Am Abend, da es begann, endete es auch schon. Es war nichts Besonderes. Es machte mir einfach zu schaffen; und es macht mir immer noch zu schaffen.
Joe Bloch, Ray Manning und ich saßen um unseren Lieblingstisch in der Eckkneipe und hatten einen Abend vor uns. Das ist der Anfang.
Joe Bloch fing von der Atombombe an, und was seiner Meinung nach damit getan werden sollte, und wer hätte das vor fünf Jahren gedacht. Und ich sagte, viele hätten das vor fünf Jahren gedacht und Geschichten darüber geschrieben, und jetzt würde es hart für sie werden, ihren Vorsprung gegenüber den Zeitungen zu halten. Was zu einem allgemeinen Palaver darüber führte, wie viele verrückte Dinge sich in Zukunft noch bewahrheiten mochten, und es wurde viel mit Beispielen herumgeworfen.
Ray sagte, er habe von jemand gehört, daß irgendein berühmter Wissenschaftler einen Klumpen Blei in der Zeit rückwärts befördert hätte - ungefähr zwei Sekunden, er wußte nicht genau, was. Er sagte, der betreffende Wissenschaftler halte das Ergebnis geheim, weil er fürchte, niemand werde ihm glauben.
Also fragte ich ziemlich sarkastisch, wie es komme, daß er davon wisse. Ray mag viele Freunde haben, aber ich habe die gleichen Freunde wie er, und kein berühmter Wissenschaftler ist unter ihnen. Aber er sagte, es sei ihm gleich, ob ich ihm glaube oder nicht, und es gehe mich nichts an, woher er es habe.
Damit aber war das Thema gefunden, und es wurde nur noch über Zeitmaschinen gesprochen, und wie man damit zurückginge und den eigenen Großvater umbrächte, und warum niemand aus der Zukunft zurückkäme und uns sagte, wer den nächsten Krieg gewinnen werde oder ob es überhaupt einen nächsten Krieg geben werde, und ob man dadurch überhaupt noch irgendwo auf Erden leben könnte, gleichgültig, wer gewinnen würde.
Ray meinte, er wäre schon zufrieden, wenn er während des sechsten Rennens den Gewinner des siebten wissen würde.
Aber Joe war anderer Meinung. Er sagte: „Das Dumme mit euch ist, daß ihr nur Kriege und Pferderennen im Kopf habt. Was mich angeht, ich bin neugierig. Wißt ihr, was ich tun würde, wenn ich eine Zeitmaschine hätte?“
Wir wollten es natürlich sofort wissen, schon bereit, ihn auszulachen, was immer es sein mochte.
Er sagte: „Wenn ich eine hätte, würde ich fünfzig Millionen Jahre zurückgehen und herausbringen, was aus den Dinosauriern wurde.“
Zu Joes Pech fanden Ray und ich, daß das überhaupt keinen Sinn habe. „Wen kümmern schon Dinosaurier?“ fragte Ray. Und ich sagte, sie taugten bloß dazu, Skelette für Leute zu liefern, die bescheuert genug seien, in Museen die Fußböden abzunutzen; und es sei eine gute Sache, daß sie höherentwickelten Lebensformen Platz gemacht hätten. Zum Beispiel den Menschen. Natürlich sagte Joe darauf, wenn er sich so einige Menschen betrachte, die er kenne - und er warf uns einen bedeutungsvollen Blick zu -, sei er manchmal im Zweifel, ob die Natur nicht doch lieber bei den Dinosauriern hätte bleiben sollen, aber das ließen wir an uns ablaufen.
„Ihr dummen Wichtigtuer könnt lachen und euch einbilden, daß ihr etwas wüßtet, aber ihr habt eben keine Phantasie“, sagte er. „Diese Dinosaurier waren eine große Sache. Alle möglichen Arten, Millionen von ihnen - und dann ist es auf einmal aus mit ihnen.“ Er schnippte mit den Fingern.
Wieso, wollten wir wissen.
Aber er trank nur sein Bier aus und winkte Charly mit einer Münze, um zu beweisen, daß er auch das nächste bezahlen wollte, und zuckte einfach die Schultern. „Ich weiß nicht. Das ist ja gerade, was ich heraus-bringen würde.“
Das war alles, und damit hätte es sein Bewenden gehabt. Ich hätte was gesagt, und Ray hätte einen Witz gerissen, und wir hätten alle noch ein Glas Bier getrunken und uns vielleicht über das Wetter und die Baseballsaison der Brooklyn Dodgers unterhalten, und schließlich wären wir auseinandergegangen, ohne noch einmal an Dinosaurier zu denken.
