Herman Chouns war ein Mann, der viel von seinem Riecher hielt. Manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht; das Verhältnis stand ungefähr fünfzig zu fünfzig. Trotzdem, bedenkt man, daß es ein ganzes Universum von Möglichkeiten gibt, aus denen eine richtige Antwort gezogen werden muß, beginnt fünfzig zu fünfzig recht gut auszusehen.
Chouns aber war über die Sache nicht immer so glücklich, wie man hätte meinen können. Es war ihm eine zu große Anspannung. Wenn andere mit einem Problem nicht zurechtkamen, pflegten sie sich an ihn zu wenden und zu sagen: „Was meinen Sie, Chouns? Schalten Sie mal Ihre Intuition ein.“
Und wenn es dann zu einem Fiasko kam, wurde die Verantwortlichkeit selbstverständlich ihm angelastet.
Sein Beruf als Feldforscher machte es noch schlimmer.
„Meinen Sie, daß es sich lohnt, diesen Planeten genauer anzusehen?“ pflegten sie zu sagen. „Was meinen Sie, Chouns?“
Da war es eine Erleichterung, zur Abwechslung einer Zweiergruppe zugeteilt zu werden (was bedeutete, daß die nächste Reise in ein Zielgebiet von geringerer Bedeutung führen und der Druck von oben fehlen würde) und obendrein Allen Smith als Partner zu bekommen.
Smith war so nüchtern wie sein Name. Am ersten Tag draußen sagte er zu Chouns: „Die Sache mit dir ist die, daß du ein gutes Gedächtnis für Einzelheiten hast. Vor ein Problem gestellt, erinnerst du dich an genug kleine Dinge, die uns anderen nicht in den Sinn kommen und die dir eine Entscheidung erleichtern. Da von einem Riecher zu reden, macht es nur geheimnisvoll, und das ist es nicht.“
Er strich sich übers Haar, als er das sagte. Er hatte helles Haar, das wie eine Kappe um seinen Schädel lag.
Chouns, dessen Haar sehr ungebärdig und dessen Nase knollig und ein wenig zur Seite verschoben war, sagte sanft, wie es seine Art war: „Ich denke, vielleicht ist es Telepathie.“
„Was?“
„Bloß eine Spur davon.“
„Unsinn!“ sagte Smith laut und höhnisch, wie es seine Art war. „Seit tausend Jahren hat die Wissenschaft diesen parapsychologischen Phänomenen nachgejagt und ist nicht weitergekommen. Es gibt keine Telepathie, genausowenig wie Telekinese oder Hellseherei.“
„Das gebe ich zu, aber denke einmal nach. Wenn ich ein Bild davon bekomme, was jeder in einer Gruppe von Menschen denkt, weiß ich mehr als jedes einzelne Individuum der Gruppe. Folglich kann ich mir ein besseres Urteil bilden als die anderen - wenigstens in der Theorie.“
„Hast du irgendwelche Indizien dafür, daß es bei dir so ist?“
Chouns richtete seine sanften braunen Augen auf den anderen. „Bloß so eine Ahnung.“
Sie kamen gut miteinander aus. Chouns schätzte die erfrischende Nüchternheit und den praktischen Sinn des anderen, und Smith betrachtete die Spekulationen seines Kollegen mit gönnerhafter Neugierde. Sie waren häufig unterschiedlicher Meinung, stritten jedoch nie.
Selbst als sie ihr Ziel erreichten, einen Kugelhaufen über der Ebene der Galaxis, der noch nie von Menschen besucht worden war, führte die zunehmende Spannung nicht zu einer Klimaverschlechterung.
Smith sagte: „Ich frage mich, was sie zu Hause mit all diesen Daten anfangen. Scheint eine Verschwendung.“
„Die Menschheit beginnt sich gerade erst auszubreiten“, meinte Chouns. „Schwer zu sagen, wie weit sie in einer Million von Jahren oder so kommen wird. Alle Daten, die wir über fremde Welten sammeln können, werden unseren Nachfahren eines Tages zustatten kommen.“
„Du redest wie ein Anwerber für den Außendienst. Meinst du, daß wir in dem Ding was Interessantes finden werden?“ Er zeigte hinaus zu dem nahen Sternhaufen, der wie verschütteter Talkumpuder aussah.
„Vielleicht. Ich habe so ein Gefühl...“ Chouns brach ab, schluckte, zwinkerte einmal oder zweimal und schenkte seinem Kameraden ein schwächliches Lächeln.
Smith schnaubte. „Legen wir einen Kurs durch die nächsten Sterngruppen und sehen wir zu, was wir finden. Ich wette zehn zu eins, daß wir ein Bewohnbarkeitsverhältnis von weniger als 0,2 finden werden.“
„Die Wette verlierst du“, murmelte Chouns. Wieder verspürte er jene rasche, wärmende Erregung, die ihn immer überkam, wenn neue Welten vor ihnen lagen. Sie legten ihren Kurs fest und begannen die Sterne der Umgebung nach Planetensystemen abzusuchen. Die Computer und Meßgeräte taten ihre Arbeit. Die Menge der eingespeicherten Informationen wurde größer und größer, und alles nahm in zufriedenstellender Weise seinen routinierten Gang - bis in unmittelbarer Nähe des Systems Nr. 23 der Schiffsantrieb versagte.
