TEIL VI

Festina lente - Eile mit Weile

Octavian

1

Auf dem Palatin in Rom

Der Abend senkte sich auf den Palatin und hüllte alles in ein rosiges Dämmerlicht. Ein sanfter Windhauch strich durch die Zypressen. Octavian saß im Innenhof seines Hauses und machte ein zufriedenes Gesicht. Es gab nur einen Mann auf der Welt, den Octavia noch mehr haßte als ihn.

Sie verstand nun, was Octavian beabsichtigt hatte. Ihre Reise nach Griechenland war seine Idee gewesen, damit sie, wie er gesagt hatte, ihr Glück bei Antonius versuche. Hätte sie ihn zurückgebracht, wäre Antonius als reumütiger Sünder gekommen, gefügig wie ein Lamm. Doch auch so hatte Octavian bekommen, was er wollte, denn er würde Antonius' Weigerung als Beleidigung gegenüber Rom auslegen und seinen Vorteil daraus ziehen. Doch was hätte sie anderes tun können?

»Du wirkst ein wenig blaß«, sagte Octavian. »Wie war die Reise?«

»Wir sind in einen Sturm geraten. Es war beschwerlich.«

»Du solltest täglich einen Becher Rotwein trinken, bis es dir wieder besser geht. Das kräftigt dein Blut.«

Octavia schaute ihn an. Er trug schon wieder seinen albernen Sonnenhut und dennoch zwei seiner schlechtgeschnittenen Tuniken übereinander, obwohl es schon später Frühling und der Abend warm war.

»Es tat mir leid, als ich hörte, was geschah.«

»Ich danke dir«, brachte Octavia mühsam hervor. Es tat ihm nicht im mindesten leid, wie sie sah, sondern er frohlockte.

»Offenbar verschmäht er dich.«

»Sollte dich das etwa bekümmern?«

»Angeblich hat er sich in einer barbarischen Feier mit dieser Hexe Kleopatra vermählt.«

»Nach römischem Recht ist er mein Mann.«

Octavian schien überrascht. »Erzähle mir nicht, daß du deinen Herkules immer noch liebst.«

»Ich hasse ihn aus ganzem Herzen«, erwiderte sie.

»Gut. Ich finde auch, daß es reicht. Du und die Kinder zieht jetzt bei mir ein. Ich werde euch als Mündel betrachten.«

»Nein«, entgegnete sie, ohne recht zu wissen, warum. Hoffte ein Teil von ihr immer noch auf Antonius' Rückkehr? Vielleicht war sie auch einfach nur zu stolz, um eine Niederlage zuzugeben. Oder wollte sie vielleicht ganz Rom vorführen, was für ein Mensch Antonius war, und im Martyrium ihre Rache suchen?

»Er kommt nicht zu dir zurück«, sagte Octavian.

»Ich bleibe dennoch in seinem Haus.«

»Du weißt, daß er nach seinem Sohn Antyllus geschickt hat.«

»Antyllus kann tun und lassen, was er will. Meine Pflicht ist es, zu bleiben, bis Antonius zurückkommt oder sich von mir scheiden läßt.«

Octavian lächelte und applaudierte spöttisch. »Meine tapfere Schwester.«

»Du bist an allem schuld«, fuhr sie ihn plötzlich wütend an. »Du hast dich zwischen uns gestellt.«

Sein Lächeln verschwand. »Es geht hier um Rom, Octavia, um ein Imperium«, entgegnete er kühl. »Daneben ist dein persönlicher Kummer nichtig.« Er erhob sich. Am liebsten hätte Octavia jetzt ihm applaudiert. Ihr verschlagener kleiner Bruder hatte es immerhin geschafft, die mutigsten Männer Roms zu besiegen.

»Also gut«, sagte Octavian im Weggehen, »bleibe in seinem Haus, wenn du willst. Doch hoffe nicht, daß er zurückkommt. Für ihn ist es vorbei.«

In Alexandria

Das Museion war der Hort der neun Musen: der Musen der Liebesdichtung, des Flötenspiels und der Lyrik, der Philosophie, der Geschichtsschreibung, der Tragödie, des Tanzes und Gesangs, des Kitharaspiels, der Komödie und der Astronomie. Die große Bibliothek Alexandrias schloß sich direkt an das Museion an. Die Sammlung war ursprünglich von Ptolemaios II. in Auftrag gegeben worden. Jetzt umfaßte sie die größte der Welt - unzählige Schriftrollen, die, um einen Stab gewickelt, in Regalen oder kleineren Fächern gelagert wurden. An jeder Rolle hing ein hölzerner Titelstreifen, der auf den Inhalt verwies. Die großen Lesesäle gingen ineinander über, das Licht fiel in hellen Schäften durch die Fensterreihen, die sich hoch unter den gewölbten Decken befanden.

Als Canidius und Ahenobarbus durch diese Säle streiften, schenkten sie den angesammelten Werken jedoch nicht die geringste Aufmerksamkeit, denn sie waren auf der Suche nach ihrem Imperator. Schließlich fanden sie ihn in einem der hintersten Säle an einem Marmortisch, wo er mit gerunzelter Stirn in die Lektüre vertieft war.

»Marcus«, knurrte Ahenobarbus.

Antonius gab keine Antwort.

»Wir haben Euch überall gesucht«, sagte Canidius.

»Platon vergleicht die Seele mit einem zweispännigen Wagen«, ließ Antonius sich ohne aufzuschauen vernehmen. Seine Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. »Eines der Pferde ist wild und schwer zu zügeln. Es bedeutet die Lust des Leibes. Das andere ist zahm und gefügig - das ist der Geist. Der Wagenlenker steht für die Vernunft. Nach Platon streiten sich in unserer Natur Wagenlenker und wildes Pferd, und die Frage ist, wer schließlich obsiegt.«

»Was macht Ihr hier?« fragte Canidius. Es war nicht gut, wenn ein Mann zuviel Zeit mit Büchern verbrachte. Ein Mann gehörte ins Gymnasion oder hinaus ins Freie, um sich im Reiten zu üben, und hockte nicht in dunklen Ecken, um sich in verstaubten Schriften zu vergraben.

»Hier befinden sich alle Werke der Philosophie«, antwortete Antonius. »Platon, Sokrates, die Stoiker, die Kyniker, es ist alles da. Sie zeigen, wie sich der Mensch sein Wesen erklärt.«

»Willst du damit den Sommer zubringen?« fragte Ahenobarbus. »Wir haben viel zu tun. Oder hast du Parthien schon vergessen?«

»Vielleicht bin ich ja wegen Parthien hier.« Antonius wickelte die Schriftrolle auf und steckte sie wieder in ihr Fach zurück. Dann legte er die Arme um die Schultern seiner Gefährten und wanderte mit ihnen durch die Säle.

»Warum zieht ihr so lange Gesichter?«

»Wann brechen wir wieder auf?« erkundigte sich Ahenobarbus.

»Gefällt es dir in Alexandria nicht?«

»Ich bin nicht gern müßig, wenn meine Arbeit wartet. Deine Frau richtet für dich in Rom großen Schaden an.«

»Meine Frau - Kleopatra?«

»Deine Frau Octavia«, gab Ahenobarbus kalt zurück.

»Was hat sie denn angerichtet?«

»Sie verhält sich ohne Fehl und Tadel.«

»Wie schändlich.«

Ahenobarbus überging die Ironie seiner Bemerkung. »Sie ruiniert deinen Ruf.«

»Indem sie sich sittsam verhält?«

»Ja, als Gegensatz zu Eurer Sittenlosigkeit«, warf Canidius ein.

Antonius machte eine unwirsche Miene. Er war die Vorwürfe seiner Gefährten leid.

»Du hast immer noch Freunde in Rom«, fuhr Ahenobarbus fort. »Unter den alten Republikanern und den Aristokraten. Doch mit jedem Tag, den du hier verbringst, verlierst du ein paar von ihnen an Octavian. Octavia empfängt deine Anhänger und spielt vor ihnen die liebevolle Mutter und treue Ehefrau. Sie erntet Bewunderung, die sich jedoch in Unmut verkehrt, was dich betrifft.«

»Sie liebt mich nun einmal - was soll ich dagegen unternehmen?«

»Sie liebt dich nicht!« Ahenobarbus hatte die Stimme erhoben, und seine Worte hallten durch den Saal. In einer Ecke schaute ein alter Grieche auf und starrte sie entrüstet an. »Entweder hat Octavian sie dazu angestiftet, oder sie betrachtet es als ihre Form der Rache. In jedem Fall schadet dir ihr Verhalten mehr, als wenn sie dich schmähen würde.«

»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«

»Du mußt nach Rom zurück! Du mußt mit denen reden, die dich noch immer verehren. Von Octavia mußt du dich scheiden lassen oder dich mit ihr versöhnen. Wenn du so weitermachst wie bisher, wird Octavian dich vernichten.«

Antonius' Hochstimmung war verflogen. Er runzelte die Stirn. »Ich werde es mir überlegen«, sagte er. Er löste sich von ihnen und ging mit gesenktem Kopf davon.

Er ist und bleibt ein Kind, dachte Canidius. Wenn ihm die Pflichten lästig sind, zieht er sich zurück und fängt an zu spielen.

»Ich würde zu gern wissen«, murmelte er, »wer bei ihm den Wagen lenkt.«

Nachts war es still, bis auf das Rauschen des Meeres und manchmal das Geräusch leichter Schritte, wenn ein Sklave über die Gänge huschte, oder festeren, wenn ein Soldat der Leibwache seine Runde drehte.

Kleopatra lag an Antonius geschmiegt und fühlte, wie sich seine mächtige Brust hob und senkte. Er hatte sein früheres Aussehen zurückgewonnen, die reichhaltige Nahrung und der gute Wein hatten ihn erneut gekräftigt. Doch die vormalige Lebensart hatte er nicht wieder aufgenommen; es gab weder Freunde des Lebens noch nächtelange Vergnügungen in Kanopos oder am See Mareotis. Vielleicht hielt der Gott sich nicht mehr für unsterblich.

Kleopatra hatte geglaubt, er schliefe, doch plötzlich murmelte er: »Ahenobarbus will, daß ich nach Rom zurückgehe.«

Ahenobarbus, dachte Kleopatra, der Sittenwächter mit dem zerfurchten Sorgengesicht. Sie hatte nicht vor, Antonius jemals wieder aus den Augen zu lassen. Er hatte sie zum letzten Mal verraten. »Und was hast du ihm gesagt?«

»Daß ich es mir durch den Kopf gehen lassen würde. Er glaubt, daß meine Freunde dort... «

»Wenn du nach Rom gehst, mußt du mit mir als Feindin rechnen.«

Er drehte sich zur ihr um. »Täubchen... «

Kleopatra stieß ihn von sich und richtete sich wütend auf.

»Ich bin kein Täubchen, sondern ein Falke. Ich habe Krallen!«

»Wenn ich nach Rom zurückkehrte, könnte ich mit einigen Bestechungsgeldern... «

»Du bist schon einmal zurückgegangen und hast mich danach im Stich gelassen. Wenn du mich wieder verläßt, weiß ich, daß ich dir nichts bedeute. Mein Zorn wird dieses Mal furchtbar sein.« Antonius lachte. Wahrscheinlich glaubt er, daß ich scherze, dachte sie.

»Oho!« sagte er. »Kleopatra mit ihren zahlreichen Legionen!«

»Nein, Kleopatra mit ihrem vielen Geld. Was sind denn deine Legionen - ohne Geld, um sie zu bezahlen und ihnen Waffen und Nahrung zu kaufen?«

Antonius gab keine Antwort, sondern warf die Decke von sich und ging in das Nebenzimmer. Sie hörte, wie er einen der Sklaven weckte und ihm befahl, Wein herbeizubringen. Nach einer Weile legte sie sich einen dünnen Umhang um und trat in den Nebenraum. Antonius lag nackt auf einem Diwan und wartete darauf, daß ihm der Sklave den Weinpokal füllte.

Er sah ihr verdrossen entgegen. »Jeder will immer irgend etwas von mir.«

»Das kommt dir nur so vor, weil du dich mit Nichtstun begnügen willst.«

»Ich warte lediglich darauf, daß meine Armee wieder kampfbereit ist. Dann kümmere ich mich um Armenien.«

»Warum damit die Zeit verschwenden?«

»Weil ich das nicht so stehenlassen kann! Vierzigtausend Mann vernichtet! Und das wegen Artavasdes, diesem Verräter! Es vergeht kein Augenblick, an dem ich nicht daran denke.«

»Der Feldzug gegen Parthien war von vornherein ein Fehler.«

»Parthien ist mein Schicksal.«

»Wieso glaubst du das?«

»Ich weiß es«, entgegnete er.

Er kommt nicht davon los, dachte Kleopatra. Parthien war Caesars Traum gewesen. Antonius hat ihn einfach übernommen - ein treuer Gefolgsmann bis zum bitteren Ende. Er hat sich ein Ziel gesetzt, und nun verfolgt er es stur und ohne nachzudenken, anstatt sich den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Caesars Geist herrschte noch immer in diesem Raum. Er hatte auf demselben Diwan gesessen, auf dem jetzt Antonius lag, jedoch nicht nackt und halb betrunken, sondern in kriegerischem Gewand, mit dem vertrauten Gesichtsausdruck, als amüsiere ihn die Welt unablässig. Dort hatte er sie in jener Nacht genommen, als Apollodoros sie in der Teppichrolle zu ihm gebracht hatte.

Wenn er doch nur hier wäre! Er würde das Richtige tun.

»Die Ratschläge, die man mir ständig gibt, reichen für zehn Leben«, hörte sie Antonius sagen. »Erst Ahenobarbus, dann Canidius, und jetzt auch noch du. Aber mein Entschluß steht fest: Ich werde nach Armenien ziehen und Artavasdes strafen. Eher ruhe ich nicht.«

»Tu mit ihm, was du willst. Doch Parthien mußt du vergessen.«

Kleopatra ging wieder in ihr Bett zurück, während Antonius blieb, wo er war, und dem Weinkrug sein Elend klagte, bis ihn in den frühen Morgenstunden Sklaven in seine Gemächer trugen, wo er seinen Rausch ausschlief.

2

DER MONAT MARTIUS NACH DEM RÖMISCHEN KALENDER IM JAHRE 34 VOR CHRISTI GEBURT

Auf dem Palatin in Rom

Octavian lag auf seiner Ruhebank ausgestreckt, nahm mit seiner Frau die Abendmahlzeit ein und studierte dabei einen Bericht, den ihm einer seiner Offiziere überbracht hatte. Ab und zu kratzte er an dem Eiterbläschen auf seiner Wange.

»Jetzt hat er es also geschafft.«

Livia nahm sich noch ein kleines Stück von der gebratenen Meeräsche auf dem Tisch. »Geht es um deinen Freund Antonius?«

»Er hat einen Gewaltmarsch zurückgelegt und ist in Armenien eingefallen. Er hat die Festung Artaxata besetzt und den König gefangengenommen. Das Land ist jetzt römische Provinz, und Antonius verkündet es als großen Sieg.«

»Bestimmt will er jetzt einen Triumphzug haben«, sagte Livia verächtlich.

»Bestimmt.«

Wie sollte man so einen Menschen verstehen? dachte Octavian. Wie konnte sich jemand so töricht verhalten? Zuerst die Angelegenheit mit Sextus Pompejus, der nach Armenien geflohen war, drei Legionen ausgehoben und auf das beste Auftragsangebot gewartet hatte. Er war kurz davor gewesen, den Parthern den Zuschlag zu geben, als ihn einer von Antonius' Generälen ergriff und hinrichten ließ. Es war dieser Dummkopf gewesen - dieser Munatius Plancus.

Natürlich hatte man Sextus loswerden müssen - ein gräßlicher Störenfried! -, doch weshalb sich Antonius die Hände damit schmutzig gemacht hatte, blieb Octavian ein Rätsel. Der römische Pöbel hatte Sextus geliebt und nach seinem Tod natürlich zum Helden erhoben, zum wahren Kämpfer der Republik, zum edlen Römer, dem letzten seiner Art. Und der böse Antonius war nun schuld an dessen Tod! War dieser Mensch denn wirklich bar jeder List und Tücke?

Und dann noch diese Brut, die er mit seiner ägyptischen Mätresse gezeugt hatte! Das Mädchen war in Selene umbenannt worden, der Zwillingsbruder hieß neuerdings Helios

- der Mond und die Sonne! Titel, die den parthischen Königen gehörten! Antonius mußte tatsächlich von allen guten Geistern verlassen und von Parthien besessen sein.

»Vielleicht sollte ich die Nachricht unterschlagen«, sagte Octavian.

Livia zog eine Augenbraue in die Höhe. »Wozu die Mühe? Gib den Sieg ruhig im Senat bekannt und ernenne Armenien zur römischen Provinz, als sei es dein Verdienst gewesen. Im Grunde mußt du gar nichts tun, Antonius erledigt alles für dich.«

Welch ein kluges Mädchen, dachte Octavian. Die vorbildliche Ehefrau, die ihren Mann unterstützt. Natürlich hat sie recht. Ich werde den Ruhm für mich beanspruchen und Antonius unberücksichtigt lassen. Solange er nicht nach Rom zurückkommt, gibt es nichts zu befürchten. Soll er doch im Osten tun und lassen, was er will, von einer Schlacht in die nächste taumeln und sich in den Armen seiner Hure wälzen. Ihm konnte das alles recht sein. Er suchte keinen Krieg mit Antonius - zumindest jetzt noch nicht. Die Armee war noch nicht gefestigt und neigte zur Meuterei, solange ihm Gelder und Länder fehlten, um sie zu bezahlen. Festina lente, dachte er. Eile mit Weile.

In Antiochia

Selene hatte sich wie ein verwundeter Soldat über Antonius geworfen, Speicheltröpfchen rannen ihr über die Wange und benetzten seinen Arm. Helios hatte seine Ohren gepackt und versuchte, ihn auf den Boden zurückzuzerren. Antonius lachte schallend, schnappte sich den Jungen und lud ihn sich auf die Schultern. Die Kinder kreischten vor Vergnügen.

Kleopatra sah zu, wie Antonius sich mit den Kindern auf dem Pantherfell balgte. Ein plötzliches Gefühl von Zärtlichkeit stieg in ihr auf. Für so etwas ist er wie geschaffen, dachte sie. Wenn das Schicksal gnädiger gewesen wäre, hätte es ihn zu einem Schreiner gemacht oder zu einem Schiffsbauer. In dieser Rolle wäre er glücklich geworden, mit einer netten Frau und Kindern zum Herumtollen, gelegentlichen Tempelbesuchen, um sich eine heterai zu kaufen, genug Geld, um sich billigen Wein zu besorgen und sich ab und zu eine Schlägerei in einer Spelunke am Hafen zu leisten. Mardian hatte unrecht gehabt - Antonius selbst war kein Rätsel, vielmehr war ihm das Leben ein Rätsel geblieben. Und die Göttin Fortuna war grausam gewesen und hatte ihn mit einer Rolle versehen, mit der er nichts anzufangen wußte, hatte ihm eine Bürde auferlegt, die er nicht tragen konnte.

Es tat Kleopatra leid, das Trio zu stören, doch ihre Nachricht drängte. Sie klatschte in die Hände. »Kinder!« rief sie. »Ruhe jetzt! Ich muß mit eurem Vater reden.«

Selene und Helios hielten abrupt inne und starrten sie an. Auf ihren Gesichtern malte sich Enttäuschung ab. Sie halten mich zwar für eine gute Mutter, dachte Kleopatra, aber sie finden mich nicht lustig. Nicht wie Antonius, diesen Riesen, der ein ebensolcher Kindskopf ist wie sie.

Antonius schaute sie erwartungsvoll an. »Neuigkeiten aus Rom?« erkundigte er sich.

Sie bedauerte das, was sie ihm sagen mußte, doch es gab auch einen Teil in ihr, der darüber frohlockte. Was hätte sie wohl gemacht, wenn die Römer ihm einen Triumph gewährt hätten? Doch mit Octavian an der Macht war die Aussicht von Anfang an gering gewesen.

»Der Sieg in Armenien ist im Senat verkündet worden. Das Land ist als römische Provinz annektiert worden.«

»Und?«

»Das ist alles.«

»Keinen Triumph?«

»Keinen Triumph.«

Selene krabbelte auf seinen Schoß und versuchte, ihm eine ihrer nackten Zehen in den Mund zu stecken, während sie kichernd auf seine Beine sabberte. Antonius packte sie sanft und setzte sie ab. Dann löste er Helios' Arme von seinem Hals und stand auf. Er gab den Sklaven ein Zeichen, die Kinder nach draußen zu bringen und sie dort zu beschäftigen.

Die Kinder verließen ihn ungern, doch ohne zu murren, da sie seine veränderte Stimmung spürten.

»Keinen Triumph?« wiederholte Antonius ungläubig.

Er ist immer noch so treuherzig, daß er glaubt, er bekäme stets, was ihm zusteht, dachte Kleopatra. Wie kann ein Mensch so lange leben und dabei so wenig begreifen? »Haben sie keine Feiern angesetzt, keinen Umzug, um meinen Sieg zu würdigen?«

Sieg! Es war wohl eher ein Beutezug gewesen. Dennoch verstand Kleopatra, daß ihn die Nachricht schmerzte. Selbst sein General Ventidius hatte einen Triumph für seine Erfolge in Syrien feiern dürfen und Sosius sogar einen nur für die Rückeroberung Jerusalems. Und nun würde er leer ausgehen? Es war, als ob Rom ihn vergessen hätte, als ob sie ihn nicht mehr für einen der Ihren hielten.

»Aber ich habe ihn verdient!« schrie er wütend auf.

Er drehte sich um, ergriff eine gefüllte Amphore und schleuderte sie an die Wand. Das Gefäß zerschellte, und der Wein sickerte wie ein roter Blutbach an der Wand herab.

»Ich habe ihn verdient!«

Das war es, was er wollte: Das Volk sollte seinen Namen jubeln, so wie zuvor den Caesars. Er wollte auf dem geschmückten Triumphwagen stehen, genau wie der alte Knabe - vor ihm die Kriegsgefangenen und die Fuhrwerke mit den erbeuteten Schätzen, vorbei an dichtgedrängten Menschenmassen. Die Budenbesitzer sollten grölen, die Brotverkäufer, die Kesselflicker, die Besitzer der Spelunken sowie der ganze andere Pöbel.

»Du sollst deinen Triumph haben«, sagte Kleopatra.

»Wie denn?«

»Wenn man es in Rom nicht tut, dann geschieht es eben hier in Alexandria.«

Er starrte sie verdattert an. »In Alexandria?«

»Warum denn nicht?«

»Triumphe feiert man nur in Rom.«

»Vielleicht die römischen Triumphe. Wir werden dir einen alexandrinischen Triumph bereiten.«

Antonius ließ sich die Worte eine Weile durch den Kopf gehen. Kleopatra beobachtete die wechselnden Gefühle, die sich auf seinem Gesicht abmalten. Warum eigentlich nicht? schien er sich zu sagen. Es wäre eine Form der Rache. Antonius, der Rom beweist, daß man ihn weder übergehen noch beleidigen kann.

