3 Der fahrende Händler

Zusammengebunden aufgehängte Töpfe klapperten, als der Wagen des fahrenden Händlers über die schweren Balken der Wagenbrücke rumpelte. Er wurde immer noch von einer großen Schar Dorfbewohner und Bauern umgeben, die zum Fest gekommen waren. Der Händler brachte seine Pferde vor der Schenke zum Stehen.

Aus jeder Richtung strömte weiteres Volk herbei und vergrößerte die Zahl derer, die den Wagen umstanden. Dessen Räder waren höher als die Menschen, die den Händler auf dem Bock des Wagens über ihnen nicht aus den Augen ließen.

Der Mann auf dem Wagen war Padan Fain, ein blasser dünner Bursche mit langen dünnen Armen und einer großmächtigen Adlernase. Fain, der immer lächelte oder lachte, als wisse er einen Witz, den keiner sonst kannte, war mit seinem Wagen und diesem Gespann jeden Frühling in Emondsfeld eingezogen, solange sich Rand zurückerinnern konnte. Gerade als das Gespann mit rasselndem Geschirr zum Stehen kam, flog die Tür der Schenke auf, und der Gemeinderat erschien, von Meister al'Vere und Tam angeführt. Sie alle marschierten zielbewußt heraus, selbst Cenn Buie. Um sie herum riefen die anderen aufgeregt nach Nadeln und Spitzen und Büchern und tausend anderen Dingen, die sie brauchten oder zu brauchen glaubten. Zögernd machte die Menge Platz für den Gemeinderat. Als er vorn angelangt war, schlossen sich dahinter die Reihen wieder dicht, und das Geschrei nach den Diensten des Händlers schwoll an. Vor allem verlangten die Dorfbewohner nach Neuigkeiten von draußen.

In den Augen der Dorfbewohner machten Nadeln und Tee und dergleichen nicht mehr als die Hälfte dessen aus, was der Händler in seinem Wagen mitführte. Genauso wichtig waren die Neuigkeiten von draußen, Neuigkeiten aus der Welt jenseits der Zwei Flüsse. Einige Händler erzählten einfach, was sie wußten, warfen es den Dorfbewohnern hin wie einen Haufen Abfall, von dem sie nicht belästigt werden wollten. Anderen mußte man jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Sie redeten widerwillig und ungeschickt. Fain dagegen sprach frei, wenn er die Dorfbewohner auch öfter neckte, und dehnte das Ganze aus, machte es zu einer Vorstellung wie einen Gauklerauftritt. Er genoß es, im Mittelpunkt zu stehen, herumzustolzieren wie ein zu klein geratener Hahn, wenn alle Augen auf ihm ruhten. Rand fragte sich, ob es Fain überhaupt passen mochte, daß er nun einen richtigen Gaukler in Emondsfeld vorfand.

Der Händler schenkte dem Gemeinderat und den Dorfbewohnern genau die gleiche Beachtung, während er umständlich die Zügel zusammenband — nämlich gar keine Beachtung. Er nickte so nebenher, aber das galt niemand Bestimmtem. Er lächelte stumm und winkte abwesend einigen Leuten zu, mit denen er befreundet war, obwohl er trotz aller Freundschaft immer einen gewissen Abstand hielt. Man klopfte sich gegenseitig auf die Schulter, ohne sich dabei näherzukommen. Die Aufforderungen, endlich zu erzählen, wurden lauter, doch Fain wartete und beschäftigte sich mit irgendwelchen Kleinigkeiten oben auf dem Bock, damit die Menschenmenge und die Erwartungen so groß wurden, wie er das wollte. Nur der Gemeinderat blieb stumm. Die Herren zeigten jene Würde, die man von ihrer Stellung erwartete, aber den anschwellenden Wolken von Pfeifenrauch über ihren Köpfen war anzumerken, wie schwer es ihnen fiel.

Rand und Mat schoben sich in die Menge, um dem Wagen so nahe wie möglich zu kommen. Rand hätte ja auf halbem Weg Halt gemacht, doch Mat wand sich durch das Gedränge und zog Rand hinter sich her, bis sie genau hinter dem Gemeinderat standen. »Ich hatte schon geglaubt, du wolltest das Fest auf dem Hof verbringen!«, rief Perrin Aybara Rand über den Lärm hinweg zu. Er war einen halben Kopf kleiner als Rand, aber der lockenköpfige Schmiedlehrling war so stämmig, daß er wie eineinhalb Männer wirkte. Seine Arme und Schultern waren so stark, daß sie schon denen von Meister Luhhan selbst gleichkamen. Er hätte sich mit Leichtigkeit durch die Menge drängen können, aber das war nicht seine Art. Er schob sich rücksichtsvoll hindurch und entschuldigte sich bei Leuten, die sowieso ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Händler konzentriert hatten und ihn kaum bemerkten. Trotzdem entschuldigte er sich und bemühte sich, niemanden anzustoßen, als er sich auf Rand und Mat zubewegte. »Stellt Euch vor«, sagte er, als er sie schließlich erreicht hatte, »Bel Tine und ein Händler, beides gleichzeitig. Ich wette, es gibt wirklich ein Feuerwerk.«

»Du kennst nicht mal ein Viertel von den Neuigkeiten, die hier alle geschehen.« Mat lachte.

