6

Zuerst war das Warten die reine Hölle.

Nachdem sie herausgefunden hatten, daß die Eisenjades nicht anwesend waren, nahmen sie ihn mit hinauf zu dem Gleiterlandeplatz auf dem Turm und zwangen ihn, in einer Ecke des luftigen Daches Platz zu nehmen. In Dirk gewann langsam Panik die Oberhand, sein Magen hatte sich zu einem schmerzenden Klumpen zusammengezogen. »Bretan«, begann er mit leicht hysterischem Tonfall, aber der Kavalare drehte sich nur um und schlug ihm mit der flachen Hand kräftig über den Mund.

»Für dich bin ich nicht ›Bretan‹«, sagte er. »Wenn du mich unbedingt ansprechen mußt, Spottmensch, dann nenne mich Bretan Braith.« Danach schwieg Dirk. Das zerbrochene Feuerrad bewegte sich unendlich langsam über Worlorns Himmel, und während er beobachtete, wie es dahinkroch, kam es Dirk so vor, als habe er einen entscheidenden Punkt erreicht. Alles, was mit ihm geschehen war, erschien ihm so unwirklich — die Braiths und die Vorkommnisse des Nachmittags noch mehr als alles andere. Er fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn er plötzlich aufspringen und über den Dachrand auf die Straße hinunterhechten würde. Er würde fallen und fallen, dachte er, wie man in einem Traum fällt, aber der Aufprall auf die dunklen Glühsteinblöcke dort unten würde nicht weh tun, nur das plötzliche Erwachen würde ihn schrecken. Schweißgetränkt und über die Absurditäten dieses Alptraumes lachend, würde er sich in seinem Bett auf Braque wiederfinden. Mit diesem und anderen Gedanken beschäftigte er sich scheinbar stundenlang, aber als er schließlich aufsah, war der Fette Satan kaum tiefer gesunken. Dann begann er zu zittern.

Die Kälte, sagte er sich, der kalte Wind auf Worlorn.

Aber er wußte, daß es nicht die Kälte war, und je mehr er dagegen ankämpfte, desto mehr bibberte er, bis die Kavalaren ihm verständnislose Blicke zuwarfen. Und das Warten hatte noch immer kein Ende. Endlich ließ das Zittern nach und verschwand, genau wie die Selbstmordgedanken und die Panik zuvor, und eine seltsame Ruhe überkam ihn. Er begann wieder nachzudenken, aber ihm wollte nur dummes Zeug durch den Kopf gehen. Nutzlose Spekulationen — als ob er bald eine Wette abzuschließen hätte, welcher von den beiden Gleitern zuerst eintraf, der graue Manta oder die Militärmaschine, wie Jaan oder Garse wohl in einem Duell mit dem einäugigen Bretan aussehen würden, was mit den Puddingkindern in der entfernten Schwarzweinerstadt geschehen war. Solche Angelegenheiten schienen von schrecklicher Wichtigkeit zu sein.

Dann begann er seine Fänger zu beobachten. Das war das interessanteste Spiel von allen und diente genausogut wie jedes andere dazu, die Zeit zu vertreiben. Als er sie musterte, fiel ihm allerhand auf. Seit sie ihn zum Dach eskortiert hatten, war zwischen den beiden Kavalaren kaum ein Wort gefallen. Chell, der Lange, saß auf der niedrigen Mauer, die den Landeplatz einfaßte, kaum einen Meter von Dirk entfernt. Als Dirk sich ihn genauer ansah, bemerkte er, daß er schon einen recht alten Mann vor sich hatte. Die Ähnlichkeit mit Lorimaar Hoch-Braith war sehr trügerisch. Obgleich sich Chell wie ein jüngerer Mann kleidete und verhielt, war er mindestens zwanzig Jahre älter als Lorimaar, schätzte Dirk. Wie er so dasaß, lasteten die Jahre schwer auf ihm. Ein beträchtlicher Bauch wölbte sich über seinen mattglänzenden Netz-Stahlgürtel, und die Falten in seinem wettergegerbten Gesicht waren tief. Chell hatte die Hände auf seine Knie gestützt, und Dirk sah blaue Venen und graurosa Flecken auf ihrem Rücken. Die sinnlos lange Warterei auf die Rückkehr derer von Eisenjade ging auch an ihm nicht spurlos vorbei, er zeigte mehr als nur Langeweile. Seine Wangen schienen mehr und mehr einzufallen, und seine breiten Schultern hatte er achtlos sinken lassen.

Insgesamt bot er ein trauriges Bild. Einmal bewegte er sich seufzend. Er nahm die Hände von den Knien, hakte die Finger ineinander und streckte sich. Dabei sah Dirk seine Armspangen. Am rechten Arm war Eisen-und-Glühstein, ein Gegenstück zu jener vom einäugigen Bretan so stolz zur Schau gestellten Manschette. Links befand sich das Silber. Die Jade fehlte allerdings. Früher war sie vorhanden gewesen, aber die Steine waren aus ihren Fassungen gebrochen worden, und jetzt war der Silberarmreif durchlöchert.

Während der müde alte Chell — plötzlich fiel es Dirk schwer, in ihm die bedrohliche, kriegerische Gestalt zu sehen, die er noch vor wenigen Minuten gewesen war — darauf wartete, daß etwas passierte, schritt Bretan (oder Bretan Braith, wie er genannt werden wollte) unruhig auf und ab. Er steckte voll ungezügelter Energie und schien in dieser Hinsicht schlimmer zu sein als jeder, den Dirk jemals gekannt hatte, schlimmer sogar noch als seine Jenny, die damals ein recht unruhiger Geist gewesen war.

Die Hände tief in den Taschen seiner kurzen weißen Jacke vergraben, ging er ruhelos auf dem Dach umher.

Alle paar Augenblicke starrte er ungeduldig nach oben, als wollte er sich bei dem Zwielichthimmel beschweren, daß er ihm Jaan Vikary vorenthielt. Ein seltsames Paar, dachte Dirk. Bretan Braith war so jung, wie Chell alt war — sicherlich nicht älter als Garse Janacek und wahrscheinlich jünger als Gwen, Jaan oder er selbst. Wie kam es, daß er teyn eines um so viele Jahre älteren Kavalaren war? Er war auch kein ›hoch‹, hatte demnach Braith keine betheyn geschenkt. Sein linker Arm, der mit feinem roten Haar bedeckt war, das dann und wann aufleuchtete, wenn er günstig zur Sonne stand, trug keinen Reif aus Jade-und-Silber. Sein Gesicht, sein merkwürdiges Halbgesicht, war über alle Maßen häßlich, aber als der Tag langsam schwand und die Abenddämmerung eintrat, hatte er sich daran gewöhnt.


Immer, wenn Bretan Braith in die eine Richtung schritt, sah er völlig normal aus: ein gertenschlanker Jüngling voll nervöser Energie, die er eng im Zaum hielt, so eng, daß Bretan innerlich zu brutzeln schien. Von dieser Seite wirkte sein Gesicht ungezeichnet und fast heiter, kurze schwarze Locken ringelten sich um sein Ohr, und einige Strähnen fielen ihm auf die Schulter, aber es war nicht die entfernteste Spur eines Bartes zu entdecken. Selbst die Braue über seinem großen grünen Auge war nur eine schwache Linie. Er sah beinahe unschuldig aus.