»Octavian wird dir nie gewähren, was dir gebührt«, flüsterte Kleopatra. »Es ist genau wie mit den Legionen, die er dir versprochen hatte. Er hat dir nur seine Schwester gegeben, damit sie dich ausspionieren kann und hindern...«

»Ausspionieren... «

»Bist du noch nie auf die Idee gekommen?«

»Du glaubst, sie war eine Spionin? Von Anfang an?«

»Octavian lag jedenfalls nie an Eurem Bündnis.« Armer Antonius, es dauerte so lange, bis er Octavians Ränke erfaßte. »Verzichte auf das Amt des Triumvirs. Es wird Zeit, daß du der alleinige Herrscher des Ostens wirst.«

Plötzlich glomm in seinen Augen ein Funke auf. Vielleicht erkannte er endlich das Ausmaß seiner Möglichkeiten. »Ich habe meinen Triumph verdient«, murmelte er. »Ich habe ihn verdient.«

3

Diese ganze fremdländische Umgebung kann ja nichts Gutes bewirken, dachte Ahenobarbus. Die Wandschirme aus Perlmutt, die golddurchwirkten Kissen und Schemel aus Ebenholz, die weichen Ruhebänke und Alabasterlampen, die schweren seidenen Behänge. Wir sind Römer! Der orientalische Luxus darf sich nicht in unsere Seelen fressen - er ist wie Rost auf einem Schwert.

»Da kommt seine Herrlichkeit«, grummelte er, an Canidius gewandt. Lächerlich, dachte er, wie Antonius da in den Raum gesegelt kam, mit Kleopatra, den Lustknaben und den Eunuchen im Schlepptau, den Friseuren, Nagelbeschneidern, Bauchnabelreinigern und was sonst nicht alles - der Hof sieht aus wie eine Wanderkomödie. Und allen voran Antonius, in fließender Robe und Juwelenpantoffeln, beringt wie einer, der Huren verkauft, und nicht wie ein römischer Magistrat.

»Ich habe gehört«, flüsterte Munatius Plancus, »daß er in Alexandria einen Triumph feiern will.«

»Was will er?« stieß Ahenobarbus hervor.

Plancus genoß es, der erste zu sein, der die Neuigkeit verkünden konnte. »Der Triumph findet in Alexandria statt. Für unseren Sieg im Krieg gegen Armenien.«

»Das war doch kein Krieg! Wir sind lediglich einmarschiert, haben uns die Beute geschnappt und sind wieder hinausmarschiert.«

»Wir kamen, sahen und nahmen«, murmelte Canidius.

»Er kann außerhalb Roms keine Triumphe feiern.«

Plancus zuckte die Achseln. »Genau das wird aber behauptet.«

Ahenobarbus schüttelte den Kopf. Es war Irrsinn - der blanke Irrsinn.

»Ich bitte dich, das Ganze noch einmal zu überdenken«, sagte Ahenobarbus. »Um unserer aller willen.«

Antonius hatte sich auf einen Sessel gefläzt, der aussah wie ein Thron. Neben ihm stand ein Krug mit Wein. Früher hatte Ahenobarbus sich nie an Antonius' Weinkonsum gestört, doch inzwischen fand er, daß dessen Trunksucht haltlos geworden war.

»Findest du nicht, daß mir ein Triumph zusteht?« erkundigte Antonius sich empört und setzte sich aufrecht. »Rom verweigert mir die Armee, liefert weder Waffen noch Proviant, und dennoch erobere ich eine neue Provinz für das Reich. Und du findest, daß ich keinen Triumph verdiene?«

»Ich sage ja nicht, daß du ihn nicht verdienst...«

»Sondern?«

Ahenobarbus hatte Antonius noch nie so wütend gesehen. Wo war der sorglose Soldat von früher geblieben? Der neue Antonius gefiel ihm sehr viel weniger. »Ich sage doch nur, daß du Rom nicht den Rücken kehren sollst.«

»Du willst immer noch, daß ich zurückgehe?«

»Aber ja.«

»Dann sag mir doch, was mich dort erwartet! Ich darf in Italien keine Truppen ausheben, ich habe kein Geld, keine Flotte, keine Einkünfte. Ich könnte noch nicht einmal einen Aufstand in einem Bäckerladen beginnen, geschweige denn woanders.«

»Du hast noch Freunde im Senat. Mächtige Freunde.«

»So mächtig, daß sie noch nicht einmal meinen Triumph durchsetzen konnten?«

»Das ist doch nicht so wichtig.«

»Für dich vielleicht nicht«, herrschte Antonius ihn an.

»Du tust einen Schritt, den wir alle bereuen werden.«

»Ich brauche Kleopatras Geld. Es ist weder das erste noch das letzte Mal, daß ein Römer sich fremder Hilfe bedient. Pompejus hat Spanier gegen Caesar eingesetzt, Brutus führte bei Philippi Gallier gegen uns ins Feld. Und als Caesar hier belagert wurde, hat ihn keine römische Legion befreit, sondern die Vasallen Mithridates und Herodes taten es. Danach hat er mit Kleopatras Geld die Kriege in Afrika und Spanien bestritten. Ich habe nichts anderes vor als er. Ägypten ist die Schatztruhe der Welt, und dank Kleopatra habe ich dazu Zugang.«

»Ich sage ja auch nur, daß in Rom...«

»Wenn ich mich wieder nach Rom begebe, verliere ich Kleopatras Unterstützung, das hat sie mir deutlich gesagt. Damit ist alles geklärt, denn zur Zeit brauche ich sie noch dringend.«

Ahenobarbus betrachtete ihn nachdenklich. Es ergab tatsächlich einen Sinn. Sie brauchten Ägypten, wenn sie ihre Kriege gewinnen wollten. Doch gefallen mußte es ihm deshalb noch lange nicht. Er spürte es in den Knochen, daß dabei nichts Gutes herauskam.

»Octavian ist schon wieder krank«, fuhr Antonius fort. »Wer weiß, ob er nicht in den nächsten Wochen stirbt. Doch selbst wenn nicht, wird er auf Dauer die Truppen nicht im Zaum halten können, denn der Geldbeutel Roms ist leer. Wie du schon sagtest, gibt es noch Senatoren, die mich unterstützen. Wir wollen abwarten, was daraus wird. Vielleicht überhäufen mich andere mit Schmähungen, doch das werde ich ebenso überleben wie die Beleidigungen Octavians.«

»Es geht nicht um Beleidigungen. Der Pöbel Roms...«

»Der Pöbel!«

»Die Römer interessieren sich nicht für Hintergründe. Für das Volk ist der Triumph gleichbedeutend mit freiem Essen und Spielen. Sie werden glauben, daß du ihnen das versagen willst.«

»Aber nicht ich versage es ihnen, sondern Octavian!«

»So sehen sie es aber nicht.«

»Das Volk ist mir ganz gleich.«

»Es ist dir nicht gleich, wenn es dich umjubelt.«

»Ich halte meinen Triumph so ab, wie ich es will. Und auch Kleopatra erhält, was sie sich wünscht.«

»Und was wäre das?« fragte Ahenobarbus argwöhnisch.

»Das wirst du dann schon sehen«, erwiderte Antonius.

Als Ahenobarbus Antonius verließ, wußte er nicht, ob er ihn für genial oder wahnsinnig halten sollte. Nun, dachte er, aber immerhin kümmert er sich wieder um strategische Fragen. Man munkelte, daß Alexander Helios mit der einzigen Tochter des medischen Königs verlobt werden sollte, in dessen Bergland sowohl Crassus als auch Antonius gescheitert waren. Bei einem nächsten Angriff gegen Parthien würde Antonius dort einen Stützpunkt haben und einen treuen Verbündeten.

Ahenobarbus beunruhigte jedoch, daß Antonius sich ständig auf Caesar bezog. Caesar war nicht zuletzt umgekommen, weil er eine eigene Dynastie hatte gründen wollen, und nun schien Antonius sich an derselben Krankheit angesteckt zu haben. Denn die Verlobung mit der medischen Prinzessin würde ja nicht zuletzt bedeuten, daß der Sohn eines römischen Triumvirs

- auch wenn er nicht legitim war - eines Tages König von Medien wäre! Solche Machenschaften waren gefährlich, denn es war die griechische Art, die Art des Ostens, sich Länder durch Heirat abzusichern. Könige taten so etwas, Römer nicht!

4

In Alexandria

Es war ein trüber Tag mit grauen Wolken, die über die Dächer der Häuser zogen, ein Tag, dem die Götter nicht hold zu sein schienen. Dennoch war die ganze Stadt auf den Beinen, um sich das Schauspiel anzusehen. Jüdische Händler drängten sich unter den Kolonnaden des Gymnasion zusammen, griechische Gelehrte mit ihren Schülern machten sich in den Fenstern des Museion die Plätze streitig, halbnackte Ägypter in ledernen Faltenröcken kletterten auf die Dattelpalmen, hockten auf den Mauern des Palasts, waren bis auf die Tempeldächer vorgedrungen oder klammerten sich an Statuen fest. Auf der breiten marmornen Prachtstraße Soma, die mitten durch Alexandria führte, standen die Menschen in zwanzig Reihen hintereinander.

Antonius war schon am frühen Morgen aufgebrochen und hatte sich zum Großen Hafen begeben, wo der Triumphzug beginnen sollte. Von dort aus führte er zum Neptuntempel, dann am Lochias-Palast und an den königlichen Gärten vorbei bis zur großen Kanopischen Straße und um den Panhügel herum. Danach würde sich der Zug in Richtung Süden wenden, der Soma folgen und schließlich am Tempel des Serapis enden.

Kleopatra ruhte auf einem Silberthron, den man auf den Tempelstufen errichtet hatte, und wartete auf die Ankunft des Triumphators. Antonius wurde schon von weitem durch Beifallsgeschrei angekündigt, genau wie es damals bei Caesar gewesen war. Es hörte sich an wie eine Welle, die langsam anbrandete. Heute, dachte Kleopatra, hat er den Triumph bekommen, von dem er immer geträumt hat. Er war der König! Und alle würden sehen, daß sie nicht nur mehr Königin von Ägypten war, sondern darüber hinaus auch die auserkorene und geliebte Gefährtin Roms.

Wie lange hatte sie auf einen solchen Augenblick gewartet -selbst wenn der Sieg noch nicht vollkommen war, da Octavian weiterhin auf sie lauerte. Doch jetzt marschierte durch ihre Straßen wieder ein Römer, der nicht als Oberbefehlshaber kam, sondern ihr Verbündeter war, ihr Gemahl. Sie hatte ihr Land von der Schande befreit, die ihre Väter Ägypten bereitet hatten. Ihre Söhne und ihre Tochter besaßen alle eine Zukunft -nicht einen einzigen Thron, um den sie kämpfen mußten, sondern jeder einen nach eigenem Recht. Antonius' Triumph war letztlich auch der ihre.

Kleopatra hatte sich als Isis kleiden lassen. Sie trug ein silberdurchwirktes Gewand mit dem mystischen Knoten über der Brust, auf dem Haupt die Uräusschlange mit dem hochgereckten Kopf und ein Diadem, das den Mond und die beiden Federn der Gerechtigkeit faßte. Die Finger ihrer rechten Hand waren mit Henna rot gefärbt und hielten das ankh, das Zeichen des Lebens, während ihre Linke das lotusgestaltige Zepter umfaßte. Unterhalb von ihr, auf einem Thron, befand sich Caesarion, der mit seinen neun Jahren bereits wie ein Römer gekleidet war, in Tunika und toga virilis, beides sorgsam um seinen schmächtigen Körper drapiert.

Zu seinen Füßen waren für die anderen Kinder drei kleinere Throne aufgestellt. Alexander Helios trug das Gewand eines parthischen Königs mit Pluderhose und weitem Umhang über einer Tunika und einen weißen Turban, auf dem eine Tiara mit einer Pfauenfeder prangte. Neben ihm saß Kleopatra Selene in einem knöchellangen Silbergewand, umgeben von griechischen Wachen mit silbernen Schilden. Und schließlich der kleine Philadelphos im Purpur der makedonischen Könige, mit dem Kausias, um den ein Diadem gebunden war, einer Chlamys, und winzigen Stiefelchen aus Filz. Er reckte seinen Kopf zu Kleopatra empor, und sie sah, wie seine Unterlippe bebte. Er war erst zwei Jahre alt, die Zeremonie war noch ein wenig zuviel für ihn. Kleopatra schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

In den Reihen unterhalb der Kinder saßen die Ehrengäste, die Vasallenkönige, die gekommen waren, um Antonius ihre Treue zu bekunden, die Prinzen aus Kappadokien, Pontos, Galatien und Paphlagonien. Aus Thrakien, Mauretanien, Judäa und Kommagene waren die Satrapen vormals römischer Provinzen angereist, die ihren neuen Lehnsherren Antonius und Kleopatra huldigen wollten.

Dem Triumphwagen voraus zogen die Legionen. Ihnen folgten die schweren Reiter, dann ägyptische Söldner, berittene Bogenschützen aus Medien und schließlich die leichte Reiterei aus Pontos. Das ist jetzt mein Reich, dachte Kleopatra zufrieden, es gehört nicht mehr Rom.

Danach schloß sich der Zug der Gefangenen an, geschlagene Armenier mit Soldaten und Sklaven, danach eine Kette von Fuhrwerken, die unter den Schätzen ächzten, die Antonius im königlichen Palast in Artaxata erbeutet hatte. Den Abschluß bildete ein staubbedeckter König Artavasdes, der gebeugt seine Ketten mit sich schleppte.

Antonius' Rache für Parthien, dachte Kleopatra und hoffte, daß die Schmach dieses Königs ausreichen würde, um ihn über die Katastrophe in den medischen Bergen hinwegzutrösten. Die Vergangenheit mußte begraben werden. Vom heutigen Tag an galt es, nur nach vorn zu schauen und die Zukunft zu planen, die sie gemeinsam errichten würden.

Und dann tauchte Antonius auf.

Er stand auf einem goldenen Wagen, der von vier Schimmeln gezogen wurde. Anstatt mit Purpurmantel und Lorbeerkranz des römischen Triumphators war er als Dionysos gekleidet, mit Efeukranz, Stab und einem goldenen, juwelenbesetzten Gewand. Er kam als Gott, als wiedergeborener Osiris, als Erlöser und Befreier. Die Menge brach in Begeisterungsstürme aus.

Antonius stieg von dem Wagen herunter und schritt die Stufen des Tempels empor. Kleopatra sah, wie er zu ihr hochschaute, und lächelte. Marcus Antonius, der alleinige Herrscher über den Osten, war endlich zufriedengestellt.

Der Serapistempel lag auf der höchsten Erhebung der Stadt und schien in den Himmel zu ragen. In seinem Inneren stand Serapis, der bärtige Gott der Ptolemaier, in Marmor gehauen, der große goldene Kopf und die Juwelenaugen schimmerten im dunklen Schrein.

Ganz Alexandria verharrte stumm und ehrfürchtig, als Antonius die letzten Stufen nahm, nur der Wind strich durch die Kolonnaden, und aus dem Tempel klang gedämpft das Rasseln eines Sistrums. Die Hohenpriester erwarteten ihn oben auf der Treppe, die scharlachroten Gewänder blähten sich im Wind. Antonius betrat die Eingangshalle. Er wirkte klein neben Anubis und Hathor, den mächtigen Göttersäulen mit dem Lotuskapitell. Zwischen den riesigen Fackeln, die das Eingangsportal flankierten, blieb er stehen, danach durchquerte er die Halle und begab sich zu dem Schrein, um dem Gott der Stadt mit einem Opfer zu danken. Jetzt gehört er ein für allemal mir, dachte Kleopatra. Zu Octavia kehrt er nie mehr zurück.

Wie oft würde sie später an diesen Tag zurückdenken! Wie eitel wir waren, ging es ihr dann durch den Kopf - und wie blind. An jenem Tag sind wir Götter gewesen, durchdrungen von so großem Stolz, daß wir glaubten, wir könnten die Berge zerteilen. An jenem Tag haben wir uns für unbesiegbar gehalten. Auf jenem Tempelhügel in Alexandria haben wir nicht geahnt, wie uns die wahren Götter hernach in die Knie zwingen würden. Dabei haben sie immer nur mit uns gespielt! Und daß wir uns damals so mächtig fühlten, muß sie erst recht belustigt haben.

Antonius hatte das Tempelinnere verlassen, stand nun vor der Eingangshalle und schaute über die schweigende Menge hinweg. Caesar hatte einen Sklaven hinter sich gehabt, der ihn an seine Sterblichkeit gemahnte - Antonius jedoch nicht.

»Königin von Ägypten«, sagte er mit lauter Stimme, die über den weiten Platz hallte. »Tochter der Isis, Pharaonin von Ägypten, Freundin und Verbündete Roms, wir präsentieren Euch heute unseren Gefangenen, den elenden Artavasdes, auf daß er die Strafe erfährt für seinen Verrat. Seine Armee, seine Familie und sein Gold hat er bereits verwirkt.«

Antonius machte eine Pause und schien nach den nächsten Worten zu suchen.

»In Anbetracht unserer Eroberungen im Osten verkünde ich das Folgende: Ptolemaios Philadelphos, unser Sohn, erhält die Königreiche von Syrien und Kilikien. Die Länder Pontos, Galatien und Kappadokien werden seiner Herrschaft unterstellt, sobald er das rechtmäßige Alter erreicht hat.«

Kleopatra sah, wie der kleine Junge unruhig wurde und anfing zu zittern, als er hörte, daß sein Name vor all diesen Menschen ausgerufen wurde.

Antonius fuhr fort: »Unserer Prinzessin Kleopatra Selene gebe ich Kyrenaika und Kreta. Ihren Bruder Alexander Helios ernenne ich zum König von Armenien, Herrscher über Medien und alle Länder östlich des Euphrats bis zu der Grenze Indiens.«

Für einen Moment herrschte Totenstille. Danach erhob sich ein Raunen in der Menge, das sich fortsetzte wie die Wellenringe, die entstehen, wenn man einen Stein in einen Tümpel geworfen hat.

Antonius setzte erneut an, und das Raunen verstummte. »Unsere Gemahlin Kleopatra, Königin von Ägypten und Zypern, trägt hinfort den Titel Königin der Könige. Ihr Erbe wird ihr Sohn Caesar Ptolemaios sein, der einzig legitime Nachkomme von Julius Caesar.«

Die Menge verharrte noch einen Moment lang wie benommen, doch dann geriet sie außer sich und fing an zu rasen. Was Antonius getan hatte, war jenseits aller Erwartungen, jenseits allen Vorstellungsvermögens gewesen. Kleopatra sah, daß Antonius' Generäle und Freunde wie erstarrt auf der Stelle standen. Auch ihre eigenen Höflinge waren weiß geworden. Selbst Mardian war erblaßt.

Ich habe es ihnen immer wieder gesagt, dachte Kleopatra, und nun sehen sie es selbst. Selbst das Orakel hat sich schließlich als Wahrheit erwiesen. Nun glauben alle, daß ich Isis bin. Und wer weiß - vielleicht haben sie recht.

5

Der Morgen danach, dachte Ahenobarbus - Zeit für die Wirklichkeit.

Auf der breiten Kanopischen Straße waren die Sklaven bereits bei der Arbeit und schafften den Abfall beiseite. Noch nie zuvor hatte Alexandria eine derartige Nacht erlebt. Kleopatra hatte die ganze Stadt bewirtet, und wenn man ihnen schon sonst nicht viel Gutes nachsagen konnte - feiern konnten die Griechen und Ägypter, das mußte man ihnen lassen. Das erste Morgenlicht geisterte bereits durch die Schleier der Nacht, als die letzten Zecher durch die Straßen torkelten und immer noch ihre Lieder grölten. An ihnen holperten die Fuhrwerke vorbei, auf denen sich zerbrochene Amphoren stapelten.

Dazwischen streunten Katzen und machten sich über die Speisereste her.

In der Umgebung des Lochias-Palastes hatten die Sklaven ihre Arbeit schon lange vor Anbruch der Morgendämmerung begonnen und waren dem Unrat mit Besen und Schaufeln zu Leibe gerückt. Die Blumenkränze und Rosenblüten waren inzwischen verwelkt, Minister, Höflinge, sogar etliche der Sklaven lagen auf Gängen, unter Tischen, auf Marmortreppen, überall dort, wo sie der Schlaf zuletzt übermannt hatte. Ahenobarbus sah eine dionysische Schauspielerin, eine lüsterne Dirne, die nackt einen seiner römischen Offiziere umschlungen hielt.

Antonius' Triumphfeier hätte sogar die Bacchanalien seines ersten Besuches in Alexandria übertroffen, hatte Ahenobarbus die anderen sagen hören. Nun, wie auch immer - jetzt war das Fest vorbei, Zeit, die Zeche zu bezahlen. Auf nicht nachvollziehbare Weise hatte sich der edle Antonius eingeredet, er könne der Mann der ägyptischen Königin sein und gleichzeitig römischer Magistrat bleiben. Wie es aussah, hatte er sich dabei von den Schmeichlern beraten lassen und von dem Geschrei des Pöbels. Doch sein Triumph war ein Trugbild gewesen - wahre Triumphe gab es nur in Rom, wenn sie der Senat gewährte. Auch hätte Antonius' Opfer Jupiter gebührt, der auf dem römischen Capitol residierte - und nicht diesem halb griechischen, halb ägyptischen Gott Serapis.

Und dann der Höhepunkt! Wie konnte Antonius römisches Territorium verschenken, ohne nicht von Rom anschließend für wahnsinnig erklärt zu werden? Selbst Länder, die ihm gar nicht unterstanden, hatte er abgetreten! Alle Länder östlich des Euphrats bis zu der Grenze Indiens! Er hatte sich dabei auf Parthien bezogen, dessen Eroberung ja wohl noch anstand. Wie stellte er sich das eigentlich vor? Sollten tapfere römische Legionäre dafür ihr Leben lassen? Länder mit ihrem Blut erkaufen, um sie hernach an einen ägyptischen Bastard zu verschenken?

Antonius mußte dringend Einhalt geboten werden. Man mußte ihn von diesem orientalischen Weibsbild fortschaffen, ehe der Schaden nicht mehr zu beheben war.

6

DER ÄGYPTISCHE MONAT EPEIPH IM JAHRE 33 VOR CHRISTI GEBURT

In Antiochia

Ihr alter Freund Apollodoros! Er schien noch wohlhabender geworden zu sein; an seinen Fingern prangten dicke Ringe, und um die Taille hatte er ein wenig zugelegt. Kleopatra empfing ihn in ihrem Privatgemach. Mardian ruhte auf der Bank neben ihr, da sie dem Guten das Stehen ersparen wollte. Seine Knöchel waren stets geschwollen, er geriet bereits nach wenigen Schritten außer Atem, und seine Haut war von ungesunder, teigiger Blässe. Sie hoffte jedoch, daß er noch nicht vorhatte, sich dem letzten Gericht von Anubis zu stellen, denn sie brauchte ihn nach wie vor.