Perrin beäugte ihn mißtrauisch und blickte Rand dann fragend an.

»Es stimmt!« rief Rand. Dann zeigte er auf die weiter anwachsende Menschenmenge, die durcheinanderschrie. »Später. Ich erkläre es dir später. Später habe ich gesagt!«

In diesem Augenblick stellte sich Padan Fain auf den Fahrersitz, und es wurde sofort leise in der Menge. Rands letzte Worte explodierten förmlich in die plötzliche Stille hinein. Der Händler hatte gerade mit einer dramatischen Geste den Arm erhoben und den Mund geöffnet. Alles drehte sich um und starrte Rand an. Der kleine knochige Mann auf dem Wagen, der erwartet hatte, daß jeder gespannt seinen ersten Worten lauschen werde, sah Rand scharf und durchdringend an.

Rand errötete und wünschte sich, er wäre so klein wie Ewin, damit er sich nicht so von der Menge abhob. Auch seine Freunde traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Es war erst im letzten Jahr geschehen, daß Fain endlich von ihnen Notiz genommen und sie als Männer anerkannt hatte. Fain hatte normalerweise nicht viel Zeit für junge Leute, die kaum Waren aus seinem Wagen kaufen konnten. Rand hoffte, daß er in den Augen des Händlers nun nicht wieder als Kind eingestuft wurde.

Mit einem lauten Räuspern zupfte Fain an seinem schweren Mantel. »Nein, nicht später«, deklamierte er und warf eine Hand in grandioser Geste nach oben. »Ich werde euch jetzt berichten.« Beim Sprechen gestikulierte er breit und warf seine Worte über die Menge hinweg. »Ihr glaubt, ihr habt Schwierigkeiten gehabt hier im Gebiet der Zwei Flüsse, nicht wahr? Nun, die ganze Welt hat Probleme, von der Großen Fäule nach Süden bis zum Meer der Stürme, vom Aryth-Meer im Westen bis zur Aiel-Wüste im Osten. Und sogar darüber hinaus. Der Winter war härter, als man ihn je erlebt hat, kalt genug, um euch das Blut gefrieren zu lassen und euch die Knochen zu brechen? Ahhh! Der Winter war überall hart und kalt. In den Grenzlanden würden sie euren Winter einen Frühling nennen. Doch der Frühling kommt nicht, sagt ihr? Wölfe haben eure Schafe gerissen? Vielleicht haben die Wölfe auch Menschen angegriffen? Ist es so? Tja, nun, der Frühling ist überall zu spät dran. Überall gibt es Wölfe, die nach jedem Stück Fleisch gieren, in das sie ihre Zähne schlagen können, seien es Schafe oder Kühe oder Menschen. Aber es gibt Schlimmeres als Wölfe oder den Winter. Es gibt Leute, die wären froh, wenn sie nur eure kleinen Sorgen hätten.« Er unterbrach seinen Redeschwall erwartungsvoll.

»Was könnte denn schlimmer sein als Wölfe, die Schafe und Menschen töten?« wollte Cenn Buie wissen. Andere murmelten beifällig.

»Menschen, die Menschen töten.« Die Antwort des Händlers, in bedeutungsvollem Tonfall gesprochen, wurde von der Menge mit erschrockenem Gemurmel quittiert, das noch zunahm, als er weitersprach. »Ich meine damit Krieg. In Ghealdan herrscht Krieg, Krieg und Wahnsinn. Der Schnee im Wald von Dhallin ist rot vom Blut getöteter Männer. Die Luft ist erfüllt von Raben und ihrem Geschrei. Heere marschieren nach Ghealdan. Völker, mächtige Königshäuser und große Männer schicken ihre Soldaten in den Kampf.«

»Krieg?« Meister al'Veres Mund formte das ungewohnte Wort nur ungeschickt. Niemand im Gebiet der Zwei Flüsse hatte je mit einem Krieg zu tun gehabt. »Warum herrscht dort Krieg?«

Fain grinste, und Rand hatte das Gefühl, daß er sich über die Abgeschiedenheit der Dorfbewohner und ihre Unwissenheit lustig machte. Der Händler beugte sich vor, als teile er dem Bürgermeister ein Geheimnis mit, doch sein Flüstern sollte weithin hörbar sein und war es auch. »Die Flagge des Drachen wurde gehißt, und Männer strömen herbei, um sie zu bekämpfen. Und zu unterstützen.«

Alle schnappten gleichzeitig entsetzt nach Luft, und Rand erschauerte gegen seinen Willen.

»Der Drache!« stöhnte jemand. »Der Dunkle König ist in Ghealdan!«

»Nicht der Dunkle König«, grollte Haral Luhhan. »Der Drache ist nicht der Dunkle König. Und es ist außerdem ein falscher Drache.«

»Laß uns anhören, was Meister Fain noch zu sagen hat«, sagte der Bürgermeister, aber niemand ließ sich so einfach beruhigen. Von allen Seiten riefen die Leute. Männer und Frauen überschrien sich gegenseitig.

