Finger breiteten sich im Osten aus, als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erschienen. Der Himmel im Westen war von dunklem Rot, mit Sternen übersät. Tyrion fragte sich, ob es wohl der letzte Sonnenaufgang wäre, den er je zu sehen bekam… und ob diese Frage ein Zeichen von Feigheit war. Dachte sein Bruder Jaime vor einer Schlacht je an den Tod?

Ein Kriegshorn klang aus weiter Ferne, ein tiefer, trauriger Ton, der die Seele frieren ließ. Die Stammesbrüder kletterten auf ihre zottigen Bergpferde, stießen Flüche und rüde Scherze aus. Mehrere wirkten betrunken. Die aufgehende Sonne verbrannte den schwebenden Nebel, während Tyrion sie voranführte. Das wenige Gras, das die Pferde übriggelassen hatten, war schwer vom Tau, als hätte irgendein Gott im Vorübergehen einen Sack voll Diamanten auf der Erde ausgeleert. Die Bergmenschen reihten sich hinter ihm ein, jeder Clan hinter seinem eigenen Anführer.

Im Licht des Morgengrauens entfaltete sich Lord Tywin Lannisters Armee wie eine eiserne Rose mit glitzernden Dornen.

Sein Onkel führte die Mitte an. Ser Kevan hatte seine Standarten über der Kingsroad gehißt. Die Bogenschützen nahmen in drei langen Reihen Aufstellung, östlich und westlich der Straße, standen ungerührt da und spannten ihre Bögen. Zwischen ihnen formten Pikeniere Quadrate. Dahinter warteten Reihe um Reihe von Soldaten mit Speer und Schwert und Axt. Dreihundert schwere Pferde umgaben Ser Kevan und seine Lords Lefford, Lydden und Serrett mit ihren Gefolgsleuten.

Der rechte Flügel bestand nur aus Kavallerie, gut viertausend Mann, schwer von der Last ihrer Rüstungen. Mehr als drei Viertel der Ritter waren dort, zusammengedrängt wie eine große, stählerne Faust. Ser Addam Marbrand hatte das

Kommando. Tyrion sah, wie sein Banner sich entrollte, als sein Standartenträger es ausschüttelte. Ein brennender Baum, orangefarben, und Rauch. Hinter ihm flatterten Ser Flements rotes Einhorn, der gescheckte Keiler von Crakehall, der Kampfhahn von Swyft und mehr.

Sein Hoher Vater nahm Stellung auf dem Hügel ein, auf dem er geschlafen hatte. Um ihn versammelte sich die Reserve, ein mächtiges Heer, halb zu Pferd und halb zu Fuß, fünftausend Mann stark. Lord Tywin zog es fast immer vor, die Reserve zu befehligen. Meist suchte er sich einen erhöhten Punkt, beobachtete die Schlacht und ließ seine Truppen wissen, wann und wo sie am dringendsten gebraucht wurden.

Noch aus der Ferne glänzte sein Vater. Tywin Lannisters Rüstung beschämte selbst den goldenen Panzer seines Sohnes Jaime. Sein großer Umhang war aus zahllosen Schichten von Goldtuch genäht, so schwer, daß er sich, auch beim Angriff, kaum bewegte, so groß, daß er das Hinterteil seines Hengstes größtenteils verdeckte, wenn der Lord im Sattel saß. Keine gewöhnliche Schnalle hielt ein solches Gewicht, daher wurde der Umhang von einem Paar miniaturisierter Löwinnen gehalten, die auf seinen Schultern hockten, als wollten sie gleich springen. Ihr Gefährte, ein Männchen mit prachtvoller Mähne, ruhte auf Lord Tywins Großhelm, eine Pranke in die Luft erhoben, während er brüllte. Alle drei Löwen waren aus Gold geschmiedet, die Augen mit Rubin besetzt. Seine Rüstung bestand aus schwerem Stahl, in dunklem Rot lackiert, Beinschienen und Handschuhe mit goldenen Schnecken verziert. Seine Medaillons waren goldene Sonnen, sämtliche Befestigungen vergoldet, und der rote Stahl war derart poliert, daß er im Licht der aufgehenden Sonne wie Feuer erstrahlte.