Antonius hatte seinen Hof für die Sommermonate nach Antiochia verlegt, und Kleopatra hatte eingewilligt, ihm zu folgen. Der Grund lag angeblich in den Vorbereitungen für den nächsten Parthienfeldzug, doch sie vermutete, daß ihn seine römischen Freunde dazu überredet hatten, um ihn dem ägyptischen Einfluß zu entziehen. Das war brav gedacht, doch indem man den Aufenthaltsort eines Mannes veränderte, änderte man noch lange nicht sein Verhalten. Glaubten sie denn, es sei ihre Schuld, wenn Antonius trank und sich mit jeder Frau abgab?

Nachdem Apollodoros sich verneigt und ihr seine Ehrerbietung erwiesen hatte, erkundigte sie sich liebenswürdig nach seiner Gesundheit und seinen Geschäften und erfuhr, daß weder an dem einen noch dem anderen etwas auszusetzen war.

»Kommst du direkt aus Rom?« erkundigte sie sich anschließend.

»Ich verließ die Stadt am Geburtstag des erhabenen Julius Caesar und bin heute morgen in den Hafen von Alexandria eingelaufen.«

»Und? Redet man in Rom immer noch über mich?«

»Wie es aussieht, Majestät, redet man weiterhin über nichts anderes.«

Wie schön, daß es mich gibt, dachte Kleopatra, denn sonst würden die Römer gar keinen Gesprächsstoff haben. »Und was hört man so in der Stadt?«

»Daß Ihr den edlen Antonius verhext habt.«

»Verhext?«

»Mit Liebestränken und dergleichen. Antonius sei nicht mehr er selbst, sondern habe sich Eurer Lasterhaftigkeit ergeben. Zudem sollt Ihr im Palast nächtlich Orgien feiern. Antonius soll unrömisch geworden sein und dekadent.«

»Orgien? Ich wünschte, sie hätten recht. Ich habe vier Kinder und einen Papyrusberg zu bewältigen, der kein Ende nimmt. Woher stammt denn ihrer Ansicht nach meine Energie, mich auch noch Orgien zu widmen?«

»Am liebsten erzählt man sich jedoch im Forum, daß Antonius jetzt einen goldenen Nachttopf benutzt.«

Kleopatra starrte ihn sprachlos an. Einen goldenen Nachttopf? Wer dachte sich so etwas aus? »Der edle Herr Antonius hatte sich dem Laster bereits ergeben, bevor ich ihn kennenlernte. Mit seinen Gewohnheiten habe ich nichts zu tun, wenngleich ich nicht glaube, daß der Gebrauch eines goldenen Nachttopfes dazugehört.«

»Hinter alldem steckt Octavian«, ließ Mardian sich vernehmen.

»Das gleiche denke ich auch«, pflichtete Apollodoros ihm bei. »Er gibt sich große Mühe, sich gegen Antonius abzuheben, und stellt sich als Inbegriff römischer Tugend dar. Und dennoch weiß ich von einer Freundin, daß seine Gier nach Jungfrauen unersättlich ist. Sie werden ihm von Maecenas geliefert, doch manchmal auch von seiner Frau.«

Diese Römer! dachte Kleopatra. Erstaunliche Menschen! Barbaren! Ein Wunder, daß sie überhaupt eine zivilisierte Sprache beherrschten, von anderen Erfolgen ganz zu schweigen?

»Wer ist diese Freundin?«

»Sie unterhält ein Bordell in der Nähe des Circus Maximus. Wir kennen uns schon sehr lange, Majestät, und... «

Kleopatra hob abwehrend die Hand. »Die Einzelheiten mußt du mir nicht erzählen.«

»Mir auch nicht«, grummelte Mardian vor sich hin.

»Wie findet das Volk denn Octavian, den edlen Sohn des Gottes?« erkundigte Kleopatra sich weiter.

»Er ist noch immer nicht beliebt, doch es ist besser geworden. Man nennt ihn auch nicht mehr Octavian, sondern Caesar, so daß man häufig nicht weiß, ob vom Onkel oder Neffen die Rede ist. Er versucht auf vielerlei Arten die Gunst des Volkes zu gewinnen.«

»Nenn sie mir.«

»Nun, Rom erlebt eine Zeit der Renaissance, die Stadt wird in Marmor wiedergeboren. Neue Tempel werden gebaut, neue Basiliken, neue Amphitheater, sogar eine Bibliothek. Man könnte fast annehmen, daß sie Alexandria imitieren.«

»Woher hat Octavian das Geld dafür?«

»Nicht aus der eigenen Tasche«, kam es von Mardian.

»Natürlich nicht. Er hat seine Anhänger überredet, in die neuen Projekte zu investieren. Er macht ihnen Zusagen, sie geben ihm ihr Geld.«

»Das hat er von Antonius gelernt«, erklärte Mardian, doch Kleopatra brachte ihn mit einem drohenden Blick zum Schweigen.

»Agrippa hat dafür gezahlt, daß man die Cloaca Maxima reinigt. Die Stadt wirkt gar nicht mehr wie Rom, seit der Gestank verschwunden ist.«

»Und ich habe immer geglaubt, er stamme von den Senatoren«, spöttelte Kleopatra.

»Außerdem hat Octavian angeordnet, daß der Besuch von Bädern und Theatern unentgeltlich ist«, fuhr Apollodoros fort. »Sogar die Wagenrennen darf man nun kostenlos genießen. Und an die Armen der Stadt läßt er Öllampen verteilen, die mit kleinen Silberdelphinen verziert sind, um an seinen Sieg über Sextus zu erinnern.«

Mardian gab ein verächtliches Schnauben von sich. »Dabei erzählt man sich, daß er wie ein Mädchen unter Deck gekauert hat, als die Kämpfe ausgefochten wurden. Agrippa hat diese Schlacht gewonnen.«

Apollodoros hob die Schultern. »So steht es aber nicht in den offiziellen Dokumenten.«

Kleopatra warf Mardian einen bedeutsamen Blick zu. »Octavian ist schlau.«

»Das ist er in der Tat«, stimmte Apollodoros ihr zu. »Er läßt sich auch einen Tempel neben seinem Haus auf dem Palatin. errichten, für seinen neuen Schutzherrn Apoll.«

»Für Apoll?« fragte Kleopatra erstaunt. Doch dann begriff sie den Zusammenhang. Apoll galt als der Hüter von Recht und Ordnung, die Inbegriffe römischer Tugend. Octavians Botschaft war deutlich und durfte als Warnung gelten, denn in den alten Göttergeschichten war es auch Apoll, der Dionysos tötete.

»Gibt es denn überhaupt noch jemanden in Rom, der etwas Gutes über Antonius sagt?« fragte Kleopatra.

Apollodoros wurde zurückhaltender. »Seit den Schenkungen sind solche Stimmen seltener zu finden...«

»Seit den was?«

»So nennt man sie in Rom. Die Schenkungen von Alexandria. Es handelt sich um die Erklärungen, die Antonius nach seinem Triumph abgegeben hat.«

Alle drei versanken in nachdenkliches Schweigen. »Vielleicht sollte unser Römer doch lieber zurückgehen«, ließ sich Mardian nach einer Weile vernehmen. »Das Blatt wendet sich gegen uns.«

Kleopatra bedachte ihn mit einem kalten Blick. »Wenn der Herrscher des Ostens nach Rom geht, begleitet ihn seine Königin, oder aber er geht gar nicht.«

Darauf gaben die beiden Männer vorsichtshalber keine Antwort, denn wenn die Königin in diese Stimmung geriet, war es besser, nicht mit ihr zu streiten.

»Vielen Dank, Apollodoros«, sagte Kleopatra schließlich.

Apollodoros verabschiedete sich und war froh, daß jetzt sein Schwager und nicht er Kleopatras Laune ausbaden durfte. Dabei hatte er ihr das Ausmaß der Hysterie in Rom noch vorenthalten. In Wirklichkeit waren die Römer außer sich, was Antonius und sein ägyptisches Abenteuer betraf.

Jede einzelne Lügengeschichte wurde als Wahrheit aufgenommen. Man konnte es sich nicht ausmalen, wenn man es nicht selbst erlebt hatte. Was ihn betraf, so war er überzeugt, daß die Römer vor Panik den Verstand verloren hatten.

»Dekadent!« Antonius lachte, als Kleopatra ihm Apollodoros' Bericht weitergab. »Unrömisch! Und das behauptet ein Junge, der seinen Hintern unter Caesars Freunden im Badehaus verhökert hat. Angeblich hat er Aulus Hirtius dreihunderttausend Sesterzen dafür abgeknöpft.«

Das hatte Kleopatra nicht gewußt, und sie fragte sich, ob es stimmte oder ob Antonius sich das ausgedacht hatte.

»Und was ist mit seiner Frau? Sie war mit einem anderen verheiratet, als er sich mit ihr eingelassen hat. Und schwanger war sie obendrein. Und dann glaubt er, er könne mich als dekadent bezeichnen?« Antonius wußte offenbar nicht, ob er erbost oder belustigt sein sollte.

»Nun jedenfalls hat er vor, dich zu vernichten.«

»Weißt du, daß er sich Straßenhuren beschaffen läßt? Seine Frau ermuntert ihn sogar dazu. Wahrscheinlich ist sie froh, wenn er sie in Ruhe läßt. Hast du dir einmal seine Zähne angeschaut? Auf ihnen wächst mehr Moder als auf alten Säulen.«

Kleopatra ließ ihn reden und trat ans Fenster. Sie schaute dem Orontes nach, wie er sich zwischen den grünen Feldern verlor. Auf seinen Wellen spielte das Sonnenlicht. Der Sommer war fast vorbei, ein Sommer, den Antonius mit dem Aufstellen neuer Truppen zugebracht hatte, die er von seinen Vasallen erhalten hatte. Er plante stur den neuen Krieg gegen Parthien, da er sich dem wahren Kampf nicht stellen wollte.

»Du mußt etwas dagegen unternehmen«, sagte Kleopatra.

Auf Antonius' Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. »Also weißt du, es ist wirklich allerhand! Eine Junge, dessen Vater Geldverleiher war und dessen Mutter mit Duftwässern gehandelt hat.«

»Er hat vor, dich zu vernichten«, wiederholte Kleopatra. »Der Junge ist inzwischen ein Mann. Er hat sich an die Macht gewöhnt und weiß, wie man sie benutzt.«

Du hingegen, dachte sie, bist kein junger Mann mehr, sondern beinahe so alt wie Caesar, als ich ihn das erste Mal traf. Fast das gleiche Alter, doch welch ein Unterschied! Caesar war ein Mann von Geist und Verstand, doch du denkst nur an deine körperlichen Freuden.

»Zieh mit deiner Armee nach Italien, nicht nach Parthien.«

Antonius' Grinsen erlosch. »Ich habe keinen offiziellen Grund, gegen Octavian vorzugehen.«

»Dann denk dir einen aus.« Diese Römer mit ihren Gesetzen!

Er wandte sich unwirsch ab. »Schuld daran hat nur dieser Armenier. Ohne ihn gehörte mir jetzt schon alles.«

Kleopatra konnte ihre Wut nicht länger im Zaum halten. »Vergiß doch endlich den Armenier! Vorbei ist vorbei. Es läßt sich nicht mehr ändern!«

»Ich hätte geduldiger sein müssen. Es war mein Fehler. Ich habe einfach zu viele Fehler gemacht. Beim nächsten Mal mache ich es anders.«

»Und ich sage dir noch einmal, daß dein Feind nicht in Parthien sitzt«, erwiderte sie zornig. Wieso hörte er nicht endlich auf sie?

»Ich kann Octavian nicht ohne Grund angreifen.«

Kleopatra packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn wie ein störrisches Kind. »Hör mir genau zu! Wenn du Octavian nicht vernichtest, vernichtet er dich! So einfach ist das. Rom kann ebensowenig zwei Herrscher haben wie eine Frau zwei Ehemänner. Für Octavian gibt es kein Triumvirat. Erst hat er sich Lepidus' entledigt, und jetzt plant er dasselbe Los für dich.«

Antonius lachte auf. »Dieser kleine Junge?«

Doch dann erstarb sein Lachen. Sein Blick wurde unruhig. Vielleicht bin ich endlich zu ihm durchgedrungen, dachte Kleopatra.

»Wirst du es tun?« fragte sie.

Antonius fuhr sich durch die Locken. »Ich hätte die Belagerungsmaschinen einfach nicht zurücklassen dürfen«, sagte er. »Das nächste Mal, wenn Medien auf meiner Seite steht, wird alles anders.«

Auf dem Palatin in Rom

Octavian krümmte sich auf dem Abort. Sein Arzt hatte ihn zur Ader gelassen und ihm Umschläge verschrieben, um seine Verstopfung zu beheben. Danach hatte er ihm ein Abführmittel verordnet, dessen Wirkung schlimmer war als die vorausgegangene Beschwerde. Octavian zitterte, und sein Gesicht war leichenblaß.

»Hast du diese neue Münze gesehen, die man in Antiochia geprägt hat?« fragte Livia Drusilla und hielt die Münze gegen das Licht. Zwei Köpfe waren darauf abgebildet, einer glich dem von Antonius, daneben war der seiner peregrina. Darüber stand auf einer Seite ARMENIEN EROBERT und auf der anderen: KÖNIGIN DER KÖNIGE UND IHRE KÖNIGLICHEN SÖHNE. »Der edle Antonius muß den Verstand verloren haben.«

Octavian überlief ein Schauder, als sein Gedärm sich abermals verkrampfte. Er verstand nicht, daß Livia in seiner Nähe blieb, ihn hätte der Gestank längst in die Flucht geschlagen. Aber was sie sagte, war richtig. Antonius war in der Tat verrückt geworden. Mit den Schenkungen hatte er Kleopatra das alte Reich der Ptolemaier zurückgegeben, und einen von ihren Bastarden hatte er zum König von Armenien ernannt. Seit wann wurde ein Vasallenprinz König einer römischen Provinz? Es war eine offene Herausforderung gegenüber Rom.

»Glaubst du, ich sollte gegen ihn vorgehen?« stöhnte er.

»Das Triumvirat läuft im nächsten Jahr aus. Du mußt nichts anderes tun als abwarten. Als guter Soldat wird er wissen, wie man sich in das eigene Schwert zu stürzen hat.«

Und was wird nach dem Triumvirat kommen? dachte er. Die Republik war tot, das wußte jeder, wenngleich man im Senat noch immer von ihrer Erneuerung redete. Die Republik erneuern! Das war, als ob man eine Leiche zum Leben erwecken wollte. Sicher konnte man einen Toten im Sessel aufrecht hinsetzen und ihm einen Weinpokal in die Hand drücken, doch man vermochte ihn nicht wieder zum Singen zu bringen.

Außerdem waren die Römer inzwischen daran gewöhnt, nur von einem Mann regiert zu werden. Genaugenommen war die Republik schon seit Caesars Zeiten tot, doch der Einsatz des Spiels hatte sich inzwischen erhöht. Wenn er Antonius loswerden könnte, würde ihm, Octavian, die alleinige Macht über Rom gehören. Es gäbe keine Republik mehr, sondern nur noch ihn selbst: Octavian Caesar, den erhabenen Herrscher der Welt.

Über Octavians Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. Doch dann schüttelte ihn ein neuer heftiger Anfall, der sogar Livia Drusilla aus dem Raum vertrieb.

In Alexandria

Von ihrem Fenster im Lochias-Palast aus konnte Kleopatra die neuen Schiffe sehen, die im Hafen vor Anker lagen. Zweihundert Zweiruderer und Dreiruderer, die Kernstücke einer jeden Flotte, gewaltige Holzbauten mit Geschützturm und Enterhaken, sowie die flachen liburnischen Galeeren, die nur eine Ruderreihe besaßen, dafür jedoch wendiger waren als die großen Schiffe. Doch sie hatte auch Galeeren mit fünf Ruderreihen bauen lassen, einige sogar mit sechs, ihre eigenen schwimmenden Festungen mit riesigen Bronzerammspornen am Bug. Kleopatras Flaggschiff war ein Sechsruderer - sie hatte es Isis genannt.

Agrippas Vorbild folgend hatte sie ausgebildete Ruderer angeheuert, die ihre neue Flotte bemannten. Sie waren geschickter als Sklaven und billiger, da man sie nur für den jeweiligen Einsatz entlohnte und nicht ein Leben lang zu versorgen hatte.

Dank sei dem Vertrag von Antiochia, dachte Kleopatra, der diese Flotte ermöglicht hatte, denn den Bau hatte sie aus dem Erlös der Balsamwälder bestritten, die mit einem Teil von Judäa ihr Eigentum geworden waren. Die Ruder für die schweren »Sechser« waren aus den dicken Zypressen und Zedern gefertigt, die aus ihrem neuen Lehen, dem Libanon, stammten.

Mit dieser Flotte hatte sie den jüngsten Handel mit Antonius besiegelt, denn für die sogenannten Schenkungen hatte sie ihm die Flotte versprochen. Nun konnte Antonius gegen Agrippas Seemacht bestehen - zu Land war er Octavian ohnehin überlegen.

Kleopatra wandte sich vom Fenster ab. Sie stellte fest, daß Mardian sie beobachtet hatte. »Bald ist es soweit«, sagte sie. »Dann haben wir Antonius mit der besten Flotte der Welt ausgerüstet.«

»Ein nicht unerhebliches Risiko.«

»Ich bin mein Leben lang Risiken eingegangen, doch wie du siehst, habe ich die Niederlagen bisher ganz gut überstanden. Warum ziehst du schon wieder so ein mißmutiges Gesicht?«

»Majestät, glaubt mir, daß Ihr meine Gedanken nicht wissen wollt.«

»Marcus Antonius«, sagte sie.

Mardian hob vielsagend die Schultern.

Kleopatra wußte, was er dachte, und natürlich hatte er recht. Ihr Feind war nach wie vor Rom. Antonius ihre Flotte zu überlassen bedeutete, einem Mann zu trauen, der sich gemeinhin als unzuverlässig erwies.

»Er hat seinen Freund Ahenobarbus nach Rom entsandt. Hat er Euch das erzählt?«

Kleopatra schüttelte den Kopf. Natürlich nicht. Warum sollte er ihr etwas derart Wichtiges erzählen?

»Wie es aussieht, hat unser edler Herr seine Meinung wieder geändert. Er hofft noch immer, den Konflikt mit Rom vermeiden zu können.«

»Dann wollen wir hoffen, daß er sich irrt«, erwiderte sie scheinbar ruhig, doch ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Nachts kamen Antonius die süßesten Honigworte über die Lippen, und er schwor ihr ewige Liebe und Treue, doch sobald sich ihm die Gelegenheit bot, hinterging er sie und bohrte ihr einen Dolch in den Rücken. Glaubte er denn, daß sie sich von seinem Geschwätz einlullen ließ und nicht hinter die Wahrheit käme? Sie war doch kein kleines Mädchen mehr, sondern eine Frau von vierunddreißig Jahren, die Liebesworten schon längst nicht mehr traute! Kleopatra seufzte. Antonius war und blieb ein treuloser Lump, aber sie brauchte ihn nun einmal und konnte nichts dagegen unternehmen.

»Ahenobarbus wird bei Octavian gar nichts erreichen«, sagte sie. »Erst die Königin des Meeres wird ihn bezwingen. Warte es nur ab.«

In Rom

Die Menschen froren in einem eisigen Winter. Die Gegend auf dem Aventin war trostlos und finster, und man wußte nie, in was man trat, wenn der Stiefel auf Unrat traf. Ein Eimer mit Schmutzwasser wurde aus einem der Fenster entleert, der Inhalt verdreckte Ahenobarbus das Gewand. Ein Fuhrwerk, hoch mit Pinienstämmen beladen, bog in die Gasse ein, drängte ihn gegen die Hauswand, und die nächste Ladung Unrat spritzte ihm an die Beine.

Bei den Göttern, dachte Ahenobarbus. Ich liebe Rom von ganzem Herzen, doch nach Alexandria kommt es mich bitter an. Er betrat eine Taverne und nahm zwischen Wäschern, Fuhrleuten und Eisenhändlern Platz. Er aß eine fette, heiße Pastete und hörte dem Gerede zu, wobei er erfuhr, daß Caesar

- so nannte man Octavian nun - viel für die Stadt tat, während Antonius im Osten dem Müßiggang frönte, sich mit Eunuchen und Lustknaben amüsierte, auf juwelenbesetzten Lagern ruhte und sich in einen goldenen Nachttopf entleerte. Und daß ihm die ägyptische Königin mit Liebestränken und Orgien den Kopf verdreht hatte. Ahenobarbus spürte, wie es in ihm anfing zu brodeln, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen war, daß einiges von dem Geschwätz stimmte.

Wohin man sah, erblickte man Caesarstatuen, und die Menschen in der Stadt redeten von ihm, als sei er noch am Leben. Im Juliustempel des neuen Forums wurde seine Statue wie eine Gottheit verehrt, der Opfer gebracht und zu der gebetet wurde.

Du alter Schurke, dachte Ahenobarbus, als er vor der Statue stand. Das alles hast du deinem Neffen zu verdanken, der dich zu Lebzeiten nicht ausstehen konnte, geschweige denn, daß er inzwischen etwas von dir hielte. Doch er hat dafür gesorgt, daß das Volk dich als Gott ansieht. Dabei warst du nur ein gerissener Fuchs, der zu taktieren verstand, und das einzig Übernatürliche an dir waren die vielen Weiber, die du bestiegen hast, du gieriger, glatzköpfiger Mörder.

In den Läden waren die Regale mit Trinkbechern gefüllt, auf denen Motive aus dem Omphale-Mythos abgebildet waren. Auch dabei hatte Octavian seine Hand im Spiel gehabt, denn Omphale war die Königin, die Herkules drei Jahre lang als Sklaven gehalten hatte. Auf den Bechern trug sie den Helm des Helden, seine Keule und sein Löwenfell, während er sich als Frau verkleidet neben ihrem Wagen befand und einen Sonnenschirm über sich hielt. Der Bezug zu Antonius war für jedermann erkennbar.

Ein Straßenhändler folgte Ahenobarbus und bedrängte ihn derart, einen der Becher zu kaufen, daß Ahenobarbus drohte, ihn in ein Faß mit ranzigem Öl zu werfen. Als der Mann dennoch nicht von ihm abließ, schleuderte Ahenobarbus den hingehaltenen Becher gegen die nächste Hausmauer, würgte den Händler und stieß ihn zu Boden.

