TEIL VIII

Fortuna freut sich ihres grausamen Geschäfts, und ohne Rücksicht spielt ihr Spiel sie beharrlich, tauscht unbeständige Ehren, bald mir, bald einem anderen gnädig.

Horaz Oden XXX

1

DER ERSTE TAG DES ÄGYPTISCHEN MONATS MESORE

Kleopatra starrte zum großen Leuchtturm hinüber, zu dem Feuer mit dem Spiegelschild aus glänzender Bronze. Heute -wie an jedem Tag - würde ein Sklave in dicker Lederrüstung die Schiene unter dem Spiegelschild drehen, so daß das Feuer weithin zu sehen war.

Der Leuchtturm war seit ihrer Kindheit ein fester Bestandteil ihres Lebens - wie schwer es war, von ihm Abschied zu nehmen!

Antonius' Truppen hatten an diesem Tag erste Scharmützel ausgefochten, wobei es der Reiterei gelungen war, Octavians Vorhut zu verjagen, als diese auf der Pferderennbahn ein Lager errichten wollte. Der entscheidende Kampf würde jedoch erst am folgenden Tag stattfinden.

Kleopatra hörte das Gekreische und Gelächter von dem Gelage, das im Palast stattfand. Wenn es denn seine letzte Nacht auf Erden wäre, hatte Antonius gesagt, wolle er dafür sorgen, daß sie seinen Freunden in bester Erinnerung bliebe.

Kleopatra störte das Getöse nicht. Sie hätte ohnehin nicht schlafen können, da im Palast Geister spukten, die über die Marmorböden schlichen und sich aus den seidenen Wandbehängen lösten. Dort am Tisch saß Julius, der seine Erinnerungen an den gallischen Krieg aufschrieb, das vertraute Lächeln spielte um seinen Mund. Hinter ihm standen Ptolemaios, der Caesar unter Tränen bat, ihn nicht aus dem Palast zu jagen, und Arsinoe in weißem Gewand mit hochmütigem schönem Gesicht.

Und schließlich gab es noch Antiochos, der sie mit eingefallenen Wangen anstarrte. Kleopatra schloß die Augen. »Ich hatte keine andere Wahl«, flüsterte sie.

Als Königin und Göttin, dachte sie, bin ich alles auf dieser Welt gewesen, und denen, die mich als grausam erachten,

kann ich Gnadenakte und Wohltaten entgegenhalten. Alle Mächtigen der Welt laden Schuld auf sich, denn in Königen muß neben Demut und Milde auch kriegerische Stärke wohnen.

Was wird man wohl nach meinem Tod über mich sagen? Octavian wird mich als Hure bezeichnen, obgleich ich nur zwei Bettgefährten hatte und die Hälfte meines Lebens keusch gewesen bin. Er wird mich mit seinen Lügengeschichten zum Ungeheuer und zur Verführerin machen und nie erwähnen, daß ich der Pflicht gehorchte.

Ich bin nicht von Natur aus grausam, und ich traf Entscheidungen, die mich schaudern ließen. Aber wiegt denn der Mord an Geschwistern schwerer als der Kriegstod von Soldaten? Ptolemaios und Arsinoe hatten sich gegen mich erhoben - aber wir waren ohnehin nie wie gewöhnliche Geschwister zueinander.

Auch der Tod von Antiochos ließ sich nicht vermeiden, denn aus schwächlichen Kindern können bleiche Finsterlinge werden, wie unser Freund Octavian beweist. Wenn ich Olympos auftrug, Antiochos zu vergiften, dann nur, um meinem Land späteres Blutvergießen zu ersparen.

Fulvias Tod war ein politischer Schritt, und zudem war niemand da, der sie beklagte.

Alles, was ich tat, tat ich zum Wohl Ägyptens. Mein Leben lag offen zutage, meine Entscheidungen konnten bezeugt, verurteilt und von meinen Feinden verspottet werden. Dem Pöbel habe ich eine göttliche Maske gezeigt, hinter der ich mich selbst oft nicht wiedererkannte - doch bei meinen Kindern war ich ganz Mutter. Ich gab ihnen all meine Liebe.

Die Rolle der Aphrodite mußte ich spielen, wenngleich ich die Männer nicht übermäßig schätzte, denn ich begegnete ihnen selten als Frau. Statt dessen habe ich mich dem Ehrgeiz hingegeben - mein Land kam an erster Stelle, vor jedem Mann.

Auch vor Julius. Unsere Verbindung war uns beiden dienlich -obwohl, ihn habe ich vielleicht doch geliebt. Er hat meinen Körper erweckt, und für den ersten Mann hegt eine Frau oft zärtliche Gefühle.

Antonius? Es war notwendig, ihn zu lieben, und am Anfang hat es mir Spaß gemacht. Wir haben uns wie Götter vergnügt und waren auf verspielte Weise glücklich. Wir dachten, wir würden ewig leben, und haben die Zeit genossen - doch jetzt, wo das Ende naht, bestehen auch wir nur aus Fleisch und Blut und sterben wie alle Menschen.

