3. Das Strandcafe

Wir spazierten durch den Garten, zwischen den Bäumen hindurch, über eine behelfsmäßige Brücke, die den Bach überspannte, und durch das hintere Gartentor hinaus. Von dort erreichten wir den Trampelpfad, der hinter den zur See gelegenen Cottages verlief. Die Türen der Cottages standen offen, sodass man sehen konnte, dass sie alle mit dunklen Eichenmöbeln eingerichtet waren, die mit glänzenden Messingbeschlägen verziert waren. Auf den Tischen lagen sorgfältig gebügelte Decken. Ein rot getigerter Kater hatte sich müde gegen einige Geranientöpfe gelehnt und blinzelte in die Sonne.

In der letzten steilen Kurve führte der Weg hinab zur Küste, und Danny stürmte nach unten, und seine Sandalen verursachten auf dem heißen Teer ein klatschendes Geräusch. Der Strand eignete sich kaum zum Schwimmen, da er mit Steinen und mit grünlich braunem Seetang übersät war. Aber wenn sich die Flut zurückzog, konnte sich Danny mit den zahlreichen zurückbleibenden Pfützen beschäftigen und Heerscharen kleiner grüner Taschenkrebse fangen.

Wir spazierten bis zum Strandcafe und suchten uns einen Platz in einem kleinen von einer Mauer umgebenen Garten unter einer rot und weiß gestreiften Markise.

Eine mütterliche Frau mit einer weißen Schürze brachte uns zwei Bier und ein Eis für Danny.

»In dieser Saison ist es schrecklich ruhig gewesen«, sagte sie. »Schön, mal ein paar neue Gesichter zu sehen.«

»Ich schätze, dass die Pauschalreisenden in diesem Jahr nach Korfu geflogen sind«, sagte ich. »Machen Sie sich keine Sorgen, nächstes Jahr sind die alle wieder hier. Warten Sie nur ab, bis sie gemerkt haben, wie schlimm es da ist. Souvlaki und Fritten und so viel Tequila, wie man trinken kann.«

»Wie lange werden Sie bleiben?«

»Den ganzen Sommer«, erwiderte ich. »Ich repariere das Fortyfoot House.«

»Tatsächlich? Fortyfoot House? Die Tarrants wollen doch nicht wieder da einziehen, oder?«

»Oh, nein, sie wollen es verkaufen.«

»Na ja, es wird ja auch Zeit, das da mal irgendjemand einzieht. Solange ich das nicht bin.«

»Ach?«

Sie schüttelte den Kopf. Sie erinnerte mich an die Oma der Waltons aus der Fernsehserie.

»Ich würde ja nach Einbruch der Dunkelheit nicht mal den Garten betreten.«

Liz lachte. »Sie glauben doch nicht an Geister, oder?«

»Nein«, entgegnete die Frau. »Aber es gibt da Lichter und Geräusche, und so etwas mag ich nicht.«

»Lichter und Geräusche? Welcher Art?«, wollte ich wissen. Liz lachte noch immer.

»Ach, Sie wollen mich doch jetzt bloß auf den Arm nehmen, was?«, gab die Frau zurück.

»Nein, überhaupt nicht«, sagte ich. »Entschuldigen Sie meine Begleiterin. Sie kommt von der Essex University und ist eine von den skeptischen Intellektuellen.«

»Und Sie?«, fragte mich die Frau.

Ich war es nicht gewohnt, so direkt gefragt zu werden. »Ich bin ... ich weiß nicht, ich mache Gelegenheitsarbeiten. Hier ein Verputz, da ein Anstrich. Das ist alles.«

»Und Sie haben eine Nacht im Fortyfoot House verbrach!?«

»J-a-a«, antwortete ich gedehnt und neugierig.