Omphale oder Kleopatra, die Frauen waren schon immer Antonius' Schwäche gewesen, doch daß sie ihm nachgerade zum Verhängnis werden würden, hätte man vorher nicht gedacht.

Ahenobarbus erhob sich, um seine Rede vorzutragen. Er rückte sich seine Toga zurecht, deren Schwere er nicht mehr gewöhnt war. Dann räusperte er sich und schaute auf die wohlgenährten Gesichter im Senat, die ihm nun mit finsteren Mienen entgegenstarrten.

»Erlauchte Senatoren«, hub er an. »Ihr habt in der letzten Zeit Ungutes über die Taten des Triumvirs Marcus Antonius gehört. Ich bin hier, um euch zu beruhigen und euch zu versichern, daß er sich nie jenseits unserer Gesetze bewegt hat. Antonius ist und bleibt ein großer Römer...«

Danach schilderte er die Geschichte von Anfang an:

Wie Antonius die berühmte Schlacht bei Philippi geschlagen hatte, während Octavian krank auf seinem Lager lag.

Wie Octavian sich später Antonius' gallischer Truppen bemächtigt und nur Antonius' große Duldsamkeit Rom vor einem weiteren Bruderkrieg gerettet hatte.

Wie Antonius Octavian in Tarent vier Flottengeschwader überlassen hatte, damit er den Piratenkönig Sextus Pompejus bekämpfen konnte, und Octavian ihm dafür vier Legionen versprach, die Antonius nie geliefert bekam.

Wie Antonius sich zum Ruhme Roms an die Eroberung Parthiens gemacht hatte, wenngleich Octavian ihm weiterhin Hilfe versagte und man sich daraufhin der Hilfe seitens Ägyptens versichert hatte, dem Freund und Verbündeten Roms.

Wie im Rahmen dieses Feldzugs Armenien Rom zugeführt wurde, eine Tat, die der Senat ungewürdigt gelassen hatte.

Er erklärte, daß die vermeintlichen Schenkungen nichts anderes seien als eine Umordnung der Macht der Vasallenkönige und daß Antonius weiterhin oberster Herrscher über diese Gebiete sei, gemäß der Vereinbarungen von Brindisi.

Schließlich schwor er, daß der edle Antonius den Gesetzen Roms treu ergeben sei, wogegen Octavian die Auflagen des Triumvirats mißachte. Auch sei es allein dessen Verantwortung, daß Rom sich nicht stabilisiere. Käme es zu einem neuen Bruderkrieg, so läge die Schuld nur bei diesem Mann und gewiß bei keinem anderen. Er gebe daher zu bedenken, ob es nicht ratsam sei, Octavian zum Feind des Volkes zu erklären.

Als Ahenobarbus sich setzte, erntete er Schweigen.

Danach erhob sich Octavian.

»Ich habe die schönen Worte des guten Ahenobarbus vernommen«, setzte er an. »Und ich bin voller Bewunderung für sein Geschick, die Fakten für Antonius in ein so günstiges Licht zu rücken.«

Einige der Senatoren fingen an zu glucksen.

»Wie ich feststellen konnte, hielt er es für angemessen, die Rolle der Königin von Ägypten in diesen Angelegenheiten zu verschweigen. Nur leider muß ich mich fragen, ob Antonius nicht von dieser Frau verblendet wurde und ob seine Taten nicht eher ihren Zielen dienen anstatt den unseren?«

Ahenobarbus spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoß. Genau davor hatte er Antonius immer gewarnt. Die Verbindung mit dieser Königin machten alle Bemühungen zunichte.

»Da wäre zuerst einmal ihre Behauptung, ihr Sohn sei tatsächlich ein Nachkomme Caesars«, höhnte Octavians Stimme weiter. »Wie viele Kinder hat denn der edle Caesar gezeugt? Da wäre Julia, seine Tochter, doch das war dreißig Jahre bevor er die ägyptische Königin kennenlernte. Danach hatte er drei Ehefrauen - Cornelia, Pompeja, Calpurnia -, von denen ihm keine Kinder gebar, wohingegen die Liebelei mit Kleopatra ihm gleich einen Sohn einbrachte... Ich halte das für ein Wunder, und zwar für eins, das Ägypten sehr gelegen kam.«

Lautes Gelächter in den Reihen der Zuhörer.

»Doch wenden wir uns Antonius' Taten im Osten zu. Er hat vor nicht langer Zeit einen Triumph gefeiert, und zwar in der Hauptstadt Ägyptens, mit dem er sowohl Rom als auch das römische Volk beleidigt hat. Wir alle wissen, daß nur dieser Senat einen Triumph gewähren kann und daß er nicht als persönliche Ehrung gilt, wie der edle Antonius glaubt, sondern als Ruhmeszeichen für unsere Stadt und unsere Republik. Sich dergleichen selbst anzumaßen betrachten wir als unverzeihlich, als einen Akt, der die Strafe der Götter auf sich zieht.«

Unter den Senatoren erhob sich zustimmendes Gemurmel. Selbst Ahenobarbus konnte nicht umhin, widerwillig zu nicken.

»Die Schätze, die Antonius erobert hat, überließ er Kleopatra, seinen Dank entrichtete er ihren Göttern. Nun frage ich euch, ob das das Verhalten eines wahren und edlen Römers ist?«

Octavian hatte sich inzwischen in Eifer geredet.

»Kleopatra hat nicht nur Antonius' Sinne betört, sie beherrscht offenbar auch seinen Verstand. Möchtet Ihr, edle Senatoren, daß Rom von Kleopatra gesteuert wird? Sie plant, Alexandria zur Hauptstadt des Reiches zu machen und dieses Reich anschließend selbst zu regieren. Wenn Ihr Euch ihrem Wunsche anschließen wollt, dann haltet nur still und laßt Antonius weiter gewähren.«

Auf diese Worte hin brach ein Tumult los, in dem Antonius' Anhänger versuchten, Octavian niederzubrüllen, woraufhin sich dessen Anhänger aufschwangen, um die anderen mit Schmähungen zu bedenken.

Octavian deutete mit dem Zeigefinger auf Ahenobarbus und schrie über den Lärm hinweg: »Ich werde Euch nicht gestatten, die Ehre meines Vaters zu besudeln. Wer Rom zerstören will, der hat sein Leben verwirkt.«

Der Senat glich einem Tollhaus. Ahenobarbus drängte sich durch die Reihen hinaus. Dieses Bübchen mag eine schwächliche Hülle haben, dachte er, doch er besitzt Caesars Feuer und Verstand.

8

DER ÄGYPTISCHE MONAT PHAMENOTH IM JAHRE 32 VOR CHRISTI GEBURT

In Alexandria

»Hier kommt der große Löwe«, brummte eine tiefe Stimme.

Selene fing hinter dem Seidenbehang an zu kichern. Antonius folgte dem Geräusch und entdeckte die Wölbung unter dem Stoff und unter dem Saum die beiden kleinen Füße.

Er stapfte mit schwerem Schritt über den Marmorboden und hörte, wie sie abermals kicherte. »Wo ist meine Speise?« knurrte er.

Vor dem Behang blieb er stehen und zögerte die Spannung noch ein wenig heraus. Er hörte, wie Selene schluckte und die Luft anhielt. Dann packte er sie mitsamt dem Seidenbehang, und sie kreischte vor Entsetzen und Vergnügen.

Kleopatra betrat den Raum und unterbrach das unbeschwerte Spiel.

»Es gibt Nachricht von Ahenobarbus. Er kommt bald aus Rom zurück.«

»Wie schön«, entgegnete Antonius. »Ich habe seine Witze und seine muntere Gesellschaft vermißt.«

Antonius ließ Selene los und trug ihr auf, zu ihrem Bruder zu laufen und mit ihm zu spielen.

So etwas muß sie auch lernen, dachte Kleopatra. Sie wird in ihrem Leben noch viele solcher Unterbrechungen erfahren.

»Nun?« erkundigte sich Antonius.

»Du wolltest immer den römischen Gesetzen gehorchen, doch wie es aussieht, hat Octavian weniger Skrupel, sie zu ignorieren.«

»Was ist geschehen?«

»Am Tag nachdem Ahenobarbus seine Rede gehalten hat, ist Octavian mit bewaffneten Häschern in den Senat gekommen und hat deinen Gesandten bedroht. Ahenobarbus und etliche andere deiner Anhänger waren gezwungen, aus Rom zu fliehen. Sie sind zu uns unterwegs.«

Antonius lachte. »Donnerwetter! Ich hätte nicht geglaubt, daß das Bübchen so viel Mut besitzt.«

»Richtig, das hast du nicht, obwohl ich es dir tausendmal gesagt habe.« Antonius fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Er lachte noch einmal auf, doch dann hieb er mit der Hand gegen eine der Marmorsäulen.

»Er ist jetzt dein Feind«, sagte Kleopatra.

»Vielleicht hast du recht«, erwiderte er, doch sie erkannte an seinem Blick, daß er noch nicht überzeugt war. Armer Antonius. Sie hatte ihn immer vor Octavian gewarnt. Doch ein Blick in sein Gesicht genügte ihr, um zu wissen, daß er dessen Machenschaften auch weiterhin nicht durchschaute.

Auf dem Palatin in Rom

Octavian ruhte, auf Kissen gestützt, auf einer Bank. Sein Gesicht war leichenblaß, und sein Atem stieg rasselnd aus der Lunge. Maecenas massierte ihm sanft die Schenkel. Agrippa befand sich im Hintergrund und betrachtete die beiden mit finsterer Miene.

Wie prüde Agrippa ist, dachte Octavian. Er will uns seine Mißbilligung zeigen, und dennoch bleibt er immer zugegen.

Maecenas klatschte in die Hände, woraufhin ein Mädchen in den Raum geführt wurde. Es war noch sehr jung und machte einen verängstigten Eindruck. Auf ein Nicken von Maecenas begann es, die Tunika abzustreifen.

»Du hast ihn endlich zum Krieg herausgefordert«, sagte Maecenas.

»Das kann nicht gut ausgehen«, knurrte Agrippa. »Wir haben kein Geld, und unsere Soldaten murren und fordern ihren Sold. Antonius hingegen besitzt Kleopatras Flotte und ihren Reichtum.«

Das Mädchen legte sein Brustband ab. Winzige rosige Brustwarzen kamen zum Vorschein. Octavian betrachte sie mit ausdruckslosem Gesicht.

»Es mußte einfach dazu kommen«, fuhr Maecenas fort. »Das war von Anfang an klar.«

Das Mädchen entfernte das Lendentuch. Maecenas klatschte ein zweites Mal in die Hände, und es ging widerstrebend auf Octavian zu.

»Ich weiß nicht, warum du an so etwas Spaß hast«, sagte Maecenas zu Octavian gewandt. »Der Hintern von deinem kleinen Syrer ist fester, und seine Brüste sind auch nicht viel kleiner.«

»Dreh dich um«, befahl Octavian dem Mädchen.

Es tat wie befohlen. Octavian streckte eine blasse Hand aus und kniff in ihr Hinterteil.

»Zu Land können wir Antonius nicht schlagen«, ließ sich Agrippa vernehmen.

»Dann eben zur See.«

»Kleopatra hat eine hervorragende Flotte bauen lassen. Es wird nicht so leicht sein, wie du denkst. Meiner Meinung nach wäre es klüger gewesen, zu einer Übereinkunft zu gelangen.«

Octavian zog das Mädchen zu sich und preßte ihre Hand zwischen seine Schenkel. Es machte sich an die Arbeit. »Nicht so!« fuhr er es an. »Das ist kein Kerzenständer, den du polierst.«

Maecenas zwinkerte Agrippa zu. »Für eine Übereinkunft ist es zu spät. Das weitere wird von dir abhängen. Du mußt eben gnadenlos sein.«

Agrippa kehrte das Gesicht zur Wand, denn Octavians Tun war ihm peinlich.

»Ich finde, es ist allerhand«, grunzte Octavian, »wenn ein Mann zu krank ist, um eine Jungfrau zu entehren.«

»Wahrscheinlich ist sie ohnehin keine Jungfrau mehr«, tröstete ihn Maecenas, woraufhin beide lachten, bis Octavian anfing zu husten und das Mädchen fortgescheucht wurde, um einen Brechnapf zu holen.

9

In Ephesos

Ephesos, eine der größten Städte des Ostens, erstreckte sich zu Füßen des Berges Pion - ein unübersichtliches Gewirr von Straßen, das sich um das Theater und die agora breitete. Die Häuser der Reichen zogen sich an den Hängen hoch, wo eine stete Brise vom nahen Meer ihren Bewohnern Kühlung verschaffte.

Im Hafen war die ägyptische Flotte vertäut worden, darunter sechzig schwimmende Festungen mit glänzenden Rammspornen, den Rumpf mit dicken Eisenbändern verstärkt, und wuchtigen hölzernen Türmen. Im Herzen dieses gewaltigen Aufgebots befand sich Kleopatras Flaggschiff, die Isis, ein prächtiger Anblick mit purpurnen Segeln und goldenem Heck.

Etwas Vergleichbares, darin waren sich alle einig, hatte der Osten noch nie besessen. Zum ersten Mal seit den Tagen Alexanders befehligte nur ein Mann die vereinte Seemacht des Ostens, insgesamt dreihundert Versorgungs- und fünfhundert Kriegsschiffe, wovon die Hälfte ägyptischer Herkunft waren.

Die Stadt quoll über von Seeleuten und Soldaten. Die Gassen hallten vom Stiefelschritt neuer Truppen, die von den Bergen und aus den weiten Ebenen kamen, aus Mauretanien, Kappadokien, Paphlagonien, Kommagene, Judäa und Medien. Alle Vasallen von Antonius waren seinem Ruf gefolgt, einschließlich Amyntas aus Galatien, der zweitausend Mann seiner berühmten Reiterei entsandt hatte.

Es waren Vasallen, die Antonius ihre Herrschaft verdankten und die davon ausgingen, daß eine Streitmacht dieses Umfangs nicht zu schlagen sei, vor allem nicht, wenn ihre Versorgung mit den Geldern Ägyptens bestritten wurde. Natürlich wollten sie sich auch seines Wohlwollens versichern und hofften insgeheim auf einen Anteil an der Beute. Doch in erster Linie ging es allen um eines: Sie lechzten nach römischem Blut.

In der agora herrschte ein wirres Durcheinander aus vielen Sprachen, und die verschiedenen Uniformen ergaben ein buntes Bild. Gallier mit kurzen Lederwesten, geschwungenem Schnauzbart und wilden blonden Locken, furchteinflößende Germanen mit rotblondem Haar, breitschultrige ägyptische Ruderer in ledernen Faltenröcken und engen Westen, Schwarze aus Mauretanien, die nackten Arme mit Silberschmuck bedeckt, griechische Bogenschützen, phönizische Matrosen, levantinische Piraten, Beduinenreiter, Stammesangehörige aus Medien - sie alle waren hier auf Antonius' und Kleopatras Geheiß.

Zudem verfügte Antonius noch über seine restlichen römischen Legionen sowie fünfundzwanzigtausend Söldner und Zwölftausend erfahrene Reiter. Wie eine einzige gewaltige Flut würden sie sich erheben, um über Rom hereinzubrechen und Octavian fortzuspülen.

Plötzlich hieß es, es seien noch weitere Schiffe im Hafen angekommen, diese jedoch stammten aus Rom.

An Bord befanden sich Ahenobarbus, Konsul Sosius und beinahe die Hälfte der römischen Senatoren. Octavian hatte Antonius' Anhängern ein Ultimatum gestellt, nach dessen Inhalt sie ihm Treue zu schwören oder Rom zu verlassen hatten. Dreihundert Senatoren waren Ahenobarbus gefolgt, so daß Antonius nicht allein über militärische Schlagkraft verfügte, sondern nun mit Fug und Recht auch behaupten konnte, daß das römische Gesetz hinter ihm stand.

»Du mußt Kleopatra nach Hause schicken!« brüllte Ahenobarbus und schlug mit der Faust auf den schweren Zederntisch in Antonius' Hauptquartier. Es befand sich in einem der Häuser des Statthalters von Ephesos, von den Fenstern aus sah man das Meer und bewaldete Felsinseln, die den Horizont sprenkelten.

»Das kann ich nicht«, entgegnete Antonius. »Du mußt! Die Senatoren äußern bereits Zweifel an der Klugheit ihrer Entscheidung. Sie haben den Imperator Marcus Antonius erwartet, der ordentliche römische Legionen befehligt, und nicht einen Zirkushaufen von schmuddeligen Ägyptern und Lustknaben!«

Antonius lachte. »Zwei von dreien meiner Legionäre sind schmuddelige Ägypter und Lustknaben, wie du sie zu nennen beliebst. Da Octavian mir neue Rekruten verweigert, muß ich mich mit ihnen begnügen.«

»Es geht nicht nur um die Fremden in deiner Armee, sondern auch um die Frage, wer ihnen befiehlt...«

»Auch unter den Reitern sind schmuddelige Ägypter«, fuhr Antonius unbeirrt fort. »Dazu kommen noch einmal fünfundzwanzigtausend Lustknaben als Söldner.«

»Es geht um Kleopatra! Sie ist das Problem! Sie begleitet dich überallhin und tut, als wäre sie deine Königin.«

»Nun, das ist sie doch auch.«

»Du weißt, daß ein römischer Magistrat keine Königin haben kann.«

»Streiten wir etwa über einen Standpunkt des Gesetzes?«

»Wir streiten darüber, was Menschen sehen und was sie wahrnehmen! Sie ist eine Frau, und du behandelst sie wie deinesgleichen! Erkennst du nicht, welche Schwierigkeiten du dir damit einbrockst?«

Ahenobarbus warf einen hilfesuchenden Blick zu Canidius, doch der schlug die Augen zu Boden. Gefühlsmäßig stimmte er Ahenobarbus zu, doch sein Verstand riet ihm zu gegenteiliger Ansicht.

»Ich brocke uns allen größere Schwierigkeiten ein, wenn ich sie fortschicke«, erwiderte Antonius. »Sie zahlt für die Versorgung unserer Armee und kommt für die eigene Flotte auf. Eine Armee dieser Größe, mit Nahrung, Kleidung... « Er hob vielsagend die Schultern. »Sie zahlt ein halbes Vermögen. Mehr, als es ihren Vater gekostet hat, seinen Thron von Pompejus zurückzukaufen. Hast du überhaupt eine Ahnung vom Ausmaß dieser Summe? Ohne Königin Kleopatra wären wir alle nicht hier.«

»Na gut, dann gibt sie dir eben Geld. Damit hat sie sich aber noch lange nicht das Recht erkauft, dir zu sagen, was du zu tun hast.«

Antonius lachte laut auf. »Jede Frau sagt einem, was man zu tun hat, selbst wenn es nur die Ehefrau ist. Was erwartest du denn von der Königin von Ägypten?«

Antonius' Heiterkeit stachelte Ahenobarbus nur noch weiter auf. »Ihre Anwesenheit ist eine Herausforderung für jeden Römer.«

»Sie unterscheidet sich nicht von den anderen Vasallenkönigen, die unseren Herrn Antonius unterstützen«, ließ Canidius sich vernehmen.

Ahenobarbus seufzte. Wie es schien, hatte sich doch einer der römischen Generäle von diesem Pack blenden lassen. »Natürlich unterscheidet sie sich von den anderen«, herrschte er Canidius an. »Mit den anderen Königen teilt Antonius nicht sein Bett.«

Antonius zog die Stirn kraus. »Bis jetzt noch nicht. Ich bin ja erst seit kurzem hier.«

Auch Dellius fühlte sich nun genötigt, einen Einwand vorzutragen. »Ich fürchte, Ahenobarbus hat recht. Die Senatoren sind hier, um Euch zu unterstützen, mein Herr Antonius. Durch Kleopatras Anwesenheit taucht der Verdacht in ihnen auf, daß sie statt dessen eine fremde Königin und deren Ehrgeiz fördern.«

»Wie dem auch sei - ich kann Kleopatra nicht fortschicken und gleichzeitig die Armee aufrechterhalten.«

»Wir müssen einen Weg finden, der es dennoch möglich macht.«

»Und der wäre?«

Auf diese Frage hin breitete sich Schweigen aus.

»Da habt ihr's«, sagte Antonius.

Ahenobarbus schüttelte den Kopf. »Ich sage dir noch einmal, Imperator, sie muß fort. Stell Caesarion an die Spitze der Ägypter.«

»Caesarion? Er ist doch noch ein Kind.«

»Er wäre nur eine Galionsfigur - das, was seine Mutter auch hätte bleiben müssen.«

Canidius zog die Augenbrauen hoch. »Das hieße, daß wir von all den fremden Monarchen hier Kleopatra wieder nach Hause schicken. Und das nur, weil sie eine Frau ist? Sie hat einen besseren Verstand für militärische Angelegenheiten als jeder dieser anderen orientalischen Bauerntölpel.«

»Wenn du sie nicht nach Hause schaffen kannst, mußt du mit Octavian Frieden schließen.«

»Dem stimme ich zu«, kam es von Dellius.

»Wollt Ihr denn, daß Rom von einem Lustknaben regiert wird? Wünscht Ihr Euch nicht, daß wir die Republik erneuern?«

Ahenobarbus machte eine feierliche Miene. »Das ist mein größter Herzenswunsch.«

»Und wie sollen wir dann mit Octavian Frieden schließen?«

Ahenobarbus' Hände ballten sich zu Fäusten. Gegen Antonius' Ziele hatte er nichts einzuwenden, er stieß sich allein an dessen Methoden. »Diese Frau gefährdet das ganze Unternehmen«, knurrte er schließlich.

Antonius klopfte ihm lachend auf die Schultern. »Komm, alter Schurke, trink noch ein wenig Wein, und schau nicht so grimmig. Wir können nicht verlieren!«

Der alte Schurke schien jedoch nicht in Trinklaune zu sein, denn er stapfte mürrisch fort. Antonius zuckte die Achseln und drückte jedem seiner Gefährten einen weingefüllten Pokal in die Hand. Canidius blieb und trank. Desgleichen Dellius, der im Verlaufe des weiteren Beisammenseins auch über Antonius' Witze lachte, wenngleich es hier und da ein wenig gequält klang. In seine Seele hatten sich Zweifel eingeschlichen, und er kam sich vor wie ein Mann, der am Abgrund taumelt und nur noch darauf wartet, daß er stürzt.

Auf dem Palatin in Rom

Livia Drusilla saß an ihrer Spindel, um die Wolle für die neue Tunika ihres Mannes herzustellen, denn während der Wintermonate benötigte er davon vier übereinander.

Im vergangenen Herbst war er aus der Schlacht in Illyrien zurückgekehrt und hatte sich erneut den Geschäften des Reiches gewidmet. Vielleicht würde er bald wieder wie ein normaler Bürger leben, dachte sie, denn die Zeit des Triumvirats lief in Kürze aus. Andererseits wäre es möglich, daß seine Stellung in Rom unverändert bliebe, denn während der vergangenen zwölf Jahre hatte sein Einfluß sich so stark gefestigt, daß er wie sein Onkel als Diktator regierte. Allerdings wäre es als Triumvir leichter, einen offiziellen Grund für den Krieg zu finden und Antonius einen Bruch der Verträge anzulasten.