Nun konnte Tyrion das Dröhnen der feindlichen Trommeln hören. Er dachte daran, wie er Robb Stark zuletzt gesehen hatte, auf dem Thron seines Vaters in der Großen Halle von Winterfell, ein Schwert blank und glänzend in Händen. Er dachte daran, wie sich die Schattenwölfe aus der Dunkelheit über ihn hergemacht hatten, und plötzlich konnte er sie wieder sehen, knurrend und schnappend, die Zähne vor seinem Gesicht gefletscht. Ob der Junge seine Wölfe mit in die Schlacht brachte? Der Gedanke bereitete ihm Unbehagen.

Die Nordmänner wären nach ihrem langen, schlaflosen Marsch erschöpft. Tyrion überlegte, was sich der Junge dabei gedacht hatte. Glaubte er, er könne sie im Schlaf überraschen? Die Chancen dafür standen schlecht. Was man auch immer von Tywin Lannister sagen mochte: er ließ sich nicht zum Narren machen.

Links sammelte sich die vorderste Linie. Er sah die Standarte zuerst, drei schwarze Hunde auf gelbem Grund. Darunter saß Ser Gregor auf dem größten Pferd, das Tyrion je gesehen hatte. Bronn warf einen Blick auf ihn und grinste.»Folge stets einem großen Mann in die Schlacht.«

Tyrion warf ihm einen bösen Blick zu.»Und wieso das?«»Sie geben so wunderbare Ziele ab. Der da, er zieht die Blicke aller Bogenschützen auf sich.«

Lachend betrachtete Tyrion den Berg mit neuen Augen.»Ich muß gestehen, daß ich es so noch nie gesehen habe.«

Clegane verbreitete keinen Prunk um sich. Seine Rüstung war aus Stahl, matt und grau, vernarbt und ohne Siegel oder Verzierungen. Er zeigte Männern ihre Positionen mit der Klinge, einem beidhändigen Großschwert, das Ser Gregor mit einer Hand schwenkte wie ein Geringerer als er einen Dolch.»Jeden, der wegläuft, mache ich persönlich nieder«, brüllte er, als er Tyrion gewahr wurde.»Gnom! Nehmt die Linke. Haltet den Fluß. Wenn Ihr könnt.«

Die Linke der Linken. Um ihre Flanken aufzurollen, brauchten die Starks Pferde, die auf Wasser wandeln konnten. Tyrion führte seine Männer zum Ufer.»Seht«, rief er und zeigte die Richtung mit seiner Axt.»Der Fluß. «Eine Decke von fahlem Nebel lag noch immer auf dem Wasser, dem trüben, grünen Strom, der unter ihnen floß. Die Untiefen waren verschlammt und erstickten im Schilf.»Der Fluß ist unser. Was immer auch geschieht, haltet euch nah am Wasser. Verliert es nie aus den Augen. Laßt keinen Feind zwischen uns und unseren Fluß. Wenn sie unser Wasser besudeln, hackt ihnen die Schwänze ab und verfüttert sie an die Fische.«

Shagga hielt in beiden Händen eine Axt. Er schlug sie aneinander und ließ sie klingen.»Halbmensch!«rief er. Andere Stone Crows nahmen den Schlachtruf auf, und auch die Black Ears und Moon Brothers. Die Burned Men schrien nicht, doch rasselten sie mit ihren Schwertern und Speeren.»Halbmensch! Halbmensch! Halbmensch!«

Tyrion wendete sein Roß im Kreis, um das Feld zu überblicken. Hier, nah am Fluß, war der Boden hügelig und uneben, weich und morastig, stieg zur Kingsroad in einem sanften Hang an, dahinter nach Osten hin steinig und aufgebrochen. Ein paar Bäume standen an den Hängen, allerdings war das Land größtenteils gerodet und beackert. Das Herz schlug wild in seiner Brust, im Rhythmus der Trommeln, und unter all den Schichten aus Leder und Stahl war seine Stirn kalt vom Schweiß. Er beobachtete Ser Gregor, den Berg, wie er vor seinen Reihen auf und ab ritt, schreiend und gestikulierend. Auch diese Flanke war nur Kavallerie, doch auf der Rechten stand eine gepanzerte Faust aus Rittern und schweren Lanzenreitern, die vorderste Reihe bestand aus dem Abschaum des Westens: berittene Bogenschützen in Lederwesten, eine schwärmende Masse aus undisziplinierten, freien Reitern und Söldnern, Knechten auf Ackergäulen, mit Sensen und den rostigen Schwertern ihrer Väter bewaffnet, halbwegs ausgebildete Jungen aus den Elendsvierteln von Lannisport und Tyrion mit seinen Bergbewohnern.