»Und Sie haben keine Geräusche gehört?«

»Kommt drauf an, was Sie meinen. In jedem alten Haus gibt es Geräusche.«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Kein altes I laus ... kein altes Haus auf der ganzen Welt... überhaupt kein alles I laus macht solche Geräusche wie Fortyfoot House.« »Also«, räumte ich ein, »es gab Geräusche. Vor allem auf dem Dachboden. Aber die stammten von Schwalben oder von Eichhörnchen.«

»Hörten Sie ein Kratzen, wie von einer Ratte? Oder Geräusche, für die Sie keine Erklärung hatten?« Die Frau starrte mich durch ihre Brillengläser an. Ihre Augen sahen aus, als würden sie in einem Goldfischglas umherschwimmen. Es war offensichtlich, dass sie mich auf eine zurückhaltende Weise zu provozieren versuchte.

»Nein, es waren eigentlich keine unheimlichen Geräusch. Ich glaube, wir reden aneinander vorbei.«

»Oh«, sagte die Frau. »Haben Sie denn die Lichter gesehen?«

»Keine Lichter. Ich habe nur Geräusche gehört.«

»Wie haben sich die angehört?«, bohrte sie weiter.

»Geräusche von Tieren. Keine Ahnung. Ratten oder Eichhörnchen oder so.«

Sie betrachtete mich eindringlich. »Sie haben niemanden schreien gehört?«

Ich war fast schon entsetzt: »Natürlich nicht!«

»Hört auf, ich zittere ja schon«, sagte Liz mit gespieltem Entsetzen.

»Und Sie sagen, dass Sie auch keine Lichter gesehen haben?«, fragte die Frau, während sie Liz völlig ignorierte.

Ich schüttelte den Kopf.

»Na gut. Vielleicht kommt das erst noch.«

Sie sammelte Gläser ein und war im Begriff, in die Küche zurückzukehren, doch ich rief ihr nach: »Augenblick noch.«

»Ja?«, fragte sie, als sie sich mir wieder zuwandte.

»Erzählen Sie mir was über die Schreie.«

Sie hielt kurz inne, dann schüttelte sie den Kopf. »War nur so eine Idee«, sagte sie dann.

»Erzählen Sie«, beharrte ich. Aber wieder schüttelte sie den Kopf, und ich wusste, dass ich aus ihr nichts herausbekommen würde.

»Das war etwas sonderbar, findest du nicht?«, meinte Liz,

die ihren Bierkrug mit ihren blassen Fingern fest umschlossen hielt.

»Wenn du mich fragst, will sie damit die Touristen unterhalten«, sagte ich. »Eine gute Geistergeschichte gefällt schließlich jedem.«

»Aber du hast doch etwas gehört.«

Ich nickte. »Ja. Ich habe sogar etwas gesehen. Vielleicht ein Eichhörnchen oder eine Ratte. Ich werde nachher mal im Telefonbuch den Kammerjäger heraussuchen, vielleicht kann man mir ja jemanden nach Hause schicken.«

Im gleißenden Licht des Morgens erschien mir das Ding, das auf dem Dachboden an mir vorbeigehuscht war, nicht mehr so Furcht erregend. Immerhin war es da oben stockfinster gewesen. Ich hätte einen Mantel oder einen Vorhangstoff berühren können, das hätte sich mindestens genauso unangenehm angefühlt. Wenn man in Panik gerät, dann kann es sein, dass man sich alle möglichen entsetzlichen Dinge einbildet.

Ich verstand allerdings noch immer nicht, was es mit dem Blick durch das Fenster der Kapelle auf Fortyfoot House auf sich hatte. Allerdings begann ich zu vermuten, dass es sich um irgendeine Art von Illusion handelte, verursacht durch Übermüdung und Stress. Liz hatte den Garten betreten, und ich hatte aus irgendeinem Grund angenommen, es handele sich um den Mann auf dem Foto. Mein Verstand hatte mir einen Streich gespielt.

