11 Der Held des Tages

Lord John Roxton hatte recht gehabt mit seiner Vermutung: der Biß der widerlichen Kreaturen, die über uns hergefallen waren, war giftig. Am nächsten Morgen hatten sowohl Summerlee als auch ich starke Schmerzen und hohes Fieber. Challengers Knie war dermaßen dick angeschwollen, daß er nur mühsam hinken konnte. Wir mußten deshalb den ganzen Tag über im Lager bleiben. Lord John beschäftigte sich damit, unsere dornigen Schutzhecken in Höhe und Tiefe zu verstärken, wobei wir ihm halfen, soweit wir dazu fähig waren.

Ich erinnere mich, daß ich während des ganzen Tages das Gefühl nicht loswerden konnte, wir würden beobachtet. Aber ich hatte keine Ahnung, von wem und von welcher Seite aus. Dieser Eindruck wurde so stark, daß ich schließlich Professor Challenger davon erzählte. Er führte ihn jedoch auf den fieberhaften Erregungszustand meiner Nerven zurück. Immer wieder blickte ich in die Runde, überzeugt, plötzlich irgend etwas zu entdecken. Aber ich sah nur das dunkle Gewirr der Hecken und den tiefen Schatten der hohen Bäume, die sich über uns wölbten. Ich mußte an den indianischen Aberglauben von Curupuri, dem schrecklichen Dämon des Urwaldes, denken. Jetzt konnte ich mir vorstellen, wie seine grauenhafte Erscheinung diejenigen verfolgte, die es gewagt hatten, in seinen entlegensten und geheiligten Zufluchtsort einzudringen.

In dieser Nacht - unserer dritten im Maple-White-Land - erwies es sich, wie klug es von Lord John gewesen war, sich mit der Absicherung unserer Behausung so viel Mühe zu geben. Wir schliefen neben unserem langsam verglimmenden Feuer, als wir durch ein Gebrüll geweckt wurden, wie ich es fürchterlicher nie gehört habe. Es kam aus einer Entfernung von ein paar hundert Metern, war ohrenbetäubend und voll Angst und Qual. Wir hielten uns die Ohren zu, um diesen nervenzermürbenden Schrei nicht länger mit anhören zu müssen. Die Not, die darin mitschwang, ließ mir den kalten Schweiß ausbrechen und krampfte mir das Herz zusammen. Das ganze Elend einer gemarterten Kreatur, ihre überwältigende Anklage, ihre qualvolle Not, das alles war verdichtet und konzentriert in diesem einen furchtbaren Schrei. Und dann erscholl neben diesem durchdringenden Ton noch ein anderer, ein leises Gelächter aus gewaltiger Brust, ein grollendes, kehliges Gurgeln voller Vergnügen. Drei bis vier Minuten lang dauerte dieses schauerliche Duett. Das Laubwerk raschelte von den aufgeschreckten und hochfliegenden Vögeln.

Dann verstummte das Geschrei ebenso plötzlich, wie es begonnen hatte. Wir saßen noch lange reglos. Lord John warf ein paar Äste aufs Feuer; der rote Schein beleuchtete die gespannten Gesichter meiner Gefährten und flackerte über die dicken Äste über uns.

»Was war das?« flüsterte ich.

»Das werden wir morgen erfahren«, sagte Lord John. »Es war ganz in unserer Nähe - nicht weiter als bis zum Rand der Lichtung.«

»Wir waren dazu auserkoren«, sagte Professor Challenger mit merkwürdig feierlicher Stimme, »eben eine prähistorische Tragödie mit anzuhören. Ein Trauerspiel, wie es sich am Ufer einer Tränke im Jurazeitalter abgespielt haben mag, in dessen Verlauf der größere Drachen den schwächeren abgewürgt hat. Der Mensch kann Gott danken, daß er erst am Ende der Schöpfungsgeschichte auf der Bildfläche erschienen ist. In der Urzeit waren Mächte am Werk, gegen die er mit seinem Mut und seinem Erfindungsgeist machtlos gewesen wäre. Was hätten seine Schleuder, sein Speer oder sein Pfeil gegen Kräfte ausrichten können, wie sie eben gewütet haben? Selbst mit einem modernen Gewehr ist man gegen derartige Monster nicht gefeit.«

»Da tun Sie aber meinem Freund hier unrecht«, sagte Lord John und strich liebevoll über den Lauf seiner Elefantenbüchse.

Professor Summerlee hob die Hand.

»Ps-sst!« zischte er.

Aus der Stille erklang ein schweres, gleichmäßiges Stampfen. Es war der Schritt irgendeines Tieres - der Rhythmus weicher, aber schwerer Sohlen, die vorsichtig auftraten. Langsam schlich es um unser Lager herum und blieb dann nahe beim Eingang stehen. Wir hörten ein leises, an- und abschwellendes Zischen, den Atem dieser Kreatur. Nur die schwache Hecke trennte uns von diesem schrecklichen Nachtgespenst. Wir alle hatten unsere Gewehre gepackt. Lord John bohrte ein Guckloch in die Hecke und spähte hindurch.