«Krähenfutter«, murmelte Bronn neben ihm und verlieh dem, was Tyrion ungesagt gelassen hatte, Worte. Er konnte nur nicken. War sein Hoher Vater von allen guten Geistern verlassen? Keine Pikeniere, zu wenige Bogenschützen, kaum eine Handvoll Ritter, und all diese schlecht oder gar nicht Bewaffneten unter dem Kommando eines gedankenlosen Grobians, der sie mit seinem Zorn lenkte… wie konnte sein Vater erwarten, daß diese Karikatur einer Armee seine Linke hielt?

Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Trommeln waren so nah, daß ihm die Schläge schon unter die Haut gingen und seine Hände zittern ließen. Bronn zog sein Langschwert, und plötzlich stand der Feind vor ihnen, ergoß sich über die Hügelkuppen, drang gemessenen Schrittes hinter einer Wand von Schilden und Spießen vor.

Verdammt sollen die Götter sein, sieh sich einer all die Menschen an, dachte Tyrion, obwohl er wußte, daß sein Vater mehr Männer auf dem Feld hatte. Ihre Hauptleute ritten auf gepanzerten Kriegspferden voran, Standartenträger mit Bannern an ihrer Seite. Er sah den Elchbullen der Hornwoods, die Sonne der Karstarks, Lord Cerwyns Streitaxt und die gepanzerte Faust der Glovers… und die Zwillingstürme von Frey, blau auf grau.

Soviel zur Überzeugung seines Vaters, daß Lord Frey sich nicht rühren würde. Überall sah man das Weiß des Hauses Stark, die grauen Schattenwölfe schienen zu rennen und zu springen, wenn die Banner an ihren hohen Stecken flatterten. Wo ist der Junge? fragte sich Tyrion.

Ein Kriegshorn ging. Haroooooooooooooooooooooo, heulte es, der Ton so lang und tief und kalt wie der Wind aus dem Norden. Die Trompeten der Lannisters antworteten, da-DA daDA da-DAAAA-AAAA, metallisch und herausfordernd, und doch erschienen sie Tyrion irgendwie kleiner, ängstlicher. Er fühlte ein Flattern in seiner Magengrube, ein eklig flüssiges Gefühl. Er hoffte, er mußte nicht erbrechend sterben.

Als der Klang der Hörner erstarb, war die Luft von Zischen erfüllt. Ein mächtiger Schwarm von Pfeilen stieg zu seiner Rechten auf, wo die Bogenschützen die Straße flankierten. Die Nordmänner begannen ihren Sturmlauf, schrien dabei, doch prasselten die Pfeile der Lannisters wie Hagel auf sie hernieder, Hunderte von Pfeilen, Tausende, und Geschrei wurde zu Geheul, als Männer taumelten und fielen. Schon sirrte ein zweiter Schwarm durch die Luft, und die Schützen legten einen dritten Pfeil auf ihre Sehnen.

Wieder gellten die Trompeten; da-DAAA da-DAAA da-DA da DA da-DAAAAAAA. Ser Gregor schwenkte sein riesiges Schwert und bellte ein Kommando, und eintausend andere Stimmen erwiderten das Brüllen. Tyrion gab seinem Pferd die Sporen, fügte der Kakophonie eine weitere Stimme hinzu, und die vorderste Reihe drängte voran.»Der Fluß!«rief er seinen Stammesbrüdern im Reiten zu.»Denkt daran, haltet euch am Fluß!«Noch immer ritt er voraus, und sie verfielen in einen leichten Kanter, bis Chella einen Schrei ausstieß, der einem Mark und Blut gefrieren ließ, und an ihm vorübergaloppierte. Shagga heulte und folgte ihr. Die Stammesbrüder stürmten ihnen nach; Tyrion blieb in ihrem Staub zurück.