„Komisch“, murmelte Chouns. „Die Schadenanalyse zeigt nicht an, wo der Fehler liegt.“
Er hatte recht. Die Anzeigennadeln taumelten über die Skalen und verweilten niemals lange genug an einer Stelle, daß eine Diagnose möglich gewesen wäre. Infolgedessen konnten sie keine Reparaturen ausführen.
„So was ist mir noch nicht untergekommen“, grollte Smith. „Wir werden alles ausschalten und selbst auf Fehlersuche gehen müssen.“
„Dann können wir es genausogut unter bequemeren Umständen tun“, sagte Chouns, der bereits am Teleskop war. „Die Hilfstriebwerke sind in Ordnung, und dieses System hat zwei anständige Planeten.“
„Ja? Wie anständig, und welche sind es?“
„Der erste und der zweite von vieren: beide WasserSauerstoff. Der erste ein bißchen wärmer und größer als die Erde, der zweite ein bißchen kälter und kleiner. Zufrieden?“
„Leben?“
„Auf beiden. Jedenfalls Vegetation.“
Smith grunzte. Daran war nichts Überraschendes; Vegetation war auf Wasser-Sauerstoff-Welten eine häufige Erscheinung. Und anders als tierisches Leben, konnte Vegetation spektroskopisch ausgemacht werden. Nur vier fotochemische Pigmente waren je in pflanzlichen Formen gefunden worden, und jede ließ sich aus der Natur des Lichtes bestimmen, das es reflektierte.
Chouns sagte: „Die Vegetation ist auf beiden Planeten vom Chlorophylttyp, nicht weniger. Es wird genau wie zu Hause sein; richtig gemütlich.“
„Welcher ist näher?“
„Nummer zwei, und wir sind schon unterwegs. Ich habe das Gefühl, daß es ein hübscher Planet sein wird.“
„Das beurteile ich lieber nach den Instrumenten, wenn es dir nichts ausmacht“, sagte Smith.
Aber dies schien einer der Fälle zu sein, in denen Chouns den richtigen Riecher hatte. Der Planet war mild und heiter, mit einer sehr gleichmäßigen Verteilung von Land und Wasser, die ein Klima von geringen Temperaturschwankungen erwarten ließ. Die Gebirgszüge waren niedrig und gerundet, und die Verteilung der Vegetation ließ auf hohe und verbreitete Fruchtbarkeit schließen.
Chouns hatte die Handsteuerung eingeschaltet und bereitete die Landung vor. Sein Gefährte wurde ungeduldig. „Wozu suchst du so lange herum? Eine Stelle ist wie die andere.“
„Ich suche nach einem kahlen Flecken“, sagte Chouns. „Wozu einen halben Hektar Pflanzenleben verbrennen?“
„Und wie, wenn du es tätest?“
„Und was, wenn ich es nicht tue?“ sagte Chouns und fand seine freie Fläche.
Dann erst, nach der Landung, bemerkten sie, wohinein sie geraten waren.
Tierisches Leben kam viel seltener vor als Vegetation, und noch viel seltener war ein Schimmer von Intelligenz; doch hier, keinen Kilometer vom Landeplatz entfernt, gab es eine Ansammlung niedriger, schilfgedeckter Hütten, die offensichtlich das Produkt einer beachtlichen Intelligenz darstellten.
„Vorsicht“, sagte Smith, noch benommen von der Überraschung.
„Ich glaube nicht, daß wir etwas zu befürchten haben“, meinte Chouns. Er kletterte von Bord und betrat mit fester Zuversicht die Oberfläche des Planeten; Smith folgte ihm.
Chouns konnte seine freudige Erregung nur mit Mühe zügeln. „Das ist phantastisch!“ rief er immer wieder. „Bisher hat niemand etwas Besseres als rauchgeschwärzte Höhlen oder geflochtene Zweige entdeckt. Wir sind die ersten, die das Dorf einer fremden intelligenten Rasse gefunden haben!“
„Hoffentlich sind die Leute harmlos.“
„Alles ist hier so friedlich, daß sie gar nicht anders als harmlos sein können“, erwiderte Chouns. „Riech nur die Luft!“
Während des Niedergehens hatten sie gesehen, daß das ganze Land bis zu einer niedrigen Hügelkette am Horizont von einem freundlichen, blaßrosa gesprenkelten Grün war. Aus der Nähe gesehen zeigte sich, daß dieses Blaßrosa von ungezählten individuellen Blüten herrührte, zart und duftend. Nur die Nachbarschaft der Hütten zeigte die bernsteinähnlichen Farben von Pflanzen, die an reifes Getreide erinnerten.
Nun kamen Geschöpfe aus den Hütten und näherten sich dem Schiff mit einer Art von zögerndem Vertrauen. Sie hatten vier Beine und einen abfallenden Körper, der eine Schulterhöhe von einem Meter erreichte. Die Köpfe saßen fest und wenig beweglich auf diesen Schultern und hatten einen Kranz hervorquellender Augen (Chouns zählte sechs), die rings um den Kopf angeordnet und der verwirrendsten unabhängigen Bewegungen fähig waren. (Das erklärt die Unbeweglichkeit des Kopfes, dachte Chouns.)