»Großer Gott!« flüsterte er. »Ich glaube, ich kann es sehen!«

Ich beugte mich vor und blickte über seine Schulter. Ja, da war es. Von den düsteren Baumschatten hob sich eine dunkle Masse ab, schwarz, nur angedeutet und unbestimmt - eine geduckte Gestalt, nicht höher als ein Pferd, aber die undeutlichen Umrisse verrieten Massigkeit und Kraft. Dieser fauchende Atem, so regelmäßig und voluminös wie der Dampf einer Lokomotive, sprach für einen ungeheuren Organismus. Einmal meinte ich, zwei grünliche Augen glitzern zu sehen. Ich vernahm ein unheimliches Rascheln, als ob das Tier langsam vorwärtskröche.

»Ich glaube, es will springen!« sagte ich und lud mein Gewehr durch.

»Nicht schießen! Nicht schießen!« flüsterte Lord John. »Ein Gewehrschuß ist in dieser stillen Nacht meilenweit zu hören. Nur in äußerster Not.«

»Wenn es über die Hecke kommt, sind wir erledigt«, sagte Summerlee und brach in ein nervöses gackerndes Lachen aus.

»Trotzdem - nicht schießen«, sagte Lord John. »Mal sehen, was sich da machen läßt.«

Nie habe ich einen Menschen eine so tapfere Tat vollbringen sehen. Er ging zum Feuer, bückte sich und zog einen brennenden Ast heraus, schlüpfte in Sekundenschnelle durch die Schießscharte in unserer Eingangstür. Das Tier bewegte sich mit einem schrecklichen Knurren auf ihn zu. Lord John zögerte nicht einen Augenblick, rannte schnell und leichtfüßig der Bestie entgegen und stieß ihr das flammende Holz ins Gesicht. Für einen Moment erblickte ich eine entsetzliche Fratze, wie von einer riesigen Kröte, warzige, schuppige Haut und ein weit offenes Maul, über und über mit frischem Blut beschmiert. Im nächsten Augenblick krachte es im Unterholz, und der furchtbare Besucher war verschwunden.

»Ich habe mir gedacht, daß er das Feuer nicht mag«, sagte Lord John lachend, als er zurückkam und den Ast ins Feuer warf.

»Sie hätten sich nicht in solche Gefahr begeben dürfen«, riefen wir.

»Es war die einzige Möglichkeit. Wenn das Untier hier hereingekommen wäre, hätten wir uns beim Versuch, es zur Strecke zu bringen, nur gegenseitig über den Haufen geschossen. Und wenn wir durch die Hecke auf das Vieh geschossen und es verwundet hätten, wäre es erst recht über uns hergefallen. Außerdem hätten wir uns durch eine Schießerei verraten. Wir können froh sein, daß wir so glimpflich davongekommen sind. Wie heißt das Biest eigentlich?«

Unsere Gelehrten sahen sich etwas unschlüssig an.

»Ich persönlich sehe mich außerstande, diese Kreatur mit Sicherheit zu klassifizieren«, sagte Summerlee und zündete sich seine Pfeife am Feuer an.

»Mit Ihrer Vorsicht, sich festzulegen, beweisen Sie angemessene wissenschaftliche Zurückhaltung«, sagte Challenger. »Ich für meine Person will vorerst ganz allgemein feststellen, daß wir es mit großer Wahrscheinlichkeit mit irgendeiner Art von fleischfressendem Dinosaurier zu tun haben. Die Vermutung, daß etwas Derartiges auf dem Plateau vorkommen könnte, habe ich ja schon geäußert.«





»Wir dürfen nicht vergessen«, sagte Summerlee, »daß es noch viele vorgeschichtliche Arten gibt, die uns nicht überliefert sind. Es wäre daher voreilig, zu vermuten, daß wir für alles, was uns hier begegnen könnte, einen Namen parat haben.«

»Genau so ist es. Eine oberflächliche Einordnung ist das Äußerste, was wie versuchen können. Morgen finden wir vielleicht noch weitere Anhaltspunkte, die uns einer Identifizierung näherbringen. Inzwischen wollen wir unseren unterbrochenen Schlaf fortsetzen.«

»Nicht ohne Wachtposten«, sagte Lord John mit Entschiedenheit. »Wir können uns hier keine Unvorsichtigkeit mehr leisten. In Zukunft also Zweistundenwachen für jeden von uns!«

»Dann werde ich gleich die erste übernehmen und dabei meine Pfeife zu Ende rauchen«, sagte Professor Summerlee.

Von da ab wagten wir nicht mehr, ohne Wache zu schlafen.