Kleopatra stand auf der Terrasse des Palastes und schaute zu, wie Antonius von den Kindern Abschied nahm. Selene hatte sich wie eine Ertrinkende an seinen Hals geklammert. Helios versuchte tapfer zu sein und stand stramm wie ein Soldat, doch über seine Wangen liefen Tränen. Es war unwahrscheinlich, daß er so bald eine medische Prinzessin heiraten würde, denn nach dem Überfall der Nabatäer und dem Verlust Syriens war es zu gefährlich geworden, ihn durch diese Gegenden reisen zu lassen.

Antonius hob Philadelphos hoch und küßte ihn. Der Junge war zu klein, um die Bedeutung des Augenblicks zu verstehen, doch er weinte, weil seine Geschwister weinten. Antonius lachte sie alle aus und tat ihre Tränen als Unfug ab. Vielleicht, dachte Kleopatra, glaubt er selbst nicht daran, daß das das Ende ist.

Antyllus stand ein wenig abseits von den anderen und schaute so unglücklich zu Boden, daß er Kleopatra dauerte.

Kleopatras Blick wanderte nach Osten über das Sonnentor hinweg zu den ausgedörrten Feldern jenseits der Pferderennbahn, wo man Staub aufwirbeln sah. Octavians Truppen sammelten sich zum Angriff. Nur noch wenige Stunden, und ihr Schicksal würde sich offenbaren. Doch ihr Entschluß stand fest: Was immer auch geschähe - sie würde Isis bleiben, die Göttin und Königin von Ägypten, im Leben wie im Tod.

2

Über die Stadt hatte sich Totenstille gelegt. Die Werften und Märkte waren leer, nicht ein Fuhrwerk rumpelte durch die Gassen, selbst die Palastgärten lagen wie ausgestorben. Kleopatra stand mit Mardian auf der Terrasse. Sie schauten zu, wie ihre Flotte den Leuchtturm passierte, um Octavians Schiffe abzufangen. Nach außen hin wirkte Kleopatra ruhig, doch ihr Herz hatte sich so furchtsam zusammengezogen, daß es sie schmerzte.

Gleich würde die Schlacht beginnen. Als sich die beiden Flotten näherten, holte sie tief Luft und wartete auf die Steingeschosse und Feuerkugeln, die durch den Himmel schießen würden... doch als die Schiffe die offenen Gewässer erreicht hatte, drehte Publicolas Vorhut den Angreifern die Breitseite zu und hob die Ruder zum Zeichen der Freundschaft.

Kleopatras Kehle entrang sich ein Stöhnen.

Kurze Zeit später steuerte Octavians Flotte den Hafen an.

Es war vorbei.

Sie wandte sich zu Mardian. »Laß uns einen Spaziergang in der Sonne machen«, sagte sie.

Antonius sprang von seinem Pferd und stürmte in das Zelt, das als sein Hauptquartier errichtet worden war. Er riß sich den Helm ab und schleuderte ihn zu Boden. Er hatte von den Göttern nicht mehr verlangt als den Heldentod, doch selbst der war ihm verwehrt geblieben. Vor wenigen Augenblicken war seine Reiterei desertiert und hatte ihn auf dem Schlachtfeld stehenlassen. Bei diesem Anblick hatten auch die Fußsoldaten kehrtgemacht und waren zurück in die Stadt geflohen.

Verräter! Treulose Mistkerle! Banditen!

Eros kam herbeigelaufen und löste die Gurte des Brustpanzers, an denen Antonius in ohnmächtiger Wut zerrte. Antonius warf den Panzer zu dem Helm und bearbeitete beides mit Fußtritten. Danach ergriff er den Kartentisch, kippte ihn auf die Seite und zertrampelte die heruntergefallenen Karten und Pläne.

»Nutzlose Kameltreiber, Abschaum der Menschheit!« brüllte er.

Eros stand zitternd hinter ihm.

Antonius wandte sich um, zog sein Schwert und hielt es ihm hin.

»Tu es!«

»Mein Herr... «

»... es ist zu Ende - aus - vorbei! Verstehst du? Tu es!« Er entblößte seine Brust. »Stoß zu!«

»Das kann ich nicht...«, stammelte Eros.

»Du mußt es! Es ist deine Pflicht!«

Eros starrte mit weit aufgerissenen Augen zuerst auf das Schwert und dann auf Antonius. Er ist nur ein Junge, fuhr es Antonius durch den Sinn, ein dummer Landjunge, der in seinem Leben nichts gelernt hat, außer mir Kleidung und Rüstung anzulegen und mir Wasser zum Waschen zu besorgen.

»Mein Herr, ich liebe Euch«, sagte Eros mit bebender Stimme.

»Tu es einfach!«

Eros sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Er nahm das Schwert, wobei ihm die Hände so stark zitterten, daß Antonius befürchtete, er würde es fallen lassen. Dann drehte er es herum, stemmte den Griff auf dem Boden auf und stürzte sich in die Klinge.

Antonius schaute auf die gekrümmte Gestalt, die wimmernd und blutend vor ihm lag. »Du Bastard!« knurrte er.

