Den Offizieren des Auffklärungsschiffs Trennelgon vom Monitorkorps war Conway sowohl dem Namen nach bekannt als auch durch den Umstand, daß er ihrem Kommunikationsoffizier während der Such- und Bergungseinsätze nach den weit verstreuten Trümmern der Lebenserhaltungskapseln des gewaltigen Spulenschiffes, das zu dem CRLT-Gruppenwesen gehörte, gleich zu drei verschiedenen Anlässen Anweisungen erteilt hatte.
Praktisch waren sämtliche Aufklärungsschiffe aus drei galaktischen Sektoren herbeigerufen worden, um bei dieser Operation zu helfen, und in einer gewissen Phase hatte Conway mit den meisten von ihnen freundschaftlich kommuniziert; offenbar sah sich die Besatzung der Trennelgon durch diese eher flüchtigen Bekanntschaften Conways bereits dazu veranlaßt, sich ihm gegenüber zu verhalten, als wäre er ein berühmter Verwandter. Man trieb es damit so weit, daß Conway keine Zeit blieb, nachzudenken oder gar trübsinnig zu werden oder irgend etwas anderes zu tun, als ihre höfliche Neugier über die Rhabwar und deren Rettungsaktionen zu stillen, bis er seine neugierigen Zuhörer unkontrollierbar anzugähnen begann.
Nachdem ihm berichtet worden war, daß für den Flug nur zwei Sprünge erforderlich seien und man im gogleskanischen System in schätzungsweise knapp zehn Stunden eintreffen werde, gestattete man ihm, wenn auch nur schweren Herzens, sich endlich zurückzuziehen.
Aber als er sich auf dem schmalen Dienstbett ausstreckte, mußte er zwangsläufig an Murchison denken, die nicht neben ihm ausgestreckt lag. Seine Erinnerungen an das, was sie zusammen unternommen, getan oder miteinander gesprochen hatten, waren scharf und deutlich wie immer, so daß O'Maras gedächtnisförderndes Medikament mehr als überflüssig war.
Das Abschiedsgespräch hatte Murchison damit begonnen, indem sie die Folgen von Priliclas neuer Stellung und den Nutzen von Danaltas gestaltwandlerischen Fähigkeiten für die routinemäßigen Rettungsverfahren erörtert hatte. Erst nach und nach hatte sie die Unterhaltung auf Conways mögliche Beförderung zum Diagnostiker gelenkt. Zu jenem Zeitpunkt war zwar ganz offensichtlich, daß sie genauso ungern auf das Thema zu sprechen kam wie Conway, aber Murchison war nun einmal in moralischer Hinsicht weniger feige als ihr Lebenspartner.
„Prilicla zweifelt nicht daran, daß du es schaffst, und ich auch nicht“, hörte er sie jetzt wieder sagen. „Aber falls du nicht in der Lage sein solltest, dich darauf einzustellen, oder die Stellung aus irgendeinem anderen Grund nicht annehmen kannst, bleibt es trotzdem ein großes fachliches Kompliment, überhaupt in Betracht gezogen worden zu sein.“
Als Conway daraufhin keine Antwort eingefallen war, hatte sich Murchison zu ihm umgedreht und den Oberkörper auf einen Ellbogen aufgestützt. „Mach dir darum keine Sorgen. Du wirst für ein paar Wochen, vielleicht auch für ein paar Monate fort sein und mich nicht einmal besonders vermissen.“
Daß zumindest das letztere nicht stimmte, wußten beide. Conway blickte nach oben in ihr schwach lächelndes, aber besorgt wirkendes Gesicht und entgegnete: „Als Diagnostiker werde ich vielleicht nicht mehr derselbe Mensch sein wie früher, und das ist es, was mir Sorgen macht. Es könnte sogar damit enden, daß ich für dich nicht einmal mehr dasselbe empfinde wie sonst.“
„Verdammt noch mal, ich werde schon dafür sorgen, daß so etwas nicht passiert!“ protestierte sie wütend und fuhr dann in ruhigerem Ton fort: „Thornnastor ist jetzt seit fast dreißig Jahren Diagnostiker. Da er der Leiter der Pathologie ist, mußte ich schließlich sehr eng mit ihm zusammenarbeiten, und bis auf seinen Hang, über alles und jeden zu tratschen und einen andauernd mit Informationen über die sexuellen Fehltritte sämtlicher Mitglieder des Hospitalpersonals zu überschütten, egal, welcher Spezies diese angehören, sind keine schwerwiegenden Veränderungen in seiner Persönlichkeit zutage getreten.“
„Jedenfalls nicht für eine Nichttralthanerin wie dich“, fügte Conway hinzu.