Am Morgen brauchten wir nach der Ursache des entsetzlichen Tumults, der uns in der Nacht aufgeschreckt hatte, nicht lange zu suchen. Die Iguanodon-Lichtung war zum Schauplatz eines schrecklichen Gemetzels geworden. Beim Anblick der Blutlachen und der riesigen Fleischklumpen, die in allen Richtungen über die niedergewalzte Grasfläche verstreut lagen, glaubten wir zuerst, daß eine ganze Reihe von Tieren abgeschlachtet worden sei. Aber bei näherer Untersuchung der Überreste entdeckten wir, daß alles von einem einzigen dieser plumpen Riesentiere stammte, das von einer Kreatur in Stücke gerissen worden war, die es vielleicht nicht an Größe, gewiß aber an Kraft übertraf.

Unsere beiden Professoren diskutierten und untersuchten währenddessen einen Fleischfetzen nach dem anderen. Daß hier Reißzähne und mächtige Klauen am Werk gewesen waren, stand außer Zweifel.

»Wir dürfen uns noch nicht endgültig festlegen«, sagte Professor Challenger irgendwann. »Alles scheint dafür zu sprechen, daß hier ein Säbelzahntiger, wie wir sie aus Höhlenzeichnungen kennen, seine Beute gerissen hat, aber die Kreatur, die wir gesehen haben, war größer und eindeutig ein Reptil. Ich persönlich tendiere eher zu der Ansicht, daß es ein Allosaurus gewesen ist.«

»Oder ein Megalosaurus«, meinte Professor Summerlee.

»Richtig. Auf alle Fälle handelt es sich um einen Raubsaurier, einen Vertreter dieser scheußlichsten Gattung tierischen Lebens, die ein Fluch für die Erde und ein Segen für die Naturhistorischen Museen gewesen sind.«

Er lachte schallend über seine letzte Bemerkung. Wie fast alle Menschen, die wenig Humor haben, fand er seine krampfthaften Witzchen geradezu köstlich.

»Bitte, etwas weniger lautstark«, mahnte Lord John sofort. »Wir wissen nicht, was uns in der nächsten halben Stunde blüht. Wenn dieses Prachtexemplar von einem Saurier zurückkommt und frühstücken will, wird uns das Lachen vergehen. Was bedeutet übrigens dieses Zeichen am Hals des Iguanodons?«

Auf der schuppigen, schieferfarbenen Haut etwas oberhalb der Schulter war ein sonderbarer kreisrunder Fleck aus einer Substanz, die wie Asphalt aussah. Keiner von uns konnte sich vorstellen, was er zu bedeuten hatte. Summerlee allerdings meinte, vor zwei Tagen etwas Ähnliches an einem der Jungtiere bemerkt zu haben. Challenger äußerte sich nicht dazu, schaute aber so bedeutungsvoll und wichtig drein, als ob er es wüßte. Lord John fragte ihn schließlich nach seiner Meinung.

»Wenn Eure Lordschaft mir gnädigst erlauben, wieder den Mund aufzumachen, muß ich meiner Dankbarkeit Ausdruck verleihen«, sagte er mit ausgesuchtem Sarkasmus. »Ich bin leider nicht gewöhnt, herumkommandiert zu werden, wie Sie das zu tun pflegen. Ich wußte nicht, daß man Sie erst um Erlaubnis fragen muß, bevor man über einen harmlosen Scherz lacht.«

Unser empfindlicher Freund war nicht zu besänftigen, bis er formell um Entschuldigung gebeten wurde. Als sich endlich seine Gefühle wieder beruhigt hatten, hielt er uns einen längeren Vortrag. Wie es seine Gewohnheit war, sprach er, als hätte er ein Auditorium von mindestens tausend Studenten vor sich, denen er kostbarstes Wissen vermittelte.

»Was diese Markierung betriffi«, sagte er, »so bin ich ge-neigt, meinem Freund und Kollegen, Professor Summerlee, darin zuzustimmen, daß die Flecken von Asphalt herrühren. Da dieses Plateau nach seiner ganzen Herkunft in hohem Ausmaß als vulkanisch zu betrachten ist, und da Asphalt eine Substanz ist, die man mit vulkanischen Kräften in Verbindung bringt, bezweifle ich nicht, daß er hier vorhanden ist und die Tiere damit in Berührung kommen.

Ein weitaus bedeutenderes Problem jedoch ist die Frage nach der Existenzmöglichkeit des fleischfressenden Ungeheuers, das seine Spuren auf der Lichtung hinterlassen hat. Wir wissen, daß dieses Plateau nicht größer als eine durchschnittliche englische Grafschaft ist. In diesem begrenzten Territorium haben seit unzähligen Jahren viele Lebewesen, die in der übrigen Welt ausgestorben sind, zusammengelebt. Nun sollte man nach einem so langen Zeitraum erwarten, daß die fleischfressenden Arten - ungehemmte Vermehrung vorausgesetzt - ihre Nahrungsvorräte längst erschöpft und somit entweder ihre Ernährungsweise umgestellt haben oder verhungert sind. Wir sehen, daß dies letztere nicht zutriffi. Wir können deshalb nur vermuten, daß das natürliche Gleichgewicht durch irgendeine Beschränkung aufrechterhalten wird, welche die Anzahl dieser räuberischen Kreaturen begrenzt. Eines der vielen interessanten Probleme also, die noch einer Lösung harren. Ich möchte hoffen, daß sich uns noch ferner Gelegenheit zum näheren Studium der fleischfressenden Dinosaurier bieten wird.«

»Und ich möchte hoffen, sie bietet sich nicht«, bemerkte ich.