Aber es kam eben anders, und nun habe ich nichts als Dinosaurier im Kopf und möchte am liebsten nichts mehr davon wissen.
Und nur, weil der Trunkenbold am Nebentisch plötzlich aufstand und mit „He, Sie!“ anfing.
Wir hatten ihn bisher nicht bemerkt. Im allgemeinen kümmern wir uns nicht um unbekannte Trinker in Wirtshäusern. Ich habe genug mit den Trinkern zu tun, die ich kenne. Dieser Bursche hatte eine Flasche vor sich, die halb leer war, und das Glas in seiner Hand war halb voll. Wir sahen uns alle nach ihm um, und Ray sagte: „Frag ihn, was er will, Joe.“
Joe war dem Mann am nächsten. Er kippte seinen Stuhl zurück und sagte: „Was wollen Sie?“
Der Trunkenbold sagte: „Hörte ich richtig? Sprachen die Herren von Dinosauriern?“
Er war ein bißchen benebelt, und seine Augen plier-ten uns wäßrig an, und daß sein Hemd einmal weiß gewesen war, konnte man nur erraten, aber es muß die Art gewesen sein, wie er redete. Er hörte sich nicht wie ein Trunkenbold an, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Joe entspannte sich ein wenig und nickte. „Wollen Sie was darüber wissen?“
Er musterte uns nacheinander mit seinem triefäugigen Blick und lächelte. Es war ein komisches Lächeln, das bei den Mundwinkeln anfing und aufhörte, bevor es die Augen erreichte. Er sagte: „Wollten Sie nicht eine Zeitmaschine bauen und durch die Zeit rückwärts reisen, um zu erfahren, was mit den Dinosauriern geschah?“
„Warum?“ sagte Joe. „Wollen Sie mir eine bauen?“
Der Trunkenbold zeigte ein Durcheinander von Zähnen und sagte: „Nein, mein Herr. Ich könnte, aber ich will nicht. Und wissen Sie, warum nicht? Weil ich mir vor ein paar Jahren eine Zeitmaschine baute und damit ins Mesozoikum reiste und feststellte, was zum Aussterben der Dinosaurier führte.“
Später schlug ich nach, wie man „Mesozoikum“ schreibt, deshalb habe ich es richtig, falls Sie sich fragen, und ich las, daß das Mesozoikum die Zeit der Dinosaurier war. Aber zu der Zeit wußte ich das alles nicht und dachte, wir hätten es mit einem Verrückten zu tun. Joe behauptete nachher, er habe gewußt, was Mesozoikum sei, aber er kann lange reden, ehe Ray und ich ihm glauben.
Immerhin, der Mann hatte uns neugierig gemacht, und wir luden ihn ein, sich zu uns zu setzen. Ich glaube, ich dachte mir, wir könnten ihm eine Weile zuhören und vielleicht etwas aus der Flasche kriegen, und die anderen mußten ähnlich gedacht haben. Aber er hielt die Flasche fest in der rechten Hand, als er sich an unseren Tisch setzte, und ließ sie die ganze Zeit nicht los.
Ray sagte: „Wo haben Sie eine Zeitmaschine gebaut?“
„An der Midwestern-Universität. Meine Tochter und ich arbeiteten gemeinsam daran.“
Er hörte sich wirklich wie ein Eierkopf an, was das anging.
„Wo haben Sie Ihre Zeitmaschine jetzt?“ fragte ich. „In der Tasche?“
Er zuckte nicht mit der Wimper; unsere Späße konnten ihn nicht hochbringen. Es war, als spräche er laut zu sich selbst, ohne auf uns zu achten. Wenn wir aufgestanden und weggegangen wären, hätte es ihm wahrscheinlich auch nichts ausgemacht.
Er sagte: „Hab’ sie kurz und klein geschlagen. Wollte sie nicht mehr. Hatte genug davon.“
Wir glaubten ihm kein Wort. Er mußte ein ausgemachter Spinner sein. Ist doch klar, denn wenn jemand eine Zeitmaschine erfinden würde, könnte er damit Millionen machen. Er könnte nach Belieben Geld verdienen, weil er schon vorher wüßte, wie es mit dem Aktienmarkt und den Pferderennen und den Wahlen weitergehen würde. Er würde alles das nicht einfach wegwerfen, egal, welche Gründe es dafür geben mochte. Außerdem glaubten wir sowieso nicht an Zeitreisen, denn was wäre, wenn man wirklich den eigenen Großvater umbrächte?