Dann schritt er bis zum Rand des Daches, wandte sich um und kam den gleichen Weg zurück. Jetzt war alles ganz anders. Die linke Gesichtshälfte sah unmenschlich aus, eine Landschaft aus zerstörten Ebenen und verbogenen Winkeln, wie sie ein Gesicht einfach nicht haben durfte. Das Fleisch war ein halbes Dutzend mal genäht, an anderen Stellen glänzte es dicklich wie Emaille. Auf dieser Seite hatte Bretan überhaupt keine Haare, auch kein Ohr — nur ein Loch —, und die linke Seite seiner Nase war ein kleines Dreieck aus fleischfarbenem Kunststoff. Sein Mund war ein lippenloser Schlitz, der sich dauernd bewegte — was am schlimmsten von allem war. Ein Pulsieren, ein groteskes Zucken ging von seinem linken Mundwinkel aus und pflanzte sich über das hügelige Narbengewebe bis zu seiner kahlen Schädeldecke fort.

Im Tageslicht war das Glühsteinauge des Braith so dunkel wie ein Stück Obsidian. Nun wurde es jedoch langsam Nacht, das Höllenauge ging unter, und in der leeren Augenhöhle begann es zu funkeln. Bei völliger Dunkelheit würde Bretan das Höllenauge sein. Der Glühstein würde sein stetiges, von keinem Blinzeln unterbrochenes Rot abstrahlen, und das ihn umgebende Halbgesicht würde zur schwarzen Travestie eines, Totenschädels werden, das perfekte Heim für ein Auge wie dieses. Das alles wirkte sehr furchterregend, bis man sich bewußt machte — und Dirk hatte diesen Schritt vollzogen —, daß die unheimliche Wirkung beabsichtigt war. Bretan Braith brauchte beileibe keinen Glühstein als Auge, er hatte ihn aus persönlichen Gründen gewählt, und diese Gründe waren nicht schwer zu verstehen.

Dirks Erinnerung raste zum frühen Nachmittag und dem Gespräch am Wolfskopfgleiter zurück. Ganz klar, Bretan war schnell und gewitzt, während Chell schon seit einigen Jahren leicht senil sein mochte. Es hatte schrecklich lange gedauert, bis sein Geist etwas erfaßte, ja, sein junger teyn mußte ihn sogar wie einen Blinden führen. Plötzlich kamen ihm die beiden Braiths weit weniger gefährlich vor, und Dirk konnte sich nur erstaunt fragen, warum sie ihm solche Angst eingejagt hatten. Sie waren fast amüsant. Ganz gleich, was Jaan Vikary sagen würde, wenn er von der Stadt im Sternenlosen Teich zurückkehrte — es würde nichts geschehen. Von diesen beiden ging keine echte Gefahr aus. Wie um Dirks Gedankengang noch zu unterstreichen, begann Chell vor sich hinzumurmeln, Selbstgespräche zu führen, ohne daß er selbst etwas davon bemerkte. Dirk warf ihm einen raschen Seitenblick zu und versuchte zu verstehen, was der alte Mann sagte. Chell starrte ins Leere, während er sprach, schüttelte er sich. Seine Worte ergaben keinen Sinn, und Dirk benötigte mehrere Minuten, bis ihm dämmerte, daß er Altkavalar sprach. Diese Sprache hatte sich während der Jahrhunderte des Interregnums auf Hoch Kavalaan entwickelt, als die überlebenden Kavalaren keinen Kontakt mehr zu anderen Menschenwelten unterhielten. In neueren Zeiten war sie rasch wieder in Standardterranisch aufgegangen und bereicherte die Ursprungssprache um viele Begriffe, für die es kein Äquivalent gab. Heute sprach kaum noch jemand Altkavalar, hatte Garse Janacek gesagt. Und dort saß dieser ältliche Mann aus der konservativsten Festhaltkoalition neben ihm und brabbelte Dinge, die er in seiner Jugend aufgeschnappt haben mußte.

Mit Bretan verhielt es sich nicht viel anders. Er war Dirk gegenüber handgreiflich geworden, nur weil dieser die falsche Anrede gebraucht hatte, eine Form, die den kethi vorbehalten war. Ebenfalls ein aussterbender Brauch, wie Garse behauptet hatte. Selbst die Hochleibeigenen hielten sich nur noch lasch an ihn. Nicht so Bretan Braith. Jung und noch lange kein ›Hoch‹, klammerte er sich an Traditionen, die von Männern, die oft Generationen älter waren als er, abgelehnt wurden, weil sie ihnen als sinnentleerte Formeln erschienen.

Dirk spürte beinahe Mitleid mit ihnen. Sie waren Versager, sagte er sich, noch viel mehr ausgestoßen und allein als er selbst. In gewissem Sinn waren sie sogar ohne Heimat, weil Hoch Kavalaan über sie hinaus-gewachsen war und nicht länger ihre Welt sein konnte.

Kein Wunder, daß sie nach Worlorn kamen, sie gehörten hierher. Sie starben — und mit ihnen all ihre Ansichten.

Besonders Bretan war eine bemitleidenswerte Figur, Bretan, der so verzweifelt versuchte, hart zu erscheinen.

Er war jung, vielleicht der letzte Aufrechte seiner Art, und möglicherweise erlebte er die Zeit noch, wo niemand mehr so dachte wie er. War er deshalb Chells teyn? Weil seine Gleichgestellten ihn und die Werte dieses alten Mannes ablehnten? Möglich war es, dachte Dirk, und das war hart und traurig. Eine gelbe Sonne schien noch schwach im Westen. Von der Nabe konnte man nur noch einen roten Dunstschleier am Horizont sehen. Dirk war nachdenklich und gefaßt, aber ohne jede Angst, als sie die Gleiter hörten.

Bretan Braith erstarrte und sah auf, seine Hände fuhren aus den Taschen. Eine griff ganz automatisch zum Halfter seiner Laserpistole. Blinzelnd kam Chell auf die Beine und er schien plötzlich um ein Jahrzehnt verjüngt.

Auch Dirk erhob sich.

Zwei Gleiter kamen in fast militärischer Präzision Seite an Seite herangeflogen — der graue und der olivgrüne.

»Komm her«, krächzte Bretan, und Dirk ging zu ihm hinüber. Chell schloß sich ihnen an, so daß sie zu dritt nebeneinander standen, Dirk wie ein Gefangener in der Mitte. Der Wind zerrte an seiner Kleidung. Überall um ihn herum begannen die Glühsteine Larteyns ihr blutrotes Licht abzustrahlen, und Bretans Auge — so dicht neben ihm — leuchtete wild in seinem vernarbten Nest. Das Zucken hatte aus irgendeinem Grund aufgehört, sein Gesicht war völlig unbewegt.

Jaan Vikary schaltete den Antrieb des grauen Manta ab und ließ ihn langsam auf dem Antischwerkraftfeld herabsinken. Dann sprang er heraus und kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Die klobige, häßliche Militärmaschine, die mit einem Dach versehen und so schwer bewaffnet war, daß man den Piloten nicht ausmachen konnte, landete fast gleichzeitig. Eine schwere Metalltür öffnete sich an ihrer Seite, und Garse Janacek kam mit eingezogenem Kopf zum Vorschein.

Als er sah, was los war, schlug er die Tür krachend zu, kam herüber und stellte sich rechts neben Vikary auf.

Vikary lächelte vage und begrüßte Dirk mit einem kurzen Nicken. Dann sah er Chell an. »Chell Nim Kaltwind fre-Braith Daveson«, sagte er förmlich. »Ehre Eurem Festhalt, Ehre Eurem teyn.« »Und Eurem ebenfalls«, sagte der alte Braith. »Mein neuer teyn wacht an meiner Seite. Ihr kennt ihn noch nicht.« Er zeigte auf Bretan. Jaan wandte sich um und musterte den narbengesichtigen Jüngling kurz. »Ich bin Jaan Vikary von der Eisenjadeversammlung«, sagte er. Bretan gab nur einen Laut von sich, jenen charakteristischen Laut. Peinliches Schweigen war die Folge.