Dieser versoffene Dummkopf hatte nach wie vor treue Gefolgsleute in Rom, und das bei allem, was er angerichtet hatte. Mehr als ein Drittel der Senatoren hatte sich mit ihm im Osten verschanzt, andere auf dem Palatin blieben unbestimmt, wollten sich für keine Seite entscheiden, warteten einfach ab, wie die Dinge sich entwickeln. Nun, zu gegebener Zeit würde man sich ihrer erinnern. Wenn man nicht für den erhabenen Caesar war, dann war man gegen ihn, und die Zeit der Abrechnung käme bestimmt.

Man mußte sich dringend etwas einfallen lassen, um gegen Antonius vorzugehen, die öffentliche Meinung gewinnen und dann losschlagen. Doch zu überstürzen brauchte man nichts, denn wie Livia Marcus Antonius kannte, würde er ihnen den Grund für den Angriff selbst in die Hände spielen.

Octavian ließ sich steifbeinig nieder. Er war in Illyrien am Knie verwundet worden, eine Verletzung, auf die hinzuweisen er nie müde wurde, da sie all jene Lügen strafte, die ihm nachsagten, er könne nicht kämpfen. Na gut, er hatte die Verletzung bei einem Sturz vom Schutzwall davongetragen, doch es war dennoch eine Wunde, die einem Krieg entstammte, und er sah keinen Anlaß, dies anders darzustellen.

»Heute hat es schon wieder Aufstände auf dem Aventin gegeben«, knurrte er verdrossen.

Livia Drusilla setzte ihre Spinnarbeit fort.

»Im Forum wurde ein Volkstribun angegriffen und ermordet.«

Octavian hatte kürzlich ein Gesetz erlassen, nach dem ein Viertel eines jeden Einkommens als Steuer erhoben werden sollte, um die Armee zu finanzieren, die Rom gegen den Angriff von Marcus Antonius verteidigen sollte. Das Gesetz war auf heftigen Widerstand gestoßen, denn die Römer hatten sich inzwischen daran gewöhnt, daß die Provinzen des Ostens für derartige Ausgaben aufkamen. An manchen Orten hatte sich dieser Widerstand in Gewalttätigkeiten geäußert, zum Beispiel dort, wo der erzürnte Pöbel die Gebäude der Steuerpächter einfach niedergebrannt hatte, was Octavian dazu veranlaßt hatte, die Ordnung mit Hilfe der Armee wiederherzustellen und die Anführer kreuzigen zu lassen.

»Außerdem hat der Pöbel versucht, das Emporium in Brand zu setzen. Ich mußte tatsächlich die Vierte aus ihren Lagern holen, um für Ruhe zu sorgen. Auch in Capua und Arretium ist es zu Aufständen gekommen.«

»Machst du dir etwa Sorgen, nur weil ein paar Wurstverkäufer randalieren?«

»Die Lage gerät außer Kontrolle, ich muß einen Weg finden, um das Volk hinter mich zu bringen.«

Livia Drusilla lächelte. »Sei ganz beruhigt, Antonius wird ihn für dich finden. Auf ihn kannst du dich verlassen.«

Sisyphus sprang auf den Tisch, um sein neuestes Lied vorzutragen.

Antonius regiert in Ephesos,

er ist der Herr im Osten.

Doch er muß tun, was Kleopatra will,

denn sie bezahlt die Kosten,

Die meisten seiner Zuhörer lachten, und Antonius lachte am lautesten. Er sieht die Gefahr einfach nicht, dachte Ahenobarbus, er tut, als sei es ein Witz gewesen. Canidius war da, Dellius, Plancus und zwei von den Schmuddelkönigen, Bogud aus Mauretanien und Amyntas. Antonius schien deren Gesellschaft angenehm zu finden, doch er, Ahenobarbus, würde keinem von beiden trauen.

Sisyphus kletterte vom Tisch hinunter, sein Stumpf sah aus wie ein Stachel. Antonius warf ihm eine Handvoll silberne denarii zu, die der Zwerg zusammenraffte, ehe er sich wieder über den Wein hermachte.

Ich habe gehört«, setzte Ahenobarbus an, »daß du dich von deiner Frau scheiden lassen willst.«

»Von Kleopatra?«

»Von der richtigen - von deiner römischen Frau!«

Antonius zuckte mit den Schultern. »Ein Mann sollte stets mehrere Frauen haben. Seht euch Canidius an: Vier Frauen, und doch kein Ergebnis. Vielleicht beackert er nicht die richtige Furche.«

Canidius' langes Pferdegesicht überzog sich mit verlegener Röte. Ein guter Junge, dachte Antonius, aber keinen Sinn für Humor.

»Wenn du Octavia verläßt, verlierst du in Rom deine Freunde.«

»Ich denke, meine Freunde sind alle hier?«

»Octavian wird die Situation ausnutzen.«

»Octavian nutzt alles aus. Wenn ich in Griechenland furze, beschuldigt er mich für den Gestank in Rom.«

»Ahenobarbus hat dennoch recht«, schaltete Dellius sich ein. »Jeder in Rom achtet Octavia.«

»Dann soll sie doch jeder in Rom heiraten. Sie sorgt wenigstens dafür, daß die Männer brav zu Hause bleiben und ihre Nase nicht in politische Angelegenheiten stecken.«

»Sie hat die Senatoren in den letzten Jahren für dich umworben. Wenn du dich scheiden läßt, sieht es aus wie Verrat.«

»Sie haben es ja auch nicht als Verrat angesehen, als Octavian sich meine gallischen Legionen einverleibt hat, geschweige denn daß sie seine Vertragsbrüche als Verrat bezeichnet hätten.«

»Octavia ist aber eine Frau und daher hilflos«, hielt Ahenobarbus ihm entgegen.

»Diese Erkenntnis wäre mir neu«, entgegnete Antonius. Er wandte sich an Munatius Plancus. »Was hast du dazu zu sagen?«

»Was Frauen anbelangt?«

»Nein, zu dem, was die anderen über Octavia vortragen.«

»Ich möchte meine Weisheit nicht mit Eurer messen.«

Antonius schnitt eine Grimasse. Was für eine schleimige kleine Kröte. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Ahenobarbus. »Da hast du es.«

Sisyphus sprang auf einen Stuhl und beugte sich zu Antonius' Ohr vor. »Die anderen haben recht, mein Herr.«

»Nach deiner Meinung habe ich nicht gefragt, Narr«, knurrte Antonius und tat so, als wolle er ihm eins hinter die Ohren geben.

Sisyphus wich in gespieltem Entsetzen zurück. »Tut mir nichts zuleide, mein Herr«, rief er, »ich bin hilflos!« Er reckte den Stumpf in die Höhe, und alle außer Ahenobarbus brachen in schallendes Gelächter aus.

»Kleopatra ist nach wie vor unser Problem«, hub Ahenobarbus abermals an, doch er hatte die Stimme gesenkt, damit es die Schmuddelkönige nicht hörten. »Wenn du deine Frau wegen der peregrina verläßt, halten die Römer dich endgültig für verhext.«

»Wieso denn verhext?«

»Nach dem armenischen Sieg hast du dich mit ihr auf Münzen abbilden lassen. Denkst du denn, die Römer wüßten das nicht?«

»Doch nur, weil sie meine Verbündete ist!«

»Bist du denn auch mit Herodes abgebildet, mit Bogud oder Amyntas?«

»Vielleicht solltet Ihr Euch doch nicht von Octavia scheiden lassen«, schlug Dellius vor, »und statt dessen nach Rom zurückkehren, um mit Octavian Frieden zu schließen.«

Antonius starrte ihn fassungslos an. »Jetzt, wo er im Nachteil ist? Wo wir die größte Armee zusammenhaben, die es im Osten jemals gab?« Er lachte auf. »Du machst dir zu viele Sorgen. Sisyphus, bring den Weinkrug her. Der Mann hier muß aufgemuntert werden.«

Ahenobarbus beschloß, es dabei zu belassen, er hatte ohnehin schon zuviel gesagt. Dennoch hätte er gern gewußt, was für einen Eindruck die beiden Fremdlinge von ihnen gewonnen hatten.

10

Kleopatra lag im Bett und sah zu, wie Antonius sich entkleidete. Die Jahre hatten es gut mit ihm gemeint. Er hatte nur in der Taille angesetzt, sonst war sein Körper weiterhin muskulös und kräftig geblieben, und in seinen Haaren war erst wenig Grau zu sehen.

Doch sie sorgte sich weniger um die Auswirkung des Weins auf seinen Körper als um die Art, wie er auf seinen Charakter Einfluß nahm. Antonius war zwar immer unbeständig gewesen, doch in jüngster Zeit war daraus Unberechenbarkeit geworden. Solange er trank, war er ausgelassen und lustig, doch am folgenden Tag fand man ihn mißmutig und verstimmt. Auch zeigte er wenig Interesse an militärischen Angriffsplänen, ja im Grunde war seine Begeisterung für den Krieg ziemlich erlahmt, er ließ sich mitziehen, anstatt zu steuern.

Nun, dachte sie, letztlich ist es genau das, was ich wollte. Inzwischen begleitete sie ihn überallhin, beherrschte die Lagebesprechungen, inspizierte die Truppen und fungierte als Richterin, wenn es zu Streitigkeiten kam. Es diente nicht nur der Sorge, ihn vor Fehlern zu bewahren, sondern entsprach im Grunde der wahren Situation: Es war ihr Krieg, um den es nun ging. Antonius selbst hätte längst einen Rückzieher gemacht, wäre lieber nach Parthien aufgebrochen, um in den Bergen abermals Unheil anzurichten.

Allerdings hinderte sie noch immer ein Umstand daran, ihre Lage als sicher anzusehen - ein letztes Glied, das zu durchtrennen war, um die Treue des Treulosen zu garantieren.

Antonius schob den zarten blauen Seidenvorhang, der das Bett umgab, zur Seite, glitt neben ihr unter die Decke und wollte sie umfassen. Sie ließ sich von ihm in die Arme nehmen, doch er spürte ihr Desinteresse und ließ von ihr ab. »Was ist denn mit dir?« fragte er.

»Wann läßt du dich von ihr scheiden?«

»Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.«

»Du hebst eine Armee gegen ihren Bruder aus, du hast dich mit der ägyptischen Königin vermählt, und dennoch sagst du fortwährend, es sei nicht der richtige Zeitpunkt. Wem von uns beiden machst du denn etwas vor? Octavia oder mir?«

Die Kerzenflamme in der rosenfarbenen Glaslaterne neben dem Bett flackerte unruhig, ihr Widerschein verlieh Antonius einen unsteten Blick. »Solange ich mit Octavia verheiratet bleibe, kann mich der Giftzwerg nicht als unrömisch hinstellen.«

»Ist das der einzige Grund?«

»Welchen anderen sollte es geben?«

»Den, daß du mich benutzt, Antonius.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Mardian hat mir erzählt...«

»... natürlich, deine Spitzel stecken überall.«

»... Mardian hat mir erzählt, du hättest Ahenobarbus versprochen, die Republik wiederherzustellen. Ist das dein Plan, Antonius? Octavian zu besiegen, um wieder römischer Bürger zu werden? Rom in der Hand zu halten, um es anderen zurückzureichen?«

»Natürlich nicht.«

»Das aber glauben deine Freunde.«

»Ich bitte dich, etwas muß ich ihnen doch sagen.«

»Genau wie mir. Was hast du deinen römischen Freunden versprochen, Antonius?«

Er gab ihr keine Antwort. Er erzählt allen, was sie hören wollen, dachte Kleopatra, und niemand weiß, was er wirklich plant.

»Ich hatte es so verstanden, daß Rom Caesarions rechtmäßiges Erbe wird, daß du römischer Herrscher wirst und wir nach euren Gesetzen heiraten, so wie wir es nach meinen taten.«

»Das habe ich auch vor.«

»Deinem Freund hast du es anders erzählt.«

»Er würde mich sonst nicht unterstützen.«

»Und woher soll ich wissen, wen du tatsächlich betrügst?«

Antonius wollte sie wieder in die Arme nehmen, doch sie schob ihn von sich. Wie typisch für einen Mann, dachte sie, eine Frau mit Küssen beschwichtigen zu wollen.

»Du hältst mich für nutzlos, nicht wahr?«

»Ich weiß nicht, ob du für mich kämpfst oder ob du nur mein Geld und meine Zeit verschwendest.«

»Ich werde mein Bestes tun.«

Kleopatra erhob sich und warf sich einen Umhang über die weiße Tunika, die sie nachts trug. Es war zum Verzweifeln! Dieser Mann wand sich wie ein Aal durch die Schlingen, und seine Absichten waren nie eindeutig. »Dann beweise es mir! Laß dich von ihr scheiden, und ich vertraue auf dein Wort. Wenn du es nicht tust, nehme ich meine Flotte und mein Geld und kehre nach Alexandria zurück.«

»Mein Täubchen... «

»Ich bin nicht dein Täubchen und bin es nie gewesen! Ich bin ein Falke und zeige dir meine Krallen. Laß dich von dieser Frau scheiden, oder betrachte Ägypten als deinen Feind im Osten.«

Mit diesen Worten verließ sie sein Gemach und kehrte in ihr eigenes zurück, wo sie Iras und Charmion zu sich rief, damit sie ihr bei ihren Verrichtungen halfen.

Antonius lag im Bett und starrte die Tür an. Im Namen Jupiters! Sie schien es ernst gemeint zu haben.

11

Jubelnde Menschenmassen säumten die breiten Straßen, um sie in Athen willkommen zu heißen. Dennoch fühlte sich Kleopatra in dieser Stadt nicht wohl, denn ihr spukten dort zu viele Geister von Menschen, die Athen in früheren Zeiten aufgenommen hatte. Brutus war nach dem Mord an Caesar hierher geflohen, eine Tafel erinnerte an den Besuch Ciceros vor vielen Jahren, und Octavia war eine Inschrift unter der Statue von Pallas Athene gewidmet worden.

Man hatte Antonius und Kleopatra den Sitz der römischen Gesandtschaft überlassen, ein palastartiges Stadthaus mit Gängen, die mit rotem Porphyr und schwarzem Marmor gekachelt waren, und mit Wandgemälden, auf denen sich Faune und Mänaden tummelten. Dahinter lag ein Garten mit rosafarbenen, weißen, gelben und dunkelroten Rosenbüschen. Im Innenhof befand sich ein impluvium, in dessen Nischen Kopien berühmter Statuen aufgestellt worden waren. Den Apoll des Leochares ließ Antonius umgehend entfernen, wogegen er dem Dionysos des Phidias einen Ehrenplatz gab.

Das tridinium diente als Raum für die Lagebesprechungen. Von dort aus hatte man einen Blick auf den Springbrunnen im Innenhof und auf den überdachten Laubengang, der ihn umschloß. Wenn die Türen offenstanden, schwebte der schwere Rosenduft von draußen herein. Von den höhergelegenen Fenstern des Hauses aus blickte man auf die weißen Säulen des Parthenons in der Ferne.

Doch es gab wenig Zeit, die Aussicht zu genießen, denn meistens standen Kleopatra und Antonius mit den römischen Generälen um einen Tisch und brüteten über den ausgebreiteten Karten.

Ihre Streitmacht war zum Angriff bereit. Zu Wasser verfügten sie über die ägyptische Flotte sowie römische Geschwader aus Rhodos, Kreta und Zypern, zu Land unterstanden Antonius über neunzehn Legionen, wozu noch weitere elf aus Alexandria, Kyrenaika und Syrien zählten, als Reserve.

»Warum schlagen wir nicht los?« erkundigte sich Canidius. »Ganz Rom ist in Aufruhr wegen der neuen Steuern, die Soldaten sind unterbezahlt und schlecht ernährt, das Volk ist Octavian leid.«

Dellius schüttelte den Kopf. »Wir können Italien nicht angreifen, solange die ägyptische Königin mit uns zieht. Das käme einer fremden Invasion gleich, gegen die sich Italien trotz des verachteten Octavian erhöbe.«

»Dann setzen wir ohne sie über«, erklärte Ahenobarbus.

Diese Römer! dachte Kleopatra. Nichts als Undankbarkeit und Verrat! Das wird ihnen schon mit der Muttermilch eingeflößt.

»Wenn Ihr ohne mich nach Italien übersetzt«, sagte sie, »tut Ihr es weder mit meiner Flotte noch mit meinem Geld. Und dann wird man sehen, wie weit Ihr kommt.« Daraufhin breitete sich erst einmal Schweigen aus.

»Es wäre ohnehin zu schwierig«, sagte Antonius schließlich, »denn es gibt nur zwei Häfen, Tarent und Brindisi. Wenn Octavian sie schließen läßt, können wir nicht landen.« Er stieß mit dem Zeigefinger auf die Karte. »Ich habe vor, die Truppen hierher zu verlegen, nach Patras, und sie im Golf von Korinth zu stationieren.«

Ahenobarbus schüttelte den Kopf. »Und die Via Egnatia willst du Octavian überlassen? Das ist verrückt.«

»Ich stimme ihm zu«, sagte Dellius. »Die Via Egnatia müssen wir halten.«

Antonius zuckte die Achseln. Er schien nicht recht bei der Sache zu sein. »Die brauchen wir nicht«, murmelte er.

Ahenobarbus war fassungslos. »Das ist die Verbindung zwischen der Adria und dem Osten! Auch Caesar hat sie als Schlüsselposition bezeichnet.«

Kleopatra wurde ungeduldig. Konnte Antonius denn noch nicht einmal seinen Feldherren gegenüber einen klaren Standpunkt vertreten? »Die Flotte wird im Süden stationiert«, erklärte sie. »In Aktium, Kerkyra, Patras und Methone. Dort bietet die Inselwelt sichere Häfen, und wir werden von Ägypten aus versorgt statt von Griechenland. Die Via Egnatia ist unpraktisch und nicht nötig.«

Alle starrten sie an: die Römer, Amyntas, Bogud und die anderen Vasallenkönige. Sie waren es nicht gewöhnt, daß eine Frau an Kriegsbesprechungen teilnahm, geschweige denn, daß sie ihre Meinung kundtat oder gar die Strategie bestimmte.

Ahenobarbus blickte Antonius an, als warte er darauf, daß dieser Einspruch erhob. »Imperator?«

Doch Antonius schien ihn nicht gehört zu haben. Er war ans Fenster getreten, schaute den Schwalben zu, die um die Säulen des Innenhofs flatterten - und trank. Es war noch früh am Morgen, doch er hielt bereits einen gefüllten Weinpokal in der Hand. Kleopatra hatte ihn beim Einschenken beobachtet und bemerkt, daß er den Wein inzwischen unverdünnt trank. »Es ist entschieden«, erklärte er wie nebenbei und bedeutete ihnen mit einem Wink, sich zu entfernen. Seine Gefährten verließen widerstrebend den Raum.

»Sie wünschen, daß ich nach Alexandria zurückkehre«, sagte Kleopatra, nachdem sie allein waren. »Sie wollen zwar mein Geld und meine Flotte, doch mich wollen sie nicht.«

»Vielleicht haben sie recht. Es wäre besser, wenn du mich die Kampfmaßnahmen entscheiden ließest.«

»Soll ich mich etwa an die Spindel setzen?«

»Wenn du nicht wärst, könnte ich Octavian jetzt vernichten.«

»Könntest du das wirklich? Warum hast du es dann nicht längst getan? Weil es nicht in deiner Macht lag ohne mein Geld und meine Schiffe, oder weil dir dazu die Willenskraft fehlte? Ohne mich würdest du doch weiterhin seine Befehle annehmen und reihum die Frauen seiner Familie heiraten, wenn sie durch Witwenstand oder Reife verfügbar würden.«

»Du bist so unerbittlich!« stöhnte Antonius. »Warum verhältst du dich nicht wie eine normale Frau?«

»Die Zukunft meines Sohnes steht auf dem Spiel«, entgegnete Kleopatra. »Ich glaube, daß sich jede normale Frau um solche Dinge kümmert.«

Antonius' Blick wanderte erneut zu den Schwalben, die sich unter dem Kolonnadendach ihr Nest gebaut hatten. Sein Leben lang war er so frei gewesen wie sie, und nun hatte man ihn vor einen Karren gespannt, auf dem eine Frau und seine Freunde die Zügel in den Händen hielten.

»Ich habe getan, was du wolltest«, seufzte er schließlich. »Was verlangst du denn noch von mir?«

Götter, ich muß ihm alles einzeln aufzählen, dachte Kleopatra. Er schien nicht in der Lage zu sein, zu tun, was das Schicksal ihm auferlegte, und mutig voranzuschreiten, sondern glich einem Schauspieler, der Größe darstellt, jedoch nicht weiß, was das ist.

Draußen nahm Ahenobarbus Canidius zur Seite. »Hast du gesehen, wie sie ihm befiehlt?«

»Sie ist eine Königin. Sie hat Ägypten zwanzig Jahre lang allein regiert, und es fällt ihr nicht schwer, Befehle zu erteilen.«

»Auch einem römischen Magistrat? Glaub mir, daß uns vor ihrem Tod kein Sieg beschieden ist.«

»Was können wir denn tun? Wenn wir sie nach Hause schicken, werden ihr die anderen Könige folgen. Zwei Drittel unserer Truppen gehören ihnen! Das sind Menschen, die Kleopatra für Isis halten und ohne ihre Anwesenheit womöglich schlechter kämpfen werden.«

»Woher weißt du denn, ob sie überhaupt kämpfen werden? Unsere Armee ist doch ein einziger Trug! Nur vier Legionen davon sind richtige Römer. Der Rest besteht aus Lustknaben und Wilden.«

»Solange die Königin bei uns bleibt, werden sie kämpfen. Mit dieser Anzahl von Truppen können wir nicht verlieren.«

»Meine Sorge gilt nicht nur der Niederlage, sondern auch dem, was im Falle eines Sieges geschieht. Der edle Antonius scheint mir Caesar nachzueifern und zu sehr nach dem Königsthron zu schielen.«

»Solche Absichten sind mir nicht bekannt, da müßtest du ihn schon selbst befragen.«

»Das werde ich auch tun«, schnaubte Ahenobarbus, »falls ich ihn je antreffe, ohne daß ihm die Königin das Händchen hält.«

12

In Griechenland war es Frühling geworden. Der Kriegsvorbereitungen überdrüssig geworden, hatte Antonius sich mit einem Gefolge aus Schauspielern und Musikanten auf die Insel Samos zurückgezogen. Doch ehe er aufbrach, hatte er noch ein gewaltiges Bacchanal in einem der Athener Theater gefeiert und sich anschließend zur Akropolis tragen lassen, wo ihn die Griechen zum Inbild des Dionysos erklärt hatten.