Nun, das tut nichts zur Sache.
Joe sagte: „Natürlich, Sie haben das Ding in Stücke geschlagen. Kann man verstehen. Wie heißen Sie eigentlich?“
Aber darauf antwortete er nicht; wollte einfach nicht sagen, wer er sei. Wir fragten ihn noch ein paarmal, dann nannten wir ihn einfach Professor.
Er trank sein Glas aus und füllte es bedächtig wieder auf. Er bot uns nichts von seinem Whisky an, und wir schluckten unser Bier.
„Also, erzählen Sie“, sagte ich. „Was wurde aus den Dinosauriern?“
Aber er sagte es uns nicht gleich. Er stierte mitten auf den Tisch und redete zu ihm.
„Ich weiß nicht, wie viele Male Carol mich zurückschickte - immer nur ein paar Minuten oder Stunden -, bevor ich den großen Sprung machte. Die Dinosaurier interessierten mich überhaupt nicht. Ich wollte nur sehen, wie weit die Maschine mich mit der verfügbaren Energiemenge bringen würde. Gewiß, es war gefährlich, aber ist das Leben so wundervoll? Damals herrschte Krieg - was für eine Rolle spielte da ein weiteres Leben?“
Er plierte in sein Glas, als ob er über das Leben im allgemeinen nachdächte, dann schien er aufzuwachen und redete weiter. „Es war sonnig“, sagte er, „sonnig und hell; trocken und hart. Es gab keine Sümpfe, keine Farne, jedenfalls nicht dort, wo ich ankam. Nichts von den typischen Wesenszügen der Kreidezeit, die wir als den Lebensraum der Dinosaurier kennen.“
So ungefähr drückte er sich aus. Ich bekam die großen Worte nicht immer mit, also halte ich mich einfach an das, woran ich mich erinnern kann. Aber ich paßte gut auf und muß sagen, daß er diese schwierigen Wörter bei all dem Schnaps, den er in sich hineingoß, deutlich und ohne Gestotter aussprach.
Das war es vielleicht, was uns zu denken gab. Er tat so selbstverständlich, und es ging ihm alles so vertraut über die Lippen, als ob es nichts wäre.
„Es war ein spätes Zeitalter“, fuhr er fort, „zweifellos die Kreidezeit. Die Dinosaurier waren bereits am Aussterben - alle bis auf diese kleinen mit ihren Metallgürteln und ihren Schußwaffen.“
Joe steckte die Nase ins Bierglas und prustete: „Was für Kleine?“ fragte er, als er sich erholt hatte. „Was für Metallgürtel und Schußwaffen?“
Der Professor sah ihn einen Augenblick an, dann glitt sein Blick wieder ins Nichts ab. „Kleine Reptilien, ungefähr einen Meter zwanzig groß. Sie standen auf den Hinterbeinen, auf einen dicken Schwanz gestützt, und sie hatten kleine Arme mit Fingern. Um die Mitte trugen sie breite Metallgürtel, und an diesen hingen die Schußwaffen. Und das waren keine Waffen, die Schrotkügelchen verschossen; das waren Energieprojektoren.“
„Was?“ fragte ich. „Und wann soll sich das alles abgespielt haben? Vor Millionen von Jahren?“
„Richtig“, sagte er. „Es waren Reptilien. Sie hatten Schuppen und legten wahrscheinlich Eier. Aber sie gebrauchten Energiewaffen. Es waren fünf von ihnen, und sie stürzten sich auf mich, sowie ich aus der Maschine stieg. Es muß Millionen von ihnen gegeben haben, über die ganze Erde verstreut. Damals müssen sie die Herren der Schöpfung gewesen sein.“
Anscheinend dachte Ray, er hätte ihn, denn in seine Augen kam dieser schlaue Blick, bei dem man ihm am liebsten einen leeren Bierkrug über den Schädel schlagen würde, weil ein voller Bierverschwendung wäre. Er sagte: „Millionen, sagen Sie, hah? Es gibt doch Leute, die nichts anderes tun als alte Knochen suchen und mit ihnen herumspielen, bis sie ausgeknobelt haben, wie solche Dinosaurier aussahen. Die Museen sind voll von solchen Skeletten, nicht wahr? Nun, können Sie mir eines mit Metallgürtel zeigen, Professor? Wo ist es?“
Der Professor seufzte traurig. Vielleicht wurde ihm jetzt erst klar, daß er an einem Wirtshaustisch saß und es bloß mit drei Kerlen in Overalls zu tun hatte. Oder vielleicht war es ihm gleich.