»Richtiger gesagt, heißt mein teyn Jaantony Riv Wolf Hoch-Eisenjade Vikary«, sagte Janacek. »Und ich bin Garse Eisenjade Janacek.« Jetzt antwortete Bretan. »Ehre Eurem Festhalt, Ehre Eurem teyn. Ich bin Bretan Braith Lantry.«

»Darauf wäre ich nie gekommen«, sagte Janacek ohne die Spur eines Lächelns. »Wir haben von Euch gehört.«

Jaan Vikary warf ihm einen warnenden Blick zu. Etwas schien mit Jaans Gesicht nicht zu stimmen. Zuerst dachte Dirk an einen Lichtreflex — es wurde nun schnell dunkel —, aber dann sah er, daß Jaans Kiefer an einer Seite geschwollen war, was seinem Profil einen anderen Ausdruck verlieh.

»Wir kommen in Hoher Beschwerde zu Euch«, sagte Bretan Braith Lantry.

Vikary sah Chell an. »Ist es so?« »Es ist so, Jaantony Hoch-Eisenjade.«

»Ich bedaure, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist«, antwortete Vikary. »Was liegt vor?«

»Wir müssen Euch eine Frage stellen«, sagte Bretan. Er legte die Hand auf Dirks Schulter. »Dieser hier, Jaantony Hoch-Eisenjade … Sagt uns, ist er korariel von Eisenjade oder nicht?«

Jetzt grinste Garse Janacek unverhohlen, und seine durchdringenden blauen Augen trafen in ihrer eisigen Tiefe lachend auf die von Dirk, als wollten sie sagen:

»Aha, was hat er jetzt wieder angestellt?« Jaan Vikary sah nur finster drein. »Warum?«

»Hängt Eure Wahrheit von unseren Gründen ab, Hochleibeigener?« fragte Bretan barsch. Seine vernarbte Wange zuckte ungestüm. Vikary sah Dirk an. Er war nicht gerade erfreut, das sah man ihm an. »Ihr habt keinen Grund, Eure Antwort hinauszuschieben oder sie uns vorzuenthalten, Jaantony Hoch-Eisenjade«, sagte Chell Daveson. »Die Wahrheit heißt ja, oder die Wahrheit heißt nein, mehr kann darin nicht liegen.« Die Stimme des alten Mannes klang beherrscht. Er hatte keine Nervosität zu verbergen, und sein Kodex diktierte ihm jedes Wort. »Früher mögt Ihr recht gehabt haben, Chell fre-Braith«, begann Vikary. »In den alten Tagen der Festhalte war die Wahrheit eine einfache Angelegenheit, aber jetzt sind die Zeiten anders und voller neuer Dinge. Wir sind jetzt Menschen von vielen Welten, nicht nur von einer, und deshalb sind unsere Wahrheiten viel komplexer.«

»Nein«, sagte Chell. »Dieser Spottmensch ist korariel oder nicht korariel. Daran ist nichts komplex.«

»Mein teyn Chell spricht wahr«, fügte Bretan hinzu.

»Die Frage, die ich Euch gestellt habe, Hochleibeigener, ist ganz einfach. Ich verlange Eure Antwort.«

Vikary ließ sich nicht zur Eile antreiben. »Dirk t’Larien ist ein Mann der fernen Welt Avalon, einer Menschenwelt, auf der ich früher studierte und die weit hinter Tempters Schleier liegt. Ich nannte ihn korariel, um ihm meinen Schutz und den Schutz Eisenjades gegen diejenigen zu gewähren, die ihm Böses wollen. Aber ich beschütze ihn als Freund, so wie ich einen Bruder in Eisenjade schützen würde, wie ein teyn seinen teyn beschützt. Er ist nicht mein Eigentum. Ich erhebe keinen Anspruch auf ihn. Versteht ihr?«

Chell verstand nicht. Unter seinem borstigen Schnauzbart preßte der alte Mann die Lippen zusammen und grummelte etwas auf Altkavalar. Dann sprach er laut. Zu laut, um genau zu sein, er schrie beinahe. »Was soll dieser Unsinn? Euer teyn ist Garse Janacek, nicht dieser Fremde. Wie könnt Ihr ihn als teyn beschützen? Ist er von Eisenjade? Er ist nicht einmal bewaffnet! Ist er überhaupt ein Mann? Falls er einer ist, warum kann er dann nicht korariel sein? Und wenn er keiner ist und doch korariel, dann muß er Euch gehören. In Euren Spottmenschen-Worten kann ich keinen Sinn erkennen.«

»Das tut mir leid, Chell fre-Braith«, sagte Jaan Vikary.

»Aber es sind Eure Ohren, die fehlen, nicht meine Worte.

Ich versuche Euch Ehre zu erweisen, aber Ihr macht es mir nicht leicht.«

»Ihr führt mich an der Nase herum!« sagte Chell anklagend. »Nein.« »Doch!«

Dann sprach Bretan Braith. In seiner Stimme klang kein Ärger mit wie bei Chell, aber sie war sehr hart.

»Dirk t’Larien, wie er sich und wie Ihr ihn nennt, hat uns Unrecht zugefügt. Das ist der Stein des Anstoßes, Jaantony Hoch-Eisenjade. Ohne ein Wort der Erlaubnis von Braith legte er Hand an Braitheigentum. Wer zahlt nun dafür? Falls er ein Spottmensch und Euer korariel ist, erkläre ich hier und jetzt meine Herausforderung.

Eisenjade hat Braith Unrecht zugefügt. Ist er kein korariel, dann …« er verstummte. »Ich verstehe«, sagte Jaan Vikary. »Dirk?«

»Ich saß ja nur eine Sekunde lang in dem verdammten Gleiter, das war alles«, sagte Dirk verlegen. »Ich suchte nach einem Wrack, einem verlassenen Wagen, der noch in Schuß war. Gwen und ich haben einen dieser Art in Kryne Lamiya gesehen, und ich hoffte, hier womöglich auch einen zu finden.«

Vikary zuckte die Achseln und sah auf die beiden Braiths. »Mir scheint, daß nur geringes Unrecht geschehen ist, falls überhaupt. Es wurde nichts entwendet.«

»Unser Wagen wurde berührt]« bellte der alte Chell.

»Von einem Spottmenschen — er hatte kein Recht dazu!

Geringes Unrecht nennt Ihr das? Er hätte mit ihm davonfliegen können. Soll ich meine Augen wie ein Spottmensch schließen und dankbar sein, daß er so wenig tat?« Er wandte sich an Bretan, seinen teyn. »Die von Eisenjade verhöhnen und beleidigen uns«, sagte er.

»Vielleicht sind sie keine echten Männer, sondern selbst Spottmenschen. Die Worte der Spottmenschen gebrauchen sie jedenfalls.«

Garse Janacek reagierte sofort. »Ich bin teyn von Jaantony Riv Wolf Hoch-Eisenjade, Vikary, und ich verbürge mich für ihn. Er ist kein Spottmensch.« Die Worte kamen fließend wie eine oft wiederholte Floskel.

Die Art, wie Janacek danach Vikary ansah, machte Dirk deutlich, daß er von seinem teyn die Wiederholung dieses Satzes erwartete. Statt dessen schüttelte Jaan den Kopf und sagte: »Ach Chell, es gibt keine Spottmenschen.« Er klang unsäglich müde, und seine breiten Schultern sanken herab.