Jetzt war es an Murchison zu schweigen. „Vor ein paar Jahren mußte ich einen mehrfachen Bruch im Panzer eines Melfaners behandeln“, fuhr Conway fort. „Das war ein langwieriges, stufenweise durchgeführtes Verfahren, und deshalb mußte ich das ELNT-Band drei Tage lang im Kopf behalten. Melfaner haben einen ausgeprägten Sinn für körperliche Schönheit, solange der betreffende Körper ein Ektoskelett und wenigstens sechs Beine aufweist.
Meine Assistentin war damals Operationsschwester Hudson. Du kennst doch Hudson, oder? Als ich die Operation beendet hatte, war ich von ihr jedenfalls sehr beeindruckt, und ich und mein melfanisches Alter ego hielten sie für eine äußerst liebenswürdige, fachlich höchst befähigte Person, aber körperlich für einen unförmigen und reizlosen Teigklumpen. Ich befürchte, ich könnte.“
„Hudson wird sogar von einigen Mitgliedern ihrer eigenen Spezies für einen unförmigen und reizlosen Teigklumpen gehalten“, warf Murchison mit säuselnder Stimme ein.
„Na, na!“ ermahnte Conway sie.
„Ich weiß, das war etwas gehässig. Aber ich mache mir auch Sorgen darum, und es tut mir leid, daß ich die Probleme, vor denen du stehen wirst, nicht richtig einschätzen kann, weil die Schulungsbänder nichts für mich und meinesgleichen sind.“
Spöttisch setzte sie einen finsteren Gesichtsausdruck auf und versuchte, die tiefe, kratzende Stimme von O'Mara nachzuahmen, die er stets anschlug, wenn er sich wieder einmal im Sarkasmus suhlte. „Auf keinen Fall, Pathologin Murchison! Ich bin mir durchaus bewußt, daß Ihnen die Schulungsbänder bei Ihrer Arbeit helfen würden. Aber Sie und die übrigen Frauen des Personals beziehungsweise deren extraterrestrische Entsprechungen werden auch weiterhin ohne Hilfe den eigenen Kopf gebrauchen müssen, und zwar so, wie er ist. Das ist zwar bedauerlich, aber Frauen haben eine tiefe, unauslöschliche und geschlechtsbedingte Aversion, eine Art Überempfindlichkeit, die es ihnen nicht erlaubt, ihre Gehirne mit einer fremden Persönlichkeit zu teilen, die unbeeindruckt von ihren sexuellen.“
Die Anstrengung, die tiefe Stimme beizubehalten, wurde für Murchison zu groß, und sie bekam einen Hustenanfall.
Conway mußte unwillkürlich lachen und fragte dann in flehendem Ton: „Aber was soll ich oder sollen wir denn tun?“
Sanft legte ihm Murchison die Hand auf die Brust und beugte sich näher zu ihm herüber. „Vielleicht wird ja alles gar nicht so schlimm, wie wir es uns jetzt noch ausmalen“, beruhigte sie ihn. „Ehrlich gesagt, kann ich mir nichts und niemanden vorstellen, der dich verändern könnte, wenn du dich nicht verändern lassen willst. Dafür bist du viel zu dickköpfig. Deshalb sollten wir es meiner Meinung nach einfach drauf ankommen lassen. Aber jetzt laß uns mal das Ganze vergessen, damit wir wenigstens noch etwas schlafen können.“
Sie lächelte ihn zärtlich an und fügte hinzu: „Endlich.“
Conway hatte die Erlaubnis erhalten, sich im Kontrollraum auf dem Platz für außerplanmäßige Besucher zu setzen — eine Ehre, die nicht zum Monitorkorps gehörendem Personal nur selten zuteil wurde —, und betrachtete den Hauptbildschirm, als die Trennelgon aus dem Hyperraum im gogleskanischen Sternsystem auftauchte. Der Planet selbst war ein bläulicher, von Wolkenstreifen umgebener Ball, der aus dieser Entfernung genau wie all die anderen Planeten der Föderation aussah, auf denen warmblütigen Sauerstoffatmern das Leben möglich war. Doch galt Conways Hauptinteresse den intelligenten Lebensformen dieses Planeten, und das stellte er so diplomatisch wie möglich klar.