„Man findet nicht viele Fossilien“, sagte er. „Stellen Sie sich vor, wie viele Tiere insgesamt auf der Erde gelebt haben. Stellen Sie sich vor, wie viele Milliarden und Trillionen es gegeben haben muß. Und dann überlegen Sie, wie wenig Fossilien wir finden. Und diese Echsen waren intelligent, vergessen Sie das nicht. Sie tappten nicht so leicht in Sumpflöcher oder dergleichen, es sei denn in seltenen Ausnahmefällen. Bedenken Sie, wie wenige fossile Überreste von Menschen es gibt - selbst von den halbintelligenten Affenmenschen, die vor einer Million Jahren lebten.“
Er starrte in sein Glas und drehte es herum und herum. „Was zeigen Fossilien überhaupt?“ fuhr er nach einer Pause fort. „Metall verrostet und oxydiert und hinterläßt nichts. Diese kleinen Echsen waren warmblütig. Ich weiß es, aber wenn man nur versteinerte Knochen besitzt, ist es nicht zu beweisen. Könnten Sie in einer Million Jahren von einem menschlichen Skelett darauf schließen, wie New York aussah? Könnten Sie die Knochen eines Gorillas von denen eines Menschen unterscheiden und beurteilen, welcher die Atombombe baute und welcher im Zoo saß und Bananen fraß?“
„He“, sagte Joe, Jeder Dummkopf kann ein Gorillaskelett von dem eines Menschen unterscheiden. Ein Mensch hat ein größeres Gehirn. Jeder kann erkennen, welcher der beiden intelligent war.“
„Wirklich?“ Der Professor lachte in sich hinein, als sei alles das so einfach und offensichtlich, daß es einfach unbegreiflich war, wie man sich darüber erhitzen konnte. „Sie beurteilen alles nach dem Gehirntyp, den wir Menschen entwickelt haben. Die Evolution erreicht ihre Ziele aber auf verschiedenen Wegen. Vögel fliegen anders als Fledermäuse. Das Leben hat verschiedene Tricks für alle. Wieviel von Ihrem Gehirn gebrauchen Sie? Was glauben Sie? Ungefähr ein Fünf-tel. Das behaupten jedenfalls die Psychologen. Soweit der Wissenschaft bekannt ist, werden achtzig Prozent der Gehirnmasse überhaupt nicht gebraucht. Unsere Gehirne arbeiten mit einem niedrigen Nutzungsgrad, ausgenommen vielleicht diejenigen einiger weniger Persönlichkeiten, die wir aus der Geschichte kennen. Leonardo da Vinci, zum Beispiel. Archimedes, Aristoteles, Gauß, Galois, Einstein...“
Bis auf Einstein waren mir alle unbekannt, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Er erwähnte noch ein paar, aber ich habe alle aufgeschrieben, an die ich mich erinnere. Dann sagte er: „Diese kleinen Reptilien hatten winzige Gehirne, vielleicht so groß wie eine Tomate, vielleicht noch kleiner, aber sie nutzten alles davon aus. Man mag es den Knochen nicht ansehen, doch die Tiere waren intelligent; intelligent wie wir Menschen. Und sie beherrschten die Erde.“
An diesem Punkt kam Joe mit etwas heraus, was wirklich gut war. Er sagte nämlich: „Sehen Sie, Professor, wenn diese verdammten Eidechsen wirklich solche großen Nummern waren, warum hinterließen sie dann nichts? Wo sind ihre Städte und ihre Gebäude und alles andere, was wir von den Höhlenmenschen finden, Steinwerkzeuge und Sachen. Zum Teufel, stellen Sie sich vor, was wir zurücklassen würden! Wnn in späterer Zeit jemand käme, könnte er keine zwei Kilometer gehen, ohne über eine Stadt zu stolpern. Und über Straßen und Brücken und was noch.“
Aber der Professor ließ sich nicht beirren. „Sie machen den Fehler, andere Lebensformen nach menschlichen Gesichtspunkten zu beurteilen“, erwiderte er. „Wir bauen Städte und Straßen und Flughäfen und was sonst noch dazu gehört - aber sie taten das nicht. Ihre ganze Lebensweise war von Grund auf anders. Sie lebten nicht in Städten. Sie hatten nicht unsere Art von