Jedes Tier hatte einen am Ende gegabelten Schwanz, der hochgehalten wurde. Die langen, dünnen Gabelenden befanden sich die meiste Zeit in schwirrender Bewegung, so daß man sie nur verschwommen sehen konnte.
„Komm mit“, sagte Chouns. „Sie werden uns nichts tun; ich bin ganz sicher.“
Die Tiere, oder was immer sie waren, umringten die zwei Männer in vorsichtiger Distanz. Ihre Schwanzenden machten ein moduliertes summendes Geräusch.
„Vielleicht verständigen sie sich auf diese Weise“, meinte Chouns. „Und ich glaube, es gibt keinen Zweifel, daß sie Vegetarier sind.“ Er zeigte zu einer der Hütten, wo ein kleines Exemplar der Gattung auf den Hinterkeulen saß und eine Ähre des bernsteinfarbenen Getreides mit dem gegabelten Schwanz durch den Mund zog.
„Menschen essen auch Gemüse“, sagte Smith, „aber das beweist gar nichts.“
Weitere geschwänzte Geschöpfe kamen zum Vorschein, betrachteten die fremden Besucher und verschwanden wieder im Grün und Rosa der Vegetation.
„Für mich gibt es keinen Zweifel, daß sie Vegetarier sind“, sagte Chouns mit Entschiedenheit. „Sieh dir nur die Art und Weise an, wie sie die Hauptfrucht kultivieren und pflegen.“
Die Hauptfrucht, wie Chouns es nannte, bestand aus einer Krone weicher, lanzettförmiger Blätter in Bodennähe, aus deren Mitte ein behaarter Stamm wuchs, der in Abständen von fünf Zentimetern fleischige, geäderte und so lebendig wirkende Knospen trug, daß sie fast zu pulsieren schienen. Der Stamm endete an der Spitze in den blaß rosa Blüten, die noch am ehesten an irdische Pflanzen gemahnten.
Die Gewächse standen in genau ausgerichteten Reihen, und der Boden um sie her war sorgfältig gelockert und mit einer Substanz überpudert, die vernünftigerweise nichts als Dünger sein konnte. Schmale Pfade, gerade breit genug für einen Dorfbewohner, zogen sich kreuz und quer durch das Feld, und jeder dieser Pfade wurde zu beiden Seiten von schmalen Gräben gesäumt, die offenbar der Bewässerung dienten.
Die meisten Dorfbewohner waren in die Felder zurückgekehrt, wo sie fleißig und mit gebeugten Köpfen arbeiteten. Nur wenige blieben in der Nähe der beiden Männer.
Chouns nickte anerkennend. „Gute Landwirte, diese Schwanzleute.“
„Nicht schlecht“, pflichtete ihm Smith bei. Er ging zur nächsten der blaßrosa Blüten und wollte sie pflücken; aber kurz vor dem Zugreifen wurde er von unvermittelt zu schriller Höhe anschwellenden Summtönen und der Berührung eines Schwanzendes aufgehalten. Die Berührung war behutsam, aber fest.
Smith wich zurück. „Was zum Henker ...“
Er griff zur Waffe, als Chouns sagte: „Kein Grund zur Aufregung; laß das Ding stecken.“
Ein halbes Dutzend der seltsamen Geschöpfe versammelte sich jetzt um die beiden. Die Vierbeiner boten ihnen mit sanften und beinahe demütig anmutenden Gebärden Getreidehalme und Ähren an. Einige hielten sie mit den Schwanzgabeln, andere in den Mündern.
„Sie sind friedfertig, das siehst du selbst“, sagte Chouns. „Blumenpflücken könnte gegen ihre Sitten sein; wahrscheinlich müssen die Pflanzen nach strengen Regeln behandelt werden. Jede landwirtschaftliche Kultur hat wahrscheinlich Fruchtbarkeitsriten, und der Himmel weiß, was bei diesen Leuten damit zusammenhängt. Die Regeln für den Anbau der Pflanzen müssen strikt sein, sonst gäbe es nicht diese genau abgezirkelten Reihen ... Teufel noch mal, zu Hause werden sie Augen machen, wenn sie das hören!“
Das Schwanzgesumm ging wieder in eine hohe Tonlage über, und die Geschöpfe in ihrer Nähe zogen sich ein wenig zurück. Aus einer größeren Hütte im Mittelpunkt des Dorfes kam ein weiteres Mitglied der Art. „Wahrscheinlich der Häuptling“, sagte Chouns.