»Genauso schlimm wie der Dunkle König!«

»Der Drache hat die Welt zerstört, oder nicht?«

»Er hat damit angefangen! Er hat die Zeit des Wahns verursacht!«

»Ihr kennt die Prophezeiung! Wenn der Drache wiedergeboren wird, werden euch eure schlimmsten Alpträume wie die schönsten Träume vorkommen!«

»Er ist bloß wieder ein falscher Drache. Das kann nicht anders sein!«

»Was macht das schon für einen Unterschied? Erinnert euch an den letzten falschen Drachen. Auch er begann einen Krieg. Tausende starben damals, oder nicht, Fain? Er belagerte Illian.«

»Das sind böse Zeiten! Zwanzig Jahre lang hat niemand behauptet, der Wiedergeborene Drache zu sein, und nun gleich drei innerhalb der letzten fünf Jahre. Böse Zeiten! Denkt nur an das Wetter!«

Rand tauschte Blicke mit Mat und Perrin. Mats Augen glänzten vor Erregung, doch Perrin machte eine sorgenvolle Miene. Rand konnte sich an jede der Geschichten erinnern, die von den Männern berichtet hatten, die sich selbst als den Wiedergeborenen Drachen bezeichneten. Auch wenn sie sich alle als falsche Drachen erwiesen hatten, indem sie starben, ohne eine der Prophezeiungen zu erfüllen, so hatten sie doch genug Unheil gestiftet. Ganze Nationen wurden vom Krieg zerrissen, Städte und Dörfer niedergebrannt. Die Toten fielen wie Blätter im Herbstwind, und Flüchtlinge verstopften die Straßen wie Schafe in einem Pferch. So hatten es die fahrenden Händler erzählt, und die Kaufleute und niemand von den Zwei Flüssen, der seine fünf Sinne beisammen hatte, zweifelte daran. Die Welt werde untergehen, sagten einige, wenn der wirkliche Drache wiedergeboren würde.

»Schluß damit!« schrie der Bürgermeister. »Seid ruhig! Laßt Euch nicht von eurer eigenen Einbildung übermannen! Laßt Meister Fain von diesem falschen Drachen erzählen!« Die Leute begannen sich zu beruhigen, doch Cenn Buie weigerte sich zu schweigen.

»Ist es wirklich ein falscher Drache?« fragte der Dachdecker mürrisch.

Meister al'Vere blinzelte überrascht und fauchte ihn an: »Sei kein alter Narr, Cenn!« Aber Cenn hatte die Menge wieder angeheizt.

»Er kann doch nicht der Wiedergeborene Drache sein! Das Licht helfe uns — er kann es doch nicht sein!«

»Du alter Narr, Buie! Du willst das Pech herausfordern, nicht wahr?«

»Nächstens nennt er noch den Dunklen König beim Namen! Du bist vom Drachen besessen, Cenn Buie! Versuchst uns alle ins Unglück zu stürzen!«

Cenn sah sich trotzig um, versuchte, die Ankläger mit einem Blick zum Schweigen zu bringen, und erhob die Stimme. »Ich habe nicht gehört, wie Fain sagte, dies sei ein falscher Drache. Habt ihr das gesagt? Gebraucht eure Augen! Wo ist die Saat, die jetzt kniehoch oder höher sein sollte? Warum ist es immer noch Winter, wenn der Frühling schon vor einem Monat eingekehrt sein sollte?« Es gab böse Zurufe, Cenn solle den Mund halten. »Ich werde nicht schweigen! Mir gefällt es auch nicht, so zu reden, aber ich stecke meinen Kopf nicht unter einen Korb, bis ein Mann aus Taren-Fähre kommt und mir den Hals abschneidet. Und ich lasse mich nicht von Fain an der Nase herumführen. Sagt es uns jetzt, Händler. Was habt Ihr gehört? Eh? Ist dieser Mann ein falscher Drache?«

Falls Fain durch die Neuigkeiten, die er gebracht, oder durch den Aufruhr, den er verursacht hatte, beunruhigt war, zeigte er es jedenfalls nicht. Er zuckte nur die Achseln und legte einen knochigen Finger an die Nase. »Was das betrifft — wer weiß schon, wann es zu Ende und vorbei ist?« Er schwieg und zeigte sein geheimnisschwangeres Lächeln, während er die Augen über die Menge schweifen ließ. Er schien ihre Reaktionen zu beobachten und fand das offensichtlich lustig. »Ich weiß«, sagte er betont lässig, »daß er die Eine Macht anwenden kann. Die anderen konnten das nicht. Doch er kann sie lenken. Der Boden öffnet sich unter den Füßen seiner Feinde, und dicke Mauern zerbrechen bei seinem Schrei. Der Blitz kommt, wenn er ihn ruft, und schlägt dort ein, wo er hinzeigt. Das habe ich gehört, und zwar von Männern, denen ich glaube.«

Gelähmtes Schweigen breitete sich aus. Rand sah seine Freunde an. Perrin schien Dinge zu sehen, die ihm nicht gefielen, aber Mat wirkte immer noch aufgeregt.

Tam, dessen Gesicht fast genauso ruhig wirkte wie sonst, zog den Bürgermeister zu sich heran, aber bevor er sprechen konnte, platzte Ewin Finngar heraus.

»Er wird wahnsinnig werden und sterben! In den Geschichten werden die Männer, die die Eine Macht lenken, immer wahnsinnig, und dann siechen sie dahin und sterben. Nur Frauen können sie benutzen. Weiß er das nicht?« Er duckte sich, um einer Kopfnuß von Meister Buie zu entgehen.