Ich ging ins Café, um zu bezahlen. Die alte Frau saß an einem der Tische und sortierte 5-und 10-Pence-Münzen. Ich stand da und wartete ab, bis sie fertig war. An der Wand hing ein handgeschriebenes Schild mit der Aufschrift >Fish 'n' Chips<.

»Haben Sie wirklich Lichter gesehen?«, fragte ich schließlich.

Sie blickte zu mir auf. Ein gekrümmtes Abbild der Küste spiegelte sich in ihrem linken Brillenglas. »Ja, das habe ich«, antwortete sie. »Lichter. Und Geräusche habe ich gehört.

Ich möchte nachts nicht mal in die Nähe dieses Hauses kommen.«

»Naja, Mrs. ...?«, begann ich.

»Kemble«, sagte sie. »Aber Sie können mich Doris nennen, wenn Sie wollen. Das macht jeder. Eigentlich heiße ich Dorothy, aber alle nennen mich Doris.«

»Okay, Doris. Ich heiße David.«

»Freut mich, Sie kennen zu lernen«, erwiderte sie, während sie die Münzen zu Ein-Pfund-Stapeln auftürmte.

»Erzählen Sie mir etwas über Fortyfoot House«, bat ich sie.

Sie schürzte die Lippen. »Wenn Sie dort wohnen, ist es besser, dass Sie nichts wissen.«

»Es ist doch nicht gefährlich, oder?«

»Kommt drauf an, was Sie als >gefährlich< bezeichnen.«

»Doris ... ich habe Geräusche auf dem Speicher gehört. Ich habe irgendein Ding gesehen. Ich glaube, es war eine Ratte. Ich hoffe, es war eine Ratte. Aber da ist noch etwas.«

Sie entnahm meinem Tonfall, dass ich es völlig ernst meinte, und sah mich an.

»Heute Morgen habe ich im Garten einen Mann gesehen.«

»Oh, ja? Was für einen Mann? Nicht zufällig Mr. Brough? Er kommt manchmal vorbei, um das Unkraut aus dem Fischteich zu entfernen.«

»Wie sieht er aus?«

»Oh ... er ist so um die fünfundsechzig oder siebzig. Normalerweise trägt er einen weiten Strohhut und Khakishorts.«

»Nein, er war es nicht. Der Mann war viel jünger, er war in Schwarz gekleidet. Und er trug einen hohen schwarzen Hut. Das Merkwürdige daran ist, dass es im Fortyfoot House ein altes Foto gibt, auf dem ein Mann zu sehen ist, der fast genauso aussieht wie der Mann von heute Morgen.«

»Der junge Mr. Billings«, sagte die Frau bestimmt.

»Sie kennen ihn?«, fragte ich überrascht.

»Ja und nein. Ich weiß von ihm. Aber ich kenne ihn nicht in der Weise, dass ich mich mit ihm unterhalten könnte. Das kann man auch nur schlecht, wenn jemand schon tot war,

bevor man selbst auf die Welt kommt. Aber das war auf jeden Fall der junge Mr. Billings.«

In diesem Moment betrat Liz das Café. Mit dem Licht im Rücken sah sie noch zierlicher und strahlender aus als zuvor.

»Danny sagt, er würde gerne was trinken.«

»Wir gehen jetzt gleich zurück zum Haus. Da kann er ein Glas Orangensaft bekommen.«

»Du guckst, als hättest du was verloren«, sagte Liz.

»Vermutlich meinen Verstand. Doris glaubt, dass der Mann, den ich heute Morgen im Garten gesehen habe, jemand mit Namen Billings war, der starb, bevor sie geboren wurde.«

»Was?«, sagte Liz spöttisch, dann an Doris gewandt: »Ich dachte, Sie glauben nicht an Geister.«

»Es war nicht Mr. Brough«, gab Doris zurück.

»Mr. Brough ist der Mann, der den Teich sauber macht«, erläuterte ich.