Kunst. Ich bin nicht sicher, was sie hatten, weil es so fremdartig war, daß ich es nicht erfassen konnte. Aber die Waffen erkannte ich. Sie unterschieden sich nicht so sehr von den unsrigen. Komisch, nicht wahr? Übrigens, vielleicht stolpern wir jeden Tag über die Überreste dieser kleinen Saurier und wissen nicht einmal, wem sie gehörten und was sie sind.“
Mittlerweile hatte ich es ziemlich satt. Man konnte ihn einfach nicht festnageln. Je schlauer man es anfing, desto gerissener zog er sich aus der Schlinge. Ich sagte: „Hören Sie, wie kommt es, daß Sie so viel über diese Eidechsen wissen? Was haben Sie gemacht; mit ihnen gelebt? Oder sprachen sie Englisch? Oder vielleicht können Sie die Eidechsensprache? Sagen Sie uns ein paar Worte in der Eidechsensprache.“
Ich glaube, ich kriegte allmählich zuviel. Sie wissen, wie es ist. Jemand faselt eine Menge dummes Zeug zusammen, aber man kann ihn nicht bewegen, zuzugeben, daß er Unsinn redet.
Doch der Professor ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er füllte bedächtig sein Glas und sagte: „Nein, ich sagte nichts, und sie sagten nichts. Sie sahen mich bloß mit ihren kalten, harten, starren Augen an - Schlangenaugen -, und ich wußte, was die dachten, und ich merkte ihnen an, daß sie wußten, was ich dachte. Fragen Sie mich nicht, wie es geschah. Es war einfach so, genau wie ich es erzähle. Ich wußte, daß sie auf einer Jagdexpedition waren und mich nicht gehen lassen würden.“
Wir stellten keine Fragen mehr. Wir sahen ihn bloß an, und dann sagte Ray: „Und was passierte? Wie sind Sie entkommen?“
„Das war leicht. Auf dem Hügelrücken rannte ein Tier vorbei. Es war lang - vielleicht drei Meter - und schmal und lief dicht am Boden dahin. Die Echsen gerieten in Erregung, daß ich es wie in Wellen fühlen konnte. Es war, als hätten sie mich in dem plötzlichen Aufflammen von Jagdfieber vergessen, und sie machten sich an die Verfolgung. Ich stieg wieder in die Maschine, kehrte zurück und zerschlug sie in Stücke.“
Joe räusperte sich. „Aber was wurde aus den Dinosauriern?“
„Ach, verstehen Sie nicht? Ich dachte, es sei klar genug. Diese intelligenten kleinen Echsen waren für den Untergang der Dinosaurier verantwortlich. Sie waren Jäger - von Natur und aus Neigung. Die Jagd war sozusagen ihr Steckenpferd. Sie taten es nicht, um Nahrung zu beschaffen; sie taten es zum Vergnügen.“
„Und so rotteten sie einfach alle Dinosaurer aus?“
„Alle, die zu der Zeit lebten; alle zeitgenössischen Arten. Halten Sie das für unmöglich? Wie lange haben wir gebraucht, um die Bisonherden von hundert Millionen auf wenige hundert Stück zu dezimieren? Haben wir in den letzten sechzig oder achtzig Jahren nicht eine ganze Reihe von Tierarten ausgerottet? Angenommen, wir würden die Jagd zu einem Sport für jedermann machen, wie lange würde es noch Löwen und Tiger und Giraffen geben? Zu der Zeit, als ich diese Echsen sah, gab es schon keine Großtiere mehr. Die waren alle schon erledigt. Und diese kleinen Teufel mit ihren Energieprojektoren jagten die kleinen, im Unterholz lebenden Arten. Wahrscheinlich weinten sie dabei den guten alten Zeiten nach.“
Wir blieben still und schauten unsere leeren Biergläser an und dachten darüber nach. All diese Dinosaurier, groß wie Einfamilienhäuser, ausgerottet von kleinen Echsen mit Waffen. Zum Vergnügen.
