12

Dondragmer war keineswegs gleichgültig, aber für ihn war es absolut normal, die ganze Aufmerksamkeit einer neuen Angelegenheit zu schenken, die wahrscheinlich Maßnahmen einzuleiten erforderte, bevor man sich einer alten Sache annahm, die sich wahrscheinlich nicht mehr ändern ließ. Er hatte die beiden Steuerleute durchaus nicht vergessen, aber als ein ferner Pfeifton ihm den Ausruf zutrug: „Hier endet der Bach!“ — da änderte er seine Absichten augenblicklich und drastisch.

Er konnte nicht ermitteln, woher die Stimme kam, weil er sich etwa einen halben Meter unterhalb der ursprünglichen Eisoberfläche aufhielt, doch Borndender meldete, er sehe in ungefähr einer halben Meile Entfernung Licht schimmern. Auf Befehl des Captains erkletterte der Wissenschaftler den Fahrzeugrumpf, um einen besseren Ausblick zu erhalten, während sein Kollege sich anschickte, ein Seil zu suchen, mit dem er dem Captain aus dem Eisloch helfen wollte. Hierüber verging einige Zeit. Die Matrosen hatten, mit der ihnen eigenen Sorgfalt, sämtliches Seilwerk, das für das Herablassen der Radiatorstange gebraucht worden war, zurück in die Lagerräume des Fahrzeugs geschafft, und als Skrenda — Borndenders Assistent — die Kwembly durch die Hauptschleuse zu betreten versuchte, fand er sie von einer klaren, etwa drei Zentimeter dicken Eisschicht versiegelt, die einen Teil der Steuerbordseite bedeckte und bei der es sich offenbar um einen Niederschlag des aus dem Schmelzpfuhl aufgestiegenen Dampfs handelte. Zum Glück ragten die meisten Klammereisen weit genug aus der Schicht, daß er in der Lage war, die Brückenschleuse zu erreichen.

Borndender rief in das Loch hinab, daß sich zwei Lichter näherten. Der Captain befahl ihm, die Ankömmlinge anzurufen, und der Wissenschaftler brüllte einige Fragen über das Flußbett, dann lauschten die beiden wachsam auf Antwort; auch mesklinitischen Stimmen fiel es schwer, auf diese Entfernung zwei Lagen Schutzanzugmaterial zu durchdringen. Als Dondragmer endlich aus der Grube war, stand fest, daß es sich bei den Ankömmlingen um jenen Teil von Stakendees Gruppe handelte, der stromabwärts geschickt worden war; sie hatten das Ende des Rinnsals weniger als eine Meile vom Fahrzeug entfernt gefunden; über Details konnte man sich noch nicht verständigen.

Als die drei schließlich eintrafen, begriff der Captain ihre Beschreibung nicht ganz; sie fügte sich in nichts, das er sich vorzustellen vermochte.

„Der Bach behielt über die gesamte stromabwärtige Strecke gleichen Umfang“, berichteten die Matrosen. „Er schien keinen Zufluß zu besitzen und nirgendwohin abzufließen. Er wand sich ein Stück weit durch das Gestein des Flußbetts, bis wir die seltsamsten Dinge entdeckten. Wir stießen auf eine Art von Eisdamm, um den die Flüssigkeit ihren Weg nahm, und nach einem halben Kabel kam wieder so ein Damm. Uns schien es, als gefriere ein Teil der Flüssigkeit, sobald sie das Eis zwischen den Steinen erreichte, aber nur eine gewisse Menge am Anfang; das nachfließende Wasser blieb liquide, bis es neuem Eis begegnete.

Die Dämme türmten sich jeweils bis zu ungefähr einer halben Körperlänge auf, bevor das Wasser zu gefrieren aufhörte und weiterfloß. Den letzten Damm, an dem der Gefrierprozeß noch nicht beendet war, fanden wir vor wenigen Minuten. Wir hatten diese helle Wolke gesehen und überlegten uns, ob wir uns zurückmelden sollten, für den Fall, daß ein Unglück geschehen sei, aber dann einigten wir uns, dem Befehl mindestens in dem Umfang nachzukommen, daß wir erst die Verfolgung des Wassers einstellen würden, wenn es von der Kwembly fortzuführen begänne.“

„Gut“, sagte der Captain, „ihr seid sicher, daß der Bach nicht anschwoll?“

„Ja, soweit wir es beurteilen konnten.“

„Nun gut. Vielleicht haben wir mehr Zeit, als ich glaubte, und diese Flüssigkeit ist kein Vorzeichen einer neuen Flut. Wenn ich nur wüßte, warum sie unterwegs teilweise zu diesen merkwürdigen Dämmen gefror.“

„Wir besprechen das am besten mit den Menschen“, schlug Borndender vor, der es sich auch nicht erklären konnte, dies aber nicht zu deutlich eingestehen wollte.

„Richtig. Sie werden Meßdaten und Analysen verlangen. Ich vermute, ihr habt keine Probe von der Flüssigkeit mitgebracht?“

„Ja, Captain. Wir hatten nichts, worin sie sich befördern ließ.“

„In Ordnung. Born, verschaffe dir Behälter und hole etwas von der Flüssigkeit; analysiere sie so genau und so schnell, wie du es vermagst. Einer der Matrosen wird dich hinführen. Ich suche inzwischen die Brücke auf und informiere die Menschen.“ Er wandte sich an die Gruppe. „Ihr zwei anderen verseht euch mit Werkzeug und fangt an, die Hauptschleuse vom Eis zu befreien.“

Dondragmer beendete das Gespräch, indem er die eis verkrustete Hülle der Kwembly zu erklimmen begann.