Der neue Vierbeiner kam langsam auf sie zu, den Schwanz in die Höhe gereckt und jedes der Gabelenden um einen kleinen, schwarzen Gegenstand gewickelt. Knapp zwei Meter vor ihnen machte das Wesen halt und bog den Schwanz wie ein Skorpion vornüber, ihnen entgegen. „Er will uns etwas geben“, sagte Smith verblüfft. „Da, sieh es dir an!“
Chouns starrte die Dinger an, zwinkerte die Augen und schüttelte den Kopf. „Das sind hyperspatiale Gamow-Visiergeräte“, stieß er hervor. „So ein Ding kostet zehntausend Dollar!“
Nach einer Stunde an Bord kam Smith wieder zum Vorschein und rief aufgeregt aus der Einstiegsöffnung: „Sie arbeiten. Sie sind völlig einwandfrei. Wir sind reich.“
„Ich habe ihre Hütten durchsucht“, rief Chouns zurück. „Mehr von der Sorte konnte ich nicht finden.“
„Die zwei sind auch nicht zu verachten, mein Gott, die sind so gut wie bares Geld.“
Aber Chouns blickte verdrießlich umher, die Arme in die Seiten gestemmt. Drei von den Schwanzleuten hatten ihn von Hütte zu Hütte geführt - geduldig, ohne ihn zu behindern, aber immer zwischen ihm und den geometrisch angepflanzten blaßrosa Blumen bleibend. Nun starrten sie ihn aus ihren vielen Quellaugen an. „Übrigens sind sie vom neuesten Modell“, sagte Smith, als er zu ihm kam. „Sieh hier.“ Er zeigte auf die eingeprägte Schrift, und Chouns las: „Modell X-20, Gamow, Warschau.“
Chouns wandte sich achselzuckend ab und sagte ungeduldig, während er über die Felder blickte: „Mir liegt daran, mehr von den Dingern zu bekommen. Ich weiß, daß es irgendwo noch welche geben muß, und ich werde sie mir holen.“ Sein Gesicht war gerötet, und er atmete schwer.
Die Sonne ging unter; die Temperatur sank rasch, und es wurde unangenehm kühl. Smith nieste zweimal, dann auch Chouns.
„Wir werden uns noch eine Lungenentzündung holen“, sagte Smith durch die Nase.
„Ich muß ihnen verständlich machen, was ich will“, beharrte Chouns. Er hatte hastig Würstchen aus der Dose gegessen und zwei Tassen Kaffee in sich hineingegossen und war bereit für einen neuerlichen Versuch.
Er hob das Visiergerät in die Höhe. ,Mehr“, sagte er, „mehr“, und machte kreisende Armbewegungen dazu. Er zeigte auf ein Visiergerät, dann auf das andere, dann auf die imaginären, die vor ihm aufgereiht schienen und die es herbeizuschaffen galt. „Mehr!“
Dann, als das Abendrot am Horizont verblaßte, erhob sich aus allen Feldern ein gewaltiges, durchdringendes Summen, und alle Vierbeiner in der Nähe neigten die Köpfe, hoben die gegabelten Schwänze und stimmten in das schrille Abendkonzert ein.
„Was zum Teufel“, stieß Smith unbehaglich hervor. „He, sieh dir die Blüten an!“ Er nieste wieder.
Die blaßrosa Blüten welkten sichtbar.
Chouns mußte laut sprechen, um sich durch das schrille Summen und Vibrieren Gehör zu verschaffen. „Es könnte eine Reaktion auf den Sonnenuntergang sein. Du weißt schon, manche Blüten schließen sich abends. Und der Lärm könnte eine religiöse Andacht zur Begleitung des Vorgangs sein.“
Eine leichte Schwanzberührung am Handgelenk ließ Chouns aufmerken. Der Schwanz gehörte einem der Geschöpfe in der Nähe und wurde nun zum Himmel emporgereckt, zu einem strahlend hellen Gestirn tief am Westhimmel. Die gegabelte Schwanzspitze schwenkte beweglich herum und zeigte auf das Visiergerät, dann wieder hinauf zu dem Himmelskörper.
„Natürlich! Der innere Planet; der andere, auch bewohnbare“, sagte Chouns aufgeregt. „Diese Geräte müssen von dort gekommen sein.“ Der Gedanke brachte ihn auf eine Idee, und er rief in plötzlichem Erschrecken: „Mensch, Allen, der Hauptantrieb ist noch nicht repariert!“
Smith machte ein erschrockenes Gesicht, als ob auch er es vergessen hätte; dann murmelte er: „Ich wollte es dir schon vorhin sagen - es ist wieder in Ordnung.“
„Du hast ihn gerichtet?“
„Überhaupt nicht angerührt. Aber als ich die Visiergeräte überprüfte, schaltete ich die Bordinstrumente ein, und sie funktionierten. Alle Anzeigen standen auf Normal. In dem Moment fiel es mir gar nicht auf; ich hatte ganz vergessen, daß wir einen Schaden hatten. Jedenfalls scheint alles in Ordnung.“
„Dann laß uns starten“, sagte Chouns ohne zu zögern. Nicht einen Augenblick kam ihm der Gedanke an Schlaf in den Sinn.
Der Flug dauerte sechs Stunden, und keiner der beiden tat ein Auge zu. Sie harrten mit einer fast rauschhaften Leidenschaft in der Pilotenkabine aus, bis sie am Ziel waren. Wieder wählten sie für die Landung eine freie Fläche aus.
Es war ein heißer, subtropischer Nachmittag; und unweit von ihnen zog ein breiter, lehmgelber Fluß träge vorüber. Die steilen Uferböschungen waren an vielen Stellen von großen Löchern ausgehöhlt.
Die beiden Männer kletterten von Bord, sahen sich um, und Smith rief mit heiserer Stimme: „Herman, sieh nur!“
Chouns schüttelte die zupackende Hand des Gefährten ab. „Die gleichen Pflanzen!“ sagte er verdutzt.