Der hochgewachsene ältliche Braith sah aus, als hätte Jaan ihn geschlagen. Wieder murmelte er einige heisere Worte auf Altkavalar. »So geht es nicht weiter«, sagte Bretan Braith. »Wir kommen nicht voran. Nanntet Ihr diesen Mann korariel, Jaantony Hoch-Eisenjade?« »Das tat ich.«


»Ich lehnte den Namen ab«, sagte Dirk ruhig. Er fühlte sich dazu verpflichtet, und die Zeit schien reif dafür zu sein. Bretan wandte sich halb um und warf ihm einen Blick zu. Das grüne Auge des Braith schien ebensoviel Feuer zu versprühen wie sein Gegenstück aus Glühstein.

»Er lehnte nur ab, Eigentum zu sein«, sagte Vikary rasch.

»Mein Freund bestand auf seiner Menschlichkeit, dennoch habe ich meinen Schutzschild über ihn gebreitet.«

Garse Janacek grinste und schüttelte den Kopf. »Nein, Jaan. Als du heute morgen nicht zu Hause warst, wies t’Larien auch deinen Schutz zurück. Jedenfalls drückte er sich mir gegenüber so aus.« Vikary sah ihn wütend an.

»Garse! Jetzt ist nicht die Zeit für Witze.« »Ich mache keine Witze«, sagte Janacek.

»Stimmt«, gab Dirk zu.»Ich sagte, ich könne allein auf mich aufpassen.« »Dirk, Sie wissen nicht, was Sie sagen!« sagte Vikary. »Diesmal schon, glaube ich!«

Während Dirk mit den beiden Männern von Eisenjade diskutierte und Chell regungslos vor Zorn dastand, stieß sein teyn Bretan Braith Lantry plötzlich recht geräuschvoll seinen typischen Laut aus. »Ruhe«, verlangte die Sandpapierstimme, und sofort trat Ruhe ein.

»Das hat keine Folgen. Die Dinge liegen gleich. Ihr sagt, er ist ein Mensch, Eisenjade. Ist das der Fall, kann er kein korariel sein, und Ihr könnt ihn nicht beschützen. Ob er es wünscht oder nicht — Ihr könnt ihn nicht beschützen.

Meine kethi werden darüber wachen.« Er drehte sich auf den Absätzen herum und stand Dirk von Angesicht zu Angesicht gegenüber. »Ich fordere Euch, Dirk t’Larien.«

Keiner sagte einen Ton. Larteyns Steine glühten, und der Wind blies sehr kalt. »Ich beabsichtigte keine Beleidigung«, sagte Dirk, sich an Worte erinnernd, die die Eisenjades bei anderer Gelegenheit gebraucht hatten.

»Darf ich mich entschuldigen?« Er bot Bretan Braith die leeren, nach oben gerichteten Handflächen an.

Das Narbengesicht zuckte. »Die Beleidigung wiegt zu schwer.« »Sie müssen sich mit ihm duellieren«, sagte Janacek. Langsam sanken Dirks Handflächen herab. An seinen Seiten wurden sie zu Fäusten. Er sagte nichts.

Jaan Vikary starrte bekümmert zu Boden, aber Janacek war quicklebendig. »Dirk t’Larien weiß nichts von den Duellgepflogenheiten«, teilte er den beiden Braiths mit.

»Diesen Brauch gibt es auf Avalon nicht. Erlaubt Ihr mir, ihn zu unterrichten?«

Bretan Braith nickte, es war dieselbe ungeschickte Bewegung von Kopf und Schultern, die Dirk schon am frühen Nachmittag in der Garage bemerkt hatte. Chell schien gar nicht zuzuhören, der alte Braith stand noch immer murmelnd und wutschnaubend vor Vikary.

»Viermal gilt es, die Wahl zu treffen, t’Larien«, sagte Janacek zu Dirk. »Als Geforderter wählen Sie zuerst. Ich schlage vor, die Wahl der Waffen zu treffen und Klingen zu wählen.« »Klingen«, wiederholte Dirk leise.

»Ich treffe die Wahl der Art und Weise«, krächzte Bretan, »und wähle das Todesquadrat.«

Janacek nickte. »Sie haben noch die dritte Wahl, t’Larien. Da Sie keinen teyn haben, ist die Zahl der Duellanten vorgeschrieben. Es können nur zwei sein.

Ihnen steht es frei, entweder diese Angabe zu machen oder den Ort des Duells zu wählen.« »Alt-Erde?« sagte Dirk hoffnungsvoll.

Janacek grinste. »Nein. Nur einen Ort auf dieser Welt, fürchte ich. Eine andere Wahl ist nicht legal.« Dirk zuckte die Achseln. »Von mir aus hier.«

»Ich treffe die Wahl der Zahl«, sagte Bretan.


Mittlerweile war es dunkel geworden, und nur die weitverstreuten Sterne der Außenwelten beleuchteten den schwarzen Himmel. Das Auge des Braith flammte, und eigenartig reflektiertes Licht glitzerte naß auf seinen Narben. »Ich wähle den Zweikampf, wie es sein muß.«

»Dann ist alles geregelt«, sagte Janacek. »Ihr müßt Euch auf einen Kampfrichter einigen und dann …«

Jaan Vikary blickte auf. Seine Züge waren verschwommen und schattenverzerrt, nur das blasse Licht der Glühsteine spiegelte sich auf ihnen, aber sein geschwollener Kiefer warf eine seltsame Silhouette.

»Chell«, sagte er sehr bedächtig und mit großer Selbstbeherrschung. »Ja?« erwiderte der alte Braith.

»Nur Narren glauben an Spottmenschen«, warf ihm Vikary an den Kopf. »Ihr seid beide Narren, wenn Ihr an Spottmenschen glaubt.« Dirk sah sich noch immer Bretan Braith gegenüber, als Vikary zu sprechen begann. Das vernarbte Gesicht zuckte einmal, zweimal, dreimal.

Chells Stimme klang, als würde er sich in Trance befinden. »Das ist eine Beleidigung, Jaantony Hoch-Eisenjade, falscher Kavalare, Spottmensch! Ich fordere Genugtuung.«

Bretan wirbelte herum und versuchte, etwas zu schreien. Seine Stimme war dazu jedoch nicht in der Lage, sie überschlug sich, und er stotterte. »Ihr … Duellbrecher! Eisenjade … Ich …«

»Dergleichen ist im Kodex vorgesehen«, erwiderte Vikary halbherzig. »Aber für den Fall, daß Bretan Braith großzügig über den kleinen Fehltritt eines unwissenden Fremden hinwegsehen könnte, würde ich mich dazu bereit finden, von Chell fre-Braith Vergebung zu erbitten.« »Nein«, sagte Janacek düster. »Bitten sind unehrenhaft.« »Nein«, echote Bretan. Sein Gesicht glich jetzt einem Totenschädel. Sein Glühsteinauge funkelte, und seine Wange war vor Wut total entstellt. »Ich habe mich so tief wie möglich vor Euch verbeugt, falscher Kavalare. Ich werde die Weisheit meines Festhalts nicht in den Schmutz ziehen lassen. Mein teyn sah die Dinge richtiger als ich. Es war falsch von mir, ein Duell mit Euch Lügner vermeiden zu wollen, Spottmensch. Welch eine Schande für mich! Aber jetzt wasche ich mich rein.

Chell und ich werden Euch alle drei töten.«

»Vielleicht wird es so sein«, sagte Vikary. »Es soll schon bald geschehen, und dann werden wir sehen.«

»Und deine beteyn- Schlampe auch«, sagte Bretan. Er konnte nicht schreien, wenn er es versuchte, versagte ihm seine Stimme den Dienst. Deshalb sprach er so tief wie immer, und das Raspeln wich nicht aus seiner Stimme.