Ein Halbmond von feindlichen Speerkämpfern hatte sich voraus geformt, ein doppelter Igel mit stählernen Stachern, der hinter hohen Eichenschilden wartete, auf denen die Sonne der Karstarks abgebildet war. Gregor Clegane erreichte sie als erster, führte einen Keil von gepanzerten Veteranen. Die Hälfte der Pferde scheute in letzter Sekunde, brach den Angriff vor der Reihe von Speeren ab. Die anderen starben, als sich ihnen Stahlspitzen in den Brustkorb bohrten. Tyrion sah ein Dutzend Männer zu Boden gehen. Der Hengst des Berges scheute, schlug mit seinen eisenbeschlagenen Hufen aus, als eine Speerspitze mit Widerhaken über seinen Hals harkte. Rasend sprang das Tier zwischen die Reihen. Speere flogen ihm von allen Seiten entgegen, die Mauer aus Schilden brach jedoch unter dem Gewicht zusammen. Die Nordmänner stolperten fort vom Todeskampf des Tieres. Als das Pferd fiel, blutschnaubend und mit seinem letzten, roten Atem um sich beißend, erhob sich der Berg unversehrt und schlug mit seinem beidhändigen Großschwert um sich.

Shagga brach durch die Bresche, bevor die Schilde ihre Reihen schließen konnten, und führte weitere Stone Crows mit sich. Tyrion rief:»Burned Men! Moon Brothers! Mir nach!«, nur waren die meisten schon voraus. Er sah, wie Timett, Sohn des Timett, absprang, als sein Pferd im vollen Galopp unter ihm verreckte, sah einen Moon Brother auf einem Speer der Karstarks stecken, wurde gewahr, wie Conns Pferd einem Mann mit einem Tritt die Rippen brach. Ein Schwarm von Pfeilen senkte sich auf sie herab. Woher sie kamen, ließ sich nicht sagen, doch fielen sie auf Starks und Lannisters gleichermaßen, klapperten von Rüstungen oder fanden Fleisch. Tyrion hob seinen Schild und versteckte sich darunter.

Der Igel löste sich auf, die Nordmänner wichen unter dem Sturm des berittenen Angriffs zurück. Tyrion beobachtete, wie Shagga einen Speermann in die Brust traf, als ihm der Narr entgegenrannte, sah seine Axt durch Ketten und Leder und Muskeln und Lungen dringen. Der Mann war stehend tot, die Axt in serne Brust gegraben, doch Shagga ritt voran, spaltete ein Schild mit seiner linken Streitaxt, während die Leiche wie knochenlos an seiner Rechten hüpfte und taumelte. Schließlich rutschte der tote Mann ab. Shagga schlug die beiden Äxte aneinander und brüllte.

Mittlerweile traf der Feind bei Tyrion ein, und die Schlacht fand direkt um sein Pferd herum statt. Ein Soldat stach auf seine Brust — ein, und Tyrion schwang seine Axt, trat den Speer beiseite. Der Mann tänzelte rückwärts, um es noch einmal zu versuchen, da gab Tyrion seinem Pferd die Sporen und ritt ihn einfach nieder. Bronn war von drei Feinden umgeben, doch hieb er die Spitze des ersten Speeres ab, der ihm entgegenkam, und zog beim Rückhieb seine Klinge einem zweiten Mann übers Gesicht.

Ein fliegender Speer kam Tyrion von links entgegen und bohrte sich mit hölzernem Krachen in seinen Schild. Er fuhr herum und ritt dem Werfer nach, worauf der Mann nun selbst den Schild über den Kopf erhob. Tyrion umkreiste ihn, ließ Axthiebe auf das Holz niederregnen. Eichenspäne flogen, bis der Nordmann ins Wanken kam, ausglitt und mit dem Schild über sich auf den Rücken fiel. Er war für Tyrions Axt nun nicht mehr zu erreichen, und es lohnte nicht den Aufwand, dafür abzusteigen, also ließ er ihn dort und ritt einem anderen nach, machte diesen mit einem weit geschwungenen Hieb nieder, der ihm mit einem Ruck durch den ganzen Arm ging. Das verschaffte ihm einen Moment Atempause. Er hielt an und suchte den Fluß. Dort war er, zu seiner Rechten. Irgendwie hatte er sich im Halbkreis gedreht.

Ein Burned Man ritt an ihm vorbei, auf seinem Pferd in sich zusammengesunken. Ein Speer war ihm in den Bauch gedrungen und ragte aus dem Rücken heraus. Ihm war nicht mehr zu helfen, doch als Tyrion sah, daß einer der Nordmänner heranlief und nach seinen Zügeln langte, griff er an.