Benj und McDevitt hatten ihn unter Beobachtung gehalten, obwohl es keinem der beiden leichtfiel, Meskliniten voneinander zu unterscheiden. Nun sahen sie ihn auf die Brücke zurückkehren.

Besonders Benj war, seit die Suche unter dem Fahrzeug eine Unterbrechung erfahren hatte, noch viel nervöser geworden; vielleicht waren die Steuerleute tatsächlich nicht unter dem Rumpf; vielleicht gehörten sie zu den drei Ankömmlingen; vielleicht, vielleicht… Auch McDevitt, obschon seiner Natur nach ein ruhiger und gelassener Mann, wurde allmählich ungeduldig, als der Captain sich schließlich wieder meldete.

Sein Bericht faszinierte den Meteorologen, aber seinen jungen Mitarbeiter vermochte er natürlich nicht zu beruhigen; Benj focht mit sich aus, ob er unterbrechen und nach Beetchermarlf fragen solle, aber zuletzt sah er ein, daß er damit zuviel sinnlose Verwirrung stiften würde. Und als die Durchsage des Captains endete, begann McDevitt unverzüglich zu antworten.

„Dies ist nicht mehr als eine Vermutung, Captain“, sagte er, „aber vielleicht wird dein Wissenschaftler sie nach der Probenanalyse erhärten können. Es ist möglich, daß der Teich, in dem ihr steckt, ursprünglich aus einer Ammoniak-Wasser-Lösung bestand — es gab schon Hinweise darauf; die Lösung gefror, nicht weil die Temperatur sank, sondern weil sie eines Großteils Ammoniak verlustig ging und deshalb ihr Gefrierpunkt sich nach oben verschob. Der Nebel, in den ihr vor diesem ganzen Ärger gerietet, bestand aus Ammoniak, wie eure Wissenschaftler berichteten. Ich nehme an, er kam aus den kühleren Zonen im Westen. Sein Niederschlag reagierte mit dem Wassereis und schmolz es, teilweise durch Eutektikbildung und zum Teil durch Wärmeentwicklung. Das verursachte die erste Flutwelle. Als der Ammoniaknebel weiterzog, begann die Lösung durch Verdunstung wieder Ammoniak zu verlieren, und der Gefrierpunkt der verbleibenden Mischung stieg über die herrschende Temperatur. Die verdünnte Lösung gefror wieder.

Ich glaube, daß der Nebel, dem Stakendee begegnete, ebenfalls aus Ammoniak besteht und die Ursache für das Entstehen des Flüßleins ist, das er entdeckt hat. Wenn der Nebel auf das Wassereis in eurer Umgebung trifft, untermischen sie sich; solange die Mischung zu arm an Ammoniak ist, bilden sich diese Eisdämme, die deine Leute beschrieben haben, und das nachfließende liquide Ammoniak muß sie umrunden. Ich schlage vor, ihr versucht das Rinnsal auf das Fahrzeug zuzuleiten; falls die Flüssigkeitsmenge groß genug ist, dürfte das euer Problem lösen.“ Benj hörte trotz seiner schlechten Stimmung genau zu; er fragte sich, ob auch die Computer Ammoniak und Wärme als gleichwertige Faktoren behandeln würden.

„Du meinst, wir brauchen mit einer zweiten Flut nicht zu rechnen?“ fragte Dondragmer.

„Das glaube ich“, erwiderte McDevitt. „Der von Stakendee gemeldete Nebel dürfte mittlerweile das Plateau überquert haben, und hätte er einen neuen Schmelzprozeß verursacht, müßte die daraus resultierende Flut längst gekomme n sein. Ich schätze, der gesamte höher gelegene Schnee wurde bereits mit der ersten Flutwelle vom Plateau gespült. Sollte die neue Nebelbank euch noch nicht erreicht haben, kenne ich wahrscheinlich den Grund. Das Gebiet, wo Stakendee in den Nebel geriet, liegt etwas höher als die Position der Kwembly, und der aus Westen wehende Wind streicht talabwärts. Bei Dhrawns Gravitation und seiner atmosphärischen Zusammensetzung muß das einen schrecklichen Föhn verursachen — a diabatische Erwärmung bei Druckanstieg — und der Nebel dürfte wohl in dem Bereich, wo Stakendee ihn bemerkte, auch verdunsten.“

Dondragmer benötigte eine Weile, um diese Angaben zu überdenken. Nach Ablauf der normalen Übermittlungsverzögerung folgte eine längere Pause, so daß McDevitt bereits daran zu zweifeln begann, sich deutlich genug ausgedrückt zu haben; doch endlich kam eine weitere Frage des Captains.

„Aber wenn der Ammoniaknebel einfach verdunstet, nimmt er lediglich Gasform an, und das Ammoniak muß noch ringsum in der Atmosphäre enthalten sein. Warum schmilzt es das Eis nicht, wie es geschieht, wenn es sich in Form flüssiger Tropfen befindet? Wirkt hier ein physikalisches Gesetz, das ich im Unterricht versäumt habe?“

„So einfach kann ich das nicht beantworten, aber Ammoniakkonzentration und Wetterlage können natürlich am Ausbleiben der Schmelzwirkung schuld sein“, meinte der Meteorologe. „Ich werde noch einmal alles durchkalkulieren, sobald Borndender mir die neuen Daten geliefert hat. Auf der Basis der bisherigen Gesamtdaten scheint meine Annahme logisch, aber ich räume ein, daß einige Aspekte unklar bleiben. Unser Problem sind die zahlreichen Variablen; mit Wasser allein steht es schlimm genug, aber Wasser und Ammoniak schaffen eine schier unbegrenzte Anzahl davon.