»Wir haben genug von dir gehört, Junge.« Cenn schüttelte eine knorrige Faust vor Ewins Gesicht. »Zeig den nötigen Respekt und überlaß das den Älteren. Hau ab!«

»Beherrsch dich, Cenn!« grollte Tam. »Der Junge ist bloß neugierig. Es ist nicht nötig, daß du dich wie ein Narr benimmst.«

»Benimm dich deinem Alter entsprechend«, fügte Bran hinzu. »Und denk wenigstens einmal daran, daß du ein Mitglied des Gemeinderats bist.«

Cenns runzliges Gesicht färbte sich bei jedem Wort Tams und des Bürgermeisters dunkler, bis es beinahe lila aussah. »Ihr wißt, von welcher Art Frauen er spricht. Guck mich nicht so böse an, Luhhan und auch du, Crawe. Dies ist ein anständiges Dorf mit anständigen Leuten, und es ist schon schlimm genug, wenn Fain hier ist und von falschen Drachen erzählt, die die Eine Macht benutzen, ohne daß solch ein närrischer Junge auch noch die Aes Sedai ins Spiel bringt. Es gibt Dinge, über die man nicht reden sollte, und mir ist es gleich, ob ihr diesen dummen Händler alles erzählen laßt, was er will. Es ist einfach nicht richtig und anständig.«

»Ich habe niemals etwas gesehen oder gehört oder gerochen, über das man nicht auch sprechen konnte«, sagte Tam, aber Fain gab nun keine Ruhe.

»Die Aes Sedai stecken schon in der Sache drin«, sagte der Händler. »Eine Gruppe von ihnen ist von Tar Valon aus nach Süden geritten. Da er die Macht anwenden kann, können nur die Aes Sedai ihn besiegen, auch wenn die anderen noch so viele Schlachten gegen ihn schlagen oder ihn gefangenhalten, wenn er besiegt ist. Falls er besiegt wird.«

Irgend jemand in der Menge stöhnte laut auf, und sogar Tam und Bran tauschten unsichere Blicke. Die Dorfbewohner standen in Gruppen beieinander, und mancher zog den Umhang enger um sich, obwohl der Wind etwas nachgelassen hatte.

»Natürlich wird er besiegt!« rief jemand.

»Sie werden zum Schluß doch immer geschlagen, die falschen Drachen.«

»Er muß einfach besiegt werden, nicht wahr?«

»Und wenn es nicht gelingt?«

Tam hatte es endlich fertiggebracht, dem Bürgermeister etwas ins Ohr zu flüstern, und Bran, der von Zeit zu Zeit nickte und das Gebrabbel um ihn herum nicht beachtete, wartete, bis Tam fertig war, erhob dann die Stimme.

»Hört mal alle zu! Seid still und hört zu!« Das Geschrei wurde wieder zu einem Gemurmel. »Das sind alles nicht nur einfach Neuigkeiten von draußen. Der Gemeinderat muß darüber sprechen. Meister Fain, leistet uns doch in der Schenke Gesellschaft! Wir wollen Euch einiges fragen.«

»Ich hätte nichts gegen einen ordentlichen Krug Glühwein einzuwenden«, antwortete der Händler schmunzelnd. Er sprang vom Wagen, wischte sich die Hände am Mantel ab und rückte fröhlich seinen Umhang zurecht. »Kümmert sich jemand bitte um meine Pferde?«

»Ich will hören, was er zu sagen hat!« Mehr als eine Stimme erhob sich protestierend.

»Ihr könnt ihn nicht einfach mitnehmen! Meine Frau hat mich geschickt, damit ich Stecknadeln kaufe!« Das war Wit Congar. Er zog die Schultern hoch, als wolle er die Blicke einiger anderer abwehren, hielt aber seine Stellung.

»Wir haben auch ein Recht, Fragen zu stellen!« schrie jemand weit hinten aus der Menge. »Ich... «

»Ruhe!« brüllte der Bürgermeister und rief damit ein überraschtes Schweigen hervor. »Wenn der Gemeinderat seine Fragen gestellt hat, wird Meister Fain zurückkommen und Euch alle Neuigkeiten mitteilen. Und seine Töpfe und Stecknadeln verkaufen. Hu! Tad! Versorgt Meister Fains Pferde!«

Tam und Bran stellten sich jeder an eine Seite des Händlers, der Rest des Gemeinderats schloß sich an, und die ganze Gruppe eilte in die Weinquellen-Schenke. Sie knallten die Tür vor den Nasen derjenigen zu, die sich hinter ihnen hineindrängen wollten. Als sie an die Tür pochten, schrie lediglich der Bürgermeister: »Geht heim!«

Viele Leute drückten sich noch vor der Schenke herum, sprachen leise über den Bericht des Händlers und was er bedeutete und welche Fragen der Gemeinderat wohl stellte und warum man ihnen gestatten sollte, daran teilzunehmen und zuzuhören und eigene Fragen zu stellen. Einige schauten durch die Vorderfenster der Schenke, und ein paar fragten sogar Hu und Tad aus, obwohl es ziemlich unklar blieb, was die beiden wohl wissen sollten. Die beiden kräftigen Stallburschen gaben nur ein Grunzen zur Antwort und nahmen den Pferden vorschriftsmäßig das Geschirr ab. Eins nach dem anderen führten sie Fains Pferde weg, und als das letzte fort war, kehrten auch sie nicht wieder.

