8

Das Gespräch mit Agnes Fletcher fand in Hertford statt, und zwar in einer menschenleeren Teestube, denn Agnes hatte großen Wert darauf gelegt, ihre Geschichte nicht unter dem kritischen Blick Miss Morleys erzählen zu müssen…

«Miss Morley möchte ich nichts davon sagen, denn sie würde vielleicht meinen, ich hätte es schon längst erzählen müssen. Aber die Köchin und ich waren der Meinung, es sei nicht unsere Sache, denn wir haben ja schwarz auf weiß in der Zeitung gelesen, dass Mr Morley sich in dem Betäubungsmittel geirrt und dann selber erschossen hat – nicht wahr?»

«Und wann haben Sie angefangen, Ihre Meinung zu ändern?»

Poirot hoffte, durch eine aufmunternde, aber nicht zu unmittelbare Frage die versprochene Enthüllung aus Agnes herauszulocken.

Agnes erwiderte prompt: «Als ich in der Zeitung las, dass Mr Carter auf den Herrn geschossen hat, bei dem er Gärtner war! Da dachte ich, er sei vielleicht ein bisschen verrückt, denn es gibt doch Leute, die glauben, sie würden verfolgt und seien von Feinden umringt, und zum Schluss kann man sie nicht mehr daheim behalten, sondern muss sie in eine Heilanstalt stecken. Und ich habe gedacht, Mr Carter sei vielleicht auch so ein Irrer, denn ich habe mich erinnert, dass er immer sagte, Mr Morley sei ein Feind und wolle ihn und Miss Nevill auseinander bringen – aber natürlich hat sie kein Wort gegen Mr Carter hören wollen, und das mit Recht, haben wir immer gedacht, Emma und ich, denn Mr Carter schaut doch so gut aus und ist ein richtiger Herr, das kann man nicht leugnen. Aber natürlich hat keine von uns beiden geglaubt, dass er Mr Morley wirklich etwas zuleide getan hat. Wir haben nur gedacht, dass es ein bisschen sonderbar war – wenn Sie verstehen, was ich meine.»

Poirot fragte geduldig: «Was war sonderbar?»

«Damals am Vormittag – an dem Vormittag, an dem sich Mr Morley erschoss. Ich ging damals auf den Vorplatz und schaute ins Treppenhaus hinunter, weil ich wissen wollte, ob auf dem Tisch schon die Post lag.» Agnes holte tief Atem und fuhr fort: «Und da sah ich ihn – Frank Carter, meine ich. Er stand auf halber Höhe der Treppe – unserer Treppe, meine ich – also oberhalb des Sprechzimmers. Da wartete er und schaute hinunter – und je mehr ich jetzt darüber nachdenke, desto merkwürdiger kommt mir das vor. Es war, als ob er aufmerksam gelauscht hätte – wenn Sie verstehen, was ich meine…»

«Um welche Zeit war das?»

«Es muss gegen halb zwölf gewesen sein. Und gerade als ich dachte, nanu, das ist doch Frank Carter, und Miss Nevill ist für den ganzen Tag fort, der wird nicht schlecht enttäuscht sein, und wie ich so überlege, ob ich nicht hinunterlaufen und ihm das sagen soll – da entschließt er sich, geht die Treppe hinunter und verschwindet in dem Gang, der zum Sprechzimmer von Mr Morley führt. Da habe ich mir im Stillen gedacht, das wird Mr Morley aber gar nicht recht sein, und war neugierig, ob es nicht Krach geben würde. Aber gerade in dem Augenblick rief Emma nach mir, und ich ging wieder hinein. Als ich etwas später hörte, Mr Morley habe sich erschossen, da war das natürlich ein solcher Schreck, dass ich alles andere vergaß. Erst als der Polizist wieder fort war, erzählte ich Emma, dass ich am Vormittag Mr Carter zu Mr Morley habe gehen sehen. Emma meinte, ich hätte es vielleicht bei der Polizei angeben sollen, aber dann beschlossen wir, noch zu warten, weil wir Mr Carter nicht in Schwierigkeiten bringen wollten. Und als dann bei der Leichenschau herauskam, dass Mr Morley sich bei einer Narkose geirrt und dann den Kopf verloren und sich erschossen habe, nun – da war kein Grund mehr, etwas davon zu erzählen. Aber jetzt, nachdem ich das vom Schuss auf Mr Blunt gelesen habe, bin ich nicht schlecht erschrocken! Und im Stillen habe ich mir gesagt, wenn der wirklich verrückt ist und herumgeht und auf die Leute schießt – ja, dann hat er vielleicht doch Mr Morley erschossen!»