Der Captain, ein orligianischer Major des Monitorkorps namens Sachan-Li, knurrte ihn entschuldigend an, was der Translator folgendermaßen übersetzte: „Tut mir leid, Doktor. Über die wissen wir nichts, und über die Grenzen des Landeplatzes hinaus besitzen wir auch keine weiteren Kenntnisse über diesen Planeten. Wir sind vom Vermessungsdienst abgezogen worden, um die vorhandenen gogleskanischen Sprachdaten zur Verarbeitung zum Haupttranslator im Orbit Hospital zu bringen und um Sie und das Translatorprogramm hierherzulegen.“
Nach an einer kurzen Pause fuhr der Captain fort: „Sie an Bord zu haben, Doktor, stellt für uns eine höchst willkommene Abwechslung von der Eintönigkeit eines sechsmonatigen Kartographieeinsatzes in Sektor zehn dar, und ich hoffe, wir haben Ihnen mit unseren Fragen nicht allzusehr zugesetzt.“
„Überhaupt nicht, Captain“, antwortete Conway. „Ist eigentlich die Umrandung des Landeplatzes gesichert?“
„Nur durch Drahtgeflecht, Doktor, um die nichtintelligenten Gras- und Aasfresser davor zu bewahren, von unserem Heckstrahl gebraten zu werden. Wie ich gehört habe, statten die Einheimischen der Basis hin und wieder einen Besuch ab, aber ich habe noch nie einen gesehen.“
Conway nickte und wandte sich dann wieder dem Bildschirm zu, auf dem jetzt die wichtigsten natürlichen Merkmale des Planeten sichtbar wurden. Mehrere Minuten lang sagte er nichts, weil Sachan-Li und die übrigen Offiziere — ein kleiner Nidianer mit rotem Fell und zwei Terrestrier — mit den letzten Checks zur Vorbereitung der Landung beschäftigt waren. Er beobachtete, wie der Planet über den Bildschirmrand hinauswuchs und sich seine Oberfläche allmählich von einer senkrechten Wand vor dem Schiff in den Boden darunter verwandelte.
Die Trennelgon, die die Form eines Überschallgleiters hatte, flog rüttelnd durch die obere Atmosphäre und verlor dabei mit abnehmender Höhe an Geschwindigkeit. Unter ihr glitten Meere und Gebirge sowie grüne und gelbe Wiesen dahin, die immer noch normal, vertraut und ähnlich wie auf der Erde aussahen. Dann verschwand der Horizont auf einmal am unteren Bildschirmrand. Die Trennelgon stieg wieder empor, verlor an Geschwindigkeit und näherte sich immer langsamer mit dem Heck voran dem Boden, um zur Landung anzusetzen.
„Würde es Ihnen etwas ausmachen, dem Kommandanten des Stützpunkts dieses Sprachprogramm zu geben, Doktor?“ fragte Sachan-Li, nachdem das Schiff aufgesetzt hatte. „Wir sollen Sie nämlich hier nur absetzen und sofort wieder starten.“
„Überhaupt nichts“, antwortete Conway und verstaute das kleine Päckchen in einer Tasche seiner Uniform.
„Ihre persönlichen Sachen befinden sich bereits in der Luftschleuse, Doktor. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben“, verabschiedete sich der Captain.
Die Trennelgon startete nicht sofort, aber die vom Heckfeuer herrührende Hitze spürte Conway sogar noch heiß im Nacken, als das Schiff einen Kilometer hinter ihm abhob. Er setzte seinen Weg auf die drei dicht beieinander stehenden Halbkugeln fort, bei denen es sich um die Unterkünfte handelte, die normalerweise für provisorische Stützpunkte mit einem Minimum an Personal benutzt wurden. Weil seine Habseligkeiten leicht in einen Rucksack und eine große Tragetasche paßten, hatte er für sein Gepäck keinen G-Schlitten benutzt, aber da die Abendsonne sehr warm auf ihn niederschien, hielt er es für angebracht, die Tasche für einen Augenblick abzustellen und sich auszuruhen — zumal die Dringlichkeit seines Auftrags gleich Null war.