Rand beachtete die Menge nicht. Er setzte sich auf die Steine der alten Grundmauern, zog den Umhang enger zusammen und starrte die Tür der Schenke an. Ghealdan.

Tar Valon. Die Namen allein klangen fremdartig und erregend. Das waren Orte, die er nur aus Berichten der Händler und Erzählungen der Leibwächter von Kaufleuten kannte. Aes Sedai und Kriege und falsche Drachen: Das klang nach den Geschichten, die man sich spät in der Nacht vor dem Kamin erzählte, wenn die Kerze eigenartige Schatten an die Wand warf und der Wind vor den Fensterläden heulte. Alles in allem dachte er sich, wären ihm aber Schneestürme und Wölfe lieber. Und doch mußte es dort draußen ganz anders sein, jenseits der Zwei Flüsse, als lebe man mitten in der Erzählung eines Gauklers. Ein Abenteuer. Ein langes Abenteuer. Ein ganzes Leben lang.

Langsam zerstreuten sich die Dorfbewohner, immer noch murrend und kopfschüttelnd. Wit Congar blieb stehen und blickte in den nun verlassenen Wagen, als könne er darin einen weiteren versteckten Händler finden. Schließlich waren nur noch ein paar der jüngeren Leute da. Mat und Perrin schlenderten zu Rand herüber.

»Ich weiß nicht, wie der Gaukler das noch überbieten will«, sagte Mat aufgeregt. »Ich frage mich, ob wir wohl diesen falschen Drachen zu Gesicht bekommen.«

Perrin schüttelte den zerzausten Kopf. »Ich will ihn nicht sehen. Vielleicht irgendwo anders, aber nicht bei den Zwei Flüssen. Nicht, wenn das gleichzeitig Krieg bedeutet.«

»Und auch nicht, wenn dann Aes Sedai hierherkommen«, fügte Rand hinzu. »Oder habt ihr vergessen, wer die Zerstörung der Welt verursacht hat? Der Drache hat damit vielleicht angefangen, aber es waren die Aes Sedai, die die Welt wirklich zerstört haben.«

»Ich habe die Geschichte einmal gehört«, sagte Mat langsam, »und zwar vom Leibwächter eines Wollaufkäufers. Er sagte, der Drache werde in der Stunde der größten Not für die Menschheit wiedergeboren und uns alle retten.«

»Dann war er ein Narr, falls er das glaubte«, sagte Perrin bestimmt. »Und du warst ein Narr, auf ihn zu hören.« Er klang nicht böse — es dauerte lange, ihn wütend zu machen. Aber manchmal hatte er die Nase voll von Mats blühender Phantasie, und das klang jetzt ein wenig in seiner Stimme mit. »Wahrscheinlich hat er auch noch behauptet, anschließend würden wir in einem neuen Zeitalter der Legenden leben.«

»Ich habe nicht gesagt, daß ich es glaube«, protestierte Mat. »Ich habe es nur gehört. Nynaeve auch, und ich dachte, sie würde mir und dem Leibwächter die Haut bei lebendigem Leib abziehen. Er sagte — der Wächter natürlich -, daß viele Leute daran glauben, nur fürchten sie sich, es auszusprechen. Sie haben Angst vor den Aes Sedai oder den Kindern des Lichts. Nachdem Nynaeve so dazwischenfuhr, sagte er nichts mehr. Sie hat es dem Kaufmann erzählt, und der sagte, der Wächter habe ihn das letzte Mal auf einer Reise begleitet.«

»Das war auch gut so«, sagte Perrin. »Der Drache soll uns retten? Hört sich wie Coplin-Geschwätz an.«

»Wie groß müßte unsere Not wohl sein, daß wir den Drachen um Hilfe riefen?« überlegte Rand. »Da können wir genausogut den Dunklen König um Unterstützung bitten.«

»Er hat es nicht gesagt«, erwiderte Mat unsicher. »Und er hat auch nichts von einem neuen Zeitalter der Legenden erwähnt. Er sagte, die Welt werde durch die Ankunft des Drachen zerrissen.«

»Das würde uns retten«, sagte Perrin trocken. »Eine neue Zerstörung der Welt.«

»Mach mich nicht verantwortlich«, grollte Mat. »Ich habe nur wiedergegeben, was der Wächter sagte.«

Perrin schüttelte den Kopf. »Ich hoffe nur; die Aes Sedai und dieser Drache, ob falsch oder nicht, bleiben, wo sie sind. Vielleicht werden dann die Zwei Flüsse verschont bleiben.«

»Glaubst du, sie sind in Wirklichkeit Schattenfreunde?« Mat runzelte gedankenverloren die Stirn. »Wer?« fragte Rand. »Aes Sedai.«

Rand sah Perrin an, der mit den Achseln zuckte. »Die Geschichten...«, begann er bedächtig, doch Mat schnitt ihm das Wort ab.