Um jedoch konkret zu werden, ich sehe Stakendee auf dem anderen Bildschirm, und er marschiert noch immer neben dem Rinnsal durch den Nebel; es ist nur ein paar eurer Körperlängen breit, und zwar auf der gesamten Strecke, die die Gruppe bislang zurückgelegt hat.“

„Das klingt immerhin beruhigend“, lautete die Antwort. „Jedenfalls melde ich mich wieder, wenn Borndenders Resultate vorliegen.

Bitte beobachtet Stakendee weiterhin. Ich gehe hinaus, um unter dem Rumpf nachzuschauen; ich war eben dabei unterbrochen worden.“ Der Meteorologe hatte noch etwas sagen wollen, aber er wußte, daß Dondragmer außer Hörweite sein würde, wenn seine Durchsage eintraf, und so schwieg er. Vielleicht nahm er auch ein wenig Rücksicht auf Benj. Sie verfolgten aufmerksam, der Mann fast so teilnahmsvoll wie sein junger Mitarbeiter, wie der schwarz-rote Raupenkörper sich in seinem Schutzanzug über den Rumpf schob; vorübergehend kam er, während er abwärts kletterte, aus ihrem Blickfeld, doch dann tauchte er bei der Stützvorrichtung wieder auf, die Borndender im Eis aufgebaut hatte und an der noch das Seil befestigt war, mit dem man ihm aus der Grube geholfen hatte.

Sie sahen ihn an dem Seil erneut in das Schmelzloch hinabklettern. Ein Mesklinit an einem Seil, unter der vierzigfachen Erdschwerkraft, bot einen ganz besonderen Anblick, auch wenn der Höhenunterschied, den er überwinden mußte, nicht viel größer als seine Körperlänge war. Einen Moment lang dachte sogar Benj nicht mehr an Beetchermarlf. Das Eis auf dem Boden des Lochs beunruhigte den Captain diesmal nicht; vermutlich hatte der Gefrierprozeß längst den Untergrund erreicht. Er näherte sich ohne Zögern der Steuerbordseite der Kwembly und minderte sein Tempo erst dicht vor dem finsteren Hohlraum.

Zum größten Teil war die Kwembly natürlich noch festgefroren. Das Schmelzloch hatte ihre Walzen auf ungefähr zwei Meter Seitenlänge freigelegt, doch über diesen Raum hinaus und auf der Backbordseite reichte das Eis nach wie vor bis über die Pneumatik. Dondragmer machte sich keine Hoffnung, die beiden Steuerleute lebend unter dem Fahrzeug zu finden; würden sie noch leben, sie hätten diese Höhle längst verlassen. Andererseits rechnete er keineswegs zwangsläufig damit, ihre Leichen zu finden; wie McDevitt, hatte auch er sich überlegt, daß die beiden nicht unbedingt in diesem Hohlraum gewesen sein mußten. Es hatte zwei andere unerklärliche Fälle von Verschwinden gegeben; Dondragmer besaß über das Verbleiben von Reffel und Kervenser zwar durchaus begründete Vermutungen, aber von jeder Gewißheit war er weit entfernt.

Unter dem Rumpf, außerhalb des

Scheinwerferlichts, war es stockdunkel. Obwohl Dondragmer noch genug zu sehen vermochte (eine natürliche Anpassung an den raschen Beleuchtungswechsel, der bei der achtzehnminütigen Rotation Mesklins herrschte), entgingen ihm einige Details. Er sah den Zustand der beiden von den Steuerleuten beschädigten Walzen und den Steinwall, den sie aufgeschichtet hatten, um das Wasser gegen das Eis zu leiten; nicht aber bemerkte er den Schlitz in der Matratze, hinter dem die beiden schließlich ihre letzte Zuflucht gefunden hatten. Der Anblick bestätigte dem Captain, daß sich zumindest einer von ihnen vorübergehend hier aufgehalten hatte; der Schluß lag nahe, daß die beiden erst später, nachdem sie diese Schäden anrichteten, an anderer Stelle im vordringenden Eis festgesetzt wurden, doch ein solcher Fall ließ sich selbstverständlich nur schwer erklären. Der Captain untersuchte rasch die Eiswände der Höhle, begutachtete die beiden Walzen von allen Seiten, blickte jedoch nicht nach oben; er kannte sich mit der Fahrzeugkonstruktion aus und war deshalb überzeugt, daß es nach dort kein Entweichen gegeben haben konnte.

Schließlich kehrte er zurück ans Licht und damit in den Aufnahmebereich des Kommunikators. Die Tatsache, daß er allein auftauchte, bedeutete für Benj so etwas wie eine Erleichterung; der Junge hatte erwartet, den Captain zwei Leichen an die Oberfläche schleifen zu sehen. Seine Erleichterung war kurz, denn die brennende Frage blieb: Wo war Beetchermarlf? Dondragmer klomm aus der Grube und verschwand aus dem Blickfeld. Womöglich befand er sich auf dem Weg zur Brücke, um einen detaillierten Bericht zu geben. Benj, der inzwischen alle Symptome von Schlaflosigkeit aufwies, wartete schweigend und mit geballten Fäusten.

Doch eine Durchsage blieb aus. Der Captain hatte zwar vorgehabt, den Menschen von dem zu berichten, das er unter dem Rumpf entdeckt hatte, aber als er über die Hülle empor zur Brücke kroch, verharrte er, um mit einem der beiden Matrosen zu sprechen, die sich bemühten, die Hauptschleuse von der Eiskruste zu befreien.