Erst jetzt ging ihm die Fremdartigkeit dieses Planeten auf.
Er blickte nach unten auf die Erde, die nicht von der Erde stammte, auf Gras, das sich auf feine Weise von den terrestrischen Wiesen unterschied, und auf Gestrüpp, wilde Blumen, Pflanzen und ferne Bäume, die ungeachtet äußerer Ähnlichkeiten das Ergebnis eines grundverschiedenen Evolutionsprozesses waren. Als ihn das Gefühl des Eindringens überkam, das er immer bei solchen Anlässen verspürte, ergriff ihn trotz der Hitze ein leichtes Frösteln, und er dachte an die weniger feinen Unterschiede, die sich bald an der dominanten Lebensform dieses Planeten offenbaren würden. Schließlich nahm er die Tragetasche vom Boden auf und setzte sich wieder in Bewegung.
Als er noch einige Minuten vom größten der drei kuppelförmigen Gebäude entfernt war, glitt bereits dessen Haupteingang auf, und eine Gestalt kam auf ihn zugeeilt, um ihn zu begrüßen. Der Mann trug die Uniform und die Rangabzeichen eines Lieutenant der Kulturkontaktabteilung des Monitorkorps, aber keine Mütze — entweder handelte es sich bei ihm um einen von Natur aus schlampigen Menschen oder um einen der Akademiker des Korps, die es zumeist als Zeitverschwendung empfanden, sich um Uniformen oder etwaige andere Kleidungsstücke zu kümmern. Er war kräftig gebaut, hatte an der Stirn bereits lichtes Haar und äußerst lebhafte Gesichtszüge.
Obwohl er noch etliche Meter von Conway entfernt war, stellte er sich bereits vor: „Ich bin Wainright. Sie müssen der Arzt vom Orbit Hospital sein. Doktor Conway, stimmt's? Haben Sie das Sprachprogramm mitgebracht?“
Conway nickte und griff mit der linken Hand in die Uniformtasche, in der sich das Päckchen befand. Als er dem Lieutenant die rechte Hand zum Gruß anbot, wich Wainright sofort einen Schritt zurück.
„Nein, Doktor“, sagte er in entschuldigendem, aber bestimmtem Ton. „Jemandem die Hand zu geben oder irgendeine andere Art der Körperberührung herzustellen, müssen Sie sich hier abgewöhnen. So etwas macht man auf diesem Planeten allenfalls unter ganz bestimmten und äußerst seltenen Umständen, und die Einheimischen empfinden es als. nun ja, als höchst beunruhigend, wenn sie uns dabei beobachten. Aber Ihre Tasche sieht ziemlich schwer aus. Wenn Sie die auf den Boden stellen und sich dann ein Stück davon entfernen könnten, würde ich mich freuen, sie für Sie tragen zu dürfen.“
„Das schaffe ich schon selbst, danke“, entgegnete Conway abwesend. Ihm gingen gleich mehrere Fragen auf einmal durch den Kopf, die sich alle regelrecht darum zu drängeln schienen, als erste ausgesprochen zu werden. Schließlich setzte er sich in Richtung auf die Kuppel in Bewegung, wobei der neben ihm gehende Lieutenant peinlich darauf achtete, zwischen ihnen eine Entfernung von wenigstens drei Metern zu lassen.