Der Professor hob seine buschigen Augenbrauen.

»Vielleicht hat Professor Summerlee hierzu noch etwas zu bemerken«, sagte er, und die beiden Gelehrten begaben sich gemeinsam in dünne wissenschaftliche Höhenluft, wo die Möglichkeiten einer Modifikation der Geburtsrate und der Nahrungsreduktion als Beschränkungen im Daseinskampf gegeneinander ausgewogen wurden.

An diesem Vormittag erkundeten wir einen kleinen Teil des Plateaus, wobei wir den Sumpf der Pterodactylen sorgsam mieden und uns diesmal östlich vom Bach hielten. In dieser Richtung war das Land durchweg bewaldet und das Unterholz so dicht, daß wir nur langsam vorankamen.

Bisher habe ich nur von den Schrecken des Maple-White-Landes berichtet, es hatte aber auch seine schönen Seiten. Den ganzen Vormittag über wanderten wir zwischen lieblichen Blumen dahin. Sie waren meist weiß oder gelb, und unsere Professoren erklärten, daß dies die primitiven Blumenfarben seien. An vielen Stellen bedeckten sie den Boden wie ein dicker Teppich, in den wir bis zu den Knöcheln einsanken. Ihr Duft war schwer und fast betäubend. Die einheimische Biene summte überall herum. Die Äste vieler Bäume bogen sich unter der Last ihrer Früchte, von denen uns einige bekannt, andere dagegen völlig neu waren. Um eventuellen Vergiftungen vorzubeugen, nahmen wir nur von den Sorten, die von Vögeln angepickt waren. Wir trafen auf zahlreiche von wilden Tieren ausgetretene Pfade. An sumpfigen Stellen sahen wir eine Unmenge seltsamer Fußspuren, darunter viele vom Iguanodon. Einmal beobachteten wir einige dieser riesigen Geschöpfe, die in einem Hain ästen. Lord John konnte mit seinem Fernglas erkennen, daß auch sie Asphaltflecken trugen, allerdings an anderen Stellen als das Tier, das wir am Morgen untersucht hatten. Was dieses Phänomen zu bedeuten hatte, war uns nach wie vor ein Rätsel.

Wir sahen mehrere Kleintiere: Stachelschweine, einen schuppigen Ameisenbären und ein scheckiges Wildschwein mit langen, gebogenen Hauern.

Nach dem rätselhaften Besuch, der unserem Lager bei unserer ersten Abwesenheit abgestattet worden war, kehrten wir mit einer gewissen Bangigkeit dorthin zurück. Diesmal jedoch war alles in Ordnung.

An diesem Abend besprachen wir unsere gegenwärtige Lage und versuchten, einen Plan für die Unternehmungen der nächsten Tage aufzustellen. Ich muß etwas ausführlicher darüber berichten, weil wir zu einem Entschluß kamen, der uns viel Zeit sparen sollte.

Es war Professor Summerlee, der die Debatte eröffnete. Schon während des ganzen Tages war er mürrisch und verdrießlich gewesen, und ein Vorschlag Lord Johns, was am folgenden Tag unternommen werden sollte, hatte prompt zur Folge, daß sich seine angestaute Wut entlud.

»Was wir heute, morgen und schon längst tun müßten«, sagte er gereizt, »ist, einen Ausweg aus der Falle zu finden, in die wir geraten sind. Hier zerbricht sich alles den Kopf, wie wir tiefer in dieses Land hineinkommen, und ich finde, wir sollten lieber zusehen, wie wir wieder herauskommen.«

Professor Challenger schüttelte verständnislos den Kopf und strich sich über den Bart. »Wie ein Wissenschaftler eine derart niedrige Gesinnung an den Tag legen kann, ist mir unbegreiflich, werter Herr Kollege. Sie befinden sich in einem Gebiet, das mit seiner Fülle von Studienobjekten für einen ehrgeizigen Wissenschaftler und Naturforscher das Paradies schlechthin ist, und Sie wollen es verlassen, ehe wir auch nur die oberflächlichste Kenntnis seiner Beschaffenheit und seiner Bewohner sammeln konnten. Ich hatte mehr von Ihnen erwartet, Professor Summerlee.«

»Wenn ich recht informiert bin, mein lieber Challenger«, entgegnete Summerlee, »sind Sie noch nie mit einem Lehrauftrag bedacht gewesen, und daher unterscheidet sich Ihre Lage grundlegend von meiner. Ich nämlich habe in London Studenten zurückgelassen, die im Moment auf die höchst unzulänglichen Vorlesungen meines Vertreters angewiesen sind.«

»Ich habe deshalb die Tätigkeit eines Lehrers immer kategorisch abgelehnt, mein lieber Summerlee«, konterte der Professor, »weil ich es verwerflich finde, wenn ein Gehirn, das der Forschung zur Verfügung stehen sollte, sich im jämmerlichen Dienst des Lehramts verausgabt.«

»Immer kategorisch abgelehnt?« wiederholte Professor Summerlee. »Wann denn zum Beispiel?«

Lord John schaltete sich an dem Punkt schnell ein und wechselte das ffema.