»Wenn wir mit Euch fertig sind, werden wir unsere Hunde wecken und sie und ihren fetten Kimdissi durch die Wälder jagen, die sie so gut kennen.«

Jaan Vikary ignorierte ihn. »Ich wurde gefordert«, sagte er zu Chell fre-Braith. »Die erste der vier Wahlen obliegt mir. Ich wähle die Anzahl der Teilnehmer. Wir werden geteynt kämpfen.«

»Ich habe die Wahl der Waffen«, erwiderte Chell. »Ich wähle Handfeuerwaffen.«

»Ich treffe die Wahl der Art und Weise«, sagte Vikary.

»Ich wähle das Todesquadrat.«

»Zuletzt die Wahl des Ortes«, sagte Chell. »Hier.«

»Der Kampfrichter wird nur ein Quadrat aufzeichnen«, sagte Janacek. Von den fünf Männern auf dem Dach war er der einzige, der noch lächelte. »Den Kampfrichter müssen wir noch bestimmen. Soll es für beide Duelle derselbe Mann sein?«

»Einer genügt«, sagte Chell. »Ich schlage Lorimaar Hoch-Braith vor.« »Nein«, sagte Janacek. »Erst gestern kam er in Hoher Beschwerde zu uns. Kirak Rotstahl Cavis!«

»Nein«, erwiderte Bretan. »Er schreibt wohltönende Gedichte, aber zu etwas anderem taugt er nicht.«

»Es sind noch zwei Männer aus dem Shanagate-Trutz hier«, sagte Janacek. »Ihre Namen kenne ich allerdings nicht.«

»Wir würden einen Braith vorziehen«, hielt Bretan dagegen. »Ein Braith kennt alle Regeln und hält den Kodex in Ehren.« Janacek sah zu Vikary hinüber, der zuckte nur mit den Schultern. »Einverstanden«, sagte Janacek, wieder an Bretan gewandt. »Dann eben ein Braith: Pyr Braith Oryan.« »Nicht Pyr Braith«, sagte Bretan.

»Ihr seid nicht leicht zufriedenzustellen«, meinte Janacek trocken. »Er ist einer Eurer kethi.«

»Ich hatte Meinungsverschiedenheiten mit Pyr Braith«, sagte Bretan. »Einem Hochleibeigenen stünde diese Aufgabe besser an«, mischte sich der alte Chell ein.

»Einem Mann von Rang und Weisheit. Roseph Lant Banshee Hoch-Braith Kelcek.« »Einverstanden«, meinte Janacek achselzuckend. »Ich werde ihn darum bitten«, sagte Chell. Die anderen nickten. »Dann bis morgen«, sagte Janacek. »Es ist alles getan«, verkündete Chell.

Und während sich Dirk verloren und fehl am Platze vorkam, nahmen die vier Kavalaren voneinander Abschied, und Dirk sah, wie etwas Seltsames geschah.

Bevor sie auseinandergingen, küßte jeder seine beiden Feinde flüchtig auf die Lippen.

Und Bretan Braith Lantry, vernarbt und einäugig, der Mann, dem die halbe Lippe fehlte — Bretan Braith Lantry küßte Dirk.


Als die Braiths gegangen waren, begaben sich die anderen nach unten. Vikary öffnete die Tür zu seinem Appartement und schaltete das Licht an. Schweigend begann er damit, ein Feuer im Kamin vorzubereiten. Aus einem in der Wand verborgenen Kämmerchen nahm er Äste aus schwarzem, knorrigem Holz, die er in der Feuerstelle aufschichtete. Dirk saß mit finsterem Blick auf dem einen Ende der Couch. Am anderen Ende saß mit vagem Lächeln Garse und strich sich abwesend mit den Fingern durch seinen orangeroten Bart. Niemand sprach. Knisternd und prasselnd erwachte das Feuer zum Leben. Orange- und blaubespitzte Flammenzungen umleckten die Äste, und Dirk fühlte die plötzliche Hitze an den Händen und im Gesicht. Ein Geruch wie Zimt erfüllte den Raum. Vikary erhob sich und ging.

Mit drei Weinbrandschwenkern, schwarz wie Obsidian, kehrte er zurück. Unter den Arm hatte er eine Flasche geklemmt. Er gab ein Glas an Dirk, eines an Garse, stellte das dritte auf dem Tisch ab und entkorkte die Flasche mit den Zähnen. Der Wein war von tiefroter Farbe und roch scharf. Vikary füllte alle drei Gläser bis zum Rand, und Dirk hob seines unter die Nase. Die Dünste brannten geradezu, aber er fand sie seltsamerweise angenehm.

»Jetzt«, sprach Vikary, bevor noch einer den Wein probieren konnte. Er hatte die Flasche abgestellt und hob sein eigenes Glas. »Jetzt werde ich euch beide um etwas Schwieriges bitten. Ich verlange von jedem von euch, daß er einige Zeit aus sich herausgeht, seine nichtige, kleine Kultur vergißt und zu etwas wird, das er noch nie zuvor war, zu etwas ihm selbst Fremdartigem. Garse, ich bitte dich — zum Wohl von uns allen —, Dirks Freund zu sein. Altkavalar kennt dafür kein Wort, ich weiß. Auf Hoch Kavalaan ist das nicht nötig. Dort hat ein Mann seinen Festhalt, seine kethi und vor allem seinen teyn.

Aber wir befinden uns alle auf Worlorn, und morgen duellieren wir uns. Wir mögen nicht in einem Duell zusammenstehen, dennoch haben wir gemeinsame Feinde. Deshalb bitte ich dich als meinen teyn, die Namen und Namensbünde der Freundschaft mit t’Larien auszutauschen.«

»Du verlangst viel von mir«, erwiderte Janacek, seinen Wein vor sich haltend. Er beobachtete, wie die Flammen im schwarzen Glas tanzten. »T’Larien hat uns nachspioniert, hat meine cro-betheyn und deinen Namen zu stehlen versucht, und nun hat er uns in den Streit mit Bretan Braith verwickelt. Nach allem, was er uns antat, bin ich geneigt, selbst Genugtuung von ihm zu fordern.

Statt dessen bittest du, mein teyn, mich darum, den Freundschaftsbund mit ihm zu flechten.« Janacek blickte auf Dirk, dann kostete er den Wein. »Du bist mein teyn«, sagte er. »Ich komme deinen Wünschen nach. Welche Bedingungen muß ich für den Namensbund der Freundschaft erfüllen?« »Behandle einen Freund, wie du einen keth behandeln würdest«, sprach Vikary. Er wandte sich halb um und musterte Dirk. »Und Sie, t’Larien, Sie haben uns großen Ärger bereitet, aber ich weiß nicht, wie groß Ihre Schuld dabei ist — falls Sie überhaupt Schuld daran tragen. Auch Sie möchte ich um etwas bitten. Seien Sie für eine gewisse Zeit Garse Eisenjade Janaceks Festhaltbruder.«

Dirk kam nicht mehr zum Antworten, denn Janacek fuhr dazwischen. »Das kannst du nicht machen! Wer ist dieser t’Larien? Wie kannst du ihn für würdig erachten, der Eisenjade beitreten zu dürfen? Er wird falsches Spiel treiben, Jaan. Er wird die Bünde nicht halten, den Festhalt nicht verteidigen und nicht mit uns zur Versammlung zurückkehren. Ich protestiere dagegen.«

»Falls er einverstanden ist, wird er die Bünde eine Zeitlang einhalten, denke ich«, sagte Vikary.