Ihr Blick war ängstlich, aber zugleich hoffnungsvoll auf Poirot gerichtet. Poirot gab seiner Stimme einen möglichst beruhigenden Klang. «Sie dürfen überzeugt sein, Agnes, dass Sie vollkommen Recht daran getan haben, mir das zu erzählen», sagte er.

«Also, dann fällt mir wirklich ein Stein vom Herzen. Verstehen Sie, ich habe mir immer schon gesagt, dass ich es vielleicht hätte erzählen müssen. Und dann, nicht wahr, habe ich mich davor gefürchtet, etwas mit der Polizei zu tun zu bekommen, und was meine Mutter dazu sagen würde. Unsere Mutter ist ja immer so eigen mit uns allen gewesen.»

«Gewiss, gewiss», sagte Poirot hastig. Von der «eigenen» Mutter wünschte er nichts mehr zu hören.

Poirot fuhr nach Scotland Yard und ließ sich bei Japp melden. Als er das Zimmer des Chefinspektors betrat, sagte er: «Ich möchte Carter sprechen.»

Japp warf ihm einen schnellen Blick zu.

«Was haben Sie vor? Aus welchem Grund wollen Sie mit Carter sprechen? Wollen Sie ihn fragen, ob er Morley tatsächlich ermordet hat?»

Zu Japps Überraschung nickte Poirot nachdrücklich.

«Ja, mein Freund, aus genau diesem Grund.»

«Und Sie glauben, dass er es Ihnen sagen wird, falls er der Täter war?»

Japp sagte es lachend. Aber Poirot blieb ernst, als er antwortete: «Ja, vielleicht wird er es mir sagen.»

Japp sah ihn unsicher an.

«Wissen Sie, Poirot, ich kenne Sie nun schon so lange – sind es zwanzig Jahre? Ja, ungefähr. Aber immer noch ist mir manchmal nicht klar, worauf Sie hinauswollen. Ich weiß, dass Sie sich über den jungen Frank Carter Flausen in den Kopf gesetzt haben. Aus irgendeinem Grund wünschen Sie nicht, dass er schuldig ist.»

Hercule Poirot schüttelte energisch den Kopf.

«Nein, nein – da irren Sie sich. Die Sache liegt umgekehrt.»

«Ich dachte, es wäre vielleicht wegen seinem Mädchen. In mancher Beziehung sind Sie ein sentimentaler alter Junge.»

Jetzt war Poirot ehrlich empört.

«Nicht ich bin es, der sentimental ist? Das ist eine englische Schwäche! Es ist in England, wo über liebende junge Mädchen, über sterbende Mütter und aufopferungsvolle Kinder geweint wird. Ich – ich bin logisch. Wenn Frank Carter ein Mörder ist, dann bin ich bestimmt nicht sentimental genug, um ihn mit einem netten, aber alltäglichen Mädchen verheiraten zu wollen, das ihn, falls er gehängt wird, in längstens zwei Jahren vergessen hat und einen anderen Mann findet und mit ihm glücklich wird.»

«Warum wollen Sie dann nicht glauben, dass er schuldig ist?»

«Im Gegenteil: Ich möchte sehr gern glauben, er sei schuldig.»

«Sie denken vermutlich, Sie seien auf etwas gestoßen, das mehr oder weniger schlüssig seine Unschuld beweist? Warum verschweigen Sie das dann? Sie sollten ehrliches Spiel mit uns spielen, Poirot!»

«Ich spiele ehrliches Spiel mit Ihnen. Bald, sehr bald, werde ich Ihnen Namen und Adresse einer Zeugin nennen, die für die Anklage von unschätzbarem Wert ist. Ihre Aussage dürfte den Fall Carter abschließen.»

«Ja, aber dann – ach, Sie haben mich total verwirrt. Warum wollen Sie ihn unbedingt sprechen?»

«Um selbst ganz sicher zu gehen», sagte Hercule Poirot.

Und mehr war nicht aus ihm herauszubringen.

Frank Carter, hohlwangig, blass und immer noch leicht prahlerisch, sah den unerwarteten Besucher mit unverhohlener Abneigung an.

«Also Sie sind es, Sie verdammter kleiner Ausländer? Was wollen Sie von mir?»

«Ich wollte Sie sehen und mit Ihnen sprechen.»

«Nun, sehen können Sie mich ja jetzt. Aber sprechen werde ich nicht. Jedenfalls nicht ohne meinen Anwalt. Das ist mein gutes Recht, nicht wahr? Dagegen können Sie nichts machen. Ich habe das Recht, jede Aussage zu verweigern, wenn mein Anwalt nicht dabei ist.»