Sein Opfer trat ihm mit dem Schwert in der Hand entgegen. Der Mann war groß und mager, trug ein langes Kettenhemd und stählerne Panzerhandschuhe, hatte jedoch seinen Helm verloren, und Blut lief ihm von einem Schnitt an der Stirn in die Augen. Tyrion drosch ihm einen Hieb ins Gesicht, aber den schlug der große Mann zur Seite.»Zwerg«, schrie er.»Stirb. «Er drehte sich um sich selbst, als Tyrion um ihn herumritt und auf seinen Kopf und seine Schultern einhackte. Stahl traf auf Stahl, und bald schon merkte Tyrion, daß der große Mann schneller und stärker war als er. Wo bei allen sieben Höllen steckte Bronn?» Stirb«, knurrte der Mann, während er wütend auf ihn einhieb. Kaum brachte Tyrion seinen Schild rechtzeitig hoch, und das Holz schien innerlich unter der Wucht des

Hiebes zu explodieren. Die Bruchstücke fielen von seinem Arm.»Stirb!«bellte der Schwertkämpfer, kam nah heran und traf Tyrion so hart an der Schläfe, daß es in seinem Kopf klingelte. Die Klinge gab ein gräßliches Schaben von sich, als er sie wieder über den Stahl zog. Der große Mann grinste… bis Tyrions Streitroß zubiß, schnell wie eine Schlange, und seine Wange bis auf den Knochen bloßlegte. Dann schrie er. Tyrion grub ihm die Axt in seinen Kopf.»Du stirbst«, erklärte er ihm, und das tat er dann.

Indem er die Klinge wieder herausriß, hörte er einen Schrei.»Eddard!«rief eine Stimme.»Für Eddard und Winterfell!«Der Ritter donnerte ihm entgegen, schwang die Dornenkugel eines Morgensterns um seinen Kopf. Ihre Rösser stießen zusammen, bevor Tyrion auch nur den Mund aufmachen und Bronn rufen konnte. Sein rechter Ellenbogen explodierte vor Schmerz, als die Stacheln das dünne Metall am Gelenk durchbohrten. Seine Axt war fort, so schnell ging das. Er griff nach seinem Schwert, nur wieder kreiste der Morgenstern, flog seinem Gesicht entgegen. Ein ekelhaftes Knirschen, und er fiel. Er konnte sich erinnern, wie er am Boden aufschlug, doch als er aufblickte, war über ihm nur Himmel. Er wälzte sich zur Seite und versuchte, auf die Beine zu kommen, dabei durchfuhr ihn der Schmerz, und die ganze Welt pulsierte. Der Ritter, der ihn niedergestreckt hatte, kam über ihm zum Stehen.»Tyrion, der Gnom«, brüllte er herab.»Ihr seid mein. Gebt Ihr Euch geschlagen, Lannister?«

]a, dachte Tyrion, die Worte indes steckten in seiner Kehle fest. Er gab ein Krächzen von sich und kam wieder auf die Beine, tastete nach einer Waffe. Sein Schwert, sein Dolch, irgendwas…

«Gebt Ihr Euch geschlagen?«Der Ritter ragte auf seinem gepanzerten Streitroß über ihm auf. Mann und Pferd wirkten gleichermaßen gigantisch. Die Dornenkugel schwang in einem trägen Kreis. Tyrions Hände waren taub, sein Blick verschwommen, seine Scheide leer.»Ergebt Euch oder sterbt«, erklärte der Ritter, und sein Morgenstern kreiste schneller.