»Es war der junge Mr. Billings«, wiederholte Doris. Sie stand auf, nahm ein Tablett mit Salz-und Pfefferstreuern und verteilte sie mit viel Lärm auf den Tischen. »Es gab einen alten Mr. Billings und einen jungen Mr. Billings. Der, den Sie gesehen haben, war der junge Mr. Billings.«

»Aber wer sind die beiden?«, wollte ich wissen. »Oder besser gesagt: Wer waren die beiden?«

Doris stellte die letzten Streuer ab und begann, mit einem Plastikkorb voller Besteck noch mehr Lärm zu verursachen. »Der alte Mr. Billings gründete Fortyfoot House, und als er jung starb, übernahm es der junge Mr. Billings. Das hat mir meine Mutter immer erzählt. Meine Mutter hat im Haus sauber gemacht. Das war natürlich lange nachdem auch der junge Mr. Billings gestorben war. Aber zu der Zeit gab es noch viele Leute, die wussten, was sich zugetragen hatte. Vor nicht allzu langer Zeit stand in der Zeitung ein Artikel über Fortyfoot House. Der alte Mr. Billings und der junge Mr. Billings. Es war aber der junge Mr. Billings, der den ganzen Arger ausgelöst hatte.«

»Welchen Ärger?«, fragte ich.

Danny kam herein und sagte: »Daddy ... ich möchte zum Strand runtergehen.«

»Iss erst dein Eis auf. Und zieh dir die Strümpfe aus. Ich weiß gar nicht, warum du überhaupt Strümpfe trägst.«

»Mom sagt, dass ich sie tragen soll, damit meine Füße nicht riechen. Wenn ich nur Sandalen trage, riechen meine Füße.«

»Also gut.« Ich seufzte. »Aber zieh sie aus, bevor du zum Strand runtergehst, klar?«

Doris stand bei uns. Während sie sprach, fingerte sie an ihrem Ehering. Fast so, als sei er ein Rosenkranz und als sage sie ihre Gebete auf. Der Wind wehte warm und roch nach Seetang. Die Sonne wurde in den kleinen Tümpeln reflektiert, so wie Stücke eines zerschlagenen Spiegels.

»Der alte Mr. Billings hat - glaube ich - mit Zucker ein Vermögen verdient. Er war ein Freund von Dr. Barnardo, damals, als Dr. Barnardo noch im London Hospital arbeitete. Als Dr. Barnardo seine ersten Heime für obdachlose Jungs eröffnete, hielt der alte Mr. Billings das für eine so gute Idee, dass er Fortyfoot House baute. Es war ein Waisenhaus, damit arme Kinder aus dem Londoner East End herkommen und am Meer leben konnten.«

»Jetzt, wo Sie es erwähnen, glaube ich, dass ich davon mal gehört habe«, sagte ich zu ihr. »Hieß es zu Beginn nicht Billings Home?«

Doris nickte. »Das ist richtig. Und es hatte auch einen guten Ruf. Sogar Königin Viktoria besuchte es. Aber nach zwei oder drei Jahren starb der alte Mr. Billings, oder er wurde ermordet. Das weiß niemand so genau. Es heißt, dass ihm irgendetwas ganz Entsetzliches zustieß. Der junge Mr. Billings übernahm das Waisenhaus, aber es war nicht mehr so wie zuvor. Bestimmte Leute gingen dort ein und aus. Einen Kerl gab es, der angeblich das Fortyfoot House besucht hatte, der hatte ein Gesicht, das wie mit braunem Fell überzogen war und dessen Anblick niemand aushalten konnte. Jedenfalls sagte das meine Mutter immer. Als ich noch klein war, hat sie mich mit ihren Geschichten fast zu Tode erschreckt.«