Die blaßrosa Blüten, die behaarten Stengel mit ihren geäderten Knospen und der Kranz lanzettförmiger Blätter am Fuß waren unverkennbar. Und auch hier standen die Pflanzen sorgfältig aufgereiht, und der Boden war gejätet und gedüngt.
„Wir können doch nicht einen Fehler gemacht und die gleiche Welt umkreist haben“, sagte Smith.
„Nein, du brauchst dir bloß die Sonne anzusehen; sie hat fast den doppelten Durchmesser. Und dort!“
Aus einigen der Baue in der Uferböschung glitten gelbbraune, bewegliche Tiere wie Schlangen. Sie waren ungefähr drei Meter lang und mochten einen Durchmesser von dreißig Zentimetern haben. Die beiden Enden waren stumpf und ohne irgendwelche Merkmale, doch entlang ihren Oberseiten befanden sich beulenartige Erhebungen, die vor den Augen der beiden Männer im Gleichmaß anschwollen, sich wie lippenlose Münder spalteten und mit schmatzenden Geräuschen wieder schlossen.
Bald darauf schienen die seltsamen Geschöpfe ihre Neugierde befriedigt zu haben, und geradeso, wie die geschwänzten Dorfbewohner es auf dem äußeren Planeten getan hatten, entfernten sich die meisten von ihnen zu den sorgfältig gepflegten Anpflanzungen.
Smith nieste. Die Gewalt der ausgestoßenen Atemluft traf den angehobenen Jackenärmel und ließ eine pulverige Wolke davon aufstäuben. Er starrte verwundert auf den Ärmel, dann begann er seine Kleider abzuklopfen und sagte: „Verdammt, alles ist staubig.“ Der Staub erhob sich wie blaßrosa Nebel. „Du bist auch ganz eingestaubt“, fügte er hinzu und beklopfte Chouns Kleidung.
Beide niesten und niesten.
„Das müssen wir auf dem anderen Planeten eingefangen haben, nehme ich an“, sagte Chouns.
„Wir könnten uns eine Allergie zuziehen.“
„Ausgeschlossen.“ Chouns hielt eins der Visiergeräte in die Höhe und rief den Riesenwürmern zu: „Habt ihr solche Dinger?“
Für eine Weile gab es keine andere Antwort als das Platschen des Wassers, als eines der walzenförmigen Lebewesen in den Fluß glitt und mit triefenden Klumpen irgendwelcher Wasserpflanzen wieder auftauchte, die bald in einem verborgenen Mund unter dem Körper verschwanden.
Aber dann kam einer der Riesenwürmer herangekrochen, das stumpfe Vorderende angehoben und, blindlings suchend, von einer Seite zur anderen tastend. Eine der Rückenerhebungen schwoll an, sanft zuerst, dann überraschend schnell, und öffnete sich mit einem Geräusch wie das Entkorken einer Flasche. In den beiden Hälften ruhten zwei weitere Visiergeräte, die Duplikate der ersten zwei.
„Herr im Himmel, ist das nicht wunderbar?“ rief Chouns ekstatisch. Er trat schnell vorwärts und streckte die Hand nach den Visiergeräten aus. Die beiden Hälften der geöffneten Blase wurden dünner und länger, bis sie kurzen Armen glichen, die sich ihnen entgegenstreckten.
Chouns lachte glücklich. Es waren tatsächlich Gamow-Visiergeräte; genaue Duplikate der ersten zwei. Chouns drehte und wendete sie beglückt zwischen den Fingern.
„Kannst du nicht hören?“ rief Smith. „Herman, verdammt noch mal, so hör doch!“
Chouns blickte auf und sagte: „Was?“ Ihm wurde undeutlich bewußt, daß Smith seit einiger Zeit zu ihm herübergerufen hatte.
„Sieh dir die Blumen an, Herman!“
Die Blüten schlossen sich, wie die anderen auf dem äußeren Planeten es getan hatten, und zwischen den Reihen der Pflanzen reckten die Riesenwürmer die Vorderleiber empor und schwankten in einem seltsamen, unterbrochenen Rhythmus. Ihre stumpfen Vorderenden erhoben sich über das blaß rosa Blütenmeer.
Smith sagte: „Du kannst nicht sagen, sie schlössen sich, weil es Abend würde. Es ist heller Tag.“
Chouns zuckte die Schultern. „Ein anderer Planet, andere Pflanzen. Komm mit! Wir haben hier nur zwei Visiergeräte bekommen; es muß mehr davon geben.“
„Herman, laß uns an Bord gehen.“ Smith ergriff seinen Arm und hielt ihn zurück.
Chouns wandte das gerötete Gesicht zu ihm um und musterte ihn ärgerlich. „Was soll das?“
„Wenn du nicht sofort mit an Bord kommst, schlage ich dich k.o.“
Einen Augenblick stand Chouns unschlüssig; dann verlor sich die gespannte Wildheit, die eben noch seine Haltung bestimmt hatte. Er entspannte sich und sagte: „In Ordnung. Meinetwegen.“
„Wie geht es dir?“ fragte Smith.