Das Inbild des Dionysos, dachte Kleopatra, übertrifft den Gott bei weitem, und wenn es nur das Trinken anbelangt.

Die Vasallenkönige waren mit Antonius nach Samos gezogen und übertrafen sich gegenseitig in der Ausrichtung von Gelagen und prächtigen Geschenken für ihren Herrn.

Mardian hatte Kleopatra berichtet, daß es in den Theatern jeden Abend Aufführungen mit nachfolgenden Gastmahlen gäbe und daß sich Antonius abermals eine dionysische Höhle habe bauen lassen, in der er von den Morgenstunden an mit seinen Freunden trinke. Außer den Schauspielern und Musikanten des Dionysischen Bundes umgebe ihn auch die übliche Heerschar aus Mänaden und Satyrn, und die ganze Insel halle wider von ihrem Lärm. Den Orgien säße der edle Antonius als Dionysos natürlich selbst vor.

Der edle Antonius, dachte Kleopatra, sechsundvierzig Jahre alt und inzwischen beleibt, und doch sitzt er noch Orgien vor, die man nur jungen Männern als Ausdruck überschäumender Lebenskraft nachsieht. Was sollte man von jemandem halten, der auch in den mittleren Jahren noch am Jugendrausch festhielt und ihn als Religion verbrämte?

Die Sonne hatte die Marmorbank vorgewärmt, und die Bienen summten in den Rosenbüschen. Kleopatra lauschte dem Plätschern des Brunnens und hielt ihr Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen. Sie winkte die Dienstboten fort, die mit den gefiederten Fächern Insekten vertrieben, so daß sie und Mardian sich ungestört unterhalten konnten.

Der alte Eunuch saß neben ihr und wedelte sich mit seinem Fächer verzweifelt Luft zu. Sein Gesicht hatte sich mit einem Kupferton überzogen, und auf seinem weiten Gewand hatten sich Schweißflecke gebildet.

»Was meinst du?« hub Kleopatra an. »Habe ich das Richtige getan?«

Ihr oberster Ratgeber betupfte sich die Stirn mit einem Seidentuch. »Nun, immerhin habt Ihr das getan, was Ihr wolltet.«

»Was ich wirklich wollte, war, daß Julius länger lebt.«

»Ich fürchte, das lag nicht in Eurer Macht. Majestät, erlaubt Ihr mir, anmaßend zu sein?«

»Warum denn nicht? Die Römer sind es allezeit, und dich habe ich viel lieber als sie.«

»Habt Ihr diesen Barbaren geliebt?«

»Natürlich nicht, das war nur Politik. So etwas wie Liebe gibt es nicht.«

»Diese Antwort höre ich allenthalben.«

Kleopatra betrachtete den Eunuchen von der Seite und fragte sich, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er sich als Junge den elterlichen Wünschen nicht gefügt und nicht in den Eingriff eingewilligt hätte, um dem Haus der Ptolemaier zu dienen. »Vermißt du den Mangel an diesem Wissen?«

»Was die Liebe angeht? Der Mensch vermißt nur, was er kennt.«

»Fragst du dich nie, was Männern an Frauen gefällt und umgekehrt?«

»Selbst wenn ich zweihundert Jahre alt würde, wüßte ich nicht, was einem an Männern gefallen sollte, und was die Frauen betrifft, Majestät, so habe ich Euch geliebt - doch das ist etwas anderes.«

»Du bist sehr treu gewesen.«

»Das scheint einem Menschen wie mir leichter zu fallen.«

Kleopatra lächelte.

»Was ist mit Antonius?« fragte Mardian. »Geht es da auch nur um Politik?«

»Glaubst du, ich könnte ihn sonst ertragen?«

»Ich habe nie etwas von Antonius gehalten.«

»Ich fürchte nur, daß ich ihn vergeblich geduldet habe, denn er scheint allen Mut eingebüßt zu haben.«

»In Parthien?«

»Ja, in Parthien.«

»Das ist nicht die einzige Erklärung für sein Verhalten.«

»Nein, das stimmt. Ich weiß, daß er die Bequemlichkeit mehr liebt, als es dienlich ist, und daß er in seinem Herzen ein Junge geblieben ist, der die Verantwortung scheut wie die Pest, und daß seine Eitelkeit maßlos ist. Dagegen besitzt er körperlichen Mut, ist auf seine Art unwiderstehlich und wird von seinen Soldaten verehrt wie ein Gott. Doch das ist nicht genug.«

»Bei Hofe versteht man nicht, warum er den Krieg gegen Octavian so lange verzögert.«

»Ich weiß auch nicht, warum er das tut. Ich mußte ihn hierher zwingen, und nun bezeichnen mich seine Freunde als Bürde, obgleich er ohne mich noch immer in der parthischen Wüste Staubwolken jagen würde.«

»Der Mensch entscheidet zuerst mit dem Herzen und rechtfertigt seine Taten später mit Rhetorik und Verstand.«

»Was willst du damit sagen?«

»Der Osten war sein Spielplatz, Majestät, nicht mehr als das, und gleichgültig was dort geschah, so war sein Herz stets in Rom, der größere Teil davon sogar bei Octavian.«

Kleopatra starrte ihn an. »Bei Octavian?«

»Ihr habt ihn nicht verhext. Eure Verbindung ist auch für ihn nur Politik. Wenn Ihr mich fragt, wen er geliebt hat, dann lautet die Antwort: weder Euch noch Fulvia, noch Octavia, sondern nur den jungen Caesar. Alles was sich Antonius immer gewünscht hat, war die Gunst Caesars. Seit sich der junge Caesar dem alten ebenbürtig erwiesen hat, sehnt sich Antonius nach dessen Gunst. Er muß ihm wie Caesars Geist vorkommen. Der edle Antonius ist und bleibt ein treuer Soldat, ein nüchterner Befehlshaber wird er nie.«

»Vielleicht hast du recht. Wer weiß? Gewiß ist nur, daß er jetzt jedermanns Soldat geworden ist. Seine Freunde wollen Freiheit und Demokratie, seine Vasallen wollen das römische Joch abschütteln, und ich will, daß Caesarion sein Recht erhält.

Wir ziehen alle in den Krieg, doch keiner weiß, wofür er letztlich kämpfen wird. Das ist der Grund, weshalb ich ihn nicht aus den Augen lassen kann.«

»Ihr habt einen Löwen am Schwanz gepackt, Majestät. Ihn weiterhin festzuhalten wäre Wahnsinn, loszulassen hingegen Selbstmord.«

»Vielen Dank, Mardian. Welch ein tröstliches Bild an einem so schönen, warmen Tag.«

Die Sonne verschwand einen Moment lang hinter den Wolken, und Kleopatra fröstelte. Zwanzig Jahre lang hatte sie gekämpft, für sich, für ihren Sohn, für Alexandria, für Ägypten.

Nun, so oder so - es würde bald vorbei sein.

Auf dem Palatin in Rom

Octavia hatte gehofft, daß die Leidenschaft ihres Mannes für diese Ägypterin abklingen würde, so wie sein Interesse an allen Frauen im Laufe der Zeit erloschen war. Als es nicht so kam, hatte sie angefangen, ihn zu hassen. Doch dann hatte sie feststellen müssen, daß auf ihren Haß kein Verlaß war, daß es sogar Tage gab, an denen er sie ganz im Stich ließ, an denen sie vergaß, daß Antonius sie gedemütigt und verlassen hatte, daß er sie zurückgewiesen hatte, als sie ihm gefolgt war.

Genaugenommen versagte ihr Haß immer häufiger, enttäuschte sie ohne Unterlaß - bis zu dem Tag, an dem ihr ein Bote die Nachricht überbrachte, daß sich ihr Mann von ihr scheiden lassen würde.

Nun mußte sie zuletzt doch tun, wozu Octavian sie so lange gedrängt hatte: Sie mußte Antonius' Haus verlassen und sich mit ihren Kindern in die Obhut ihres Bruders begeben.

Octavian verwandelte ihren Umzug natürlich in ein öffentliches Ereignis, wenngleich man ihn auch nachts hätte durchführen können, um Octavias Würde zu wahren. Doch das hätte seinen Plänen nicht entsprochen, und deshalb geschah das Ganze bei hellem Tageslicht. Er hatte es zuvor überall kundgetan, denn als sie aus dem Haus trat, hatte sie draußen eine Menge vorgefunden, die ihren Auszug begaffte, als würde sie zur Hinrichtung geführt.

Auch hatte Octavian ihr keine Sänfte zur Verfügung gestellt, so daß sie zu Fuß über den Palatin wandern mußte, die Kinder und die Sklaven im Gefolge. Welch einen traurigen Anblick wir bieten, dachte Octavia, ein jämmerliches Schauspiel, das mein Bruder benutzt, um die Abtrünnigkeit meines Mannes unter Beweis zu stellen.

Ich habe jedenfalls von Männern für mein Leben lang genug, beschloß sie hernach. Wenn Antonius mich benutzt hat, dann hat es mein Bruder noch mehr getan, denn er benutzt selbst mein Elend noch für seine Zwecke. Ich hoffe, daß sich die Türen des Hades für beide auftun und daß sie nach ihrem Tod im ewigen Schattenreich leiden müssen. Was mich angeht, so werde ich auch im jenseitigen Leben nur noch die Nähe der Frauen suchen.

13 ln Athen

Antyllus war ein unbeholfener Junge, hoch aufgeschossen, dünn, schüchtern und Antonius nicht im entferntesten ähnlich.

Antyllus war das einzige von Antonius' Kindern, das sich nach der Scheidung entschlossen hatte, Rom zu verlassen und hinfort bei seinem Vater zu leben. Antonius, der den Jungen zuletzt als kleines Kind gesehen hatte, schien angesichts dieser Zuwendung jedoch eher peinlich berührt als erfreut zu sein.

»Antyllus«, sagte er nur, »mein Junge.« Er erhob sich nicht, um ihn zu umarmen, und auch der Junge ging nicht auf ihn zu, sondern murmelte lediglich: »Ich grüße dich.« Danach stierte er wieder auf das Muster des Marmorbodens.

Antonius, der zitternd und mit rotgeränderten Augen auf der Ruhebank lag, hatte sich von dem Exzeß der vergangenen Nacht noch nicht erholt. Er benötigte beide Hände, um seinen Pokal an die Lippen zu führen. Kleopatra, Caesarion und die anderen Kinder hatten sich um ihn versammelt, um ihr neues Familienmitglied willkommen zu heißen. Die Kinder benahmen sich hölzern und steif und musterten Antyllus mit offenkundigem Widerwillen.

»Er kräuselt sich ja die Haare!« ließ sich Caesarion mit einemmal vernehmen.

»Sie sind von Natur aus so«, stammelte Antyllus verwirrt.

Caesarion schnupperte in der Luft. »Und er benutzt ein Duftwasser wie die syrischen Lustknaben bei uns am Hof.«

»Das reicht«, fuhr Antonius ihn an.

»Du wirst dich jetzt entschuldigen«, befahl Kleopatra ihrem Sohn.

»Es tut mir leid«, murmelte Caesarion mürrisch. »Es tut mir leid, daß ich dich mit einem syrischen Lustknaben verwechselt habe.«

Antyllus war feuerrot geworden, und seine Unterlippe bebte.

»Wie geht es Octavia?« erkundigte Antonius sich kühl, während seinem Sohn eine Träne über die Wange lief.

»Es geht ihr gut.«

Danach herrschte wieder unbehagliches Schweigen. »Hat Octavian dich gut behandelt?«

»Sehr gut. Ich teilte ihm jedoch mit, mein Platz sei hier bei dir.«

Antonius nickte. »Richtig.«

»Außerdem hat er gewiß eigene Lustknaben«, spottete Caesarion. »Schönere als dich.«

Kleopatra gab Caesarions Lehrer einen Wink. »Bring Caesarion fort und züchtige ihn.« Caesarion warf ihr einen haßerfüllten Blick zu. Er ist zwar schon sechzehn Jahre alt, dachte Kleopatra, und Schlägen eigentlich entwachsen, doch ein derartiges Benehmen werde ich nicht dulden.

Der Eunuch, der Caesarion unterrichtete, zerrte den Jungen aus dem Raum. Er war zu alt und zu schwach, um großen Schaden anzurichten, doch Kleopatra hoffte, daß es ihrem Sohn eine Lehre sein würde.

Antonius wußte offenkundig nicht, was er mit Antyllus anfangen sollte, auch wenn er Helios, Selene und Philadelphos gegenüber ein wundervoller Vater war. Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er die Existenz dieses Jungen vergessen gehabt hatte, vielleicht erinnerte er ihn aber auch an seine Ehe mit Fulvia.

Schließlich wurde Antyllus fortgeführt, um sich die Räume zeigen zu lassen, die man für ihn hergerichtet hatte. Kleopatra bedeutete auch den anderen Kindern und deren Lehrern, den Raum zu verlassen.

»Es tut mir leid, daß Caesarion so unhöflich war«, sagte sie, nachdem sie mit Antonius allein war. »Vielleicht betrachtet er Antyllus als Nebenbuhler.«

Antonius nickte. »Alle Brüder sind Nebenbuhler.«

»Das gleiche gilt für Schwestern«, erwiderte Kleopatra im Angedenken an Arsinoe.

Die Szene zwischen Caesarion und Antyllus hatte sie nachdenklich gemacht. Wieviel Bedeutung wir Kindern beimessen, ging es ihr durch den Kopf. Es ist, als wollten wir unser Leben durch sie verlängern, selbst wenn sie uns nicht ähnlich sind. Welch ein hämischer, boshafter Junge Caesarion geworden ist, dem sowohl der edle Charakter als auch der Verstand seines Vaters fehlten! Und wie schwach und weinerlich Antyllus reagierte, der offenbar zu lange verzärtelt worden war!

Sie ließ Antonius in bedrückter Stimmung zurück, doch sie war sicher, daß er nach dieser unliebsamen Begegnung seinen Trost wie immer im Weinkrug finden würde.

Allerdings verblaßte die Bedeutung von Antyllus' Erscheinen zwei Tage später vor der Nachricht, daß Munatius Plancus Athen verlassen hatte, um sich in Rom Octavian anzuschließen.

Auf dem Palatin in Rom

Eine widerliche Kreatur, dachte Octavian, während er sich auf der Ruhebank ausstreckte. Für mich kaum ein Gewinn, für Antonius schwerlich ein Verlust. Ein weiterer Speichellecker, und sonst gar nichts.

Dennoch, Agrippa würde die Informationen des Abtrünnigen interessant finden, um Einzelheiten über die Anzahl von Antonius' Truppen und ihrer Stationierung zu erfahren, obwohl es denkbar war, daß Antonius seine Pläne nun ändern, dem Rat seiner Generäle folgen und die Via Egnatia doch besetzen würde.

Sie befanden sich in dem Raum, in dem Octavian sich mit Vorliebe aufhielt, einem Prunkgemach gewaltigen Ausmaßes, vier Mann hoch und mit blattgoldbelegter Decke und Wandgemälden, auf denen Apoll, Jupiter und Mars ihre Feinde erschlugen. »Und was hat Euch letztlich bewogen, die Seiten zu tauschen?« fragte Octavian Plancus.

»Weil ich Rom liebe, Imperator«, erwiderte Plancus. »Als ich erkannte, daß Kleopatra Antonius verhext hatte und daß sie ihn lediglich benutzt, um ihren Machthunger zu stillen, wußte ich, daß ich ihm nicht mehr dienen wollte. Natürlich hatte ich auch von Eurer Weisheit gehört und von Eurer Gnade, und deshalb dachte ich... «

»Ja, schon gut«, unterbrach ihn Octavian. Noch mehr von diesem Geschwätz, und ihm wäre übel geworden. Er wußte längst über Plancus Bescheid. Ein nichtswürdiger, treuloser Mann! Aber was soll's, sagte er sich, Treue war noch nie seine Stärke gewesen. In Perusia hatte er auf Fulvias Seite gestanden, dann seine Gesandtenrolle benutzt, um der Belagerung auszuweichen, und sich in Athen abermals Fulvia angeschlossen. Später hatte ihn Antonius als Statthalter von Syrien eingesetzt, bis offenkundig wurde, daß es zu Plancus' Vorlieben gehörte, neun- oder zehnjährige Mädchen zu entehren. Sicher, dachte Octavian, keiner von uns ist vollkommen, doch an bestimmte Regeln muß der Mensch sich halten. Er selbst hatte sich immerhin auferlegt, daß seine Mädchen bereits behaart sein mußten, damit er nicht von der Gesellschaft geächtet wurde.

Natürlich kannte Octavian auch den wahren Grund für Plancus' Fahnenwechsel, da es derselbe war, der ihn schon in Perusia dazu bewogen hatte. Die Ratte riecht das Feuer, dachte er, denn inzwischen hat sich herumgesprochen, daß Antonius' Scheidung von Octavia ein großer Fehler gewesen war.

»Ein weiterer Grund, Antonius zu verlassen, bestand natürlich auch in seinem Testament«, erklärte Plancus.

Octavian richtete sich ruckartig auf. »Seinem Testament?«

»Er hat alles der Hexe und ihren Kindern vermacht und angeordnet, daß man ihn in Alexandria begräbt.«

In Alexandria? Bei allen Göttern, Antonius hatte tatsächlich den Verstand verloren! Kein Römer dieser Welt, nicht einmal der elendste aller Verbrecher, wollte jenseits der Heimat begraben sein. Wenn er dieses Dokument in die Hände bekäme, würde Antonius keinen einzigen römischen Freund mehr haben.

»Wo befindet sich dieses Testament?«

»Es ist in der Obhut der Priester des Isistempels im Brucheion... «

»Und Ihr hattet nicht Verstand genug, es zu stehlen?« fuhr Octavian Plancus an, der ihn daraufhin entgeistert anstarrte. Wie enttäuschend! dachte Octavian, ihm fehlt der Sinn für das Nächstliegende.

»Wenn der Inhalt bekannt wird...«, setzte Plancus abermals an.

»... ist es doch nur ein Gerücht«, unterbrach ihn Octavian verärgert. »Ein Gerücht reicht nicht aus. Ich muß das Dokument in den Händen haben!«

Plancus verstummte.

»Geht!« befahl ihm Octavian verstimmt und winkte ihn in Richtung Tür. Plancus entfernte sich eiligst.

Livia Drusilla tauchte hinter dem Vorhang auf, von wo aus sie das Gespräch belauscht hatte.

»Was hältst du davon?« fragte Octavian.

»Du brauchst das Testament.«

»Es aus Alexandria zu stehlen dürfte nicht ganz einfach sein.«

»Es muß doch nicht das richtige Testament sein, sondern nur wie ein solches erscheinen.«

Octavian schaute sie bewundernd an und gratulierte sich abermals zu seiner Wahl. Livia Drusilla war die vollkommene Ehefrau: Sie war verschlagen, schlau, ihm ergeben, und sie konnte zudem noch spinnen und nähen.

Octavian lächelte. »Du hast wie immer recht. Genau das ist die Lösung. Ich muß nur noch überlegen, wie ich das am besten bewerkstellige.«

Unter hochgeborenen Römern war es Brauch, ihr Testament im Tempel der Vestalinnen auf dem Forum Romanum zu hinterlegen, wo es bis zum Tod des Verfassers aufbewahrt wurde. Dort war es sicherer als an jedem anderen Ort, denn die vestalischen Jungfrauen waren unantastbar, und dem Zuwiderhandelnden drohte ein schrecklicher Tod als Strafe.

Daher erschütterte es die Römer zutiefst, als sie erfuhren, daß der Tempel entweiht und beraubt worden war. Die Priesterinnen, so hieß es, seien von Unbekannten überwältigt worden.

In Rom gab es kein anderes Thema mehr, und alle Stimmen waren sich einig, daß dies ein Frevel ohnegleichen war.

Als sich später Octavian im Senat erhob, um zu verkünden, daß er auf rätselhafte Weise in den Besitz des Testaments von Marcus Antonius gekommen sei, weitete sich das Entsetzen aus, da man erkannte, daß die Schandtat zu seinen Lasten ging.

In den Reihen der Senatoren entstand daraufhin ein Tumult, denn selbst bei dem Sohn des göttlichen Caesar würde auf derartige Machenschaften die gerechte Strafe folgen.

Ungeachtet des Aufruhrs begann Octavian, das Testament zu verlesen, und schon nach kürzester Zeit verblaßte die schnöde Tat vor dem Inhalt der Schrift.

Antonius hatte Kleopatras Sohn Caesarion zu Caesars rechtmäßigem Erben erklärt.

Antonius bezeichnete Kleopatra als seine Gemahlin, wenngleich das Gesetz Römern die Heirat mit Fremden verbot.

Antonius versah nur die Kinder, die er mit der ägyptischen Königin gezeugt hatte, mit Schenkungen, die Kinder, die er mit Fulvia und der duldsamen Octavia gezeugt hatte, berücksichtigte er nicht.

Und Antonius verfügte, daß er im königlichen Mausoleum der Ptolemaier in Alexandria begraben sein wollte.

Als Octavian zu Ende gelesen hatte, waren sich die Senatoren einig, daß die Mittel zur Erlangung des Testaments gerechtfertigt gewesen seien.

Antonius, Konsul, Triumvir und Imperator, hatte mit diesem Dokument seine privilegierte Position in der Welt verloren - er hatte aufgehört, ein Römer zu sein.

Nicht einem der Anwesenden kam der Verdacht, daß das Testament gar nicht unter den gestohlenen Schriftstücken hätte gewesen sein können, denn es war nicht denkbar, daß ein Mensch ein so furchtbares Verbrechen nur aus List auf sich lud.

Und da sich die Senatoren ein derartiges Ausmaß an Tücke nicht ausmalen konnten, war es nur naheliegend, daß sie Antonius seines Amtes als Konsul enthoben, wenngleich sie ihn erst kürzlich in diesem Amt bestätigt hatten.

Und wenn schon die Senatoren keinen Argwohn hegten, dann tat es erst recht nicht der römische Pöbel, der in derselben Nacht zum Palatin stürmte, um mit anfeuernden Rufen Octavians Leibwache zu unterstützen, als diese Antonius' Haus bis auf die Grundmauern niederbrannte.

14

Octavian erhob sich bedächtig. Das hohe Haus des römischen Senats war bis auf den letzten Platz gefüllt, denn jedermann wußte, daß an diesem Tag Schicksalhaftes entschieden würde.

Octavian wartete, bis sich das Husten und Füßescharren gelegt hatte.

»Erlauchte Senatoren! Wir stehen vor einer Bedrohung, wie Rom sie seit Hannibals Tagen nicht mehr gekannt hat. Dabei geht es nicht um einen Bürgerkrieg, wie etwa in dem Streit zwischen meinem Vater und Pompejus oder in den nachfolgenden Auseinandersetzungen mit Pompejus' Söhnen, sondern es geht um die ureigenste Bedrohung dieser Stadt.