«Gewiss haben Sie dieses Recht. Wenn Sie wollen, können Sie ihn kommen lassen – aber es wäre mir lieber, Sie täten es nicht.»

«Das kann ich mir denken. Sie wollen mich wohl in irgendeine Falle locken, oder?»

«Vergessen Sie nicht, dass wir ganz allein sind.»

«Gerade das kommt mir ein bisschen ungewöhnlich vor. Möchte wetten, dass Ihre Freunde von der Polizei mithören.»

«Da sind Sie im Irrtum. Es handelt sich um ein ganz privates Gespräch zwischen uns beiden.»

Frank Carter stieß ein unangenehmes, schlaues Lachen aus.

«Hören Sie auf! Mit dem alten Trick können Sie mich nicht reinlegen!»

«Erinnern Sie sich an ein Mädchen namens Agnes Fletcher?»

«Nie gehört.»

«Ich glaube, Sie werden sich doch an sie erinnern, obwohl Sie wahrscheinlich nicht viel Notiz von ihr genommen haben. Sie war Stubenmädchen in der Queen Charlotte Street 58.»

«Und…?»

Hercule Poirot sagte langsam: «An dem Vormittag, da Mr Morley erschossen wurde, hat diese Agnes zufällig vom obersten Stockwerk über das Treppengeländer hinuntergeschaut. Sie hat Sie – Frank Carter – wartend und lauschend auf der Treppe gesehen. Sie sah auch, dass Sie schließlich in Mr Morleys Sprechzimmer gingen. Es zwar ziemlich genau sechsundzwanzig Minuten nach zwölf.»

Frank Carter begann heftig zu zittern. Der Schweiß brach ihm aus. Seine Blicke, tückischer denn je, irrten angstvoll hin und her. Zornig schrie er: «Das ist eine Lüge! Eine verdammte Lüge! Sie haben sie bestochen – die Polizei hat sie bestochen, damit sie gegen mich aussagt!»

«Um diese Zeit», fuhr Hercule Poirot ruhig fort, «hatten Sie nach Ihrer eigenen Angabe das Haus bereits verlassen und gingen die Marylebone Road entlang.»

«Ja, das stimmt auch. Das Mädchen lügt. Sie kann mich nicht gesehen haben. Wenn sie mich gesehen hätte – warum hat sie es dann nicht schon längst gesagt?»

Hercule Poirot erwiderte ruhig: «Sie hat es damals sofort der Köchin gegenüber erwähnt. Beide haben sich Sorgen darüber gemacht, waren bestürzt und wussten nicht, was sie tun sollten. Als der amtliche Spruch auf Selbstmord lautete, waren sie sehr erleichtert und hielten es für unnötig, auf die Beobachtung des Stubenmädchens zurückzukommen.»

«Ich glaube kein Wort von alledem! Die beiden haben sich gegen mich verschworen, das ist alles. Ein paar dreckige, verlogene kleine…»

Er verlor sich in wütenden Beschimpfungen.

Hercule Poirot wartete. Als Carters Redestrom versiegte, begann Poirot von neuem zu sprechen, immer noch im gleichen ruhigen, gemessenen Ton.

«Zorn und törichte Beschimpfungen werden Ihnen nichts nützen. Die beiden Mädchen werden ihre Aussage machen, und man wird ihnen Glauben schenken. Denn, sehen Sie: Die Mädchen sprechen die Wahrheit. Agnes Fletcher hat Sie wirklich gesehen, Carter. Sie haben zur angegebenen Zeit auf der Treppe gestanden. Sie hatten das Haus nicht verlassen. Und Sie sind in Morleys Sprechzimmer gegangen.»

Nach einer Pause fragte er: «Und was war dann?»

«Ich sage Ihnen doch: Es ist alles erlogen!»

Hercule Poirot fühlte sich sehr müde – sehr alt. Frank Carter gefiel ihm nicht. Er missfiel ihm sogar aufs äußerste. Nach seiner Meinung war Frank Carter ein brutaler Bursche, ein Lügner, ein Schwindler – ein Individuum, ohne das die Welt sehr gut auskommen konnte. Er, Hercule Poirot, brauchte sich nur still zu verhalten und diesen jungen Mann weiter seine Lügen erzählen lassen – dann würde die Erde bald einen ihrer unerfreulichsten Bewohner los sein.

Hercule Poirot sagte: «Ich schlage vor, dass Sie mir die Wahrheit sagen.»