Chouns richtete sich in seiner engen Koje auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Normal, denke ich; wieder bei Sinnen. Wie lange habe ich geschlafen?“ „Zwölf Stunden.“
„Und du?“
„Ich habe hin und wieder ein Nickerchen gemacht.“
Smith wandte sich ostentativ den Instrumenten zu und nahm einige geringfügige Einstellungen vor. Nach einem forschenden Seitenblick zu Chouns, sagte er: „Weißt du, was auf den Planeten dort geschehen ist?“ Chouns wollte den Kopf schütteln, runzelte statt dessen die Stirn und fragte: „Weißt du es?“
„Ich glaube, ja.“
„Wirklich? Darf ich hören?“
„Es war auf beiden Planeten die gleiche Pflanzenart“, sagte Smith. „Das wirst du mir wohl zugestehen, wie?“ „Selbstverständlich.“
„Sie wurde irgendwie von einem Planeten zum anderen verpflanzt; auf beiden gedeiht sie ausgezeichnet; aber gelegentlich ist eine Kreuzung der beiden Gattungen notwendig, vielleicht, um die Widerstandskraft der Art zu erhalten. Das gehört auch auf der Erde zu den Prinzipien der Arterhaltung.“
„Das ist richtig, ja.“
„Aber wir waren die Wirkkraft, die die Vermischung besorgte. Wir landeten auf einem Planeten und waren mit Pollen bedeckt. Erinnerst du dich an das Sichschließen der Blumen? Das muß kurz nach der Entlassung ihres Pollens gewesen sein; und darum mußten wir auch niesen. Dann landeten wir auf dem anderen Planeten und klopften den Pollen aus unseren Kleidern. Die Folge davon wird eine neue Hybridenart sein. Wir waren bloß zweibeinige Bienen, Herman, die ihre Pflicht taten, indem sie die Blüten bestäubten.“
Chouns mußte lächeln. „Eine nicht sehr ruhmreiche Rolle, in einer Weise.“
„Zum Teufel, das ist es nicht. Siehst du die Gefahr nicht? Siehst du nicht, warum wir so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren müssen?“
„Warum?“
„Weil Organismen sich nicht umsonst anpassen. Die-se Pflanzen scheinen auf interplanetarische Bestäubung spezialisiert zu sein. Wir wurden sogar belohnt, genau wie Bienen belohnt werden; nicht mit Nektar, aber mit Gamow-Visiergeräten.“
„Ich verstehe. Aber worauf willst du hinaus?“
„Nun, interplanetarische Bestäubung ist nur möglich, wenn etwas oder jemand da ist, der die Arbeit ausführt. Diesmal taten wir es, aber wir waren die ersten Menschen, die jemals in diesen Kugelhaufen eingedrungen sind. Also müssen es bei früheren Gelegenheiten Nichtmenschen besorgt haben. Das heißt, daß es irgendwo in diesem Sternhaufen eine Rasse intelligenter Lebewesen gibt; intelligent genug für die Raumfahrt. Die Erde muß davon erfahren.“
Smith runzelte die Brauen. „Findest du meine Logik fehlerhaft?“
Chouns stützte den Kopf in beide Hände und machte eine unglückliche Miene. „Ich würde sagen, daß dir fast alles entgangen ist.“
„Was soll mir entgangen sein?“ verlangte Smith aufgebracht zu wissen.
„Deine Bestäubungstheorie ist gut, aber du hast einiges dabei nicht berücksichtigt. Als wir uns dem Sternsystem näherten, fiel unser Hauptantrieb aus, und die automatische Fehleranzeige konnte weder eine Diagnose stellen noch den Fehler beheben. Nach der Landung unternahmen wir nichts, um die Fehlerquelle zu suchen. Um die Wahrheit zu sagen, wir vergaßen einfach, daß ein Defekt aufgetreten war. Und als du später die Instrumente einschaltetest, fandest du, daß alles völlig in Ordnung war. Die Entdeckung beeindruckte dich jedoch so wenig, daß du sie mir gegenüber nicht einmal erwähntest.
Nimm etwas anderes: Wie praktisch und bequem war es, daß wir Landeplätze wählten, die auf beiden Planeten in unmittelbarer Nähe von Ansammlungen tierischen Lebens waren. Bloßer Zufall? Und unser unglaubliches Vertrauen in die Gutwilligkeit und Harmlosigkeit der Geschöpfe! Wir machten uns nicht mal die Mühe, die Atmosphären auf Spuren von Giftstoffen zu untersuchen, bevor wir uns ihnen aussetzten.