»Ich muß sagen«, warf er ein, »daß ich es höchst bedauerlich fände, nach London zurückzukehren, ehe ich mehr über diesen Ort weiß, als es im Augenblick noch der Fall ist.«

»Und ich«, sagte ich, »würde es nicht wagen, meinem Chef, Mr. McArdle, mit derart dürftigen Ergebnissen unter die Augen zu treten. Er würde es mir nie verzeihen, wenn ich derart sensationelles Material ungenutzt zurückließe. Ganz abgesehen davon nützt alles Abwägen nichts, da wir das Plateau, selbst wenn wir es wollten, nicht verlassen können.«

»Unser junger Freund hier scheint die Lücken in seinem Wissen wenigstens durch ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand auszugleichen«, stellte Professor Challenger fest. »Die Interessen seines bedauerlichen Metiers sind für uns zwar unerheblich, aber seine Feststellung können wir nicht ignorieren: Wir können das Plateau nicht verlassen, also ersparen wir uns alle weiteren Diskussionen über einen eventuellen Rückzug, denn das wäre Energieverschwendung.«

»Etwas anderes zu unternehmen, wäre und ist Energieverschwendung«, brummelte Professor Summerlee hinter seiner Pfeife hervor. »Sie scheinen zu vergessen, daß wir mit einem ganz bestimmten und genau definierten Auftrag hierhergekommen sind. Das Zoologische Institut der Universität London hat uns in diese unwirtliche Gegend geschickt, damit wir die Glaubwürdigkeit von Professor Challengers Behauptungen überprüfen. Dies ist geschehen und wir sind in der Lage, unsere Aussagen zu machen, die - wie ich zugeben muß - zu Gunsten meines Kollegen ausfällt. Unsere Aufgabe ist erfüllt. Was die weiteren Einzelheiten anbelangt, die hier ...«

»Aber«, versuchte sich Lord John einzuschalten, jedoch erfolglos.

»Unterbrechen Sie mich bitte nicht«, schnitt ihm Professor Summerlee grimmig das Wort ab. »Was also die weiteren Einzelheiten anbelangt, die hier noch zu untersuchen bleiben, so sind diese so zahlreich und weitschweifig, daß eine mit den entsprechenden Hilfsmitteln ausgerüstete Expedition daran verzweifeln könnte. Falls wir anmaßend genug sind, diese Aufgabe erledigen zu wollen, kann das nur zur Folge haben, daß wir nie nach London zurückkehren und damit auch das Beweismaterial verloren geht, das wir bisher sammeln konnten.«

Lord John machte einen zweiten Versuch, kam aber wieder nicht zu Wort.

»Ich habe Sie gebeten, mich nicht zu unterbrechen«, sagte Professor Summerlee gereizt. »Als es den Anschein hatte, daß dieses Plateau absolut nicht zugänglich ist, hat Professor Challenger Mittel und Wege gefunden, uns doch hierher zu verschleppen. Ich fordere, daß er seinen Erfindungsgeist ein zweitesmal dazu benutzt, uns wieder herunterzuschaffen. Er soll uns in die Welt zurückführen, aus der wir gekommen sind.«

Ich muß gestehen, daß ich mich der Logik seiner Argumentation im Moment nicht entziehen konnte. Sogar Challenger wurde bei der Vorstellung, seine Feinde könnten recht behalten, nachdenklich. Nur durch unsere Rückkehr nach London konnten deren Behauptungen aus der Welt geschaffen werden. Kehrten wir nicht zurück, so war und blieb Professor Challenger in ihren Augen ein Lügner und Scharlatan.

»Das Problem des Abstiegs scheint auf den ersten Blick unlösbar«, sagte er, »ich bin jedoch überzeugt davon, daß man damit fertig werden kann. Ich bin bereit, meinem Kollegen zuzustimmen, daß ein längerer Aufenthalt auf dem Plateau gegenwärtig nicht empfehlenswert zu sein scheint und die Frage unserer Rückkehr demnächst geklärt werden muß. Ich lehne es jedoch entschieden ab, dieses Land zu verlassen, ehe wir es einigermaßen erforscht haben und eine Karte seiner groben Umrisse und Beschaffenheiten mit nach Hause bringen können.«