Er versuchte, das Schwert freizubekommen, doch es steckte zu tief in dem Leib des Jungen. Wutschnaubend schlug er die Waffentruhe auf und zog ein neues Schwert aus der Scheide. Er schaute zu Eros hin. Es war noch Leben in dem Jungen, doch einen schönen Anblick bot er nicht. Braver Bursche, dachte Antonius, doch mit deinem Treuebeweis hast du mir keinen Gefallen getan, denn du zeigst mir nur das Grauen des Todes.

Er breitete seinen Umhang auf dem Boden aus. Will mir die Gedärme nicht schmutzig machen, dachte er und fing haltlos an zu lachen. Er setzte die Schwertspitze unterhalb der Rippen an, so daß sich der Stoß im Fallen nach oben richten würde. Hoffentlich gelingt es mir besser als Eros, dachte er, als er den Jungen röcheln hörte.

Antonius hielt inne. Die Zeit verstrich. Er blickte zu Eros. Dessen Augen waren leblos geworden - er erinnerte Antonius an einen toten Fisch.

Bei den Göttern, dachte er, ich hätte gewettet, daß es mir leichter fallen würde.

Zweimal habe ich bereits versagt, ging es ihm durch den Kopf. Zuerst bei Aktium, als ich von meinem Flaggschiff sprang. Ich habe mir eingeredet, es sei nur vernünftig, weil ich die Armee weiter führen müsse, doch in meinem Herzen wußte ich, daß mir der Mannesmut fehlte.

Danach Praetonion, wo die Ehre meinen Tod erforderlich machte. Wie oft habe ich dort mit dem Schwert am Strand gesessen, nur um immer wieder davor zurückzuschrecken.

Mir ist das Leben zu lieb geworden, bin zu wenig Soldat und zu sehr Gott - und doch nicht unsterblich. , Antonius spürte, wie ihm die Schwertspitze die Haut ritzte und ihm ein Blutrinnsal über den Bauch sickerte. Dionysos hatte ihm das Elysium versprochen, doch was, wenn dieses Versprechen nur Trug gewesen war?

Tu es, Antonius! Tu es jetzt!

Er zauderte.

Kleopatra brachte Isis ihre letzten Opfer dar. Sie stellte fest, daß ihre Hände zitterten. Gib mir die Kraft, Große Mutter, betete sie, laß mich Ägypten die Treue bis zum Ende bewahren! Im Tempelhof wurden Hufschläge laut. Ein Bote überbrachte ihr die Nachricht. Antonius' Truppen waren geflohen, die Reiter zu Octavian übergelaufen, im Hafen lag die römische Flotte vertäut.

Ihre Zeit war abgelaufen. »Wir müssen uns beeilen«, drängte Mardian. Kleopatra erhob sich und folgte ihm über die schattigen Pfade des Tempelhains zum Eingang ihres Mausoleums, wo Charmion und Iras bereits auf sie warteten. Drinnen stemmten sie sich gegen die schweren Portale und legten die eisernen Riegel vor.

Warum war es so schwer zu sterben? Antonius betrachtete die purpurfarbenen Seidenwände seines Zeltes, die sich in der Brise blähten. Der Tod stand wie ein zaghafter Gast auf der Schwelle, der nicht wußte, ob er eintreten soll, wenngleich man ihm eifrig Willkommen zuwinkte. Überall ist Blut, dachte Antonius, an meinen Händen, meiner Kleidung, meinem Umhang. Über seine starren Glieder krochen die ersten Kältefinger.

Vor seinen Augen tauchten Bilder auf. Er erkannte Aphrodite, die in den Hafen von Tarsos segelte, ihre Segel bauschten sich im Wind und verschmolzen mit den flatternden Zeltbahnen. Er sah einen häßlichen Jungen mit schlechten Zähnen und hörte, wie Caesar sagte: »Marcus, das ist mein Neffe Octavian.« Danach wurde es kälter. Er war in Parthien und blickte zu den hohen Schneegipfeln der Berge auf.

Er hörte das Schreien eines Pfauenvogels, sah, wie die Sonne hinter die Wolken glitt, und hörte, wie Octavias Stimme sagte: »Ihr werdet sehen, daß der Wert meiner Treue den meiner Schönheit übersteigt, Marcus.«

Treue! Wo fand ein Mann wahre Treue? Andere Gesichter tauchten vor ihm auf. Canidius, Sklaven, Bedienstete. Einer von ihnen murmelte: »Er hat es nicht geschafft!«

»Kleopatra!« Es war seine eigene Stimme, die ihm fremd und seltsam vorkam. Er schmeckte sein Blut. Ja, dachte er, Octavian, du hast nicht gelogen. Deine Vorwürfe waren berechtigt, denn ich habe mich ihrer schuldig gemacht - vor allem die ägyptische Königin konnte ich nicht verlassen.

Die Luft im Raum war getränkt vom Geruch der Gewürze. Das Licht der Fackeln brach sich auf den Barren aus Gold, die Edelsteine funkelten auf der Spitze des Berges - der Scheiterhaufen war bereit. Mardian hörte, daß die Stimmen von Octavians Soldaten näher kamen, Zenturionen, die in derbem Latein Befehle brüllten. Es würde nicht mehr lange dauern, und sie hätten das Mausoleum umstellt.