Tyrion sprang auf, bohrte seinen Kopf dem Pferd in den Bauch. Das Tier stieß einen grauenvollen Schrei aus und scheute zurück. Es versuchte, dem Schmerz auszuweichen, während ein Schauer von Blut und Gedärm über Tyrions Gesicht spritzte und das Pferd stürzte wie eine Lawine. Dann spürte er nur noch, wie sein Visier voll Lehm war und irgend etwas seinen Fuß zerquetschte. Er machte sich los, die Kehle so verschnürt, daß er kaum sprechen konnte.»… ergebt Euch…«, krächzte er schwach.»Ja«, stöhnte eine Stimme, heiser vor Schmerz. Tyrion kratzte den Dreck von seinem Helm, damit er wieder sehen konnte. Das Pferd war von ihm gefallen, auf seinen Reiter. Das Bein des Ritters war eingeklemmt, der Arm, mit dem er seinen Sturz hatte abfangen wollen, in groteskem Winkel abgespreizt.»Ergebt Euch«, wiederholte er. Er tastete mit seiner gesunden Hand am Gürtel herum, zog ein Schwert und warf es Tyrion zu Füßen.»Ich ergebe mich, Mylord.«

Benommen fiel der Zwerg auf die Knie und hob die Klinge an. Schmerz hämmerte in seinem Ellenbogen, wenn er den Arm bewegte. Die Schlacht schien weitergewandert zu sein. Auf diesem Teil des Schlachtfeldes war niemand mehr, nur noch unzählige Leichen. Schon kreisten Raben und landeten, um sich an ihnen zu weiden. Er sah, daß Ser Kevan seine Mitte herangeführt hatte, um die vorderen Reihen zu stützen. Seine unübersehbare Menge von Pikenieren hatte die Nordmänner an die Hügel gedrängt. Sie kämpften an den Hängen, Spieße schlugen gegen die nächste Mauer aus Schilden, diese nun oval und mit eisernen Bolzen beschlagen. Während er zusah, war die Luft wieder von Pfeilen erfüllt, und die Männer hinter der Eichenmauer sanken unter dem mörderischen Feuer zusammen.»Ich glaube, Ihr verliert, Ser«, erklärte er dem Ritter unter dem Pferd. Der Mann gab keine Antwort.

Hufschlag hinter ihnen ließ ihn herumfahren, auch wenn er vor quälendem Schmerz in seinem Ellenbogen kaum das Schwert anheben konnte. Bronn hielt neben ihm und sah auf ihn herab.

«Du warst nicht eben eine große Hilfe«, sagte Tyrion.

«Es hat den Anschein, als wäret Ihr gut allein zurechtgekommen«, antwortete Bronn.»Nur habt Ihr den Spieß auf Eurem Helm verloren.«

Tyrion griff an seinen Großhelm. Der Spieß war sauber abgebrochen.»Ich habe ihn nicht verloren. Ich weiß genau, wo er ist. Hast du mein Pferd gesehen?«

Nachdem sie es gefunden hatten, gellten wieder die Trompeten, und Lord Tywins Reserve kam am Fluß entlang. Tyrion sah, wie sein Vater vorüberflog, das rotgoldene Banner der Larmisters flatternd über seinem Kopf, als er übers Schlachtfeld donnerte. Fünfhundert Ritter umgaben ihn, und Sonnenlicht blitzte an den Spitzen ihrer Lanzen. Die verbliebenen Reihen der Starks zerbrachen unter dem Druck ihres Angriffs wie Glas.

Mit seinem Ellbogen, der unter der Rüstung geschwollen war und schmerzte, unternahm Tyrion keinen Versuch, sich dem Gemetzel anzuschließen. Er machte sich mit Bronn daran, seine Leute zu suchen. Viele fand er unter den Toten. Ulf, Sohn des Umar, lag in einem Tümpel von gerinnendem Blut, sein Arm am Ellenbogen abgetrennt, ein Dutzend seiner Moon Brothers um ihn am Boden. Shagga saß in sich zusammengesunken an einem Baum, von Pfeilen übersät, Conns Kopf auf seinem Schoß. Tyrion dachte, sie wären beide tot, doch als er abstieg, schlug Shagga die Augen auf und sagte:»Sie haben Conn, Sohn des Coratt, getötet. «Der hübsche Conn hatte nur einen roten Fleck an seiner Brust, wo der Speer ihn getroffen hatte. Als Bronn Shagga auf die Beine zog, schien der große Mann die Pfeile zum ersten Mal zu bemerken. Einen nach dem anderen zog er heraus, verfluchte die Löcher, die sie in seinen Schichten von Ketten und Leder hinterließen, und heulte wie ein kleines Kind über die wenigen, die sich ihm ins Fleisch gebohrt hatten. Chella, Tochter des Cheyk, ritt heran, während sie die Pfeile aus Shagga zogen, und zeigte ihnen vier