Professor Summerlee wehrte ungeduldig ab. »Zwei Tage haben wir schon damit vertrödelt, Erkundigungsmärsche zu unternehmen, und sind, was die geografische Beschaffenheit anbelangt, nicht schlauer als vorher. Daß das Plateau durchweg dicht bewaldet ist, steht fest. Wir würden Monate brauchen, um uns einigermaßen zu orientieren. Wenn es in der Mitte eine Art Erhebung geben würde, wäre das etwas anderes, aber bis jetzt haben wir doch nur in etwa feststellen können, daß das Land nach innen hin abfällt. Je weiter wir zur Mitte vordringen, desto weniger Aussichten haben wir, zu einem allgemeinen Überblick zu kommen.«

Und genau in dem Moment kam mir die Erleuchtung. Mein Blick fiel zufällig auf den Stamm des riesigen Gingkobaums, der seine weiten Äste über uns breitete. Wenn der Durchmesser seines Stammes alles übertraf, was wir bisher an Baumstämmen gesehen hatten, dann mußte das doch auch für seine Höhe gelten.

Wenn das Plateau von seinem Rand nach innen hin abfiel, so konnte uns doch dieser Baum als Aussichtspunkt dienen, von dem aus man möglicherweise ganz Maple-White-Land überblicken konnte.

An dieser Stelle muß ich einschieben, daß ich im Erklettern von Bäumen schon als Schulbub unübertroffen gewesen bin. Die beiden Professoren und Lord John mochten gute Bergsteiger sein, ich aber, das wußte ich, stand ihnen zumindest in nichts nach, was das Erklettern von Bäumen anbelangte. Wenn ich erst einmal einen der untersten Äste erreicht hatte, dann hätte es mich gewundert, wenn ich es nicht bis zur Spitze hinauf geschaffi hätte.

Die anderen waren von meiner Idee begeistert.

»Unser junger Freund«, sagte Professor Challenger und blähte die roten Backen, »wird immer einfallsreicher. Ich kann ihm nur gratulieren.«

»Allerdings!« rief Lord John und versetzte mir einen Schlag auf die Schulter. »Sie haben es erfaßt, Malone. Es ist mir unbegreiflich, daß wir nicht schon längst auf diese Lösung gekommen sind. In etwa einer Stunde wird es dunkel, aber für eine grobe Skizze reicht die Zeit. Los, stellen wir die drei Munitionskisten aufeinander, und schon sind Sie oben.«

Und einen Moment später war es der Fall. Während ich die flachen Hände gegen den Stamm gestützt hatte, hatte mich Lord John an den Fesseln gepackt und in die Höhe gestemmt, bis ich einen der untersten Äste hatte packen und mich an ihm in die Höhe hatte ziehen können.

Über mir drei Hauptäste, die mit ihrem Gewirr von Zweigen wie Leitern in die Höhe strebten. Ich kletterte so schnell nach oben, daß der Boden unter mir bald nur noch ein Ineinandergreifen von Grüntönen und ich ringsum von Laubwerk umgeben war. Da und dort geriet ich an ein Hindernis, mußte zum Beispiel über eine Strecke von gut zehn Metern hinweg an einer Schlingpflanze hochklettern, kam aber schnell voran, und Challengers Donnerstimme klang bald schon wie ein friedliches Grummeln unter mir. Trotzdem: Wenn ich nach oben blickte, immer noch keine Auftellung in dem Laub. Der Baum mußte eine unglaubliche Höhe haben.

An einem Ast, an dem ich mich gerade hocharbeitete, hing ein dicker Klumpen aus feinen Verästelungen, den ich für eine Schmarotzerpflanze hielt. Ich reckte den Kopf vor, um zu erspähen, was hinter dem Klumpen kam, und wäre vor Schreck und Entsetzen fast vom Baum gestürzt.

Ein Gesicht starrte mich an - aus einer Entfernung von höchstens ein bis zwei Fuß. Das Wesen, zu dem es gehörte, hatte hinter dem Busch gekauert und im gleichen Moment wie ich hervorgeblickt. Es war ein menschliches Gesicht, zumindest erschien es weit menschenähnlicher als das Gesicht eines Affen. Es war lang, weißlich und voller Warzen, die Nase platt, der Unterkiefer sprang weit vor und war am Kinn mit dicken, borstigen Stoppeln besetzt. Die Augen, die unter dichten, schweren Brauen hervorblickten, hatten einen bestialischen, grausamen Ausdruck. Als es den Mund öffnete, um mir etwas zuzuknurren, das sich wie ein Fluch anhörte, sah ich lange, gebogene Eckzähne. Einen Augenblick lang waren Haß und Drohung in den boshaften Augen, dann plötzlich ein Ausdruck panischer Angst. Äste krachten, und das seltsame Wesen tauchte im grünen Gewirr unter. Ich konnte noch einen letzten Blick auf einen rötlich behaarten Körper werfen, dann war es im Gestrüpp der Blätter und Zweige verschwunden.

»Was ist los?« brüllte Roxton von unten herauf. »Irgendwas nicht in Ordnung?«

»Haben Sie es nicht gesehen?« schrie ich, die Arme um den Ast geklammert und am ganzen Körper zitternd.