Kleopatra stand in einer der höher gelegenen Kammern am Fenster. Sie hatte sich für ihre letzte Vorstellung als Pharaonin zurechtgemacht und trug ein enges Goldgewand. Auf ihrem Kopf reckte sich der goldene Uräus in die Höhe, und um ihre Arme ringelten sich die goldenen Schlangen. Wie gefaßt sie ist, dachte Mardian. So ruhig, so still.

Als er zu ihr trat, sah er, daß draußen am Fenster eine Leiter lehnte. »Du mußt jetzt gehen«, sagte sie.

Mardian durchzuckten Gefühle von Hoffnung und Verzagen. »Ich will Euch nicht verlassen!« erwiderte er.

»Charmion und Iras haben den Tod gewählt, und ich erlaube ihnen zu bleiben. Sie sind meine Dienerinnen, und es ist richtig, wenn sie mit mir sterben. Das gilt nicht für dich, Mardian.«

Von draußen wurde gegen das Hauptportal gehämmert. »Mardian, du mußt gehen!« wiederholte Kleopatra. Mardian rührte sich nicht.

Er hörte, wie jemand unter dem Fenster etwas rief, und beugte sich nach draußen. Auf dem Marmorpodest am seitlichen Eingang befand sich ein Karren, daneben erkannte er Canidius und einige von Antonius' Dienern. Auf dem Karren lag eine Gestalt auf einer Trage, die in einen blutbefleckten Umhang gehüllt worden war.

»Ihr müßt uns helfen!« rief Canidius. Kleopatra trat neben Mardian. Danach war es, als würde sie taumeln. »Oh!« stöhnte sie.

Canidius wartete ihre Antwort nicht ab. Er hatte ein Seil um die Trage geschlungen, mit dessen Ende er nun die Leiter hochstieg. Als er vor ihrem Fenster stand, warf er ihnen das Ende zu. »Beeilt euch und zieht!« sagte er.

Gegen den Haupteingang wurde inzwischen mit einem Rammbock gestoßen. Antonius' Diener hoben die Trage an. Canidius stemmte sich in das Seil. »Helft mir doch!« brüllte er Mardian an.

»Was soll das denn noch?« jammerte Mardian. »Er will an der Seite der Königin sterben. Findet Ihr nicht, daß ihm wenigstens das zusteht?«

Kleopatra stieß Mardian zur Seite, griff nach dem Seil und fing an zu ziehen. Götter, dachte Mardian, sie hat in ihrem Leben nie etwas anderes als ihr Zepter gehalten, und nun krallt sie sich an das Seil wie ein Bauernmädchen, das einen Wassereimer aus dem Brunnen zieht. Aufseufzend winkte er Charmion und Iras zu sich, und mit vereinten Kräften - und seinem nicht unbeträchtlichen Gewicht - schafften sie die Last nach oben.

Als die Trage Fensterhöhe erreicht hatte, hielten die Frauen das Seil, während Canidius und Mardian sie behutsam durch die Fensteröffnung lenkten und auf den Boden gleiten ließen. Auf dem Sims entstanden Blutspuren. Antonius gab ein schwaches Stöhnen von sich Kleopatra warf sich über ihn.

Draußen bebte das Portal unter dem Ansturm des Rammbocks.

»Wir müssen nach unten«, drängte Charmion. »Warte noch«, flüsterte Kleopatra.

Also bist du doch eine Frau, dachte Mardian. Du hast ihn geliebt. Es war nicht nur Politik.

Kleopatra starrte abwechselnd auf das Blut an ihren Händen und dann wieder auf Antonius. Sein Gesicht war grau, und seine Augen fingen an, sich zu trüben. Seine Finger zuckten, als wollten sie etwas greifen. »Majestät«, mahnte Mardian.

Sie schaute ihn mit Augen an, in denen ein solcher Kummer lag, daß er den Blick senkte.

»Majestät!« murmelte er. »Gebt nur den Befehl, und wir entzünden den Scheiterhaufen!«

Antonius bäumte sich auf. Kleopatra hielt seine Hand, strich ihm über die Locken und begann zu weinen.

Unter ihnen wurden erregte Stimmen laut. Octavians Soldaten hatten die Leiter gefunden. Canidius sprang vor, um sie umzustoßen, aber er kam zu spät.

In Kleopatras Hand war ein Dolch aufgetaucht, doch als sie ausholte, um ihn sich in die Brust zu bohren, stand bereits einer der römischen Offiziere vor ihr, der ihr den Dolch entwand.

Ihm folgten drei Legionäre, die sich Canidius' bemächtigten. Mardian riß eine Fackel an sich, doch als er sich damit entfernen wollte, wurde er roh zu Boden gestoßen, und ein Legionär setzte ihm sein Schwert an den Hals.

Mardian wandte den Kopf und blickte zu der Königin. Die Soldaten hatten sie wie eine gemeine Gefangene gepackt und ihre Arme auf dem Rücken gefesselt. Antonius' Kopf war nach hinten gefallen, die Augen blicklos wie stumpfes Glas.