Worum es in diesem Kampf ging, war ihm durchaus klar. Frank Carter war dumm, aber immerhin schlau genug, zu erkennen, dass hartnäckiges Leugnen seine beste und sicherste Taktik war. Hatte er einmal zugegeben, das Sprechzimmer sechsundzwanzig Minuten nach zwölf betreten zu haben, dann befand er sich in höchster Gefahr. Denn nach diesem Eingeständnis musste er befürchten, dass alles, was er noch erzählte, mit großer Wahrscheinlichkeit als Lüge betrachtet würde. Er sollte also ruhig beim Leugnen bleiben. In diesem Fall war Hercule Poirots Aufgabe erledigt. Frank Carter würde höchstwahrscheinlich als Mörder Henry Morleys gehängt werden. Hercule brauchte nur aufzustehen und hinauszugehen.

Frank Carter wiederholte: «Es ist alles gelogen!»

Eine Pause entstand. Hercule Poirot stand nicht auf und ging nicht hinaus. Er hätte es gern getan, sehr gern. Trotzdem blieb er. Er beugte sich vor. In seiner Stimme lag die bezwingende Kraft seiner starken Persönlichkeit, als er sagte: «Ich lüge nicht, Carter. Ich bitte Sie, mir zu glauben. Wenn Sie Morley nicht umgebracht haben, dann besteht Ihre einzige Chance darin, mir die volle Wahrheit zu gestehen.»

Das unehrliche, charakterlose Gesicht ihm gegenüber zuckte und verriet Unsicherheit. Frank Carter zupfte sich an der Lippe. Seine Augen irrten hin und her: die Augen eines geängstigten, in die Enge getriebenen Tieres. Es ging jetzt auf Biegen oder Brechen.

Und plötzlich, überwältigt von der Stärke der Persönlichkeit des Gegners, gab Frank Carter den Kampf auf. Er sagte mit heiserer Stimme: «Also gut – ich will es Ihnen erzählen. Aber Gott soll Sie strafen, wenn Sie mich betrügen! Ich bin hineingegangen. Ich ging die Treppe hinauf und habe gewartet, bis ich sicher war, ihn allein zu treffen. Habe dort gestanden, oberhalb von Morleys Etage. Dann ist einer herausgekommen und die Treppe hinuntergegangen – so ein Dicker. Ich habe noch eine Weile überlegt, ob ich jetzt hineingehen sollte – da ist noch einer aus dem Sprechzimmer herausgekommen und hinuntergegangen. Dann bin ich los und ohne anzuklopfen reingegangen. Ich war fest entschlossen, es mit ihm auszufechten. Mich mit Dreck zu bewerfen, meine Braut gegen mich aufhetzen – verdammt noch einmal…» Er brach ab.

«Ja?», sagte Hercule Poirot, und seine Stimme klang drängend – zwingend.

Carters Stimme wurde zu einem Krächzen.

«Und da lag er vor mir – tot! Das ist die Wahrheit – ich schwöre es! Hat dagelegen, genau wie es bei der Leichenschau ausgesagt worden ist. Ich habe es zuerst nicht glauben können – habe mich über ihn gebeugt. Aber er war mausetot. Seine Hand war eiskalt, und ich habe den Einschuss im Kopf gesehen, mit einer Blutkruste drum herum…»

Bei der Erinnerung daran brach ihm von neuem der Schweiß aus.

«Da habe ich gemerkt, dass ich in der Tinte saß. Dass man sagen würde, ich hätte es getan. Ich hatte nichts berührt außer seiner Hand und der Türklinke. Die Türklinke habe ich auf beiden Seiten mit dem Taschentuch abgerieben, und dann habe ich mich so schnell als möglich die Treppe hinuntergeschlichen… In der Halle war niemand, und so bin ich zur Haustür hinaus und habe mich aus dem Staube gemacht. Kein Wunder, dass ich elend ausgesehen habe.» Er hielt inne. Seine Augen waren angstvoll auf Poirot gerichtet.

«Das ist die Wahrheit. Ich schwöre, dass es die Wahrheit ist. Er war schon tot, als ich ins Zimmer kam. Sie müssen mir glauben!»

Poirot erhob sich. Seine Stimme klang müde und unlustig, als er sagte: «Ich glaube Ihnen.»

Er ging zur Tür.

Frank Carter rief: «Man wird mich hängen, wenn man erfährt, dass ich im Sprechzimmer war!»

«Sie haben sich vor dem Galgen gerettet, indem Sie die Wahrheit gesagt haben», antwortete Poirot.

«Nein, nein – man wird behaupten…»

Poirot unterbrach ihn.

«Ihr Bericht hat bestätigt, was ich bereits als Wahrheit erkannt hatte. Sie können jetzt alles weitere mir überlassen.»