»Wir haben ein Knacken und Krachen gehört, als ob Sie abgerutscht wären. Was war das?«

Die plötzliche und seltsame Erscheinung dieses Affenmenschen war mir so in die Glieder gefahren, daß ich überlegte, ob ich wieder hinunterklettern und den anderen davon berichten sollte. Aber ich war schon so hoch droben in dem riesigen Baum, daß ich eine Umkehr vor Erfüllung meines Auftrages als Schande empfunden hätte.

So setzte ich also meinen Aufstieg fort, allerdings erst nach einer Pause, in der ich Atem geschöpft und neuen Mut gefaßt hatte. Einmal trat ich auf einen morschen Ast und hing für ein paar Sekunden nur an den Händen. Aber meistens war es ein leichtes Klettern. Allmählich wurde das Laub um mich dünner. Am Wind, der mir ins Gesicht blies, merkte ich, daß die anderen Bäume des Waldes längst unter mir lagen. Ich beschloß, mich nicht mehr umzusehen, bevor ich den allerhöchsten Punkt erreicht hatte. So arbeitete ich mich weiter hinauf, bis sich der oberste Ast unter meiner Last bog. Dort setzte ich mich in eine Gabelung, achtete auf mein Gleichgewicht und blickte hinab auf ein wundervolles Panorama.

Die Sonne stand über dem westlichen Horizont, der ausklingende Tag war besonders hell und klar, so daß ich das Plateau unter mir in seiner vollen Ausdehung überblicken konnte. Es war oval und etwa dreißig Meilen lang und zwanzig Meilen breit. Es glich einem flachen Trichter, dessen Wandungen zu einem mächtigen See im Zentrum abfielen. Dieser See mochte einen Umfang von zehn Meilen haben. Er leuchtete grün im Abendlicht. Ein dicker Schilfsaum umgab seinen Rand, seine Oberfläche war von mehreren gelben Sandbänken unterbrochen, die im Schein der untergehenden Sonne golden glänzten. Eine Anzahl dunkler Objekte, die für Alligatoren zu dick und für Kanus zu lang wirkten, lagen an den Rändern dieser Sandflächen. Mit meinem Fernglas konnte ich eindeutig erkennen, daß es sich um Lebewesen handelte.





Auf unserer Seite des Plateaus erstreckten sich bewaldete Hänge mit vereinzelten Lichtungen fünf bis sechs Meilen hinab zum See. Unmittelbar unter mir erblickte ich die Iguanodon-Wiese und etwas weiter entfernt eine Lücke in den Bäumen - den Sumpf der Pterodactylen.

Auf der gegenüberliegenden Seite bot das Plateau einen gänzlich anderen Anblick. Die äußeren Basaltklippen setzten sich dort zur Innenseite fort und bildeten eine etwa zweihundert Fuß hohe Mauer. Darunter lag ein waldiger Abhang. Am Fuß dieser roten Klippen, in einiger Höhe über dem Boden, konnte ich durch das Fernglas eine Anzahl dunkler Löcher erkennen, in denen ich Höhleneingänge vermutete. Etwas Weißes schimmerte in einer dieser Öffnungen, ich konnte aber nicht erkennen, was es war.

Ich saß und skizzierte das Land, bis die Sonne untergegangen war und ich in der Dunkelheit keine Einzelheiten mehr erkennen konnte. Dann kletterte ich hinab zu den anderen, die mich schon ungeduldig am Fuß des großen Baumes erwarteten. Jetzt war auch ich einmal der Held des Tages. Ich hatte die Idee gehabt, hatte sie allein in die Tat umgesetzt und die Kartenskizze gezeichnet, die uns einen Monat blinden Herumtappens inmitten unbekannter Gefahren ersparte.

Jeder schüttelte mir anerkennend die Hand. Bevor wir die Einzelheiten der Karte näher besprachen, mußte ich über meinen Zusammenstoß mit dem Affenmenschen in den Ästen berichten.

»Er muß schon die ganze Zeit über dort gewesen sein«, sagte ich.

»Woher wissen Sie das?« fragte Lord John.

»Weil ich schon die ganze Zeit das Gefühl hatte, daß uns irgend jemand beobachtete. Ich habe es Ihnen gegenüber erwähnt, Professor Challenger.«

Der Professor nickte. »Unser junger Freund hat tatsächlich etwas Derartiges gesagt. Er ist ja auch als einziger von uns mit dem keltischen Temperament begabt, das ihn für derartige Wahrnehmungen empfänglich macht.«

»Diese ^eorien über Telepathie ...«, schnaubte Summerlee geringschätzig und stopfte sich seine Pfeife.