Und was mich am meisten von allem stört, ist der Umstand, daß ich über den Gamow-Visiergeräten schier den Verstand verlor. Warum? Die Dinger sind wertvoll, ja, aber so wertvoll nun wieder auch nicht. Und im allgemeinen springe ich für ein Stück Geld nicht gleich über Bord.“
Smith hatte während der Rede unbehaglich geschwiegen; jetzt sagte er: „Ich verstehe nicht, was das zu sagen haben sollte.“
„Hör schon auf damit, Allen; du weißt es besser. Es ist offensichtlich, daß unser Bewußtsein von außen gesteuert wurde.“
Smith verzog den Mund zu einer Grimasse, die auf halbem Weg zwischen Hohn und Zweifel steckenblieb. „Fängst du wieder mit der Telepathie-Masche an?“
„Warum nicht? Tatsachen sind Tatsachen. Ich sagte dir, daß mein Riecher eine Form von rudimentärer Telepathie sein könnte.“
„Ist das auch eine Tatsache? Vor ein paar Tagen dachtest du es nicht.“
„Jetzt denke ich es. Sieh mal, ich bin ein besserer Empfänger als du, und infolgedessen wurde ich stärker beeinflußt. Nun, da es vorbei ist, verstehe ich mehr davon, was geschehen ist, weil ich mehr empfing. Begreifst du das?“
„Nein.“
„Dann höre mich weiter an. Du sagtest selbst, die Ga-mow-Visiergeräte seien der Nektar, der uns zur Bestäubung verleiten sollte. Du selbst sagtest das.“
„Richtig.“
„Nun gut, woher kamen die Dinger? Es waren Erzeugnisse der Erde; wir lasen sogar Modellnummern und Hersteller darauf, Buchstabe für Buchstabe. Trotzdem, wo kamen die Dinger her, wenn noch nie ein Mensch in diesem Sternhaufen gewesen ist? Solange wir dort waren, machte sich keiner von uns darüber Gedanken; du scheinst es nicht einmal jetzt zu tun.“
„Also, ich meine...“
„Was tatest du mit den Visiergeräten, nachdem wir an Bord gingen, Allen? Du nahmst sie mir ab; daran kann ich mich erinnern.“
„Ich tat sie in den Safe“, sagte Smith.
„Hast du sie seitdem angerührt?“
„Nein.“
„Habe ich sie angerührt?“
„Meines Wissens nicht.“
„Du hast mein Wort, daß ich es nicht getan habe. Warum machst du den Safe nicht auf?“
Smith erhob sich und trat zögernd vor den Safe. Das Schloß war auf seine Fingerabdrücke eingestellt und öffnete sich auf Anhieb. Ohne nachzuschauen, griff er hinein. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, und er bückte sich mit einem unterdrückten Fluch und starrte hinein, dann scharrte er den Inhalt heraus.
Als er sich umwandte, hatte er vier Gesteinsbrocken von verschiedener Farbe in den Händen. Das einzige Gemeinsame an ihnen war die grob rechteckige Form.
„Sie benutzten unsere eigenen Gefühle, um uns zu lenken“, sagte Chouns sinnend. „Sie machten uns glauben, der Schiffsantrieb sei defekt, damit wir auf einem der Planeten landeten; vermutlich war es gleich, welchen wir wählten. Nachdem wir landeten, machten sie uns glauben, wir hätten Präzisionsinstrumente in der Hand, damit wir auf der Jagd nach weiteren Instrumenten zum Nachbarplaneten rasen würden.“
„Wer sind sie?“ fragte Smith verdrießlich. „Die Gabelschwänze oder die Riesenwürmer? Oder beide?“
„Weder die einen noch die anderen“, sagte Chouns. „Es waren die Pflanzen.“
„Die Pflanzen? Die Blumen?“
„Gewiß. Wir sahen zwei verschiedene Tierarten dieselbe Pflanzengattung pflegen. Da wir selbst Tiere sind, vermuteten wir, daß die Tiere die Herren wären. Aber warum sollten wir das vermuten? Die Pflanzen waren es, für die gesorgt wurde.“
„Auch wir bauen auf der Erde Pflanzen an, Herman.“ „Aber wir essen diese Pflanzen“, erwiderte Chouns.
„Und vielleicht essen diese Lebewesen ihre Pflanzen ebenfalls.“
„Ich weiß, daß sie es nicht tun“, sagte Chouns. „Die Pflanzen manipulierten uns, und sie machten ihre Sache gut. Erinnerst du dich, wie sorgfältig ich darauf bedacht war, eine freie Fläche als Landeplatz zu finden?“
„Ich verspürte keinen solchen Drang.“
„Du warst auch nicht an der Steuerung; deinetwegen waren sie nicht besorgt. Und denke daran, daß wir den Blütenstaub überhaupt nicht bemerkten, obwohl wir damit bedeckt waren. Erst als wir auf dem inneren Planeten gelandet waren und in der Nähe gleichartiger Pflanzen standen, fiel es uns auf, und wir klopften den Pollen aus unseren Kleidern. Auf Befehl.“
„Ich habe noch nie so etwas Unmögliches gehört.“ „Warum sollte es unmöglich sein? Wir vermuten in Pflanzen keine Intelligenz, weil Pflanzen keine Nervensysteme haben; aber diese könnten eines besitzen. Erinnerst du dich an die fleischigen Knospen an den Stengeln? Außerdem können Pflanzen sich nicht frei bewegen. Aber das haben sie auch nicht nötig, wenn sie telepathische Fähigkeiten entwickeln und von frei beweglichen Tieren Gebrauch machen können. Sie werden umsorgt, gedüngt, bewässert, bestäubt und so fort. Die Tiere pflegen sie mit aufrichtiger Ergebenheit und sind glücklich dabei, weil die Pflanzen ihnen dieses Gefühl eingeben.“
„Du tust mir leid“, meinte Smith. „Wenn du nach Hause kommst und diese Geschichte erzählst, möchte ich nicht in deiner Haut stecken.“
„Ich mache mir keine Illusionen“, murmelte Chouns. „Aber was bleibt uns anderes übrig, als die Erde zu warnen? Du siehst, was sie mit den Tieren tun.“
„Nach deiner Version machen sie Sklaven aus ihnen.“ „Schlimmeres. Die Schwanzleute oder die Würmer oder alle beide müssen einmal hinlänglich zivilisiert gewesen sein, um die Raumfahrt zu entwickeln; andernfalls könnten die Pflanzen nicht auf beiden Welten vorkommen. Aber sobald die Pflanzen telepathische Kräfte entwickelten, vielleicht durch eine Mutation, nahm diese Art von Zivilisation ein Ende. Tiere im Stadium der naturbeherrschenden technischen Zivilisation sind gefährlich; sie neigen zu rücksichtslosem Umgang mit der Pflanzenwelt. Also wurden sie dazu gebracht, ihre ganze Zivilisation zu vergessen und zu werden, was sie jetzt sind. Ich sage dir, Allen, diese Pflanzen sind verdammt gefährlich! Die Heimat muß informiert werden, denn eines Tages könnten andere Menschen in diesen Sternhaufen eindringen.“
Smith lachte. „Weißt du, ich glaube, du liegst da völlig schief. Wenn diese Pflanzen uns wirklich unter Kontrolle gehabt hätten, warum sollten sie uns dann fortgelassen haben, um die nach uns Kommenden zu warnen?“
„Das weiß ich auch nicht.“
Smiths gute Laune war wiederhergestellt. „Einen Augenblick lang war ich nahe daran, dir zu glauben“, sagte er.