„Über die Ereignisse, als eure Gruppe den Bach fand, bin ich nur seitens der Menschen informiert worden“, sagte er. „Gibt es Einzelheiten, die ich wissen sollte? Mir ist bekannt, daß ihr jemand begegnet seid, aber man hat mir nicht gesagt, ob es Kervenser oder Reffel war. Wer war es? Sind die Helikopter intakt? Es kam zu einer Unterbrechung, weil irgend jemand Kabremm in der Esket umherlaufen sah, aber fast gleichzeitig habe ich eine dringende Anfrage durchgegeben, weil diese Flüssigkeit mich beunruhigte. Wen habt ihr getroffen?“

„Es war Kabremm.“

Beinahe hätte Dondragmer die Zangen von den Klammereisen gelöst.

„Kabremm? Destigmets Ersten Offizier? Hier?

Und ein Mensch hat ihn erkannt, weil er vor eurem Kommunikator auftauchte?“

„Es sieht so aus, Captain. Er sah den Kommunikator erst, als es schon zu spät war.

Niemand von uns glaubte, daß ein Mensch uns unterscheiden könne, bis wir diesen Ausruf hörten.“

„Aber was treibt er hier? Dieser Planet ist dreimal so groß wie Mesklin; warum muß er ausgerechnet hier sein?“

„Kabremm hatte keine Gelegenheit, uns viel zu erzählen. Wir erhielten deine Befehle und nahmen sie zum Anlaß, aufzubrechen und ihn dabei von der Kamera fortzuschaffen, aber wie ich gehört habe, liegt etwa fünf Millionen Kabel weiter stromabwärts eine Eisschicht, sehr nahe bei der Esket, und etwas Ähnliches wie ein Eisfluß schiebt sich langsam in die Warmzonen. Die Esket, die Minen und die Farmen liegen genau auf seinem Weg.“

„Farmen?“

„So nennt Destigmet sie. Eigentlich ein Stützpunkt mit sehr vielen hydroponischen Tanks.

Destigmet schickte also die Gwelf unter Kabremm stromaufwärts, um herausfinden zu lassen, wie gefährlich dieser Eisfluß ihnen werden könne. In der Nähe der Stelle, an der wir ihn trafen, hatten sie das Luftschiff wegen des Nebels verankert; sie konnten sich weiterhin am Flußbett orientieren, aber sie waren nicht mehr in der Lage, es genau zu beobachten.“

„Also müssen sie eingeflogen sein, nachdem die Flut uns hierher getrieben hat; wenn sie das Flußbett erkundeten, wie können sie dann die Lichter der Kwembly übersehen haben?“

„Ich weiß es nicht, Captain. Falls Kabremm es Stakendee gesagt hat, habe ich es nicht gehört.“

Dondragmer vollführte das Äquivalent eines Achselzuckens. „Ich vermute, Kervenser und Reffel begegneten der Gwelf, und Reffel deckte die Kamera mit dem Verschluß ab, um das Luftschiff den Blicken der Menschen zu entziehen; aber ich begreife nicht, warum nicht wenigstens Kervenser zurückgekommen ist und uns informiert hat.“

„Leider kann ich weder die eine noch die andere Frage beantworten, Captain“, meinte der Matrose.

„Dann muß das Flußbett, in dem wir stecken, wenn es zum Standort der Esket führt, sich nach Norden wenden.“ Der andere nahm völlig richtig an, daß Dondragmer lediglich einen Gedanken laut ausgesprochen hatte, und schwieg dazu. Auch der Captain sagte eine oder zwei Minuten lang nichts, bis er seine Überlegungen laut ergänzte. „Die große Frage lautet, ob auch der Commander es gehört hat, als der Mensch Kabremms Name ausrief… ich denke, es wird Mrs. Hoffman gewesen sein; sie allein ist so mit uns vertraut. Und wenn, glaubte er wahrscheinlich so wie ich, daß jemand in der Esket unvorsichtig war. Ihr habt den Ruf aus eurem Kommunikator gehört und ich aus meinem, aber das ist klar, sie gehören beide zur Kwembly…

Soviel ich weiß, gibt es im Satelliten nur einen, aber sehr großen Kommunikationsraum; doch wir wissen nicht, wie nahe beieinander die verschiedenen Kommunikationssätze installiert sind, Bari kann den Ausruf vernommen haben oder nicht. Zusammengefaßt: ein Mensch hat ein Besatzungsmitglied der Esket identifiziert, nicht bloß lebendig, nachdem es schon längst tot sein müßte, sondern auch fünf oder sechs Millionen Kabel von dem Ort entfernt, an dem es vorgeblich starb. Wir haben keine Ahnung, wie sicher sich dieser Mensch war; vielleicht sicher genug, um Kabremms Namen zu rufen, doch womöglich zu unsicher, um seine Beobachtung den anderen Menschen mitzuteilen. Wir wissen nicht, ob Barlennan über den Vorfall informiert ist; noch schlimmer, wir können nicht erfahren, welche Auskunft er erteilt, wenn die Menschen ihn danach fragen. Wahrscheinlich wird er es für am besten halten, Unkenntnis und Erstaunen vorzutäuschen, aber selbstverständlich würde ich mich lieber mit ihm abstimmen.“

„Wäre es nicht ausreichend, du stellst dich ebenfalls unwissend?“ bemerkte der Matrose.

„Das geht nicht mehr“, erwiderte der Captain.