»Eine Zeitlang? Kethi sind auf ewig gebunden!« »Dann wird er eben etwas Neues sein, eine neue Art keth, ein Freund auf Zeit.«

»Das ist mehr als neu«, entrüstete sich Janacek. »Ich werde es nicht zulassen.«

»Garse«, sagte Jaan Vikary, »Dirk t’Larien ist jetzt dein Freund. Oder vergißt du so schnell? Du tust nicht recht daran, meinen Vorschlag zu blockieren. Du brichst den Bund, den du gerade eingegangen bist. So benimmt man sich nicht einem keth gegenüber.« »Einen keth würdest du nicht einladen, ein keth zu werden«, grummelte Janacek. »Er ist schon einer. Deshalb ergibt die ganze Angelegenheit auch keinen Sinn. Der Hochleibeigenenrat würde dich zurechtweisen, Jaan. Du begehst ganz eindeutig einen Fehler.«

»Der Hochleibeigenenrat sitzt auf Hoch Kavalaan — und hier sind wir auf Worlorn«, sagte Vikary. »Nur du sprichst hier für Eisenjade. Willst du deinen Freund kränken?« Janacek antwortete nicht.

Vikary wandte sich wieder an Dirk. »Nun, t’Larien?«

»Ich weiß nicht«, sagte Dirk. »Ich glaube, ich weiß, was es heißt, ein Festhaltbruder zu sein, und ich fühle mich wirklich geehrt. Aber es steht eine Menge zwischen uns, Jaan.«

»Sie meinen Gwen«, sagte Vikary. »Sie steht tatsächlich zwischen uns. Dirk, ich frage Sie dennoch, ob Sie ein Festhaltbruder besonderer Art werden wollen.

Nur so lange, wie Sie sich auf Worlorn aufhalten, und nur in Bezug auf Garse. Ihr Verhältnis zu mir oder irgendeinem anderen Eisenjade bleibt davon unberührt.

Verstehen Sie?« »Ja, das macht es leichter.« Er warf Janacek einen Seitenblick zu. »Obwohl ich gerade mit Garse die größten Probleme habe. Er war es, der mich zu seinem Eigentum machen wollte und vor wenigen Minuten keinen Finger rührte, um mich aus dem Duell herauszuhalten.« »Ich habe nichts Unwahres gesagt«, protestierte Janacek, aber Vikary brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Darüber kann ich noch hinwegsehen, denke ich«, sagte Dirk. »Nicht aber über die Sache mit Gwen.«

»Diese Angelegenheit wird allein zwischen Ihnen, Gwen Delvano und mir gelöst werden«, sagte Vikary ruhig. »Wenn Garse auch so tun mag — er hat hierbei nichts zu melden.«

»Sie ist meine cro-betheyn«, beschwerte sich Garse.

»Ich habe ein Recht darauf zu sprechen und zu handeln.

Ich bin sogar dazu verpflichtet.« »Ich spreche von gestern Nacht«, sagte Dirk. »Ich stand vor der Tür. Ich hörte alles. Janacek schlug Gwen! Und seither haben Sie beide ein Zusammentreffen zwischen ihr und mir verhindert.« Vikary lächelte. »Er schlug sie?« Dirk nickte. »Ich habe alles genau gehört.«

»Sie hörten ein Streitgespräch und einen Schlag, daran hege ich keinen Zweifel«, sagte Vikary. Er rieb sich den geschwollenen Unterkiefer. »Und was denken Sie, woher das stammt?«

Dirk starrte auf den anderen und fühlte sich plötzlich sehr unwohl. »Ich … ich dachte … ich habe keine Ahnung. Die Puddingkinder …» »Garse schlug mich, nicht Gwen.«

»Ich würde es auch jederzeit wieder tun«, fügte Garse mürrisch hinzu. »Aber …« stammelte Dirk, »aber was war dann eigentlich los? Gestern nacht … und heute morgen?«

Janacek erhob sich und ging zum anderen Ende der Couch hinüber. Dann beugte er sich über Dirk. »Freund Dirk«, begann er in leicht giftigem Tonfall, »ich habe Ihnen heute morgen die Wahrheit erzählt. Gwen fuhr mit Arkin Ruark zur Arbeit hinaus. Der Kimdissi wollte sie gestern schon den ganzen Tag sprechen. Er war überaus erregt. Eine Unzahl von Panzerkäfern, so erzählte er mir immer wieder, hätten ihre Wanderung begonnen, was ohne Zweifel auf das immer unfreundlicher werdende Klima zurückzuführen sei. Ein Ereignis dieser Art ist selbst auf Eshellin sehr selten zu beobachten — auf Worlorn muß man es als einzigartig und unwiederbringlich bezeichnen. Kein Wunder also, daß Ruark Gwen unbedingt dazu bringen wollte, den Zug der Käfer zu beobachten. Verstehen Sie jetzt alles, mein Freund t’Larien?« »Hm«, machte Dirk. »Davon hätte sie mir doch bestimmt erzählt.« Janacek verzog sein hohlwangiges, scharfgeschnittenes Gesicht zu einer Fratze und ging zu seinem Sitzplatz zurück. »Mein Freund nennt mich einen Lügner«, knurrte er.

»Garse sagt die Wahrheit«, schaltete sich Vikary ein.

»Gwen erwähnte, sie würde Ihnen eine Nachricht hinterlassen, einen Zettel oder ein Band. Vielleicht hat sie es in der Aufregung der Vorbereitungen vergessen. So etwas kommt vor. Sie geht ganz in ihrer Arbeit auf, Dirk.

Sie ist eine gute Ökologin.«

Dirk musterte Garse Janacek. »Augenblick mal«, sagte er. »Heute morgen haben Sie zugegeben, daß Sie es darauf anlegen, Gwen von mir fernzuhalten.«

Jetzt sah Vikary verblüfft drein. »Garse?«


»Es stimmt«, meinte Janacek widerwillig. »Er kam herauf und ließ sich nicht abwimmeln. Mit einer durchsichtigen Lüge verschaffte er sich Zutritt zu unseren Räumen. Mehr noch, er ließ sich nicht davon abbringen, daß Gwen von den heimtückischen Eisenjades gefangen gehalten werde. Ich bezweifle, daß er sich mit etwas anderem zufriedengegeben hätte.« Bedächtig trank er von seinem Wein. »Das war nicht sehr klug, Garse«, sagte Vikary. »Unwahrheit empfangen, Unwahrheit gegeben«, sagte Janacek selbstgefällig.

»Du gibst keinen guten Freund ab.« »Fortan werde ich mich bessern«, sagte Janacek. »Das freut mich«, meinte Vikary. »Nun, t’Larien, wollen Sie Garses keth sein?«

Dirk dachte eine Weile darüber nach. »Ich glaube schon«, sagte er schließlich.

»Trinken wir darauf«, sagte Vikary. Gleichzeitig hoben die drei Männer ihre Gläser — Janaceks war schon halb geleert — und der Wein floß heiß und ein wenig bitter über Dirks Zunge. Es war nicht der beste Wein, den er je getrunken hatte, aber er war gut genug.