Der Tod war über die Schwelle getreten und hatte schließlich doch Einzug gehalten in dieses wilde, aufrührerische - und edle Haus.

3

In Berenice am Ufer des Roten Meeres in Oberägypten

Die Nacht war zu drückend und zu warm, als daß man hätte schlafen können. Durch die Wolken am Himmel schwamm ein runder gelber Mond. Apollodoros stand an Deck seiner Feluke, schaute auf die wenigen Lichter, die am Ufer glommen, und lauschte dem Schwappen der Wellen gegen den Rumpf. Sein Auftrag würde bald erfüllt sein, wenngleich Caesarion es ihm beileibe nicht immer leicht gemacht hatte. Es galt jetzt nur noch, die letzte Nachricht aus Alexandria abzuwarten. Wenn sich die Königin mit Octavian geeinigt hätte, würden sie zurückkehren, wenn nicht, würden sie weiter nach Indien segeln.

Die Holzplanken an Deck knarrten. Apollodoros fuhr herum, doch dann erkannte er, daß es nur Rhodon war, dieses weiche, weibische Wesen.

Er wandte sich wieder um. »Eine schöne Mondnacht«, sagte er zu Rhodon. »Isis hält über uns Wacht.«

Danach durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Es dauerte einen Augenblick, bis er verstand, daß ihn ein Dolch getroffen hatte. Er taumelte und stürzte vornüber. Wie dumm von mir, dachte er, ehe er in den schwarzen Fluten versank, daß ich vergaß, daß selbst weiche, weibische Wesen Zähne haben.

In Alexandria

Kleopatra befand sich nun schon eine Woche lang als Gefangene in ihrem Palast. Als besondere Kränkung hatte Octavian sie im Gästetrakt unterbringen lassen, wo er ihr, Charmion, Iras und Mardian zwei Gemächer überließ. Er hatte Kleopatra eine Kleidertruhe zugestanden und ließ ihnen täglich Brot, Wasser und ein paar Früchte bringen.

Eine Botschaft von Octavian hatte Kleopatra jedoch noch nicht erhalten.

Antonius war in Kleopatras Mausoleum beigesetzt worden, wie er es sich gewünscht hatte. Kleopatra hatte den Trauerzug von ihrem Fenster aus beobachten können. Der goldene Sarg war unter Trommelschlägen auf einem goldenen Wagen aus dem Palast gerollt worden. Nachdem sein Feind tot war, wollte Octavian sich offenbar als großzügig erweisen.

Später sandte Octavian Thyrsus zu Kleopatra, der sich in seiner Rolle aalte und es genoß, daß sie ihm keine Befehle mehr erteilen konnte. Es schien ihm eine besondere Freude zu sein, ihr mitzuteilen, daß man Helios, Selene und Philadelphos in den Katakomben entdeckt und gefangengenommen habe und daß Antyllus ebenfalls gefunden und inzwischen getötet worden sei.

Von Caesarion kein Wort!

Kleopatra hatte seit dem Untergang ihrer Stadt keine Nahrung mehr zu sich genommen. Die meiste Zeit über lag sie stumm auf ihrem Bett. Wenn sich Charmion oder Iras näherten, um sie anzukleiden, zu frisieren und zu schminken, winkte sie sie fort.

Am achten Tag ihrer Gefangenschaft erschien Octavian.

Er sieht immer noch so abstoßend aus wie früher, dachte Kleopatra. Die sonnenverbrannte Haut und die aufgesprungenen Lippen machen ihn nicht schöner, und seine Tunika ist derart unkleidsam, daß ich ihn bestenfalls für einen meiner Gärtner halten könnte. Und dieser Mann beherrscht nun die Welt!

Octavian ließ sich auf einer Ruhebank nieder.

»Ihr seid mager geworden«, sagte er. Und älter, setzte Kleopatra im stillen hinzu.

»Ich habe, wie es scheint, den Appetit verloren.«

»Das habe ich gehört.«

Kleopatra fragte sich, was er nun von ihr erwartete. Wollte er sie betteln sehen, oder gelüstete es ihn auch nach einem Häppchen Ägypten, wie Julius es einmal ausgedrückt hatte. Oder dachte er gar, sie würde auch ihm sich und den ägyptischen Thron anbieten?

»Seid Ihr hier, um Euch an meinem Anblick zu ergötzen?«

»Nein - ich ergötze mich nicht an Eurer Demütigung.«

»Demütigung? Ich halte es lediglich für eine Niederlage.«

»Das ist das gleiche.«

Etwas lag in seinen Augen - ein tückisches Glimmen -, das ihr zur Vorsicht riet. Caesarion! dachte sie. Warum hätte er sonst so lange mit seinem Besuch warten sollen? Er wollte sich erst des letzten Sieges sicher sein. Sie spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Nein, dachte sie, bitte nicht - nicht auch noch mein Sohn!

»Wie sehen Eure Pläne für mich aus?« fragte sie.