„Ich habe den Menschen bereits gesagt, daß eure Gruppe zurückgekehrt ist, und nun kann ich sie unmöglich davon überzeugen, daß unterwegs überhaupt nichts geschehen sei. Ich würde gerne versuchen, Mrs. Hoffman einzureden, es sei Kervenser oder Reffel gewesen, dem ihr begegnet seid, aber auch das ist ausgeschlossen, so lange nicht wenigstens einer von beiden wieder zur Stelle ist. Wie ist es ihr gelungen, Kabremm zu identifizieren? Wie unterscheidet sie uns überhaupt voneinander? Durch Körperfärbung und Beinhaltung? Oder wodurch? Wenn meine Vermutung über Reffel stimmt, muß er bald zurückkommen. Ich wollte, er sähe Kabremm ähnlicher… ich könnte versuchen, Reffel unterzuschieben; wüßte ich nur, was Bari tun wird, falls er überhaupt Bescheid weiß… Ich habe immer befürchtet, daß einmal so etwas geschieht, seit der Commander den Trick mit der Esket durchgeführt hat; solange die gesamte Fernkommunikation über den Satelliten läuft, mußte man schlichtweg mit Schwierigkeiten in der Koordination rechnen…“ Er verstummte und dachte wieder kurz nach. „Hat Kabremm mit euch Absprachen über eine weitere Verständigung getroffen?“

„Davon weiß ich nichts, Captain. Wir hatten wenig Zeit zur Unterhaltung, bevor uns deine Befehle durchgegeben wurden.“

„Na gut. Macht weiter. Mir wird schon etwas einfallen.“

„Es hat mich nur eines immer beunruhigt“, sagte der Matrose, während er zugleich Eis loszubrechen fortfuhr, „nämlich die Frage, was geschieht, wenn die Menschen von unserem Tun erfahren. Ich rede mir beständig ein, daß sie uns nicht auf Dhrawn zurücklassen werden; so entschlossen sind sie nicht, nicht einmal in Vertragsangelegenheiten; aber sie könnten es, solange wir keine eigenen Raumschiffe besitzen.“

„Anscheinend sind die Menschen gutmeinende Wesen“, antwortete Dondragmer. „Soweit ihre kurzen Lebensspannen dies zulassen, auch recht verläßlich; ich persönlich traue ihnen in dem Maße wie jedem anderen auch. Dennoch sind sie anders, und niemand weiß, was sie für einen angemessenen Grund zu unangenehmen Maßnahmen halten.

Deshalb, wie du weißt, wollte Barlennan uns ohne ihre Kenntnis auf dieser Welt unabhängig machen; einige von ihnen würden uns ganz gerne in Abhängigkeit belassen.“

„Ich weiß.“

„Die Minen waren ein großer Schritt voran, die Luftschiffe ein wahrer Triumph; aber wir kommen noch für lange Zeit nicht ohne die menschlichen Energiekonverter zurecht… Aber solche Unterhaltungen lösen keine Probleme — ich muß mich nun mit den Menschen in Verbindung setzen.

Ich hoffe, es erweckt keinen Verdacht, wenn ich Kabremm nicht erwähne. Macht weiter und winkt mir zur Brücke hinauf, sobald die Schleuse wieder passierbar ist.“

Der Matrose machte eine bestätigende Geste, und Dondragmer betrat endlich die Brücke. Zu berichten hatte er genug, und er tat es.

„Zumindest einer der Steuerleute befand sich eine Zeitlang unter dem Rumpf, vielleicht auch beide, aber außer den Spuren von Befreiungsversuchen habe ich nichts entdeckt. Bei diesen Bemühungen sind zwei Walzen zerstört worden, fast jedenfalls.

Der Hohlraum ist sehr klein, das heißt, unter dem Fahrzeug befindet sich noch immer beinahe ausschließlich Eis, und ich fürchte, die beiden stecken darin fest. Wir werden sorgfältiger suchen, wenn die Besatzung zurückkehrt und ein paar Matrosen abkömmlich sind. Der Dampf, der aus dem Schmelzloch aufstieg, hat eine Eisschicht auf dem Rumpf abgelagert und die Hauptluftschleuse blockiert; sie muß schnellstmöglich freigelegt werden. Za hlreiche Ausrüstungsgegenstände ließen sich gegenwärtig nicht nach draußen bringen, müßten wir das Fahrzeug jetzt räumen, und anderes, das sich draußen befindet, bekommen wir, falls eine völlige Räumung sich erübrigt, nicht wieder hinein. Außerdem hat die Verwendung der Radiatorstange als Erhitzer eine ganze Körperlänge abgeschmolzen, und ich kann mir nicht vorstellen, wie wir sie wieder mit dem Kühlsystem koppeln sollen. Das ist zwar nicht von akuter Bedeutung, aber falls wir die Kwembly retten können, werde ich es mir zweimal überlegen, ob ich ohne funktionstüchtiges Kühlsystem allzu weit ins Gebiet der Tiefdruckzone Alpha vordringe. Wir verfügen über so gut wie gar kein Metall, und nach allem, was ich vom Kühlsystem verstehe, muß der Außenradiator unbedingt ein elektrischer Konduktor sein. Richtig?“

Der Captain wartete mit erheblichem Interesse auf die Antwort. Er glaubte genug technische Fragen aufgeworfen zu haben, um die Menschen von Kabremm und der Esket abzulenken; er wußte, daß dergleichen nicht klappen würde, säße er im Satelliten. Natürlich war Benj Hoffman jung; andererseits wahrscheinlich nicht die einzige Person im Kommunikationsraum.