Schließlich beugte sich Joe hinüber und legte dem Professor die Hand auf die Schulter und schüttelte ihn ein wenig. „He, Professor“, sagte er, „aber wenn das so ist, was wurde dann aus den kleinen Echsen, denen mit den Schießeisen? Hm? Sind Sie nie zurückgegangen, um das zu erfahren?“
Der Professor blickte mit einem irgendwie bekümmerten Ausdruck in den Augen auf. „Sie verstehen noch immer nicht! Sie hatten schon das letzte Stadium erreicht, ich sah es in ihren Augen. Sie hatten kein Großwild mehr, und die Jagd hatte an Reiz verloren. Was taten sie also? Sie wandten sich anderem Wild zu -nicht dem größten, aber dem gefährlichsten, und nun machte die Jagd wieder richtig Spaß. Dieses Wild jagten sie dann, bis es aus war.“
„Welches Wild?“ fragte Ray. Er hatte es nicht verstanden, wohl aber Joe und ich.
„Die eigenen Artgenossen“, sagte der Professor mit lauter Stimme. „Sie erledigten alle anderen und fingen dann mit den eigenen Leuten an - bis keine übrig waren.“
Und wieder schwiegen wir und dachten über diese Dinosaurier nach, wie sie von kleinen Echsen mit Schießeisen ausgerottet worden waren. Dann dachten wir über die kleinen Echsen nach, wie sie mit dem Schießeisen und der Jagd hatten weitermachen müssen, obwohl es als Beute nur noch die eigenen Artgenossen gab.
Joe sagte: „Diese blöden Echsen!“
„Wirklich“, sagte Ray, „diese armen Irren von Eidechsen.“
Was dann geschah, jagte uns einen riesigen Schreck ein. Denn der Professor sprang auf, und seine Augen sahen aus, als wollten sie aus ihren Höhlen quellen und uns anspringen. „Verdammte Dummköpfe!“ schrie er. „Warum sitzt ihr hier und besabbert euch wegen Reptilien, die seit hundert Millionen Jahren tot sind? Das war die erste Intelligenz auf Erden, und so endete sie.
Das ist erledigt. Aber wir sind die zweite Intelligenz -und wie werden wir enden, he? Was meint ihr?“
Er warf seinen Stuhl um und ging zur Tür. Aber bevor er in der Dunkelheit verschwand, wandte er sich noch einmal um und rief zurück: „Diese armen Irren von Menschen! Geht hin und zerbrecht auch darüber die Köpfe!“
Die Geschichte scheint leider eine Moral zu haben und endet sogar damit, daß sie dem Leser diese Moral um die Ohren schlägt. Das ist schlecht. Unverhülltes Predigen verdirbt die Wirksamkeit einer Erzählung. Wenn man dem Drang nicht widerstehen kann, seine Mitmenschen zu verbessern, dann sollte man es mit Fingerspitzengefühl versuchen.
Gelegentlich übermannt es mich, und ich vergesse diese gute Maxime. DAY OF THE HUNTERS wurde geschrieben, nachdem die Sowjetunion ihre erste Wasserstoffbombe gezündet hatte. Schon vorher war es schlimm genug gewesen, mit dem Wissen zu leben, daß die Vereinigten Staaten versucht sein könnten, Wasserstoffbomben einzusetzen, wenn sie (wie 1945) hinlänglich gereizt würden. Nun war zum erstenmal die Möglichkeit eines wirklichen Nuklearkriegs gegeben, in dem beide Seiten Wasserstoffbomben einsetzen konnten.
Inzwischen haben wir uns an diese Situation gewöhnt und denken kaum noch darüber nach, aber Anfang der fünfziger Jahre, als der kalte Krieg in Korea schon zur offenen militärischen Auseinandersetzung eskaliert war, gab es viele, die einen Atomkrieg in naher Zukunft für unausweichlich hielten. Ich war deswegen ziemlich verbittert, und die Verbitterung scheint in der Geschichte durch.
DAY OF THE HUNTERS ist übrigens auch eine Erzählung, die im Rahmen eines Gesprächs abläuft. Dieses findet in einem Wirtshaus statt. Wodehouses Erzählungen über Mulliner, die von L. Sprague de Camp und Fletcher Pratt in Gavagans Bar angesiedelten Geschichten und Clarkes Erzählungen vom Weißen Hirsch spielten alle in Bars oder Wirtshäusern, und ich hatte sie alle mit Vergnügen gelesen.