»Nicht alle Geschichten behaupten, daß sie dem Dunklen König dienen, Rand.«

»Beim Licht, Mat«, sagte Rand. »Sie verursachten die Zerstörung der Welt. Was brauchst du denn noch?«

»Na, vielleicht.« Mat seufzte, grinste aber im nächsten Augenblick schon wieder. »Der alte Bili Congar sagt, es gäbe sie gar nicht. Aes Sedai. Schattenfreunde. Er sagt, das seien nur Geschichten. Er sagt, daß er auch nicht an den Dunklen König glaubt.«

Perrin schnaubte. »Coplin-Geschwätz von einem Congar! Was kannst du sonst erwarten?«

»Der alte Bili hat den Dunklen König genannt. Ich wette, das hast du nicht gewußt.«

»Licht!« kam ein Stoßseufzer von Rand.

Mats Grinsen wurde breiter. »Das war letztes Frühjahr, gerade bevor seine Felder vom Schnittwurm befallen wurden, die der anderen aber nicht. Gerade bevor alle in seinem Haus Gelbaugenfieber bekamen. Ich habe gehört, wie er es gesagt hat. Er sagt immer noch, er glaube nicht dran, aber immer wenn ich ihm sage, er solle doch den Dunklen König beim Namen nennen, wirft er irgendwas nach mir.«

»Und du bist dumm genug, um so was zu sagen, wie, Matrim Cauthon?« Nynaeve al'Meara trat in ihre Mitte, den dunklen Zopf über die Schulter gehängt und vor Wut kochend. Rand rappelte sich auf. Sie war schlank und ging Mat kaum bis zur Schulter, doch in diesem Moment erschien ihnen die Seherin größer als sie alle, und es spielte keine Rolle, daß sie jung und hübsch war. »Ich habe Bili Congar damals gleich so eingeschätzt, aber ich dachte, du hättest mehr Verstand und würdest nicht noch versuchen, ihn aufzustacheln. Du bist vielleicht alt genug, um zu heiraten, Matrim Cauthon, aber in Wirklichkeit solltest du noch an Mutters Schürzenzipfel hängen! Als nächstes wirst du wohl auch noch selbst den Dunklen König nennen.«

»Nein, Seherin«, protestierte Mat. Er sah aus, als wünsche er sich, irgendwo weit weg zu sein. »Es war doch der alte Bi... Ich meine, Meister Congar und nicht ich! Blut und Asche, ich... «

»Hüte deine Zunge, Matrim!«

Rand richtete sich unwillkürlich steif auf, obwohl ihr zorniger Blick gar nicht ihm galt. Perrin sah genauso zerknirscht aus. Später würde sich der eine oder andere von ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darüber beklagen, daß sie von einer Frau heruntergeputzt worden waren, die nicht viel älter als sie selbst war — das geschah jedesmal, wenn Nynaeve geschimpft hatte, allerdings außerhalb ihrer Hörweite -, doch von Angesicht zu Angesicht schien der Altersunterschied plötzlich groß genug. Besonders, wenn sie richtig wütend war. Der Stock in ihrer Hand hatte ein dickes Ende und lief auf der anderen Seite in eine dünne Rute aus, und man mußte bei ihr damit rechnen, daß sie jedem damit eins überzog, der sich in ihren Augen wie ein Narr benahm — auf den Kopf oder die Hände oder Beine -gleich, wie alt sie waren und welche Stellung sie im Dorf innehatten.

Rand hatte seine Aufmerksamkeit auf die Seherin konzentriert und so war es ihm entgangen, daß sie nicht allein war. Als er seinen Fehler bemerkte, wollte er fortrennen, gleichgültig, was Nynaeve später sagen oder tun würde.

Egwene stand ein paar Schritte hinter der Seherin und beobachtete alles aufmerksam. Sie war genauso groß wie Nynaeve und hatte denselben dunklen Teint. In diesem Augenblick schien sie Nynaeves Stimmung widerzuspiegeln, die Arme unter den Brüsten verschränkt, den Mund mißbilligend verzogen. Die Kapuze ihres weichen grauen Umhangs warf einen Schatten über ihr Gesicht, und in ihren großen braunen Augen fand sich keine Spur von Lachen.

Es wäre ja nur angemessen, dachte er, daß die zwei Jahre, die er älter war als sie, ihm einen Vorteil verschafften, aber das war nicht der Fall. Er war sowieso nie sehr wortgewandt, wenn er sich mit einem Mädchen aus dem Dorf unterhielt (im Gegensatz zu Perrin), aber wenn ihn Egwene eindringlich ansah, die Augen so groß, als konzentriere sie jeden Funken Aufmerksamkeit auf ihn, dann stolperte er über jedes Wort. Vielleicht konnte er sich verdrücken, wenn Nynaeve ausgeredet hatte. Und doch wußte er, daß er nicht gehen würde; er verstand nur nicht, warum.

»Wenn du damit fertig bist, mich wie ein Mondkalb anzustarren, Rand al'Thor«, sagte Nynaeve, »kannst du mir vielleicht erklären, warum ihr über etwas gesprochen habt, wovon selbst ihr drei großen Jungstiere die Finger lassen solltet. Das hätte euch euer Verstand sagen müssen.«

Rand schrak zusammen und riß den Blick von Egwene los, deren Gesicht ein beunruhigendes Lächeln zeigte, seit die Seherin zu sprechen begonnen hatte. Nynaeves Stimme klang beißend, aber auch auf ihrem Gesicht zeigte sich ein wissendes Lächeln — bis Mat laut loslachte. Da verschwand das Lächeln der Seherin, und ihr Blick verwandelte Mats Lachen in ein abgewürgtes Krächzen.