Nachdem Janacek sein Glas bis zur Neige geleert hatte, stand er auf. »Wir müssen uns über die Duelle unterhalten.«

»Ja«, sagte Vikary. »Heute war ein bitterer Tag. Keiner von euch beiden hat sich besonders klug verhalten.«

Janacek lehnte sich unterhalb eines scheel blickenden Wasserspeiers gegen den Kaminmantel. »Du, Jaan, bist davon auch nicht ausgenommen. Verstehe mich richtig, ich fürchte ein Duell mit Bretan Braith und Chell Leere-Hände nicht — aber es gab für uns keinen echten Grund dafür. Du hast es absichtlich provoziert. Nach deinen Worten mußte der Braith die Forderung aussprechen, um zu vermeiden, daß selbst sein eigener teyn ihn angespuckt hätte.«

»Es lief nicht so, wie ich erhofft hatte«, wandte Vikary ein. »Ich dachte, Bretans Furcht vor uns wäre so groß, daß er von einem Duell mit t’Larien absehen würde.«

»Nein«, bemerkte Janacek, »das hätte ich dir vorher sagen können. Du hast ihn zu weit gedrängt und dich gefährlich nahe an die Grenze zum Duellbruch herangewagt.«

»Was ich getan habe, verstößt nicht gegen den Kodex.«

»Mag sein. Und doch hatte Bretan recht. Für ihn wäre es eine große Schande gewesen, aus Furcht vor dir über t’Lariens Fehlschritt hinwegzusehen.«

»Nein«, sagte Vikary. »In diesem Punkt hast du und unser ganzes Volk unrecht. Es sollte keine Schande sein, ein Duell zu vermeiden. Falls wir unser Schicksal erfüllen wollen, müssen wir das lernen. Dennoch hast du in gewissem Sinne recht. Wenn man seine Person und seine Einstellung berücksichtigt, dann konnte er tatsächlich keine andere Antwort geben. Ich habe ihn falsch eingeschätzt.«

»Eine schwerwiegende Fehleinschätzung«, sagte Janacek. Ein Grinsen spaltete seinen roten Bart. »Es wäre klüger gewesen, es bei dem Duell mit t’Larien zu belassen. Gab ich nicht acht darauf, daß sie es mit Klingen ausfechten sollten? Wegen einer derart läppischen Beleidigung hätte der Braith ihn nicht erschlagen. Einen Mann wie Dirk zu töten, pah, damit kann man sich nicht brüsten. Ein Schlag hätte ihm genügt, davon bin ich überzeugt. So ein kleiner Schnitt wäre t’Larien nicht gefährlich geworden und obendrein eine gute Lehre dafür gewesen, wie man Fehler vermeidet. Und die Narbe hätte seinem Gesicht mehr Charakter verliehen.« Er sah Dirk an. »Jetzt wird Bretan Braith Sie natürlich töten.«

Er grinste immer noch, als er mit lässigem Tonfall seine letzte Äußerung von sich gab. Dirk hatte Mühe, sich nicht am Wein zu verschlucken. »Was?« Janacek zuckte die Achseln. »Als Erstgeforderter müssen Sie sich zuerst duellieren. Deshalb können Sie nicht darauf hoffen, daß Jaan und ich die beiden vor Ihrem Duell außer Gefecht setzen. Bretan Braith Lantry ist für seine Duellfertigkeiten ebenso bekannt wie für sein blendendes Aussehen. Er ist berüchtigt, um genau zu sein. Ich nehme an, er ist hier, um mit Chell Spottmenschen zu jagen, aber er ist kein echter Jäger. Nach allem, was ich über ihn gehört habe, fühlt er sich im Todesquadrat wohler als in der Wildnis. Selbst seine eigenen kethi kommen nur schwer mit ihm aus. Er ist nicht nur häßlich, sondern nahm auch noch Chell fre-Braith zum teyn. Chell war einst ein Hochleibeigener von großer Macht und untadeligem Ansehen. Er überlebte seine betheyn und seinen ursprünglichen teyn.

Heute ist er ein abergläubischer Tattergreis mit kleinem Verstand und großem Reichtum. In den Festhalten munkelt man, daß dieser Reichtum der Grund dafür ist, daß Bretan Braith Chells Eisen-und-Feuer trägt. Offen sagt das Bretan natürlich keiner. Er soll sehr empfindlich sein. Jetzt hat ihn Jaan auch noch verärgert, und vielleicht hat er ein wenig Angst. Mit Ihnen wird er keine Gnade haben. Ich hoffe, Sie treffen ihn wenigstens ein bißchen, bevor Sie sterben. Das würde unser nachfolgendes Duell leichter machen.« Dirk erinnerte sich an die Zuversicht, die ihn auf dem Dach erfüllt hatte. Er war sich ziemlich sicher gewesen, daß keiner der Braiths eine wirkliche Gefahr darstellte. Er verstand sie und hatte sogar Mitleid mit ihnen gehabt. Nun begann er, sich selbst zu bemitleiden.


»Hat er recht?« fragte er Vikary.

»Garse meint es nicht ernst, er übertreibt«, sagte Vikary, »dennoch sind Sie in Gefahr. Kein Zweifel, Bretan wird Sie zu töten versuchen, falls Sie es dazu kommen lassen. Das braucht nicht zu geschehen. Die Kampfund Waffenregeln sind recht einfach. Der Schiedsrichter wird ein Kreidequadrat auf die Straße zeichnen, fünf mal fünf Meter. Sie und ihr Feind werden in entgegengesetzten Ecken stehen. Auf ein Wort vom Schiedsrichter werden Sie beide mit dem Schwert in der Hand auf die Mitte zugehen. Wenn Sie aufeinandertreffen, beginnt der Kampf. Um den Erfordernissen der Ehre gerecht zu werden, müssen Sie zunächst einen Schlag entgegennehmen und dürfen dann erst selbst zuschlagen. Ich würde Ihnen raten, auf seine Füße oder Beine zu zielen, denn das deutet an, daß Sie kein Todesduell wünschen. Dann, nachdem Sie den ersten Schlag empfangen haben — wenn möglich, versuchen Sie ihn mit dem Schwert abzufangen —, können Sie zum Rand des Quadrates gehen. Gehen Sie dabei nicht zu schnell! Laufen ist unehrenhaft, und der Schiedsrichter könnte das Duell zu einem Todessieg für Bretan entscheiden, und dann würden die Braiths Sie töten. Sie müssen schreiten, ganz gelassen und ruhig.

Wenn Sie erst einmal die Linie überschritten haben, sind Sie in Sicherheit.«

»Um aber diese Sicherheit zu erlangen, müssen Sie die Begrenzungslinie auch tatsächlich erreichen«, sagte Janacek. »Bretan wird Sie vorher töten!«

»Wenn ich einen Schlag anbringe und einen entgegennehme — dann kann ich mein Schwert fallen lassen und weggehen?« fragte Dirk. »In diesem Falle wird Bretan Sie mit einem erstaunten Ausdruck im Gesicht — oder dem, was davon übriggeblieben ist — töten«, sagte Janacek.

»Ihr Schwert sollten Sie schon behalten«, warnte ihn Vikary. »Jaans Vorschläge sind närrisch«, sagte Janacek.

Langsam ging er zur Couch zurück, rückte sein Glas zurecht und schenkte sich Wein ein. »Sie sollten nicht nur Ihr Schwert behalten, sondern auch gegen ihn kämpfen. Der Mann ist auf einem Auge blind, bedenken Sie das! Bestimmt ist er auf dieser Seite nicht so stark! Und sehen Sie sich nur an, wie linkisch er nickt oder den Kopf dreht.«

Dirks Glas war leer. Er hielt es Janacek hin, der Wein nachfüllte. »Wie duellieren Sie sich mit ihnen?« fragte Dirk.

»Unsere Kampf- und Waffenregeln unterscheiden sich von den eben genannten«, sagte Vikary. »Wir vier müssen uns mit Duell-Lasern oder anderen Handfeuerwaffen in die Ecken des Todesquadrates stellen. Bewegen dürfen wir uns überhaupt nicht, es sei denn nach hinten, aus dem Quadrat heraus, in Sicherheit.