Sie machte eine kurze Pause. »Und dann - ich weiß nicht, in welchem Jahr - starben alle Waisenkinder innerhalb von zwei oder drei Wochen. Niemand fand je heraus, was mit ihnen geschehen war. Angeblich soll es eine Nacht gegeben haben, als in dem Haus alle möglichen Geräusche zu hören und seltsame Lichter zu sehen waren. Die Menschen schrien in Sprachen, die niemand verstehen konnte. Am nächsten Morgen wurde der junge Mr. Billings wahnsinnig angetroffen. Es heißt, dass er vollkommen verrückt war. Einfach völlig durchgedreht. Er erzählte, er habe eine andere Welt besucht und Dinge gesehen, die schrecklicher waren als alles, was je ein Mensch gesehen hatte. Und es wurde immer schlimmer, er wurde immer verrückter. Nach drei Jahren wurde er in Newport eingewiesen, aber er erhängte sich in seiner Zelle. Das war zwar sein Ende, aber seitdem hat sich jeder, der in Fortyfoot House gelebt hat, über die Geräusche und die Lichter beklagt. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen. Und ich weiß, warum die Tarrants ausgezogen sind.«

Ich warf Liz einen langen nüchternen Blick zu. Mit jedem weiteren Wort hörte sich die Geschichte immer stärker nach Seemannsgarn an. Gut für die Touristen. Geeignet für einen späten Sommerabend, wenn die Sonne lange Schatten wirft. Ich fühlte mich dagegen in meiner Ansicht bestärkt, dass -sofern überhaupt etwas mit Fortyfoot House nicht stimmte -es seine starke Ausstrahlung war, das intensive Gefühl einer Verbindung zur Vergangenheit. Es hatte nichts mit Geistern oder Lichtern zu tun. Oder mit >Dingen, die schrecklicher sind als alles, was je ein Mensch zuvor gesehen hat<.

Ich gab Doris einen Fünfer und sagte, sie solle das Wechselgeld behalten.

Als wir das Strandcafe verließen, kam sie hinter uns her zum vorderen Ausgang und sagte: »Halten Sie die Augen offen und passen Sie auf sich auf. Wenn Sie ein helles Licht sehen, dann sollten Sie um Ihr Leben rennen. Jedenfalls würde ich das an Ihrer Stelle tun.«

»Danke für den Tip«, sagte ich und ergriff Liz' Hand.


Wir stiegen den steilen Pfad zurück zum Gartentor hinauf. Es war mittlerweile heiß geworden, und die Luft roch intensiv nach frischem Teer und Nesseln. Wir gingen unter den Bäumen hindurch über die Brücke zurück in den Garten. In der sengenden Hitze sah das Haus noch seltsamer aus als zuvor. So als sei es nichts weiter als ein hell beleuchtetes Gemälde.

Liz blieb stehen. »Nimmst du Untermieter auf?«, fragte sie.

»Ich weiß nicht. Ich weiß nicht mal, ob ich das darf.«

»Nein, nein, ich habe nicht meinetwegen gefragt. Ich habe bloß jemanden aus einem der oberen Fenster herausschauen sehen.« Ich blieb stehen und hielt meine Hand über die Augen, um sie gegen die Sonne abzuschirmen. Soweit ich das sehen konnte, waren alle Fenster schwarz und leer. »Welches Fenster war es?«, fragte ich sie.

»Das da, gleich unter dem Dach.«

»Und wie hat dieser Jemand ausgesehen?«

»Ich weiß nicht, irgendwie blass.«

»Blass?«

»Na ja, weiß, richtig weiß. Vielleicht hat sich was gespiegelt.«

Sie sah sich um. »Vielleicht eine Möwe.«

Wir gingen weiter und erreichten schließlich das Haus. Liz streckte mir ihre Hand entgegen. »Na, denn. Danke für das Bier und das übernatürliche Erlebnis. Ich mache mich jetzt besser auf den Weg, bevor mir jemand im Wollgeschäft zuvorkommt.«

Ich wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Ich schätze, du kannst auch hier unterkommen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Du hast schon deine eigenen Probleme, da kannst du nicht noch meine gebrauchen.«