»Also, Rand?« fragte Nynaeve.

Aus den Augenwinkeln beobachtete er, daß Egwene immer noch lächelte. Was findet sie denn so lustig? »Es war ganz natürlich, daß wir darauf kommen mußten, Seherin«, sagte er hastig. »Der Händler — Padan Fain... äh... Meister Fain — erzählte uns von einem falschen Drachen in Ghealdan und einem Krieg und den Aes Sedai. Der Gemeinderat hielt es für wichtig genug, um mit ihm zu sprechen. Worüber hätten wir da sonst wohl reden sollen?«

Nynaeve schüttelte den Kopf. »Also deshalb steht der Wagen des Händlers verlassen herum. Ich hörte, wie die Leute hinauseilten, um ihn zu treffen, aber ich konnte Frau Ayellin nicht verlassen, bevor ihr Fieber sank. Der Gemeinderat befragt den Händler über die Ereignisse in Ghealdan, nicht wahr? Wie ich sie kenne, stellen sie alle möglichen falschen Fragen und keine richtigen. Da ist schon der Frauenzirkel nötig, um etwas Nützliches herauszubringen.« Sie zog den Umhang fest um die Schultern und verschwand in der Schenke.

Egwene folgte der Seherin nicht. Als sich die Tür zur Schenke hinter Nynaeve schloß, kam die junge Frau auf Rand zu und stellte sich vor ihn hin. Die Falten waren von ihrer Stirn verschwunden, doch ihr unverwandter Blick machte Rand nervös. Er sah sich nach seinen Freunden um, aber die gingen und grinsten breit, während sie ihn so im Stich ließen.

»Du solltest dich nicht in Mats Dummheiten hineinziehen lassen, Rand«, sagte Egwene genauso ernst wie die Seherin zuvor, und dann plötzlich kicherte sie. »Ich habe dich nicht mehr so verdattert dreinblicken sehen, seit Cenn Buie dich und Mat oben in seinen Apfelbäumen entdeckt hat, als ihr zehn wart.«

Er trat von einem Fuß auf den anderen und schaute sich nach seinen Freunden um. Sie standen nicht weit entfernt. Mat gestikulierte aufgeregt beim Sprechen.

»Tanzt du morgen mit mir?« Das hatte er eigentlich nicht sagen wollen. Er wollte wohl mit ihr tanzen, aber gleichzeitig wollte er auch wieder nicht, weil er sich so unsicher fühlen würde wie immer, wenn er mit ihr zusammen war. So, wie er sich im Moment auch fühlte.

Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem leichten Lächeln. »Am Nachmittag«, sagte sie. »Am Vormittag bin ich beschäftigt.«

Von den anderen hörte er Perrins Ausruf: »Ein Gaukler!«

Egwene wandte sich ihnen zu, doch Rand legte eine Hand auf ihren Arm. »Beschäftigt? Womit denn?«

Trotz der Kälte schob sie die Kapuze zurück und zog das Haar mit beiläufiger Geste über die Schulter nach vorn. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, waren ihr dunkle Haarwogen bis auf die Schultern gefallen, von einem roten Stirnband gehalten; doch nun war das Haar zu einem langen Zopf geflochten.

Er sah ihren Zopf an, als sei es eine Viper, und warf einen kurzen Blick hinüber zum Frühlingsbaum, der nun verlassen auf dem Grün stand, fertig vorbereitet für morgen. Am Morgen würden unverheiratete Frauen im heiratsfähigen Alter um den Baum tanzen. Er schluckte schwer. Irgendwie war ihm nie klar gewesen, daß sie das heiratsfähige Alter zur gleichen Zeit wie er erreichte.

»Nur weil jemand alt genug zum Heiraten ist«, murmelte er, »heißt das noch nicht, daß man's auch tun sollte. Jedenfalls nicht gleich.«

»Natürlich nicht. Oder überhaupt, was das betrifft.«

Rand blinzelte überrascht. »Überhaupt?«

»Eine Seherin heiratet fast nie. Nynaeve bildet mich aus, weißt du. Sie sagt, ich habe das Talent dazu und könne lernen, dem Wind zu lauschen. Nynaeve sagt, nicht alle Seherinnen können das, auch wenn sie es behaupten.«

»Seherin!« rief er spöttisch. Er bemerkte das gefährliche Glitzern in ihren Augen nicht. »Nynaeve wird noch mindestens fünfzig Jahre lang hier die Seherin sein, vielleicht auch länger. Willst du den Rest deines Lebens als ihr Lehrmädchen verbringen?«

»Es gibt auch andere Dörfer«, antwortete sie hitzig. »Nynaeve sagt, die Dörfer im Norden des Taren wählen grundsätzlich eine Seherin von auswärts. Sie glauben, die werde niemanden aus dem Dorf bevorzugen.«

Sein Spott verging ihm so schnell, wie er gekommen war. »Außerhalb der Zwei Flüsse? Ich würde dich niemals wiedersehen!«