Daher war es wohl unvermeidlich, daß ich eines Tages eine Erzählung in der Form eines Wirtshausgesprächs schreiben würde. Der Haken dabei war nur, daß ich nicht trinke und so gut wie nie in einem Wirtshaus gesessen habe, so daß ich wahrscheinlich alles falsch beschrieben habe.
Meine Stellung an der Universität Boston sollte, wie sich bald herausstellte, kein Hindernis für meine literarische Laufbahn sein. (Tatsächlich hat es seit meiner Forschungsarbeit zur Erlangung der Doktorwürde im Jahre 1947 nichts gegeben, was als ein Hindernis wirksam geworden wäre.)
Nach zwei Monaten in einer kleinen Wohnung von Slumqualitäten, die wir als Untermieter bewohnten, zogen wir in die Vororte hinaus, wenn man es so nennen will. Weder meine Frau noch ich konnten einen Wagen fahren, als wir nach Boston kamen, darum mußten wir eine Wohnung in der Nähe einer Buslinie finden. Wir fanden eine in der ziemlich verarmten Kleinstadt Somerville - eine primitive Mansardenwohnung, die im Sommer unglaublich heiß war.
Dort schrieb ich meinen zweiten Roman, THE STARS, LIKE DUST (Doubleday, 1951), und in dieser Zeit brachte ein kleiner Verlag, Gnome Press, eine Sammlung meiner Robotergeschichten unter dem Titel I, ROBOT, sowie den ersten Titel meiner FOUNDATION-Erzählungen heraus. Mit diesen Büchern, die der Einmann-Verlag 1950 und 1951 veröffentlichte, hatte Gnome Press keinen Erfolg. Mißerfolge wurden auch FOUNDATION AND EMPIRE und SECOND FOUNDATION, die 1951 und 1952 erschienen. Zu meiner großen Erleichterung drängte der Verlag Doubleday, der hier für mich den Weißen Ritter spielte, Gnome Press im Jahre 1962 zur Aufgabe der Rechte an diesen Büchern. Doubleday brachte darauf einige Ausgaben heraus und konnte bis zum heutigen Tag sehr beträchtliche Summen für mich und für sich verdienen.
1950 lernte ich Autofahren, und ein Jahr später hatten wir zu unserer Überraschung sogar einen Sohn. Nach neunjähriger Ehe hatten wir uns schon damit abgefunden, daß wir zur Kinderlosigkeit verurteilt sein würden. Im Winter 1950/51 stellte sich jedoch heraus, daß die Erklärung für einige ziemlich verwirrende, physiologische Manifestationen die war, daß meine Frau schwanger sei. Die erste Person, die mir sagte, daß es sich so verhalten müsse, war Evelyn Gold, damals mit Horace L. Gold verheiratet. Ich lachte und sagte: „Nein, nein“, aber es war ja, ja, und David wurde am 20. August 1951 geboren.
Nachdem ich solcherart in Büchern fruchtbar geworden war und einen Anfang in Richtung Automobile und Nachkommenschaft gemacht hatte, war ich zu allem bereit und begann alle Arten von Aufträgen anzunehmen.
Unter den zahlreichen Science-Fiction-Zeitschriften der frühen fünfziger Jahre gab es eine, die „Marvel Science Fiction“ betitelt war. Es handelte sich um die Reinkarnation einer früheren, gleichnamigen Zeitschrift, von der zwischen 1938 und 1941 neun Ausgaben erschienen waren. Diese frühere Zeitschrift war auf Geschichten spezialisiert gewesen, die in einer ziemlich schwerfälligen und albernen Weise sexbetont waren.
Nachdem „Marvel“ 1950 wiederbelebt worden war (auch diesmal ging es nach wenigen Ausgaben ein), wurde ich um einen Beitrag gebeten. Ich hätte mich an die geschmacklose Geschichte der Zeitschrift erinnern und den Beitrag verweigern sollen, aber ich dachte an eine Geschichte, die zu schreiben ich mich nicht enthalten konnte, weil ich - wie alle meine Bekannten wissen - ein unverbesserlicher Witzbold bin. Die Geschichte hieß SHAH GUIDO G. und erschien im November 1951 in „Marvel“.