»Sind zu umfangreich, um hier diskutiert zu werden«, schnitt ihm Challenger mit Bestimmtheit das Wort ab. »Und jetzt sagen Sie einmal, junger Mann, haben Sie zufällig beobachtet, ob dieses Wesen imstande ist, den Daumen über die Handfläche zu kreuzen?«



»Nein, habe ich nicht.«

»Besitzt es einen Schwanz?«

»Nein.«

»Hat es Füße, mit denen es greifen kann?«

»Ich glaube nicht, daß es so schnell hätte die Flucht ergreifen können, wenn es keinen festen Halt mit den Füßen gehabt hätte.«

» Falls mich mein Gedächtnis nicht im Stich läßt, gibt es in Südamerika - ich bitte Sie, mich zu korrigieren, wenn es nicht stimmt, Professor Summerlee - an die sechsunddreißig Affenarten, zu denen der Menschenaffe jedoch nicht zählt. Hier auf diesem Plateau scheint es ihn allerdings zu geben, er unterscheidet sich jedoch in seinem Äußeren vom Gorilla, den man nur in Afrika und im Fernen Osten antriffi. Hier handelt es sich nach der Beschreibung unseres jungen Freundes um einen bärtigen, pigmentarmen Typus, was durch sein Leben im Schatten der Bäume erklärt wird. Wir müssen uns nun die Frage stellen, ob er mehr dem Affen oder mehr dem Menschen gleicht. Triffi das letztere zu, so könnte es sich um das vielberedete >Bindeglied< handeln - wie sich Laien auszudrücken pflegen. Die Beantwortung dieser Frage dürfte im Moment unser dringendstes Anliegen sein.«

»Ganz und gar nicht«, sagte Professor Summerlee. »Da wir mit Hilfe der Intelligenz und Tatkraft Mr. Malones .«

(Verzeihen Sie, Mr. McArdle, aber ich kann nicht umhin, seine genauen Worte zu zitieren, denn ich bin stolz darauf.)

Also: »Da wir mit Hilfe der Intelligenz und Tatkraft Mr.

Malones endlich im Besitz einer Karte sind und somit die geografische Beschaffenheit des Plateaus kennen, muß es unser dringendstes und einziges Anliegen sein, so schnell wie möglich von hier wegzukommen.«

»An den Suppentopf der Zivilisation«, setzte Professor Challenger geringschätzig hinzu.

»O nein, werter Kollege - an das Tintenfaß der Zivilisation.« Professor Summerlee lächelte überlegen. »Es ist jetzt unsere zwingende Pflicht, die von uns ermittelten Ergebnisse zu Protokoll zu bringen und die weitere Erforschung des Gebiets anderen zu überlassen. Bevor Mr. Malone auf den Baum gestiegen ist, waren in dem Punkt alle mit mir einig.«

»Ich gebe zu«, sagte Professor Challenger, »daß auch ich ruhiger schlafen werde, wenn das Ergebnis unserer Expedition dem Zoologischen Institut in London und seinen notorischen Zweiflern übergeben ist. Wie wir allerdings von diesem Plateau herunterkommen sollen, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Da es jedoch für mich noch kein Problem gegeben hat, das ich nicht bewältigt hätte, verspreche ich Ihnen, mich morgen eingehend damit zu beschäftigen.« - Und dabei blieb es erst einmal.

Am Abend wurde beim Schein des Lagerfeuers und einer Kerze die erste Karte der verschollenen Welt aufgezeichnet. Jedes von mir nur grob angedeutete Detail wurde ausgearbeitet und in die richtige Relation gebracht.

Challengers Bleistift blieb schließlich über der Stelle hängen, die den See darstellte.

»Und wie nennen wir ihn?« fragte er.

»Vielleicht nach Ihnen«, sagte Professor Summerlee spitz. »Das wäre für Sie doch die Gelegenheit, Ihren Namen endlich verewigen zu können.«

»Mein Name, mein Bester, wird durch gravierendere Dinge verewigt und der Nachwelt überliefert werden«, sagte Professor Challenger ebenso spitz. »Jeder Dummkopf kann einen Berg oder einen Fluß nach sich benennen. Ich habe das nicht nötig, denn mir stehen andere Mittel zur Verfügung.«

Professor Summerlee verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen und wollte gerade zur nächsten Stichelei übergehen, aber Lord John schaltete sich schnell ein.

»Ich finde«, sagte er, »daß Mr. Melone den Namen bestimmen sollte. Er hat ihn schließlich als erster gesehen, und wenn er ihn Malone-See nennen will, so ist das sein gutes Recht.«

»Aber natürlich!« rief Professor Challenger. »Unser junger Freund soll entscheiden.«

»Gut«, sagte ich und spürte, wie mir bereits die Röte ins Gesicht stieg. »Ich bin für Gladys-See.«

»Wäre Zentralsee nicht angebrachter?« gab Professor Summerlee zu bedenken.

»Vielleicht«, sagte ich. »Ich bin aber trotzdem für Gladys-See.«

Challenger bedachte mich mit einem väterlich mitleidigen Blick. »Diese Kinder!« sagte er kopfschüttelnd. »Also meinetwegen - dann eben Gladys-See.«

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