Chouns rieb sich angestrengt das Kinn. Warum hatten sie gehen dürfen? Und was das betraf, warum verspürte er diesen schrecklichen Drang, die Erde vor einer Sache zu warnen, mit der die Menschheit wahrscheinlich für Jahrtausende nicht in Berührung kommen würde? Er grübelte, bis er die Antwort in Reichweite fühlte, doch als er zugreifen wollte, entzog sie sich ihm. Es war beinahe so, als ob der Gedanke fortgestoßen worden wäre; aber dann verging auch dieses Gefühl.
Er wußte nur, daß sie sich beeilen mußten.
Auf diese Weise waren nach ungezählten Jahren wieder die geeigneten Bedingungen zustande gekommen. Die Protosporen von zwei planetarischen Unterarten der Hauptgattung kamen zusammen und vermischten sich in den Kleidern, im Haar und im Schiff der neuen Tiere. Beinahe sofort bildeten sich die Hybridensporen, die allein das Potential und die Fähigkeiten besaßen, sich den Bedingungen eines neuen Planeten anzupassen.
Jetzt warteten die Sporen still im Schiff, während der letzte, den Geschöpfen an Bord von der Mutterpflanze mitgeteilte Impuls sie mit größter Beschleunigung einer neuen, reifen Welt näher brachte, wo freibewegliche Lebewesen sich ihrer Bedürfnisse annehmen würden.
Mit der Geduld von Pflanzen (der alles bezwingenden Geduld, die kein Tier jemals zu erfassen vermag) erwarteten die Sporen ihre Ankunft auf einer neuen Welt - jede, in ihrer winzigen Art und Weise, ein Entdecker ...
Die in diesem Band gesammelten Kurzgeschichten sind noch nicht oft in Anthologien erschienen. Das ist der Grund, weshalb ich sie ausgewählt habe. EACH AN EXPLORER ist jedoch schon zweimal in Anthologien herausgekommen, einmal 1957 und einmal 1973.
Aber das ist noch immer nicht viel. Manche meiner Erzählungen erscheinen viele Male. Eine kleine Geschichte mit dem Titel THE FUN THEY HAD ist seit der Erstveröffentlichung im Jahre 1951 bis heute mindestens zweiundvierzigmal erschienen und wird in absehbarer Zeit noch achtmal herauskommen. Möglicherweise ist sie auch noch anderswo erschienen, aber ich habe nur zweiundvierzig Belege in meiner Bibliothek.
Herausgeber versuchen, sich immer wieder einen Dreh auszudenken. Manchmal bin ich dabei das Opfer.
Am 14. November 1956 war ich im Büro der „Infinity Science Fiction“ und sprach mit dem Herausgeber Larry Shaw. Wir kamen gut miteinander aus, er und ich (das soll nicht wie eine Ausnahme klingen. Ich komme mit nahezu jedem gut zurecht), und ich besuchte ihn häufig, wenn ich nach New York kam.
An diesem Tag hatte er eine Idee. Er wollte mir den Titel für eine Geschichte geben - den am wenigsten inspirierenden Titel, den er sich ausdenken konnte -, und ich sollte auf der Stelle eine Kurzgeschichte zu diesem Titel schreiben. Dann würde er denselben Titel zwei anderen Schriftstellern geben, und sie würden das gleiche tun.
Ich fragte vorsichtig, was für ein Titel das sei, und er sagte: „Nichts.“
„Nichts?“ sagte ich.
„Nichts“, bestätigte er.
Also dachte ich ein wenig nach und schrieb die folgende Kurzgeschichte unter dem Titel BLANK! (mit einem Ausrufungszeichen).
Randall Garrett schrieb eine Geschichte mit dem Titel BLANK?, und Harlan Ellison schrieb eine mit dem Titel BLANK ohne jede Interpunktion.