Es war Benj, der antwortete; anscheinend interessierte die technische Problematik ihn jedoch wenig. „Wenn du meinst, sie sitzen im Eis fest, warum läßt du nicht sofort nach ihnen suchen? In den Schutzanzügen könnten sie doch überlebt haben, oder? Mir scheint, je länger du die Suchaktion aufschiebst, um so mehr verringert sich ihre Chance. Ist das nicht im Moment das wichtigste Problem?“

Easys Stimme drang aus dem Gerät, bevor Dondragmer eine Antwort formulieren konnte; ihre Äußerung klang, als spreche sie ebenso ihren Sohn an wie den Captain. „Es ist keineswegs die wichtigste. Die Kwembly ist entscheidend für das Überleben der ganzen Besatzung, Benj. Der Captain verhält sich beileibe nicht herzlos. Ich weiß, wie du mit deinem Freund fühlst, und es ist gut so; aber jemand mit Verantwortung darf nicht bloß fühlen, sondern ist auch zum Denken verpflichtet.“

„Ich dachte, du stündest auf meiner Seite.“

„Ich teile deine Empfindungen sehr stark; aber das behindert mich nicht in der Einsicht, daß der Gaptain recht hat.“

„Barlennan würde wohl ebenso reagieren. Hast du dich bei ihm erkundigt, was Dondragmer tun soll?“

„Nein, aber er kennt die Situation; falls du das bezweifelst — dort ist das Mikrofon. Ich stelle dir anheim, ihm eine eigene Darstellung zu geben. Ich glaube nicht, daß er Dondragmer oder einem anderen Fahrzeugbefehlshaber in eine Entscheidung dreinredet, wenn er selbst nicht zur Stelle ist, um die Lage beurteilen zu können.“

Eine Pause folgte; Benj suchte nach Worten, um seine Meinung zu untermauern. Er war noch jung genug, um zu glauben, daß irgendein inhumaner Aspekt jeder Entscheidung innewohne, die bestimmte Notwendigkeiten in den ausschließlichen Vordergrund schob. Nach zehn Sekunden Schweigen — über die gewöhnliche Verzögerung hinaus — gelangte Dondragmer zu der Auffassung, daß die Durchsage beendet und eine Antwort angebracht sei.

„Mrs. Hoffman — ich glaube, das war ihre Stimme — hat absolut recht, Benj. Ich habe weder Beetchermarlf noch Takoorch vergessen, aber du mußt begreifen, daß ich die Verantwortung für noch mehr Leben trage. Würdest du bitte veranlassen, daß sich einige eurer Techniker mit dem Problem des Kühlsystems beschäftigen?

Übrigens, da sehe ich gerade — ihr wahrscheinlich auch — Borndender auf dem Rumpf; das Laborresultat wird gleich vorliegen, und falls Mr.

McDevitt anwesend ist, möchte er einen Moment lang warten. Wenn nicht, verständige ihn bitte, damit er kommt.“

Die menschlichen Zuschauer hatten in der Tat den Meskliniten, der außerhalb der Brücke über den Rumpf kroch, ebenfalls bemerkt, doch war Borndender nicht einmal von Easy erkannt worden.

Ehe Benj etwas zu sagen vermochte, meldete sich McDevitt. „Ich bin noch hier, Captain, und warte.

Falls Borndender außer den chemischen Daten auch Angaben über Temperatur und Druck liefern kann, wäre mir das sehr recht.“

Benj fühlte sich nach wie vor ziemlich unglücklich, aber er begriff, daß nun bei weitem nicht der richtige Zeitpunkt für neuerliche Unterbrechungen war; außerdem betrat soeben sein Vater den Kommunikationsraum, gefolgt von Aucoin und Mersereau. Höflich räumte Benj den Sessel für den Planer, aber seine Hoffnung, daß die Streitigkeit von eben unerwähnt bleiben würde, war gering; als Easy, während sie die drei Männer über die jüngsten Ereignisse informierte, entgegen seiner Erwartung die Frage der beiden vermißten Steuerleute aussparte, empfand er nicht einmal Erleichterung; er war zu verärgert und erregt. Ihre Berichterstattung wurde durch Dondragmers nächste Durchsage unterbrochen.

„Borndender sagt, die Flüssigkeit bestehe aus drei Achteln Ammoniak und fünf Achteln Wasser. Die Außentemperatur beträgt 71, der Druck 26,6; der Wind steht ungefähr nordwestlich — bei 21 Grad — und weht mit 120 p. h. also nur leichte Brise. Wird das euren Computern genügen?“

„Es wird ein bißchen weiterhelfen; ich bin schon unterwegs“, versicherte McDevitt, als er aus dem Sessel glitt und zur Tür eilte. Bevor er sie aufriß, drehte er sich noch einmal um. „Benj, du kommst wohl besser mit. Es tut mir leid, dich hier rauszuholen, aber ich brauche dich für den Input.“

Easy zeigte ihre Befriedigung nicht, als Benj sich wortlos seinem Vorgesetzten anschloß. Einerseits galt ihre Befriedigung der Tatsache, daß McDevitt es verstanden hatte, die Aufmerksamkeit des Jungen auf Angelegenheiten zu richten, worin er weniger falsch machen konnte; andererseits galt sie der Tatsache, daß ihr Sohn sich mehr beherrschte, als sie erwartet hatte. Aucoin schenkte der Abberufung des Jungen keine Beachtung; er war noch dabei, sich ein Bild vom gegenwärtigen Stand der Dinge zu machen.

„Ich nehme an, daß Barlennan inzwischen vollständig informiert ist, wie wir es vor ein paar Stunden vereinbarten“, sagte er. „Hat sich ansonsten irgend etwas zugetragen, wovon ich noch nichts weiß?“ Easy blickte rasch auf, um festzustellen, ob die Miene des Planers Ärger ausdrückte, aber anscheinend war ihm keineswegs bewußt, daß seine Äußerung unter Umständen als Kritik ausgelegt werden konnte. Sie überlegte kurz, bevor sie antwortete.