Eines jedoch muß ich voranstellen: Mein Angriff zielt nicht auf Marcus Antonius, sondern auf die Frau, die sein Handeln bestimmt und die auch das unsere bestimmen wird, wenn wir die Waffen nicht erheben...«

Die Flammen der Fackeln zuckten am den Wänden. Die ersten Winterstürme fegten über Patras hinweg, und durch den Golf trieben graue Regenschwaden. Im Hafen unter der Festung schwankten die Schiffe auf hohen Wellenbergen, die Kais lagen verlassen, die Segel waren eingerollt und verstaut.

Die Glut in den Holzkohlebecken leuchtete auf, als ein Windstoß durch die Türritzen stob. Kleopatra hatte sich in einen Pelzmantel verkrochen und wärmte sich mit heißem Würzwein.

»Wo ist der edle Antonius?«

»Er hat sich noch nicht erhoben, Majestät«, sagte Mardian.

»Es ist bereits Mittagszeit.«

»Er hat in der letzten Nacht mit einigen der Soldaten getrunken.«

Kleopatra schüttelte den Kopf. »Ein vorbildlicher Feldherr!«

Mardian senkte die Stimme. »Es ist noch nicht zu spät zur Umkehr, Majestät.«

»Doch, Mardian, das ist es. Es ist viel zu spät.«

»... Als Römer und Beherrscher des größten und besten Teiles der Welt von einer Ägypterin - von einer Frau -unterdrückt zu werden, ist unser und unserer Väter nicht würdig. Sollen wir uns von Fremden schmähen lassen? Von Alexandrinern, die sich von einer Frau beherrschen lassen? Müssen wir nicht hadern, wenn römische Soldaten dieser Frau als Leibwache dienen? Müssen wir nicht aufstöhnen, wenn ihr römische Generäle und Senatoren schmeicheln? Möchten wir nicht weinen, wenn ein römischer Konsul und Imperator seine Kinder als Sonne und Mond bezeichnet, sich den Titel >Dionysos< verleiht und römische Länder verschenkt, als wären sie sein eigen?«

Die große Karte von Griechenland war auseinandergefaltet worden und lag auf dem Tisch vor Canidius, Dellius, Sosius, dem Oberbefehlshaber der Flotte, und den Stabsoffizieren.

»Antonius' Plan ist, die Flotte so zu verteilen, daß sie Octavians Schiffe abfängt, ehe sie von Italien aus aufkreuzen«, erklärte Sosius. »Der Großteil unserer Flotte liegt geschützt im Golf von Ambrakia und ist so gegen die Winterstürme gefeit.

Weitere Geschwader sind zwischen Kerkyra im Norden und Methone im Süden verteilt, wohingegen das Heer während der Wintermonate in Patras verbleibt. Wir befestigen den Westen Griechenlands wie einen Schild, das Octavians Armee abwehrt und hinter dem wir angreifen, während wir gleichzeitig die Versorgungswege aus Ägypten absichern.«

Dellius runzelte die Stirn. »Es macht mir dennoch Sorge, daß wir Octavian die Via Egnatia überlassen.«

»Sie nutzt ihm nichts, wenn er nicht in Griechenland landen kann.«

Doch auch Canidius schien sich der Sache nicht sicher zu sein. »Unsere Verteidigungslinie ist zu langgestreckt«, gab er zu bedenken. »Zudem sind wir zu sehr auf Ägypten angewiesen.«

»Für Ägypten steht ebensoviel auf dem Spiel wie für uns«, hielt ihm Sosius entgegen. »Sie lassen uns nicht im Stich.«

»Der Golf von Ambrakia«, ließ Ahenobarbus sich vernehmen, »ist als Flottenhafen verschwendet. Dadurch geben wir die besten Angriffspositionen auf, nur um die Flotte Kleopatras zu schützen.«

Sosius machte ein ernstes Gesicht. »Es ist Antonius' Entscheidung.«

Dellius warf Canidius einen verstohlenen Blick zu. Es war auch Antonius' Entscheidung gewesen, die Truppen in Parthien zu trennen, und man wußte ja, was dabei herausgekommen war.

»Ich wünschte, wir hätten Octavian früher angegriffen«, sagte er.

»Nun, jetzt ist es zu spät«, bemerkte Sosius mit einem Blick aus dem Fenster. Man würde mit dem Krieg bis zum Frühling warten müssen.

»Ich stimme dir zu, Quintus Dellius«, sagte Canidius. »Doch nach den Worten des Imperators ist es aus politischen Gründen zwingend, daß Octavian als erster angreift. Und die Zeit arbeitet für uns, warum also etwas riskieren? Wir haben Verpflegung und Geld, unsere Armee ist größer, die Flotte besser, Italien hingegen hungert, und Octavians Taschen sind leer. Wenn seine Armee meutern sollte, wie man munkelt, könnte es sogar sein, daß wir überhaupt nicht kämpfen müssen. Bis dahin provozieren wir ihn zu unüberlegtem Handeln. Es ist eine gute Strategie.«

»Wir müssen nichts weiter tun«, verkündete Sosius, »als in Griechenland auf ihn zu warten. Das setzt voraus, daß er seine Truppen bis hierher schafft und sie natürlich versorgt, doch er kann sie noch nicht einmal in Italien unterhalten. Wenn Ihr mich fragt, kommt es erst gar nicht zum Krieg.«

»Sofern er seine Truppen im Frühling noch hat«, erklärte Canidius, »zerstören wir sie, wenn sie übersetzen. Die Überlebenden werden verhungern, weil es niemanden gibt, der sie ernährt. Danach ziehen wir gemütlich gen Norden und erledigen den Rest.«

Dellius nickte. Es hörte sich gut an, doch seine Unruhe wollte nicht weichen. Antonius' seltsames Verhalten und Kleopatras Anwesenheit störten ihn ebenso wie die Tatsache, daß man Plancus' Fahnenflucht überging. Es gab immer noch so vieles, das schiefgehen konnte.

»... Was soll ein guter Römer denken, wenn er mit ansieht, wie Antonius die barbarischen Sitten des Ostens aufgreift, weder uns noch unseren Göttern Ehre erweist und statt dessen einer Hexe huldigt, die vorgibt, die Göttin Isis zu sein? Ich muß bekennen, daß ich diesem Mann einst selbst in einem Maß ergeben war, daß ich ihn mitregieren ließ, ihm meine Schwester zur Gemahlin gab und ihm Legionen gewährte. Ich war ihm derart zugetan, daß ich ihn nicht befehden wollte, wenngleich er meine Schwester kränkte, die Kinder, die er mit ihr zeugte, vergaß, Kleopatra meiner Schwester vorzog und ihren Kindern seinen - nein, euren Besitz vermachte. Ich habe immer geglaubt, daß er als römischer Bürger zuletzt doch die Wege der Vernunft wiederfindet.

Doch mein Bemühen ist bei ihm auf Verachtung gestoßen. Er wollte nicht entschuldigt werden, wiewohl wir es gern getan hätten - er wollte auch nicht bemitleidet werden, wiewohl wir auch dazu bereit gewesen wären. Dennoch soll sich hier niemand vor ihm fürchten und sich sorgen, daß er den Krieg gewinnen könnte, denn dieses hat er auch früher nicht vermocht, was die unter euch bezeugen können, die ihn bei Mutina geschlagen haben...«

Eros, Antonius' Leibdiener, half seinem Herrn in die Höhe. Er konnte sich noch an Zeiten erinnern, an denen dieser die Nacht durchzecht hatte, am Morgen putzmunter zum nächsten Becher gegriffen und sich zum Besuch der Kampfspiele bereit gemacht hatte. Doch seit ihrem jüngsten Aufenthalt in Griechenland sah es aus, als wolle sich Antonius am liebsten gar nicht mehr erheben. Die geplatzten Äderchen auf seiner Nase und in den Augen traten inzwischen deutlich zutage. Auch den Fettring um Antonius' Taille hatte es vor einem oder zwei Jahren noch nicht gegeben. Eros wurde von einem Gefühl persönlichen Versagens übermannt, denn er umhegte Antonius so fürsorglich, als habe man das beste Pferd im Stall seiner Pflege anvertraut.

Er legte ihm das Gewand an und reichte ihm einen Becher mit Wasser. Antonius trank es, als sei es Gift, ließ sich auf einer Ruhebank nieder und starrte Eros mit blicklosen Augen an. »Alles wäre anders gekommen, wenn Armenien mich nicht verraten hätte«, sagte er.

»Darüber wollen wir heute nicht reden, mein Herr«, beschwichtigte ihn Eros. »Wartet nur ab, bis es wieder Sommer ist. Dann habt Ihr Octavian besiegt, und Parthien ist vergessen.«

»Ich werde Parthien nie vergessen«, murmelte Antonius vor sich hin.

»... Obgleich dieser Mann Mut und Kampfkraft besaß, mit denen er einst für uns kämpfte, so hat er diese infolge seiner neuen Sitten längst eingebüßt. In den letzten zehn Jahren hat er für Rom nichts mehr erreicht. Sein Krieg in Parthien war eine schmähliche Niederlage, bei dessen Rückzug er zehn Legionen tapferer römischer Soldaten verlor.

Wenn wir mit ihm um die Wette trinken oder uns im Tanz mit ihm messen müßten, wäre der Sieg ihm gewiß, denn diese Betätigungen sind inzwischen seine Stärke. Doch was gibt es zu befürchten, wenn wir ihn auf dem Schlachtfeld treffen? Sein körperliches Geschick und seine Kraft? Er ist längst über den Zenit hinaus, und wie ich hörte, ist er fett geworden. Die Stärke seines Verstandes? Die ist infolge seiner Begierden und Lüste längst erloschen. Seine Freunde und Kampfgenossen? Sie haben ihm angehangen, als sie schnell reich zu werden hofften, doch sie werden ihre Brüder nicht bekämpfen, um einer fremden Königin zu dienen... «

Ahenobarbus stand inmitten des stürmischen Windes am Hafen und ließ seinen Blick über die große Flotte schweifen. In seiner Verblendung hat Antonius sich diese riesige Flotte und eine gewaltige Armee aufgeladen, dachte er, wo doch weder das eine noch das andere nötig gewesen wäre, um Herr über Rom zu werden. Es hätte gereicht, wenn er mit einem halben Dutzend Legionen in Brindisi gelandet und auf Rom zumarschiert wäre, denn Octavians Truppen hätten sich ihm niemals in den Weg gestellt. Für die Soldaten war Antonius immer noch ein Held, zudem führte er weiterhin die besten der römischen Legionen an - die >Gallische<, die mit Caesar bei Munda gekämpft hatte, die >Eisengepanzerte< mit Veteranen aus dem gallischen Krieg, Pharsalos und Alexandria, und die >Lerchen<, zähe Gallier, die von Spanien bis Parthien in jeder Schlacht dabeigewesen waren.

Wenn sie als Römer nach Italien gezogen wären, hätte Octavian das Feld räumen müssen. Doch statt dessen betrachtete Antonius sich als Gott, sah sich als Herrscher des Ostens und König der Welt. Was sollte jetzt aus der Republik werden? Antonius' Schwüre waren nur Lippenbekenntnisse, und nach einem Sieg Octavians wäre sie endgültig tot - denn anschließend würde die Tyrannis beginnen.

Er hatte Antonius mehr als einmal gewarnt, hatte ihm erklärt, daß er weder Kleopatras noch anderer Vasallen bedurfte, doch dieser hatte nicht auf ihn gehört und sich nur weiterhin Dionysos ergeben.

Ahenobarbus zog eine Schriftrolle aus seiner Tunika hervor. Seine Blicke wanderten über die Worte. »Hiermit erkläre ich, daß ich dieselben Freunde und Feinde habe wie Imperator Caesar Divi Filius, daß ich mit Leib und Seele, zu Land und zur See gegen den kämpfe, der ihn bedroht, daß ich jeglichen Verrat melde, der mir zu Augen und Ohren kommt, daß mir mein Leben und das meiner Kinder weniger gilt als die Sicherheit des Imperators Caesar. Sofern ich diesen Eid breche, bestrafe mich Jupiter mit Ächtung, Bann und Vernichtung.«

Das war der Treueeid, den alle Bürger Italiens unterzeichnen sollten, und einige hatten es umgehend getan, sei es wegen Antonius' Gebaren, wegen der Schenkungen, der Scheidung oder wegen des von Octavian verlesenen Testaments.

Andere hatten die Unterschrift aus Furcht vor Octavian geleistet, denn sie wußten, daß sich jener im Falle des Sieges an die erinnern würde, die sie verweigert hatten, zumal ihm die Treuebeweise in schriftlicher Form zur Verfügung stünden.

Es ist Erpressung, dachte Ahenobarbus, aber dennoch konnte er nicht umhin, Octavian für seine Gerissenheit zu bewundern. Zuerst hatte er sich als Schutzherr römischer Tugend aufgeführt und das Volk auf seine Seite gezogen. Dann hatte er zum Angriff gerüstet, doch da er wußte, daß Antonius noch über Anhänger verfügte, nicht ihm den Krieg erklärt, sondern Kleopatra, der Feindin, der Fremden und Verführerin, der Frau, die sich Antonius zu ihrem Werkzeug gemacht hatte.

Ahenobarbus seufzte. Canidius behauptete immer noch, sie würden gewinnen, und er wünschte, er könne dessen Optimismus teilen. Er zerknüllte die Seite wütend und schleuderte sie auf das aufgewühlte Meer, wo sie eine Weile auf den Wellen tanzte und danach versank.

»... Warum, frage ich euch, fürchten wir uns denn überhaupt vor ihm? Ist es die Anzahl der Truppen, die ihm unterstehen? Die schiere Menschenzahl kann gegen Mut nicht siegen. Oder ihre fremde Herkunft? Sie sind es eher gewohnt, Melonen denn Waffen auf dem Rücken zu tragen. Ist es ihre Erfahrung? Sie können im Wasser angeln, doch nicht zur See kämpfen. Was mich angeht, so möchte ich mich fast schämen, gegen derart geringe Geschöpfe vorzugehen, da ihre Vernichtung uns keinen Ruhm einträgt. Wer also wird gegen uns antreten? Wer sind denn Antonius' Generäle? Wie ich hörte, ist er von Eunuchen und von Kleopatras Sklavenmädchen umgeben. Das sollen unsere Feinde sein - so tief ist der edle Antonius gesunken.

Wenn Antonius in einem fremden Land sterben und begraben sein möchte, wollen wir ihm diesen Wunsch gern gewähren. Er soll nach Pharaonenart einbalsamiert werden. Mein Gebein soll jedoch am Tiber ruhen, denn auch als Staub will ich dich, erhabenes Rom, weder verlassen noch verraten... «

»Hier gefällt es mir nicht.«

Kleopatra betrachtete Caesarions verdrossene Miene. Im Profil glich er seinem Vater, doch im Wesen war er vollkommen anders, es sei denn, auch Caesar wäre als Junge griesgrämig, unleidlich und aufsässig gewesen. Er war ihr Sohn, und sie liebte ihn, hatte all ihre Hoffnungen und Träume in ihn gesetzt, doch außer einem gewissen Geschick beim Reiten und im Erlernen von Sprachen hatte sie wenig Gutes über ihn zu sagen. Vielleicht würden sich die anderen, besseren Eigenschaften im Laufe der Jahre noch entwickeln - vielleicht.

»Du mußt aber hier sein«, erklärte sie ihm. »Dieser Krieg wird um deinetwillen ausgefochten.«

»Aber ein Schiff betrete ich nicht. Du weißt, daß ich seekrank werde.«

Nun, dachte Kleopatra, wenigstens etwas, das er von mir geerbt hat. »Wir bleiben über den Winter hier, danach sehen wir weiter.«

»Ich will nicht hierbleiben! Hier ist es langweilig und kalt.«

»Du widmest dich deinem Unterricht. Es wird höchste Zeit, daß du dich in Rhetorik und Arithmetik übst.«

»Wozu?«

»Weil du ein Königssohn bist«, herrschte sie ihn an.

Caesarion zog ein beleidigtes Gesicht.

»Warum durfte Antyllus in Athen bleiben?«

»Der Krieg hat nichts mit ihm zu tun.«

Caesarion schwieg und starrte weiterhin aus dem Fenster auf das graue Meer hinaus. Welch gräßliche Eigenschaften er hat, dachte Kleopatra. Er erinnert mich mehr an meine Brüder als an Caesar, denn unter den Ptolemaiern hat es eine stattliche Anzahl an Schwächlingen und Nörglern gegeben. Wie dem auch sei: Er ist das einzige, was mir von Caesar geblieben ist.

Octavian, in Lederrüstung und verziertem Brustschild, marschierte in feierlichem Zug zum Marsfeld, wo die römischen Senatoren seiner bereits harrten. Die Zeremonie, die er abhalten wollte, gehörte zu den ältesten Ritualen Roms, doch sie war schon so lange nicht mehr durchgeführt worden, daß sie noch keiner der Anwesenden erlebt hatte.

Octavian schritt durch die Pforte in den Tempel der Kriegsgöttin Bellona, tauchte eine Lanze in frisches Menschenblut und trat wieder heraus.

Seine Stimme hallte laut und klar durch die Morgenluft.

»Wir erklären die ägyptische Königin Kleopatra, die ihr Augenmerk auf Rom gerichtet hat und uns regieren will, zu unserer Feindin. Diese Hyäne aus dem Hause Ptolemaios, die unseren General Marcus Antonius bezwungen und versklavt hat, diese Ägypterin, die Schlangen und anderes Getier als Gottheiten anbetet, muß vernichtet werden.«

Er hob die Lanze hoch und schleuderte sie südwärts, in Richtung Ägypten.

»Mit dieser Handlung erklären wir dieser fremden Macht, die uns bedroht, den gerechten Krieg. Wir lassen es nicht zu, daß sich eine Frau auf die Stufe des Mannes erhebt!«

Der Krieg hatte begonnen.

Zwischen Kleopatra und Antonius hatte sich das Schweigen eingenistet, und es kam vor, daß sie es sogar vermieden, sich in die Augen zu sehen.

Sie saßen beieinander, lauschten auf das Heulen des Sturmes, sahen, wie der Wind das Meer aufpeitschte, und zogen ihre Pelzmäntel noch fester um sich. In solchen Augenblicken dachten sie weniger über Octavian nach als darüber, was zwischen ihnen noch wäre, wenn es ihn nicht gäbe.

Das ist ein anderer Antonius als der, den ich vor Jahren in Rom kennenlernte, dachte Kleopatra, denn dieser Mann hier hat den Glauben an sich verloren. Die einzige Beschäftigung, der Antonius sich hingab, war das gemeinsame Trinken mit seinen Kumpanen, bei dem sie die Erinnerung an alte Schlachten aufwärmten, bis er zu seiner früheren Munterkeit zurückfand. Wenn sein Rausch vorbei war, versank er abermals in Trübsinn. Parthien hatte ihn gebrochen und ihm die Überzeugung geraubt, daß er ein Liebling der Götter sei, und nun mußte sie weiterkämpfen und ihn hinter sich herziehen wie einen störrischen Gaul. Ahenobarbus mochte ihr zwar anlasten, daß sie bei ihrem Unterfangen eine Bürde war, doch sie hätte das gleiche von Antonius behaupten können.

Ein Holzscheit flammte sprühend auf und fiel danach in sich zusammen.

»Na, siehst du«, sagte Antonius nach einer Weile, »nun hast du, was du wolltest. Jetzt haben wir Krieg.«

»Was ich wollte?«

»Ja. Schließlich hast du mich dazu gezwungen.«

Für einen Moment verschlug es ihr die Sprache. »Octavian hat dir den Krieg schon lange vorher erklärt.«

Antonius schaute zu Boden und schwieg, das Gesicht zur Maske erstarrt.

»Willst du jetzt etwa bestreiten, daß du den Osten wolltest?«

»Du bist diejenige, die Octavian haßt.«

»O nein, ich diene ihm nur als Entschuldigung. Du bist sein Feind, und ehe er dich nicht vernichtet hat, rastet er nicht.«

»Ich weiß nur, daß ich gegen meinen Willen in diesen Krieg hineingezogen wurde.«

Gegen deinen Willen? dachte Kleopatra. Begreifst du denn Octavians Machenschaften immer noch nicht? Sie erhob sich.

»Du hast einfach jede Tugend verloren«, sagte sie. »Du kennst weder Treue noch irgend etwas anderes außer deinem Vergnügen. Du widerst mich an.«

Antonius gab ihr keine Antwort. Der Feuerschein warf ein Licht auf seine Züge, doch sein Blick wirkte leer und schien sich auf etwas in seinem Inneren zu richten.

Kleopatra ließ ihn zurück. Mochte er doch die Wellen zählen, die sich an diesem kalten Wintertag an den Felsen brachen, oder von ihr aus auch mit der Natur und der Gleichgültigkeit des Meeres hadern.

15

DER MONAT MARTIUS NACH DEM RÖMISCHEN KALENDER IM JAHRE 31 VOR CHRISTI GEBURT

Patras im Golf von Korinth

Und wieder waren es die Iden des März, die den Schicksalsboten mit der Nachricht brachten. Der Winter war noch nicht zu Ende, doch Octavian hatte sich nicht aufhalten lassen, oder besser, sein Admiral Marcus Agrippa hatte gezeigt, daß er zu einem gefährlichen Feind wurde, wenn er sich bedrängt fühlte.

Agrippa hatte den großen Schild umgangen, der Griechenland umgab, war mit der Hälfte seiner Flotte weiter nach Süden gesegelt und hatte Methone eingenommen. Das Geschwader, das dort vor Anker lag, war überrascht worden, denn dessen Mannschaft hatte nicht mit einem Angriff gerechnet, sondern bezweifelt, daß es überhaupt zum Kampf kommen würde.

Es war ein reines Spähgeschwader gewesen, das im Hafen überwintert hatte und in einem einseitig geführten Kampf vernichtet worden war. Die Festung von Methone befand sich danach in den Händen des Feindes, und Bogud von Mauretanien, einer von Antonius' treuesten Vasallen, war gefallen. Es war ein harter Schlag, denn Methone war als Stützpunkt gedacht gewesen, von dem aus der Nachschub aus Ägypten gesichert werden sollte.

Antonius und seine Offiziere waren wie betäubt, denn nun mußten sie befürchten, daß Octavians Truppen dort an Land gehen und nach Norden marschieren würden.

Die nächsten Ereignisse kamen Schlag auf Schlag.

Ehe Antonius und seine Generäle sich's versahen, hatte sich Agrippa mit seinen Truppen in Methone eingerichtet und griff von dort aus Antonius' Südflanke an, wogegen andere Schiffe Vorstöße auf Kerkyra wagten. Und während man noch Auswege aus dieser Umzingelung suchte, erreichte sie die Nachricht, daß Octavian in Panormos gelandet war, einhundert Meilen nördlich des Golfes von Ambrakia. In nur wenigen Wochen war Antonius die Initiative aus der Hand genommen worden, und sein strategischer Angriffs- oder Verteidigungsplan war null und nichtig. Es war ihm zwar gelungen, einige Attacken abzuwehren, doch Agrippa hatte ihn eindeutig übertrumpft und das Gesetz des Handelns an sich gerissen.