„Das Band wird für uns sehr nützlich sein, Doktor“, sagte Wainright. „Unser Übersetzungscomputer müßte jetzt die Sprache sehr viel besser beherrschen können, so daß viel weniger Mißverständnisse auftreten werden. Allerdings hätten wir niemals damit gerechnet, daß so schnell jemand vom Orbit Hospital hergeschickt werden würde. Danke, daß Sie gekommen sind, Doktor.“
Conway machte mit der freien Hand eine fast abfällige Geste und entgegnete: „Erwarten Sie von mir aber bitte nicht, daß ich Ihr Problem so mir nichts, dir nichts lösen kann, egal, worum es sich dabei handelt. Ich bin lediglich hierhergeschickt worden, um die Lage zu beobachten und darüber nachzudenken. Außerdem soll ich.“ Er hielt kurz inne und dachte an den hauptsächlichen Grund, aus dem ihn O'Mara nach Goglesk geschickt hatte, nämlich um sich Gedanken über seine Zukunft am Orbit Hospital zu machen. Aber er hatte keine Lust, dem Lieutenant gerade jetzt davon zu erzählen, deshalb fuhr er fort: „…nun, außerdem soll ich mich hier erholen.“
Wainright warf ihm einen skeptischen Blick zu, und sein Gesicht verriet ernsthafte Besorgnis. Doch ganz offensichtlich war der Lieutenant viel zu höflich, als daß er sich getraut hätte, Conway zu fragen, warum ein Chefarzt vom größten Hospital der Föderation, in dem jede nur vorstellbare medizinische und psychologische Behandlung durchgeführt werden konnte, ausgerechnet auf diesen Planeten fliegen wollte, um sich zu erholen.
Statt dessen fragte er: „Wo wir gerade von Erholung sprechen, Doktor, wie spät war es auf dem Schiff? Ist es für Sie kurz nach dem Frühstück, mitten am Tag oder bereits höchste Zeit zum Schlafengehen? Würden Sie sich jetzt gerne ausruhen? Hier ist es jetzt spät am Nachmittag, und von mir aus können wir uns gern erst morgen früh miteinander unterhalten.“
„Danke, aber bis vor zwei Stunden habe ich noch gut geschlafen und möchte lieber gleich mit Ihnen sprechen. Und wenn Sie mich nicht daran hindern, Ihnen Fragen zu stellen, dann werden Sie noch derjenige sein, der eine Menge Schlaf versäumt, Lieutenant.“
„Ich werde Sie bestimmt nicht daran hindern, Doktor.“ Wainright lachte. „Damit möchte ich keineswegs unterstellen, daß meine Assistenten keine unterhaltsamen Leute sind, so bedienen sie sich zum Beispiel hin und wieder ihrer Fingerfertigkeit, um beim Kartenspielen dem Wahrscheinlichkeitsgesetz nachzuhelfen, aber es ist trotzdem schön, mal jemand anderen hier zu haben, mit dem man sich unterhalten kann. Übrigens, bei Sonnenuntergang verschwinden die Einheimischen, und dann können wir uns in aller Ruhe über diese Aliens unterhalten, allerdings hat uns das bislang nicht besonders weit gebracht.“
Gefolgt von Conway betrat er das Gebäude. Im Innern befand sich ein schmaler Gang, und auf einer der ersten Türen stand der Name des Lieutenant. Wainright blieb direkt davor stehen, blickte sich rasch nach rechts und links um und bat dann Conway um das Band.
„Kommen Sie herein, Doktor“, forderte er den Chefarzt auf, schob die Tür zur Seite und ging durch das große Büro zu einem Schreibtisch, auf dem ein Übersetzungscomputer stand. Conway sah sich im Büro um, das von dem warmen, orangefarbenen Schein der fast untergegangenen Sonne erleuchtet war. Der Raum wirkte relativ leer, da der Schreibtisch, die Aktenschränke, die Projektionsgeräte und selbst die Stühle für Besucher allesamt an der Wand gegenüber vom Fenster zusammengedrängt waren. Neben dem Fenster stand eine große, rundliche, kaktusähnliche Pflanze, deren Stacheln und Haare vielfarbige Muster aufwiesen, die anscheinend immer weniger zufällig wurden, je länger Conway sie betrachtete.
Als er den von der Pflanze ausgehenden schwachen Duft bemerkte, der wie eine Mischung aus Moschus und Pfefferminz roch, ging er durchs Büro, um sich das Gewächs genauer anzusehen.
Der Kaktus wich vor ihm zurück.
„Das ist Khone.“ Der Lieutenant schaltete den Translator an, dann deutete er auf den Chefarzt und sagte: „Das ist Doktor Conway. Er ist ebenfalls Arzt.“
Während Wainright gesprochen hatte, waren aus dem Translator rauhe, seufzende Laute zu hören gewesen, aus denen sich die Sprache des Lebewesens zusammensetzen mußte. Einen Moment lang ließ sich Conway nach und nach eine ganze Reihe höflicher, diplomatischer Redewendungen einfallen, deren sich die terrestrische Spezies bei derartigen Anlässen normalerweise bediente, die er aber allesamt verwarf, da er es für angebrachter hielt, etwas Positives und Eindeutiges zu sagen.