„Ja. Vor ungefähr drei Stunden bemerkte Cavanaugh Bewegungen auf einem der Bildschirme, die zur Esket gehören. Er sah irgendwelche Objekte über den Boden des Laboratoriums rollen oder gleiten. Ich habe den Schirm unter Beobachtung gehalten, doch seither hat sich nichts mehr ereignet. Dann, etwa eine Stunde später, begegnete der Suchtrupp, den Don wegen der beiden verschwundenen Helikopter ausgesandt hatte, einem Meskliniten, und natürlich dachten wir zuerst, es sei einer der Piloten; aber als er dicht vor die Kamera kam, erkannte ich Kabremm, den Ersten Offizier der Esket.“

„Sechstausend Meilen von dem Fleck entfernt, wo die Besatzung der Esket wahrscheinlich umgekommen ist?“

„Ja.“

„Hast du Barlennan davon erzählt?“

„Ja.“

„Was meinte er dazu?“

„Gar nichts. Er bestätigte die Durchsage und enthielt sich jeden Kommentars.“

„Erkundigte er sich nicht einmal, wie sicher du seist, Kabremm erkannt zu haben? Oder woran du ihn erkannt haben willst?“

„Nein.“

„Nun, wenn es ihm gleichgültig ist, mir darf es das nicht sein. Wie hast du diesen Kabremm identifiziert und wie sicher warst du dir?“

„Ich war vor dem Verlust der Esket eng mit ihm befreundet; für mich ist er ganz einfach unverwechselbar in Körperfärbung, Haltung und Gang, so wie du und Ib und Boyd.“

„War das Licht gut genug, um seine Färbung zu erkennen? Dort unten herrscht jetzt Nacht.“

„Die meisten Lampen leuchteten direkt vor der Kamera, und Kabremm bewegte sich vorwiegend im Gegenlicht, aber etwas Licht kam auch von seitwärts.“

„Bist du mit den beiden Vermißten ausreichend vertraut, um behaupten zu können, daß es keiner von ihnen war? Weißt du genau, daß keiner der beiden Kabremm ähnelt?“

Easy errötete. „Keinesfalls war es Kervenser, Dons Erster Offizier. Ich fürchte, Reffel kenne ich nicht genügend, um sicher sein zu können; an diese Möglichkeit habe ich noch nicht gedacht. Ich sah den Meskliniten und rief den Namen ziemlich reflexbedingt aus. Anschließend konnte ich nicht mehr tun, als eine Meldung machen; zu diesem Zeitpunkt bestand ohnehin Kontakt mit der Basis, und Barlennan — oder wer dort gerade Dienst hatte — konnte meinen Ausruf kaum überhört haben.“

„Also besteht Grund zu der Annahme, daß sich Barlennan lediglich deshalb nicht geäußert hat, weil er deinen Glauben, Kabremm sei aufgetaucht, für einen lächerlichen Irrtum hielt und dich nicht kränken wollte?“

„Das wäre möglich.“ Easy überwand sich nicht dazu, einen reuevollen Tonfall in ihre Stimme einfließen zu lassen, aber ihr war durchaus bewußt, daß ihre Meinung nicht unbedingt als objektiv gelten konnte.

„Dann, so glaube ich“, sagte Aucoin langsam und nachdenklich, „unterhalte ich mich wohl besser selber mit Barlennan. Du sagtest, in der Esket habe sich nichts mehr gerührt, seit Cavanaugh diese Objekte bemerkte?“

„Ich habe nichts gesehen. Der Brückenkommunikator ist nach draußen gerichtet, in die Dunkelheit, aber die drei anderen Räume, die Kommunikatoren besitzen, sind gut erleuchtet; und nur vor der Kamera im Labor hat sich etwas bewegt.“

„In Ordnung. Nach meinen Erfahrungen beherrscht Barlennan unsere Sprache so gut, daß ich deine Hilfe nicht zu beanspruchen brauche.“

„Er wird dich verstehen. Du meinst, ich soll während des Gesprächs hinaus?“

„Nein, nein, selbstverständlich nicht. Im Gegenteil, mir wäre es lieber, wenn du zuhörtest und mich warnst, falls sich irgendein Mißverständnis entwickeln sollte.“ Aucoin legte eine Hand auf den Mikrofonschalter, aber bevor er ihn betätigte, sah er Easy noch einmal an. „Es verstimmt dich doch nicht, daß ich mich bei Barlennan vergewissern möchte, was es mit Kabremms angeblichem Erscheinen auf sich hat, oder? Unser Hauptproblem ist die Kwembly, aber ich möchte in dieser Sache Gewißheit haben.

Außerdem will ich vermeiden, daß Barlennan, nachdem du Kabremm nun schon erwähnt hast, den Eindruck gewinnt, wir würden Berichte — nun, zensieren, sagte Ib, wenn ich mich richtig entsinne.“ Er wandte sich ab und nahm die Rufschaltung vor.

Barlennan hielt sich gerade im Kommunikationsraum auf, so daß kein Zeitverlust entstand. Aucoin identifizierte sich, nachdem er jeden Zweifel daran, daß der Commander sein Gesprächspartner war, ausgeräumt hatte, und begann seine Durchsage. Easy, Ib und Boyd hielten sie für unerträglich scheinheilig, aber sie kamen nicht umhin, die Feinfühligkeit, mit welcher der Planer seine Gedanken in Worte kleidete, aufrichtig zu bewundern. Er versuchte, auch der leisesten Erwägung der Möglichkeit, der Kwembly ein anderes Fahrzeug zu Hilfe zu schicken, restlos vorzubeugen, obwohl er weder diese Möglichkeit noch seine Abneigung dagegen überhaupt aussprach. Es war keine Rede aus dem Stegreif, sondern eine Art manipulatorischen Kunstwerks, das Aucoin schon seit langem, mindestens seit ihrer letzten Konferenz, so schloß Ib, durchdacht haben mußte. Er erwähnte, daß Easy Kabremm erkannt haben wollte, doch so beiläufig, daß es der Frau beinahe entgangen wäre. Ohne auszusprechen, daß er an eine Täuschung glaubte, unterschob er, dem Vorfall keine Bedeutung beizumessen.