Auch die Erwartung, Octavians Legionäre würden meutern, erfüllte sich nicht. Vielleicht war sie auch gar nicht begründet gewesen, sondern lediglich Antonius' Wunschdenken entsprungen.

Antonius' Soldaten hingegen tranken und randalierten noch immer in den Hafentavernen von Patras und glaubten, daß sie, wenn überhaupt, auf einen entmutigten und geschwächten Feind treffen würden.

Doch die, die es inzwischen besser wußten, fragten sich, wie sich diese katastrophale Entwicklung erklären ließ.

Nun - Antonius hatte seine Armee abermals getrennt und auf Kerkyra im Norden und die südlichen Stützpunkte konzentriert und dazwischen eine zu lange Verteidigungslinie gelassen, die sich nun als zu schwach erwies.

Schließlich gab Antonius den Befehl, die Armee von Patras nach Norden zu schaffen, um Octavians Truppen Einhalt zu gebieten. Seine Basis würde er nach Aktium verlegen, an den Golf von Ambrakia, wo er dem Quälgeist ein für allemal ein Ende bereiten wollte.

16

Aktium lag am Zipfel des südlichen Golfufers, umgeben von Marschen und kleinen Gewässern, mit vorgelagerten Inseln, die den gleichen sumpfigen Boden hatten. Die umliegenden Hügel bestanden aus Kalkstein, auf denen nichts wuchs außer kargem Gestrüpp. Es war ein unwirtliches Gelände, über das die Möwen kreisten und klagende Schreie ausstießen.

Kleopatras Flotte war dort den Winter über vertäut gewesen, die Masten ragten vor den wolkenverhangenen Bergen von Akaramania in die Höhe. Jenseits der offenen Mündung sah man die hellen Klippen der Insel Leukas.

Rauchschwaden zogen über das Lager hinweg. Die Truppen hatten Holzzäune und Wassergräben als Schutzwälle errichtet, und auf den ersten Blick schien alles in Ordnung zu sein. Doch als Kleopatra an der Torwache vorbeiritt, erschrak sie beim Anblick der ausgemergelten und erschöpften Gesichter. Der Winter auf diesem trostlosen Flecken Erde mußte sehr lang und hart gewesen sein.

Das ist das Problem, wenn man Krieg führt, ging es ihr durch den Kopf: Was auf der Karte vernünftig und klar wirkt, wird durch die Wirklichkeit oft widerlegt. Todesgeruch und Resignation vermittelten die Karten jedenfalls nicht. Auf dem langen Marsch vom Golf von Korinth nach Norden hatten sie erstmalig Furcht und Zweifel beschlichen, die nun übermächtig zu werden drohten, als sie das Lager von Aktium sah. Die Reise kam ihr vor wie der Aufbruch in das Schattenreich des Todes.

Antonius' oberster Feldherr, Marcus Grattius, erstattete ihnen in seinem Hauptquartier Bericht - eine karge Fischerhütte mit schiefen Mauern und niedrigem Dach. Er breitete die Karte des Golfes von Ambrakia auf einem großen Klapptisch aus und zeigte ihnen, wo sie sich und wo sich Octavians Truppen befanden.

Octavian hatte sich auf der nördlichen Landzunge verschanzt, an einem Ort, den sie von ihrem Lager aus sehen konnten. Doch wie sich Grattius zu versichern beeilte, gab es dort keinen guten Hafen, so daß Agrippas Flotte jedwedem Wetter ausgesetzt sei, wogegen sich ihre Flotte in sicheren Golfgewässern befände und man zudem über die Insel Leukas als Landeplatz für die ägyptischen Getreideschiffe verfüge.

Einmal habe Agrippa bisher versucht, sich in den Golf zu drängen, fuhr er fort, doch da sei er im Handumdrehen abgeschlagen worden. Man habe zwar damit gerechnet, daß Octavian seinen Vorstoß zu Land unterstützen würde, doch dies sei nicht geschehen, wahrscheinlich sei er zu hasenherzig gewesen.

»Gestern haben sie uns mit brennenden Fackeln und Felsbrocken bombardiert«, sagte er, »um uns zum Angriff zu provozieren. Es waren zwei von ihnen gegen einen von uns, doch schließlich haben sie sich zurückgezogen. Octavian hat nicht den Mumm, uns auf dem Land anzugreifen.«

Danach beschrieb ihnen Grattius die einzelnen Stellungen ihrer Truppen und bemühte sich, seinem obersten Befehlshaber zu imponieren. Er strengt sich zu sehr an, dachte Kleopatra, es muß etwas geben, das er verbergen will.

Anschließend sagte sie sich jedoch, daß man immerhin bald die Trompeten zum Angriff blasen und Antonius spätestens dann aus seiner Teilnahmslosigkeit erwachen würde.

Antonius' purpurfarbener Mantel war schlammbespritzt, Gesicht und Hände waren verklebt vom Schmutz und Schweiß der langen Reise. Eros brachte ihm ein Gefäß mit frischem Wasser. Nachdem Antonius sich erfrischt und gereinigt hatte, ließ er sich auf einem Schemel niedersinken und die Lederstiefel aufschnüren. Dann verlangte er nach einem Becher Wein.

Kleopatra betrachtete ihn stumm. Wie hatte Mardian ihn einst bezeichnet? Als Soldat in Generalsuniform, dessen Mut man nicht mit militärischem Geschick verwechseln dürfe.

Ob es inzwischen wohl zu spät sei, Agrippa zu verführen, hatte Mardian Kleopatra in der vergangenen Nacht gefragt, und sie hatte ihn für seine Frechheit getadelt. Doch im Grunde hatte er recht - sie hatte sich mit dem falschen Mann verbündet. Doch Octavian war nie eine ernsthafte Alternative gewesen, selbst wenn sie sich gezwungen hätte, sein Äußeres zu vergessen. Es war nicht nur wegen Caesarion, sondern auch weil das Bübchen, wie Antonius ihn immer noch nannte, die Macht mit niemandem teilen würde.

Die Luft in der Gegend war stickig und schwül. Kleopatra rümpfte die Nase. »Das gefällt mir alles nicht.«

»Das ist ja auch nicht nötig«, knurrte Antonius. »Wir wollen hier keine Hauptstadt errichten.«

»Ich habe mich dabei auf die Flotte bezogen. Sie hat den Winter über in seichtem Gewässer gelegen, das Holz muß inzwischen voller Würmer sein.«

»Nun, im Moment läßt sich nichts dagegen unternehmen.«

»Mir scheint, daß vieles davon abhängt, daß wir die Insel Leukas halten können. Bist du dir sicher, daß Grattus dort genügend Männer hat?«

»Wer, glaubst du, ist hier der oberste General?«

Kleopatra zuckte die Achseln. »Bisher würde ich Agrippa dafür halten.«

Der Stachel ging tief, und Kleopatra schalt sich, daß sie ihre Zunge nicht besser im Zaum gehalten hatte.

»Überlaß bitte mir die Sorge um den Kampf«, grollte Antonius. »Warum gehst du nicht in dein Quartier und kümmerst dich um deine Sklaven?«

Kleopatra erkannte, daß es wenig Zweck hatte, mit ihm zu streiten, denn er verlangte bereits nach mehr Wein.

Nachts lag Kleopatra in dem Seidenzelt, das in der Nähe von Antonius' Quartier errichtet worden war. In den benachbarten Zelten befanden sich ihre Sklaven und Höflinge, und draußen war ihre nubische Leibgarde postiert, die das ägyptische Lager bewachte.

Ihre Ankunft war wieder einmal Anlaß für Gerede gewesen, denn da sie als Königin kam, hatte sie auch die Ausstattung mitgeführt, die ihrer erhabenen Stellung entsprach. Dicke kappadokische Teppiche schmückten ihr Zelt, des weiteren prächtige, mit Perlen und Korallen besetzte Sessel, Tische aus Elfenbein, Tafelgeschirr aus Gold und Silber und Pokale aus Jaspis. Ihre Gewänder, die Schuhe und der Schmuck waren während der Reise in Ebenholztruhen transportiert worden, und natürlich waren auch Iras und Charmion bei ihr, um für ihr Wohl zu sorgen.

Mag sein, daß die Römer den Aufwand anstößig finden, dachte Kleopatra; wahrscheinlich begreifen sie nicht, daß dergleichen für eine Königin ebenso unabdingbar ist wie für sie Katapulte und Legionen.

Sie lauschte dem Summen der Fliegen, die hinter dem seidenen Vorhang auf warmes Menschenblut lauerten. Trotz des Geruchs des kostbaren arabischen Weihrauchs trug die Brise den Gestank des Marschlandes herein. Die Nacht war kalt, und Kleopatra fröstelte unter ihren Decken.

Sie wünschte, sich an einen warmen Leib schmiegen zu können, doch es war lange her, daß sie und Antonius das Lager geteilt hatten, denn sie war für ihn keine Aphrodite mehr, und er für sie kein Gott. Sie waren zusammen, weil sie sich jeweils in den Zielen und Schwächen des anderen verfangen hatten, und seitdem waren ihre Schicksale miteinander verknüpft.

Kleopatra wußte, daß sie keine andere Wahl gehabt hatte, doch sie wünschte sich sehnlichst, daß Julius bei ihr wäre. Er war aus demselben Holz geschnitzt gewesen wie sie, und wenn er nur ein wenig länger gelebt hätte, hätte sich ihnen bald niemand mehr widersetzt.

Kleopatra spürte, daß die Sehnsucht übermächtig wurde und daß sie sich wieder sehr einsam fühlte. Niemand war ihr ebenbürtig, doch ihr Streben hatte sie an einen Punkt geführt, an dem sie abermals von einem Mann abhing.

17

Canidius kam im Eilmarsch aus Patras, mit sieben Legionen und den Kontingenten der asiatischen Verbündeten. Auf der Halbinsel im Süden des Golfes lagerten nun einhunderttausend Mann. Antonius hielt in der ehemaligen Fischerhütte die erste große Lagebesprechung ab, bei der sich alle - die verbündeten Könige, die Generäle und die befreundeten Senatoren - um den großen Kartentisch drängten.

Auf der ausgebreiteten Karte waren die Stellungen der beiden Armeen verzeichnet, die Antonius ihnen erläuterte. Die Messungen hatten ergeben, daß die Öffnung des Golfes sich auf etwa vier Stadien belief und daß die Sandbänke eine natürliche Schwelle bildeten. Auch die Passage, die die Insel Leukas vom südlichen Festland trennte, ließ sich aufgrund von Sandbänken kaum befahren. Zudem hatte Grattius die Hafeneinfahrt mit Türmen und Wurfmaschinen befestigen lassen, so daß für Agrippas Schiffe kein Durchkommen möglich war.

Der Feind dagegen hatte sich im Norden auf einem hochgelegenen Stützpunkt verschanzt, den Octavian mit Gräben und Schutzwällen zu einer Festung hatte ausbauen lassen, die bis zum Meer hinunter reichte. Agrippas Flotte hatte sich in die Bucht von Gomaros zurückgezogen.

Doch Octavian war nicht der einzige Feind, wie sich herausstellte, als sich Canidius bei Kleopatra nach der Bereitschaft ihrer Flotte erkundigte.

»Wir haben im Winter zehntausend Ruderer infolge einer Seuche verloren«, erklärte sie ihm nach kurzem Zögern. Die Männer um den Kartentisch zogen hörbar die Luft ein. »Zehntausend!« rief Canidius entsetzt. Grattius hatte ihm zwar etwas von einer Seuche berichtet, doch daß sie dabei einen derartigen Verlust erlitten hatten, erfuhren alle erst jetzt. »Nun, das ist nicht allzu verwunderlich«, ließ sich Ahenobarbus vernehmen. »Grattius' Männer sind in erster Linie Syrer und Asiaten, die immer wieder dieselben Latrinen benutzen und sich nachher wundern, wenn sie erkranken.«

Kleopatra bemerkte, daß Amyntas und die anderen Verbündeten befremdete Blicke austauschten, denn sie waren es nicht gewöhnt, daß man sie so offen brüskierte.

»Was auch immer der Grund sein mag«, versuchte Kleopatra zu beschwichtigen, »die Seuche hat sich nun einmal unter meinen Ruderern breitgemacht.«

»Dann werden wir bei der hiesigen Bevölkerung neue Ruderer anwerben«, sagte Antonius.

»Die Männer, die ich verloren habe, waren Phönizier und Ägypter, die wir zuvor monatelang ausgebildet hatten. Sie werden sich nicht so einfach ersetzen lassen.« Ihr Einwand schien Antonius nicht zu behagen, doch das konnte sie im Moment nicht ändern. Jeder anständige General hätte für annehmbare Bedingungen gesorgt, bevor er seine Männer im Marschland überwintern ließ, wo bekanntermaßen Seuchen drohten. »Außerdem«, fuhr Kleopatra fort, »gefällt es mir nicht, daß wir im Golf eingeschlossen sind.«

»Wir sind nicht eingeschlossen«, entgegnete Antonius. »Wir schützen lediglich die Flotte. Agrippa hingegen ist in Gefahr, weil ihm der Sturmhafen fehlt.«

»Im Gegensatz zu uns kann er sich jedoch frei bewegen.«

»Ich stimme Antonius zu«, kam es von Ahenobarbus. »Wir sind hier unangreifbar. Wir danken Euch dennoch für Eure Meinung, Kleopatra, wenngleich wir uns fragen, aus welchen Schlachten Ihr Eure Kenntnis bezieht.«

Kleopatra mußte sich zwingen, Ruhe zu bewahren. Was erlaubte sich dieses Stück römischen Eseldungs, sie ohne ihren Titel anzureden? »Sicherlich fehlt mir die Erfahrung«, erwiderte sie, »aber dafür bediene ich mich meines gesunden Menschenverstandes.«

»Da wir derzeit keine Seeschlacht planen, ist der Punkt im Moment ohne Bedeutung«, wies Antonius sie zurecht. Danach wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Karte zu und erklärte die Lage der Sümpfe, Bäche und Flüsse. Kleopatra spürte jedoch die Feindseligkeit ihr gegenüber unter den Römern.

»Octavian lagert hier«, fuhr Antonius fort, »auf dem Hügel von Mikalitzi. Da wir ihn nicht direkt angreifen können, müssen wir ihn von seinem Hochstand herunterlocken. Wie mir scheint, bietet sich dazu seine Wasserversorgung an.« Er stieß mit dem Finger auf einen Punkt auf der Karte. »Sie holen sich das Wasser aus dem Fluß Louros oder aus diesen Bächen am Fuße des Hügels. Wenn wir sie dabei erwischen, müssen sie die Festung verlassen und kämpfen, wobei ihnen Agrippa nicht helfen kann.«

»Die Bäche sind gut gesichert. Sie haben die Erde aufgeschüttet und ringsum Wälle errichtet.«

»Das habe ich mit bedacht. Wir werden einen Frontalangriff vortäuschen, doch die Reiterei nach Osten ziehen lassen, um die Wasserquellen zu umzingeln. Das wird uns gelingen, denn schließlich verfügen wir über die besten Reiter der Welt.« Antonius warf Amyntas ein aufmunterndes Lächeln zu.

Kleopatra schwieg, wenngleich sie seine Absicht durchschaut hatte. Er suchte den Kampf zu Land, so daß er sowohl sie als auch ihre Flotte entbehren konnte. Welch ein Aberwitz, wo er doch seine Schenkungen investiert hatte, damit sie ihm diese kostspielige Flotte baute!

Als Kleopatra am nächsten Morgen erwachte, sah sie eine dicke schwarze Rauchwolke, die sich über die Insel Leukas wälzte. Kurz darauf stürzte Mardian zu ihr ins Zelt und berichtete, daß Agrippa mit einem Überraschungsangriff das dort liegende Geschwader und das auf der Insel befindliche Lager vernichtet hatte. Vereinzelte Überlebende taumelten noch immer wie benommen an den Strand.

Der nächste Verlust! Die Herrschaft über den Seeweg, der sie mit Ägypten verband, verloren! Von nun an würden sie ihren Nachschub an Waffen, Nahrung und Kleidung über den beschwerlichen Landweg vom Golf von Korinth aus herbeischaffen müssen, und wenn ihnen nicht bald ein Sieg gelang, würden sie irgendwann verhungern. Jetzt durfte nicht mehr gezaudert werden, jetzt mußten sie eine Schlacht erzwingen.

18

Eros half Antonius, die Rüstung anzulegen, befestigte die Riemen an Schultern und Taille und zurrte den Brustschild über der Tunika zurecht. Das war die richtige Kleidung für seinen Imperator, denn auf dem Schild waren die glorreichen Taten des Herkules abgebildet. Er würde einiges von dessen berühmter Kraft und Tapferkeit brauchen, dachte Kleopatra, die sich bei ihnen befand und zusah.

Als nächstes setzte Antonius den schweren Bronzehelm mit Visier und Federbusch auf, nahm das zweischneidige Schwert in die Hand und steckte es in die Scheide. Danach prüfte er die Halterung des wappenförmigen Schildes und legte seinen Purpurmantel an.

Während Eros noch die letzten Einzelheiten kontrollierte, schaute Antonius durch den Zelteingang nach draußen, wo die Insel Leukas aufragte, vor der nun Agrippas Schiffe patrouillierten.

»Ich habe Isis angerufen und um deinen Erfolg gebetet«, sagte Kleopatra. Sie hatte einen kleinen Altar neben ihrem Zelt aufgestellt, wo eine von Kerzen umgebene Isis aus Marmor täglich Opfer aus Weihrauch und Wein entgegennahm.

Antonius überging ihren Hinweis auf die Göttin. Wer weiß, dachte Kleopatra, vielleicht wendet er sich ja jetzt, wo Fortuna ihn im Stich läßt, wieder den strengen römischen Göttern zu. Von Dionysos war jedenfalls schon lange keine Rede mehr gewesen. »Es tut gut, die Rüstung wieder auf dem Leib zu spüren«, sagte Antonius grinsend, und für einen kurzen Moment blitzte der alte Kämpfer in ihm auf.

»Es tut mir leid«, sagte Kleopatra versöhnlich, »wenn ich bei der Besprechung gestern deine Überlegungen in Zweifel zog, doch schließlich bin ich eine Königin und nicht gewöhnt zu schweigen.«

»Das macht jedoch einen schlechten Eindruck bei den anderen«, antwortete Antonius.

»Daß ich eine Meinung habe?«

»Daß sich der Imperator von einer Frau befehlen lassen könnte.«

»Ich bin keine Frau, sondern eine Göttin.« Antonius starrte sie an, als wisse er nicht recht, ob sie das ernst meine.

»Die Machenschaften der Götter sind mir genau wie die der Frauen immer rätselhaft geblieben«, bemerkte er schließlich.

»Das ist im umgekehrten Fall gewiß nicht anders gewesen.«

Er grinste abermals. »Wahrscheinlich hast du recht.« Dann gab er ihr einen flüchtigen Kuß und trat aus dem Zelt.

Draußen zog der Lagerrauch durch die Luft, der sich mit den Gerüchen von Pferden und Leder mischte. Die Armee stellte sich nach Rängen auf, ein weites, schimmerndes Meer von Rüstungen und Helmen. Die Standartenträger reckten die römischen Adler hoch, die Fanfaren erschollen, und von irgendwoher näherte sich das Getrappel von Pferdehufen.

Canidius und Ahenobarbus preschten heran, um ihren Feldherrn abzuholen. Antonius schwang sich in den Sattel seines Pferdes, und im selben Augenblick fielen die Spuren seines vergangenen ausschweifenden Lebens von ihm ab. Er winkte Kleopatra noch einmal zu und galoppierte mit seinen Gefährten los, um sich an die Spitze der Truppen zu setzen.

Kurz vor Anbruch des Abends kamen sie zurück.

Antonius ritt direkt zu seinem Zelt, sprang ab und stapfte wortlos hinein. Kleopatra hörte, wie er drinnen herumpolterte und wütend nach einem Pokal Wein verlangte.

Als nächstes kam Ahenobarbus angeritten, den Bart von einer Schwertwunde im Gesicht blutverkrustet. Seinen Helm hatte er unter den Arm geklemmt, und seine Schultern waren nach vorn gesunken.

»Seid ihr besiegt worden?« erkundigte sich Kleopatra. Ahenobarbus bedachte sie mit einem geringschätzigen Blick. »Nein, wir sind nicht besiegt worden.«

»Was ist denn passiert?«

»Die Schutzwälle sind zerstört, und wir haben Octavians Wasserquelle eingenommen.«

»Und warum die unheilverkündende Miene?«

»Nun, wir hatten sie bei den Bächen besiegt, und die Schlacht sah gut für uns aus. Doch als wir ihr Lager einnehmen wollten, hat Deiotaros mit seinen Reitern die Seite gewechselt. Ohne die Reiter wäre jeder weitere Kampf Selbstmord gewesen.« Deiotaros war der König von Paphlagonien, ein Mann, der Antonius seinen Thron verdankte. Welch eine unnachahmliche Art, sich auf diese Weise erkenntlich zu zeigen!

»Er hat euch verraten?«

Ahenobarbus runzelte die Stirn. »Vielleicht hat er eher Euch verraten.«

»Wieso denn das?«

»Er befürchtete wohl, daß Ihr Euch nach dem Sieg sein Land einverleiben könntet. Offenbar läßt er sich lieber von Rom beherrschen als von einer Frau.«

Kleopatra spürte, wie der Zorn in ihr hochstieg. »Ihr wollt mich für seinen Verrat verantwortlich machen?«

Ahenobarbus ging nicht auf sie ein. »Bei allen Göttern«, knurrte er, als er sich von seinem Pferd gleiten ließ, »ich habe noch nie in einem Krieg gekämpft, der unter derart ungünstigen Vorzeichen stand.« Mit diesen Worten ließ er sie stehen.

Aus Antonius' Zelt hörte man immer noch, wie er mit Gegenständen um sich warf und Eros anbrüllte, er solle ihm gefälligst die Rüstung abnehmen und endlich mit dem Wein herbeikommen. Der alte Antonius hatte, wie es schien, am Morgen nur eine kurze Gastvorstellung gegeben.

In der darauffolgenden Zeit setzte Agrippa seine Angriffe auf ihre Häfen fort. Patras fiel als nächster, mit ihm der Zugang zum Golf von Korinth und damit auch die letzte freie Versorgungsroute der ägyptischen Getreideschiffe. Nun mußte der Nachschub über die Bergpässe aus dem Süden Griechenlands angeliefert werden, doch bei der Größe der Armee würde die Not nicht lange auf sich warten lassen. Sie besaßen die größten Getreidevorräte der Welt - doch sie hatten keinen Zugang mehr dazu.

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