»Ihr kommt mit mir nach Rom. Dort werdet Ihr der Mittelpunkt meines Triumphzuges sein. Die berüchtigte Königin in Ketten! Das wird dem Pöbel gefallen. Ihr seid in Italien sehr unbeliebt.«

»Das habe ich Euch zu verdanken.«

»Nun, Ihr habt mir vortrefflich in die Hände gespielt - oder zumindest doch Antonius.«

»Antonius hatte einen einfachen Verstand, aber er war tapfer und gut. Ihr seid ihm in keiner Weise ähnlich.«

Das hatte ihn offenbar getroffen, denn er funkelte sie wütend an. Vielleicht war es weniger der Inhalt ihrer Bemerkung, der ihn ärgerte, sondern daß sie weiterhin den Mut besaß, ihn zu schmähen.

»Nach dem Triumphzug lasse ich Euch erwürgen«, bemerkte er leise. »Euer Leichnam wird in der Kloake enden.«

Wie konnte ich die Gelegenheit versäumen, den Scheiterhaufen anzuzünden? dachte Kleopatra. Es galt nur noch, die Fackel darauf zu werfen. Warum bin ich schwach geworden und habe um Antonius geweint?

Octavian beugte sich zu ihr vor. »Ihr könnt Euch noch retten.«

Er schien darauf zu warten, daß sie sich nach den näheren Einzelheiten erkundigte, doch diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun.

»Ihr habt Eure Gunst sowohl Caesar als auch Antonius erwiesen«, hub er wieder an. »Wenn Ihr sie auch mir erweist, würdet Ihr meine Dankbarkeit kennenlernen.«

Das war es also, was er wollte! Nun, auf seine Formen der Dankbarkeit konnte sie verzichten. »Eher würde ich mich mit einem Warzenschwein paaren«, entgegnete sie, ohne nachzudenken.

Octavian sprang auf. Er war weiß vor Wut. »Diese Worte werdet Ihr bereuen! Vielleicht denkt Ihr an sie, wenn Ihr meinem Wagen durch das Forum folgt!«

Er tut so, als ob ich meine Rettung verspielt hätte, dachte Kleopatra. Dabei hätte er mich nur genommen, um mich danach triumphierend den Henkern zu übergeben.

Octavian machte Anstalten zu gehen, doch zuvor wandte er sich noch einmal um. »Oh, ehe ich es vergesse - Euer Sohn Caesarion... «

Kleopatra richtete sich hastig auf.

»... ist tot.«

Octavian lächelte. »Der Mann, der ihn schützen sollte, ist in Berenice einem Unfall zum Opfer gefallen und ertrunken. Der Lehrer Eures Sohnes hat den Jungen überzeugen können, daß es in seinem Interesse läge, nach Alexandria zurückzukehren. Natürlich hat er ihn belogen, doch dafür hat er eine großzügige Belohnung erhalten. Der Schritt war leider nötig. Ein Caesar reicht - mehrere sind von Übel.«

Rhodon! dachte Kleopatra. Und sie hatte Apollodoros mißtraut! Wie hatte sie nur so blind sein können?

»Seht Ihr«, schloß Octavian, »nun habt Ihr nichts mehr zu verlieren.«

Octavian betrachtete Marcus Plancus mit einer Mischung aus Widerwillen und Spott. Er ist der ewige Kriecher, dachte er, doch er erfüllt seinen Zweck. Ein Gott ist kein Gott, wenn es keine Menschen gibt, die ihn als solchen bezeichnen.

Er streckte sich genüßlich auf einem Diwan aus. Wie er gehört hatte, war es der, den auch Caesar während seines Aufenthalts in Alexandria bevorzugt hatte, und auch Antonius hatte die Annehmlichkeiten dieses Palastes genossen.

Nun, die Stadt hatte durchaus ihren Reiz. Einen hübschen Ausblick hatte man von dieser Stelle. Vor einem lag der Hafen, und dahinter erhob sich der Leuchtturm. Ein erstaunliches Bauwerk. Aus dem Palast würde er ein paar Erinnerungsstücke mitnehmen. Diesen Tisch, zum Beispiel, mit der dicken Lapislazuliplatte, den Gold- und Korallenintarsien und den Beinen aus Basalt, die Sphingen nachgestaltet waren.

Angeblich gehörte er den Ptolemaiern schon seit den Zeiten Alexanders.

»Edler Herr!« hub Plancus an. »Habt Ihr die Königin von der Wertlosigkeit ihres Lebens überzeugen können?«

Octavian richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Plancus. »Ich glaube schon«, erwiderte er. »Wahrscheinlich hat die Nachricht vom Tod ihres Sohnes den Ausschlag gegeben.« Bei Jupiter! dachte er, das Problem hätte sich längst von selbst gelöst, wenn man ihr nicht den Dolch entrissen hätte. Nun gut, jetzt gibt sie wenigstens ein Zierstück in meinem Triumphzug ab.

»Bedenkt, daß der Pöbel gemurrt hat, als Caesar... als Euer Vater... Arsinoe vorführte.«

»Ich weiß«, seufzte Octavian. »Es ist ein wenig unerfreulich.«

Plancus überreichte ihm eine Schriftrolle, und Octavian ließ den Blick darüber gleiten. »Was soll das sein?« erkundigte er sich.