„Ich wünsche Ihnen alles Gute, Khone“, begrüßte er schließlich das fremdartige Wesen.
„Danke, ich Ihnen auch“, entgegnete die Extraterrestrierin.
„Sie sollten wissen, Doktor, daß in einem Gespräch Namen nur ein einziges Mal genannt werden, und zwar nur, um sich gegenseitig vorzustellen, zu identifizieren oder wiederzuerkennen“, mischte sich Wainright schnell ein. „Bemühen Sie sich, nach dem anfänglichen Gebrauch des Namens in möglichst unpersönlicher Form zu sprechen, um irgendwelchen Anstoß zu vermeiden. Später können wir diese Angelegenheit noch ausführlicher miteinander besprechen. Die Gogleskanerin hat fast bis zum Sonnenuntergang gewartet, nur um Sie zu begrüßen, aber jetzt.“
„…muß sie leider gehen“, schloß Khone den Satz.
Der Lieutenant nickte und fügte hinzu: „Es ist ein Fahrzeug mit einer Heckladerampe zur Verfügung gestellt worden, damit die Insassin einsteigen und befördert werden kann, ohne in unmittelbare körperliche Nähe zum Fahrer zu geraten. Die Insassin wird lange vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein.“
„Das ist sehr rücksichtsvoll“, entgegnete die Gogleskanerin, als sie sich zum Gehen wandte. „Danke.“
Während des Wortwechsels hatte Conway die Extraterrestrierin eingehend betrachtet. Die dichte, widerspenstige Behaarung und die Stacheln, die den aufgerichteten, eiförmigen Körper bedeckten, waren von der Länge und der Lage her weniger unregelmäßig, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Die Körperbehaarung war beweglich, obwohl sie nicht das hohe Maß an Flexibilität und Schnelligkeit des Kelgianerfells besaß, und die Stacheln, von denen einige äußerst biegsam und zu Fingerbüscheln gruppiert waren, zeugten von der hohen Spezialisierung dieser Spezies. Die übrigen Stacheln waren länger und steifer, und einige schienen teilweise verkümmert zu sein, als ob sie sich einst zur natürlichen Verteidigung entwickelt hätten, aber schon vor langer Zeit um ihre Daseinsberechtigung gebracht worden wären. Unter dem vielfarbigen Haar auf dem Schädelbereich lag außerdem eine Anzahl langer, blasser Fühler, deren Funktion Conway unklar war.
Den kuppelförmigen, halslosen Kopf umgab ein dünnes Band aus mattem Metall, und ein paar Zentimeter unter diesem Metallreif befanden sich zwei weit auseinanderstehende, tiefliegende Augen. Die Stimme schien aus einer Zahl schmaler, senkrechter Öffnungen zu kommen, die sich um die Hüfte herumzogen. Das Wesen saß auf einem flachen Muskelband, und erst als es sich zum Gehen wandte, sah Conway, daß es auch so etwas wie Beine hatte.
Dabei handelte es sich um vier kurze, ziehharmonikaartige Gliedmaßen, die das Wesen nur um einige Zentimeter größer machten, wenn es auf ihnen stand. Darüber hinaus entdeckte Conway, daß es am Hinterkopf noch über zwei weitere Augen verfügte — offensichtlich hatte diese Spezies in vorgeschichtlicher Zeit sehr wachsam sein müssen —, und plötzlich wurde ihm der Zweck des Metallreifs klar: Er diente als Einfassung einer Korrekturlinse vor einem der gogleskanischen Augen, war also eine Art Monokel.
Trotz der Körpergestalt war die Gogleskanerin eine warmblütige Sauerstoffatmerin und keine intelligente Pflanze, und Conway ordnete sie der physiologischen Klassifikation FOKT zu. Bevor sie den Raum verließ, blieb sie kurz im Türrahmen stehen und zuckte kurz mit einer Gruppe ihrer Fingerbüschel.
„Einen einsamen Aufenthalt“, wünschte sie.