Die kleine Hexe sorgte von jetzt an dafür, daß die Holzweiber nie mehr mit leeren Körben nach Hause zu gehen brauchten. Nun waren sie allezeit guter Dinge, und wenn sie der kleinen Hexe begegneten, machten sie frohe Gesichter und sagten: „In diesem Jahr ist das Holzklauben eine wahre Freude! Da lohnt es sich, in den Wald zu gehen!"
Wie staunte die kleine Hexe daher, als die drei eines Tages verheult und mit leeren Buckelkörben des Weges kamen. Sie hatte doch gestern abend erst einen Wind gehext, und an Reisern und Rinde konnte kein Mangel sein.
„Denke dir, was geschehen ist!" schluchzten die Weiber. „Der neue Revierförster hat uns das Klaubholzsammeln verboten! Die vollen Körbe hat er uns ausgeschüttet — und nächstes Mal will er uns einsperren lassen!"
„Der hat es ja gut vor!" sagte die kleine Hexe. „Wie kommt er dazu?"
„Weil er böse ist!" riefen die Weiber. „Der alte Revierförster hatte ja auch nichts dagegen. Nur dieser neue! Du kannst dir nicht vorstellen, wie er getobt hat! Nun ist es für alle Zeiten vorbei mit dem billigen Brennholz."
Die Weiber heulten von neuem los. Die kleine Hexe sprach ihnen Mut zu. „Der neue Revierförster", sagte sie, „wird es sich überlegen! Ich werde ihn zur Vernunft bringen."
„Wie denn?" wollten die Weiber wissen.
„Laßt das nur meine Sorge sein! Geht jetzt nach Hause und ärgert euch nicht. Von morgen an wird euch der neue Revierförster Holz sammeln lassen, soviel ihr schleppen könnt."
Die drei Holzweiber gingen. Die kleine Hexe hexte sich rasch einen Buckelkorb voller Klaubholz herbei. Den stellte sie an den Wegrand und setzte sich selbst daneben, als sei sie ein Holzweib und ruhe gerade ein wenig aus. Sie brauchte nicht lange zu warten, da nahte der neue Revierförster. Sie erkannte ihn gleich an dem grünen Rock, dem Gewehr und der ledernen Jagdtasche.
„Ha!" rief der Förster. „Schon wieder so eine! Was machst du da?"
„Ausruhen", sagte die kleine Hexe. „Der Korb ist so schwer, und ich muß mich ein bißchen verschnaufen."
„Weißt du denn nicht, daß das Klaubholzsammeln verboten ist?"
„Nein. Woher soll ich das wissen?"
„Jetzt weißt du es!" schnauzte der Förster. „Schütte den Korb aus und pack dich!"
„Den Korb soll ich ausschütten?" fragte die kleine Hexe. „Lieber Herr neuer Revierförster, haben Sie Mitleid! Das können Sie einem alten Weiblein nicht antun!"
„Ich werde dir zeigen, was ich dir antun kann!" schimpfte der Förster. Er packte den Korb, um ihn auszuschütten. Da sagte die kleine Hexe:
„Das werden Sie bleiben lassen!"
Der Förster war wütend. „Ich lasse dich einsperren!" wollte er loswettem; aber er sagte statt dessen: „Entschuldige vielmals, ich habe nur Spaß gemacht. Selbstverständlich darfst du das Klaubholz behalten."
Wie kommt es nur, dachte der Förster bestürzt, daß ich plötzlich das Gegenteil von dem gesagt habe, was ich sagen wollte? Er konnte nicht wissen, daß ihn die kleine Hexe verhext hatte.
„Siehst du, mein Söhnchen, das hört sich schon besser an!" meinte sie. — „Wenn nur der Buckelkorb nicht so schwer wäre!"
„Soll ich dir helfen?" fragte der Förster. „Ich könnte dir ja das Klaubholz nach Hause tragen..."
Sie kicherte.
„Wirklich, mein Söhnchen? Das ist aber lieb von dir! So ein höflicher junger Mann!"
Ich könnte mich ohrfeigen! dachte der neue Revierförster. Warum rede ich solchen Unsinn? Ich kenne mich gar nicht wieder! Gegen seinen Willen mußte er sich den schweren Buckelkorb aufladen.
„Mütterchen!" sagte er dann, „wenn du müde bist, kannst du dich gern hinauf setzen!"
„Ist das dein Ernst?" rief die kleine Hexe.
Der Förster war am Verzweifeln, er hörte sich freundlich antworten: „Aber gewiß doch! Nur immer hinauf mit dir!"
Das ließ sich die kleine Hexe nicht zweimal sagen. Sie schwang sich mit einem Satz auf den vollen Korb, und der Rabe hüpfte ihr auf die Schulter.
„So, es kann losgehen! Vorwärts!"
Der Förster wünschte den Buckelkorb samt dem Klaubholzweib und dem Raben ins Pfefferland. Aber was half es? Gehorsam mußte er ihnen den Packesel machen und antraben.
„Immer geradeaus!" rief Abraxas. „Und schneller, mein Eselchen, schneller! Sonst muß ich dich leider ins Sitzfleisch picken!"
Dem neuen Revierförster wurde abwechselnd heiß und kalt. Er trabte und trabte. Bald war er in Schweiß gebadet. Die Zunge hing ihm zum Hals heraus. Er verlor seinen grünen Hut, dann die lederne Jagdtasche. Auch das Gewehr ließ er fallen.
So rannte er kreuz und quer durch den Wald. „Nach links!" kommandierte Abraxas. „Dort hinter dem Graben nach rechts — und dann weiter, den Berg hinauf!"
Als sie endlich beim Hexenhaus anlangten, konnte der Förster nur noch mit knapper Not auf den Füßen stehen. Die kleine Hexe hatte kein Mitleid mit ihm, sondern fragte:
„Wie wäre es, Söhnchen, wenn du das Klaubholz gleich kleinhacken würdest?"
„Ich werde es kleinhacken, bündeln und aufstapeln", keuchte der Förster.
Das tat er denn auch.
Als er fertig war — und es dauerte lange, bis er die Arbeit geschafft hatte —, sagte die kleine Hexe:
„Jetzt darfst du nach Hause gehen. Ich danke dir, Söhnchen! Einen so freundlichen Förster wie dich gibt es sicher nur einmal! Da werden sich aber die
Holzweiber freuen! Ich denke doch, daß du zu allen so hilfreich bist — wie ... ?"
Der neue Revierförster wankte davon. Er schleppte sich müde heim in sein Försterhaus. In Zukunft schlug er um jedes Klaubholzweib einen großen Bogen.
Die kleine Hexe lachte noch oft über diesen Streich. Dem Raben gestand sie:
„So will ich es immer halten! Ich helfe den guten Menschen, indem ich ganz einfach den schlechten Böses zufüge. Das gefällt mir!"
Abraxas entgegnete: „Muß das sein? Du könntest doch Gutes auch anders tun. Ohne Schabernack, meine ich."
„Ach, das ist langweilig!" sagte sie.
„Woher weißt du das?" fragte Abraxas.