»Ich weiß nicht, ich könnte ein wenig Gesellschaft brauchen.«

Liz zuckte mit den Schultern. »Ich bin eigentlich nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Jedenfalls nicht im Augenblick.«

»Natürlich. Ich auch nicht. Es wäre völlig ohne Verpflichtungen. Nur du und ich und Danny und der junge Mr. Billings.«

»Bitte nicht!«, sagte sie scheinbar entsetzt, um mich dann anzulächeln. »Also gut, das wäre wirklich schön. Ohne Verpflichtungen. Ich kann übrigens kochen. Wenn du die Zutaten bezahlst, kann ich gerne was kochen. Du musst mein Chili probieren.«

»Das wäre mal was anderes. Seit Janie mich verlassen hat, haben wir beide uns von indischem Service-Fraß ernährt.«

Danny kam aus dem Haus gestürmt und wirbelte einen Schneebesen durch die Luft. Entweder stellte dieser ein Motorboot mit zwei Schrauben oder ein doppelläufiges Gewehr dar.

»Danny«, sagte ich. »Was würdest du sagen, wenn Liz bei uns wohnt? Würde dir das was ausmachen.«

Danny blieb stehen, dachte kurz darüber nach und antwortete: »Einverstanden.«

Dann lief er weiter.

Ich nahm Liz am Ellbogen und brachte sie zurück ins Haus. »Jetzt werden wir dir erst mal ein Zimmer suchen.«

Wir gingen nach oben. Es gab insgesamt sieben leer stehende Schlafzimmer, aber nur drei von ihnen verfügten über ein Bett, und nur in zwei Betten lag eine Matratze. Liz ließ sich auf eine der Matratzen fallen und beschloss, das Zimmer zu nehmen, das meinem gegenüberlag. Es gab keine weiteren Möbelstücke dort, wenn man von dem billigen Nachttisch und einem schmuddelig aussehenden Sessel absah. Aber es schien ihr nichts auszumachen. Ich schätzte, dass dies hier immer noch besser war als das leer stehende Wollgeschäft.

»Wir können den Raum herrichten. Anstreichen, ein paar Gardinen aufhängen«, sagte ich. »Siehst du, von hier hast du einen schönen Blick auf den Bereich vor dem Haus und auf die Einfahrt.«

Sie warf ihren Turnbeutel auf das Bett. »Das ist großartig. Ich könnte ein paar Poster aufhängen.«

Gemeinsam kehrten wir in den Korridor zurück. »Weißt du, du hättest das nicht tun müssen«, sagte sie über die Schulter zu mir. »Und wenn ich dir auf die Nerven gehe, dann sei so gut und leide nicht stumm. Sag einfach >Raus< oder >Lebwohl< oder sogar >Zieh Leine<. Das macht mir nichts aus.«

Sie redete weiter und stieg vor mir die Treppe hinunter. Als ich auf der Höhe der kleinen Tür zum Dachboden war, hatte ich das Gefühl, ein Kratzen zu hören, so als habe sich ein schweres Tier von der anderen Seite gegen die Tür gepresst, um schnell und leise nach oben zu eilen, als es gehört hatte, dass wir näher kamen. Nach oben in die völlige Finsternis, wo es wartete und lauschte.

An der obersten Stufe zögerte ich kurz. Das Geräusch hatte bei mir einen kalten Schauder und das Gefühl irrationaler, aber entsetzlicher Abscheu ausgelöst. Es erinnerte mich an die Ratten, die ich in der Kanalisation von Islington gesehen hatte. Aber viel größer und - wenn das überhaupt möglich war - viel schmutziger.

Liz blieb stehen und blickte mich an. »Stimmt was nicht?«, fragte sie. »Du machst einen grimmigen Eindruck.«

»Ich glaube, ich brauche noch was zu trinken«, sagte ich und folgte ihr nach unten in die Küche.


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