Es war geradezu eine Schande, wie selbst Easy später anmerkte, daß so fein zurechtgeschliffene und wohlerwogene Worte an den Commander gänzlich verschwendet waren. Natürlich vermochte Aucoin sowenig wie die anderen Menschen zu ahnen, daß der Fall Kabremm ihn gegenwärtig am stärksten beunr uhigte, daß er sich seit zwei Stunden mit nichts anderem beschäftigte. Unter der Gefahr des völligen Zusammenbruchs seines großangelegten Täuschungsmanövers hatte er diese Stunden mit ebenso wütenden wie verwickelten Überlegungen zugebracht. Als Aucoin sich meldete, besaß Barlennan immerhin bereits Klarheit über die ersten Schritte eines neuen Plans.

Er wartete so ungeduldig auf eine Gelegenheit, seine Verwirklichung anlaufen zu lassen, daß er den wohlgesetzten Worten des Planers kaum Beachtung schenkte. Als die Durchsage schließlich abbrach, wußte er genau, was er antworten wollte, aber seine Erwiderung hatte bemerkenswert wenig mit dem zu tun, das der Planer angesprochen hatte.

Die eingetretene Pause war von Aucoin jedoch keineswegs in Erwartung einer Antwort eingelegt worden; er war noch nicht fertig und hatte nur für einen Moment gezögert, um ein paar Aspekte, die er hinzuzufügen beabsichtigte, zu durchdenken. Als er die Durchsage fortsetzen wollte, hielt Mersereau ihn zurück. „Die Unterbrechung war so lange, daß Barlennan glauben wird, du seist fertig und wartest auf eine Antwort“, erklärte er. „Wahrscheinlich hat er schon zu reden begonnen.“

Gehorsam wartete der Planer; gegen die Gewohnheiten im Kommunikationsraum konnte und wollte er sich nicht stemmen. Er dachte sich eine sarkastische Äußerung für den Fäll aus, daß Mersereau sich irrte, aber die Stimme des Commanders erreichte den Satelliten nur eine Sekunde nach Ablauf der Übermittlungsverzögerung — rascher, als wirklich jemand damit gerechnet hatte.

„Inzwischen habe ich über Kabremms Auftauchen sehr viel Überlegungen angestellt“, sagte Barlennan, „und nur eine Theorie wirkt einigermaßen wahrscheinlich auf mich. Wie du weißt, haben wir jederzeit die Möglichkeit berücksichtigt, daß auf Dhrawn eine intelligente Rasse existieren könne. Eure Wissenschaftler waren sogar schon vor unserer Landung davon überzeugt, daß es hochentwickeltes Leben geben müsse — wegen des hohen Sauerstoffanteils der Atmosphäre, sagten sie. Bisher haben wir nur ein paar niedrige Pflanzen und Tiere von nur mikroskopischer Größe entdeckt, aber die Esket ist weiter in die Tiefdruckzone Alpha vorgedrungen als alle anderen Forschungsfahrzeuge, und die Umweltbedingungen dort sind anders. Die Temperaturen sind höher, soviel steht fest, und wir können kaum ahnen, in welchem Umfang diese Tatsache andere Faktoren zu beeinflussen vermag.

Bis heute galt die Möglichkeit, daß die Esket intelligentem Leben begegnet ist, nur als eine Möglichkeit unter vielen, die nicht mehr Rückhalt als andere besaß. Allerdings läßt sich nicht anzweifeln, und eure Wissenschaftler haben es wiederholt betont, daß kein Besatzungsmitglied der Esket ohne Versorgungsausrüstungen oder ähnlichen Vorrichtungen so lange Zeit hätte überleben können. Die Besatzung kann selbstverständlich auch nicht die Entfernung überwunden haben, die zwischen der unveränderten Position der Esket und der gegenwärtigen Position der Kwembly liegt. Daraus ziehe ich den Schluß, daß Kabremms Auftauchen in der Nähe der Kwembly als stichhaltiger Beweis dafür betrachtet werden muß, daß Destigmets Mannschaft von Eingeborenen des Planeten Dhrawn überwältigt und gefangengenommen wurde. Ich weiß nicht, warum es möglich war, daß Kabremm sich mit dem Suchtrupp traf; vielleicht ist er entflohen, aber ich könnte mir nicht erklären, wie er es unter solchen Umständen gewagt haben sollte. Es ist wahrscheinlicher, daß die Eingeborenen ihn absichtlich geschickt haben, um mit uns in Kontakt zu treten. Ich wünsche ausdrücklich, daß diese Theorie zur Beurteilung an Dondragmer übermittelt wird und daß er Kabremm — falls er noch zur Verfügung steht — eingehend nach allen erhältlichen Informationen befragt. Man hat mir nicht mitgeteilt, ob er sich noch beim Suchtrupp befindet oder nicht. Werdet ihr das an Dondragmer weitergeben?“

Mehrere Stückchen des Mosaiks, das sich in Ib Hoffmans scharfsinnigem Bewußtsein zu bilden begonnen hatte, rutschten urplötzlich an den richtigen Platz. Seine wortlose Bewunderung für den Commander blieb unbemerkt, sogar von Easy.

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