Er ging hinaus. Er fühlte sich keineswegs glücklich.

Um sechs Uhr fünfundvierzig langte Poirot bei Mr Barnes in Ealing an. Barnes arbeitete in seinem Garten. Er betrachtete seinen Gast sinnend und meinte: «Sie sehen nicht sehr gut aus, M. Poirot.»

«Manchmal», murmelte Poirot, «gefallen mir die Dinge nicht, die ich tun muss.»

Mr Barnes nickte teilnahmsvoll. «Ich kenne das!», sagte er.

Hercule Poirot ließ seinen Blick über die sorgfältig angeordneten kleinen Beete schweifen und murmelte:

«Er ist gut angelegt, dieser Garten. Alles hat die richtigen Proportionen. Klein, aber exakt.»

«Wenn man nur wenig Raum hat, muss man ihn gründlich nutzen. Man kann es sich dann nicht leisten, Fehler in der Anlage zu begehen», erklärte Barnes.

Poirot nickte.

Barnes fuhr fort: «Ich sehe, dass Sie Ihren Mann erwischt haben?»

«Frank Carter?»

«Ja. Ich bin eigentlich sehr überrascht.»

«Sie hatten nicht gedacht, dass es – sozusagen ein privater Mord war?»

«Offen gestanden: nein. Amberiotis – Alistair Blunt – ich war überzeugt, dass es sich um eine Fehde zwischen Spionage und Abwehr handelte.»

«Das ist die Auffassung, die Sie mir bei unserer ersten Begegnung auseinandergesetzt haben.»

«Ich weiß. Ich habe damals mit aller Bestimmtheit an diese Auffassung geglaubt.»

Poirot sagte langsam: «Aber Sie haben sich getäuscht.»

«Ja. Das Schlimme ist, dass man immer von seinen eigenen Erfahrungen ausgeht. Ich habe so viel mit diesen Spionagedingen zu tun gehabt, dass ich sie überall anzutreffen erwarte.»

«Sie haben», sagte Poirot, «doch sicher schon einmal gesehen, wie ein Taschenspieler jemanden aus dem Publikum eine Karte ziehen lässt? Wie er der betreffenden Person die Karte aufzwingt?»

«Ja, natürlich.»

«Genau das ist hier geschehen. Jedes Mal, wenn einem ein persönlicher Grund für Morleys Ermordung einfällt, wird einem – eins, zwei, drei – die Karte aufgezwungen. Amberiotis, Alistair Blunt, die unsichere politische Lage des Landes…» Er zuckte die Achseln. «Und was Sie betrifft, Mr Barnes, so haben Sie mich mehr als alle anderen in die Irre geführt.»

«Das tut mir aufrichtig Leid. Wahrscheinlich haben Sie Recht.»

«Bei Ihnen durfte man eine genaue Kenntnis der Situation voraussetzen, verstehen Sie? Deshalb hatte Ihre Meinung Gewicht.»

«Nun – von dem, was ich gesagt habe, war ich ehrlich überzeugt. Das ist das Einzige, was ich zu meiner Entschuldigung vorbringen kann.»

Er machte seufzend eine Pause.

«Und in Wirklichkeit war das Mordmotiv ein ganz persönliches?»

«Jawohl. Ich habe lange Zeit gebraucht, um es zu entdecken – obwohl ich in einem bestimmten Punkt entschieden Glück gehabt habe.»

«Worin bestand dieses Glück?»

«In dem Bruchstück eines Gesprächs. Ein äußerst aufschlussreiches Bruchstück – wenn ich nur seine Bedeutung gleich erkannt hätte!»

Mr Barnes rieb sich mit dem Spatenstiel nachdenklich die Nase. «Sie tun sehr geheimnisvoll», sagte er freundlich.

Hercule Poirot erwiderte achselzuckend: «Vielleicht bin ich etwas gekränkt, dass Sie mir gegenüber nicht offen waren.»

«Ich?»

«Jawohl.»

«Mein Lieber – ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass Carter der Täter ist. Soweit ich informiert war, hatte er das Haus lange vor Morleys Tod verlassen. Wahrscheinlich ist jetzt festgestellt worden, dass er sich zur kritischen Zeit noch im Hause aufhielt?»

«Carter war um zwölf Uhr sechsundzwanzig noch im Hause. Er hat den Mörder mit eigenen Augen gesehen», sagte Poirot.

«Dann ist also Carter nicht…»

«Ich sage Ihnen doch: Carter hat den Mörder gesehen.»

«Hat – hat er ihn – erkannt?»

Poirot schüttelte langsam den Kopf.

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