Nachwort

Die Erben Kains ist der erste Roman einer Trilogie über eine Gruppe von Amerikanern, die in den Strudel der Ereignisse vor, während und nach dem Bürgerkrieg hineingerissen wurden.

Gewisse Leute vertreten die Ansicht, der Wilde Westen bilde das Kernstück der amerikanischen Geschichte. Zweifellos ist es der Teil unserer Geschichte, der am meisten verherrlicht worden ist. Doch für viele Amerikaner ist und bleibt der Bruderkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten das zentrale Erlebnis der Geschichte unserer Republik.

Wie Richard Pindell, Professor an der State University of New York, in einem Artikel über ›Vom Winde verweht‹ schreibt, ist der Bürgerkrieg in allererster Linie ›unser ureigenster Krieg‹. Die Ursachen liegen lange vor Jefferson bei den ersten weißen Spekulanten, die an unserer Ostküste Fuß faßten, und die Auswirkungen werfen mit unverminderter Kraft ihren stürmischen Abglanz auf die fünfziger, sechziger, siebziger und achtziger Jahre unseres Jahrhunderts.

Die grundlegenden Probleme der Sklaverei und der Sezession haben Glanz, Elend und Mythen hervorgebracht. Robert Penn Warren bemerkt irgendwo, der Krieg sei für den Norden ein Unterpfand der Selbstgerechtigkeit und für den Süden ein großes Alibi gewesen. Er hat auch den Schwarzen Amerikas, wenn nicht die De-facto-Freiheit, so doch die gesetzlichen Grundlagen dafür vermittelt. Amerikanische Familien zu beiden Seiten der Mason-Dixon-Linie bescherte er mit ungefähr 600.000 Toten.

Historiker sagen, daß unsere Nation mit dem Krieg mündig geworden ist. In der kurzen Zeitspanne von 1840-1860 haben wir mehr über uns und über die amerikanische Gesellschaft gelernt als in all den Jahren seit der Ankunft der ersten Siedler. Mehr als wir vielleicht wissen wollten.

Und doch übt dieser Zeitraum unsrer Geschichte immer wieder eine gewisse Faszination auf uns aus. Die großen Schlachten werden in Büchern, Zeitungsartikeln, Klassenzimmern und Diskussionsrunden nachvollzogen. Manchmal sinnen wir über die warnenden Lektionen nach, manchmal schieben wir sie beiseite, und oft müssen wir feststellen, daß wegen der zentralen Probleme jener Zeit auch heute noch Blut in unsern Straßen vergossen wird. Diese Macht vergangener Ereignisse mit ihren manchmal tragischen Auswirkungen auf unsere heutige Zeit haben mich letztlich zu einer Auseinandersetzung mit diesem Thema bewogen, wie dies schon viele Schriftsteller und Akademiker vor mir getan haben.

Während meiner Arbeit an diesem Buch bin ich auf einige interessante Reaktionen gestoßen. So zum Beispiel fragte mich auf einer Party eine Frau in ziemlich gereiztem Tonfall, wie ich zugeben muß: »Wie kommen Sie als Yankee dazu, über den Süden, über uns zu schreiben?«

Dieses ›uns‹ verwirrte mich. Eigentlich hätte ich ihr gerne gesagt, daß ich mich als Amerikaner und nicht als fanatischer Verfechter einer bestimmten Region oder Sache betrachte, doch ich habe versucht, ihr eine bessere Antwort zu geben: »Genauso, wie irgendein Schriftsteller, der über einen Zeitraum schreibt, den er nicht selbst erlebt hat. Das heißt, indem ich Nachforschungen betreibe, mich mit der Region vertraut mache und versuche, mich in das Denken und Fühlen der Hauptdarsteller hineinzuversetzen.« An dieser Stelle ist es vielleicht angebracht, etwas über den historischen Gehalt des Buchs zu sagen.

Die Erben Kains soll in erster Linie unterhalten. Dennoch wollte ich in meinem Roman jene Epoche so authentisch wie möglich darstellen. Es ging mir weniger darum, jedes Ereignis zu beschreiben, das letztlich zum Ausbruch des Kriegs im Hafen von Charleston führte, als vielmehr um eine ausgewogene Darstellung der auf beiden Seiten vorherrschenden Haltungen und Vorurteile. Stimmen wie diejenige von Cooper Main waren durchaus im Süden zu hören, und wenn der Kavallerist O’Dell von der Notwendigkeit der Wiederansiedlung befreiter Sklaven in Liberia spricht, so macht er sich damit zum Wortführer vieler Nordstaatler, nicht zuletzt von Lincoln selbst. Viele eifrige Befürworter der Abschaffung der Sklaverei konnten sich die Schwarzen nicht als vollwertige Bürger der amerikanischen Demokratie vorstellen; eine solche Haltung mag heute zwar beschämend anmuten, würde man sie in einem historischen Roman jedoch verzerren oder gar völlig unterschlagen, hätte man damit der Geschichte und all denen, die so sehr für eine neue Haltung gekämpft haben, einen Bärendienst erwiesen.

Obwohl ich mich in dem Buch um historische Korrektheit bemüht habe, bin ich vereinzelt von den historischen Aufzeichnungen abgewichen, und zwar nie ohne Grund, wie folgendes Beispiel zeigen soll.

Es ist eine Tatsache, daß die Kompanie K des Zweiten Kavallerieregiments in den 1850er Jahren tapfer in Texas gedient hat. Die Offiziere und Männer meiner Kompanie K sind natürlich erfunden, wie auch der Vorfall auf der Lantzman-Farm, obwohl sich ähnliche Zwischenfälle zu jener Zeit ereignet haben. Einzelheiten aus dem Leben und Wirken des berühmten Regiments sind historisch getreu wiedergegeben worden.

Eine Frage, die mir im Laufe meiner Arbeit immer wieder gestellt wurde – manchmal, wie mir schien, mit einer gewissen Schärfe –, war folgende: »Und auf welcher Seite stehen Sie?«

Ich habe die Frage nie beantwortet, weil ich fand, daß sie nie richtig gestellt wurde. Für mich gibt es nur eine ›Seite‹, die betrachtet werden muß, die Seite derjenigen, die gelitten haben. Die Seite derjenigen, die ihr Leben in der Schlacht verloren haben, und derjenigen, die ihr Leben langsamer, und vielleicht noch schrecklicher, in der Knechtschaft verloren.

Hier stoßen wir auf einen weiteren packenden Aspekt der gesamten Thematik, auf den Widerspruch zwischen Faszination und Tragik. Die Spaltung hätte nicht geschehen dürfen, und doch mußte sie geschehen – aber das ist meine persönliche Interpretation. Ein Historiker hat es einmal sehr schön formuliert: »Jeder Mensch schafft sich seinen eigenen Bürgerkrieg.« Diese Aussage erklärt vielleicht, weshalb der Konflikt eine derartige Faszination nicht nur auf die Amerikaner, sondern auf Millionen von Menschen überall in der Welt ausübt.

JOHN JAKES

Hilton Head Island

24. August 1981

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