»Meine Empfehlungen für den Senat. Unter anderem werden wir drei Triumphzüge fordern. Einen für Illyrien, einen für Aktium und einen für Ägypten.«

»Und was soll das hier? Wir sollen Antonius' Geburtstag verfluchen?«

»O ja. Außerdem schlage ich ein Gesetz vor, das es verbietet, die Namen Marcus und Antonius zusammen zu führen, und das vorsieht, seinen Namen von jedem Denkmal zu merzen. Als letztes empfehle ich, für Euch, Caesar, einen neuen Namen und Titel einzusetzen.«

Octavian betrachtete ihn wohlwollend. Plancus war eine Ratte - aber er war seine Ratte. »Und was schwebt dir dabei vor?«

»Augustus«, entgegnete Plancus.

Augustus - der Erhabene. Das klang durchaus nicht übel. Es beinhaltete eine gewisse Heiligkeit, an der die Republikaner, die in Rom immer noch Einfluß hatten, keinen direkten Anstoß nehmen konnten.

»Imperator Caesar Augustus«, murmelte Octavian vor sich hin.

»Und wie Euer Vater den Monat seiner Geburt nach sich benennen ließ, schlage ich vor, daß der Monat Eures Sieges in Alexandria Euren Namen erhält - als Monat Augustus.«

»Das hast du gut gemacht, Plancus. Wir werden deine Vorschläge dem römischen Senat vorlegen.«

»Jetzt müssen wir nur noch warten, bis Kleopatra das Nötige tut.«

»Darauf werden wir nicht lange warten müssen.«

4

Ende des Monats Mesore, etwa vier Wochen nach Octavians Sieg in Alexandria, erhielt Kleopatra die Erlaubnis, Antonius' Grabstätte im Mausoleum zu besuchen. An dem Morgen erhob sie sich zum ersten Mal von ihrem Lager und erklärte Charmion und Iras, was sie zu tun hätten.

Als erstes mußte Iras ihr das Bad vorbereiten und das Wasser mit wohlriechenden Ölen und Essenzen tränken. Danach wusch ihr Charmion das Haar. Als es trocken war, bürstete sie es lange, flocht es zu Zöpfen und legte es zu der Frisur der Großen Mutter Isis. Danach ließ sich Kleopatra von Charmion schminken. Ihre Stirn wurde mit Kreide weiß gepudert, die Augenbrauen wurden mit Asche aus Spießglanz dunkler gefärbt, die Lippen und die Wangen mit Lackmusflechte gerötet. Anschließend pinselte ihr Charmion Henna auf Hände und Füße und rieb ihr Nacken und Handgelenke mit einem Duftwasser ein, das von Veilchen und schwarzen Hyazinthen stammte.

Als ihr Werk verrichtet war, nahmen die Sklavinnen Körbe auf und begleiteten Kleopatra mit der Leibwache und einem kleinen Gefolge zu dem Mausoleum.

Sie wird es tun, dachte Mardian. Nach der endgültigen Niederlage hatte sich Kleopatra ihrem Leid hingegeben, doch an diesem Morgen wirkte sie ruhig - beinahe heiter. Mardian spürte, wie ihm das Herz schwer wurde, wie sich ein Schmerz in ihm ausbreitete, der nicht mehr weichen wollte.

»Hast du getan, worum ich dich gebeten habe?« fragte Kleopatra Olympos, als sie das Mausoleum betraten.

Die Grabkammer wirkte leer, kühl und dunkel nach dem hellen, warmen Sonnenschein in den Gärten. Das königliche Vermögen war verschwunden und befand sich in Octavians Besitz. »Ich habe alles so gemacht, wie Ihr es befohlen habt«, antwortete Olympos. Kleopatras Leibarzt hatte sich als einfacher Sklave verkleidet. Ein sehr alter und nutzloser Sklave, wie Mardian fand, doch zumindest war er dadurch den Wachen nicht aufgefallen.

»Ich danke dir, Olympos«, hörte er Kleopatra sagen. »Nun bitte ich Euch alle, mich zu verlassen. Alle, bis auf Charmion und Iras.«

Olympos sah aus, als wollte er widersprechen, doch dann schien er seine Worte herunterzuschlucken und folgte den anderen Sklaven nach draußen.

Kleopatra wandte sich zu Mardian um. »Du auch, Mardian.«

»Aber Majestät... «

»Geh!« Ihre Miene verriet, daß sie keinen Widerspruch duldete, die dunklen Augen funkelten, und das Kinn war gebieterisch hochgereckt.

Was denkt sie, und was fühlt sie? fragte sich Mardian und spürte, wie ihn der Kummer übermannte. »Majestät, ich möchte nicht mehr leben. Laßt mich hierbleiben...«

»O nein, das werde ich nicht gestatten. Du hast mir treu gedient, und ich danke dir dafür - doch jetzt ziehe dich in deinen Palast zurück, und genieße den Herbst deines Lebens.«

Es hatte Zeiten gegeben, in denen er sich nichts sehnlicher gewünscht hatte als dies. Wie ein Händler hatte er dann die Tage gezählt und in Gedanken seinen Lebensabend ausgeschmückt.