Ohren, die sie erobert hatte. Timett fanden sie damit beschäftigt, mit seinen Burned Men die Leichen der Erschlagenen zu fleddern. Von den dreihundert Stammesbrüdern, die mit Tyrion Lannister in die Schlacht geritten waren, hatte vielleicht die Hälfte überlebt. Er ließ die Lebenden zurück, damit sie sich der Toten annahmen, schickte Bronn los, sich um seinen gefangenen Ritter zu kümmern, und machte sich allein auf die Suche nach seinem Vater. Lord Tywin saß am Fluß, trank Wein aus einem edelsteinbesetzten Becher, während ein Knappe die Befestigungen seines Brustpanzers löste.»Ein schöner Sieg«, sagte Ser Kevan, als er Tyrion sah.»Deine wilden Männer haben gut gekämpft.«

Die Augen seines Vaters waren auf ihn gerichtet, hellgrün, mit Gold gefleckt, so kühl, daß Tyrion fast fror.»Hat es Euch überrascht, Vater?«fragte er.»Hat es Eure Pläne durchkreuzt? Wir sollten uns schlachten lassen, nicht?«

Lord Tywin leerte seinen Becher mit ausdrucksloser Miene.»Ich habe die disziplinlosesten Männer auf die Linke gestellt, ja. Ich hatte erwartet, daß sie brechen würde. Robb Stark ist ein grüner Junge, eher tapfer als klug. Ich hatte gehofft, wenn er sieht, wie unsere Linke in sich zusammenbricht, würde er sich auf die Lücke stürzen, um uns in die Flucht zu schlagen. Wäre er erst vollauf beschäftigt, würden Ser Kevans Pikeniere wenden und ihm in die Flanke fahren, ihn in den Fluß treiben, während ich die Reserve bringe.«

«Und Ihr hieltet es für das beste, mich mitten in dieses Blutbad zu stellen und mich über Eure Pläne im dunkeln zu lassen.«

«Eine gespielte Flucht ist wenig überzeugend«, sagte sein Vater,»und ich neige nicht dazu, meine Pläne einem Mann anzuvertrauen, der sich mit Söldnern und Wilden umgibt.«

«Schade, daß meine Wilden Euch den Tanz verdorben haben. «Tyrion zog seinen stählernen Handschuh aus und ließ ihn zu Boden fallen, zuckte bei dem Schmerz zusammen, der in seinen Arm stach.

«Der junge Stark hat sich als vorsichtiger entpuppt, als ich es von jemandem in seinem Alter erwartet hätte«, räumte Lord

Tywin ein,»doch Sieg ist Sieg. Du scheinst mir verwundet zu sein.«

Tyrions rechter Arm war blutdurchtränkt.»Nett von Euch, das zu bemerken, Vater«, preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.»Dürfte ich Euch um die Mühe bitten, nach Euren Maestern zu rufen? Es sei denn, Ihr fändet Gefallen daran, einen einarmigen Zwerg zum Sohn zu haben… «

Ein dringender Schrei von» Lord Tywin!«ließ seinen Vater den Kopf herumreißen, bevor der ihm antworten konnte. Tywin Lannister stand auf, als Ser Addam Marbrand von seinem Roß sprang. Das Pferd war schweißgebadet und blutete aus dem Maul. Ser Addam sank auf ein Knie, ein schlaksiger Mann mit dunklem, kupferfarbenem Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, in polierten, braunen Stahl gekleidet, der brennende Baum seines Hauses in Schwarz auf seinen Brustpanzer radiert.

«Mein Lehnsherr, wir haben einige ihrer Befehlshaber gefangengenommen. Lord Cerwyn, Ser Wylis Manderly, Harrion Karstark, vier Freys. Lord Hornwood ist tot, und ich fürchte, Roose Bolton ist uns entkommen.«

«Und der Junge?«fragte Lord Tywin.

Ser Addam zögerte.»Der junge Stark war nicht bei ihnen, Mylord. Sie sagen, er hätte den Fluß bei den Twins mit einem Großteil seiner Reiter überquert, um so schnell wie möglich nach Riverrun zu gelangen.«

Ein grüner Junge, erinnerte sich Tyrion, eher tapfer als klug. Ihm wäre zum Lachen zumute gewesen, hätte ihn der Schmerz nicht so gepeinigt.

Загрузка...