Und auch das darf erst stattfinden, wenn jeder Mann innerhalb des Quadrates einen Schuß abgegeben hat. Danach haben wir die Wahl. Wer sich noch im Quadrat aufhält, darf weiterfeuern, falls er noch stehen kann. Der Modus kann harmlos sein, aber auch tödlich — das kommt ganz auf die Teilnehmer an.« »Morgen«, versprach Janacek, »wird er tödlich sein.« Er setzte das Glas wieder an die Lippen.

»Ich wünschte, es wäre anders«, sagte Vikary mit reuevollem Kopfschütteln, »aber ich fürchte, du sprichst die Wahrheit. Die Braiths sind viel zu wütend auf uns, als daß sie bereit wären, absichtlich in die Luft zu feuern.«

»In der Tat«, bemerkte Janacek mit schwachem Lächeln. »Die Beleidigung hat sie tief getroffen. Chell Leere-Hände wird auf keinen Fall vergeben.«

»Können Sie die beiden nicht verwunden?« fragte Dirk. »Sie entwaffnen?« Die Wörter kamen ihm zwar leicht über die Lippen, aber ihm kam es seltsam vor, sich dies sagen zu hören. Eine Situation wie diese hatte er noch nie erlebt — dennoch stellte er fest, daß er sie akzeptierte und sich seltsamerweise auf die beiden Kavalaren, ihren Wein und ihr seelenruhiges Gespräch über Tod und Verstümmelung einstellte. Möglicherweise bedeutete es ihm doch etwas, für diese Männer kethi zu sein, vielleicht schwand deshalb sein Unbehagen.

Irgendwie fühlte sich Dirk seither freier und nicht mehr so fremd.

Vikary sah sorgenvoll aus. »Sie verwunden? Das wünschte ich auch, aber es geht nicht. Noch fürchten uns die Jäger. Aufgrund dieser Angst verschonen sie die korariel von Eisenjade. Wir retten Leben. Wenn wir es morgen mit den Braiths zu leicht angehen lassen, wird das nicht mehr möglich sein. Die anderen würden munter drauflosjagen, in dem Bewußtsein, nur eine kleine Wunde zu riskieren. Nein, so traurig es ist - wir müssen versuchen, Chell und Bretan zu töten.« »Wir werden sie töten«, sagte Janacek zuversichtlich. »Und, Freund t’Larien, es zeugt weder von Klugheit noch ist es einfach, einen Feind im Duell zu verwunden. Und sie entwaffnen?

Wollen Sie uns auf den Arm nehmen? Das ist praktisch unmöglich. Wir kämpfen mit Duell-Lasern, Freund, und nicht mit Kriegswaffen. Diese Laser feuern einen Energiestoß, der eine halbe Sekunde dauert. Danach benötigen sie fünfzehn Sekunden, um sich wieder aufzuladen. Sehen Sie jetzt ein, daß uns keine Wahl bleibt? Ein Mann, der übereilt schießt oder es sich unnötigerweise schwermacht, ein Mann, der mit seinem Schuß nur entwaffnen will — er lebt nicht lange. Selbst auf fünf Meter kann man danebenschießen, und der tödliche Schuß des Feindes kommt, bevor der eigene Laser zu einem zweiten Schuß bereit ist.« »Es ist also nicht möglich?« fragte Dirk.

»Viele Männer werden im Duell nur verwundet«, erzählte ihm Vikary. »Weit mehr als getötet werden.

Aber in den meisten Fällen war ein Todesschuß beabsichtigt. Manchmal, wenn ein Mann in die Luft feuert und sein Gegner ihn bestrafen will, bleiben schreckliche Narben zurück. Aber das kommt seltener vor.«

»Chell könnten wir verwunden«, sagte Janacek. »Er ist alt und langsam. Er wird die Waffe nicht schnell genug in der Hand haben. Bei Bretan Braith liegt der Fall anders.

Man sagt, er habe schon ein halbes Dutzend Männer im Duell getötet.«

»Ich kümmere mich um ihn«, sagte Vikary. »Achte du darauf, daß Chells Laser nicht zum Einsatz kommt, Garse. Das wird genügen.« »Vielleicht.« Janacek wandte Dirk zu. »Wenn Sie Bretan nur ein bißchen erwischen könnten, t’Larien, am Arm, an der Hand oder an der Schulter. Ihm eine schmerzhafte Wunde beibringen könnten, die seine Reaktionen verlangsamt. Das wäre ein Vorteil für uns.« Er grinste. Dirk ertappte sich dabei, wie er zurücklächelte. »Ich kann es versuchen«, sagte er, »aber eines muß klar sein — ich weiß verdammt wenig über Duelle und noch weniger über Schwerter. Am Leben zu bleiben ist für mich das wichtigste.«

»Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über Unmögliches«, sagte Janacek, immer noch grinsend. »Fügen Sie ihm lieber so großen Schaden wie möglich zu.«


Die Tür wurde geöffnet. Dirk fuhr herum, Vikary sah auf, und Janacek verstummte. Mit schmutzigem Gesicht und staubiger Kleidung stand Gwen Delvano im Türrahmen. Unsicher sah sie von einem Gesicht zum anderen und trat dann langsam ins Zimmer. An einem Riemen über de.r Schulter hing ein Sensorenkoffer.

Hinter ihr folgte Arkin Ruark mit zwei schweren Instrumententaschen unter den Armen. Er schwitzte, und sein Atem ging stoßweise. In dunkelgrüner Hose, Jacke und Kapuze sah er weniger geckenhaft aus als gewöhnlich.

Vorsichtig ließ Gwen den Sensorenkoffer zu Boden gleiten, hielt ihn aber weiterhin am Schulterriemen fest.

»Schaden?« fragte sie. »Was soll das? Wer soll wem Schaden zufügen?« »Gwen …«, begann Dirk.

»Nichts da«, fuhr Janacek dazwischen. Er hatte eine förmliche Haltung angenommen. »Erst muß der Kimdissi hinaus.«

Ruark sah sich verdutzt um. Er schlug die Kapuze zurück und begann sich die Stirn unter den weißblonden Haaren zu reiben. »Völliger Unsinn, Garsey«, sagte er.

»Was gibt es nun schon wieder für ein Kavala-rengeheimnis, he? Einen Krieg, eine Jagd, ein Duell, ein bißchen Gewalt, ja? Ich lege auf solche Dinge keinen Wert, o nein, ich nicht. Ich überlasse Ihnen Ihre Privatsphäre.« Er ging auf die Tür zu. »Ruark«, rief Vikary, »warten Sie.« Der Kimdissi hielt inne.

Vikary ging auf seinen teyn zu. »Er muß es wissen.

Falls wir unterliegen …«

»Wir werden nicht unterliegen!«

»Sie haben gedroht, ihn und die anderen zu jagen, falls wir unterliegen, Garse. Den Kimdissi geht es sehr wohl etwas an. Er muß es wissen.« »Du weißt, was geschehen wird. Auf Tober, auf Wolfheim, auf Eshellin, überall am Rand. Er und seine Konsorten werden Lügen verbreiten, und alle Kavalaren werden Braiths sein. So handeln die Manipulatoren, die Spottmenschen.« Janaceks Stimme ließ den schwarzen Humor vermissen, mit dem er Dirk bedacht hatte. Jetzt war er todernst. »Sein Leben steht auf dem Spiel — und das von Gwen ebenfalls«, sagte Vikary.

»Sie müssen es wissen.« »Alles?«

»Die Scharade hat ein Ende«, sagte Vikary. Ruark und Gwen sprachen gleichzeitig. »Jaan, was …«, begann sie.

»Scharade, Leben, Jagd — was soll das Ganze? Ich höre!« Jaan Vikary wandte sich um und erzählte es ihnen.

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