»Und das würde dir nicht gefallen? In letzter Zeit hast du mir kaum gezeigt, daß dir etwas an mir liegt, so oder so.«

»Niemand verläßt die Zwei Flüsse«, fuhr er fort. »Vielleicht jemand aus Taren-Fähre, aber die sind alle sowieso ganz komisch. Nicht wie die anderen ZweiFlüsse-Leute.«

Egwene stieß einen hoffnungslosen Seufzer aus. »Na ja, vielleicht bin ich auch komisch. Vielleicht will ich einige der Orte sehen, von denen ich in den Geschichten gehört habe. Hast du jemals daran gedacht?«

»Natürlich habe ich daran gedacht. Ich träume auch manchmal mit offenen Augen, aber ich kenne den Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit.«

»Und ich nicht?« fragte sie wütend und wandte ihm prompt den Rücken zu.

»Das habe ich nicht so gemeint. Ich habe von mir gesprochen. Egwene?«

Sie zog schnell ihren Mantel ganz eng um sich zusammen — eine Mauer, um ihn fernzuhalten — und ging ein paar Schritte weg. Enttäuscht rieb er sich die Stirn. Wie sollte er das erklären? Es war nicht das erste Mal, daß sie seinen Worten eine ganz andere Bedeutung gab als die beabsichtigte. Bei ihrer augenblicklichen Laune würde ein Fehltritt die Sache nur noch schlimmer machen, und er war sich ziemlich sicher, daß beinahe alles, was er sagte, einen Fehltritt darstellen würde.

Dann kamen Mat und Perrin zurück. Egwene übersah ihr Kommen. Sie sahen sie vorsichtig an und stellten sich dann dicht neben Rand. »Moiraine gab Perrin auch eine Münze«, sagte Mat. »So eine wie uns.« Er legte eine Pause ein, bevor er hinzufügte: »Und er hat den Reiter gesehen.«

»Wo?« wollte Rand wissen. »Wann? Hat ihn sonst noch jemand gesehen? Hast du es jemandem erzählt?«

Perrin hob beide Hände, um ihn zu unterbrechen. »Immer nur eine Frage auf einmal! Ich habe ihn am Dorfrand gesehen, als er gestern in der Dämmerung die Schmiede beobachtete. Hat mir einen Schauer über den Rücken gejagt. Ich habe es Meister Luhhan erzählt, doch da war niemand, als er hinsah. Er sagte, ich sähe Gespenster. Aber er trug seinen größten Hammer mit herum, als wir das Feuer mit Asche belegten und die Werkzeuge aufhängten. Das hat er noch nie zuvor getan.«

»Also hat er dir geglaubt«, sagte Rand, doch Perrin zuckte die Achseln.

»Ich weiß nicht. Ich fragte ihn, warum er den Hammer trage, wenn ich doch nur Gespenster gesehen hätte, und er sagte etwas über die Wölfe und daß sie frech genug seien, um bis ins Dorf hinein zu kommen. Vielleicht glaubte er, ich hätte einen Wolf gesehen, aber er sollte wissen, daß ich den Unterschied zwischen einem Wolf und einen Berittenen sogar in der Abenddämmerung kenne. Ich weiß, was ich gesehen habe, und keiner wird mich von etwas anderem überzeugen.«

»Ich glaube dir«, sagte Rand. »Vergiß nicht, daß ich ihn auch gesehen habe.« Perrin gab ein befriedigtes Grunzen von sich, als sei er sich nicht sicher gewesen.

»Worüber sprecht ihr eigentlich?« wollte Egwene plötzlich wissen.

Rand wünschte sich plötzlich, er hätte leiser gesprochen. Das hätte er auch getan, doch er hatte nicht gemerkt, daß sie lauschte. Mat und Perrin grinsten wie die Narren und überschlugen sich beinahe, um ihr von ihren Zusammentreffen mit dem schwarzgekleideten Reiter zu erzählen. Nur Rand schwieg. Er wußte, was sie sagen würde, wenn sie fertig waren.

»Nynaeve hatte recht«, verkündete Egwene mit zum Himmel gerichtetem Blick, als die beiden jungen Männer endlich schwiegen. »Keiner von euch sollte von Mutters Schürzenzipfel weggelassen werden. Es gibt Leute, die auf Pferden reiten, wißt ihr? Deshalb sind sie noch lange keine Ungeheuer aus den Geschichten eines Gauklers.«

Rand nickte vor sich hin; sie redete genauso, wie er es erwartet hatte. Dann bekam er sein Fett weg. »Und du hast diese Märchen verbreitet. Manchmal scheinst du einfach keinen gesunden Menschenverstand zu haben, Rand al'Thor. Der Winter war schon furchtbar genug, ohne daß du herumläufst und Kinder erschreckst.«

Rand schnitt eine saure Grimasse. »Ich habe gar nichts verbreitet, Egwene. Aber ich habe gesehen, was ich gesehen habe, und das war kein Bauer, der nach einer streunenden Kuh suchte.«

Egwene holte tief Luft und öffnete den Mund, aber was sie auch immer sagen wollte, kam nicht heraus, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür der Schenke, und ein Mann mit struppigem weißen Haar hetzte heraus, als sei jemand hinter ihm her.

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