Inzwischen aber hatten die verbleibenden Lebenstage für ihn an Bedeutung verloren. »Majestät, ich habe Eure Gnade und Eure Weisheit genossen, Eure Launen und Beleidigungen erduldet, und eins wie das andere ist mir wie Trank und Speise geworden. Jetzt bitte ich Euch: Laßt mich mit Euch sterben.«

»Nein, Mardian. Geh!«

Er wollte ihr sagen, daß sein Geist mit ihr erlösche, doch sie hatte Schwäche nie ertragen. Gewiß würde sie ihn geringer achten, wenn er nun weinerlich würde. Er wandte sich ab, um zu gehen.

»Es tut mir leid«, hörte er Kleopatra sagen, »was mit deinem Schwager geschehen ist.«

Mardian nickte und schleppte sich durch das Portal nach draußen. Es war ein strahlender, heißer Sommertag, an dem der Wüstenwind Sand in die Stadt wehte. Mardian befürchtete zu ersticken, und seine Augen waren blind vor Tränen.

Die Wachen schlossen das schwere Portal, und Kleopatra war mit Charmion und Iras allein. Möglicherweise würde man die Wachen hernach auspeitschen, weil sie sie allein gelassen hatten, doch andererseits war Kleopatra davon überzeugt, daß Octavian ihren Plan kannte. Sie spielten eine weitere Scharade, ein letztes Theaterstück.

Antonius, dachte Kleopatra. Wie schwer ihm das Sterben gefallen war! Sein Blut war zu dunklen Flecken geronnen, und unter dem Fenster befand sich noch der Abdruck einer blutigen Hand.

In der Grabstätte brannten vier Fackeln an eisernen Haltern in der Wand. Kleopatra legte Blumen und Weihrauch auf Antonius' Sarkophag, küßte den kalten Stein und sprach ein Gebet. Danach überließ sie sich abermals den kundigen Händen von Charmion und Iras.

Die beiden Sklavinnen entkleideten Kleopatra und färbten ihr die Brüste mit zerstoßenem Lapislazuli blau. Danach entnahmen sie einem der Körbe ein schimmerndes Gewand aus blauer Seide, ließen es über sie gleiten und banden den Knoten der Isis. Sie befestigten die kostbaren Ohrringe und reichten ihr das goldene Zepter. Anschließend streiften sie ihr die goldenen Schlangenreife über die Arme und setzten ihr das Diadem mit dem hochgereckten Uräus auf - die Schlangenkrone Unterägyptens, das heilige Zeichen der Göttin Isis, Schutztier der jenseitigen Gärten und Sinnbild des ewigen Lebens.

Als die Sklavinnen ihre Verrichtungen beendet hatten, war die Frau und Königin verschwunden. An ihre Stelle war Isis getreten, die Mutter Ägyptens und der Welt. Sie nahm auf dem bereitgestellten Goldthron Platz - vollendet, heiter, entrückt.

Charmion brachte Kleopatra den Korb, den Olympos bei sich getragen hatte, und überreichte ihn ihr liebevoll und sanft. Kleopatra betrachtete ihn lange, ihr Atem schien schneller zu gehen, und über ihre Hände lief ein leichtes Zittern.

Durch die hochgelegene Fensterreihe drangen schmale Lichtstreifen in den Raum, und wie aus weiter Ferne hörte man die Geräusche der Stadt, die ihr gewohntes Leben wieder aufgenommen hatte - die Gesänge der Priester, die Brandung des Meeres.

Kleopatra hob den Deckel des Korbes.

Die Kobra lag zusammengerollt in ihrem Nest, reckte den Kopf träge in die Höhe und starrte Kleopatra mit schwarzen Augen an. Kleopatra versetzte ihr einen Schlag, um sie zu reizen, worauf sich die Halsrippen des Tieres spreizten. Der Kopf stieß vor.

Kleopatra starrte auf die winzigen Male auf ihrer Hand. Es war getan.

Der Kopf stieß noch einmal vor, der Biß traf Kleopatras Arm. Danach schlüpfte das Tier aus dem Korb, glitt zu Boden und wand sich fort. Kleopatra hörte, wie sich der Körper über den Boden schlängelte.

Das Gift wirkte rasch. Zuerst spürte Kleopatra ein Brennen in den Fingern, danach wurde ihr Arm taub und sank an ihr herab. Kurz darauf breitete sich ein Gefühl der Kälte in ihren Gliedern aus, das sich allmählich auf den ganzen Körper ausdehnte. Etwas wie ein eisernes Band schlang sich um ihre Brust und erschwerte ihr das Atmen. Sie unterdrückte einen Anfall von Furcht und zwang sich zur Ruhe.

Kleopatra schloß die Augen und dachte an die größte Liebe ihres Lebens. »Julius«, flüsterte sie. Danach drang ein Rauschen an ihre Ohren, und sie spürte die Nähe der dunklen Schatten, die ihr entgegeneilten.

Und dann war es vorbei.

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